Language of document : ECLI:EU:T:2014:1085



BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

15. Dezember 2014 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Zulassung von Humanarzneimitteln – Antrag auf einstweilige Anordnung – Fehlende Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑672/14 R

Dr. August Wolff GmbH & Co. KG Arzneimittel mit Sitz in Bielefeld (Deutschland),

Remedia d.o.o. mit Sitz in Zagreb (Kroatien),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Klappich, C. Schmidt und P. Arbeiter,

Antragstellerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Šimerdová, A. Sipos und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Durchführungsbeschlusses C (2014) 6030 final der Europäischen Kommission vom 19. August 2014 über die Zulassungen für Humanarzneimittel zur topischen Anwendung mit hohen Estradiol-Konzentrationen gemäß Art. 31 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Die Antragstellerin Dr. August Wolff GmbH & Co. KG Arzneimittel (im Folgenden: Wolff) ist Inhaberin der in mehreren Mitgliedstaaten (Deutschland, Bulgarien, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei, Litauen, Lettland und Estland) erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen der von ihr hergestellten verschreibungspflichtigen Arzneimittel Linoladiol N bzw. Linoladiol N 0,1 mg/g Gel oder Linoladiol N 0,1 mg/g vaginal cream (im Folgenden: Linoladiol N). Die Antragstellerin Remedia d.o.o. (im Folgenden: Remedia) ist Inhaberin der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Linoladiol N in Kroatien.

2        Linoladiol N enthält als Wirkstoff das Hormon Estradiol mit einem Masseanteil von 0,01%. Es wird als Creme zur Behandlung von atrophischen Beschwerden an Vagina und Vulva verabreicht, die auf einen Östrogenmangel zurückzuführen sind, wie atrophische Kolpitis, Kohabitationsbeschwerden, Vaginalstenosen oder Vulvaatrophie mit Juckreiz und Brennen. Linoladiol N wird in Packungsgrößen von 25g, 35g, 50g und 100g vertrieben.

3        Wolff vertreibt Linoladiol N überwiegend in Deutschland. In den Jahren 2009 bis 2013 verteilte sich der Absatz zu ca. 23% auf die 25g-Packung, zu ca. 29% auf die 50g-Packung und zu ca. 48% auf die 100g-Packung. Die Tendenz zur Verschrei-bung der größeren Packungsgrößen von 50g bzw. von 100g erklärt sich daraus, dass Linoladiol N überwiegend über längere Zeiträume angewendet wird und die Kosten pro Anwendung proportional umso mehr sinken, je größer die verwendete Packungsgröße ist.

4        Wolff exportiert Linoladiol N über Vertriebspartner auch in das europäische Ausland. Nach Kroatien, Bulgarien und Ungarn sowie in die Tschechische Republik und die Slowakei findet der Export ausschließlich in 50g-Packungen statt. Der Export nach Estland und Lettland umfasst sowohl die 25g- als auch die 50g-Packung, wobei bevorzugt 50g-Packungen verschrieben werden.

5        Wolff realisierte in den Jahren 2009 bis 2013 mit dem Absatz von Linoladiol N in Deutschland Umsätze in Höhe von mehr als 7 Mio. Euro. Davon entfielen auf die 50g- und die 100g-Packungen zusammen Umsätze von 6 Mio. Euro, was einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 1,2 Mio. Euro und bei Hinzurechnung der Umsätze aus den Exporten in die anderen Mitgliedstaaten von 1,47 Mio. Euro entspricht. Dies sind rund 87% des durchschnittlichen jährlichen Gesamtumsatzes mit Linoladiol N von ca. 1,7 Mio. Euro.

6        Der deutsche Markt für topische Sexualhormone gliedert sich auf in Estriol-Mono-Präparate, Estradiol-Mono-Präparate und Kombinationspräparate. Auf dem Teilmarkt der Estradiol-Mono-Präparate ist Linoladiol N mit einem Marktanteil von 52,6% marktführend. Den nächstgrößeren Marktanteil hat das Arzneimittel Vagifem 25 Mikrogramm Vaginaltabletten mit einem Marktanteil von 41,6%. Es folgt Estring 2mg Vaginalinsert mit einem Marktanteil von 3,9%.

