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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 29. April 2021(1)

Rechtssache C3/20

LR Ģenerālprokuratūras Krimināltiesiskā departamenta Sevišķi svarīgu lietu izmeklēšanas nodaļa

gegen

AB,

CE und

MM investīcijas SIA

(Vorabentscheidungsersuchen des Rīgas rajona tiesa [Bezirksgericht Riga, Lettland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 343 AEUV – Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank – Art. 39 – Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union – Art. 22 Abs. 1 – Mitglied eines Beschlussorgans der Europäischen Zentralbank – Präsident der Zentralbank eines Mitgliedstaats – Art. 11 Buchst. a – Befreiung von der Gerichtsbarkeit – Geltung nach Beendigung der Amtstätigkeit – Handlungen von Bediensteten der Union in amtlicher Eigenschaft – Funktionale Immunität – Art. 130 AEUV – Unabhängigkeit der EZB, des ESZB und der Zentralbanken der Mitgliedstaaten – Art. 18 – Gegenseitiges Einvernehmen – Art. 4 Abs. 3 EUV – Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – Art. 17 – Aufhebung der Befreiung durch die EZB – Interessen der Union – Befreiung von gerichtlichen Hauptverfahren – Befreiung von hoheitlichen Zwangsmaßnahmen“






I.      Einleitung

1.        Darf der Präsident einer nationalen Zentralbank, der zugleich Mitglied des EZB-Rats ist, auf mitgliedstaatlicher Ebene der Strafverfolgung ausgesetzt werden, oder steht dem eine unionsrechtliche Immunität entgegen? Diese Frage stellt sich im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren, dem ein Strafverfahren in Lettland gegen den ehemaligen Präsidenten der lettischen Zentralbank wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche im Zusammenhang mit einem bankenaufsichtsrechtlichen Verfahren betreffend eine lettische Bank zugrunde liegt.

2.         Nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (im Folgenden: Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union)(2) sind Beamte und sonstige Bedienstete der Union in allen Mitgliedsstaaten für Handlungen von der Gerichtsbarkeit befreit, die sie in amtlicher Eigenschaft vorgenommen haben. Die Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die Reichweite dieser Immunität zu bestimmen.

3.        Die erste Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass die Präsidentinnen und Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten zwar nationale Behörden sind, gleichzeitig aber als Mitglieder des EZB-Rats im Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) die Geldpolitik der Eurozone bestimmen und seit Schaffung der Bankenunion in dieser Funktion auch Aufsichtsaufgaben nach der SSM-Verordnung(3) wahrnehmen. Um zu klären, ob der angeklagte Zentralbankpräsident Immunität nach dem Protokoll genießt, müssen diese unterschiedlichen Funktionen daher klar voneinander abgegrenzt werden.

4.        Zweitens ist zu klären, welche Rolle es mit Blick auf die Zulässigkeit von Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber einem ehemaligen Zentralbankpräsidenten wie dem Angeklagten im Ausgangsverfahren spielt, dass die EZB, die nationalen Zentralbanken und die Mitglieder ihrer Beschlussorgane gemäß Art. 130 AEUV ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen. Letztlich ist im vorliegenden Fall somit ein gerechter Ausgleich zwischen dem Strafverfolgungsinteresse der Mitgliedstaaten und dem Interesse der Union an der Funktionsfähigkeit ihrer Einrichtungen zu finden.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Vertrag über die Arbeitsweise der Union (AEUV)

5.        Die Leitung des ESZB ist in Art. 129 Abs. 1 AEUV geregelt:

„Das ESZB wird von den Beschlussorganen der Europäischen Zentralbank, nämlich dem Rat der Europäischen Zentralbank und dem Direktorium, geleitet.“

6.        Art. 130 AEUV regelt die Unabhängigkeit der EZB, des ESZB und der Zentralbanken der Mitgliedstaaten:

„Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verträge und die Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.“

7.        Art. 282 Abs. 1 AEUV definiert das ESZB:

„Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken bilden das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, bilden das Eurosystem und betreiben die Währungspolitik der Union.“

8.        Art. 283 Abs. 1 AEUV bestimmt, wer Mitglied des EZB-Rats ist:

„Der Rat der Europäischen Zentralbank besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist.“

9.        Art. 343 AEUV ist die grundlegende Bestimmung über die Vorrechte und Befreiungen der Union:

„Die Union genießt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls vom 8. April 1965 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union. Dasselbe gilt für die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank.“

2.      Satzung des ESZB und der EZB

10.      Das Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank(4) regelt in seinem Art. 12.1 die Aufgaben der Beschlussorgane der EZB:

„Der EZB-Rat erlässt die Leitlinien und Beschlüsse, die notwendig sind, um die Erfüllung der dem ESZB nach den Verträgen und dieser Satzung übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. Der EZB-Rat legt die Geldpolitik der Union fest, gegebenenfalls einschließlich von Beschlüssen in Bezug auf geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Zentralbankgeld im ESZB, und erlässt die für ihre Ausführung notwendigen Leitlinien.

Unbeschadet dieses Artikels nimmt die EZB die nationalen Zentralbanken zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint.“

11.      Art. 14 der Satzung des ESZB und der EZB betrifft die Zentralbanken der Mitgliedstaaten:

„…

14.2.      In den Satzungen der nationalen Zentralbanken ist insbesondere vorzusehen, dass die Amtszeit des Präsidenten der jeweiligen nationalen Zentralbank mindestens fünf Jahre beträgt.

Der Präsident einer nationalen Zentralbank kann aus seinem Amt nur entlassen werden, wenn er die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat. Gegen einen entsprechenden Beschluss kann der betreffende Präsident einer nationalen Zentralbank oder der EZB-Rat wegen Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm den Gerichtshof anrufen. Solche Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe des betreffenden Beschlusses, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von diesem Beschluss Kenntnis erlangt hat.

14.3.      Die nationalen Zentralbanken sind integraler Bestandteil des ESZB und handeln gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB. Der EZB-Rat trifft die notwendigen Maßnahmen, um die Einhaltung der Leitlinien und Weisungen der EZB sicherzustellen, und kann verlangen, dass ihm hierzu alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden.

14.4.      Die nationalen Zentralbanken können andere als die in dieser Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, es sei denn, der EZB-Rat stellt mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen fest, dass diese Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des ESZB vereinbar sind. Derartige Aufgaben werden von den nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrgenommen und gelten nicht als Aufgaben des ESZB.“

12.      Art. 39 der Satzung des ESZB und der EZB hat die Vorrechte und Befreiungen zum Gegenstand:

„Die EZB genießt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union.“

13.      Art. 44 der Satzung des ESZB und der EZB betrifft den Erweiterten Rat der EZB:

„44.1.      Unbeschadet des Artikels 129 Absatz 1 [AEUV] wird der Erweiterte Rat als drittes Beschlussorgan der EZB eingesetzt.

44.2.            Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. …“

3.      Protokollüber die Vorrechte und Befreiungen der Union

14.      Art. 8 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union regelt die Immunität von Mitgliedern des Europäischen Parlaments für Äußerungen oder Abstimmungen:

„Wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung dürfen Mitglieder des Europäischen Parlaments weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden.“

15.      Art. 9 dieses Protokolls sieht die Unverletzlichkeit der Mitglieder des Europäischen Parlaments während der Sitzungsperioden vor:

„Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments

a)      steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,

b)      können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments.

Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden; sie steht auch nicht der Befugnis des Europäischen Parlaments entgegen, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben.“

16.      Art. 10 Abs. 1 desselben Protokolls betrifft Vertreter der Mitgliedstaaten:

„Den Vertretern der Mitgliedstaaten, die an den Arbeiten der Organe der Union teilnehmen, sowie ihren Beratern und Sachverständigen stehen während der Ausübung ihrer Tätigkeit und auf der Reise zum und vom Tagungsort die üblichen Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen zu.“

17.      Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union lautet wie folgt:

„Den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union stehen im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaats ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit folgende Vorrechte und Befreiungen zu:

a)      Befreiung von der Gerichtsbarkeit bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen, jedoch vorbehaltlich der Anwendung der Bestimmungen der Verträge über die Vorschriften betreffend die Haftung der Beamten und sonstigen Bediensteten gegenüber der Union und über die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union für Streitsachen zwischen der Union und ihren Beamten sowie sonstigen Bediensteten. Diese Befreiung gilt auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit“.

18.      Art. 17 dieses Protokolls bestimmt:

„Die Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen werden den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union ausschließlich im Interesse der Union gewährt.

Jedes Organ der Union hat die Befreiung eines Beamten oder sonstigen Bediensteten in allen Fällen aufzuheben, in denen dies nach seiner Auffassung den Interessen der Union nicht zuwiderläuft.“

19.      Art. 18 desselben Protokolls sieht vor:

„Bei der Anwendung dieses Protokolls handeln die Organe der Union und die verantwortlichen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen.“

20.      In Art. 22 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen heißt es:

„Dieses Protokoll gilt auch für die Europäische Zentralbank, die Mitglieder ihrer Beschlussorgane und ihre Bediensteten; die Bestimmungen des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank bleiben hiervon unberührt.“

4.      SSM-Verordnung

21.      Seit dem 4. November 2014 übernimmt die EZB die ihr durch die SSM-Verordnung übertragenen besonderen Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute.(5)

22.      Die Erwägungsgründe 28 und 29 dieser Verordnung lauten:

„(28)      Der EZB nicht übertragene Aufsichtsaufgaben sollten bei den nationalen Behörden verbleiben. Dazu zählen … die Bekämpfung des Missbrauchs des Finanzsystems für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung …

(29)      Die EZB sollte, soweit angemessen, uneingeschränkt mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten, die dafür zuständig sind, … die Bekämpfung der Geldwäsche sicherzustellen.“

23.      Art. 4 derselben Verordnung führt die der EZB übertragenen Aufgaben auf:

„(1)      Im Rahmen des Artikels 6 ist die EZB … ausschließlich für die Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zur Beaufsichtigung sämtlicher in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig:

a)      Zulassung von Kreditinstituten und Entzug der Zulassung von Kreditinstituten vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 14;

d)      Gewährleistung der Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Rechtsakte, die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute in Bezug auf Eigenmittelanforderungen, Verbriefung, Beschränkungen für Großkredite, Liquidität, Verschuldungsgrad sowie Meldung und Veröffentlichung entsprechender Informationen festlegen;

e)      Gewährleistung der Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Rechtsakte, die Anforderungen an Kreditinstitute hinsichtlich solider Regelungen für die Unternehmensführung, einschließlich Eignungsanforderungen an die für die Geschäftsführung der Kreditinstitute verantwortlichen Personen, Risikomanagementverfahren, interner Kontrollmechanismen, Vergütungspolitiken und ‑praktiken sowie wirksamer Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals, einschließlich auf internen Ratings basierender Modelle festlegen;

f)      Durchführung von aufsichtlichen Überprüfungen … zur Feststellung, ob die Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen der Kreditinstitute und ihre Eigenmittelausstattung ein solides Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung gewährleisten, und auf der Grundlage dieser aufsichtlichen Überprüfung Festlegung besonderer zusätzlicher Eigenmittelanforderungen, besonderer Offenlegungspflichten, besonderer Liquiditätsanforderungen und sonstiger Maßnahmen für Kreditinstitute, sofern diese Befugnisse nach dem einschlägigen Unionsrecht ausdrücklich den zuständigen Behörden zustehen;

…“

24.      Art. 6 der SSM-Verordnung regelt die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden, aus denen gemäß dessen Abs. 1 der einheitliche Aufsichtsmechanismus besteht. Nach Art. 6 Abs. 4 sind für die Zwecke der Aufsicht im Wesentlichen bedeutende und weniger bedeutende Kreditinstitute zu unterscheiden, wobei Letztere im Grundsatz weiter von den nationalen Behörden beaufsichtigt werden. Eine Ausnahme besteht für die Aufsichtsaufgaben gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, die immer von der EZB wahrgenommen werden. Art. 6 Abs. 5 und 6 lautet auszugsweise wie folgt:

„(5)      In Bezug auf die in Absatz 4 genannten Kreditinstitute …

a)      erlässt die EZB gegenüber den nationalen zuständigen Behörden Verordnungen, Leitlinien oder allgemeine Weisungen, nach denen die nationalen zuständigen Behörden die Aufgaben nach Artikel 4 – mit Ausnahme von Absatz 1 Buchstaben a und c – wahrnehmen und Aufsichtsbeschlüsse fassen.

…;

b)      kann die EZB jederzeit von sich aus, wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist, nach Konsultation der nationalen zuständigen Behörden oder auf Ersuchen einer nationalen zuständigen Behörde beschließen, sämtliche einschlägigen Befugnisse in Bezug auf ein oder mehrere in Absatz 4 genannte Kreditinstitute unmittelbar selbst auszuüben …;

c)      übt die EZB … die Aufsicht über das Funktionieren des Systems aus;

(6)      Unbeschadet des Absatzes 5 dieses Artikels nehmen die nationalen zuständigen Behörden in Bezug auf die in Absatz 4 Unterabsatz 1 dieses Artikels genannten Kreditinstitute … die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, d bis g und i genannten Aufgaben wahr und sind für diese sowie für die Annahme aller einschlägigen Aufsichtsbeschlüsse verantwortlich.

Die nationalen zuständigen Behörden erstatten der EZB regelmäßig Bericht über die Ausübung der von ihnen gemäß diesem Artikel wahrgenommenen Aufgaben.

