Language of document : ECLI:EU:C:2013:537

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 5. September 2013(1)

Rechtssache C‑479/12

H. Gautzsch Großhandel GmbH & Co. KG

gegen

Münchener Boulevard Möbel Joseph Duna GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Geistiges und gewerbliches Eigentum – Geschmacksmuster – Begriff ‚der Öffentlichkeit zugänglich machen‘ – Begriff der ‚Fachkreise‘ – Beweislast für die Nachahmung eines nicht eingetragenen Geschmacksmusters – Verfahrensrecht – Anwendbares Recht“





1.        Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen hat der Bundesgerichtshof (Deutschland) dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung der Art. 7 Abs. 1, 11 Abs. 2 und 89 Abs. 1 Buchst. a und d der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster(2) (im Folgenden: Verordnung) vorgelegt.

2.        Damit hat der Gerichtshof erstmals über den in den Art. 7 Abs. 1 und 11 Abs. 2 der Verordnung verwendeten Begriff der „in der Gemeinschaft tätigen Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs“ sowie die in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung enthaltene Formulierung zu befinden, dass die Offenbarung den „Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte“ (erste und zweite Frage). Die weiteren dem Gerichtshof vorgelegten Fragen betreffen verschiedene Aspekte des Verfahrens (Beweislast, Verjährung und Verwirkung) und das anwendbare Recht (dritte bis sechste Frage).

I –    Rechtlicher Rahmen

3.        Die Erwägungsgründe 21 und 22 der Verordnung lauten:

„(21) Der ausschließliche Charakter des Rechts aus dem eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster steht mit seiner größeren Rechtssicherheit im Einklang. Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster sollte dagegen nur das Recht verleihen, Nachahmungen zu verhindern. Der Schutz kann sich somit nicht auf Erzeugnisse erstrecken, für die Geschmacksmuster verwendet werden, die das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs eines anderen Entwerfers sind; dieses Recht sollte sich auch auf den Handel mit Erzeugnissen erstrecken, in denen nachgeahmte Geschmacksmuster verwendet werden.

(22)      Die Durchsetzung dieser Rechte muss den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften überlassen bleiben; daher sind in allen Mitgliedstaaten einige grundlegende einheitliche Sanktionen vorzusehen, damit unabhängig von der Rechtsordnung, in der die Durchsetzung verlangt wird, den Rechtsverletzungen Einhalt geboten werden kann.“

4.        Nach Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Verordnung ist ein den Voraussetzungen der Verordnung entsprechendes Geschmacksmuster als ein „nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ geschützt, wenn es in der in der Verordnung vorgesehenen Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

5.        Art. 4 („Schutzvoraussetzungen“) der Verordnung sieht in seinem Abs. 1 vor, dass ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt wird, soweit es neu ist und Eigenart hat.

6.        In Art. 5 („Neuheit“) der Verordnung heißt es:

„(1)      Ein Geschmacksmuster gilt als neu, wenn der Öffentlichkeit:

a)      im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird,

kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist.“

7.        Art. 6 („Eigenart“) sieht in Abs. 1 Buchst. a vor:

„Ein Geschmacksmuster hat Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, und zwar:

a)      im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird“.

8.        Art. 7 („Offenbarung“) Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Im Sinne der Artikel 5 und 6 gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a) … genannten Zeitpunkt, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte. Ein Geschmacksmuster gilt jedoch nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es lediglich einem Dritten unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit offenbart wurde.“

9.        Art. 11 („Schutzdauer des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters“) Abs. 1 und 2 der Verordnung lautet:

„(1)      Ein Geschmacksmuster, das die im 1. Abschnitt genannten Voraussetzungen erfüllt, wird als ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster für eine Frist von drei Jahren geschützt, beginnend mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wurde.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1 gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Ein Geschmacksmuster gilt jedoch nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es lediglich einem Dritten unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit offenbart wurde.“

10.      Art. 19 („Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster“) sieht in Abs. 2 vor:

„Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber das Recht, die in Absatz 1 genannten Handlungen zu verbieten, jedoch nur, wenn die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist.

Die angefochtene Benutzung wird nicht als Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Geschmacksmusters betrachtet, wenn sie das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs eines Entwerfers ist, von dem berechtigterweise angenommen werden kann, dass er das von dem Inhaber offenbarte Muster nicht kannte.“

11.      Art. 85 („Vermutung der Rechtsgültigkeit – Einreden“) Abs. 2 der Verordnung lautet:

„In Verfahren betreffend eine Verletzungsklage oder eine Klage wegen drohender Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters haben die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, wenn der Rechtsinhaber Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen von Artikel 11 erbringt und angibt, inwiefern sein Geschmacksmuster Eigenart aufweist, von der Rechtsgültigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters auszugehen. Die Rechtsgültigkeit kann vom Beklagten jedoch mit einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit bestritten werden.“

12.      Art. 88 („Anwendbares Recht“) lautet:

„(1)      Die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte wenden die Vorschriften dieser Verordnung an.

(2)      In allen Fragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wenden die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an.

(3)      Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Musterrechte anwendbar sind.“

13.      Art. 89 („Sanktionen bei Verletzungsverfahren“) der Verordnung bestimmt:

„(1)      Stellt ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht in einem Verfahren wegen Verletzung oder drohender Verletzung fest, dass der Beklagte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt hat oder zu verletzen droht, so erlässt es, wenn dem nicht gute Gründe entgegenstehen, folgende Anordnungen:

a)      Anordnung, die dem Beklagten verbietet, die Handlungen, die das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen;

d)      Anordnungen, durch die andere, den Umständen angemessene Sanktionen auferlegt werden, die in der Rechtsordnung einschließlich des Internationalen Privatrechts des Mitgliedstaates vorgesehen sind, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen.

…“

II – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

14.      Die Münchener Boulevard Möbel Joseph Duna GmbH (im Folgenden: MBM Joseph Duna) vertreibt in Deutschland einen Gartenpavillon mit Baldachin, der im Herbst 2004 von ihrem Geschäftsführer entworfen wurde. Im Laufe des Jahres 2006 begann die H. Gautzsch Großhandel GmbH & Co. KG (im Folgenden: Gautzsch Großhandel) ihrerseits mit der Vermarktung eines Gartenpavillons „Athen“, der von dem chinesischen Unternehmen Zhengte hergestellt wird.

15.      Da MBM Joseph Duna den Pavillon „Athen“ für eine Nachahmung ihres eigenen Musters hielt und für dieses den Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Anspruch nehmen wollte, erhob sie gegen Gautzsch Großhandel beim Landgericht Düsseldorf eine Verletzungsklage auf Unterlassung des weiteren Verkaufs des Pavillons „Athen“ durch Gautzsch Großhandel, auf Herausgabe der in deren Besitz oder Eigentum befindlichen rechtsverletzenden Erzeugnisse zur Vernichtung, auf Auskunftserteilung und auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung.

16.      Zur Begründung ihrer Klage verwies MBM Joseph Duna u. a. darauf, dass ihr Muster im April/Mai 2005 in ihren „MBM-Neuheiten-Blättern“ enthalten gewesen sei, die den größten Möbel- und Gartenmöbelhändlern der Branche sowie Möbeleinkaufsverbänden zugeleitet worden seien.

17.      Gautzsch Großhandel trat der Klage mit dem Vorbringen entgegen, dass ihr Pavillon „Athen“ von dem chinesischen Hersteller Zhengte Anfang 2005 ohne Kenntnis des Musters von MBM Joseph Duna eigenständig entwickelt und im März 2005 in Zhengtes Ausstellungsräumen in China europäischen Kunden präsentiert worden sei. Einer in Belgien ansässigen Firma sei ein Modell des Pavillons im Juni 2005 übersandt worden. Die Klägerin habe seit September 2005 von der Existenz dieses Modells und seit August 2006 von dessen Vertrieb Kenntnis gehabt. Die Ansprüche von MBM Joseph Duna seien deshalb verjährt und verwirkt.