7        Remedia vertreibt die 50g-Packung von Linoladiol N für Wolff auf dem kroatischen Markt. Für ihre Vertriebstätigkeit erhält sie eine Provision in Höhe von 20% und einen Werbekostenzuschuss in Höhe von 13% des Gesamtumsatzes mit Linoladiol N in Kroatien. Im Jahr 2013 verzeichnete Remedia einen für die Berechnung der Provision und des Werbekostenzuschusses relevanten Umsatz von 1 767 700 Kroatischen Kuna (HRK), was 230 000 Euro entspricht, während ihr Gesamtumsatz in diesem Jahr 5,6 Mio. HRK betrug. In den letzten Jahren war Linoladiol N mit einem durchschnittlichen Anteil von 29,16% am Gesamtumsatz das wirtschaftlich bedeutsamste Produkt von Remedia.

8        Seit Juni 1978 galt Linoladiol N in Deutschland nach dem Arzneimittelgesetz als fiktiv zugelassen. 1989 und 1993 beantragte Wolff bei der zuständigen deutschen Behörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Verlängerung dieser fiktiven Zulassung. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2003 erhob das BfArM Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit und der Sicherheit des Arzneimittels und machte pharmakologische Mängel geltend; Wolff wurde eine Mängelbeseitigungsfrist gesetzt. Mit Bescheid vom 26. September 2005 versagte das BfArM sodann die Verlängerung der Zulassung für Linoladiol N.

9        Die von Wolff gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde vom Verwaltungs-gericht Köln durch Urteil vom 27. Oktober 2009 mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, da die therapeutische Wirksamkeit des Arzneimittels nach dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet sei. Auf die Berufung von Wolff hob das Oberverwal-tungsgericht Münster mit Urteil vom 13. März 2013 das erstinstanzliche Urteil sowie den Versagungsbescheid mit der Begründung auf, das BfArM habe nicht dargetan, dass die Anwendung von Linoladiol N eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit hervorrufe. Daraufhin erteilte das BfArM mit Bescheid vom 11. Juli 2013 die Nachzulassung für Linoladiol N.

10      Noch während des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens befasste die Bundesrepublik Deutschland am 24. Mai 2012 den Ausschuss für Humanarznei-mittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) im Rahmen des Risikover-fahrens nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarz-neimittel (ABl. L 311, S. 67) mit Informationen zu Linoladiol N und zu ähnlich dosierten Estradiol-haltigen Arzneimitteln. Dabei gaben die deutschen Behörden an, dass die Verwendung von Linoladiol N zu höheren Mengen von Estradiol im menschlichen Körper führe als Vergleichsprodukte und dass Sicherheitsbedenken gegen diese höheren Estradiol-Mengen bestünden.

11      Der Ausschuss für Humanarzneimittel, der innerhalb der EMA mit Stellung-nahmen zu Humanarzneimittel betreffenden Fragen betraut ist, nahm ein erstes Gutachten an, dem zufolge die Anwendung von Arzneimitteln wie Linoladiol N die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen sollte. Wolff ersuchte nach Art. 32 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 um Überprüfung dieses ersten Gutachtens. Die end-gültigen wissenschaftlichen Schlussfolgerungen des Ausschusses für Humanarz-neimittel bestätigten jedoch die Beschränkung der intravaginalen Applikation auf vier Wochen, weil die Befürchtung bestehe, dass eine langfristige Anwendung von höheren Estradiol-Dosen schwere Risiken nach sich ziehen werde und insbe-sondere ein Anstieg der Gefahr von Thrombosen und Krebs zu befürchten sei.

12      Im Einklang mit den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen des Ausschusses für Humanarzneimittel erließ die Europäische Kommission am 19. August 2014 den Durchführungsbeschluss C (2014) 6038 über die Zulassungen für Humanarznei-mittel zur topischen Anwendung mit hohen Estradiol-Konzentrationen gemäß Art. 31 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Dieser Beschluss verpflichtet die EU-Mit-gliedstaaten im Wesentlichen, die nationalen Genehmigungen für das Inverkehr-bringen von Arzneimitteln wie Linoladiol N dahin gehend zu ändern, dass Fachin-formation und Packungsbeilage eine längere Behandlung als vier Wochen nicht empfehlen. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem sicherstellen, dass Linoladiol N in 35g-, 50g- und 100g-Packungen binnen drei Monaten vom Markt genommen wird.