…“

25.      Zu den besonderen Aufsichtsbefugnissen der EZB gehört die Entziehung der Zulassung gemäß Art. 14 Abs. 5 dieser Verordnung:

„Vorbehaltlich des Absatzes 6 kann die EZB die Zulassung von sich aus nach Konsultation der nationalen zuständigen Behörde des teilnehmenden Mitgliedstaats, in dem das Kreditinstitut niedergelassen ist, oder auf Vorschlag einer solchen nationalen zuständigen Behörde in den im Unionsrecht festgelegten Fällen entziehen. …

Ist nach Auffassung der nationalen zuständigen Behörde, die die Zulassung gemäß Absatz 1 vorgeschlagen hat, die Zulassung nach dem einschlägigen nationalen Recht zu entziehen, so legt sie der EZB einen entsprechenden Vorschlag vor. In diesem Fall erlässt die EZB einen Beschluss über den vorgeschlagenen Entzug der Zulassung, wobei sie die von der nationalen zuständigen Behörde vorgelegte Begründung in vollem Umfang berücksichtigt.“

26.      Art. 26 der SSM-Verordnung hat das Aufsichtsgremium zum Gegenstand:

„(1)      Die Planung und Ausführung der der EZB übertragenen Aufgaben erfolgt uneingeschränkt durch ein internes Organ, das sich aus seinen gemäß Absatz 3 ernannten Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden, vier gemäß Absatz 5 ernannten Vertretern der EZB und jeweils einem Vertreter der für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten in den einzelnen teilnehmenden Mitgliedstaaten verantwortlichen nationalen zuständigen Behörden zusammensetzt (im Folgenden ‚Aufsichtsgremium‘). Alle Mitglieder des Aufsichtsgremiums handeln im Interesse der Union als Ganzes.

Handelt es sich bei der zuständigen Behörde nicht um eine Zentralbank, so kann das in Unterabsatz 1 genannte Mitglied des Aufsichtsgremiums beschließen, einen Vertreter der Zentralbank des Mitgliedstaats mitzubringen. Für die Zwecke des Abstimmungsverfahrens nach Maßgabe des Absatzes 6 gelten die Vertreter der Behörden eines Mitgliedstaats als ein einziges Mitglied.

(8)      Unbeschadet des Artikels 6 übernimmt das Aufsichtsgremium nach einem von der EZB festzulegenden Verfahren die Vorbereitungstätigkeiten für die der EZB übertragenen Aufsichtsaufgaben und schlägt dem EZB-Rat fertige Beschlussentwürfe zur Annahme vor …“

5.      CRD-Richtlinie

27.      Die Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen („Capital Requirements Directive“, im Folgenden: CRD-Richtlinie)(6) regelt in ihrem Art. 18 die materiellen Voraussetzungen für einen Entzug der Zulassung wie folgt:

„Die zuständigen Behörden können einem Kreditinstitut die erteilte Zulassung nur entziehen, wenn

c)      das Institut die an die Zulassung geknüpften Voraussetzungen nicht mehr erfüllt,

d)      das Institut den Aufsichtsanforderungen der Teile 3, 4 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, oder denen des Artikels 104 Absatz 1 Buchstabe a oder des Artikels 105 dieser Richtlinie nicht mehr genügt oder keine Gewähr mehr für die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern, namentlich keine Sicherheit mehr für die ihm von Einlegern anvertrauten Vermögenswerte, bietet,

e)      ein anderer in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehener Fall für den Entzug vorliegt oder

f)      das Institut einen Verstoß nach Artikel 67 Absatz 1 begeht.“

6.      SSM-Rahmenverordnung

28.      Die Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus(7) regelt in ihrem Art. 83 den „Beschluss der EZB über den Entzug der Zulassung“. Die Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift lauten wie folgt:

„(1)      Die EZB fasst unverzüglich einen Beschluss über den Entzug der Zulassung. Dabei kann sie den betreffenden Entwurf eines Zulassungsbeschlusses annehmen oder ablehnen.

(2)      Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die EZB alle nachfolgend genannten Aspekte: a) ihre Beurteilung der Umstände, die ihrer Ansicht nach den Entzug der Zulassung rechtfertigen; b) gegebenenfalls den Entwurf des Entzugsbeschlusses der NCA; c) die Abstimmung mit der betreffenden NCA und, wenn die NCA nicht die nationale Abwicklungsbehörde ist, der nationalen Abwicklungsbehörde (zusammen mit der NCA nachfolgend die ‚nationalen Behörden‘); d) die vom Kreditinstitut … vorgetragenen Äußerungen.“

B.      Lettisches Recht

29.      Art. 120 der Kriminālprocesa likums (Strafprozessordnung, Lettland)(8) enthält eine Liste der Behörden, die Immunität genießen. Die Bank von Lettland und ihr Präsident sind dort nicht aufgeführt.

30.      Art. 404 dieses Gesetzes bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft grundsätzlich der zuständigen Behörde das Ersuchen übermittelt, eine Person zu verfolgen, die nach dem Gesetz strafrechtliche Immunität genießt, wenn sie der Auffassung ist, dass es Gründe gibt, die es ermöglichen, ihre strafrechtliche Verantwortung darzutun. Dem Ersuchen sind Informationen über die Beweise für die Schuld der Person beizufügen, deren Immunität aufgehoben werden soll.

31.      Das Krimināllikums (Strafgesetzbuch, Lettland)(9) stellt u. a. Geldwäsche (Art. 195) und Bestechlichkeit (Art. 320) unter Strafe.

III. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

32.      Seit dem 21. Dezember 2001 war AB, der Angeklagte im Ausgangsverfahren (im Folgenden: Angeklagter), Präsident der Latvijas Banka (Zentralbank Lettlands). In dieser Funktion war er berechtigt, an den Sitzungen des Rates der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, im Folgenden: FKTK) teilzunehmen, die für die Zulassung und Beaufsichtigung von Kreditinstituten in Lettland zuständig ist.

33.      Trasta Komercbanka AS (im Folgenden: Trasta Komercbanka) ist ein lettisches Kreditinstitut, dem die FKTK im Jahr 1991 eine Zulassung für die Erbringung von Finanzdienstleistungen erteilt hatte. Seit dem 4. November 2014 nahm die FKTK die der EZB nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, d bis g und i der SSM-Verordnung übertragenen Aufsichtsaufgaben betreffend Trasta Komercbanka wahr.(10)

34.      Auf Vorschlag der FKTK vom 5. Februar 2016 entzog die EZB mit Beschluss vom 3. März 2016, ersetzt durch Beschluss vom 11. Juli 2016, gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 14 Abs. 5 der SSM-Verordnung und Art. 83 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung Trasta Komercbanka die Zulassung als Kreditinstitut.(11)

35.      Am 15. Februar 2018 leitete das Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland) ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten ein, welches Vorwürfe der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen Trasta Komercbanka in Lettland zum Gegenstand hatte, das dem Entzug der Zulassung vorausgegangen war.

36.      Konkret wird dem Angeklagten zum einen vorgeworfen, vom 20. bis zum 30. August 2010 eine Urlaubsreise im Wert von 7 490 Euro vom Präsidenten des Aufsichtsrats und Anteilseigner von Trasta Komercbanka entgegengenommen zu haben. Dafür soll er diesen u. a. unter Ausnutzung von Informationen zu den von der FKTK ergriffenen Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen betreffend Trasta Komercbanka, die er in seiner dienstlichen Eigenschaft rechtmäßig erlangt hatte, vor Ende des Jahres 2015 rechtswidrig beraten haben. Gegenstand dieser Beratung sollen folgende Punkte gewesen sein: erstens das Unvermögen von Trasta Komercbanka, nachhaltig ein echtes System der internen Kontrollen sicherzustellen, um die Erfüllung der Anforderungen des lettischen Gesetzes zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sicherzustellen, zweitens die notwendige Erhöhung des Gesellschaftskapitals zur Sicherstellung einer qualifizierten Beteiligung und drittens die notwendigen Schritte, um Investoren (Anteilseigner) zu gewinnen. Diese Fragen waren im Zeitraum vom 29. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2015 mehrfach Gegenstand von Kontrollen durch die FKTK, wobei der Angeklagte geholfen haben soll, Antworten auf die von der FKTK bei den Kontrollen gestellten Fragen zu formulieren, und Trasta Komercbanka zum Verhalten bei den Kontrollen beraten haben soll.

37.      Zum anderen wird ihm vorgeworfen, zwischen dem 23. August 2012 und dem 9. Mai 2013 ein Bestechungsangebot des stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats und Anteilseigners von Trasta Komercbanka in Höhe von 500 000 Euro angenommen und die Hälfte dieser Summe – 250 000 Euro – von diesem bzw. einem mitangeklagten Vermittler erhalten zu haben. Im Gegenzug soll der Angeklagte Trasta Komercbanka nach dem 23. August 2012 und bis zum 31. Dezember 2015 in Angelegenheiten der Aufsicht durch die FKTK beraten und ihr geholfen haben, den Schriftverkehr mit der FKTK zu formulieren. Das soll dazu beigetragen haben, dass die FKTK Beschränkungen der Tätigkeiten von Trasta Komercbanka teilweise aufhob. Den Rest des Bestechungsgelds soll der Angeklagte nicht erhalten haben, da die FKTK einen anderen Teil der Beschränkungen aufrechterhielt und außerdem weitere Beschränkungen der Tätigkeiten von Trasta Komercbanka vorsah.

38.      Im Zusammenhang mit beiden Vorwürfen des Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption) habe der Angeklagte bis zum Vorschlag der FKTK, die Zulassung von Trasta Komercbanka zu entziehen, nicht an den Sitzungen ihres Rates teilgenommen, in denen Fragen zur Aufsicht über Trasta Komercbanka behandelt wurden. Daher habe er es insbesondere pflichtwidrig unterlassen, in diesem Rahmen die Verschlechterung des Eigenkapitalkoeffizienten und der Liquiditätsanforderungen von Trasta Komercbanka zu verhindern und die Möglichkeit von Geldwäsche in diesem Kreditinstitut zu unterbinden.

39.      Schließlich soll der Angeklagte in den Jahren 2012 und 2013 eine erhebliche Summe des erhaltenen Bestechungsgelds in Höhe von 250 000 Euro verdeckt über ein mitangeklagtes Unternehmen in ein Gebäude investiert haben.

40.      Am 28. Juni 2018 erhob der zuständige Staatsanwalt zunächst Anklage zum Rīgas rajona tiesa (Bezirksgericht Riga, Lettland) wegen Bestechlichkeit, die am 24. Mai 2019 um den Vorwurf der Geldwäsche ergänzt wurde.

41.      Am 20. Dezember 2019 endete die letzte Amtszeit des Angeklagten als Präsident der Bank von Lettland.

42.      Das Rīgas rajona tiesa (Bezirksgericht Riga) hat das erstinstanzliche Strafverfahren eröffnet und muss nun über die Einleitung der gerichtlichen Untersuchung im Rahmen des Strafprozesses entscheiden.

IV.    Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

43.      Da das Rīgas rajona tiesa (Bezirksgericht Riga) in diesem Zusammenhang Zweifel bezüglich der Anwendbarkeit und Reichweite der Immunitäten aus dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union hegt, hat es mit Beschluss vom 20. Dezember 2019 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind Art. 11 Buchst. a und Art. 22 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union auf die Mitgliedschaft des Präsidenten der Zentralbank eines Mitgliedstaats, und zwar des Präsidenten der Bank von Lettland, im Rat der Europäischen Zentralbank anzuwenden?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird, verschaffen diese Bestimmungen der genannten Person auch nach dem Ende ihrer Amtszeit als Präsident der Zentralbank eines Mitgliedstaats und damit ihrer Mitgliedschaft im Rat der Europäischen Zentralbank weiterhin Immunität in einem Strafverfahren?

3.      Falls die erste Frage bejaht wird, betrifft diese Immunität nur die „Befreiung von der Gerichtsbarkeit“ im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union, oder erstreckt sie sich auch auf die Strafverfolgung unter Einschluss der Zustellung einer Anklageschrift und der Erhebung von Beweisen? Sofern die Immunität für die Strafverfolgung gilt, hat dieser Umstand Einfluss auf die Möglichkeit, Beweise heranzuziehen?

4.      Falls die erste Frage bejaht wird, gestattet Art. 11 Buchst. a in Verbindung mit Art. 17 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union dem für das Verfahren Verantwortlichen oder, im entsprechenden Verfahrensstadium, dem Spruchkörper, im Rahmen des genannten Verfahrens darüber zu befinden, ob ein Interesse der Europäischen Union vorliegt, und, wenn ja – d. h., wenn die Handlungen, die dem Angeklagten zur Last gelegt werden, mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben innerhalb eines Organs der Europäischen Union in Zusammenhang stehen –, das betreffende Organ – die Europäische Zentralbank – zu ersuchen, die Immunität dieser Person aufzuheben?

5.      Muss das Vorliegen eines Interesses der Europäischen Union bei der Anwendung der Bestimmungen des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union stets in unmittelbarem Zusammenhang mit Entscheidungen oder Handlungen stehen, die bei der Wahrnehmung von Aufgaben innerhalb eines Organs der Europäischen Union getroffen bzw. vorgenommen werden? Ist gegenüber einem solchen Beamten eine Handlung in einem Strafverfahren zulässig, wenn die gegen ihn erhobene Anklage nicht mit seinen Aufgaben innerhalb eines Organs der Europäischen Union in Zusammenhang steht, sondern mit Tätigkeiten im Rahmen seiner Aufgaben innerhalb eines Mitgliedstaats?