18.      Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Landgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der ersten beiden Klageanträge in der Hauptsache erledigt sei, da die dreijährige Schutzfrist abgelaufen sei. Es hat Gautzsch Großhandel zur Auskunftserteilung über ihr geschäftliches Handeln verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt.

19.      Die Berufung von Gautzsch Großhandel gegen dieses Urteil ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die ersten Klageanträge gemäß den Art. 19 Abs. 2 und 89 Abs. 1 Buchst. a und d der Verordnung sowie dem deutschen Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ursprünglich begründet gewesen seien und MBM Joseph Duna demgemäß Anspruch auf Auskunftserteilung sowie Schadensersatz habe.

20.      Der Bundesgerichtshof führt zu der von ihm zugelassenen Revision von Gautzsch Großhandel erstens aus, dass nach den Annahmen des Berufungsgerichts das Muster von MBM Joseph Duna erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, als die „MBM-Neuheiten-Blätter“ mit Abbildungen des Musters im April/Mai 2005 in einem Umfang von 300 bis 500 Exemplaren an Händler und Zwischenhändler sowie zwei große deutsche Möbeleinkaufsverbände verteilt worden seien.

21.      Damit stelle sich die Frage, ob die Verteilung von Abbildungen des Musters in einem solchen Umfang an Händler dafür ausreiche, dass das Muster im Sinne von Art. 11 Abs. 2 der Verordnung den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs habe bekannt sein können.

22.      Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts das Muster von MBM Joseph Duna neu im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung gewesen sei, da eine vorherige Präsentation des Modells „Athen“ der Anerkennung dieser Neuheit nicht entgegenstehe.

23.      Selbst wenn das Modell „Athen“ in den Ausstellungsräumen des Unternehmens Zhengte in China im März 2005 sowie gegenüber der Firma Kosmos in Belgien präsentiert worden sei, hätten die Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs nach Ansicht des Berufungsgerichts im normalen Geschäftsverlauf von dem Modell keine Kenntnis haben können.

24.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts werfen diese Gesichtspunkte die Frage auf, unter welchen Umständen ein Muster oder Modell, obgleich es Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit offenbart worden sei, den Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs in der Union im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung nicht habe bekannt sein können.

25.      Drittens erläutert das vorlegende Gericht, dass nach Ansicht des Berufungsgerichts das beanstandete Muster kein selbständiger Entwurf, sondern eine Nachahmung des Musters von MBM Joseph Duna darstelle, wobei MBM Joseph Duna allerdings wegen der objektiv wesentlichen Übereinstimmungen zwischen den beiden Mustern eine Beweiserleichterung zugutekomme. Damit stelle sich die Frage, wer zur Anwendung von Art. 19 Abs. 2 der Verordnung die Beweislast dafür trage, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters sei.

26.      Viertens bezieht sich der Bundesgerichtshof auf die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Unterlassungsanspruch gemäß den Art. 19 Abs. 2 und 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung bei Klageerhebung nicht verjährt gewesen sei. Insoweit erscheine fraglich, ob der Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines Musters der Verjährung unterliege und, wenn ja, nach welcher Rechtsvorschrift sich die Verjährung richte, weil die Verordnung hierzu keine besonderen Vorschriften enthalte.

27.      Da fünftens das Berufungsgericht auch den Einwand, der Unterlassungsanspruch sei verwirkt, verworfen hat, stellt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts weiter die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch nach den Art. 19 Abs. 2 und 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung verwirkt sein könne. Hier komme es darauf an, ob der Sachverhalt, aus dem Gautzsch Großhandel die Verwirkung herleite, unter den Begriff der „guten Gründe“ im Sinne von Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung falle.

28.      Schließlich ist sechstens nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Frage aufgeworfen, ob für unionsweit geltende Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche auf die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten abzustellen ist, für deren Gebiet die Ansprüche geltend gemacht würden. Nach Meinung des vorlegenden Gerichts könnten für eine einheitliche Anknüpfung nur an das Recht dieses Mitgliedstaats Gesichtspunkte einer effektiven Rechtsdurchsetzung herangezogen werden, während gegen diese Sichtweise Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung und auch Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)(3) spreche, die die Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats stützten, auf dessen Gebiet die Verletzungshandlungen begangen worden sein sollten.

III – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

29.      Mit einem am 25. Oktober 2012 beim Gerichtshof eingegangenen Beschluss hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 11 Abs. 2 der Verordnung dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte, wenn Abbildungen des Geschmacksmusters an Händler verteilt wurden?

2.      Ist Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster, obwohl es Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht wurde, den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte, wenn

a)      es nur einem einzelnen Unternehmen der Fachkreise zugänglich gemacht wird oder

b)      in einem außerhalb der üblichen Marktbeobachtung liegenden Ausstellungsraum eines Unternehmens in China ausgestellt wird?

3.      a)      Ist Art. 19 Abs. 2 der Verordnung dahin auszulegen, dass den Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Beweislast dafür trifft, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist?

b)      Falls die Frage zu 3 a bejaht wird: Kehrt sich die Beweislast um, oder kommen dem Inhaber des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Beweiserleichterungen zugute, wenn zwischen dem Geschmacksmuster und der angefochtenen Benutzung wesentliche Übereinstimmungen bestehen?

4.      a)     Unterliegt der Unterlassungsanspruch nach Art. 19 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Verjährung?

b)      Falls die Frage zu 4 a bejaht wird: Richtet sich die Verjährung nach Unionsrecht, gegebenenfalls nach welcher Vorschrift?

5.      a)     Unterliegt der Unterlassungsanspruch nach Art. 19 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Verwirkung?

b)      Falls die Frage zu 5 a bejaht wird: Richtet sich die Verwirkung nach Unionsrecht, gegebenenfalls nach welcher Vorschrift?

6.      Ist Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung dahin auszulegen, dass für unionsweit geltend gemachte Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters das Recht der Mitgliedstaaten anzuwenden ist, in denen die Verletzungshandlungen begangen wurden?

30.      Schriftliche Erklärungen sind am 4. Februar 2013 von Gautzsch Großhandel und am 15. Februar 2013 von der Europäischen Kommission eingereicht worden. Da sich der Gerichtshof für ausreichend unterrichtet hält und die Verfahrensbeteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben, ist gemäß Art. 76 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abgesehen worden.

IV – Beurteilung

31.      Die ersten beiden Fragen betreffen den Begriff der Offenbarung im Sinne der Art. 7 Abs. 1 und 11 Abs. 2 der Verordnung. Es geht dabei um den für die Definition der Offenbarung verwendeten Begriff der „in der Gemeinschaft tätigen Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs“. Mit den vier übrigen Fragen soll geklärt werden, welches Recht auf verschiedene verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Probleme anwendbar ist.

A –    Zur ersten Vorlagefrage

32.      Mit seiner ersten Frage spricht das vorlegende Gericht den in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung enthaltenen Begriff der „Fachkreise“ an: Genügt die Verteilung von Abbildungen eines Musters an Händler für die Feststellung, dass es den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs bekannt sein konnte?

33.      Damit ist zu wählen zwischen einer restriktiven Auslegung – nach der zu den Fachkreisen nur die Personen zählten, die in dem betreffenden Wirtschaftszweig mit dem Entwurf, der Entwicklung oder der Herstellung der diesen Mustern entsprechenden Waren befasst sind – und einer weiteren Auslegung – nach der unter den Begriff der „Fachkreise“ des betreffenden Wirtschaftszweigs auch Händler und Geschäftsinhaber fallen.

