Language of document : ECLI:EU:C:2011:284

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 5. Mai 2011(1)

Verbundene Rechtssachen C‑244/10 und C‑245/10

Mesopotamia Broadcast A/S METV und Roj TV A/S

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit – Möglichkeit für einen Mitgliedstaat, auf seinem Hoheitsgebiet die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehveranstalters mit der Begründung eines Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu untersagen“





1.        In den vorliegenden Rechtssachen ist der Gerichtshof aufgerufen, sich zur Tragweite des Erfordernisses in Art. 22a der Richtlinie 89/552/EWG des Rates(2) zu äußern, wonach die von einem Mitgliedstaat aus verbreiteten Sendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln dürfen.

2.        Das Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) möchte wissen, ob dieses Erfordernis dahin auszulegen ist, dass es das im nationalen Recht vorgesehene Erfordernis umfasst, dass Fernsehsendungen nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen dürfen.

3.        Die Bedeutung dieser Frage liegt darin, dass ein Mitgliedstaat die Weiterverbreitung einer Fernsehsendung aus einem anderen Mitgliedstaat gemäß dem von der Richtlinie vorgesehenen System nicht aus Gründen beschränken darf, die Bereiche betreffen, die durch die Richtlinie koordiniert sind, es sei denn, es liegen besondere, in der Richtlinie genannte Umstände vor und die beabsichtigten Maßnahmen wurden der Europäischen Kommission zuvor mitgeteilt.

4.        Der Frage liegt das Verbot der Verbreitung von Sendungen eines dänischen Fernsehsenders in Deutschland zugrunde, das damit begründet wird, dass die Sendungen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verherrlichten und damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften verstießen, während die zuständigen dänischen Behörden davon ausgingen, dass diese Sendungen nicht gegen Art. 22a der Richtlinie verstießen.

5.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, warum das Verbot jeglicher Aufstachelung zum Hass aufgrund von Rasse oder Nationalität nach Art. 22a der Richtlinie aus semantischer Sicht dahin zu verstehen ist, dass auch Sendungen verboten sind, die aufgrund der Verherrlichung einer von der Europäischen Union als „terroristisch“ eingestuften Vereinigung geeignet sind, bei Gemeinschaften unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Herkunft feindliche oder ablehnende Reaktionen hervorzurufen.

6.        Ich werde auch darlegen, dass diese Auslegung am besten mit dem Zweck der Richtlinie übereinstimmt, die Verkehrsfreiheit für Fernsehsendungen durch die Beseitigung von Hindernissen zu gewährleisten, die sich aus unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften im Bereich des Schutzes der öffentlichen Ordnung hinsichtlich diskriminierender Sendungen ergeben.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Die Richtlinie

7.        Die Richtlinie geht von der Feststellung aus, dass die bestehenden Unterschiede in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, was die Ausübung der Fernsehtätigkeit betrifft, den freien Verkehr von Sendungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft behindern und diese Beschränkungen gemäß dem EG-Vertrag aufzuheben sind(3). Sie bezweckt somit eine Harmonisierung, die notwendig und hinreichend ist, um diesen freien Verkehr sicherzustellen(4).

8.        Außerdem stellt der freie Dienstleistungsverkehr für Fernsehdienste nach dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie eine spezifische gemeinschaftsrechtliche Ausprägung von Art. 10 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) dar(5).

9.        Die Richtlinie beruht auf dem „Prinzip des Ursprungsmitgliedstaats“, das eine Ausprägung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung ist, wonach es notwendig und ausreichend ist, dass alle Sendungen dem Recht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem sie ihren Ursprung haben.

10.      Die Erwägungsgründe 14 und 15 der Richtlinie lauten:

„Im Gemeinsamen Markt müssen alle Fernsehsendungen, die ihren Ursprung in der Gemeinschaft haben und für den Empfang in der Gemeinschaft bestimmt sind, speziell diejenigen, welche für den Empfang in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, dem auf die zum Empfang durch die Allgemeinheit im Ursprungsmitgliedstaat bestimmten Fernsehsendungen anwendbaren Recht dieses Mitgliedstaats ebenso wie dieser Richtlinie entsprechen.

Die Verpflichtung des Sendestaats, die Einhaltung des durch diese Richtlinie koordinierten nationalen Rechts sicherzustellen, reicht nach dem Gemeinschaftsrecht aus, um den freien Verkehr von Fernsehsendungen zu gewährleisten, ohne dass eine zweite Kontrolle aus den gleichen Gründen in jedem der Empfangsstaaten stattfinden muss. Der Empfangsstaat kann jedoch ausnahmsweise und unter besonderen Bedingungen die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorübergehend aussetzen.“

11.      Die in diesen Erwägungsgründen zum Ausdruck kommende Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers wird in den normativen Bestimmungen der Richtlinie in der folgenden Weise umgesetzt.

12.      Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sorgt jeder Mitgliedstaat dafür, dass alle Fernsehsendungen, die von seiner Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstaltern gesendet werden, den Vorschriften des Rechtssystems entsprechen, die auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen in diesem Mitgliedstaat anwendbar sind.

13.      Der Fernsehveranstalter ist in Art. 1 Buchst. b der Richtlinie definiert als die natürliche oder juristische Person, die die redaktionelle Verantwortung für die Zusammensetzung von Fernsehprogrammen im Sinne von Buchst. a dieser Vorschrift trägt und die diese Fernsehprogramme sendet oder von Dritten senden lässt.

14.      Nach Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie fallen die Fernsehveranstalter, die in diesem Mitgliedstaat niedergelassen sind, die also dort ihre Hauptverwaltung haben und für die die redaktionellen Entscheidungen über das Programmangebot in diesem Mitgliedstaat getroffen werden, in den Zuständigkeitsbereich dieses Mitgliedstaats.

