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Vorabentscheidungsersuchen des Conseil dʼÉtat (Belgien), eingereicht am 10. Mai 2017 – Ibrahima Diallo/Belgischer Staat

(Rechtssache C-246/17)

Verfahrenssprache: Französisch

Vorlegendes Gericht

Conseil dʼÉtat

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Ibrahima Diallo

Beklagter: Belgischer Staat

Vorlagefragen

1.    Ist Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten1 , dahin auszulegen, dass die Entscheidung, mit der das Aufenthaltsrecht festgestellt wird, innerhalb der Sechsmonatsfrist erlassen und zugestellt werden muss, oder dahin, dass die Entscheidung zwar innerhalb dieser Frist zu erlassen ist, aber zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt werden kann? Falls die Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt werden kann: Innerhalb welcher Frist hat dies zu geschehen?

2.    Ist Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in Verbindung mit ihrem Art. 5, mit Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung2 und mit den Art. 7, 20, 21 und 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen und anzuwenden, dass die auf dieser Grundlage erlassene Entscheidung innerhalb der darin vorgeschriebenen Sechsmonatsfrist bloß erlassen werden muss, ohne dass ihre Zustellung an eine Frist gebunden ist und ohne dass sich eine Zustellung nach Ablauf dieser Frist in irgendeiner Weise auf das Aufenthaltsrecht auswirkt?

3.    Steht der Grundsatz der Wirksamkeit – um die Wirksamkeit des Aufenthaltsrechts eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers zu gewährleisteten – dem entgegen, dass die nationale Behörde nach der Nichtigerklärung einer Entscheidung über dieses Aufenthaltsrecht erneut über die volle Sechsmonatsfrist verfügt, die ihr nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Verfügung stand? Wenn ja, über welche Frist verfügt die nationale Behörde noch, nachdem ihre Entscheidung, mit der sie das Aufenthaltsrecht verwehrt hatte, für nichtig erklärt worden ist?

4.    Sind die Art. 5, 10 und 31 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in Verbindung mit den Art. 8 und 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, den Art. 7, 24, 41 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit einer Rechtsprechung und nationalen Bestimmungen wie Art. 39/2 § 2 sowie den Art. 40, 40bis, 42 und 43 der Loi du 15 décembre 1980 sur l’accès au territoire, le séjour, l’établissement et l’éloignement des étrangers (Gesetz vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern) und Art. 52 § 4 des Arrêté royal du 8 octobre 1981 sur l’accès au territoire, le séjour, l’établissement et l’éloignement des étrangers (Königlicher Erlass vom 8. Oktober 1981 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern) vereinbar, die dazu führen, dass ein vom Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) erlassenes Urteil, durch das eine Entscheidung, mit der der Aufenthalt nach diesen Bestimmungen verwehrt worden ist, für nichtig erklärt wird, die zwingende Sechsmonatsfrist, die in Art. 10 der Richtlinie 2004/38/EG, in Art. 42 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 und in Art. 52 des Königlichen Erlasses vom 8. Oktober 1981 vorgeschrieben ist, unterbricht und nicht hemmt?

5.    Sind nach der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, an die Überschreitung der in ihrem Art. 10 Abs. 1 vorgesehenen Sechsmonatsfrist Folgen zu knüpfen und, wenn ja, welche? Ist es nach der Richtlinie 2004/38/EG erforderlich oder gestattet, dass die Folge der Überschreitung dieser Frist darin besteht, dass die beantragte Aufenthaltskarte automatisch ausgestellt wird, ohne dass festgestellt worden ist, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Gewährung des von ihm beanspruchten Aufenthaltsrechts tatsächlich erfüllt?

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1 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77).

2 ABl. 2003, L 251, S. 12.