34.      Das vorlegende Gericht scheint der letzteren Auslegung zuzuneigen. Ich teile diese Ansicht.

35.      Bei wörtlicher Betrachtung umfasst Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zwei Teile. Dieser Satz zählt zunächst die Modalitäten auf, mittels deren ein Geschmacksmuster der Öffentlichkeit innerhalb der Union zugänglich gemacht werden kann. Das ist der Fall, wenn das Muster „bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde“. Der Satz nennt sodann den speziellen Umstand, der diese Verbreitungsformen zu einer „Offenbarung“ macht (wobei die beiden Satzteile durch die Konjunktion „auf [eine] Weise …, dass“ verbunden sind). Das ist dann der Fall, wenn „dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte“.

36.      Innerhalb desselben Satzes bewirkt die Verwendung der Konjunktion „auf eine Weise, dass“ mit dem anschließenden Demonstrativpronomen „dies“ notwendig die Einbeziehung aller im ersten Satzteil genannten Modalitäten und beteiligten Wirtschaftsteilnehmer sowie ihrer geschäftlichen Sphäre in den Begriff der Fachkreise. Auch der Ausdruck „im normalen Geschäftsverlauf“ in dem zweiten Satzteil spricht für die Einbeziehung der Händler und Geschäftsinhaber in die „Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs“.

37.      Das mit der Verordnung verfolgte Ziel und der allgemeine Rahmen, in den sie sich einfügt, stehen dieser Auslegung nicht entgegen.

38.      Wie der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) (Vereinigtes Königreich) es formuliert hat, lautet die sich stellende Frage: „Who is in the circle?(4). Ich schließe mich im Übrigen der Antwort des High Court an, nach der der Begriff grundsätzlich alle Personen einschließt, die am Handel mit den Waren des betreffenden Wirtschaftszweigs beteiligt sind. Dazu gehören deshalb die Personen, die sie entwerfen und herstellen, aber auch diejenigen, die sie im Geschäftsleben der Union bewerben, in den Verkehr bringen, vertreiben und verkaufen(5).

39.      Meiner Auffassung nach ist die erste Vorlagefrage daher zu bejahen: Art. 11 Abs. 2 der Verordnung ist dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverkehr bekannt sein kann, wenn zuvor Abbildungen des Geschmacksmusters an in diesem Wirtschaftszweig tätige Händler verteilt worden sind.

B –    Zur zweiten Vorlagefrage

40.      Die zweite Frage betrifft nicht mehr Art. 11 Abs. 2 der Verordnung, sondern deren Art. 7 Abs. 1. Jedoch geht es weiterhin um die Definition des Begriffs der „Fachkreise“. Während es nämlich bei der ersten Frage um die sich dem Geschmacksmusterinhaber stellende Frage ging, ob das Geschmacksmuster, dessen Schutz er beansprucht, hinreichend offenbart worden war, um nach der Verordnung geschützt zu sein, entspricht die zweite Frage eher der sich dem angeblichen Verletzer stellenden Frage, ob der Inhaber von dem Muster des „Dritten“ (im vorliegenden Fall des angeblichen Verletzers) vor der Offenbarung seines eigenen Musters Kenntnis haben konnte und somit sein angebliches Schutzrecht verloren hat.

41.      In Wirklichkeit möchte das vorlegende Gericht wissen, ob im Fall der Offenbarung eines Musters gegenüber einem einzigen Unternehmen des fraglichen Wirtschaftszweigs (Frage 2 a) oder dem der Ausstellung des Musters in den Ausstellungsräumen eines Unternehmens in China, also außerhalb des Bereichs der üblichen Marktbeobachtung (Frage 2 b), dieses Muster als eines gelten kann, das „den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs … bekannt sein konnte“.

42.      Es sei daran erinnert, dass nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gilt, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bzw. in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung genannten Zeitpunkt.

43.      Dieser Absatz sieht zwei Ausnahmen vor. Erstens gilt ein Geschmacksmuster nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es einem Dritten unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit offenbart wurde (eine in der Frage des vorlegenden Gerichts ausgeschlossene Voraussetzung). Zum anderen gilt die allgemeine Regel gleichfalls nicht, wenn die Umstände, die grundsätzlich eine Offenbarung begründen, „den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte[n]“.

1.      Offenbarung gegenüber einem einzigen Unternehmen

44.      Die Antwort auf den ersten Teil der zweiten Frage ergibt sich meines Erachtens aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung selbst.

45.      Da der Gesetzgeber im Wortlaut der ersten Ausnahme den Plural gewählt hat („es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte“(6)), kann aus diesem Wortlaut nicht geschlossen werden, dass die Offenbarung gegenüber einem einzigen Unternehmen ausreichend wäre, um der Anforderung in Art. 7 zu genügen, selbst wenn dieses Unternehmen zu den „Fachkreisen“ gehören sollte.

2.      Offenbarung und räumliches Gebiet

46.      Der zweite Teil der zweiten Frage, der sich auf den Fall der Ausstellung eines Musters in den Geschäftsräumen eines Unternehmens in China bezieht, erscheint problematischer.

47.      Wie die Kommission in ihren Erklärungen hervorgehoben hat, weisen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 und Art. 11 Abs. 2 der Verordnung insofern einen wesentlichen Unterschied auf, als sich Art. 11 Abs. 2 ausdrücklich auf eine Offenbarung „innerhalb der Gemeinschaft“ bezieht, während Art. 7 Abs. 1 Satz 1 eine solche Bezugnahme auf das Unionsgebiet nicht enthält.

48.      Daraus ergibt sich logisch der Schluss, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Muster der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung zugänglich gemacht wurde, grundsätzlich auf die Verbreitung unabhängig von deren Lokalisierung abzustellen ist. Die nationalen Gerichte und die Literatur teilen im Übrigen offenbar diese Auslegung des Wortlauts(7).

49.      Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ebenso wie in deren Art. 11 Abs. 2 klargestellt wird, dass die potenziellen Adressaten einer solchen Offenbarung Unternehmen sind, die in der Union tätig und den „Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs“ zuzurechnen sind.

50.      Diese Klarstellung ist keineswegs belanglos. Sie ist entstanden aus einem Änderungsvorschlag des Wirtschafts- und Sozialausschusses(8), mit dem gerade die Reichweite des Vorschlags der Kommission begrenzt werden sollte, dem zufolge die Neuheit ursprünglich ohne jede weitere Abstufung im weltweiten Maßstab beurteilt werden sollte(9). Um der Praxis entgegenzuwirken, dass sich Verkäufer nachgeahmter Waren (vor allem in der Textilindustrie) unwahre Bescheinigungen darüber beschafften, dass das fragliche Muster bereits vorher von Dritten entworfen worden sei, schlug der Wirtschafts- und Sozialausschuss folgende Ergänzung der in Art. 5 Abs. 2 des Vorschlags (Art. 7 Abs. 1 der Verordnung) enthaltenen Definition der Offenbarung vor: „Ein Muster gilt als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, es sei denn, dass dies den Fachkreisen des betroffenen Sektors, die vor dem Stichtag in der Gemeinschaft tätig waren, offenkundig nicht bekannt sein konnte.“(10)

51.      Die Bezugnahme auf die Kenntnis der Fachkreise in der Union besteht also nicht zufällig. Vielmehr wurde mit ihr einer besonderen Sorge Rechnung getragen. Wie bestimmte Autoren es formulieren, gibt es hier zwei Tatbestandsmerkmale: eines absoluter Art, die Offenbarung irgendwo in der Welt, und eines relativer Art, die Kenntnis der Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs innerhalb der Union(11).

