Language of document : ECLI:EU:C:2023:456

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

8. Juni 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Vertrag mit doppeltem Zweck – Art. 2 Buchst. b – Begriff des Verbrauchers – Kriterien“

In der Rechtssache C‑570/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla Warszawy-Woli w Warszawie (Rayongericht Warszawa-Wola in Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 22. Juni 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 13. September 2021, in dem Verfahren

I.S.,

K.S.

gegen

YYY. S.A.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von I.S. und K.S., vertreten durch P. Artymionek, A. Citko und M. Siejko, Radcowie prawni,

–        der YYY. S.A., vertreten durch Ł. Hejmej, M. Przygodzka und A. Szczęśniak, Adwokaci,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. L. Kalėda, U. Małecka und M. N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Dezember 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen I.S. und K.S. einerseits und einer Bank, der YYY. S.A., andererseits wegen der Zahlung eines Betrags nebst Zinsen an diese Bank auf der Grundlage von Klauseln in einem an den Wechselkurs einer ausländischen Währung gebundenen Hypothekenkreditvertrag.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 93/13

3        Im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. Diese Vorschriften sollten für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten. …“

4        Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.“

5        Art. 2 der Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

b)      Verbraucher: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

c)      Gewerbetreibender: eine natürliche oder juristische Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzurechnen ist.“

6        Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist „[e]ine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, … als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht“.

7        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

 Richtlinie 2011/83/EU

8        Der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) lautet:

„Die Definition des Verbrauchers sollte natürliche Personen, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln, umfassen. Wird der Vertrag jedoch teilweise für gewerbliche und teilweise für nichtgewerbliche Zwecke abgeschlossen (Verträge mit doppeltem Zweck) und ist der gewerbliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegend, so sollte diese Person auch als Verbraucher betrachtet werden.“

9        Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke:

1.      ‚Verbraucher‘ jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen;

2.      ‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;

…“

 Richtlinie 2013/11/EU

10      Der 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 63) lautet:

„Die Definition des Begriffs ‚Verbraucher‘ sollte natürliche Personen, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln, umfassen. Wird ein Vertrag jedoch teils im Rahmen, teils außerhalb des Rahmens des Gewerbes einer Person abgeschlossen (Verträge mit doppeltem Zweck) und ist der gewerbliche Zweck so gering, dass er im Gesamtkontext des Geschäfts als nicht überwiegend erscheint, sollte die betreffende Person ebenfalls als Verbraucher gelten.“

11      Art. 4 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Verbraucher‘ jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;

b)      ‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person – unabhängig davon, ob sie in privatem oder öffentlichem Eigentum steht –, die zu Zwecken handelt, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, wobei sie dies auch durch eine in ihrem Namen oder Auftrag handelnde Person tun kann;

…“

 Verordnung (EU) Nr. 524/2013

12      Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 1) lautet:

„Die Definition des Begriffs ‚Verbraucher‘ sollte natürliche Personen, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln, umfassen. Wird ein Vertrag jedoch teils im Rahmen, teils außerhalb des Rahmens des Gewerbes einer Person abgeschlossen (Verträge mit doppeltem Zweck) und ist der gewerbliche Zweck so gering, dass er im Gesamtkontext des Geschäfts als nicht überwiegend erscheint, sollte die betreffende Person ebenfalls als Verbraucher gelten.“

13      Art. 4 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Verbraucher‘ einen Verbraucher im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie [2013/11];

b)      ‚Unternehmer‘ einen Unternehmer im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie [2013/11];

…“

 Polnisches Recht

14      Art. 221 der Ustawa – Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 (Dz. U. 1964, Nr. 16) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung definiert den Begriff „Verbraucher“ als „natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft mit einem Unternehmer abschließt, das nicht unmittelbar mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängt“.

15      Art. 3851 § 1 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„Die Bestimmungen eines Verbrauchervertrags, die nicht individuell ausgehandelt wurden, sind für den Verbraucher unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer Art und Weise gestalten, die gegen die guten Sitten verstößt und ihn grob benachteiligt (verbotene Vertragsklauseln). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptleistungen der Parteien festlegen, insbesondere den Preis oder die Vergütung, wenn sie eindeutig formuliert sind.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16      Die Kläger des Ausgangsverfahrens, I.S. und K.S., heirateten, ohne einen Ehevertrag abgeschlossen zu haben.