15.      Nach Art. 3 Abs. 2 der Fernsehrichtlinie sorgen die Mitgliedstaaten mit geeigneten Mitteln im Rahmen ihrer Rechtsvorschriften dafür, dass die jeweils ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen dieser Richtlinie tatsächlich einhalten.

16.      Art. 2a der Richtlinie lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind.

(2)      Die Mitgliedstaaten können vorübergehend von Absatz 1 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Mit einer Fernsehsendung aus einem anderen Mitgliedstaat wird in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 22 Absatz 1 oder 2 und/oder Artikel 22a verstoßen;

b)      der Fernsehveranstalter hat während der vorangegangenen zwölf Monate bereits mindestens zweimal gegen die Vorschriften des Buchstabens a) verstoßen;

c)      der betreffende Mitgliedstaat hat dem Fernsehveranstalter und der Kommission schriftlich die behaupteten Verstöße sowie die für den Fall erneuter Verstöße beabsichtigten Maßnahmen mitgeteilt;

d)      die Konsultationen mit dem Mitgliedstaat, der die Sendung verbreitet, und der Kommission haben innerhalb von 15 Tagen ab der unter Buchstabe c) genannten Mitteilung zu keiner gütlichen Regelung geführt, und es kommt zu einem erneuten Verstoß.

Die Kommission trifft innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Mitteilung der Maßnahmen durch den Mitgliedstaat eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht. Im Fall einer negativen Entscheidung muss der betreffende Mitgliedstaat die beanstandeten Maßnahmen unverzüglich beenden.

(3)      Absatz 2 lässt die Anwendung entsprechender Verfahren, Rechtsmittel oder Sanktionen bezüglich der betreffenden Verstöße in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, unberührt.“

17.      Die Art. 22 und 22a der Richtlinie in Kapitel V („Schutz Minderjähriger und öffentliche Ordnung“) bestimmen:

„Artikel 22

(1)      Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Sendungen von Fernsehveranstaltern, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, keinerlei Programme enthalten, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft beeinträchtigen können, insbesondere solche, die Pornografie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen.

Artikel 22a

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Sendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln.“

B –    Nationales Recht

18.      § 3 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 5. August 1964(6) bestimmt, dass ein Verein als verboten behandelt werden darf, wenn durch Verfügung der zuständigen Behörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.

19.      § 18 VereinsG bestimmt hinsichtlich des Verbots von Vereinen, die ihren Sitz im Ausland haben:

„Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot … gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.“

II – Sachverhalt und Vorlagefrage

20.      Die Mesopotamia Broadcast A/S METV (im Folgenden: Mesopotamia Broadcast METV) ist eine Aktien- und Holdinggesellschaft dänischen Rechts mit Sitz in Dänemark. Sie ist Inhaberin mehrerer dänischer Fernsehlizenzen und betreibt u. a. den ebenfalls in der Rechtsform einer dänischen Aktiengesellschaft geführten Fernsehsender Roj TV A/S (im Folgenden: Roj TV).

21.      Das vorwiegend in kurdischer Sprache produzierte Programm von Roj TV wird seit dem 1. März 2004 in ganz Europa und im nahen Osten, u. a. in der Türkei, über Satellit ausgestrahlt. Roj TV lässt Sendebeiträge durch die in Wuppertal (Deutschland) ansässige VIKO Fernsehproduktion GmbH sowie in eigenen Produktionsstätten in Denderleeuw (Belgien) produzieren.

22.      In den Jahren 2006 und 2007 wandten sich türkische Stellen mit Beschwerden an den für die Anwendung der dänischen Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie zuständigen dänischen Radio- und Fernsehausschuss und erhoben den Vorwurf, Roj TV fördere mit seinen Sendungen die Ziele der von der Union als „terroristisch“ eingestuften PKK.

23.      Dieser Ausschuss stellte in seinen Beschlüssen vom 3. Mai 2007 und vom 23. April 2008 fest, dass Roj TV nicht gegen die dänischen Bestimmungen zur Umsetzung der Art. 22 und 22a der Richtlinie verstoßen habe. Dem Ausschuss zufolge wird in den Programmbeiträgen von Roj TV, auf die sich die Beschwerden beziehen, nicht zum Hass aufgrund von Rasse, Nationalität oder Religion aufgestachelt. Sie übermittelten vielmehr im Rahmen von Nachrichten- und Diskussionsprogrammen Informationen, Nachrichten und Meinungen. Gesendete Bilder über gewalttätige Episoden spiegelten die Gewalt wider, die es tatsächlich in der Gesellschaft der Türkei und in den kurdischen Gebieten gebe.

24.      Mit Verfügung vom 13. Juni 2008 untersagte das deutsche Bundesministerium des Innern Mesopotamia Broadcast METV, sich in irgendeiner dem Vereinsgesetz unterfallenden Weise durch Roj TV zu betätigen. Roj TV wurde ebenfalls mit einem Betätigungsverbot belegt.

25.      Das Bundesministerium des Innern rechtfertigte diese Verbote u. a. damit, dass die Sendungen von Roj TV die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung der politischen Ziele der PKK sowie im Verhältnis zwischen Türken und Kurden befürworteten und somit im Sinne des Vereinsgesetzes gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstießen.

26.      Diese Verbotsverfügungen wurden von Mesopotamia Broadcast METV und von Roj TV vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten.

27.      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machten geltend, dass ihre grenzüberschreitende Fernsehtätigkeit unter die Richtlinie falle und gemäß dieser allein das Königreich Dänemark, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren Sitz hätten, berechtigt sei, ihre Tätigkeit zu kontrollieren.