52.      Die Verwendung der Begriffe „normal“ und „razonablemente“ in der spanischen Fassung, „normal“ und „reasonably“ in der englischen Fassung, „normale“ und „raisonnablement“ in der französischen Fassung sowie „normale“ und „redelijkerwijs“ in der niederländischen Fassung sind ebenfalls von Einfluss auf die vorzunehmende Prüfung durch das Gericht, das das Vorliegen einer behaupteten Offenbarung zu beurteilen hat. Der erste dieser Begriffe kann definiert werden als „corriente o habitual“, „conforming to a standard; usual, typical, or expected“, „qui est dépourvu de tout caractère exceptionnel; qui est conforme au type le plus fréquent“, „overeenkomstig de regel, niets bijzonders of verontrustends“, „als Norm dienend“. Der zweite Begriff bezieht sich auf etwas, was gefordert wird „de manera razonable“, d. h. „proporcionada o equilibrada“, „to a moderate or acceptable degree“, „sans prétention excessive, sans trop exiger“, „met billijkheid“ oder „met verstand redenerend“(12).

53.      Von den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern kann daher nicht verlangt werden, dass sie spezielle oder aufwändige Initiativen unternehmen, um Kenntnis von einem älteren Muster zu erlangen. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen unterstreicht, kann dann, wenn die Unbekanntheit der fraglichen Tatsachen wahrscheinlicher ist als ihre Bekanntheit, nicht davon ausgegangen werden, dass das Muster im normalen Geschäftsverlauf bekannt geworden sein konnte. Anders formuliert, ist in gewisser Weise abzustellen auf quod plerumque fit(13).

54.      Für die Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts ist deshalb die Perspektive der Gewerbetreibenden einzunehmen, die innerhalb des Unionsgebiets tätig sind, und die Frage zu stellen, ob sie von dem Muster durch das geltend gemachte Mittel vernünftigerweise im normalen Geschäftsverlauf Kenntnis erlangen konnten.

55.      Diese verschiedenen Auslegungskriterien führen nach meiner Auffassung zu dem Ergebnis, dass die Präsentation eines Musters in dem Ausstellungsraum eines einzigen Unternehmens, das überdies in China ansässig ist, nicht ausreicht, um im normalen Geschäftsverlauf eine Bekanntheit des Musters in den Fachkreisen innerhalb der Union zu bewirken. Der Fall läge hingegen anders, wenn das Muster zwar in China präsentiert worden wäre, aber beispielsweise anlässlich einer angesehenen internationalen Messe, an der die wichtigsten oder meisten europäischen Wirtschaftsteilnehmer der betreffenden Branche teilnähmen(14).

C –    Zur dritten Vorlagefrage

56.      Mit seiner dritten Frage ebenso wie mit seiner vierten und fünften Frage möchte der Bundesgerichtshof wissen, welche Verfahrensregeln auf eine Klage aus Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (Unterlassungsanspruch bei Verletzung) anwendbar sind. Die dritte Frage betrifft speziell die Beweislast dafür, dass die angefochtene Benutzung Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist.

1.      Allgemeiner Rahmen

57.      Titel II der Verordnung trägt die Überschrift „Materielles Geschmacksmusterrecht“. Art. 19 der Verordnung ist der erste Artikel in Abschnitt 4, der die Überschrift „Wirkung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters“ trägt. Art. 19 selbst hat zur Überschrift „Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster“. Nach seinem ersten Absatz gewährt „[d]as eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster … seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen“. Nach Abs. 2 dieses Artikels gewährt das „nicht eingetragene Geschmacksmuster … seinem Inhaber das Recht, die in Absatz 1 genannten Handlungen zu verbieten, jedoch nur, wenn die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist“.

58.      Laut dem 22. Erwägungsgrund der Verordnung muss „[d]ie Durchsetzung dieser Rechte … den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften überlassen bleiben“, während die Verordnung selbst nur „in allen Mitgliedstaaten einige grundlegende einheitliche Sanktionen“ vorsieht.

59.      Im Übrigen wird dieser Erwägungsgrund ausdrücklich bestätigt durch Art. 88 der Verordnung, nach dessen Abs. 1 und 2 „[i]n allen Fragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, … die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an[wenden]“ und ferner, soweit in der Verordnung nicht anderes bestimmt ist, „das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht die Verfahrensvorschriften an[wendet], die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Musterrechte anwendbar sind“.

60.      Art. 85 Abs. 2 der Verordnung bestimmt indessen, dass „[i]n Verfahren betreffend eine Verletzungsklage oder eine Klage wegen drohender Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters … die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, wenn der Rechtsinhaber Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen von Artikel 11 erbringt und angibt, inwiefern sein Geschmacksmuster Eigenart aufweist, von der Rechtsgültigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters auszugehen“ haben.

61.      Die beiden letztgenannten Artikel gehören zu Titel IX der Verordnung mit der Überschrift „Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster betreffen“.

2.      Prüfung der einschlägigen Artikel der Verordnung

62.      Dem vorstehend kurz beschriebenen Aufbau der Verordnung ist eindeutig zu entnehmen, dass deren Art. 19 Abs. 2 keine Verfahrensregel entnommen werden kann.

63.      Bei diesem Art. 19 handelt es sich vielmehr um denjenigen Artikel, der den Inhalt des Rechts des Geschmacksmusterinhabers ohne jede verfahrensrechtliche Erwägung statuiert: Der Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsmusters hat das Recht, verschiedene Handlungen zu verbieten, sofern die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist.

64.      Im Übrigen geht aus dem 22. Erwägungsgrund und Art. 88 der Verordnung hervor, dass die Festlegung der Verfahrensregeln – zu denen die Beweislastregelung gehört – Sache der nationalen Gesetzgeber ist(15). Ich teile im Übrigen die von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen eingenommene Auffassung, dass Art. 85 Abs. 2 der Verordnung nicht analog angewendet werden kann. Ich bin nämlich gleichfalls der Meinung, dass diese Bestimmung nur die Beweislast für die in Art. 11 der Verordnung festgelegten Voraussetzungen für den Schutz des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters und nicht den Beweis für die Benutzung einer Nachahmung dieses Musters regelt.

65.      Demnach ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 der Verordnung nicht dahin ausgelegt werden kann, dass ihm zufolge der Inhaber des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu beweisen hätte, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des Musters ist, da diese Frage in die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers fällt. Somit erübrigt sich eine Beantwortung der Frage 3 b, die auf eine etwaige Beweislastumkehr und mögliche Beweiserleichterungen abzielt.

66.      Der mit der Verordnung verfolgte allgemeine Zweck und die Antwort, die der Gerichtshof auf eine ähnliche Frage im Markenrecht gegeben hat, veranlassen mich allerdings, die Erörterung dieser Fragen noch fortzuführen.

3.      Überlegungen aus dem Bereich des Markenrechts

67.      In der Rechtssache Class international(16) hatte der Gerichtshof über eine Vorlagefrage nach der Beweislast in Verfahren wegen Verletzungen einer Gemeinschaftsmarke zu befinden. Bei seiner Antwort auf diese Frage wies der Gerichtshof einleitend darauf hin, dass „sich die Beweislastfrage bei der Entstehung eines Rechtsstreits [stellt], d. h., wenn der Inhaber der Marke einen Verstoß gegen sein ausschließliches Recht aus den Art. 5 Abs. 1 der [Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken(17)] und Art. 9 Abs. 1 der [Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke(18)] geltend macht“.

68.      Diese Situation ist der hier zu beurteilenden eng verwandt. Zum einen ist das in Frage stehende Recht – nämlich das Recht, bestimmte Benutzungen eines identischen oder ähnlichen Zeichens zu verbieten – mutatis mutandis das gleiche wie das in Art. 19 der Verordnung auf dem Gebiet der Geschmacksmuster vorgesehene. Zum anderen sind die von den beiden Verordnungen vorgesehenen gerichtlichen Verfahrensregelungen einander ähnlich(19).