13      Mit Klageschrift, die am 19. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einge-gangen ist, haben die Antragstellerinnen beantragt, den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, für die in Anhang I genannten und nicht genannten Arzneimittel mit 0,01 Gew.-% Estradiol zur topischen Anwendung die in diesem Beschluss auferlegten Ver-pflichtungen zu beachten, mit Ausnahme der Einschränkung, dass die in Anhang I genannten Arzneimittel mit 0,01 Gew.-% Estradiol zur topischen Anwendung nur noch intravaginal appliziert werden dürfen.

14      Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen vorläufigen Rechtsschutz begehrt und im Kern beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss insoweit auszusetzen, als die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, für die in Anhang I genannten und nicht genannten Arzneimittel mit 0,01 Gew.-% Estradiol zur topischen Anwendung die in diesem Beschluss auferlegten Verpflichtungen zu beachten, mit Ausnahme der Einschränkung, dass die in Anhang I genannten Arzneimittel mit 0,01 Gew.-% Estradiol zur topischen Anwendung nur noch intravaginal appliziert werden dürfen;

–        dem Antrag ohne Stellungnahme der Antragsgegnerin nach Art. 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts stattzugeben;

–        die Entscheidung über die Verfahrenskosten der Hauptsache vorzubehalten.

15      Mit Beschluss vom 2. Oktober 2014 hat der Präsident des Gerichts dem Eilantrag gemäß Art. 105 § 2 der Verfahrensordnung stattgegeben.

16      In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 16. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt,

–        den Antrag in Bezug auf Remedia als unzulässig, insgesamt aber jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen;

–        den Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17      Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 haben die Antragstellerinnen zu der von der Kommission geltend gemachten Zulässigkeitsrüge Stellung genommen.

 Gründe

 Allgemeine Erwägungen

18      Nach den Art. 278 und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

19      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der Eilrichter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (Fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und irreparablen Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu treffen und wirksam werden zu lassen (Beschluss vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg, EU:C:1995:257, Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg, EU:C:1996:381, Rn. 30). Der Eilrichter nimmt gegebenen-falls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, EU:C:2001:123, Rn. 73).

20      Im Übrigen verfügt der Eilrichter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen. Er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschie-denen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein feststehendes Prüfungs-schema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Eilentscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., EU:C:1995:257, Rn. 23, und Beschluss vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], EU:C:2007:209, Rn. 25).

21      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für die von den Organen der Union erlas-senen Rechtsakte die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht. Art. 278 AEUV stellt daher den Grundsatz auf, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben. Der Eilrichter kann mithin nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen (Beschlüsse vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg, EU:C:2000:415, Rn. 44, und vom 17. Dezember 2009, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kom-mission, T‑396/09 R, EU:T:2009:526, Rn. 42).

22      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

23      Vorliegend ist zunächst die Dringlichkeit des Erlasses der beantragten Eilmaß-nahme zu prüfen.

 Zur Dringlichkeit

24      Die Antragstellerinnen tragen vor, bei Zurückweisung ihres Eilantrags entstünden ihnen schwere Schäden, die auch im Wege späterer Schadensersatzprozesse nicht wieder gutzumachen wären. Sie würden nämlich gezwungen, die absatz- und umsatzstärksten Verpackungsgrößen von Linoladiol N mit jeweils 100g und 50g vom Markt zu nehmen, was für Wolff zu einem Verlust des mit diesem Arznei-mittel in Deutschland erzielten durchschnittlichen Jahresumsatzes in Höhe von 87% führen würde. In Kroatien, Bulgarien, Tschechien und Ungarn, wo nur 50g-Packungen vertrieben würden, wäre sogar ein vollständiger Umsatzrückgang zu erwarten. Für Wolff beliefe sich der jährliche Umsatzverlust auf 1,5 Mio. Euro. Remedia würde sogar fast ein Drittel ihres jährlichen Gesamtumsatzes einbüßen und wäre somit in ihrer Existenz gefährdet.

25      Die beschriebenen Umsatzeinbußen und Verluste von Marktanteilen könnten durch einen vermehrten Absatz mit 25g-Packungen nicht kompensiert werden. Wegen der Begrenzung des Anwendungszeitraums von Linoladiol N auf eine Behandlungsdauer von einmalig vier Wochen würde das Arzneimittel von Ärzten nicht mehr dauerhaft verschrieben und von Patientinnen nicht mehr dauerhaft angewendet werden. Die meisten Patientinnen mit dauerhaften Beschwerden würden von Linoladiol N gänzlich Abstand nehmen und zwangsläufig auf Produkte von Wettbewerbern ausweichen.