28.      Das Bundesverwaltungsgericht weist in seinem Vorlagebeschluss darauf hin, dass die von Mesopotamia Broadcast METV über Roj TV verbreiteten Sendungen tatsächlich den bewaffneten Kampf, den die PKK gegen die türkische Republik führe, verherrlichten und somit unter das Verbot der Völkerverständigungswidrigkeit im Sinne des Vereinsgesetzes fielen.

29.      Dieser Verbotsgrund sei nach dem Vereinsgesetz anwendbar, wenn ein Verein eine Gruppierung unterstütze, die durch Ausübung von Gewalt das friedliche Miteinander der Völker beeinträchtige.

30.      Allerdings sei ein Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie nicht berechtigt, die Weiterverbreitung von Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat aus einem Grund zu untersagen, der in den durch die Richtlinie koordinierten Bereich falle.

31.      Daher hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Fällt die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift über ein Vereinsverbot wegen Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung in den durch die Richtlinie koordinierten Bereich, und ist sie daher gemäß Art. 2a der Richtlinie ausgeschlossen und, falls ja, unter welchen Voraussetzungen?

32.      Durch Beschluss vom 3. August 2010 sind die beiden Rechtssachen verbunden worden.

III – Würdigung

A –    Vorbemerkungen

33.      Vor einer Prüfung der Vorlagefrage ist es erforderlich, deren Bedeutung zu klären.

34.      Wie aus dem Vorlagebeschluss und den Erläuterungen, die die Parteien in der mündlichen Verhandlung gegeben haben, hervorgeht, haben die von den deutschen Behörden getroffenen Maßnahmen ein Verbot jeglicher Betätigung von Roj TV und der Weiterverbreitung in einem öffentlichen Rahmen der von dieser Gesellschaft von Dänemark aus verbreiteten Sendungen in Deutschland zur Folge.

35.      Mesopotamia Broadcast METV beruft sich als Betreiber von Roj TV den zuständigen deutschen Behörden gegenüber zu Recht auf die Richtlinie, die den freien Verkehr ihrer Fernsehsendungen sicherstellen soll.

36.      Diese dänische Gesellschaft wird nämlich vom vorlegenden Gericht als Fernsehveranstalter im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Richtlinie beschrieben, der für die Öffentlichkeit bestimmte Fernsehsendungen im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie ausstrahlt und nach Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie der Zuständigkeit des Königreichs Dänemark unterliegt, da seine Hauptverwaltung, von der aus die Entscheidungen über das Programmangebot getroffen werden, sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet.

37.      Das vorlegende Gericht stellt außerdem klar, dass in den Akten entgegen der möglichen Vermutung der zuständigen deutschen Behörden keine Hinweise darauf enthalten seien, dass die Tätigkeit dieser Gesellschaft ausschließlich oder hauptsächlich auf Deutschland gerichtet gewesen wäre. Roj TV habe seine Sendungen in ganz Europa sowie im Nahen Osten und nicht nur im Hinblick auf die in Deutschland lebenden Kurden verbreitet.

38.      Die zuständigen deutschen Behörden verfügten somit nicht über ausreichende Anhaltspunkte, um Mesopotamia Broadcast METV auf der Grundlage der Rechtsprechung, auf die im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/36(7) hingewiesen wird, einem nationalen Fernsehveranstalter gleichzustellen.

39.      Folglich beruft sich diese Gesellschaft zu Recht auf Art. 2a der Richtlinie, wonach ein Mitgliedstaat wie die Bundesrepublik Deutschland sich der Weiterverbreitung der von der genannten Gesellschaft über ihren Sender Roj TV in seinem Hoheitsgebiet verbreiteten Fernsehsendungen aus Gründen, die in den durch die Richtlinie koordinierten Bereich fallen, nicht widersetzen kann, d. h., was die vorliegende Rechtssache betrifft, mit der Begründung, dass diese Sendungen zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstachelten.

40.      Gemäß der durch die Richtlinie eingeführten Regelung, wie sie in deren 15. Erwägungsgrund dargelegt ist, wird die Kontrolle durch den Mitgliedstaat, in dem die Fernsehsendungen der seiner Zuständigkeit unterliegenden Fernsehveranstalter ihren Ursprung haben, als ausreichend angesehen, um zu gewährleisten, dass die Anforderungen der Richtlinie wie die in deren Art. 22a genannten beachtet werden. Die Empfangsstaaten sind nicht befugt, die Einhaltung dieser Anforderungen ein zweites Mal zu kontrollieren.

41.      Nach dieser Regelung kann ein Empfangsmitgliedstaat, wenn er die Frage, ob die genannten Anforderungen beachtet wurden, anders einschätzt, nur im Rahmen des in Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens vorgehen, das ihm u. a. auferlegt, dem betreffenden Fernsehveranstalter und der Kommission die beabsichtigten Maßnahmen mitzuteilen, und das für den Fall, dass es nicht zu einer gütlichen Einigung kommt, für den Fernsehveranstalter die Möglichkeit vorsieht, den Mitgliedstaat aufzufordern, die Maßnahmen zurückzunehmen.

42.      Eine Zweitkontrolle durch den Empfangsmitgliedstaat nach Art. 2a Abs. 1 der Richtlinie ist allerdings nur in den von der Richtlinie koordinierten Bereichen unzulässig. Mit anderen Worten gilt das Verbot einer Zweitkontrolle durch den Empfangsmitgliedstaat nur dann, wenn diese Kontrolle vom Ursprungsmitgliedstaat hätte vorgenommen werden müssen. Nach gefestigter Rechtsprechung nimmt die Richtlinie keine vollständige Harmonisierung der Bestimmungen in den von ihr erfassten Bereichen vor(8).

