Language of document : ECLI:EU:C:2012:707

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

13. November 2012(*)

„Art. 49 AEUV und 63 AEUV – Ausschüttung von Dividenden – Körperschaftsteuer – Rechtssache C‑446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation – Auslegung des Urteils – Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung – Gleichwertigkeit der Befreiungs- und der Anrechnungsmethode – Begriffe ‚Steuersätze‘ und ‚unterschiedliche Besteuerungsniveaus‘ – Aus Drittstaaten stammende Dividenden“

In der Rechtssache C‑35/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 20. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2011, in dem Verfahren

Test Claimants in the FII Group Litigation

gegen

Commissioners of Inland Revenue,

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz und A. Rosas sowie der Richter U. Lõhmus, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Test Claimants in the FII Group Litigation, vertreten durch G. Aaronson, QC, und P. Farmer, Barrister,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von K. Bacon, Barrister,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

–        von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Collins, SC, und N. McNicholas, BL,

–        der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und B. Koopman als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Juli 2012

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 AEUV und 63 AEUV.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen der Anwendung des Urteils vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, Slg. 2006, I‑11753), und bezweckt die Klarstellung verschiedener Randnummern dieses Urteils.

 Recht des Vereinigten Königreichs

3        Nach den im Vereinigten Königreich geltenden Steuervorschriften unterliegen Gewinne, die eine dort ansässige Gesellschaft oder eine Gesellschaft, die nicht dort ansässig ist, dort jedoch über eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung einer Geschäftstätigkeit nachgeht, im Laufe eines Geschäftsjahrs erzielt, in diesem Staat der Körperschaftsteuer.

4        Seit 1973 wendet das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ein Besteuerungssystem der sogenannten „Teilanrechnung“ an, wonach bei Gewinnausschüttungen durch eine gebietsansässige Gesellschaft zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ein Teil der von dieser Gesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer deren Anteilseignern angerechnet wird. Bis 6. April 1999 beruhte dieses System auf der Vorauszahlung der Körperschaftsteuer durch die ausschüttende Gesellschaft einerseits und einer den Dividenden beziehenden Anteilseignern gewährten Steuergutschrift andererseits, die für die im Vereinigten Königreich ansässigen Dividenden beziehenden Gesellschaften mit einer Befreiung der von einer ebenfalls dort ansässigen Gesellschaft erhaltenen Dividenden von der Körperschaftsteuer einherging.

 Die Vorauszahlung der Körperschaftsteuer

5        Nach Section 14 des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes von 1988 (Income and Corporation Taxes Act 1988, im Folgenden: ICTA) in der auf den Ausgangssachverhalt anwendbaren Fassung muss eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die Dividenden an ihre Anteilseigner ausschüttet, eine Körperschaftsteuervorauszahlung leisten (advance corporation tax, im Folgenden: ACT), die sich nach der Höhe oder dem Wert der Ausschüttung richtet.

6        Eine Gesellschaft kann die ACT, die sie für eine im Laufe eines bestimmten Geschäftsjahrs vorgenommene Ausschüttung geleistet hat, innerhalb bestimmter Grenzen mit der Körperschaftsteuer verrechnen, die sie für dieses Geschäftsjahr schuldet („mainstream corporation tax“). Reicht die Körperschaftsteuerschuld eines Unternehmens für eine vollständige Verrechnung der ACT nicht aus, so kann die überschüssige ACT entweder auf ein früheres oder künftiges Geschäftsjahr oder auf Tochtergesellschaften dieser Gesellschaft übertragen werden, die sie mit ihrer eigenen Körperschaftsteuerschuld verrechnen können. Die überschüssige ACT kann nur auf Tochtergesellschaften übertragen werden, die im Vereinigten Königreich ansässig sind.

7        Eine Gruppe von im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaften kann auch für eine Gruppenbesteuerung optieren; dies ermöglicht es den zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften, die Leistung der ACT aufzuschieben, bis die Muttergesellschaft dieser Gruppe eine Dividendenausschüttung vornimmt.

 Die Situation der gebietsansässigen Aktionäre, die Dividenden von gebietsansässigen Gesellschaften beziehen

8        Nach Section 208 ICTA muss ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen auf Dividenden, die es von einer ebenfalls dort ansässigen Gesellschaft erhält, keine Körperschaftsteuer entrichten.