44.      Zu den Vorlagefragen haben der Angeklagte, die Republik Lettland, die Republik Italien, die Europäischen Zentralbank und die Europäische Kommission schriftlich und in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2021 Stellung genommen. In dieser Verhandlung haben sich darüber hinaus der Mitangeklagte CE und der LR Ģenerālprokuratūras Krimināltiesiskā departamenta Sevišķi svarīgu lietu izmeklēšanas nodaļa (Ermittlungsdienst für Sachen von besonderer Bedeutung der Strafrechtsabteilung des Büros der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Lettland) geäußert.

V.      Rechtliche Würdigung

45.      Das vorlegende Gericht ist mit einem Strafverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten der lettischen Zentralbank befasst, in dem diesem u. a. Bestechlichkeit im Kontext eines bankenaufsichtsrechtlichen Verfahrens betreffend eine lettische Bank vorgeworfen wird. Es darf nach lettischem Recht die gerichtliche Untersuchung im Rahmen des Strafprozesses nicht einleiten, wenn dem die Immunität des Angeklagten entgegensteht.

46.      Zwar sieht das lettische Recht keine Immunität der Zentralbank Lettlands oder ihrer Organe vor. Allerdings sind gemäß Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für die von ihnen „in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen“ von der Gerichtsbarkeit befreit. Gemäß seinem Art. 22 Abs. 1 gilt das Protokoll dabei auch für die EZB, die Mitglieder ihrer Beschlussorgane und ihre Bediensteten. Die nationalen Zentralbanken sind gemäß Art. 282 Abs. 1 Satz 1 AEUV Bestandteil des ESZB und ihre Präsidentinnen und Präsidenten – soweit der betreffende Mitgliedstaat zum Eurosystem gehört(12) – Mitglieder des EZB-Rats, dem höchsten Beschlussorgan der EZB.

47.      Vor diesem Hintergrund möchte das vorlegende Gericht mit seinen fünf Vorlagefragen im Ergebnis in Erfahrung bringen, ob die Vorschriften des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union, insbesondere die in Art. 11 Buchst. a vorgesehene Befreiung von der Gerichtsbarkeit für Amtshandlungen, unter den Umständen des Ausgangsverfahrens auf den angeklagten ehemaligen Präsidenten der lettischen Zentralbank anwendbar sind und was daraus konkret für das bei ihm anhängige Strafverfahren folgt.

48.      Zu diesem Zweck ist zunächst in Antwort auf die ersten drei Vorlagefragen zu klären, unter welchen Voraussetzungen die in Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorgesehene Befreiung für Amtshandlungen auf eine nationale Zentralbankpräsidentin oder einen nationalen Zentralbankpräsidenten Anwendung findet und welche Reichweite sie hat. Hierbei ist u. a. zu klären – was Gegenstand des ersten Teils der dritten Vorlagefrage ist –, ob Art. 11 Buchst. a des Protokolls auch die Zulässigkeit von Strafverfolgungsmaßnahmen betrifft (dazu unter A).

49.      Sodann ist in Beantwortung der vierten Vorlagefrage zu untersuchen, wie und von wem im konkreten Fall festzustellen ist, ob die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten von der in Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorgesehenen Immunität erfasst sind und unter welchen Voraussetzungen diese Immunität aufgehoben werden kann (dazu unter B).

50.      In diesem Zusammenhang ist auch auf die Frage einzugehen, ob im besonderen Fall eines Zentralbankpräsidenten unter Umständen eine weitergehende Befreiung angezeigt sein könnte. Diese Frage wirft das vorlegende Gericht mit seiner fünften Vorlagefrage auf, mit der es im Wesentlichen in Erfahrung bringen möchte, ob das Unionsrecht Handlungen im Rahmen eines Strafverfahrens gegen eine Zentralbankpräsidentin oder einen Zentralbankpräsidenten entgegensteht, welches nicht im Zusammenhang mit seinen unionsrechtlichen Aufgaben steht (dazu unter C).

51.      Schließlich ist noch im Rahmen der Antwort auf den zweiten Teil der dritten Vorlagefrage zu klären, was die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Befreiung des Art. 11 Buchst. a des Protokolls wäre (dazu unter D).

A.      Zur Anwendbarkeit des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union und zur Reichweite der einschlägigen Befreiung (Vorlagefragen 1 bis 3)

1.      Zu den einschlägigen Vorschriften des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union (erste und zweite Vorlagefrage)

52.      Wie bereits festgestellt wurde, gilt das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union gemäß seinem Art. 22 Abs. 1 auch für die EZB, die Mitglieder ihrer Beschlussorgane und ihre Bediensteten. Oberstes Beschlussorgan der EZB ist der EZB-Rat, der gemäß Art. 283 Abs. 1 AEUV aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten besteht, deren Währung der Euro ist.(13)

53.      Die Anklage im Ausgangsverfahren erstreckt sich zwar auf Handlungen von Mitte des Jahres 2010 bis Ende 2015, die mithin zum Teil vor dem Beitritt Lettlands zur Eurozone am 1. Januar 2014 und folglich vor der Mitgliedschaft des Angeklagten im EZB-Rat liegen. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Zentralbanken aller Mitgliedstaaten sind jedoch gemäß Art. 44.2 Satz 1 der Satzung des ESZB und der EZB Teil des Erweiterten Rats, der gemäß Art. 44.1 derselben Satzung das dritte Beschlussorgan der EZB ist. Dessen Mitglied war der Angeklagte also bereits seit dem Beitritt Lettlands zur Union am 1. Mai 2004 und mithin während des gesamten von der Anklage umfassten Zeitraums.

54.      Das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union sieht Befreiungen für drei verschiedene Personengruppen mit jeweils unterschiedlicher Reichweite betreffend ihren Gegenstand einerseits und ihren Schutzumfang andererseits vor.

55.      Erstens sieht das Protokoll für Mitglieder des Europäischen Parlaments die in den Art. 8 und 9 vorgesehenen Befreiungen vor. Die Befreiung nach Art. 8 ist in ihrem Gegenstand auf Äußerungen und Abstimmungen in amtlicher Eigenschaft begrenzt, umfasst aber den Schutz vor jeglicher Verwicklung in ein Ermittlungsverfahren sowie vor Festnahme und Verfolgung. Die Befreiung nach Art. 9 ist bezüglich ihres Gegenstands lediglich zeitlich auf die Sitzungsperioden beschränkt, wobei sich der Schutz gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b während dieses Zeitraums im Hoheitsgebiet jedes anderen als dem Heimatmitgliedstaat nur auf gerichtliche Verfolgung und Festnahmen bezieht.

56.      Zweitens stehen den Vertretern der Mitgliedstaaten, die an den Arbeiten der Organe der Union teilnehmen, gemäß Art. 10 desselben Protokolls „die üblichen Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen zu“. Dies ist als Verweis auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (im Folgenden: WÜD) und insbesondere dessen Art. 29 bis 31 zu verstehen. Nach Art. 29 WÜD ist die „Person des diplomatischen Vertreters“ unverletzlich. Eine weitere Begrenzung des Gegenstands dieser Immunität ist nach dieser Vorschrift nicht vorgesehen. Die Person des Diplomaten unterliegt außerdem weiter „keiner Festnahme oder Haft irgendwelcher Art“. Art. 31 Abs. 1 WÜD sieht schließlich vor, dass Diplomatinnen und Diplomaten Immunität von der Straf‑, Zivil‑ und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaats genießen, ohne dass dies auf bestimmte Handlungen begrenzt wäre.(14) Nach Art. 31 Abs. 2 WÜD sind sie ebenfalls nicht verpflichtet, als Zeuge auszusagen.

57.      Drittens gilt für alle anderen Beamtinnen und Beamten und sonstigen Bediensteten der Union Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen. Die dort vorgesehene Immunität ist in ihrem Gegenstand auf die von ihnen „in amtlicher Eigenschaft“ vorgenommenen Handlungen begrenzt und bezieht sich von ihrem Schutzumfang her auf die „Gerichtsbarkeit“ der Mitgliedstaaten.

58.      Art. 8 und 9 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union greifen vorliegend offensichtlich nicht.

59.      Die Präsidentinnen und Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten fallen aber auch nicht unter Art. 10 des Protokolls. Denn soweit sie in ihrer Funktion als Mitglieder der Beschlussorgane der EZB auftreten, sind sie gerade nicht als „Vertreter der Mitgliedstaaten“ anzusehen. Speziell für den Rahmen des ESZB hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass insoweit eine weniger ausgeprägte Unterscheidung zwischen der Rechtsordnung der Union und den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten besteht.(15) Die Präsidentinnen und Präsidenten der nationalen Zentralbanken haben in diesem hochintegrierten System eine funktionale Doppelstellung bzw. einen hybriden Status.(16) Parallele Erwägungen gelten für die Bankenunion. Als Mitglieder des EZB-Rates erfüllen sie insoweit Aufgaben der europäischen Bankenaufsicht.(17) In dieser Funktion sind sie daher nicht als Vertreter nationaler Behörden anzusehen. Im Übrigen gelten die diplomatischen Immunitäten von Vertretern der Mitgliedstaaten nur gegenüber dem Empfangs‑, nicht aber gegenüber dem Heimatstaat.

60.      Damit bleibt für die Präsidentinnen und Präsidenten der nationalen Zentralbanken nur die Befreiung nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls.

2.      Zur Begrenzung der Befreiung auf „in amtlicher Eigenschaft vorgenommene(n) Handlungen“

61.      Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union befreit die „Beamten und sonstigen Bediensteten der Union im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten … bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen,“ von der Gerichtsbarkeit. Anders als die bereits erwähnte persönliche diplomatische Immunität (Immunität ratione personae) gilt diese Vorschrift nicht für eine Person, sondern nur für Handlungen mit einem bestimmten sachlichen Bezug – nämlich solche mit dienstlichem Charakter. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte funktionale Immunität. Sie wird deswegen auch als Immunität ratione materiae bezeichnet. Die bloße Stellung als Unionsbedienstete oder als Unionsbediensteter genügt also nicht, damit diese Immunität Anwendung findet.(18)

62.      Für die nationalen Zentralbankpräsidentinnen und ‑präsidenten bedeutet dies angesichts ihrer funktionalen Doppelstellung bzw. ihres hybriden Status im ESZB und in der Bankenunion, dass Art. 11 Buchst. a des Protokolls auf sie grundsätzlich nur insoweit Anwendung finden kann, als sie in ihrer Funktion als Amtsträger der Union handeln.(19)

63.      Die Beschränkung der Reichweite der Immunität von Unionsbediensteten liegt darin begründet, dass die Union gemäß Art. 343 AEUV nur die „zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Befreiungen“ genießt. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich insofern, dass durch die der Union eingeräumten Vorrechte und Befreiungen eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Union verhindert werden soll.(20) Den begrenzten Charakter der Befreiungen der Union bestätigt Art. 17 Abs. 1 des Protokolls, wonach die Befreiungen den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union ausschließlich im Interesse der Union gewährt werden(21) – und nicht im eigenen Interesse der Bediensteten. Die Immunitäten sind also nicht nur bezüglich ihres Gegenstands, sondern auch bezüglich ihres Sinn und Zwecks funktional.

64.      Für das reibungslose Funktionieren und die Unabhängigkeit der Unionsorgane ist eine Immunität für Amtshandlungen unerlässlich. Denn wären Unionsbedienstete nicht bezüglich ihrer Amtshandlungen von der mitgliedstaatlichen Gerichtsbarkeit befreit, liefen sie erstens Gefahr, für eben diese von den Behörden der Mitgliedstaaten belangt zu werden.(22) Dies könnte zu einer unter Umständen überzogenen Vorsicht oder gar Lähmung der Tätigkeit der Unionsorgane führen.

65.      Zweitens würde es die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit der Unionsorgane beeinträchtigen, wenn ihre Tätigkeit nach dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten beurteilt werden könnte.(23) Dies könnte der Erfüllung dieser Aufgaben unter Umständen im Weg stehen. Aus diesem Grund schließt Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union die Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten für Amtshandlungen von Unionsbediensteten aus.

66.      Überdies wird dadurch die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 263 AEUV sichergestellt, die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Unionsorgane zu überprüfen. Handelt ein Beamter in amtlicher Eigenschaft, handelt nämlich letztlich das Organ selbst. Folglich darf eine solche Handlung nicht Gegenstand der Beurteilung durch die Mitgliedstaaten sein.

67.      Beide Ziele der Immunität für Amtshandlungen werden von Art. 340 Abs. 2 AEUV flankiert. Danach haftet die Union im Außenverhältnis für dienstliche Handlungen ihrer Bediensteten und nicht die Bediensteten persönlich. Die ausschließliche Zuständigkeit für die Beurteilung des Bestehens einer solchen Haftung liegt nach Art. 268 AEUV beim Gerichtshof.(24)

3.      Zur Begrenzung der Befreiung auf dieGerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten (erster Teil der dritten Vorlagefrage)

68.      Vor diesem Hintergrund stellt das vorlegende Gericht die Frage, ob Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union nur gerichtliche Hauptverfahren ausschließt, die Handlungen von Unionsbediensteten in amtlicher Eigenschaft betreffen, oder ob bezüglich solcher Handlungen auch bereits die dem gerichtlichen Hauptverfahren vorgelagerte Strafverfolgung unzulässig ist.