26      Die Antragstellerinnen könnten einen solchen Wechsel zu Konkurrenzprodukten auch nach einer erfolgreichen Nichtigkeitsklage nicht mehr rückgängig machen. Bei sofortigem Vollzug des angefochtenen Beschlusses wäre nämlich ein nachhal-tiger Vertrauensverlust bezüglich der Anwendung von Linoladiol N wahrschein-lich, weil sich ein einmal verlorenes Vertrauen in einen so sensiblen Aspekt wie die Arzneimittelsicherheit nach allgemeiner Erfahrung kaum wieder herstellen lasse. Jedenfalls müssten für den Versuch, das Vertrauen in die Sicherheit von Linoladiol N zurückzugewinnen, umfangreiche Maßnahmen getroffen werden. So müsste die Ärzteschaft durch wiederholte Informationsschreiben aufgeklärt werden und wären Anzeigenschaltungen in gynäkologischen Fachzeitschriften erforderlich, wofür allein in Deutschland Kosten von mindestens 2 Mio. Euro zu veranschlagen wären. Diese Kosten stünden in keinem Verhältnis zu dem jährlichen Umsatz mit Linoladiol N, da sie mehr als doppelt so hoch seien wie der 2013 in Deutschland realisierte Umsatz. Außerdem drohte den Antragstellerinnen ein Image- und Reputationsschaden, weil sie dafür verantwortlich gemacht würden, jahrzehntelang ein Medikament vertrieben zu haben, das bei dauerhafter Anwendung Gesundheitsprobleme verursache. Dies hätte negative Folgen auch für den Umsatz mit anderen Produkten der Antragstellerinnen, wobei sich der insoweit entstehende Schaden nicht genau beziffern ließe.

27      Schließlich wäre ein vollständiger Ausgleich der den Antragstellerinnen verur-sachten Schäden in einem Schadensersatzprozess nicht möglich. Sie könnten nämlich weder die aus dem Vertrauensverlust resultierenden Schäden quanti-fizieren noch die durch den angefochtenen Beschluss bewirkten Umsatzverluste beweisen, da sie mit weit in die Zukunft hineinreichenden Vermutungen argu-mentieren müssten und viele unterschiedliche Faktoren die Umsatzzahlen beein-flussen könnten. Daher werde ein etwaiger Schadensersatz hinter den tatsäch-lichen Schäden zurückbleiben. Überdies machten die Antragstellerinnen formelle Rechtsmängel des angefochtenen Beschlusses geltend, die keine drittschützenden Vorschriften beträfen. Sollten nur diese und keine materiell-rechtlichen Verstöße zum Erfolg ihrer Nichtigkeitsklage führen, könnten sie keinen Schadensersatz erlangen, da hierfür rein formelle Fehler nicht ausreichten.

28      Die Kommission ist hingegen der Auffassung, die Antragstellerinnen hätten die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung nicht dargetan.

29      Dazu ist festzustellen, dass das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Zweck verfolgt, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Haupt-sache sicherzustellen und so die Lückenlosigkeit des vom Unionsrichter gewährten Rechtsschutzes zu gewährleisten (Beschluss vom 3. Mai 1996, Deutschland/Kommission, C‑399/95 R, Slg, EU:C:1996:193, Rn. 46). Im Hinblick darauf ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dringlich, wenn dem Antragsteller andernfalls ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 18. November 1999, Pfizer Animal Health/Rat, C‑329/99 P[R], Slg, EU:C:1999:572, Rn. 94). Der Antragsteller hat die Umstände glaubhaft zu machen, die den Eintritt eines solchen Schadens erwarten lassen (Beschlüsse vom 29. Juni 1993, Deutschland/Rat, C‑280/93 R, Slg, EU:C:1993:270, Rn. 34, und vom 17. Juli 2001, Kommission/NALOO, C‑180/01 P‑R, Slg, EU:C:2001:423, Rn. 53).