69.      In der Rechtssache Class International gelangte Generalanwalt Jacobs zu einer ähnlichen Lösung wie der hier von mir befürworteten. Seiner Meinung nach ergab sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke, dass die Beweislast in den Bereich der nationalen Verfahrensregelungen falle und dass in Fällen, in denen „ein Markeninhaber es einem Wirtschaftsteilnehmer verbieten möchte, seine Marke im geschäftlichen Verkehr zu benutzen“, keine „zwingende[n] Gründe“ dafür vorlägen, von der Geltung der „nationalen Regeln über die Beweislast“ abzuweichen(20).

70.      Jedoch folgte der Gerichtshof nicht der Auffassung seines Generalanwalts und befand vielmehr, dass in einem Fall wie dem in jener Rechtssache von ihm zu beurteilenden (der mir dem der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegenden vergleichbar erscheint) „die Beweislast hinsichtlich des Rechtsverstoßes [gegen das Ausschließlichkeitsrecht] dem Inhaber der Marke obliegt, der sich auf ihn beruft“, womit, wenn „dieser Beweis erbracht worden [ist], … sodann der in Anspruch genommene Wirtschaftsteilnehmer das Vorliegen einer Zustimmung des Markeninhabers zu einem Inverkehrbringen der Waren in der Gemeinschaft zu beweisen“ hat(21).

71.      Angesichts der strukturellen und substanziellen Nähe der Verordnungen Nrn. 40/94 und 6/2002 und der von ihnen geschaffenen Schutzmechanismen sowie in Anbetracht der Ähnlichkeit der mit beiden Regelungen verfolgten Ziele neige ich deshalb der Ansicht zu, dass die vom Gerichtshof in der Rechtssache Class International gewählte Lösung auf das Geschmacksmusterrecht zu übertragen ist.

72.      Wie nämlich Generalanwalt Mengozzi in Nr. 6 seiner Schlussanträge in der Rechtssache FEIA(22) hervorhob, wird, wie „aus den Erwägungsgründen der Verordnung hervorgeht, … mit der Einführung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters, das einer im gesamten Gemeinschaftsgebiet einheitlichen Regelung unterliegt, bezweckt, … zu vermeiden, dass in Anbetracht der immer noch vorliegenden erheblichen Unterschiede zwischen den Gesetzen der Mitgliedstaaten identische Muster in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich und zugunsten verschiedener Inhaber geschützt werden“.

73.      Insoweit steht fest, wie es der Gerichtshof in der Rechtssache Class International im Hinblick auf Marken formuliert hat, dass dann, wenn die Frage der Beweislast bei Verletzungen des Ausschließlichkeitsrechts „in die Zuständigkeit des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten fiele, sich daraus für die Markeninhaber je nach dem betroffenen Recht ein unterschiedlicher Schutz ergeben könnte. Das in der neunten Begründungserwägung der Richtlinie als ‚wesentlich‘ bezeichnete Ziel eines ‚[einheitlichen Schutzes] im Recht aller Mitgliedstaaten‘ wäre nicht erreicht“(23).

74.      Im vorliegenden Fall scheint mir, da der erste Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 von einem „einheitliche[n] Schutz mit einheitlicher Wirkung für die gesamte“ Union spricht, diese Überlegung ohne Weiteres auf das Geschmacksmusterrecht übertragbar.

4.      Ergebnis hinsichtlich der dritten Vorlagefrage

75.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen 3 a und 3 b wie folgt zu beantworten: Art. 19 Abs. 2 der Verordnung enthält keine Regelung der Beweislast. In einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen obliegt es jedoch dem Inhaber des nicht eingetragenen Geschmacksmusters, den Beweis für das Vorliegen von Umständen zu erbringen, die die Geltendmachung des in diesem Artikel vorgesehenen Unterlassungsanspruchs erlauben, indem er dartut, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist.

76.      Im Einklang mit dem 22. Erwägungsgrund und Art. 88 Abs. 2 und 3 der Verordnung wird die genaue Regelung der Beweislast durch den nationalen Gesetzgeber festgelegt. Das nationale Gericht hat seinerseits über die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes zu wachen. Denn „[n]ach der Rechtsprechung müssen die Mitgliedstaaten … sicherstellen, dass die für Klagen betreffend Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht geltenden Beweisvorschriften, insbesondere die Regeln über die Verteilung der Beweislast, erstens nicht ungünstiger gestaltet sind als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und zweitens die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte durch den Rechtsuchenden nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren“(24).

77.      Folglich hat der nationale Richter – wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen richtig unterstreicht –, wenn er feststellt, dass die dem Inhaber des geschützten Musters aufgebürdete Beweislast geeignet ist, die Führung dieses Beweises (insbesondere wegen dafür erforderlicher Informationen, die der Rechtsinhaber nicht besitzen kann) unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden verfahrensrechtlichen Mittel einzusetzen, um diese Schwierigkeit zu beheben. Er kann beispielsweise das Mittel der rechtlichen Vermutung oder verschiedene Anordnungen der Beweiserhebung, wie die Anordnung der Vorlage von Urkunden oder Schriftstücken, einsetzen(25) oder auch angesichts der vom Inhaber des Musters beigebrachten Beweise entscheiden, dass es Sache des Beklagten ist, diesen substanziell und substantiiert entgegenzutreten.

D –    Zur vierten und fünften Vorlagefrage

78.      Die vierte und fünfte Frage des vorlegenden Gerichts betreffen die Regeln der Verjährung und/oder Verwirkung, die dem Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters gemäß Art. 19 Abs. 2 und 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Grenzen zögen. Diese Regeln können deshalb meines Erachtens zusammen behandelt werden.

1.      Die „guten Gründe“ im Sinne von Art. 89 Abs. 1 der Verordnung

79.      Wie ich bereits bei der Prüfung der dritten Frage erwähnt habe, sind die sich aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster ergebenden Rechte in Art. 19 der Verordnung geregelt.

80.      Art. 89 der Verordnung ist seinerseits Teil des Titels IX über die „Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster betreffen“. In diesem Artikel werden die Sanktionen aufgeführt, die die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte erlassen können. Zu ihnen gehört insbesondere das Verbot, die angegriffenen Verletzungshandlungen fortzusetzen.

81.      Nach Art. 89 Abs. 1 der Verordnung erlässt das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht eine Sanktion, wenn es feststellt, dass der Beklagte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt hat oder zu verletzen droht, „wenn dem nicht gute Gründe entgegenstehen“.

82.      In seinem Beschluss scheint das vorlegende Gericht die Verjährung diesen „guten Gründen“ zuzurechnen(26). Hinsichtlich der Verwirkung wirft es ausdrücklich die Frage auf, „ob der zu beurteilende Sachverhalt, aus dem die Beklagte die Verwirkung herleitet, das Tatbestandsmerkmal der guten Gründe im Sinne des Art. 89 Abs. 1 Buchst. a [der Verordnung] erfüllt“(27).

83.      Meiner Auffassung nach lässt sich diese Zuordnung jedoch nicht vornehmen.

84.      Zieht man die Erläuterungen der Kommission bei ihrer Vorstellung des Vorschlags für eine Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster(28) heran, können die „guten Gründe“, die dem Erlass von Sanktionen entgegenstehen können, beispielsweise „vorliegen, wenn unter den obwaltenden Umständen eine Beschlagnahme der Erzeugnisse sinnlos oder eine unangemessene Härte wäre. In ähnlicher Weise könnte in bestimmten Fällen die Anordnung, Informationen vorzulegen, bedeutungslos sein, wenn z. B. der Rechtsverletzer der Hersteller der nachgeahmten Waren ist.“

85.      Es handelt sich hierbei also um bestimmte Sachverhalte und nicht Verfahrensregeln. Diese Auslegung wird bestätigt durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der Parallelbestimmung im Markenrecht. Nach dem Gerichtshof „bezieht sich der Begriff der besonderen Gründe auf im Einzelfall gegebene Umstände tatsächlicher Art“(29).