17      Am 28. Februar 2006 beantragten sie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens einen Hypothekenkredit über einen Betrag von 206 120 polnischen Zloty (PLN) (etwa 45 800 Euro) mit Schweizer Franken (CHF) als Indexierungswährung. Dieser Kredit sollte zum einen für die Refinanzierung von Verbraucherverbindlichkeiten im Zusammenhang mit einem Verbraucherkredit, einem Girokonto sowie einer Kreditkarte und zum anderen zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten an einer Wohnung verwendet werden.

18      Am 21. März 2006 schlossen die Kläger des Ausgangsverfahrens mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens einen an Schweizer Franken gebundenen Hypothekenkreditvertrag über 198 996,73 PLN (etwa 44 200 Euro) mit einer Laufzeit von 300 Monaten. Die erste Rate dieses Kredits war zum einen für die Rückzahlung von 70 000 PLN (etwa 15 600 Euro) auf ein Girokonto auf den Namen einer von I.S. geführten Gesellschaft und zum anderen für die Zahlung verschiedener Versicherungsprämien in Höhe von 1 216,80 PLN (etwa 270 Euro), von 3 979,93 PLN (etwa 880 Euro) und von 3 800 PLN (etwa 840 Euro) bestimmt. Die zweite Rate war zum einen zur Rückzahlung verschiedener finanzieller Verbindlichkeiten der Kläger des Ausgangsverfahrens über Summen in Höhe von 9 720 PLN (etwa 2 200 Euro), von 7 400 PLN (etwa 1 600 Euro) und von 9 000 PLN (etwa 2 000 Euro) sowie zum anderen zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten an einer Wohnung in Höhe von 93 880 PLN (etwa 20 900 Euro) vorgesehen.

19      Sowohl zum Zeitpunkt der Stellung des Kreditantrags als auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags übte I.S. eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus. K.S. dagegen ging im Rahmen eines Arbeitsvertrags einer Tätigkeit als Schlosser nach.

20      Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben beim vorlegenden Gericht Klage auf Rückzahlung eines Betrags von 13 142,03 PLN (etwa 2 900 Euro) zuzüglich Zinsen, den YYY. gemäß den Klauseln des Kreditvertrags über die Fälligkeit der monatlichen Tilgungsraten und die Höhe der Verbindlichkeit erhalten hatte, mit der Begründung, dass diese Klauseln missbräuchlich seien.

21      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass YYY. vor dem vorlegenden Gericht u. a. geltend machte, dass der in Rede stehende Kredit zur Rückzahlung eines Kredits in Verbindung mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gewährt worden sei, so dass sich die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht auf den Rechtsschutz nach Art. 3851 des Zivilgesetzbuchs berufen könnten.

22      Außerdem geht aus diesem Ersuchen hervor, dass I.S. in der mündlichen Verhandlung vor dem vorlegenden Gericht am 11. Januar 2021 bestätigte, dass eine Summe in Höhe von 70 000 PLN (etwa 15 600 Euro), die im Rahmen des in Rede stehenden Kreditvertrags gewährt wurde, zur Rückzahlung einer Verbindlichkeit auf ihrem Geschäftskonto verwendet worden sei und dieses Konto nach dieser Rückzahlung geschlossen worden sei. I.S. erklärte zudem, dass die Rückzahlung Voraussetzung für den Abschluss dieses Vertrags gewesen sei.