69.      Dass keine gerichtlichen Hauptverfahren gegen die in Art. 11 Buchst. a des Protokolls genannten Personen betreffend ihre Handlungen in amtlicher Eigenschaft eröffnet werden dürfen, folgt bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Sie erstreckt sich auf alle Arten der Gerichtsbarkeit und umfasst damit auch die Strafgerichtsbarkeit.(25)

70.      Entgegen der Auffassung Lettlands beschränkt sich die Befreiung nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union aber nicht auf das gerichtliche Verfahren im engeren Sinne, sondern wirkt sich auch auf Ermittlungsverfahren aus.

71.      Das findet seine Stütze im Wortlaut einiger Sprachfassungen dieser Vorschrift, der nicht immer eine Beschränkung auf ein „gerichtliches“ Element enthält.(26) Jedenfalls kann aber bereits das Ermittlungsverfahren gerichtliche Elemente enthalten, etwa in Gestalt von punktuellen Zuständigkeiten eines Ermittlungsrichters. Da aber die Reichweite der Befreiung nicht von der konkreten Ausgestaltung des Strafverfahrens und der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängen kann, ist davon auszugehen, dass die Befreiung generell für hoheitliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gilt.(27)

72.      Konkrete Maßnahmen, die daher ohne vorherige Aufhebung der Immunität nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls unzulässig sind, umfassen die vorläufige Festnahme des Beschuldigten, die Vernehmung als Beschuldigter und Durchsuchungen beim Beschuldigten. Gleiches gilt für derartige Maßnahmen im Zusammenhang mit verwaltungs- oder zivilgerichtlichen Verfahren mit Bezug zu einer amtlichen Handlung einer oder eines Unionsbediensteten.(28)

73.      Dieses Verständnis der Reichweite von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union hat der Gerichtshof jüngst bestätigt, indem er betonte, dass eine Beamtin oder ein Beamter der Union nach dieser Vorschrift wegen in amtlicher Eigenschaft begangener Handlungen insbesondere keinen freiheitsentziehenden Maßnahmen unterliegt.(29)

74.      Eine weitere Stütze findet diese Auslegung in Art. 19 des Beamtenstatuts, der vorsieht, dass Unionsbediensteten eine Genehmigung erteilt werden muss, wenn sie vor Gericht über amtliche Tätigkeiten oder Tatsachen aussagen sollen, die ihnen in Ausübung ihres Amtes bekannt geworden sind. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Befreiung von der Gerichtsbarkeit andernfalls der Zeugen- oder Beschuldigtenvernehmung einer Beamtin oder eines Beamten entgegenstehen würde.

75.      Der funktionale Charakter der in Art. 11 Buchst. a des Protokolls vorgesehenen Befreiung schließt es demgegenüber aus, diese Befreiung als ein umfassendes Ermittlungs- oder Befassungsverbot aufzufassen.

76.      Hätte erstens jegliche Verwicklung von Unionsbediensteten in strafrechtliche Ermittlungen ausgeschlossen werden sollen, wäre dies im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union ausdrücklich angeordnet worden. So ist das etwa in Art. 8 des Protokolls bezüglich der Mitglieder des Europäischen Parlaments geregelt worden. Diese dürfen wegen in Ausübung ihres Amtes erfolgter Äußerungen oder Abstimmungen „weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch … verfolgt werden“.

77.      Zweitens könnte ein Verbot, Ermittlungen überhaupt aufzunehmen oder sich mit Fällen zu befassen, die eventuell unter die Befreiung des Art. 11 Buchst. a des Protokolls fallen könnten, praktisch nur an die Person der oder des betreffenden Unionsbediensteten anknüpfen. Dadurch würden aber die Grenzen zur persönlichen Immunität verwischt.(30)

78.      Drittens wäre es schlichtweg nicht möglich – worauf die italienische Regierung zu Recht hingewiesen hat –, das Bestehen eines eventuellen Zusammenhangs mit den amtlichen Aufgaben eines Unionsorgans festzustellen, wenn die Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf das Handeln von Unionsbediensteten schon gar nicht zu einer Ermittlung der maßgeblichen Tatsachen ansetzen dürften.

79.      Und viertens darf die Auslegung des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht dazu führen, dass strafrechtliche Ermittlungen im Gebiet der Mitgliedstaaten übermäßig erschwert oder sogar unmöglich werden.(31) Mit anderen Worten soll der funktionale und damit begrenzte Charakter der Vorrechte und Befreiungen des Protokolls einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Union an ihrer Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit auf der einen Seite und dem Interesse der Mitgliedstaaten an der Effektivität ihrer Strafverfolgung auf der anderen Seite sicherstellen. Ein umfassendes Ermittlungsverbot würde aber über „das zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche“ Maß im Sinne von Art. 343 AEUV hinausgehen.

80.      Zwar ist nicht auszuschließen, dass in bestimmten Fällen bereits durch Ermittlungen gegen eine Unionsbeamtin oder einen Unionsbeamten wegen Amtshandlungen die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit oder Funktionsfähigkeit der Unionsorgane drohen kann. Aus diesem Grund sieht aber Art. 18 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vor, dass die Organe der Union und die verantwortlichen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Protokolls im gegenseitigen Einvernehmen handeln. Dadurch sollen Konflikte bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Protokolls vermieden(32) und allgemein sichergestellt werden, dass die Ziele des Protokolls nicht vereitelt werden. Art. 18 des Protokolls konkretisiert insoweit die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 EUV.(33)

81.      Daher sind die nationalen Strafverfolgungsbehörden bzw. Ermittlungsrichter bereits in einem frühen Verfahrensstadium verpflichtet, das Unionsorgan, für das eine Beschuldigte oder ein Beschuldigter tätig ist, über laufende Ermittlungen zu informieren und gegebenenfalls um eine Aufhebung der Immunität zu ersuchen.(34) Denn dieses muss die Möglichkeit erhalten, zu beurteilen, ob eine Beeinträchtigung seiner Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit droht.(35)Eine Ausnahme kann allenfalls in Fällen gelten, in denen offensichtlich keinerlei Zusammenhang zwischen den Handlungen, die Gegenstand der Ermittlungen bzw. des Strafverfahrens sind, und den unionsrechtlichen Aufgaben und Pflichten der oder des Beschuldigten besteht. Angesichts der engen Verquickung von nationalen und Unionszuständigkeiten im Bereich des ESZB und der europäischen Bankenaufsicht ist es allerdings kaum vorstellbar, dass eine dem äußeren Anschein nach dienstliche Handlung einer Präsidentin oder eines Präsidenten einer Zentralbank offensichtlich ausschließlich dem nationalen Zuständigkeitsbereich zugeordnet werden kann.

82.      Ist das Unionsorgan der Auffassung, dass entweder schon gar kein Zusammenhang der vorgeworfenen Taten mit seinen Aufgaben besteht oder aber kein Interesse der Union an einer Aufrechterhaltung der Immunität im Sinne von Art. 17 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorliegt, kann das Ermittlungsverfahren fortgesetzt werden. Die oder der Betroffene kann in diesem Fall gemäß Art. 90 Abs. 2 des Beamtenstatuts und gegebenenfalls gemäß dessen Art. 91 einen Rechtsbehelf zum Europäischen Gerichtshof einlegen, der dann darüber entscheidet, ob die Immunität zu Unrecht abgelehnt bzw. aufgehoben wurde. Der Gerichtshof hat hierbei entschieden, dass eine solche Entscheidung des Organs eine „beschwerende Maßnahme“ darstellt, da sie verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen des Klägers unmittelbar und sofort beeinträchtigen können, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern.(36) Die Entscheidung über die Ablehnung oder Aufhebung der Immunität erfüllt mithin alle Voraussetzungen eines anfechtbaren Rechtsakts im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV(37), sodass sie auch von Berechtigten, die nicht unter das Beamtenstatut fallen – wie etwa alle Bediensteten der EZB und die Präsidentinnen und Präsidenten der nationalen Zentralbanken –, angefochten werden kann.

83.      Ist das Organ hingegen der Auffassung, dass ein Zusammenhang mit seinen Aufgaben vorliegt und es gegen seine Interessen verstoßen würde, die Immunität aufzuheben, kann der zuständige Ermittlungsrichter bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein „Rechtshilfeersuchen“ an den Gerichtshof richten, wenn er diese Entscheidung nicht akzeptieren möchte.(38) Es handelt sich hierbei um eine eigene Verfahrensart mit dem Kürzel „IMM“ (Antrag betreffend die Befreiungen, „demande relative aux immunités“). In diesem Rahmen prüft der Gerichtshof, ob das Organ die Aufhebung der Immunität verweigern durfte.(39)

84.      Schließlich kann im Fall einer Weigerung der nationalen Behörden oder Gerichte, die Unionsorgane bzw. den Gerichtshof im soeben beschriebenen Sinne einzubinden, sogar die oder der vermeintlich Berechtigte der Befreiung selbst ein „IMM“-Verfahren beim Gerichtshof anstrengen, um die Feststellung zu erlangen, dass eine Befreiung besteht.(40) Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit bei Anwendung des Protokolls im Vertragsverletzungsverfahren geahndet werden.(41)

85.      Sollte auch das nicht geschehen sein, ist ein nationales Gericht spätestens – wie vorliegend geschehen – vor Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß Art. 18 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union verpflichtet, eine Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof zu richten.(42)

86.      Aus alledem folgt, dass die Befreiung von der Gerichtsbarkeit für Amtshandlungen von Unionsbediensteten im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union zwar hoheitliche Zwangsmaßnahmen in einem Strafverfahren umfasst, allerdings nicht der Eröffnung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens generell entgegensteht.

4.      Zwischenergebnis

87.      Die Präsidentinnen und Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten fallen gemäß Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union in dessen Anwendungsbereich, soweit sie als Funktionsträger der Union im Rahmen des ESZB oder der Bankenunion amtlich handeln, insbesondere in ihrer Funktion als Mitglieder des Erweiterten Rats der EZB oder des EZB-Rats.

88.      Die Befreiung von der Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union umfasst neben gerichtlichen Hauptverfahren wegen Handlungen in amtlicher Eigenschaft auch hoheitliche Zwangsmaßnahmen in Strafverfahren, die solche Handlungen betreffen, steht aber der Eröffnung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wegen solcher Handlungen nicht generell entgegen.

89.      Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich zudem, dass die Befreiung von der Gerichtsbarkeit „auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit“ gilt. Damit wird klargestellt, dass die Immunität auch nach dem Ende der Amtszeit bestehen bleibt. Sie bezieht sich allerdings nur auf während der Amtszeit vorgenommene dienstliche Handlungen. Wann die während der Amtstätigkeit vorgenommene Handlung gerügt wird, ist hingegen unerheblich.

B.      Zu den Voraussetzungen der Befreiung von der Gerichtsbarkeit nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union im Einzelnen (vierte Vorlagefrage)

90.      Mit seiner vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, wie zu beurteilen ist, ob der Angeklagte im konkreten Fall nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union von der Gerichtsbarkeit befreit ist, welche Rolle dabei das Vorliegen eines Interesses der Union spielt und unter welchen Umständen dieses Gericht die EZB um die Aufhebung der Befreiung ersuchen muss.

91.      Um festzustellen, ob eine bestimmte Handlung in amtlicher Eigenschaft im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorgenommen wurde, kommt es auf den Zusammenhang der Handlung mit den Pflichten und Aufgaben der oder des Unionsbediensteten an.(43) Insofern fragt das vorlegende Gericht insbesondere danach, ob es selbst beurteilen darf, ob dieser Zusammenhang vorliegt.

92.      In einem ersten Schritt ist daher zu klären, wer für die Beurteilung des Vorliegens eines Zusammenhangs mit den Aufgaben eines Unionsorgans oder seiner Bediensteten zuständig ist (dazu unter 1). In einem zweiten Schritt ist sodann zu ermitteln, nach welchen Maßstäben dieser Zusammenhang zu beurteilen ist (dazu unter 2). Schließlich ist in einem dritten Schritt zu untersuchen, auf welche Umstände es bei dieser Prüfung im vorliegenden Fall ankommt (dazu unter 3).

1.      Zur Zuständigkeit für die Beurteilung des Zusammenhangs mit den Unionsaufgaben

93.      Zwar sind in der Praxis zunächst die Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte der Mitgliedstaaten mit der Frage befasst, ob ein Verfahrenshindernis wegen Immunität einer oder eines Unionsbediensteten bestehen könnte. Nur diese verfügen über die erforderlichen tatsächlichen Informationen, aus denen sich ein eventueller Zusammenhang mit den Aufgaben eines Unionsorgans überhaupt erst ergeben kann. Es liegt folglich in der Natur der Sache, dass die nationalen Behörden oder Gerichte zuerst in die Prüfung der Frage eintreten, ob Immunität nach dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorliegt.

94.      Allerdings bedeutet dies nicht, dass sie selbstständig darüber befinden können, ob ein Zusammenhang der ermittelten Handlungen mit den amtlichen Aufgaben einer oder eines Unionsbediensteten vorliegt. Vielmehr müssen sie sich an den Gerichtshof wenden, sobald ein Verhalten prima facie in den Anwendungsbereich von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union fallen könnte.(44)

95.      Insofern ist erstens daran zu erinnern, dass die Immunität für Amtshandlungen nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verhindern soll, dass die amtliche Tätigkeit der Union und ihrer Bediensteten nach dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten beurteilt wird. Dadurch soll insbesondere auch die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 263 AEUV sichergestellt werden, die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Unionsorgane zu überprüfen.(45)

96.      Nur der Gerichtshof kann im Zweifel verbindlich definieren, was zu den Aufgaben und Pflichten der Unionsbediensteten gehört.(46) Käme nun aber die Beurteilung der Frage, ob ein Zusammenhang mit einer Unionsaufgabe besteht oder nicht, den Gerichten der Mitgliedstaaten zu, so würden diese im Ergebnis bestimmen, was in den Aufgabenbereich der Unionsorgane fällt und was nicht.