9        Außerdem führt nach Section 231 (1) ICTA jede der ACT unterliegende Dividendenausschüttung durch eine gebietsansässige Gesellschaft an eine andere gebietsansässige Gesellschaft bei Letzterer zu einer Steuergutschrift in Höhe des entsprechenden Teils der von der erstgenannten Gesellschaft geleisteten ACT.

10      Nach Section 238 (1) ICTA stellen die erhaltene Dividende und die Steuergutschrift zusammen für die Empfängergesellschaft den „befreiten Kapitalertrag“ (Franked Investment Income oder FII) dar.

11      Eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die von einer anderen gebietsansässigen Gesellschaft Dividenden erhalten hat, deren Ausschüttung zu einer Steuergutschrift berechtigt hat, kann den von dieser anderen Gesellschaft geleisteten ACT‑Betrag übernehmen und ihn von dem ACT‑Betrag abziehen, den sie selbst bei einer Dividendenausschüttung an ihre Anteilseigner zu zahlen hat, so dass sie die ACT nur für den Überschuss zahlt.

 Die Situation der gebietsansässigen Aktionäre, die Dividenden von gebietsfremden Gesellschaften beziehen

12      Erhält eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft, so muss sie auf diese Dividenden Körperschaftsteuer entrichten.

13      In einem solchen Fall hat die Gesellschaft, die diese Dividenden erhält, keinen Anspruch auf eine Steuergutschrift, und die erhaltenen Dividenden werden nicht als FII qualifiziert. Nach den Sections 788 und 790 ICTA erhält sie jedoch eine Steuerentlastung aufgrund der von der ausschüttenden Gesellschaft in deren Sitzstaat gezahlten Steuer; diese Entlastung wird entweder nach den im Vereinigten Königreich geltenden Rechtsvorschriften oder nach einem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen diesem und dem betreffenden anderen Staat gewährt.

14      Das nationale Recht ermöglicht es somit, die Quellensteuer, die auf von einer gebietsfremden Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden erhoben wurde, auf die Körperschaftsteuer anzurechnen, die die gebietsansässige Gesellschaft, die diese Dividenden erhält, zu zahlen hat. Kontrolliert diese gebietsansässige Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar 10 % oder mehr der Stimmrechte der ausschüttenden Gesellschaft oder ist sie Tochtergesellschaft einer Gesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar 10 % oder mehr der Stimmrechte der ausschüttenden Gesellschaft kontrolliert, so erstreckt sich die Entlastung auf die zugrunde liegende ausländische Körperschaftsteuer, die auf die Gewinne entrichtet wurde, aus denen die Dividenden gezahlt werden. Für diese im Ausland entrichtete Steuer kann eine Entlastung nur bis zur Höhe der im Vereinigten Königreich auf die betreffenden Einkünfte zu zahlenden Körperschaftsteuer gewährt werden.

15      Ähnliche Regelungen gelten nach den vom Vereinigten Königreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen.

16      Schüttet eine gebietsansässige Gesellschaft Dividenden an ihre eigenen Anteilseigner aus, so muss sie ACT entrichten.

17      Was die Möglichkeit der Verrechnung der aufgrund einer solchen Ausschüttung entrichteten ACT mit der von der betreffenden gebietsansässigen Gesellschaft geschuldeten Körperschaftsteuer angeht, kann der Umstand, dass diese gebietsansässige Gesellschaft Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft erhält, insbesondere aus dem Grund zu einer überschüssigen ACT führen, weil bei der Ausschüttung von Dividenden durch eine gebietsfremde Gesellschaft, wie in Randnr. 13 des vorliegenden Urteils ausgeführt, keine Steuergutschrift erteilt wird, die die gebietsansässige Gesellschaft von der ACT abziehen könnte, die sie bei einer Dividendenausschüttung an ihre eigenen Anteilseigner entrichten muss.