23      Unter diesen Umständen hegt das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13, und zwar vor dem Hintergrund, dass im Rahmen eines „gemischten“ Kreditvertrags ein weder überwiegender noch nebensächlicher Teil des Kreditbetrags, nämlich 35 %, verwendet worden sei, um einen Kredit im Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit einer der Kläger des Ausgangsverfahrens zurückzuzahlen, und dass der andere Teil dieses Betrags, nämlich 65 %, für Konsumzwecke außerhalb einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit bestimmt gewesen sei. Das vorlegende Gericht fragt sich im Wesentlichen, ob die auf der Grundlage der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit bei Verbrauchersachen vorgenommene Auslegung des Begriffs des Verbrauchers im Urteil vom 20. Januar 2005, Gruber (C‑464/01, im Folgenden: Urteil Gruber, EU:C:2005:32), auf die Auslegung des Begriffs des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 entsprechend angewandt werden könne. Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflichen oder gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, sich nur auf diese Zuständigkeitsvorschriften berufen kann, wenn der berufliche oder gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt.

24      Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass aus dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 und aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 524/2013 hervorgehe, dass bei der Definition des Begriffs des Verbrauchers bei Verträgen mit doppeltem Zweck, d. h. bei Verträgen, die teilweise für gewerbliche oder berufliche und teilweise für nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zwecke abgeschlossen würden, der gewerbliche oder berufliche Zweck so gering zu sein habe, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Vertrags nicht überwiege.

25      Außerdem fragt sich das vorlegende Gericht, welche Kriterien im Rahmen einer solchen Definition zu berücksichtigen seien. Es möchte insbesondere wissen, ob der Umstand, dass nur einer der Kläger des Ausgangsverfahrens einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt habe, sowie der Umstand, dass der in Rede stehende Kredit ohne die Rückzahlung der Verbindlichkeit des betreffenden Unternehmens für einen nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Zweck nicht gewährt worden wäre, insoweit maßgebliche Kriterien darstellten.

26      Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy-Woli w Warszawie (Rayongericht Warszawa-Wola in Warschau, Polen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 sowie deren Erwägungsgründe dahin auszulegen, dass sie der Definition einer Person, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt und gemeinsam mit einem Kreditnehmer, der keiner solchen Tätigkeit nachgeht, einen an eine Fremdwährung gebundenen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für die gewerbliche oder berufliche Verwendung durch einen der Kreditnehmer bestimmt war und teilweise für Zwecke, die nicht dessen gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit zuzurechnen waren, als „Verbraucher“ nicht entgegenstehen, und zwar nicht nur dann, wenn die gewerbliche oder berufliche Verwendung so nebensächlich ist, dass sie im Gesamtzusammenhang des betreffenden Vertrags nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, und es nicht darauf ankommt, dass der nicht gewerbliche oder nicht berufliche Aspekt überwiegt?

2.      Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Sind Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 sowie deren Erwägungsgründe dahin auszulegen, dass der Begriff „Verbraucher“ in dieser Bestimmung auch eine Person umfasst, die zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübte, während der andere Kreditnehmer eine solche Tätigkeit nicht ausübte, wenn diese beiden Personen anschließend mit einer Bank einen an eine Fremdwährung gebundenen Kreditvertrag abschließen, dessen Kapital teilweise für die gewerbliche oder berufliche Verwendung durch einen der Kreditnehmer bestimmt war und teilweise für Zwecke, die nicht der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen waren, und wenn die gewerbliche oder berufliche Verwendung nicht nebensächlich war und im Gesamtzusammenhang des Kreditvertrags nicht nur eine ganz untergeordnete Rolle spielte, wobei der nicht gewerbliche oder nicht berufliche Aspekt überwog, und ohne Verwendung des Kreditkapitals für einen gewerblichen oder beruflichen Zweck die Kreditvergabe für einen nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Zweck nicht möglich gewesen wäre?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

27      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er der Einstufung einer Person als Verbraucher entgegensteht, die gemeinsam mit einem anderen Kreditnehmer, der nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für eine mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängende Verwendung und teilweise für eine nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängende Verwendung bestimmt ist, wenn die Verbindung zwischen diesem Vertrag und der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit dieser Person nicht so nebensächlich ist, dass sie im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, aber derart gering ist, dass sie in diesem Gesamtzusammenhang nicht überwiegt.

28      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (Urteil vom 7. November 2019, Kanyeba u. a., C‑349/18 bis C‑351/18, EU:C:2019:936, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Nach dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 ist unter dem Begriff des Verbrauchers eine natürliche Person zu verstehen, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.