97.      Anders verhält es sich zwar bei der nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorgesehenen parlamentarischen Unverletzlichkeit. Diese hängt ausweislich ihres Wortlauts allerdings ausdrücklich vom nationalen Recht ab.(47) Da nur die nationalen Gerichte befugt sind, den Umfang der nach ihrem innerstaatlichen Recht bestehenden parlamentarischen Immunität zu bestimmen, können dementsprechend auch nur diese feststellen, ob ein Verhalten von dieser Befreiung gedeckt ist.

98.      In den Fällen des Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union folgt daher für ein nationales Gericht spätestens dann aus Art. 18 des Protokolls die Verpflichtung, den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV anzurufen, wenn es erwägt, ein Verfahren gegen eine oder einen Unionsbediensteten zu eröffnen.(48) Andernfalls besteht das Risiko, dass ein nationales Gericht die Handlungen eines Unionsorgans unter Verstoß gegen Art. 263 AEUV beurteilt.

99.      Nur wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass unter den vom nationalen Gericht mitgeteilten tatsächlichen Umständen kein Zusammenhang mit den Aufgaben eines Unionsorgans besteht, darf dieses das Strafverfahren eröffnen. Andernfalls muss zunächst das betroffene Unionsorgan gemäß Art. 17 Abs. 2 des Protokolls um Aufhebung der Immunität ersucht werden.(49) So wird diesem die Möglichkeit gegeben, zu prüfen, ob die Befreiung für den Erhalt seiner Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit erforderlich ist. Diese Prüfung soll das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union gerade ermöglichen.(50)

100. Dies ist der zweite Grund, aus dem ein nationales Gericht nicht alleine entscheiden darf, dass kein Zusammenhang einer Handlung mit den Unionsaufgaben einer oder eines Beschuldigten besteht und Art. 11 Buchst. a des Protokolls daher nicht greift. Denn dadurch würde es dieser Prüfung durch das betroffene Organ zuvorkommen oder diese verhindern. Dies unterscheidet den Fall der Befreiung nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls von den Fällen seines Art. 8, in denen nicht vorgesehen ist, dass das Parlament überprüft, ob die Immunität einer oder eines Abgeordneten im konkreten Fall erforderlich ist.(51)

101. Daher ist im Ergebnis der für das Vorliegen eines „Handelns in amtlicher Eigenschaft“ im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls erforderliche Zusammenhang einer Handlung mit den Aufgaben von Unionsbediensteten unionsrechtlich autonom und durch den Gerichtshof zu bestimmen.(52) Dies ändert freilich nichts daran, dass nur das mit dem Verfahren befasste nationale Gericht die für diese Beurteilung notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen kann. Es ist dabei jedoch lediglich dazu berufen, die nach seinen Feststellungen nachgewiesenen Tatsachen unter die vom Gerichtshof zu diesem Zweck aufgestellten Maßstäbe zu subsumieren.(53)

2.      Zu den Maßstäben für die Feststellung des erforderlichen Zusammenhangs mit den Unionsaufgaben

102. Zu der Frage, wann eine Handlung mit den Aufgaben einer oder eines Unionsbediensteten derart zusammenhängt, dass von einem „Handeln in amtlicher Eigenschaft“ im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union gesprochen werden kann, konnte der Gerichtshof bisher erst einmal Stellung nehmen.(54) In den Urteilen Sayag und Zürich hat er hierbei entschieden, dass die Befreiung von der Gerichtsbarkeit nur solche Handlungen umfasst, die ihrer Natur nach als Teilnahme desjenigen, der sich auf die Befreiung beruft, an der Erfüllung der Aufgaben des Organs anzusehen sind, dem er angehört.(55) Die Handlungen müssen sich aufgrund einer unmittelbaren inneren Beziehung notwendig aus den Aufgaben der Organe ergeben.(56)

103. Um diese Kriterien handhabbar zu machen, ist es notwendig, sich die Frage zu stellen, welche Handlungen nach dem Sinn und Zweck der Immunität für Amtshandlungen von dieser erfasst sein müssen.

104. Damit scheint es nahezuliegen, darauf abzustellen, ob die betreffende Handlung für eine amtliche Aufgabe „notwendig“(57) bzw. für sie kausal oder mit ihr konnex(58) ist. Denn das reibungslose Funktionieren und die Unabhängigkeit der Unionsorgane könnten beeinträchtigt sein, wenn Unionsbedienstete bei Handlungen, die zwar nicht zum Kern ihrer statutarischen Tätigkeit gehören, aber dieser dennoch dienen oder dafür erforderlich sind, befürchten müssten, zivil- oder strafrechtlich belangt zu werden.(59)

105. Wie jedoch bereits dargelegt wurde, soll die Immunität für Amtshandlungen insbesondere verhindern, dass die Handlungen der Unionsorgane durch die nationalen Behörden und Gerichte beurteilt werden und dadurch in die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit der Unionsorgane eingegriffen wird. Folglich muss ein Zusammenhang einer Handlung mit den Aufgaben eines Unionsorgans immer dann angenommen werden, wenn die Beurteilung dieser Handlung eine Beurteilung des Pflichtenkreises seiner Bediensteten erfordern würde, die nach den oben gemachten Ausführungen(60) nicht den nationalen Behörden und Gerichten, sondern nur den Unionsorganen und letztlich dem Gerichtshof zukommen kann.

106. Ein derartiges Verständnis des erforderlichen Zusammenhangs schränkt die berechtigten Strafverfolgungsinteressen der Mitgliedstaaten nicht übermäßig ein. Denn das Vorliegen einer Handlung in amtlicher Eigenschaft und der damit einhergehenden Immunität nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union – gegebenenfalls nachdem dies durch den Gerichtshof festgestellt wurde – bedeutet nicht, dass die betroffene Person endgültig nicht verfolgt und verurteilt werden darf. Vielmehr können die Behörden oder Gerichte der Mitgliedstaaten das betreffende Organ gemäß Art. 17 Abs. 2 des Protokolls um Aufhebung der Immunität ersuchen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Organe der Union dabei wiederum gemäß dem in Art. 18 des Protokolls verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, dem Gesuch stattzugeben, wenn kein Interesse der Union an der Befreiung im konkreten Fall besteht.(61) Wenn sie die Aufhebung danach zu Unrecht verweigern, kann der Gerichtshof die Strafverfolgung immer noch zulassen.(62)

107. Insofern unterscheidet sich die Immunität gemäß Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union von der Immunität der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach dessen Art. 8, die nicht aufgehoben werden kann.(63) Diese Besonderheit scheint aber genau der Grund zu sein, aus dem der Gerichtshof entschieden hat, dass der Zusammenhang dort unmittelbar und in offenkundiger Weise ersichtlich sein muss.(64) Ein derart enges Verständnis des Zusammenhangs ist in den Fällen des Art. 11 Buchst. a des Protokolls daher nicht angezeigt.

108. Dem Vorliegen einer Handlung in amtlicher Eigenschaft kann jedenfalls nicht entgegenstehen, dass diese möglicherweise rechtswidrig ist.(65) Dies muss nach dem eben Gesagten schon deshalb der Fall sein, weil die Rechtswidrigkeit der Handlung in dem betreffenden Verfahren ja überhaupt erst zu beurteilen ist. Würde diese vorschnell angenommen und somit die Befreiung von der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten aufgehoben, könnte es im Endeffekt doch dazu kommen, dass ein nationales Gericht anstelle des Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Handlungen eines Unionsorgans befindet. Bei vielen besonders schweren Vorwürfen – etwa der Begehung eines Tötungsdelikts – wird die Immunität demnach in der Regel abzulehnen sein, weil eine solche Tat keine Beurteilung des unionsrechtlichen Pflichtenkreises der oder des Beschuldigten erfordert und daher offensichtlich mit den unionsrechtlichen Aufgaben dieser Person in keinerlei Zusammenhang steht, nicht aber, weil die Tat rechtswidrig ist.(66)

109. Die potenzielle Rechtswidrigkeit einer Handlung ist vielmehr erst auf der Ebene der Aufhebung der Immunität zu berücksichtigen. Im Fall einer wahrscheinlich rechtswidrigen Handlung müssten besonders gewichtige Interessen der Union vorliegen, um eine Aufrechterhaltung der Immunität zu begründen.

110. Ebenfalls unbeachtlich für die Beurteilung des Zusammenhangs einer Handlung mit Unionsaufgaben ist entgegen der Erwägung des vorlegenden Gerichts im ersten Teil der fünften Vorlagefrage das Vorliegen von besonderen Interessen der Union. Zwar werden die Vorrechte und Befreiungen des Protokolls gemäß der allgemeinen Bestimmung seines Art. 17 Abs. 1 ausschließlich im Interesse der Union gewährt. Daraus folgt im Zusammenhang mit der Frage nach dem Bestehen einer Befreiung allerdings nur, dass eine solche funktional begrenzt ist und daher lediglich für Handlungen in amtlicher Eigenschaft in Betracht kommt.(67) Das Vorliegen von Interessen der Union ist hingegen erst im Rahmen einer etwaigen Aufhebung der Immunität zu prüfen. Art. 17 Abs. 2 des Protokolls stellt insoweit klar, dass jedes Organ die Befreiung aufhebt, wenn dies den Interessen der Union nicht zuwiderläuft. Das betroffene Organ muss dagegen nicht nachweisen, dass die Strafverfolgung die Funktionsfähigkeit oder Unabhängigkeit dieses Organs beeinträchtigen könnte, um das bloße Bestehen der funktionalen Immunität zu begründen.(68)

111. Im Ergebnis sind als „Handlungen in amtlicher Eigenschaft“ im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union somit solche Handlungen anzusehen, die sich aufgrund einer unmittelbaren inneren Beziehung notwendig aus den Aufgaben der Organe ergeben und daher ihrer Natur nach als Teilnahme einer in dieser Vorschrift genannten Person an der Erfüllung der Aufgaben des Organs anzusehen sind, dem sie angehört. Dies ist der Fall, wenn die gerichtliche Prüfung dieser Handlung eine Beurteilung des Pflichtenkreises des betreffenden Organs oder seiner Bediensteten erfordert, für die ausschließlich der Gerichtshof zuständig ist.

3.      Zum Vorliegen des erforderlichen Zusammenhangs im konkreten Fall

112. Um dem vorlegenden Gericht eine nützliche Antwort auf seine eigentliche Frage zu geben – nämlich, ob Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union der Einleitung der gerichtlichen Untersuchung im Ausgangsverfahren entgegensteht –, ist im Folgenden die Prüfung des erforderlichen Zusammenhangs vorzunehmen, soweit dies auf der mitgeteilten Tatsachengrundlage möglich ist. Außerdem ist auf die tatsächlichen Voraussetzungen einzugehen, deren Vorliegen das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang noch überprüfen muss.(69)

113. Hierbei kann insbesondere die Zuordnung zu den nationalen bzw. den unionsrechtlichen Aufgaben eines Zentralbankpräsidenten im Rahmen des ESZB und der europäischen Bankenaufsicht aufgrund der starken Integration dieser Systeme in der Praxis Schwierigkeiten bereiten.(70) Dies veranschaulicht einerseits die Pflicht zur frühzeitigen Einbindung der EZB in einem solchen Verfahren(71) und unterstreicht andererseits die Notwendigkeit, die Beurteilung des Zusammenhangs mit den Unionsaufgaben dem Gerichtshof zu überlassen.(72)

114. Der Vorlageentscheidung lässt sich erstens entnehmen, dass dem Angeklagten vorgeworfen wird, von Mitte des Jahres 2010 bis Ende des Jahres 2015 Trasta Komercbanka gegen Geld bzw. Sachleistungen zur Aufsicht durch die FKTK beraten und ihr geholfen zu haben, den Schriftverkehr mit der FKTK zu formulieren, indem er Informationen ausnutzte, die er aufgrund seiner dienstlichen Position von der FKTK erhalten hatte. Zweitens habe er bis zum Vorschlag des Entzugs der Zulassung von Trasta Komercbanka durch die FKTK am 5. Februar 2016 nicht an den Sitzungen deren Rates teilgenommen, in denen Fragen zur Aufsicht über die Trasta Komercbanka behandelt wurden, und es dabei unterlassen, in diesem Rahmen eine Verschlechterung der Eigenkapitalquote von Trasta Komercbanka zu verhindern und dem Auftreten von Geldwäsche entgegenzuwirken. Drittens wird ihm vorgeworfen, in den Jahren 2012 und 2013 das als Gegenleistung erhaltene Geld zur Verschleierung von dessen Herkunft in eine Immobilie investiert zu haben.

a)      Zu den Vorwürfen in Bezug auf den Zeitraum vor dem 4. November 2014

115. Im Rahmen des ESZB nehmen die Präsidentinnen und Präsidenten der nationalen Zentralbanken insbesondere dann Unionsaufgaben wahr, wenn sie als Mitglieder des EZB-Rates über geldpolitische Maßnahmen entscheiden. Dieser legt gemäß Art. 129 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 12.1 Abs. 1 der Satzung des ESZB und der EZB die Geldpolitik der Union fest.(73) Der Erweiterte Rat der EZB koordiniert seinerseits nach Art. 141 Abs. 2 AEUV die Geldpolitiken der Mitgliedstaaten mit dem Ziel, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten.

