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Vorabentscheidungsersuchen des Augstākā tiesa (Lettland), eingereicht am 20. Juli 2016 – SIA „Aqua Pro“/Valsts ieņēmumu dienests

(Rechtssache C-407/16)

Verfahrenssprache: Lettisch

Vorlegendes Gericht

Augstākā tiesa

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin im ersten Rechtszug: SIA „Aqua Pro“

Beklagter im ersten Rechtszug: Valsts ieņēmumu dienests

Vorlagefragen

a)    Ist Art. 220 Abs. 1 und 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/921 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen, dass die buchmäßige Erfassung des Betrags der von der Verwaltung anerkannten geschuldeten Abgaben als im Zeitpunkt der Entscheidung über die buchmäßige Erfassung erfolgt anzusehen ist oder dahin, dass sie als im Zeitpunkt der Festlegung der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben durch die Verwaltung erfolgt anzusehen ist, unabhängig davon, ob diese Entscheidung Gegenstand einer Anfechtung im Verwaltungsverfahren oder einer Klage vor den Gerichten ist?

b)    Sind die Art. 236 und 239 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen, dass, wenn die Verwaltung die Entscheidung über die buchmäßige Erfassung des entsprechenden Betrags der Abgaben erlassen hat und die Verpflichtung des Zollschuldners, sie zu entrichten, festgelegt hat (von der staatlichen Verwaltung in der vorliegenden Rechtssache erlassene Entscheidung), der genannte Schuldner diese Entscheidung jedoch im Verwaltungsverfahren und vor den Gerichten angefochten hat, gleichzeitig der Erlass oder die Erstattung dieser Abgaben gemäß den Art. 236 und 239 der Verordnung zu beantragen ist (oder kann statt dessen davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall der Rechtsbehelf gegen die Entscheidung dieser Verwaltung auch ein Antrag auf Erlass oder Erstattung der Zollschuld ist)? Bei Bejahung dieser Frage: Worin besteht dann der wesentliche Unterschied zwischen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung über die buchmäßige Erfassung und der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben einerseits und der gemäß Art. 236 zu entscheidenden Frage andererseits?

c)    Ist Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen, dass der Umstand, dass die Entscheidung der Verwaltung, die die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben festlegt, angefochten wurde, und die Dauer des gerichtlichen Verfahrens die Frist für die Einreichung des Antrags auf Erlass oder Erstattung der Abgaben verlängern (oder deren Nichteinhaltung rechtfertigen)?

d)    Wenn über die Statthaftigkeit der buchmäßigen Erfassung oder des Erlasses in dieser Rechtssache unabhängig von der in Bezug auf einen anderen Mitgliedstaat (in diesem Fall Finnland) erlassenen Entscheidung der Europäischen Kommission zu entscheiden ist, obliegt es dann unter Berücksichtigung des Art. 869 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2454/932 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften sowie des Betrags der möglichen Abgaben in der vorliegenden Rechtssache der Zollverwaltung oder dem Gericht, die Frage des Absehens von der buchmäßigen Erfassung oder des Erlasses der Abgaben der Europäischen Kommission zu überlassen?

a)    Ist für die Zwecke der Anwendung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften eine nachträgliche Prüfung hinsichtlich der Umstände im Zusammenhang mit dem Verhalten der Behörden und des Ausführers eines Drittlands (in der vorliegenden Rechtssache Kambodscha), die im Rahmen der OLAF Mission untersucht wurden, durchzuführen? Oder ist davon auszugehen, dass die allgemeine Schilderung der Umstände, die im OLAF Bericht über das erwähnte Verhalten enthalten ist, Beweiskraft hat?

b)    Sind die im Rahmen der nachträglichen Prüfung gewonnenen Daten, auch wenn sie sich auf den Fall eines konkreten Mitgliedstaats beziehen, im Hinblick auf den OLAF Bericht ausschlaggebend?

c)    Ist Art. 875 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen, dass die gemäß dem genannten OLAF Bericht in Bezug auf einen anderen Mitgliedstaat (in diesem Fall Finnland) erlassene Entscheidung der Europäischen Kommission für den Mitgliedstaat bindend ist?

d)    Ist eine nachträgliche Prüfung durchzuführen und sind die daraus gewonnenen Informationen zu verwenden, wenn die Europäische Kommission auf der Grundlage des OLAF Berichts in Bezug auf einen anderen Mitgliedstaat einen Beschluss über das Absehen von der buchmäßigen Erfassung der Abgaben erlassen und Art. 875 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex angewandt hat?

Kann bei der Beurteilung des Vorliegens von vernünftigen Gründen und Gründen der Gutgläubigkeit im Handeln des Abgabepflichtigen für die Zwecke der Anwendung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften unter den vorliegenden Umständen die Tatsache relevant sein, dass die Wareneinfuhr auf einem Vertriebsvertrag beruht?

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1 ABl. 1992, L 302, S. 1.

2 ABl. 1993, L 253, S. 1.