43.      Das vorlegende Gericht möchte deshalb wissen, ob ein Verbot wie das im Vereinsgesetz vorgesehene, das es ermöglicht, die Verbreitung von Fernsehsendungen zu verhindern, die gegen das Gebot der Völkerverständigung verstoßen, bereits in der Pflicht nach Art. 22a der Richtlinie enthalten ist, wonach solche Sendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln dürfen.

44.      Damit wird die Bedeutung der Antwort, die auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu geben ist, ganz klar.

45.      Es geht darum, festzustellen, ob die zuständigen deutschen Behörden einseitig die Weiterverbreitung der betreffenden Sendungen verbieten durften oder ob sie die Voraussetzungen nach Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie hätten beachten müssen.

46.      Im ersten Fall unterlägen die von den Behörden gegen die Sendungen von Mesopotamia Broadcast METV getroffenen Maßnahmen dem Anwendungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit. Es wäre also Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsrechtsstreit angefochtenen Verbote durch einen legitimen Grund gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Zwecks angemessen waren.

47.      Insoweit kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet große türkische und kurdische Gemeinschaften nebeneinander leben, legitimerweise davon ausgehen durfte, dass Fernsehsendungen, die die vom Rat der Europäischen Union als „terroristische Vereinigung“ eingestufte(9) PKK verherrlichen, geeignet sind, die öffentliche Ordnung zu stören. Auch insoweit ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die fraglichen Verbote Teil eines kohärenten und systematischen Vorgehens zum Schutz der öffentlichen Ordnung und ob sie angemessen waren.

48.      Im zweiten Fall wäre das einseitige Vorgehen der deutschen Behörden als richtlinienwidrig zu qualifizieren. Diese Auslegung von Art. 22a der Richtlinie darf allerdings nicht dahin verstanden werden, dass nach deutschem Recht Sendungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen, in den Mitgliedstaaten frei verbreitet werden dürften.

49.      Es sei klargestellt, dass diese Auslegung dahin zu verstehen ist, dass der Ursprungsmitgliedstaat, der gehalten ist, sich zu vergewissern, dass die Sendungen der seiner Zuständigkeit unterliegenden Fernsehveranstalter die Anforderungen nach Art. 22a der Richtlinie erfüllen, prüfen muss, dass diese Sendungen nicht völkerverständigungswidrig sind.

50.      Den Empfangsmitgliedstaaten, die eine abweichende Meinung darüber haben, ob Art. 22a beachtet wurde, ist es nur deshalb erlaubt, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie vorzugehen, weil der Ursprungsmitgliedstaat eine solche Kontrolle hätte vornehmen sollen.

51.      Die Bedeutung der vorliegenden Rechtssache liegt also nicht darin, den Inhalt der Beschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung durch Art. 22a der Richtlinie klarzustellen. Es steht fest, dass das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 11 der Charta den Grundsatz darstellt und dass Beschränkungen dieses Grundsatzes wie die in Art. 22a der Richtlinie vorgesehenen eng auszulegen sind.

52.      Die Bedeutung der vorliegenden Rechtssache liegt darin, die Tragweite des Übergangs von Kompetenzen betreffend den Schutz der öffentlichen Ordnung zu bestimmen, den die Mitgliedstaaten mit Art. 22a der Richtlinie gewährleisten wollten.

53.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Bundesverwaltungsgericht gestellte Frage im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

B –    Die Prüfung der Vorlagefrage

54.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Anwendungsbereich von Art. 22a der Richtlinie Sendungen erfasst, die geeignet sind, durch eine Verherrlichung der PKK die Verständigung der in Deutschland lebenden Gemeinschaften türkischer und kurdischer Herkunft zu beeinträchtigen.

55.      Es möchte also wissen, ob Art. 22a der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Sendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion und Nationalität aufstacheln, dahin auszulegen ist, dass er auch Sendungen verbietet, die aufgrund der Verherrlichung einer von der Union als terroristisch eingestuften Vereinigung geeignet sind, bei Gemeinschaften unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Herkunft feindliche oder ablehnende Reaktionen hervorzurufen.

56.      Das vorlegende Gericht äußert aus den folgenden Gründen Zweifel an einer möglichen Bejahung dieser Frage.

57.      Zum einen stelle Art. 22a der Richtlinie – anders als der Begriff der Völkerverständigungswidrigkeit, der sich auf ein allgemeines Prinzip des objektiven Rechts beziehe – seinem Wortlaut nach auf eine subjektive Betroffenheit in ausgrenzenden individuellen Merkmalen ab.

58.      Zum anderen betreffe Art. 22a der Richtlinie, indem er sich auf die Aufstachelung zum Hass beziehe, eine Botschaft stärkerer Intensität als eine bloße Völkerverständigungswidrigkeit.

59.      Schließlich seien die Unterschiede zwischen türkischen und kurdischen Volkszugehörigen in erster Linie ethnischer und kultureller Natur und nicht solche der Rasse oder der Nationalität.

60.      Ich teile die Vorbehalte des vorlegenden Gerichts nicht. Mit der Kommission und anders als Mesopotamia Broadcast METV sowie die deutsche und die französische Regierung bin ich der Ansicht, dass der Verbotsgrund nach Art. 22a der Richtlinie auf eine Sendung anwendbar ist, die in dem Sinne gegen das Gebot der Völkerverständigung verstößt, in dem das deutsche Recht diesen Begriff definiert.

61.      Meine Ansicht stütze ich auf folgende Erwägungen.

62.      Zunächst ist festzustellen, dass die Richtlinie keine Definition der in ihrem Art. 22a verwendeten Begriffe enthält.