30      Im vorliegenden Fall machen die Antragstellerinnen zunächst einen Schaden finanzieller Art geltend, und zwar auch insoweit, als sie sich auf den drohenden Verlust ihrer Marktanteile berufen. Der von einem Unternehmen gehaltene Marktanteil bezeichnet nämlich die Menge der Waren, die das betreffende Unternehmen auf dem relevanten Markt an seine Kunden während eines bestimmten Bezugszeitraums, gemessen an der Gesamtheit der auf diesem Markt gehandelten Waren, verkauft. Verliert das Unternehmen diesen Marktanteil, entgehen ihm die Gewinne, die es andernfalls mit dem Verkauf seiner Waren erzielen könnte (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 18. Juni 2008, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07 R, EU:T:2008:214, Rn. 75 und 76, und vom 28. April 2009, United Phosphorus/Kommission, T‑95/09 R, EU:T:2009:124, Rn. 64; vgl. auch Beschluss vom 11. April 2001, Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, C‑471/00 P[R], Slg, EU:C:2001:218, Rn. 110 und 113).

31      Den finanziellen Schaden beziffern die Antragstellerinnen für Wolff auf jährlich 1,5 Mio. Euro und für Remedia auf jährlich 230 000 Euro. Sie machen geltend, Wolff werde 87% ihres in Deutschland mit Linoladiol N erzielten Jahresumsatzes und Remedia fast ein Drittel ihres jährlichen Gesamtumsatzes einbüßen. Sie gehen zudem davon aus, dass etwaige Maßnahmen zur Wiedergewinnung des Vertrauens in das Arzneimittel Linoladiol N allein in Deutschland mindestens 2 Mio. Euro kosten würden.

32      Nach ständiger Rechtsprechung wird ein derartiger Schaden grundsätzlich nicht als irreparabel angesehen, da er in der Regel Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann. In einem solchen Fall ist der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn bei sofortigem Vollzug des beanstandeten Rechtsakts vor Erlass der Entscheidung zur Hauptsache die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers gefährdet wäre oder seine Marktanteile irreversibel und gravierend verändert würden. Bei der Prüfung dieser beiden Ausnahmetatbestände ist die finanzielle Leistungsfähigkeit – bezogen insbesondere auf den Gesamtumsatz – nicht nur des Antragstellers, sondern auch des Konzerns zu berücksichtigen, dem er unmittelbar oder mittelbar angehört (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 7. März 2013, EDF/Kommission, C‑551/12 P[R], Slg, EU:C:2013:157, Rn. 54; vgl. auch Beschlüsse vom 4. Dezember 2007, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07 R, Slg, EU:T:2007:364, Rn. 98 bis 102, und vom 21. Juni 2011, MB System/Kommission, T‑209/11 R, EU:T:2011:297, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Dem Antragsteller obliegt es, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines schweren und irreparablen Schadens begründen sollen. Er hat insoweit konkrete und spezifische Informationen zu liefern und diese durch detaillierte Dokumente zu belegen, anhand deren sich die Richtigkeit seiner Informationen überprüfen lässt. Falls der Antragsteller einem Konzern angehört, ist bei der Beurteilung der Frage, ob ihm ein derartiger Schaden droht, auch die finanzielle Situation dieses Konzerns zu berücksichtigen (vgl. Beschluss MB System/Kommission, EU:T:2011:297, Rn. 28 und 31), so dass der Antragsteller auch vollständige Angaben zu den Wirtschafts- und Finanzdaten des Konzerns machen und diese belegen muss (Beschluss vom 11. März 2013, Iranian Offshore Engineering & Construction/Rat, T‑110/12 R, Slg, EU:T:2013:118, Rn. 19 und 21).

34      Der vorliegende Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz genügt den Anforderungen dieser Rechtsprechung nicht.

35      So haben die Antragstellerinnen in Bezug auf Wolff nicht einmal behauptet, geschweige denn dargetan, dass bei sofortigem Vollzug des angefochtenen Beschlusses die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens in Frage gestellt wäre. Sie haben lediglich die durch einen Rückgang des Linoladiol N-Absatzes verursachten Verluste beschrieben und quantifiziert, ohne diese Verluste in Relation zu der wirtschaftlichen und finanziellen Gesamtsituation von Wolff, insbesondere zu dem mit allen Wolff-Produkten erzielten Gesamtumsatz, zu setzen. Die Antragstellerinnen haben sich in ihrem Eilantrag auch nicht von Wolffs Internetauftritt distanziert, dem zufolge die „Dr. Wolff-Gruppe“ vor allem dank der „Gewinner-Produkte“ Alpecin, Linola, Vagisan, Biorepair und Plantur das Geschäftsjahr 2013 mit einem „Rekordumsatz von 207 Mio. Euro“ abge-schlossen hat, wobei sich innerhalb der „Unternehmensgruppe“ der kosmetische Bereich auf einen Umsatz von 141 Mio. Euro und der medizinische Bereich auf ein Umsatzvolumen von 66 Mio. Euro entwickelt habe. Diese Angaben zur Finanzkraft des Wolff-Konzerns lassen es ausgeschlossen erscheinen, dass die vorstehend bezifferten Einbußen beim Absatz von Linoladiol N Wolffs finanzielle Leistungsfähigkeit in existenzgefährdender Weise übersteigen könnten.