30      Die Verbrauchereigenschaft ist somit anhand eines funktionellen Kriteriums zu beurteilen, nämlich, ob die in Rede stehende Vertragsbeziehung außerhalb der Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt (Urteil vom 27. Oktober 2022, S. V. [Im Miteigentum stehendes Gebäude], C‑485/21, EU:C:2022:839, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass der Begriff des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 objektiven Charakter hat und von den konkreten Kenntnissen, die die betreffende Person haben mag, oder den Informationen, über die sie tatsächlich verfügt, unabhängig ist (Urteil vom 21. März 2019, Pouvin und Dijoux, C‑590/17, EU:C:2019:232, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob und, wenn ja, in welchen Fällen eine Person, die einen Vertrag mit doppeltem Zweck abgeschlossen hat, der nur teilweise ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, als Verbraucher im Sinne dieser Richtlinie anzusehen ist.

32      Zum Regelungszusammenhang von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 und den mit ihr verfolgten Zielen ist festzustellen, dass diese Richtlinie, wie sich aus ihren Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 ergibt, auf missbräuchliche Klauseln „in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern“ Anwendung findet, die „nicht im Einzelnen ausgehandelt“ wurden (Urteil vom 15. Januar 2015, Šiba, C‑537/13, EU:C:2015:14, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Nach dem zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie sollten einheitliche Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln, vorbehaltlich der in diesem Erwägungsgrund angeführten Ausnahmen, für „alle Verträge“ zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern im Sinne von Art. 2 Buchst. b und c der Richtlinie gelten (Urteil vom 27. Oktober 2022, S. V. [Im Miteigentum stehendes Gebäude], C‑485/21, EU:C:2022:839, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Die Richtlinie 93/13 definiert somit die Verträge, auf die sie anwendbar ist, unter Bezugnahme auf die Eigenschaft der Vertragspartner, d. h. darauf, ob sie im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handeln oder nicht (Urteil vom 21. März 2019, Pouvin und Dijoux, C‑590/17, EU:C:2019:232, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Ein solches Kriterium entspricht dem Gedanken, auf dem das mit dieser Richtlinie geschaffene Schutzsystem beruht, nämlich dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteil vom 3. September 2015, Costea, C‑110/14, EU:C:2015:538, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen (Urteil vom 17. Mai 2022, Ibercaja Banco, C‑600/19, EU:C:2022:394, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Zudem hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass ein weites Verständnis des Begriffs des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 es ermöglicht, den durch diese Richtlinie gewährten Schutz allen natürlichen Personen zu sichern, die sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2019, Pouvin und Dijoux, C‑590/17, EU:C:2019:232, Rn. 28).

38      Daher sprechen, wie der Generalanwalt in den Nrn. 61 und 66 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, der zwingende Charakter der in der Richtlinie 93/13 enthaltenen Bestimmungen und die mit ihnen verbundenen besonderen Erfordernisse des Verbraucherschutzes dafür, einer weiten Auslegung des Begriffs des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie den Vorzug zu geben, um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten.

39      Obwohl die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 grundsätzlich nur anwendbar sind, wenn der in Rede stehende Vertrag eine Ware oder Dienstleistung zum Gegenstand hat, die zu einer anderen als der gewerblichen oder beruflichen Verwendung bestimmt ist, könnte somit eine natürliche Person, die einen Vertrag über eine Ware oder eine Dienstleistung für eine Verwendung abschließt, die sich teilweise auf ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit bezieht und die daher nur teilweise nicht dieser Tätigkeit zugerechnet werden kann, in bestimmten Fällen als Verbraucher im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie eingestuft werden und sich damit auf den in dieser Richtlinie gewährten Schutz berufen.

40      Um die Beachtung der vom Gesetzgeber der Europäischen Union auf dem Gebiet der Verbraucherverträge verfolgten Ziele und die Kohärenz des Unionsrechts zu gewährleisten, ist insbesondere der in anderen unionsrechtlichen Regelungen enthaltene Begriff des Verbrauchers zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2013, Vapenik, C‑508/12, EU:C:2013:790, Rn. 25).

