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Vorabentscheidungsersuchen des Hof van beroep te Brussel (Belgien), eingereicht am 5. Juli 2016 – Openbaar Ministerie/Dawid Piotrowski

(Rechtssache C-367/16)

Verfahrenssprache: Niederländisch

Vorlegendes Gericht

Hof van beroep te Brussel

Parteien des Ausgangsverfahrens

Rechtsmittelführerin: Openbaar Ministerie

Rechtsmittelgegner: Dawid Piotrowski

Vorlagefragen

Ist Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses1 über den Europäischen Haftbefehl dahin auszulegen, dass eine Übergabe von Personen nur zulässig ist, wenn diese Personen nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats als volljährig gelten, oder gestattet es der vorerwähnte Artikel dem Vollstreckungsmitgliedstaat, auch Minderjährige zu übergeben, die aufgrund der nationalen Vorschriften ab einem bestimmten Alter (und gegebenenfalls bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen) strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können?

Für den Fall, dass die Übergabe von Minderjährigen nicht nach Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses verboten ist: Ist diese Vorschrift dann dahin auszulegen, dass

a)    das Bestehen einer (theoretischen) Möglichkeit, Minderjährige nach nationalem Recht ab einem bestimmten Alter zu bestrafen, als Kriterium genügt, um die Übergabe zu erlauben (mit anderen Worten durch Vornahme einer abstrakten Prüfung auf der Grundlage des Kriteriums des Alters, ab dem eine Person als strafrechtlich verantwortlich gilt, ohne etwaigen zusätzlichen Bedingungen Rechnung zu tragen), oder

b)    weder der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses noch der Wortlaut von Art. 3 Nr. 3 dieses Rahmenbeschlusses der Vornahme einer konkreten Einzelfallprüfung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat entgegenstehen, bei der verlangt werden kann, dass in Bezug auf die im Rahmen der Übergabe gesuchte Person die gleichen Bedingungen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit erfüllt sind, wie sie für die eigenen Staatsangehörigen des Vollstreckungsmitgliedstaats aufgrund ihres Alters zum Zeitpunkt der Taten, aufgrund der Art der zur Last gelegten Straftat und möglicherweise sogar aufgrund von Vorstrafen im Ausstellungsmitgliedstaat, die zu einer Erziehungsmaßnahme geführt haben, gelten, selbst wenn diese Bedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat nicht bestehen?

Falls der Vollstreckungsmitgliedstaat eine konkrete Prüfung vornehmen darf, ist dann zur Vermeidung von Straflosigkeit kein Unterschied zu machen zwischen einer Übergabe zum Zweck der Strafverfolgung und einer Übergabe zum Zweck der Strafvollstreckung?

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1     Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1).