63.      Des Weiteren ist auch kein einschlägiger Hinweis in den sie betreffenden vorbereitenden Arbeiten zu finden. Die vorbereitenden Arbeiten zur Richtlinie 89/552, in deren Art. 22 Abs. 2 die Voraussetzung des Art. 22a der Richtlinie aufgeführt war, geben keinen Hinweis auf die Tragweite dieser Voraussetzung. Auch die vorbereitenden Arbeiten zur Richtlinie 97/36 bestätigen lediglich, dass der Gesetzgeber in Art. 22a der Richtlinie einen auf die öffentliche Ordnung gegründeten Verbotsgrund vorsehen wollte, der sich von dem speziell den Schutz Minderjähriger betreffenden unterscheidet(10).

64.      Nach der Rechtsprechung ist die Tragweite von Art. 22a der Richtlinie somit entsprechend dem Sinn, den seine Begriffe nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch haben, gemäß der durch die Richtlinie geschaffenen Regelung und der von ihr verfolgten Ziele zu bestimmen(11).

65.      Art. 22a der Richtlinie bestimmt, wie dargelegt, dass Fernsehsendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln dürfen. Das Verbot nach dieser Vorschrift ist somit auf eine Fernsehsendung nur anwendbar, wenn sie kumulativ die beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt, nämlich erstens, dass sie zum Hass aufstachelt, und zweitens, dass dieser Hass auf einem der angeführten Gründe beruht.

66.      Was zunächst die Wörter „Aufstachelung“ und „Hass“ betrifft, bedeutet Ersteres im gewöhnlichen Sprachgebrauch eine Handlung, die das Verhalten steuern soll, und das zweite ein heftiges Gefühl, das dazu drängt, jemandem Böses zu wollen und sich an dem Bösen, dass ihm widerfährt, zu erfreuen(12).

67.      Entgegen dem vorlegenden Gericht sehe ich in diesen Definitionen keine Gründe, die die Annahme rechtfertigten, dass der Begriff der Aufstachelung zum Hass einen merklich anderen Inhalt hätte als der der Völkerverständigungswidrigkeit. Denn zum Hass aufstacheln bedeutet, Anstrengungen zu unternehmen, ein feindliches oder ablehnendes Gefühl dem anderen gegenüber herbeizuführen, aufgrund dessen derjenige, der dieses Gefühl verspürt, nicht mehr in der Lage ist, in Harmonie mit der anderen Person zusammenzuleben, also sich mit ihr zu verstehen.

68.      Dem Begriff der Völkerverständigungswidrigkeit einen erweiterten Sinn dahin zu geben, dass er Botschaften umfasst, die nicht geeignet sind, ein Gefühl der Intoleranz zu erzeugen, liefe außerdem dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zuwider. Mit anderen Worten ist die in Art. 11 der Charta garantierte Freiheit der Meinungsäußerung, wie sich aus Art. 54 der Charta ergibt, dann nicht mehr anwendbar, wenn die Botschaft andere von der Charta anerkannte Grundsätze und Grundrechte beeinträchtigt, wie den Schutz der Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot.

69.      Die Begriffe Aufstachelung zum Hass und Völkerverständigungswidrigkeit beziehen sich meines Erachtens demnach auf dasselbe Verhalten.

70.      Was sodann die Bedeutung der Wörter „Rasse“ und „Nationalität“ in Art. 22a der Richtlinie betrifft, glaube ich ebenso wenig, dass sie in der Weise einschränkend zu verstehen sind, wie es das vorlegende Gericht anspricht, dem zufolge sie nicht die ethnischen und kulturellen Unterschiede betreffen, wie sie zwischen Kurden und Türken bestehen können.

71.      Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass das Wort „Rasse“, was den Menschen betrifft, keinerlei objektiven wissenschaftlichen Inhalt hat. Es lässt sich somit nicht definieren. Denn es entspricht keinem genetischen, blutsmäßigen oder sonstigen Kriterium. Allenfalls verweist es in der Umgangssprache auf sichtbare und allgemeine Eigenschaften wie die Hautfarbe, die einen relativen und partiellen Charakter haben. Das Unionsrecht, wie es ausdrücklich im 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG des Rates(13) erwähnt ist, verwirft jede Theorie, die vom Bestehen unterschiedlicher menschlicher Rassen ausgeht.

72.      Wenn der Gesetzgeber jede Aufstachelung zum Hass verbietet, bezieht er sich meiner Ansicht nach auf die Formen von Diskriminierung, die sich auf ein Kriterium stützen, das es nach den von ihm verurteilten Theorien ermöglichen würde, die Menschen in verschiedene Kategorien einzuteilen und einen oder mehrere Menschen als von Natur aus als anderen überlegen oder unterlegen anzusehen.

73.      Daher umfasst der Begriff „Rasse“ nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG des Rates(14), die die den Mitgliedstaaten gemeinsamen Kriterien zur Bestimmung schutzbedürftiger Staatenloser oder Staatsangehöriger von Drittstaaten festlegt, „insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe“. Demselben Konzept folgend weist Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 darauf hin, dass sich der Begriff der Nationalität nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen beschränkt, sondern insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bezeichnet, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Ursprünge oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird.

74.      Daher bin ich der Ansicht, dass der Umstand, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 22a der Richtlinie als Kriterium für eine Diskriminierung nur die Rasse und Nationalität angeführt hat, während in einer Vielzahl anderer Vorschriften(15) die ethnische Herkunft diesen beiden Kriterien ausdrücklich hinzugefügt wurde, nicht als der Wille interpretiert werden kann, Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft von den von der Richtlinie koordinierten Bereichen auszuschließen(16).