116. In ihrer Funktion als Mitglieder des EZB-Rates können die nationalen Zentralbankpräsidentinnen und ‑präsidenten seit dem 4. November 2014, dem Datum des Inkrafttretens des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus, auch in bankenaufsichtsrechtlichen Angelegenheiten Unionsaufgaben ausführen. Denn gemäß Art. 6 Abs. 1 der SSM-Verordnung ist die EZB für das wirksame und einheitliche Funktionieren des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus verantwortlich, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht.(74) Gemäß Art. 26 Abs. 8 der SSM-Verordnung werden die endgültigen Beschlüsse über die der EZB nach Art. 4 Abs. 1 derselben Verordnung übertragenen Aufsichtsaufgaben nach Vorbereitung durch das sogenannte Aufsichtsgremium vom EZB-Rat gefasst.(75) Dem Erweiterten Rat der EZB, dem auch die Präsidentinnen und Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten angehören, die nicht Mitglieder der Währungsunion sind, kommen in diesem Rahmen naturgemäß keine Aufgaben zu, da nur die Banken der Eurozone im SSM beaufsichtigt werden.

117. Was den Vorwurf der Geldwäsche angeht, ist nicht ersichtlich, inwiefern diese mit den unionsrechtlichen Funktionen des Angeklagten als Mitglied eines Beschlussorgans der EZB zusammenhängen könnte. Denn die Investition eines Geldbetrags in ein Immobilienprojekt steht in keinerlei innerer Beziehung zu den Tätigkeitsbereichen der Geldpolitik oder der Bankenaufsicht.

118. Soweit die angeklagten Handlungen in dem Zeitraum vor dem 1. Januar 2014 – dem Tag des Beitritts Lettlands zur Eurozone – begangen worden sein sollen, scheidet ein Zusammenhang mit den unionsrechtlichen Funktionen des Angeklagten ebenfalls aus. Denn in dieser Zeit war der Angeklagte nur Mitglied des Erweiterten Rats der EZB, der lediglich ein geldpolitisches Mandat hat.(76) Eine innere Beziehung der beschriebenen Vorwürfe mit geldpolitischen Maßnahmen ist jedoch nicht ersichtlich.

119. Demnach besteht auch kein Zusammenhang mit den Aufgaben des Angeklagten als Mitglied des EZB-Rats zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 3. November 2014, da der EZB-Rat in dieser Zeit ebenfalls nur geldpolitische Aufgaben wahrnahm. Die in Nr. 116 dieser Schlussanträge angesprochenen Aufgaben der Bankenaufsicht übt der EZB-Rat nämlich erst seit dem 4. November 2014 aus, dem Tag des Inkrafttretens der SSM-Verordnung. Auch die FKTK, deren beratendes Mitglied der Angeklagte nach den Angaben des vorlegenden Gerichts während des gesamten angeklagten Zeitraums war, nahm vor dem Inkrafttreten des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus nur nationale Aufsichtsaufgaben wahr.(77)

b)      Zu den Vorwürfen in Bezug auf den Zeitraum seit dem 4. November2014

120. Zwar unterstand Trasta Komercbanka auch nach dem Inkrafttreten des SSM als weniger bedeutendes Kreditinstitut im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der SSM-Verordnung betreffend die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, d bis g und i dieser Verordnung genannten Aufsichtsaufgaben gemäß deren Art. 6 Abs. 6 weiterhin der direkten Aufsicht durch die FKTK.

121. Für den Entzug der Zulassung ist allerdings gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der SSM-Verordnung ausschließlich die EZB zuständig, und zwar auch dann, wenn es sich bei dem Kreditinstitut um ein weniger bedeutendes wie Trasta Komercbanka handelt.

122. Zwar wurde die Entscheidung über den Entzug der Zulassung von Trasta Komercbanka vom EZB-Rat erst am 3. März 2016 und damit – soweit ersichtlich – nach dem Zeitraum getroffen, auf den sich die Anklage im Ausgangsverfahren bezieht. Diese Entscheidung erging jedoch vorliegend gemäß Art. 14 Abs. 5 der SSM-Verordnung und Art. 83 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung auf Vorschlag der FKTK als „nationale zuständige Behörde“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der SSM-Verordnung, deren beratendes Mitglied der Angeklagte ebenfalls war. Dabei ist anzunehmen, dass die FKTK bereits während eines längeren Zeitraums vor der Unterbreitung dieses Vorschlags an die EZB damit befasst war, zu untersuchen, ob Trasta Komercbanka die Anforderungen für die Zulassung weiterhin erfüllt.

123. In einer derartigen Konstellation werden die nationalen Aufsichtsbehörden aus meiner Sicht funktional als Unionsorgane tätig. Folglich sind auch die Präsidentinnen und Präsidenten einer nationalen Zentralbank in ihrer Funktion als Mitglieder dieser Behörde als solche anzusehen.(78)

124. Das Handeln der nationalen Aufsichtsbehörden im SSM kann in drei Fallgruppen unterteilt werden. In der ersten Fallgruppe erfüllen die nationalen Aufsichtsbehörden die Aufgaben, die ihnen nach dem nationalen Recht in allen von der SSM-Verordnung nicht erfassten Bereichen zugewiesen sind (vgl. Art. 1 Abs. 5 der SSM-Verordnung).

125. In einer zweiten Fallgruppe nehmen sie zwar die in der SSM-Verordnung geregelten Aufgaben wahr, handeln aber als eigenständiger Akteur. Zu dieser Fallgruppe gehört etwa die Aufsicht über weniger bedeutende Kreditinstitute nach Art. 6 Abs. 6 der SSM-Verordnung. Dabei sind die nationalen Aufsichtsbehörden nach Art. 6 Abs. 6 der SSM-Verordnung für die Annahme aller einschlägigen Aufsichtsbeschlüsse selbst verantwortlich und unterstehen gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. a der SSM-Verordnung lediglich den allgemeinen Weisungen der EZB.

126. In der dritten Fallgruppe werden die nationalen Aufsichtsbehörden bloß vorbereitend für eine Entscheidung der EZB tätig, ohne dabei eigenständige Entscheidungen zu treffen, an welche die EZB gebunden wäre. Ein Beispiel dafür aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Verfahren zur Genehmigung einer qualifizierten Beteiligung nach den Art. 22 und 23 der CRD-Richtlinie in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der SSM-Verordnung.(79) Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass die etwaige Beteiligung nationaler Behörden im Lauf des Verfahrens, das zu einer Entscheidung der EZB führt, deren Einstufung als Handlung der Union nicht in Frage stellen kann.(80) Da die EZB die Letztverantwortung trägt, wird ihr das Handeln der nationalen Aufsichtsbehörden in dieser Konstellation also zugerechnet.

127. Daraus folgt zum einen, dass ausschließlich der Gerichtshof für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme zuständig ist, auch insoweit als dabei Handlungen der nationalen Aufsichtsbehörde zu beurteilen sind.(81) Zum anderen muss dies gleichzeitig bedeuten, dass das Handeln dieser Behörden in diesem Zusammenhang von der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten befreit ist, weil sie funktional als Organe der EZB im Sinne von Art. 22 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union anzusehen sind. Andernfalls könnte dieses Handeln von den mitgliedstaatlichen Gerichten beurteilt werden.(82)

128. Genauso liegt der Fall beim Verfahren zum Entzug der Zulassung einer Bank nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und Art. 14 Abs. 5 der SSM-Verordnung in Verbindung mit Art. 83 der SSM-Rahmenverordnung, welches vorliegend betreffend Trasta Komercbanka angewendet wurde. Obwohl der Entzug der Zulassung gemäß Art. 14 Abs. 5 der SSM-Verordnung auf Vorschlag der FKTK geschah, musste die EZB diesen Vorschlag zwar umfassend berücksichtigen, war daran aber nach Art. 83 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung nicht gebunden. Die FKTK wurde also insoweit nur in einer dienenden Funktion tätig. Folglich obliegt auch die Beurteilung des Handelns der FKTK in diesem Zusammenhang allein dem Gerichtshof.(83)

129. Um zu ermitteln, ob die dem Angeklagten ab dem 4. November 2014 vorgeworfenen Handlungen mit seinen unionsrechtlichen Aufgaben zusammenhängen, muss das vorlegende Gericht also prüfen, ob die ihm nach diesem Zeitpunkt vorgeworfenen „Beratungstätigkeiten“ Anforderungen betrafen, bei deren Nichterfüllung ein Entzug der Zulassung eines Kreditinstituts in Betracht kommt und auf welche die FKTK folglich ihren Vorschlag nach Art. 18 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 5 der SSM-Verordnung hätte stützen können.

130. Konkret muss es etwa untersuchen, ob der in der Anklageschrift genannte Vorwurf der Beratung zur notwendigen Erhöhung des Gesellschaftskapitals zur Sicherstellung einer qualifizierten Beteiligung und zu den notwendigen Schritten, um Investoren (Anteilseigner) zu gewinnen, mit den Anforderungen über Eigenmittel für Kreditinstitute im Zusammenhang stand, bei deren Nichterfüllung die Zulassung eines Kreditinstituts etwa gemäß Art. 18 Buchst. d der CRD-Richtlinie entzogen werden kann. Gleiches gilt für den Vorwurf der Beratung zum Unvermögen von Trasta Komercbanka, die Anforderungen des lettischen Gesetzes zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sicherzustellen. Denn insoweit geht zwar aus den Erwägungsgründen 28 und 29 der SSM-Verordnung hervor, dass die Bekämpfung des Missbrauchs des Finanzsystems für Geldwäsche eine rein nationale Aufsichtsaufgabe ist. Der Verdacht auf Geldwäsche in der Person eines Anteilseigners ist jedoch ein Aspekt, der beim Entzug der Zulassung eine Rolle spielen kann.(84) Außerdem kommt der Entzug der Zulassung gemäß Art. 18 Buchst. e und f in Verbindung mit Art. 67 Buchst. o der CRD-Richtlinie auch bei Verstößen gegen das einschlägige nationale Recht in Betracht.

131. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die „Beratung“ einer Bank durch ein Mitglied des Organs, welches die Erfüllung der genannten Anforderungen durch die Bank laufend zu überprüfen hat – hier die FKTK – oder deren Nichterfüllung im Ergebnis festzustellen hat – hier der EZB-Rat –, zu eben diesen Anforderungen auch dann in einer inneren Beziehung zu den Aufgaben dieses Organs steht, wenn dadurch Umstände verschleiert werden, die zum Entzug der Zulassung führen müssten. Ein derartiges Handeln durch ein Mitglied des EZB-Rats stellt zwar möglicherweise einen Pflichtverstoß dar, weil die Beratung von Kreditinstituten durch die EZB nicht vorgesehen ist und der Angeklagte hierbei unter Umständen die Vertraulichkeit der erhaltenen Informationen missachtet hat. Genau aus diesem Grund steht es jedoch im oben genannten Sinne mit den Pflichten dieses Mitglieds im Zusammenhang, denn die Beurteilung des betreffenden Handelns als pflichtgemäß oder pflichtwidrig obliegt nicht dem vorlegenden Gericht, sondern letztlich dem Gerichtshof.(85)

132. Dies bedeutet, dass die EZB insoweit gemäß Art. 17 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union um die Aufhebung der Immunität ersucht werden muss.(86)

133. Anders als es das vorlegende Gericht in seiner fünften Vorlagefrage zu erwägen scheint, wird mit der Feststellung eines Zusammenhangs mit der unionsrechtlichen Amtstätigkeit des Angeklagten allerdings keine Aussage über das Vorliegen von Interessen der Union an dessen Befreiung von der Gerichtsbarkeit getroffen. Denn einerseits gibt es, wenn schon kein Zusammenhang mit den Unionsaufgaben vorliegt, gar keine Immunität, die aufgehoben werden müsste. Andererseits läuft die Aufhebung der Immunität nicht immer den Interessen der Union zuwider, wenn der erforderliche Zusammenhang besteht. Denn sonst könnte es nie zur Aufhebung kommen.

134. Mit anderen Worten ist es durchaus denkbar – und angesichts der von der EZB im vorliegenden Verfahren vertretenen Position sogar wahrscheinlich –, dass die EZB die Immunität des Angeklagten aufheben wird und der Strafverfolgung in Lettland sodann nichts mehr im Wege steht. Sollte die EZB wider Erwarten die Aufhebung der Immunität ablehnen, kann das vorlegende Gericht diese Entscheidung erneut einer Überprüfung durch den Gerichtshof zuführen.(87)

c)      Zwischenergebnis

135. Unter den vom vorlegenden Gericht mitgeteilten tatsächlichen Umständen besteht kein Zusammenhang der Taten, die dem Angeklagten im Zeitraum vor dem 4. November 2014 vorgeworfen werden, mit seinen unionsrechtlichen Aufgaben als Mitglied des Erweiterten Rats der EZB oder des EZB-Rats. Für den Zeitraum seit Inkrafttreten des SSM am 4. November 2014 besteht ein Zusammenhang mit seinen unionsrechtlichen Aufgaben als Mitglied des EZB-Rats und der FKTK als „nationale zuständige Behörde“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der SSM-Verordnung, wenn sich die dem Angeklagten vorgeworfenen Beratungen von Trasta Komercbanka auf Anforderungen bezogen haben, die für den Entzug der Zulassung eines Kreditinstituts relevant sein können. Dies festzustellen, obliegt dem vorlegenden Gericht.