36      Soweit die Antragstellerinnen geltend machen, Remedia drohten Verluste in Höhe eines Drittels ihres jährlichen Gesamtumsatzes, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Antragsteller als umsichtigem und besonnenem Wirtschaftsteilnehmer obliegt, eine angemessene Sorgfalt an den Tag zu legen, um die Entstehung des befürchteten Schadens zu verhindern bzw. dessen Umfang zu begrenzen; andernfalls hat er den Schaden im Rahmen seines unternehmerischen Risikos selbst zu tragen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 15. Juli 2008, CLL Centres de langues/Kommission, T‑202/08 R, EU:T:2008:293, Rn. 73 und 74, vom 1. Februar 2001, Free Trade Foods/Kommission, T‑350/00 R, Slg, EU:T:2001:37, Rn. 59, und vom 10. Juli 2009, TerreStar Europe/Kommission, T‑196/09 R, EU:T:2009:270, Rn. 85 bis 87). In diesem Zusammenhang hat der Präsident des Gerichtshofs mit Beschluss vom 11. April 2001, Kommission/Bruno Farmaceutici u.a. (C‑474/00 P[R], Slg, EU:C:2001:219, Rn. 107 bis 109), den gegen die Nichtzulassung eines Humanarzneimittels gerichteten Eilantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der geltend gemachte finanzielle Schaden – obwohl er sich auf fast zwei Drittel des Umsatzes des Antragstellers belief – rechtfertige die beantragte Aussetzung des Vollzugs nicht, weil der Antragsteller auf dem streng reglementierten Markt für Humanarzneimittel tätig sei, auf dem die zuständigen Behörden aus Gründen, die für die betroffenen Unternehmen nicht immer vorhersehbar seien, zu schnellem Eingreifen gezwungen sein könnten, so dass es Sache dieser Unternehmen sei, sich vor den Konsequenzen solcher Eingriffe durch geeignete Vorkehrungen zu schützen, um den daraus entstehenden Schaden nicht selbst tragen zu müssen.

37      Im vorliegenden Fall hat sich Remedia bewusst dafür entschieden, ihre Geschäfts-tätigkeit schwerpunktmäßig auf den Vertrieb des von Wolff produzierten Arznei-mittels Linoladiol N auszurichten. Als umsichtige und besonnene Unternehmerin war sie daher gehalten, sich regelmäßig und umfassend über etwaige Vorhaben zur Reglementierung dieses Arzneimittels zu informieren und zu diesem Zweck Erkundigungen bei den zuständigen Behörden, bei einschlägigen Berufsverbänden und nicht zuletzt bei ihrem Geschäftspartner Wolff selbst einzuholen. Wäre Remedia dieser Obliegenheit nachgekommen, hätte ihr nicht verborgen bleiben können, dass das BfArM bereits im Jahr 2003 Bedenken hinsichtlich der Wirk-samkeit und der Sicherheit von Linoladiol N geäußert hatte, dass sich daraus ein mehrjähriges Gerichtsverfahren entwickelte (siehe oben, Rn. 8 und 9) und dass auf EU-Ebene der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel im Rahmen des Risikoverfahrens nach der Richtlinie 2001/83 im Mai 2012 mit der Linoladiol N-Problematik befasst wurde (siehe oben, Rn. 10). Remedia hätte daher in ihrem eigenen Interesse bereits vor zehn Jahren, spätestens aber im Mai 2012 die Diversifizierung ihrer Geschäftstätigkeit vorantreiben und ihre Abhängigkeit von Linoladiol N nachhaltig verringern müssen. Da Remedia dies unterlassen hat, muss sie den aus ihren Umsatzverlusten resultierenden Schaden im Rahmen ihres unternehmerischen Risikos selbst tragen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 18. Juni 2008, Dow AgroSciences u.a./Kommission, T‑475/07 R, EU:T:2008:214, Rn. 116).