41      Wie die Kläger des Ausgangsverfahrens, die polnische Regierung und die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorheben, ist insoweit die Richtlinie 2011/83 von maßgeblicher Bedeutung.

42      Abgesehen davon, dass die Definitionen des Begriffs des Verbrauchers in Art. 2 der Richtlinie 93/13 und in Art. 2 der Richtlinie 2011/83 einander weitgehend entsprechen, verfolgt die Richtlinie 2011/83 auch das gleiche Ziel wie die Richtlinie 93/13. Die Richtlinie 2011/83 hat nämlich die Rechte der Verbraucher in Bezug auf Verträge zum Gegenstand, die mit Unternehmern abgeschlossen wurden, und ist darauf ausgerichtet, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, indem den Verbrauchern Information und Sicherheit bei Geschäften mit Unternehmern gewährleistet werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 15. April 2021, MiGame, C‑594/20, EU:C:2021:309, Rn. 28).

43      Außerdem weist die Richtlinie 2011/83, wie der Generalanwalt in Nr. 72 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, eine enge Verbindung mit der Richtlinie 93/13 auf, da die Richtlinie 2011/83 die Richtlinie 93/13 geändert hat und diese beiden Richtlinien auf denselben Vertrag anwendbar sein können, sofern dieser Vertrag gleichzeitig in ihren jeweiligen sachlichen Anwendungsbereich fällt. Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber diese Verbindung kürzlich durch den Erlass der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates sowie der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Anwendung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl. 2019, L 328, S. 7) bekräftigt.

44      Daher ist im Hinblick auf die Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 zu berücksichtigen, der die Absicht des Unionsgesetzgebers in Bezug auf die Definition des Begriffs des Verbrauchers bei Verträgen mit doppeltem Zweck verdeutlicht und aus dem hervorgeht, dass diese Person auch als Verbraucher betrachtet werden sollte, wenn der Vertrag teilweise für gewerbliche oder berufliche und teilweise für nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zwecke abgeschlossen wird und der gewerbliche oder berufliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegend ist.

45      Die Relevanz der Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 im Licht des 17. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/83 wird durch den 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/11 und den 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 524/2013 bestätigt, die dieselbe Klarstellung zur Definition des Begriffs des Verbrauchers bei Verträgen mit doppeltem Zweck enthalten. Auch wenn die Richtlinie 2013/11 und die Verordnung Nr. 524/2013 die Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und damit andere Fragen als diejenigen betreffen, die in den Richtlinien 93/13 und 2011/83 im Hinblick auf den Verbraucherschutz geregelt sind, belegen diese Erwägungsgründe die Absicht des Unionsgesetzgebers, dieser Definition einen übergreifenden Charakter beizumessen.

46      Soweit diese Erwägungsgründe in Gesetzgebungsakten enthalten sind, die nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens erlassen wurden, genügt der Hinweis, dass, wie in Rn. 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der zwingende Charakter der in der Richtlinie 93/13 enthaltenen Bestimmungen und die mit ihnen verbundenen besonderen Erfordernisse des Verbraucherschutzes dafür sprechen, einer weiten Auslegung des Begriffs des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie den Vorzug zu geben, um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten. Folglich spricht die teleologische Auslegung der Richtlinie 93/13 für den vom Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen dargelegten Ansatz, wonach eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck abgeschlossen hat, der teilweise der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, als Verbraucher anzusehen ist, wenn der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.

47      Die vom Gerichtshof in den Rn. 31 und 45 des Urteils Gruber vorgenommene und in den Rn. 29 bis 32 des Urteils vom 25. Januar 2018, Schrems (C‑498/16, EU:C:2018:37), zur Auslegung der Art. 15 bis 17 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) sowie in den Rn. 87 bis 91 des Urteils vom 14. Februar 2019, Milivojević (C‑630/17, EU:C:2019:123), zur Auslegung der Art. 17 bis 19 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) bestätigte Auslegung des Begriffs des Verbrauchers steht einer Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 im Licht des 17. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/83 ebenfalls nicht entgegen.

48      Im Urteil Gruber hat der Gerichtshof nämlich die Art. 13 bis 15 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung der nachfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) ausgelegt.