75.      Die Hinzufügung des Begriffs der ethnischen Herkunft in den anderen Vorschriften, die sich auf Diskriminierungen aufgrund der Herkunft beziehen, dient meiner Ansicht nach lediglich dazu, den Inhalt des Begriffs der Diskriminierung aufgrund der Rasse zu veranschaulichen und zu verdeutlichen und nicht dazu, seinen Anwendungsbereich zu erweitern(17).

76.      Schließlich findet sich im Wortlaut von Art. 22a der Richtlinie kein überzeugender Hinweis, der für die vom vorlegenden Gericht vertretene Auslegung sprechen würde, wonach sich diese Vorschrift nur auf subjektive Kriterien beziehen und Sendungen nicht umfassen soll, die geeignet sind, die öffentliche Sicherheit zu beeinträchtigen.

77.      Es steht zwar fest, dass Art. 22a der Richtlinie dadurch, dass er Sendungen mit diskriminierendem Inhalt verbietet, den Zweck hat, die Menschenwürde zu schützen. Seinem Inhalt lässt sich jedoch nichts entnehmen, was es rechtfertigen würde, diskriminierende Sendungen nach ihren Auswirkungen, die sie auf die öffentliche Ordnung haben, zu unterscheiden. Im Gegenteil lässt sich aus der Verwendung des Wortes „aucune“ in der französischen Sprachfassung (dem in der deutschen Fassung der Ausdruck „in keiner Weise“ entsprechen würde) ableiten, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber alle Sendungen verbieten wollte, die zum Hass aufgrund von Rasse und Nationalität aufstacheln, unabhängig von ihren möglichen Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung(18).

78.      Die semantische Untersuchung von Art. 22a der Richtlinie spricht somit meines Erachtens eher zugunsten der von der Kommission vertretenen Auffassung. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Systematik und die Ziele der Richtlinie.

79.      Wie dargelegt, hat die Richtlinie zum Ziel, den freien Verkehr von Fernsehsendungen sicherzustellen. Diese Verkehrsfreiheit wird in der Richtlinie durch zwei Dinge umgesetzt: zum einen durch die Harmonisierung der notwendigen Mindestvoraussetzungen, was den Programminhalt anbelangt, und zum anderen durch den Grundsatz, dass alle Mitgliedstaaten die vom Ursprungsmitgliedstaat vorgenommene Kontrolle der Beachtung dieser Voraussetzungen anerkennen.

80.      Die freie Verbreitung von Fernsehsendungen kann nur dann in vollem Umfang gewährleistet werden, wenn der Inhalt und die Tragweite der von der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestvoraussetzungen eindeutig bestimmt sind. Von der Eindeutigkeit dieser Voraussetzungen hängt die Rechtssicherheit der Fernsehveranstalter ab, die in der Lage sein müssen, genau zu wissen, welche Auswirkungen die Kontrolle durch die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Sitz haben, auf die Befugnisse haben, die dem Empfangsmitgliedstaat vorbehalten sind.

81.      In den Art. 22 und 22a der Richtlinie hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die für den Schutz Minderjähriger und der öffentlichen Ordnung notwendigen Mindestnormen festgelegt.

82.      Zwar unternimmt Art. 22a keine vollständige Harmonisierung der Beschränkungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen, die durch die öffentliche Ordnung gerechtfertigt werden können. Anders als beispielsweise Art. 10 Abs. 2 EMRK(19) bezieht er sich nur auf Sendungen mit diskriminierendem Charakter.

83.      Dennoch stehen das Ziel der Richtlinie und das von ihr vorgesehene System einer Aufteilung der Kontrolle des nichtdiskriminierenden Charakters von Fernsehsendungen zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem Empfangsmitgliedstaat grundsätzlich entgegen. Eine solche Aufteilung wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nur vereinbar, wenn sie auf der Grundlage exakter und leicht anwendbarer Kriterien vorgenommen werden könnte.

84.      Wie aufgezeigt wurde, ist der Begriff der Rasse im Unionsrecht inexistent, so dass es schwierig wäre, eine Aufstachelung zum Hass aus Gründen der Rasse nach Art. 22a der Richtlinie von einer Aufstachelung zum Hass aus ethnischen Gründen, die weiterhin in die Zuständigkeit eines jeden Mitgliedstaats fiele, klar zu unterscheiden. Auch wäre es äußerst schwierig, eine genaue Abgrenzung zwischen diskriminierenden Sendungen vorzunehmen, die ausschließlich die Menschenwürde beeinträchtigen, und solchen, die darüber hinaus geeignet sind, die innere oder äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats zu beeinträchtigen.

85.      Das Ziel, das die Richtlinie mit der durch ihren Art. 22a vorgenommenen Harmonisierung verfolgt, führt meiner Ansicht nach dazu, den Begriff der Aufstachelung zum Hass aufgrund von Rasse und Nationalität weit auszulegen, so dass davon auch Sendungen erfasst werden, die die Verständigung zwischen unterschiedlichen ethnischen oder kulturellen Gemeinschaften wie die in Deutschland lebenden kurdischen und türkischen Gemeinschaften beeinträchtigen könnten.

86.      Ich bin mir sehr wohl der Bedeutung des Übergangs der Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten bewusst, zu der diese Auslegung letztlich führt. Die Beurteilung des diskriminierenden Charakters einer Fernsehsendung kann legitimerweise von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren. Außerdem obliegen letztlich jedem einzelnen Mitgliedstaat die Pflicht und die Verantwortung, den Schutz der öffentlichen Ordnung in seinem Hoheitsgebiet sicherzustellen. Schließlich hängen die Auswirkungen, die zum Hass zwischen unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Gemeinschaften aufstachelnde Fernsehsendungen auf die öffentliche Ordnung haben, selbstverständlich von der Anwesenheit dieser Gemeinschaften im nationalen Hoheitsgebiet ab, und ohne jeden Zweifel haben die Mitgliedstaaten das Recht, alles daran zu setzen, dass in Drittstaaten bestehende Konflikte nicht in ihr Hoheitsgebiet hineingetragen werden.