2.      Feststellung der Verjährung und der Verwirkung: verfahrensrechtliche Autonomie

86.      Wie ich bereits bei der Prüfung der dritten Frage auszuführen Gelegenheit hatte, lässt sich dem 22. Erwägungsgrund und Art. 88 der Verordnung eindeutig entnehmen, dass die Festlegung der Verfahrensvorschriften Sache der nationalen Gesetzgeber ist.

87.      Auch wenn Art. 15 Abs. 3 der Verordnung von Verjährung spricht, bezieht er sich indessen nur auf die in den ersten beiden Absätzen dieses Artikels geregelten Klagen, also Klagen zur Geltendmachung der Berechtigung auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster(30). Es ist ebenfalls zu konstatieren, dass sich die Verordnung – anders als die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke(31) – über die Frage der Verwirkung ausschweigt. Dieses Schweigen scheint meines Erachtens jedoch nicht den Schluss zu erlauben, dass eine derartige Regel unzulässig wäre.

88.      Folglich fallen diese Fragen in Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung nach dem Grundsatz der verfahrensrechtlichen Autonomie unter das nach Art. 88 Abs. 2 und 3 der Verordnung anwendbare nationale Recht.

89.      In anderen Worten gesagt, fallen also die Fragen, ob der Unterlassungsanspruch gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung verjährt und/oder verwirkt sein kann und gegebenenfalls nach welchen Regeln sich diese Verjährung und/oder Verwirkung richten, unter das nach Art. 88 Abs. 2 und 3 anwendbare Recht.

3.      Erläuterungen zu den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität

90.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Verjährungs- und Verwirkungsfristen ist reichhaltig. Es erscheint mir wichtig, an drei Regeln zu erinnern:

–        Wenn auch der Grundsatz der Äquivalenz einen Mitgliedstaat nicht verpflichtet, die günstigste innerstaatliche Regelung auf alle Rechtsbehelfe zu erstrecken, die auf einem bestimmten Rechtsgebiet eingelegt werden, hat das vorlegende Gericht doch zu untersuchen, „ob die Modalitäten, die im innerstaatlichen Recht den Schutz der Rechte gewährleisten sollten, den die Bürger aufgrund des Unionsrechts genießen, diesem Grundsatz [der Äquivalenz] entsprechen, und sowohl den Gegenstand als auch die wesentlichen Merkmale der angeblich vergleichbaren Rechtsbehelfe, die das innerstaatliche Recht betreffen, zu prüfen“(32). Art. 88 Abs. 3 der Verordnung sieht selbst ausdrücklich vor, dass „das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht die Verfahrensvorschriften an[wendet], die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Musterrechte anwendbar sind“.

–        Ferner verlangt der Effektivitätsgrundsatz, dass eine vom nationalen Recht vorgesehene Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Antragsteller von dem geltend gemachten Verstoß gegen die genannten Vorschriften Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen(33).

–        Was schließlich ein Verfahren zur Durchsetzung der Unterlassung einer fortgesetzten oder wiederholten Zuwiderhandlung angeht, so darf eine nationale Regelung der Verjährung oder Verwirkung nicht so geartet sein, dass eine Verjährungsfrist sogar vor Beendigung der Zuwiderhandlung abgelaufen ist(34).

91.      Unter Orientierung an diesen drei Regeln wird das nationale Gericht das innerstaatliche Recht anzuwenden haben, das die im Verfahren gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung geltende Frist für die Verjährung und/oder Verwirkung festlegt.

E –    Zur sechsten Vorlagefrage

92.      Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welches Recht auf die in Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung genannten Sanktionen, wie Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, im vorliegenden Fall anzuwenden ist. Richten sich diese in der Verordnung nicht näher geregelten Sanktionen nach dem Recht der Mitgliedstaaten, in denen die Verletzungshandlungen begangen wurden, oder nach dem des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts?

93.      Gemäß Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung trifft das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht, wenn es in einem Verfahren wegen Verletzung (oder drohender Verletzung) feststellt, dass der Beklagte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt hat (oder zu verletzen droht), „Anordnungen, durch die andere [als die in den Buchst. a, b und c genannten], den Umständen angemessene Sanktionen auferlegt werden, die in der Rechtsordnung einschließlich des internationalen Privatrechts des Mitgliedstaates vorgesehen sind, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen“.

1.      Tragweite von Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung

94.      Vor der Ermittlung des auf die „anderen Sanktionen“ im Sinne von Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung anwendbaren Rechts ist zu klären, ob sämtliche vom vorlegenden Gericht genannten Maßnahmen – betreffend Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche – tatsächlich unter diese Bestimmung fallen.

95.      Nach Auffassung der Kommission kann allein der Vernichtungsanspruch unter den Begriff der „Sanktionen“ gemäß Art. 89 der Verordnung subsumiert werden. Unter Hinweis auf den 22. Erwägungsgrund der Verordnung nimmt die Kommission den Standpunkt ein, dass unter diesen Artikel nur diejenigen Anordnungen fallen können, die geeignet sind, das streitige Handeln zu beenden.

96.      Dieser Auslegung stimme ich nicht zu. Vielmehr ist der 22. Erwägungsgrund so gefasst, dass sich die Erläuterung zur Zielsetzung der Sanktionen lediglich auf die vom Unionsgesetzgeber für erforderlich erachteten „grundlegenden einheitlichen Sanktionen“ bezieht: „[D]aher sind in allen Mitgliedstaaten einige grundlegende einheitliche Sanktionen vorzusehen, damit unabhängig von der Rechtsordnung, in der die Durchsetzung verlangt wird, den Rechtsverletzungen Einhalt geboten werden kann“(35). Im 31. Erwägungsgrund heißt es weiter, dass die Verordnung nicht die Anwendung anderer einschlägiger Vorschriften der Mitgliedstaaten, etwa über die zivilrechtliche Haftung, ausschließt.

97.      Im Wortlaut des Art. 89 Abs. 1 der Verordnung spiegeln sich meines Erachtens die in den vorgenannten Erwägungsgründen formulierten Anliegen wider. Zum einen hat der Unionsgesetzgeber grundlegende einheitliche Sanktionen vorgesehen, um den Rechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. Dabei handelt es sich um die in Art. 89 Abs. 1 Buchst. a, b und c normierten Anordnungen der Unterlassung und der Beschlagnahme. Zum anderen ist es Sache der innerstaatlichen Gesetzgeber, weitere Sanktionen zu normieren, wie etwa Schadensersatzansprüche. Diese Möglichkeit wird in Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung bestätigt.

98.      Im gleichen Sinne ist auch die entsprechende Bestimmung der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke, Art. 102, gefasst(36). Obgleich deutlich knapper, findet sich in diesem Artikel der gleiche Aufbau wie in Art. 89 der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. So bezieht sich der erste Absatz auf Anordnungen des Verbots und solche, die „nach Maßgabe [des] innerstaatlichen Rechts … sicherstellen, dass dieses Verbot befolgt wird“. Ebenso heißt es im zweiten Absatz, dass „das Gemeinschaftsmarkengericht das Recht des Mitgliedstaats, einschließlich dessen internationalen Privatrechts, an[wendet], in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen“. Wie Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache DHL Express France erläutert hat, bezieht sich dieser Absatz auf „Maßnahmen, die über die Sicherstellung hinausgehen“(37).

2.      Bestimmung des auf die „anderen Sanktionen“ anzuwendenden Rechts

99.      Der Wortlaut von Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung erscheint insoweit ohne Mehrdeutigkeit. Er ermächtigt die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, andere Sanktionen aufzuerlegen, „die in der Rechtsordnung einschließlich des Internationalen Privatrechts des Mitgliedstaates vorgesehen sind, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen“. Es handelt sich also darum, für jede der begangenen Rechtsverletzungen die Sanktion vorzusehen, die das in diesem Hoheitsgebiet anwendbare innerstaatliche Recht vorsieht.