49      Wie sich insbesondere aus den Rn. 32, 33 und 43 des Urteils Gruber ergibt, betraf dieses Urteil die Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften für Verbrauchersachen im Brüsseler Übereinkommen, die von der in diesem Übereinkommen geregelten allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift, d. h. der Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, abweichen und als von dieser allgemeinen Vorschrift abweichende Zuständigkeitsvorschriften eng dahin auszulegen sind, dass sie keiner Auslegung zugänglich sind, die über die in diesem Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinausgeht.

50      Vor diesem besonderen Hintergrund und unter gleichzeitiger Berücksichtigung weiterer maßgeblicher Aspekte im Rahmen der Auslegung der von diesem Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeitsvorschriften, wie der Erfordernisse der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts sowie des Ziels eines angemessenen Schutzes des Verbrauchers, das mit den Bestimmungen des vierten Abschnitts von Titel II des Übereinkommens verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Gruber, Rn. 34 und 45), hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflichen oder gewerblichen, teils nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, sich nur auf die im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsvorschriften im Bereich der mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträge berufen kann, wenn der berufliche oder gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (vgl. in diesem Sinne Urteil Gruber, Rn. 39 und 54).

51      In Anbetracht dessen, dass Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 keine eng auszulegende Vorschrift ist, und unter Berücksichtigung der ratio legis dieser Richtlinie zum Schutz der Verbraucher bei missbräuchlichen Vertragsklauseln kann die enge Auslegung des Begriffs des Verbrauchers, die im Urteil Gruber zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der in den Art. 13 bis 15 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehenen abweichenden Zuständigkeitsvorschriften für Verträge mit doppeltem Zweck vorgenommen wurde, somit nicht entsprechend auf den Begriff des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 erstreckt werden.

52      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist ferner darauf hinzuweisen, dass eine natürliche Person, die sich in der Situation eines Mitschuldners im Rahmen eines mit einem Gewerbetreibenden abgeschlossenen Kreditvertrags befindet, unter den Begriff des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 fällt, wenn sie zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, und sich, wenn sie sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer entsprechenden Situation befindet wie der Schuldner, gemeinsam mit diesem auf den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura, C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 35 bis 39).

53      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff des Verbrauchers im Sinne dieser Bestimmung eine Person fällt, die gemeinsam mit einem anderen Kreditnehmer, der nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für eine mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängende Verwendung und teilweise für eine nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängende Verwendung bestimmt ist, wenn der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.

 Zur zweiten Frage

54      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, anhand welcher Kriterien festgestellt werden kann, ob eine Person unter den Begriff des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 fällt, und insbesondere, ob der gewerbliche oder berufliche Zweck eines von dieser Person abgeschlossenen Kreditvertrags derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.

55      Nach der Rechtsprechung hat das nationale Gericht, das mit einem Rechtsstreit über einen Vertrag befasst ist, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, unter Berücksichtigung aller Beweise und insbesondere des Wortlauts des Vertrags die Frage zu prüfen, ob die betreffende Person als Verbraucher im Sinne der Richtlinie 93/13 eingestuft werden kann. Hierzu muss das nationale Gericht sämtliche Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art der Ware oder Dienstleistung, die Gegenstand des Vertrags ist, berücksichtigen, die belegen können, zu welchem Zweck die Ware oder Dienstleistung erworben wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2015, Costea, C‑110/14, EU:C:2015:538, Rn. 22 und 23, und vom 21. März 2019, Pouvin und Dijoux, C‑590/17, EU:C:2019:232, Rn. 26).

56      Gleiches gilt für einen Kreditvertrag, der sich teilweise auf die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Kreditnehmers und teilweise auf Zwecke außerhalb dieser Tätigkeit bezieht, zum einen im Hinblick auf die Beurteilung des Umfangs jeder dieser beiden Teile im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags und zum anderen im Hinblick auf den überwiegenden Zweck dieses Vertrags.