C.      Zu den Anforderungen von Art. 130 AEUV (fünfte Vorlagefrage)

136. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Art. 130 AEUV, der die Unabhängigkeit der EZB, der nationalen Zentralbanken und der Mitglieder ihrer Beschlussorgane normiert, eine Grundlage für eine weitergehende Immunität von Zentralbankpräsidentinnen und Zentralbankpräsidenten darstellen könnte. In diesem Sinne fragt das vorlegende Gericht im Rahmen seiner fünften Vorlagefrage danach, ob das Unionsrecht Handlungen im Rahmen eines Strafverfahrens gegen eine Zentralbankpräsidentin oder einen Zentralbankpräsidenten entgegensteht, welches insoweit nicht im Zusammenhang mit seinen unionsrechtlichen Aufgaben steht.

137.  Gemäß Art. 130 AEUV dürfen die dort genannten Stellen und Personen weder Weisungen von anderen Stellen entgegennehmen noch darf versucht werden, sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Die Unabhängigkeit der EZB, der nationalen Zentralbanken und der Mitglieder ihrer Beschlussorgane ist nach der Konzeption der Verträge unerlässliche Voraussetzung für die Gewährleistung der Preisstabilität, die Hauptaufgabe des ESZB.(88)

138. Diese Unabhängigkeit könnte aber auch durch nationale Ermittlungs- oder Strafverfahren und hoheitliche Zwangsmaßnahmen gegen eine Zentralbankpräsidentin oder einen Zentralbankpräsidenten im Zusammenhang mit rein nationalen Aufgaben oder gar in nicht dienstlichen Angelegenheiten beeinträchtigt werden. Der dadurch unter Umständen erzeugte politische Druck oder die schlichte Verhinderung dieser Person – etwa im Fall ihrer Verhaftung – wäre geeignet, die unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB zu beeinträchtigen.(89)

139. Vor diesem Hintergrund könnte es angezeigt sein, den Mitgliedern der Beschlussorgane der EZB einen umfassenderen Schutz, insbesondere vor hoheitlichen Zwangsmaßnahmen, zu gewähren, der nicht auf ihre unionsrechtliche Funktionsausübung beschränkt ist. Denn die Bestimmungen über die Unabhängigkeit sollen das ESZB im Wesentlichen vor jedem politischen Druck schützen, damit es die für seine Aufgaben gesetzten Ziele wirksam verfolgen kann.(90)

140. Derartige persönliche Immunitäten sind dem Unionsrecht nicht gänzlich unbekannt. So sind die Richterinnen und Richter des Gerichtshofs und seine Generalanwältinnen und Generalanwälte gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 8 der Satzung des Gerichtshofs, die von Art. 20 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union unberührt bleiben, keiner Gerichtsbarkeit unterworfen. Im Unterschied zur diplomatischen Immunität gilt die Immunität für die Mitglieder des Gerichtshofs sogar in dem Mitgliedstaat, der sie ernannt hat. Dies soll sicherstellen, dass die Unparteilichkeit der Mitglieder der Gerichtshofs in besonderem Maß geschützt wird.(91)

141. Gleichwohl wurde eine Ausweitung der Immunität von Zentralbankpräsidentinnen und ‑präsidenten über den Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union hinaus nicht vorgesehen, obwohl das Protokoll diese Möglichkeit ausdrücklich offenlässt.(92)

142. Sie ist auch nicht nötig.

143. Was den rein nationalen Aufgabenbereich betrifft, wird nämlich bereits durch die oben dargestellte, umfassende Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit(93) sichergestellt, dass die EZB über eventuelle Ermittlungstätigkeiten der nationalen Behörden frühzeitig informiert wird und die Gelegenheit bekommt, zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit oder Unabhängigkeit droht. Denn die Ausnahme zur Einbindung des betroffenen Unionsorgans für Fälle, in denen offensichtlich kein Zusammenhang mit den unionsrechtlichen Aufgaben der betroffenen Person besteht, kann bei einer Zentralbankpräsidentin oder einem Zentralbankpräsidenten allenfalls für solche Handlungen gelten, die eindeutig nicht dienstlicher Natur sind.(94) Sobald eine Handlung dem äußeren Anschein nach dienstlich ist, sind die nationalen Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, die EZB einzubinden.(95)

144. Soweit demgegenüber ein Strafverfahren wegen ausschließlich nicht dienstlicher Handlungen droht, ist prima facie nicht ersichtlich, weshalb eine Zentralbankpräsidentin oder ein Zentralbankpräsident allein aufgrund ihrer oder seiner Stellung davon zunächst verschont bleiben sollte.

145. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die Angst vor politisch motivierter Strafverfolgung oder vor dem Einsatz gerichtlicher Verfahren als Druckmittel eine Unverletzlichkeit der Person eines Zentralbankpräsidenten nicht zu rechtfertigen vermag. Die Union ist eine Rechtsunion auf Grundlage der in Art. 2 EUV genannten Werte, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind.(96) Zu diesen Werten zählt insbesondere die Rechtsstaatlichkeit. Dies begründet und rechtfertigt das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten zueinander und insbesondere zwischen deren Gerichten.(97)

146. Allerdings ist zuzugeben, dass insbesondere die Inhaftierung einer Zentralbankpräsidentin oder eines Zentralbankpräsidenten – egal in welchem Zusammenhang, d. h., selbst wenn sie nicht missbräuchlich wäre – zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit im Sinne von Art. 130 AEUV führen könnte. In diesem Sinne hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die länger andauernde Nichtteilnahme eines Mitglieds des EZB-Rats das ordnungsgemäße Funktionieren dieses wesentlichen Organs der EZB erheblich beeinträchtigen kann.(98)

147. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang allerdings ebenfalls geurteilt, dass das Instrument, um eine derartige Beeinträchtigung der Unabhängigkeit zu verhindern, nicht die Immunität ist, sondern die in Art. 14.2 der Satzung des ESZB und der EZB vorgesehene Klagemöglichkeit.(99)

148. Nach dieser Vorschrift kann der Präsident einer nationalen Zentralbank nur dann aus seinem Amt entlassen werden, wenn er die Voraussetzungen für die Ausübung des Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich hierzu, dass diese Vorschrift für jede Maßnahme gilt, die de facto dazu führt, dass das Amt des Zentralbankpräsidenten nicht ausgeübt werden kann.(100) Vor diesem Hintergrund scheint schon wegen Art. 14.2 der Satzung des ESZB und der EZB die Inhaftierung einer Zentralbankpräsidentin oder eines Zentralbankpräsidenten, egal in welchem Zusammenhang, grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen sind lediglich für besonders schwere Verfehlungen denkbar.

149. Auch im Fall einer besonders schweren Verfehlung wären die mitgliedstaatlichen Behörden indes gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, umgehend die EZB zu benachrichtigen, um Art. 130 AEUV zu seiner vollen Wirksamkeit zu verhelfen. Dadurch wird sichergestellt, dass die EZB den in Art. 14.2 der Satzung des ESZB und der EZB vorgesehenen Rechtsbehelf einlegen kann, wenn sie der Ansicht ist, dass durch die betreffende Zwangsmaßnahme ihre Unabhängigkeit in ungerechtfertigter Weise beeinträchtigt wird. Sie kann in diesem Rahmen sogar einstweilige Anordnungen gegenüber den nationalen Strafverfolgungsbehörden erwirken.(101) Der Gerichtshof prüft dann insbesondere, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffene Zentralbankpräsidentin oder der Zentralbankpräsident eine schwere Verfehlung begangen hat.(102) Wenn dies aber der Fall ist, ist nicht ersichtlich, warum die Funktionsfähigkeit des EZB-Rats über die legitimen Strafverfolgungsinteressen des Mitgliedstaats zu stellen wäre.

150. Die Garantien des Art. 14.2 der Satzung des ESZB und der EZB in Verbindung mit der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit aus Art. 18 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union und Art. 4 Abs. 3 EUV, deren Beachtung gegebenenfalls durch ein Vertragsverletzungsverfahren erzwungen werden kann(103), stellen also im Ergebnis einen ausreichenden Schutz gegen Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit der EZB, der nationalen Zentralbanken und ihrer Mitglieder durch Strafverfolgungsmaßnahmen in rein nationalen und nicht dienstlichen Angelegenheiten sicher, die eine Ausweitung der Immunität der betreffenden Personen über den klaren Wortlaut des Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union hinaus entbehrlich macht.

151. Es bleibt also dabei, dass die Zentralbankpräsidentinnen und ‑präsidenten der Mitgliedstaaten lediglich die in Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union vorgesehene Befreiung genießen.

D.      Zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Befreiung (zweiter Teil der dritten Vorlagefrage)

152. Mit dem zweiten Teil der dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht schließlich im Wesentlichen wissen, ob unter Verstoß gegen die Immunität nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union erlangte Beweise herangezogen werden dürfen. Zu denken wäre hierbei insbesondere an Vernehmungs- oder Durchsuchungsergebnisse, die nach den oben gemachten Ausführungen nicht ohne vorherige Aufhebung der Immunität durch das betroffene Organ hätten durchgeführt werden dürfen.(104)

153. Insofern bestehen bereits Zweifel, ob dieser Teil der Frage nicht hypothetisch ist. Denn das Vorabentscheidungsersuchen enthält keinerlei Hinweise dazu, welche Beweise unter Verstoß gegen die in Frage stehende Immunität erhoben worden sein sollen, die für seine Entscheidung im Ausgangsverfahren erheblich sind.

154. Jedenfalls ist bezüglich eines etwaigen Beweisverwertungsverbots wiederum auf das Aufhebungsverfahren zu verweisen. Sobald die Immunität aufgehoben worden ist, laufen der Beweisverwertung jedenfalls grundsätzlich keine Interessen der Union im Sinne des Art. 17 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union mehr zuwider. Da die Frage der Beweisverwertung aber nicht durch das Protokoll geregelt wird, gilt insoweit die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.(105) Dies bedeutet, dass im Grundsatz die nationalen Regelungen Anwendung finden, die in vergleichbaren Fällen bei der Frage der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise angewendet werden (Äquivalenzgrundsatz). Dabei müssen die nationalen Gerichte jedoch sicherstellen, dass die Ziele des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union nicht unterlaufen werden (Effektivitätsgrundsatz).

VI.    Ergebnis

155. Ich schlage dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen zu antworten:

1.      Die Präsidentinnen und Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten fallen gemäß Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union in dessen Anwendungsbereich, soweit sie amtliche Aufgaben im Rahmen des ESZB oder der Bankenunion wahrnehmen, insbesondere in ihrer Funktion als Mitglieder des Erweiterten Rats der EZB oder des EZB-Rats. Wenn eine Zentralbank nationale zuständige Behörde im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der SSM-Verordnung ist oder ihre Präsidentin oder ihr Präsident nach dem nationalen Recht dieser Behörde angehört, fällt sie oder er außerdem gemäß dessen Art. 22 Abs. 1 in den Anwendungsbereich des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union, soweit diese Behörde vorbereitende Handlungen in einem Verfahren wahrnimmt, welches auf der ausschließlichen Entscheidungsbefugnis der EZB beruht. Die Befreiung für derartige Handlungen in amtlicher Eigenschaft gilt auch nach Ende der Amtszeit fort.

2.      Als „Handlungen in amtlicher Eigenschaft“ im Sinne von Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union sind solche Handlungen anzusehen, die sich aufgrund einer unmittelbaren inneren Beziehung notwendig aus den Aufgaben der Organe ergeben und daher ihrer Natur nach als Teilnahme einer in dieser Vorschrift genannten Person an der Erfüllung der Aufgaben des Organs anzusehen sind, dem sie angehört. Dies ist der Fall, wenn die gerichtliche Überprüfung einer solchen Handlung eine Beurteilung des Pflichtenkreises des betreffenden Organs oder seiner Bediensteten erfordert, für die ausschließlich der Gerichtshof zuständig ist.

3.      Die Befreiung von der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit gemäß Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union steht dem entgegen, dass wegen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen ein gerichtliches Verfahren eröffnet wird oder hoheitliche Zwangsmaßnahmen gegenüber einer in dieser Vorschrift genannten Person vorgenommen werden, bevor das Einvernehmen mit dem Organ der Union hergestellt worden ist, dem diese Person angehört. Der Eröffnung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wegen solcher Handlungen steht diese Vorschrift allerdings nicht generell entgegen.

4.      Im Fall von unter Verstoß gegen die Befreiung nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union erlangten Beweisen finden die nationalen Regelungen zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise unter Achtung des Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes Anwendung.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      ABl. 2016, C 202, S. 266.


3      Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63).


4      ABl. 2016, C 202, S. 230.


5      Vgl. Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Verordnung.


6      Zugleich Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338). Die spätere Änderung des Art. 18 durch die Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (ABl. 2019, L 150, S. 253) ist vorliegend nicht einschlägig.