100. Aus dem Wortlaut der Bestimmung selbst geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber dem wirksam angerufenen Gericht nicht die Wahl des anzuwendenden Rechts überlassen hat. Es handelt sich vielmehr stets um das Recht (oder die Rechte) des Mitgliedstaats (oder der Mitgliedstaaten), in dem (oder in denen) die Verletzungshandlung (oder Verletzungshandlungen) begangen worden ist (sind). Es kommt also niemals in Betracht, das Recht des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts allein wegen dessen örtlicher Zuständigkeit anzuwenden.

101. In diesem Sinne ist auch die entsprechende Bestimmung in der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke vom Gerichtshof ausgelegt worden. In der Rechtssache DHL Express France ist er nämlich der folgenden Argumentation des Generalanwalts Cruz Villalón gefolgt: „Hätte der Unionsgesetzgeber gewollt, dass das für die Sicherungsmaßnahmen maßgebliche Recht dasselbe Recht ist, das auf die zu treffenden Maßnahmen anwendbar ist, wäre Art. 98 Abs. 2 [jetzt Art. 102] überflüssig, denn gerade dies ist die Funktion der Bestimmung, die nur Sinn hat, wenn zuvor etwas anderes bestimmt wurde. Dieser Absatz stellt klar, dass das Recht, das neben den Maßnahmen, die über die Sicherstellung hinausgehen, anzuwenden ist, ‚das Recht des Mitgliedstaats [ist], einschließlich dessen internationalen Privatrechts, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen‘. Die knappe Bezugnahme auf das ‚innerstaatliche Rechtʻ in Abs. 1 steht in erkennbarem Widerspruch zur Bezugnahme auf die lex loci delicti commissi in Abs. 2. Daraus ergibt sich, dass sie sich auf unterschiedliche Kollisionsnormen beziehen.“(38)

102. Es sei abschließend hinzugefügt, dass diese Auslegung nicht nur von der Literatur geteilt wird(39), sondern auch der Verordnung Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zugrunde liegt.

V –    Ergebnis

103. Nach alledem schlage ich vor, die Fragen des Bundesgerichtshofs wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein kann, wenn zuvor Abbildungen dieses Musters an in diesem Wirtschaftszweig tätige Händler verteilt worden sind.

2.      Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster, obgleich es Dritten ohne die ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht worden ist, den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein kann, wenn es nur einem einzigen Unternehmen dieser Fachkreise zugänglich gemacht oder in den Ausstellungsräumen eines Unternehmens, das außerhalb des Gebiets der Europäischen Union und des Bereichs der üblichen Marktbeobachtung ansässig ist, ausgestellt worden ist.

3.      Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass er keine Regelung der Beweislast enthält. In einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen obliegt es jedoch dem Inhaber des nicht eingetragenen Geschmacksmusters, den Beweis für das Vorliegen von Umständen zu erbringen, die die Geltendmachung des in diesem Artikel vorgesehenen Unterlassungsanspruchs erlauben, indem er dartut, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist.

4.      Mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen Regelung ist durch die innerstaatliche Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats festzulegen, ob ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Geschmacksmusters gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 der Verjährung unterliegt, und sind gegebenenfalls durch diese Rechtsordnung die insoweit geltenden Modalitäten zu normieren, sofern dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität bewahrt bleiben.

5.      Mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen Regelung ist durch die innerstaatliche Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats festzulegen, ob ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Geschmacksmusters gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 der Verwirkung unterliegt, und sind gegebenenfalls durch diese Rechtsordnung die insoweit geltenden Modalitäten zu normieren, sofern dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität bewahrt bleiben.

6.      Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass die Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sich nach dem innerstaatlichen Recht einschließlich des internationalen Privatrechts jedes Mitgliedstaats richten, in dem mittels der fraglichen Waren eine Verletzungshandlung begangen wurde oder begangen zu werden droht.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. 2002, L 3, S. 1.


3 – ABl. L 199, S. 40.


4 – Urteil des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) vom 19. Juli 2007, Green Lane Products Ltd v. PMS International Group Ltd & Ors ([2007] EWHC 1712). Das Urteil wurde im Berufungsverfahren bestätigt ([2008] EWCA Civ 358). Der Rechtsstreit betraf nicht Art. 11 Abs. 2 der Verordnung, sondern Art. 7. Jedoch sind die fraglichen Formulierungen in beiden Fällen identisch, da auch Art. 7 vom „normalen Geschäftsverlauf“ („the normal course of business“) in den „Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs“ („to the circles specialised in the sector concerned“) spricht.


5 – Diese weite Auslegung findet auch Zustimmung in der Literatur. Vgl. in diesem Sinne G. Tritton, Intellectual Property in Europe, 3. Aufl., London 2008, insbesondere S. 570, Abschnitt 5‑032, H. Smith, „Disagreement over ‚relevant sector‘ when determining prior art under Community design right“, Journal of Intellectual Property Law & Practice 2007, Bd. 2, Nr. 12, S. 795‑796, A. Casado Cerviño und A. Blanco Jiménez, El Diseño Comunitario: una Aproximación al Régimen Legal de los Dibujos y Modelos en Europa, 2. Aufl. 2005, S. 44, und C. Fernández-Nóvoa, „El diseño no registrado“, Actas de derecho industrial y derecho de autor, Bd. 24, 2003, S. 81‑90, insbesondere S. 86: „Zweitens ist das durchschnittliche Informationsniveau zu ermitteln, über das diejenigen verfügen, die zu dem betreffenden Wirtschaftszweig gehören: die professionellen Entwerfer und die spezialisierten Händler, die in der Europäischen Union tätig sind.“ („En segundo lugar, habrá que establecer cuál es el nivel medio de información de que disponen quienes componen el pertinente sector: los diseñadores profesionales y los comerciantes especializados que operan en la Unión Europea“) (Hervorhebung nur hier).


6 – Hervorhebung nur hier.


7 – Vgl. in diesem Sinne G. Tritton, a. a. O., insbesondere S. 571, C. Fernández-Nóvoa, a. a. O., S. 81-90, insbesondere S. 86. Vgl. für ein Beispiel aus der nationalen Rechtsprechung Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts von 7. Juni 2006 (5 U 96/05). Eine Zusammenfassung dieser Entscheidung findet sich unter dem Titel „Chinese pre-publication precludes European Community unregistered design right“ veröffentlicht im Journal of Intellectual Property Law & Practice 2007, Bd. 2, Nr. 7, S. 441‑443.


8 –      Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 6. Juli 1994 zu den Vorschlägen für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Rechtsschutz von Mustern (ABl. C 388, S. 9).


9 – Vgl. Art. 5 des Vorschlags des Europäischen Parlaments und des Rates für die Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Kommission (KOM[93] 342 endgültig).


10 – Vgl. Punkt 3.1.4 der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses.


11 – V. M. Saez, „The unregistered Community design“, European Intellectual Property Review 2002, Bd. 24, Nr. 12, S. 585 bis 590, insbesondere S. 587. Zur Unterscheidung zwischen der Offenbarung und ihrer Wahrnehmung vgl. auch C.‑H. Massa und A. Strowel, „Community design: Cinderella revamped“, European Intellectual Property Review 2003, Bd. 25 Nr. 2, S. 68 bis 78, insbesondere S. 73.


12 – Vgl. für die spanischen Definitionen Diccionario del Español actual 1999, für die englischen Definitionen Oxford dictionary of English, 2. Aufl. 2005, für die französischen Definitionen Le Petit Robert, dictionnaire de la langue française, 2003, und für die niederländischen Definitionen van Dale, Groot Woordenboek der Nederlandse Taal, 1992.


