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Vorabentscheidungsersuchen der Cour constitutionnelle (Belgien), eingereicht am 2. August 2018 – Ordre des barreaux francophones et germanophone, Académie Fiscale ASBL, UA, Liga voor Mensenrechten ASBL, Ligue des Droits de l'Homme ASBL, VZ, WY, XX/Conseil des ministres

(Rechtssache C-520/18)

Verfahrenssprache: Französisch

Vorlegendes Gericht

Cour constitutionnelle

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Ordre des barreaux francophones et germanophone, Académie Fiscale ASBL, UA, Liga voor Mensenrechten ASBL, Ligue des Droits de l'Homme ASBL, VZ, WY, XX

Beklagter: Conseil des ministres

Beteiligter: Child Focus

Vorlagefrage

Ist Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG1 in Verbindung mit dem Recht auf Sicherheit, das durch Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird, und dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten, wie es durch die Art. 7, 8 und 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird, dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegensteht, die eine allgemeine Verpflichtung für Betreiber und Anbieter von elektronischen Kommunikationsdiensten vorsieht, die Verkehrs- und Standortdaten im Sinne der Richtlinie 2002/58/EG auf Vorrat zu speichern, die von ihnen im Rahmen der Bereitstellung dieser Dienste erzeugt oder verarbeitet werden, wenn diese nationale Regelung nicht nur das Ziel der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten, sondern auch die Sicherstellung der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung, der öffentlichen Sicherheit, die Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von anderen Taten als denen der schweren Kriminalität oder die Verhütung eines untersagten Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen oder die Erreichung eines sonstigen Ziels verfolgt, das in Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/6792 aufgeführt ist und das zudem den in diesen Rechtsvorschriften für die Vorratsspeicherung von Daten und den Zugang zu diesen genau festgelegten Garantien unterliegt?

Ist Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG in Verbindung mit den Art. 4, 7, 8, 11 und 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegensteht, die eine allgemeine Verpflichtung für Betreiber und Anbieter von elektronischen Kommunikationsdiensten vorsieht, die Verkehrs- und Standortdaten im Sinne der Richtlinie 2002/58/EG auf Vorrat zu speichern, die von ihnen im Rahmen der Bereitstellung dieser Dienste erzeugt oder verarbeitet werden, wenn diese nationale Regelung insbesondere den Zweck hat, positive Verpflichtungen zu erfüllen, die der Behörde aufgrund von Art. 4 und 8 der Charta obliegen, und die darin besteht, einen gesetzlichen Rahmen vorzusehen, der eine wirksame strafrechtliche Ermittlung und eine wirksame Ahndung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ermöglicht und der eine wirkliche Identifizierung des Täters der Straftat ermöglicht, auch wenn von elektronischen Kommunikationsmitteln Gebrauch gemacht wird?

Falls der Verfassungsgerichtshof auf der Grundlage der Antworten auf die erste oder zweite Vorabentscheidungsfrage zu dem Schluss gelangen sollte, dass das angefochtene Gesetz gegen eine oder mehrere der Verpflichtungen verstößt, die sich aus den in diesen Fragen genannten Bestimmungen ergeben, könnte er die Folgen des Gesetzes vom 29. Mai 2016 über die Sammlung und Aufbewahrung der Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation vorläufig aufrechterhalten, um eine Rechtsunsicherheit zu vermeiden und zu ermöglichen, dass die zuvor gesammelten und auf Vorrat gespeicherten Daten noch für die durch das Gesetz angestrebten Ziele benutzt werden können?

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1     Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. 2002, L 201, S. 37).

2     Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).