Language of document : ECLI:EU:C:2013:29

Rechtssache C‑286/11 P

Europäische Kommission

gegen

Tomkins plc

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Haftung der Muttergesellschaft, die sich ausschließlich aus dem rechtswidrigen Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ableitet – Grundsatz ne ultra petita – Auswirkung einer Nichtigerklärung, die durch ein Urteil hinsichtlich einer Tochtergesellschaft ausgesprochen wird, auf die Rechtsposition der Muttergesellschaft“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 22. Januar 2013

Nichtigkeitsklage – Getrennt voneinander erhobene Klagen einer Muttergesellschaft und einer Tochtergesellschaft gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der das rechtswidrige Verhalten der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet wird – Berücksichtigung des Ausgangs der von der Tochtergesellschaft erhobenen Klage durch das Gericht im Rahmen der Klage der Muttergesellschaft – Verstoß gegen das Verbot, ultra petita zu entscheiden – Fehlen

(Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 256 EG)

Im Bereich des Wettbewerbsrechts entscheidet der Unionsrichter hinsichtlich einer von einer Muttergesellschaft erhobenen Klage gegen eine Entscheidung der Kommission, der Muttergesellschaft die Haftung für die von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung zuzuweisen und sie auf Zahlung der verhängten Geldbuße in Anspruch zu nehmen, nicht ultra petita, wenn er das Urteil über die parallel von der Tochtergesellschaft gegen dieselbe Entscheidung erhobene Klage berücksichtigt, mit dem diese Entscheidung teilweise für nichtig erklärt wurde und die Geldbuße herabgesetzt wurde, da ein Fehler bei der Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung festgestellt wurde.

Für die Haftungszuweisung an irgendeine Einheit eines Konzerns ist nämlich erforderlich, den Beweis zu erbringen, dass zumindest eine Einheit den Wettbewerbsregeln der Union zuwidergehandelt hat und dieser Umstand in einer Entscheidung festgestellt wird, die Endgültigkeit erlangt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn die gesamtschuldnerische Haftung der Muttergesellschaft auf der Entscheidung hinsichtlich der Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft beruht, die im Hinblick auf die Feststellung der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung teilweise für nichtig erklärt wurde.

Daher kann der Unionsrichter in einem solchen Fall den Ausgang der von der Tochtergesellschaft erhobenen Klage berücksichtigen und diese Entscheidung für den streitigen Zeitraum auch hinsichtlich der Muttergesellschaft für nichtig erklären, ohne ultra petita zu entscheiden, selbst wenn der Umfang der Klageschriften dieser Gesellschaften und der von ihnen vorgebrachten Argumente nicht identisch ist.

(vgl. Randnrn. 37, 38-43, 49)