87.      Dennoch glaube ich nicht, dass diese Argumente eine restriktive Auslegung von Art. 22a der Richtlinie rechtfertigen, und zwar aus den folgenden beiden Gründen.

88.      Erstens besteht das Ziel einer harmonisierten Vorschrift gerade darin, dass diese allen Mitgliedstaaten gemein ist und somit von jedem von ihnen angewandt wird. Auch wenn, wie bereits dargelegt, der Gerichtshof entschieden hat, dass Art. 22a der Richtlinie der Verbreitung von gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßenden Sendungen entgegensteht, ist folglich die Beachtung dieser Voraussetzung unabhängig von der Anwesenheit der betreffenden ethnischen oder kulturellen Gemeinschaft im Hoheitsgebiet dieses Staates von den zuständigen Behörden derjenigen Mitgliedstaaten zu prüfen, deren Zuständigkeit der betreffende Fernsehveranstalter unterliegt.

89.      Die Anwendung des Verbots nach Art. 22a der Richtlinie hängt nämlich nicht von den potenziellen Auswirkungen der fraglichen Sendungen im Ursprungsmitgliedstaat oder einem Mitgliedstaat im Besonderen ab, sondern nur vom Zusammentreffen der beiden nach dieser Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen, d. h. einer Aufstachelung zum Hass und Gründen der Rasse und der Nationalität.

90.      Zweitens fehlt einem Mitgliedstaat, der davon ausgeht, dass die von einem anderen Mitgliedstaat aus verbreiteten Sendungen die in Art. 22a der Richtlinie genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht jegliche Handlungsmöglichkeit. Ihm steht, wie dargelegt, das in Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie vorgesehene Verfahren zur Verfügung, das es ihm unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen ermöglicht, beschränkende Maßnahmen gegen derartige Sendungen zu ergreifen.

91.      Diese Garantie, über die die Empfangsmitgliedstaaten somit verfügen und die dazu dient, die Ausübung des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung bestmöglich mit dem ebenfalls legitimen Recht der Mitgliedstaaten, ihre öffentliche Ordnung zu schützen, in Einklang zu bringen, streitet meines Erachtens ebenfalls für eine weite Auslegung des in Art. 22a der Richtlinie vorgesehenen Übergangs der Zuständigkeit.

92.      Wie die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht haben, streitet diese Garantie umso mehr für diese Auffassung, als die Maßnahmen, die nach Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie ergriffen werden können, wirksamer sein können als diejenigen, die einseitig von einem Empfangsmitgliedstaat ergriffen werden. So könnte die Durchführung des Verfahrens nach Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie in den vorliegenden Rechtssachen gegebenenfalls zu einem Verbot jeglicher Verbreitung von die PKK verherrlichenden Fernsehsendungen der Mesopotamia Broadcast METV durch das Königreich Dänemark führen, während die streitigen deutschen Maßnahmen konkret nur zur Folge haben, dass ihre Weiterverbreitung an öffentlichen Orten in Deutschland inkriminiert würde und nicht der dortige Empfang in einem privaten Rahmen.

93.      Nach alledem schlage ich dem Gericht vor, auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 22a der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Fernsehsendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln, dahin auszulegen ist, dass er auch Sendungen verbietet, die aufgrund der Verherrlichung einer von der Union als „terroristisch“ eingestuften Vereinigung geeignet sind, bei Gemeinschaften unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Herkunft feindliche oder ablehnende Reaktionen hervorzurufen.

IV – Ergebnis

94.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Bundesverwaltungsgerichts wie folgt zu beantworten:

Art. 22a der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Änderungsrichtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Fernsehsendungen nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln, ist dahin auszulegen, dass er auch Sendungen verbietet, die aufgrund der Verherrlichung einer von der Union als „terroristisch“ eingestuften Vereinigung geeignet sind, bei Gemeinschaften unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Herkunft feindliche oder ablehnende Reaktionen hervorzurufen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23) in der Fassung der Änderungsrichtlinie 97/36/EG vom 30. Juni 1997 (ABl. L 202, S. 60) (im Folgenden: Richtlinie).


3 – Erwägungsgründe 9 und 10 der Richtlinie.


4 – 13. Erwägungsgrund der Richtlinie und Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 97/36.


5 – Art. 10 Abs. 1 EMRK bestimmt: „Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.“ Der erste Satz dieser Vorschrift ist mit Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) identisch. Dieser Art. 11 enthält auch einen Abs. 2, der bestimmt, dass die Freiheit der Medien und ihre Pluralität geachtet werden.


6 – BGBl. I S. 593, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) (im Folgenden: VereinsG).


7 – In diesem 14. Erwägungsgrund wird darauf hingewiesen, dass ein Mitgliedstaat nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht behält, gegen einen Fernsehveranstalter, der sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlässt, dessen Tätigkeit aber ganz oder vorwiegend auf das Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats ausgerichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Fernsehveranstalter sich in der Absicht niedergelassen hat, sich den Regelungen zu entziehen, die auf ihn anwendbar wären, wenn er im Gebiet des ersten Mitgliedstaats niedergelassen wäre. In der Fußnote sind die Urteile vom 3. Dezember 1974, van Binsbergen (33/74, Slg. 1974, 1299), und vom 5. Oktober 1994, TV10 (C‑23/93, Slg. 1994, I‑4795).