38      Soweit die Antragstellerinnen sich auf den Schaden wegen des ihnen entstehenden Reputationsverlusts und wegen des Vertrauensverlusts bezüglich der Anwendung von Linoladiol N berufen, ist ihrem Vorbringen ebenfalls kein Erfolg beschieden.

39      Die Antragstellerinnen haben nämlich selbst darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, den negativen Eindruck bei Ärzten und Patientinnen durch gezielte Aufklärungs- und Werbemaßnahmen zu bereinigen. Sie haben die Kosten derartiger Maßnahmen zwar nur für Deutschland beziffert, jedoch nicht behauptet, dass eine entsprechende Quantifizierung für andere Mitgliedstaaten ausgeschlossen sei. Sie haben auch nicht vorgetragen, dass die Wiedergewinnung ihrer Reputation und des Vertrauens in die Anwendung von Linoladiol N durch geeignete Maßnahmen wegen Hindernissen struktureller oder rechtlicher Art unmöglich sei (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 11. April 2001, Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, C‑471/00 P(R), Slg, EU:C:2001:218, Rn. 110 und 111). Im Übrigen dürfte der Reputationsverlust nicht die von den Antragstellerinnen befürchtete „stigmatisierende“ Wirkung haben und auch nicht ihre anderen Produkte erfassen, da in den einschlägigen Fachkreisen durchaus die Erkenntnis besteht, dass das Verbot eines Arzneimittels – wenn es, wie hier, nicht wegen erwiesener unmittelbarer und konkreter Gefahr für die Volksgesundheit verhängt wird – zumeist nur auf verbesserten Analysemethoden beruht und somit kaum dem allgemeinen Ansehen des betreffenden Unternehmens schadet (Beschluss Dow AgroSciences u.a./Kommission, EU:T:2008:214, Rn. 93 und 100).

40      In diesem Zusammenhang haben die Antragstellerinnen bemerkt, dass das Vertrauen von Patientinnen und Ärzten in einen so sensiblen Aspekt wie die Sicherheit eines Arzneimittels besonders leicht beeinträchtigt werde, wenn vermeintlich erforderliche Maßnahmen zu dessen Risikominimierung erst einmal publik geworden seien. Dazu ist festzustellen, dass diese befürchtete Publizität bereits erfolgt ist. So findet sich in den Internet-Ausgaben der Pharmazeutischen Zeitung und des Deutschen Ärzteblatts vom 28. April 2014 der Hinweis, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA empfohlen habe, die Anwendungs-dauer für Linoladiol N auf vier Wochen zu beschränken, da nach Ansicht des Aus-schusses die Gefahr bestehe, dass es bei langfristiger Anwendung zu schweren Komplikationen (Blutgerinnsel, Schlaganfall und Gebärmutterkrebs) komme. Sodann verweist die Homepage der EMA vom 19. August 2014 darauf, dass die Kommission die Risikobewertung des Ausschusses für Humanarzneimittel teile und auf dessen Empfehlung den angefochtenen Beschluss erlassen habe. Auch das deutsche Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen informiert auf seiner Homepage mit Datum vom 26. August 2014 über den Erlass des angefochtenen Beschlusses.

41      Damit ist bei Ärzten und Patientinnen der Vertrauensschaden bereits entstanden, den die Publikation der von Linoladiol N ausgehenden Gefahren nach Ein-schätzung der Antragstellerinnen in einem so sensiblen Bereich wie der Arznei-mittelsicherheit verursacht. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Eilverfahren vor dem Gericht jedoch nicht mit dem Ziel betrieben werden, den Ersatz eines bereits erlittenen Schadens zu erlangen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. August 2008, Melli Bank/Rat, T‑246/08 R, EU:T:2008:301, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen wäre eine lediglich vorübergehende Aussetzung des angefochtenen Beschlusses durch den Eilrichter nach einer rein summarischen Prüfung des Fumus boni iuris kaum geeignet, die Bedenken von Ärzten und Patientinnen zu zerstreuen, die auf der Risikobewertung beruhen, zu der wissenschaftliche Experten und Fachkräfte der EMA sowie der Kommission in einem zwei Jahre dauernden Verwaltungsverfahren (siehe oben, Rn. 10 bis 12) gelangt sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss Dow AgroSciences u.a./Kommis-sion, EU:T:2008:214, Rn. 94).