13 – Zwar findet sich das Adverb „raisonnablement“ nicht in der deutschen, der lettischen, der rumänischen oder der slowakischen Fassung von Art. 7 der Verordnung. Der Umstand aber, dass es in 18 der 22 Sprachfassungen erscheint, scheint mir hinreichend aussagekräftig zu sein, um die sich daraus ergebende Auslegung zu bestätigen, die auch aus der allgemeinen Systematik der Verordnung und den mit ihr verfolgten Zwecken folgt; diese Auslegung steht ebenso wenig in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung, nach der die in einer der Sprachfassungen einer unionsrechtlichen Regelung verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Regelung herangezogen werden oder Vorrang gegenüber den anderen Sprachfassungen beanspruchen kann. Eine solche Betrachtungsweise wäre tatsächlich unvereinbar mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts. Bei Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen muss die fragliche Bestimmung nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteile vom 12. November 1998, Institute of the Motor Industry, C‑149/97, Slg. 1998, I‑7053, Randnr. 16, und vom 25. März 2010, Helmut Müller, C‑451/08, Slg. 2010, I‑2673, Randnr. 38).


14 – Das Beispiel stammt von A. Casado Cerviño und A. Blanco Jiménez, a. a. O., S. 44.


15 – Vgl. in diesem Sinne für eine vertiefte Behandlung der Frage M. Mouncif‑Moungache, Les dessins et modèles en droit de l’Union européenne, Brüssel 2012 (vgl. insbesondere Kapitel 2 des Titels I in Teil II). Vgl. auch M.‑L. Llobregat Hurtado, „Régimen jurídico de los dibujos y modelos registrados y no registrados en el Reglamento 6/2002 del Consejo, del 12 de diciembre de 2001, sobre dibujos et modelos comunitarios“, in La marca comunitaria, modelos y dibujos comunitarios. Análisis de la implantación el Tribunal de marcas de Alicante, Estudios de Derecho Judicial Nr. 68, Madrid 2005, S. 119‑198, insbesondere S. 129.


16 – Urteil vom 18. Oktober 2005, Class International (C‑405/03, Slg. 2005, I‑8735, Randnr. 70).


17 – ABl. 1989, L 40, S. 1.


18 – ABl. 1994, L 11, S. 1. Nach verschiedenen Änderungen wurde die Verordnung Nr. 40/94 neugefasst durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1).


19 – Auf diese Ähnlichkeit der beiden genannten Verordnungen ist ausdrücklich von Anfang an hingewiesen worden. Bei der Vorstellung ihres Vorschlags für eine Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster wies die Europäische Kommission zu den Art. 83 bis 98 über die gerichtliche Verfahrensregelung für Gemeinschaftsgeschmacksmuster (jetzt Art. 79 bis 94 der Verordnung) darauf hin, dass sich diese Regelungen „weitgehend an die entsprechenden Vorschriften des Verordnungsentwurfs über die Gemeinschaftsmarke an[lehnen]“ (KOM[93] 342 endgültig, S. 46).


20 – Nrn. 81 und 82 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Class International (C‑405/03).


21 – Urteil Class International (Randnr. 74).


22 – Urteil vom 2. Juli 2009 (C‑32/08, Slg. 2009, I‑5611).


23 – Urteil Class International (Randnr. 73).


24 – Urteil vom 24. April 2008, Arcor (C‑55/06, Slg. 2008, I‑2931, Randnr. 191).


25 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2006, Laboratoires Boiron (C‑526/04, Slg. 2006, I‑7529, Randnr. 55).


26 – „Besondere Vorschriften über die Verjährung des Unterlassungsanspruchs nach [ihrem] Art. 89 Abs. 1 Buchst. a … enthält die Verordnung nicht. Allerdings erlässt das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. a [der Verordnung] im Falle der Verletzung oder drohenden Verletzung ein Verbot nur, wenn dem nicht gute Gründe entgegenstehen“ (Randnr. 40 des Vorlagebeschlusses, Hervorhebung nur hier).


27 – Randnr. 44 des Vorlagebeschlusses.


28 – Siehe den oben genannten Vorschlag für die Verordnung (KOM[93] 342 endgültig, S. 49).


29 – Urteil vom 14. Dezember 2006, Nokia (C‑316/05, Slg. 2006, I‑12083, Randnr. 38).


30 – Art. 15 der Verordnung bestimmt:


      „(1) Wird ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster von einer Person offenbart oder geltend gemacht, die hierzu nach Artikel 14 nicht berechtigt ist, oder ist ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf den Namen einer solchen Person eingetragen oder angemeldet worden, so kann der nach Artikel 14 Berechtigte unbeschadet anderer Möglichkeiten verlangen, dass er als der rechtmäßige Inhaber des Gemeinschaftsgeschmacksmusters anerkannt wird.


      (2) Steht einer Person das Recht auf ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster gemeinsam mit anderen zu, so kann sie entsprechend Absatz 1 verlangen, dass sie als Mitinhaber anerkannt wird.


      (3) Ansprüche gemäß Absatz 1 oder 2 verjähren in drei Jahren nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung im Falle eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster bzw. der Offenbarung im Falle nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Dies gilt nicht, wenn die Person, der kein Recht am Gemeinschaftsgeschmacksmuster zusteht, zu dem Zeitpunkt, zu dem dieses Muster angemeldet, offenbart oder ihr übertragen wurde, bösgläubig war.


      …“


31 – Vgl. Art. 54 der Verordnung Nr. 207/2009.


32 – Urteil vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a. (C‑591/10, Randnr. 31).


33 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2010, Uniplex (UK) (C‑406/08, Slg. 2010, I‑817, Randnr. 32).


34 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, Slg. 2006, I‑6619, Randnrn. 78 bis 80).


35 – Hervorhebung nur hier.


36 – Dieser Artikel entspricht Art. 98 der Verordnung Nr. 40/94.


37 –      Nr. 58 seiner Schlussanträge vom 7. Oktober 2010 in der Rechtssache DHL Express France (Urteil vom 12. April 2011, C‑235/09, Slg. 2011, I‑2801).


38 – Ebd., Nr. 58.


39 – Vgl. M. Mouncif-Moungache, a. a. O., S. 333: „Es verhält sich so, dass das Gericht die Verordnung für alle von ihm getroffenen Verfügungen anwendet. Hingegen wird die Durchführung der Sanktionen durch das Recht jedes Mitgliedstaats geregelt. Das bedeutet, dass in einem Fall von Verletzungshandlungen auf mehreren Hoheitsgebieten das angerufene Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht gezwungen ist, die verschiedenen Rechte anzuwenden, die im Hinblick auf Schadensersatz, Beschlagnahme oder auch gerichtliche Bekanntmachungen bestehen.“ („Il apparaît que le tribunal applique le règlement pour toutes les ordonnances énoncées par lui. En revanche, la mise en œuvre de ces sanctions est assurée par la loi de chaque État membre. Cela signifie que, dans l’hypothèse où la contrefaçon a lieu sur plusieurs territoires, le tribunal des dessins ou modèles communautaires saisi sera contraint d’appliquer les différents droits en matière de calcul de réparation, de confiscation ou encore de publications judiciaires“). Vgl. in diesem Sinne auch C.‑H. Massa und A. Strowel, a. a. O., S. 68-78, insbesondere S. 70: „Es können auch andere geeignete Maßnahmen getroffen werden, die das innerstaatliche Recht des Orts der Verletzungshandlung vorsieht, so Verurteilungen zu Schadensersatz oder (für den Fall von Zuwiderhandlungen) Geldbußen. Folglich kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht Verletzungshandlungen, die in mehreren Mitgliedstaaten begangen wurden, in unterschiedlicher Weise mit Sanktionen belegen.“ („Any other appropriate remedy under the national law of the place of infringement, including damages or an astreinte (penalty for non-compliance), may also be granted. Thus, a CDC may sanction differently infringing acts committed in several Member States.“)