8 – Urteil vom 5. März 2009, UTECA (C‑222/07, Slg. 2009, I‑1407, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9 – Zur Umsetzung der Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erließ der Rat am 27. Dezember 2001 den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 93). Der Gemeinsame Standpunkt 2001/931 enthält einen Anhang mit einer Liste von „Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind“. Die PKK wurde durch den Gemeinsamen Standpunkt 2002/340/GASP des Rates vom 2. Mai 2002 (ABl. L 116, S. 75) in diese Liste aufgenommen. Diese Organisation wurde sodann gemäß den späteren Gemeinsamen Standpunkten des Rates weiter auf der Liste geführt, zuletzt gemäß dem Beschluss 2010/386/GASP des Rates vom 12. Juli 2010 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 Anwendung finden (ABl. L 178, S. 28). Außerdem wurde die PKK durch den Beschluss 2002/334/EG des Rates vom 2. Mai 2002 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2001/927/EG (ABl. L 116, S. 33) in die Liste der terroristischen Vereinigungen aufgenommen.


10 – Im erläuternden Bericht zu den mit der Richtlinie 97/36 vorgenommenen Änderungen wird darauf hingewiesen, dass „[d]er derzeit gültige Artikel 22 … geteilt [wurde], um die Bestimmung zum Ordre public leichter verständlich zu machen. Diese Bestimmung geht über den Schutz von Minderjährigen hinaus: sie umfasst auch den Schutz von Erwachsenen gegen Sendungen, die deren körperliche, geistige und sittliche Integrität beeinträchtigen können.“ Vgl. den Bericht über die Anwendung der Richtlinie 89/552/EWG und Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (KOM[95] 86 endg., S. 53).


11 – Urteil vom 10. März 2005, easyCar (C‑336/03, Slg. 2005, I‑1947, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Vgl. Le Nouveau Petit Robert, Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française. Diese Definitionen entsprechen auch den Fassungen von Art. 22a der Richtlinie in den Sprachen Spanisch („incitacíon al odio“), Deutsch („zu Hass aufstacheln“), Griechisch („καμία παρότρυνση σε μίσος“), Englisch („incitement to hatred“), Italienisch („incitamento all’odio“), Niederländisch („geen enkele aansporing tot haat“) und Portugiesisch („incitamento ao ódio“).


13 – Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22).


14 – Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304, S. 12).


15 – Vgl. insbesondere Art. 13 EG, wonach „der Rat … geeignete Vorkehrungen treffen [kann], um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“. Vgl. auch den 12. Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190, S. 1), wonach die Übergabe einer Person abzulehnen ist, „wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der genannte Haftbefehl zum Zwecke der Verfolgung oder Bestrafung einer Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache oder politischen Überzeugung oder sexuellen Ausrichtung erlassen wurde“.


16 – Dieses Ergebnis findet auch eine Bestätigung im Europäischen Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen, auf das die Richtlinie 89/552 in ihrem 4. Erwägungsgrund Bezug nimmt und das in seinem Art. 7 bestimmt, dass die Programme nicht zum Rassenhass aufstacheln dürfen. Gemäß der Empfehlung Nr. R (97) 20 des Ministerkomitees der Mitgliedstaaten über die „Hassrede“, auf die im erläuternden Bericht zu diesem Übereinkommen zur Verdeutlichung der Tragweite der in diesem Art. 7 genannten Voraussetzung verwiesen wird, umfasst der Begriff „Hassrede“ jegliche Ausdrucksformen, welche Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen von Hass, die auf Intoleranz gründen, propagieren, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen, einschließlich der Intoleranz, die sich in Form eines aggressiven Nationalismus und Ethnozentrismus, einer Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten, Einwanderern und der Einwanderung entstammenden Personen ausdrücken.


17 – Noch detailliertere Formulierungen sind beispielsweise in Art. 21 der Charta zu finden, wonach „Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, … verboten [sind]“. Diese Formulierung wurde nahezu wortgleich in den letzten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG aufgenommen (ABl. L 158, S. 77, berichtigte Fassungen: ABl. 2004, L 229, S. 35, und ABl. 2007, L 204, S. 28). Hingegen wird die nüchternere Formulierung von Art. 22a der Richtlinie weiterhin beispielsweise in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i erster Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178, S. 1) verwendet.


18 – Ich beabsichtige nicht, die Beurteilung des Sinns der deutschsprachigen Fassung von Art. 22a der Richtlinie, die das vorlegende Gericht vorgenommen hat, durch meine eigene zu ersetzen. Jedoch scheint mir mein Ergebnis auch zu gelten für die Fassungen dieser Vorschrift in den Sprachen Spanisch („Los Estados miembros velarán por que las emisiones no contengan ninguna incitación al odio por motivos de raza, sexo, religión o nacionalidad“), Griechisch („Τα κράτη μέλη μεριμνούν ώστε οι εκπομπές να μην περιλαμβάνουν καμία παρότρυνση σε μίσος λόγω διαφορών φυλής, φύλου, θρησκείας ή ιθαγένειας“), Englisch („Member States shall ensure that broadcasts do not contain any incitement to hatred on grounds of race, sex, religion or nationality“), Italienisch („Gli Stati membri fanno sì che le trasmissioni non contengano alcun incitamento all’odio basato su differenze di razza, sesso, religione o nazionalità“), Niederländisch („De lidstaten dragen er zorg voor dat uitzendingen geen enkele aansporing tot haat op grond van ras, geslacht, godsdienst of nationaliteit bevatten“) und Portugiesisch („Os Estados-membros assegurarão que as emissões não contenham qualquer incitamento ao ódio por razões de raça, sexo, religião ou nacionalidade“).


19 – Art. 10 Abs. 2 EMRK bestimmt, dass die Freiheit der Meinungsäußerung Einschränkungen unterworfen werden kann, die in einer demokratischen Gesellschaft notwenig sind „für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung“.