7      EZB/2014/17 (ABl. 2014, L 141, S. 1).


8      Latvijas Vēstnesis (Amtsblatt der Republik Lettland) Nr. 74 vom 11. Mai 2005.


9      Latvijas Vēstnesis Nr. 199/200 vom 8. Juli 1998.


10      Vgl. Art. 6 Abs. 6 der SSM-Verordnung.


11      Dieser Vorgang war und ist Gegenstand verschiedener Rechtssachen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, vgl. Beschluss vom 12. September 2017, Fursin u. a./EZB (T‑247/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:623), Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), sowie die anhängige Rechtssache T‑698/16, Trasta Komercbanka u. a./EZB.


12      Vgl. Art. 283 Abs. 1 AEUV.


13      Vgl. Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 76, 79 und 81).


14      Siehe jedoch die Ausnahmen in Art. 31 Abs. 1 WÜD für dingliche Klagen in Bezug auf privates, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats gelegenes unbewegliches Vermögen (Buchst. a), Klagen in Nachlasssachen, in denen der diplomatische Vertreter als Testamentsvollstrecker, Verwalter, Erbe oder Vermächtnisnehmer in privater Eigenschaft und nicht als Vertreter des Entsendestaats beteiligt ist (Buchst. b) und Klagen im Zusammenhang mit einem freien Beruf oder einer gewerblichen Tätigkeit, die der diplomatische Vertreter im Empfangsstaat neben seiner amtlichen Tätigkeit ausübt (Buchst. c).


15      Urteile vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 69 und 70), und vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 83).


16      Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 70).


17      Dazu bereits Nr. 45 dieser Schlussanträge.


18      Urteil vom 11. Juli 1968, Sayag und Zürich (5/68, EU:C:1968:42, S. 600). In diesem Sinne bestätigt Art. 23 Abs. 1 Satz 2 des Beamtenstatuts, dass die Beamtinnen und Beamten weder von der Erfüllung ihrer persönlichen Verpflichtungen noch von der Beachtung der geltenden Gesetze und polizeilichen Vorschriften befreit sind, soweit im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Union nichts anderes bestimmt ist.


19      Vgl. analog zum Schutz der Archive einer nationalen Zentralbank nach Art. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 84 und 85).


20      Beschluss vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a. (C‑2/88‑IMM, EU:C:1990:315, Rn. 19), sowie Urteile vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 82), vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ (C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 47), und vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 73 und 100).


21      Beschluss vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a. (C‑2/88‑IMM, EU:C:1990:315, Rn. 20), und Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ (C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 47).


22      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache OH (Befreiung von der Gerichtsbarkeit) (C‑758/19, EU:C:2021:86, Nr. 67 mit weiteren Nachweisen).


23      Vgl. Urteil vom 11. Juli 1968, Sayag und Zürich (5/68, EU:C:1968:42, S. 600).


24      Vgl. Urteil vom 10. Juli 1969, Sayag und Zürich (9/69, EU:C:1969:37, Rn. 5 bis 7). Die Haftung im Innenverhältnis ist gemäß Art. 22 Abs. 1 des Beamtenstatuts auf schwerwiegendes Verschulden beschränkt.


25      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache OH (Befreiung von der Gerichtsbarkeit) (C‑758/19, EU:C:2021:86, Nr. 27).


26      Siehe etwa „fritagelse for retsforfølgning“ im Dänischen, „immune from legal proceedings“ im Englischen und „vrijgesteld van rechtsvervolgin“ im Niederländischen.


27      Vgl. meine Schlussanträge in den Rechtssachen Rimšēvičs/Lettland und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2018:1030, Nr. 144).


28      Auch außerhalb des Strafverfahrens sind ordnungsgeldbewährte Erscheinungs- oder Auskunftspflichten denkbar bzw. die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen.


29      Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ (C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 45).


30      Siehe dazu Nrn. 56 und 61 der vorliegenden Schlussanträge.


31      Vgl. Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 105).


32      Urteile vom 21. Oktober 2008, Marra (C‑200/07 und C‑201/07, EU:C:2008:579, Rn. 42), vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 40), und vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 119).


33      Urteile vom 21. Oktober 2008, Marra (C‑200/07 und C‑201/07, EU:C:2008:579, Rn. 41), und vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 119).


34      Vgl., analog zu den Archiven der Union, Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 126).


35      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 102).


36      Vgl. Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ (C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 44 bis 54).


37      Vgl. nur Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 36 und 37).


38      Vgl. zu dieser Konstellation Beschluss vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a. (C‑2/88‑IMM, EU:C:1990:315).


39      Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a. (C‑2/88‑IMM, EU:C:1990:315, Rn. 24); siehe dazu auch sogleich Nr. 106 der vorliegenden Schlussanträge.


40      Vgl. zu dieser Konstellation Urteil vom 16. Dezember 1960, Humblet/Belgischer Staat (6/60‑IMM, EU:C:1960:48).


41      Vgl. dazu Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 111 ff.).


42      Siehe dazu gleich, Nrn. 93 ff. der vorliegenden Schlussanträge; so auch im Ergebnis Urteil vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 40).


43      So bereits Schlussanträge des Generalanwalts Gand in der Rechtssache Sayag und Zürich (5/68, nicht veröffentlicht, EU:C:1968:30, S. 608); vgl. auch zur Vornahme von Äußerungen in amtlicher Eigenschaft Urteile vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 33), und vom 17. September 2020, Troszczynski/Parlament (C‑12/19 P, EU:C:2020:725, Rn. 40).


44      Siehe dazu bereits die Nrn. 81 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


45      Vgl. Nrn. 65 und 66 der vorliegenden Schlussanträge.


46      In diesem Sinne Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 224, 225, 230 und 231) und 1/17 (CETA) vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 132).


47      Urteil vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 25).


48      Vgl. zu den Pflichten aus Art. 18 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Union bereits die Nrn. 80 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


49      Dies hätte grundsätzlich schon im Ermittlungsverfahren geschehen müssen (vgl. oben, Nrn. 81 ff. der vorliegenden Schlussanträge), muss aber spätestens jetzt nachgeholt werden, wenn dem Organ noch nicht die Möglichkeit gegeben worden ist, zu prüfen, ob seine Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit von dem Verfahren beeinträchtigt sein könnten.


50      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 102).


51      Nur darauf bezieht sich die Aussage des Gerichtshofs im Urteil vom 21. Oktober 2008, Marra (C‑200/07 und C‑201/07, EU:C:2008:579, Rn. 32).


52      Vgl. nur die Ausführungen des Gerichtshofs zu dieser Frage im Urteil vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 28 bis 37).


53      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 37), und vom 17. September 2020, Troszczynski/Parlament (C‑12/19 P, EU:C:2020:725, Rn. 57).


54      Diese Frage stellt sich nun allerdings auch in der derzeit anhängigen Rechtssache OH (Befreiung von der Gerichtsbarkeit) (C‑758/19, EU:C:2021:86), in der Generalanwalt Bobek am 2. Februar 2021 seine Schlussanträge verlesen hat.


55      Urteil vom 11. Juli 1968, Sayag und Zürich (5/68, EU:C:1968:42, S. 600).


56      Urteil vom 10. Juli 1969, Sayag und Zürich (9/69, EU:C:1969:37, Rn. 7).


57      Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/RQ (C‑831/18 P, EU:C:2019:1143, Nr. 54).


58      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Gand in der Rechtssache Sayag und Zürich (5/68, nicht veröffentlicht, EU:C:1968:30, S. 608).


59      In diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache OH (Befreiung von der Gerichtsbarkeit) (C‑758/19, EU:C:2021:86, Nrn. 27, 29 und 67), der auf das Kriterium der Nähe abstellt.


60      Vgl. Nrn. 95, 96 und 98 der vorliegenden Schlussanträge.


61      Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a. (C‑2/88‑IMM, EU:C:1990:315, Rn. 22 und 25), und Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 101).


62      Siehe dazu Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge und Beschluss vom 6. Dezember 1990, Zwartveld u. a. (C‑2/88‑IMM, EU:C:1990:440).


63      Urteile vom 21. Oktober 2008, Marra (C‑200/07 und C‑201/07, EU:C:2008:579, Rn. 44), und vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 27).


64      Urteile vom 6. September 2011, Patriciello (C‑163/10, EU:C:2011:543, Rn. 35), und vom 17. September 2020, Troszczynski/Parlament (C‑12/19 P, EU:C:2020:725, Rn. 39); vgl. dazu Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Troszczynski/Parlament (C‑12/19 P, EU:C:2020:258, Nr. 51).


65      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 89), und Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache OH (Befreiung von der Gerichtsbarkeit) (C‑758/19, EU:C:2021:86, Nr. 27).


66      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in den verbundenen Rechtssachen Marra (C‑200/07 und C‑201/07, EU:C:2008:369, Nr. 12).


67      Vgl. dazu die Nrn. 63 und 64 der vorliegenden Schlussanträge.


68      Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 100).


69      Vgl. dazu Nr. 101 der vorliegenden Schlussanträge.


70      Siehe zu diesem Erfordernis Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge.


71      Siehe Nr. 81 der vorliegenden Schlussanträge.


72      Vgl. insbesondere Nrn. 95 und 96 der vorliegenden Schlussanträge.


73      Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 38).


74      Urteile vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 53), und vom 2. Oktober 2019, Crédit Mutuel Arkéa/EZB (C‑152/18 P und C‑153/18 P, EU:C:2019:810, Rn. 60).


75      Vgl. dazu Art. 13g.1. Satz 1 der Geschäftsordnung der EZB. Das Aufsichtsgremium übernimmt dabei gemäß Art. 26 Abs. 1 der SSM-Verordnung die Planung und Ausführung der Beschlüsse. Die herausgehobene Rolle des EZB-Rats in der Bankenaufsicht verdeutlichen außerdem Art. 7 Abs. 7, Art. 19 Abs. 3, Art. 24 Abs. 7 und 8 sowie Art. 25 Abs. 4 und 5 der SSM-Verordnung.


76      Siehe bereits Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge.


77      Zu den unionsrechtlichen Aufgaben der FKTK sogleich, Nrn. 124 bis 128 der vorliegenden Schlussanträge.


78      Nach dem 13. Erwägungsgrund der SSM-Verordnung sind die nationalen zuständigen Behörden nicht zwingend die Zentralbanken, allerdings ist dies in vielen Mitgliedstaaten der Fall. Im Fall Lettlands ist zwar nicht die Zentralbank für die Aufsicht im SSM zuständig, sondern die FKTK. Die Zentralbankpräsidentin oder der Zentralbankpräsident ist jedoch nach Angaben des vorlegenden Gerichts nach lettischem Recht beratendes Mitglied der FKTK.


79      Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 43 und 55).


80      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 43 und 56).


81      Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 57).


82      Vgl. dazu bereits Nrn. 65 und 66 der vorliegenden Schlussanträge.


83      Vgl. analog Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 57).


84      Vgl. EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen, Zulassungsanträge im Allgemeinen; 2. überarbeitete Aufl., Januar 2019, S. 29.


85      Vgl. dazu Nr. 108 der vorliegenden Schlussanträge.


86      Siehe zu diesem Vorgehen Nr. 99 der vorliegenden Schlussanträge.


87      Vgl. dazu insbesondere Nrn. 83 und 106 am Ende der vorliegenden Schlussanträge.


88      Vgl. dazu meine Schlussanträge in den Rechtssachen Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:641, Nr. 59) und Rimšēvičs/Lettland und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2018:1030, Nrn. 5 und 76).


89      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 52, 61 und 73).


90      Urteile vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 40), und vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 47).


91      Vgl. die Eidesformel nach Art. 2 der Satzung des Gerichtshofs.


92      Vgl. den Hinweis in Art. 22 Abs. 1 des Protokolls, wonach die Satzung des ESZB und der EZB unberührt bleibt. Diese sieht jedoch – im Unterschied zur Satzung des Gerichtshofs – keine über das Protokoll hinausgehenden Befreiungen für die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB vor.


93      Siehe dazu insbesondere die Nrn. 81 bis 84 der vorliegenden Schlussanträge.


94      Vgl. Nr. 81 der vorliegenden Schlussanträge.


95      Vgl. auch Nr. 113 der vorliegenden Schlussanträge.


96      Insofern ist die Ausgangslage im Kontext des WÜD eine andere. Die herkömmlichen Begründungsansätze für die diplomatische Immunität – Repräsentationstheorie, Exterritorialitätstheorie und Funktionstheorie – können eine umfassende persönliche Immunität, wie sie Art. 31 Abs. 1 WÜD vorsieht, nach überwiegender Meinung nicht rechtfertigen, vgl. nur Ross, „Rethinking Diplomatic Immunity: A Review of Remedial Approaches to Address the Abuses of Diplomatic Privileges and Immunities“, American University International Law Review 4, no. 1 (1989), 173 (179 und 180); Maginnis, “Limiting Diplomatic Immunity: Lessons Learned from the 1946 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations“, 28 Brook. J. Int’l L. (2003), 989 (992). Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass die umfassende diplomatische Immunität der Angst vor politischer Verfolgung von Diplomatinnen und Diplomaten oder deren Einsatz als Druckmittel Rechnung tragen soll, vgl. Maginnis, a.a.O. (996).


97      Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 30), vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 35), und vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 43).


98      Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 73).


99      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 48 und 61).


100      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 52, 61 und 73).


101      Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 73 und 74).


102      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139, Rn. 92).


103      Vgl. Urteil vom 17. Dezember 2020, Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:1030, Rn. 111 ff.).


104      Vgl. oben, Nr. 72 dieser Schlussanträge.


105      Siehe dazu auch Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 93), sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Slowenien (Archive der EZB) (C‑316/19, EU:C:2020:641, Nr. 83).