57      Insoweit kann die Aufteilung des Kreditbetrags zwischen einer gewerblichen oder beruflichen und einer nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Tätigkeit ein maßgebliches quantitatives Kriterium darstellen. Nicht quantitativen Kriterien kann jedoch ebenfalls maßgebliche Bedeutung zukommen, wie dem Umstand, dass im Fall mehrerer Kreditnehmer nur einer von ihnen mit dem im Rede stehenden Vertrag einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt, oder gegebenenfalls der Frage, ob der Kreditgeber die Gewährung des ursprünglich ausschließlich zu Konsumzwecken bestimmten Kredits von einer teilweisen Verwendung des Kreditbetrags zur Begleichung von Verbindlichkeiten abhängig gemacht hat, die mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängen.

58      Diese Kriterien sind weder abschließend noch ausschließlich, so dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, sämtliche Umstände des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags zu prüfen und auf der Grundlage der ihm vorliegenden objektiven Beweise zu beurteilen, inwieweit der gewerbliche oder berufliche bzw. der nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zweck dieses Vertrags in dessen Gesamtzusammenhang überwiegend ist.

59      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das vorlegende Gericht für die Feststellung, ob eine Person unter den Begriff des Verbrauchers im Sinne dieser Bestimmung fällt und insbesondere, ob der gewerbliche oder berufliche Zweck eines von dieser Person abgeschlossenen Kreditvertrags derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt, alle maßgeblichen quantitativen und qualitativen Umstände im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu berücksichtigen hat, wie vor allem die Aufteilung der Verwendung des Kreditbetrags zwischen einer gewerblichen oder beruflichen und einer nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Tätigkeit und, im Fall einer Mehrzahl von Kreditnehmern, ob nur einer von ihnen einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt oder ob der Kreditgeber die Gewährung eines Kredits für Konsumzwecke von einer teilweisen Verwendung des Kreditbetrags zur Begleichung von Verbindlichkeiten abhängig gemacht hat, die im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen.

 Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des vorliegenden Urteils

60      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die Beklagte des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen beantragt, dass der Gerichtshof die Wirkungen seines Urteils in zeitlicher Hinsicht für den Fall beschränkt, dass er den Begriff des Verbrauchers im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 nicht im Licht des Urteils Gruber auslegen sollte. Zur Begründung ihres Antrags hat sie sich auf den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot berufen.

61      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung nur ganz ausnahmsweise aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit beschränken kann, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (Urteil vom 11. November 2020, DenizBank, C‑287/19, EU:C:2020:897, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Im vorliegenden Fall macht die Beklagte des Ausgangsverfahrens jedoch lediglich Argumente allgemeiner Art geltend, ohne konkrete und genaue Angaben zu machen, die die Begründetheit ihres Antrags im Hinblick auf diese beiden Kriterien belegen könnten.

63      Folglich sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht in zeitlicher Hinsicht zu beschränken.

 Kosten

64      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

ist dahin auszulegen, dass

unter den Begriff des Verbrauchers im Sinne dieser Bestimmung eine Person fällt, die gemeinsam mit einem anderen Kreditnehmer, der nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der teilweise für eine mit ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zusammenhängende Verwendung und teilweise für eine nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängende Verwendung bestimmt ist, wenn der gewerbliche oder berufliche Zweck derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt.

2.      Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13

ist dahin auszulegen, dass

das vorlegende Gericht für die Feststellung, ob eine Person unter den Begriff des Verbrauchers im Sinne dieser Bestimmung fällt und insbesondere, ob der gewerbliche oder berufliche Zweck eines von dieser Person abgeschlossenen Kreditvertrags derart gering ist, dass er im Gesamtzusammenhang dieses Vertrags nicht überwiegt, alle maßgeblichen quantitativen und qualitativen Umstände im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu berücksichtigen hat, wie vor allem die Aufteilung der Verwendung des Kreditbetrags zwischen einer gewerblichen oder beruflichen und einer nicht gewerblichen oder nicht beruflichen Tätigkeit und, im Fall einer Mehrzahl von Kreditnehmern, ob nur einer von ihnen einen gewerblichen oder beruflichen Zweck verfolgt oder ob der Kreditgeber die Gewährung eines Kredits für Konsumzwecke von einer teilweisen Verwendung des Kreditbetrags zur Begleichung von Verbindlichkeiten abhängig gemacht hat, die im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.