42      Soweit die Antragstellerinnen behaupten, der geltend gemachte Schaden sei deshalb irreparabel, weil sie nachträglich keinen vollständigen Schadensersatz erlangen könnten, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung schon die bloße Möglichkeit, eine Schadensersatzklage nach Art. 268 und 340 AEUV zu erheben, die Irreparabilität des betreffenden Schadens ausschließt. Die ungewissen Erfolgsaussichten einer derartigen Klage machen als solche den Schaden nicht irreparabel. Im Stadium des vorläufigen Rechtsschutzes ist die Möglichkeit, später im Rahmen einer Schadensersatzklage Ersatz für den geltend gemachten Schaden zu erlangen, nämlich zwangsläufig ungewiss. Es ist jedoch nicht Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, eine derartige Schadensersatzklage zu ersetzen, um diese Ungewissheit auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 14. Dezember 2001, Kommission/Euroalliages u. a., C‑404/01 P[R], Slg, EU:C:2001:710, Rn. 70 bis 75, und vom 24. April 2009, Nycomed Danmark/EMEA, T‑52/09 R, EU:T:2009:117, Rn. 72 und 73).

43      Was die von den Antragstellerinnen angesprochenen Quantifizierungsprobleme betrifft, so ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Gericht insoweit den Sachverhalt frei würdigen darf und die Wahl der Methode für die Bestimmung der Schadenshöhe in seinem Ermessen steht (Urteil vom 21. Februar 2008, Kommission/Girardot, C‑348/06 P, Slg, EU:C:2008:107, Rn. 72, 74 und 76). Das Gericht kann somit in einem späteren Schadensersatzprozess die den Antragstel-lerinnen entstandenen Schäden – gegebenenfalls einen entsprechenden Mindest-schaden – im Wege der Schätzung (abstrakt) berechnen und dabei auf die Ent-wicklung der Marktanteile sowie der daraus resultierenden Gewinne abstellen, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Juni 2013, Rubinum/Kommission, T‑201/13 R, EU:T:2013:296, Rn. 50). Das Gericht kann sich auch mit Schätzungen auf der Grundlage statistischer Durchschnittswerte begnügen, wobei die Antragstellerinnen die Angaben, auf denen diese Schätzung beruht, im Rahmen des Möglichen zu beweisen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2010, BST/Kommission, T‑452/05, Slg, EU:T:2010:167, Rn. 168 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Die Antragstellerinnen tragen schließlich vor, falls der angefochtene Beschluss nicht wegen materiell-rechtlicher Rechtsverstöße, sondern nur wegen formeller Mängel für nichtig erklärt werden sollte, bleibe ihre spätere Schadensersatzklage aus diesem Grund erfolglos. In der Tat wird die außervertragliche Haftung der Union nur dann ausgelöst, wenn die für rechtswidrig erklärte Maßnahme unter Missachtung einer höherrangigen, den Schutz Einzelner bezweckenden Rechts-norm ergangen ist, was etwa bei einem Verstoß gegen Vorschriften über die Verteilung von Zuständigkeiten nicht der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, Slg, EU:C:2012:216, Rn. 80 und 81). Wie die Kommission jedoch zu Recht ausgeführt hat, wären bei einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses aus rein formalen Gründen die vom Ausschuss für Humanarzneimittel geäußerten materiell-rechtlichen Gesundheits-bedenken nicht entkräftet. Die Kommission würde daher in Umsetzung des Nichtigkeitsurteils aller Voraussicht nach gemäß Art. 266 Abs. 1 AEUV einen neuen Beschluss erlassen, durch den die Anwendung von Linoladiol N im Interesse des Gesundheitsschutzes erneut beschränkt würde.

45      Nach alledem ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen, da die Antragstellerinnen nicht die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung dargetan haben. Unter diesen Umständen bedarf es weder einer Prüfung des Fumus boni iuris, noch einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfahrensbeteiligten. Es erübrigt sich auch eine Prüfung der von der Kommission erhobenen Zulässigkeitsrüge.

46      Folglich ist auch der in der vorliegenden Rechtssache am 2. Oktober 2014 gemäß Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung ergangene Beschluss aufzuheben.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2.      Der Beschluss vom 2. Oktober 2014 wird aufgehoben.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 15. Dezember 2014

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.