 Die Regelung des ausländischen Dividendenertrags

18      Seit dem 1. Juli 1994 kann eine gebietsansässige Gesellschaft, die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft erhält, bei der Ausschüttung einer Dividende an ihre eigenen Anteilseigner bestimmen, dass diese als „ausländischer Dividendenertrag“ (Foreign Income Dividend, im Folgenden: FID) qualifiziert wird; auf den FID ist ACT zu entrichten, er ermöglicht es der Gesellschaft jedoch, soweit er dem Betrag ihrer Dividenden aus ausländischen Quellen entspricht, eine Erstattung der gezahlten überschüssigen ACT zu verlangen.

19      Während die ACT innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Quartal, in dem die Dividende gezahlt wurde, zu entrichten ist, kann die überschüssige ACT von dem Zeitpunkt an erstattet werden, von dem an die gebietsansässige Gesellschaft die Körperschaftsteuer schuldet, d. h. neun Monate nach Ende des Geschäftsjahrs.

20      Das ACT‑System wurde einschließlich des FID‑Systems für vom 6. April 1999 an vorgenommene Dividendenausschüttungen abgeschafft.

 Sachverhalt und Vorlagefragen

21      Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, ersucht erstens um eine Klarstellung der Randnr. 56 und der Nr. 1 des Tenors des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation. Er verweist darauf, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 48 bis 53, 57 und 60 dieses Urteils entschieden hat, dass nationale Rechtsvorschriften, die auf Dividenden aus inländischen Quellen ein Befreiungssystem und auf Dividenden aus ausländischen Quellen ein Anrechnungssystem anwenden, nicht gegen die Art. 49 AEUV und 63 AEUV verstoßen, sofern der Steuersatz für Dividenden aus ausländischen Quellen nicht höher ist als derjenige für Dividenden aus inländischen Quellen und die Steuergutschrift zumindest genauso hoch ist wie der im Mitgliedstaat der ausschüttenden Gesellschaft gezahlte Betrag, bis zur Höhe der im Mitgliedstaat der Empfängergesellschaft festgesetzten Steuer.

22      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben vor dem Gerichtshof angeführt, dass, wie aus Randnr. 54 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation hervorgeht, „die Empfängergesellschaft nach den im Vereinigten Königreich geltenden Rechtsvorschriften bei einer Ausschüttung von Dividenden aus inländischen Quellen keine Körperschaftsteuer auf diese Dividenden zahlen müsse, und zwar unabhängig von der Steuer, die die ausschüttende Gesellschaft entrichtet habe, d. h., auch wenn diese aufgrund der ihr gewährten Entlastungen überhaupt keine Steuer entrichten müsse oder eine unter dem im Vereinigten Königreich geltenden Nominalsatz liegende Körperschaftsteuer zahle“. Hierzu hat der Gerichtshof in den Randnrn. 55 und 56 des Urteils festgestellt:

„55      Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat dies nicht bestritten, macht jedoch geltend, dass die Anwendung unterschiedlicher Besteuerungsniveaus auf die ausschüttende Gesellschaft und die Empfängergesellschaft nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen vorkomme, die im Ausgangsverfahren nicht vorlägen.

56      Es ist insoweit Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Steuersätze wirklich gleich sind und unterschiedliche Besteuerungsniveaus nur in bestimmten Fällen aufgrund einer Änderung der Besteuerungsgrundlage infolge bestimmter ausnahmsweise gewährter Entlastungen vorkommen.“

23      Auf das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation hin haben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, Sachverständigengutachten zum Beweis dafür vorgelegt, dass das tatsächliche Besteuerungsniveau bei den Gewinnen der gebietsansässigen Gesellschaften in den meisten Fällen unter dem nominalen Steuersatz liege und dass diese Situation daher nicht als außergewöhnlich eingestuft werden könne.

24      Die Beklagten des Ausgangsverfahrens stellen die von den Klägerinnen vorgelegten Beweismittel für das tatsächliche Besteuerungsniveau der gebietsansässigen Gesellschaften nicht in Frage. Sie vertreten dagegen die Ansicht, dass die nach Randnr. 56 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation vom nationalen Gericht vorzunehmende Prüfung in keinem Zusammenhang mit den tatsächlichen Besteuerungsniveaus stehe. Aus dem Umstand, dass das Vereinigte Königreich in seinen beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen die im nationalen Recht vorgesehene Steuerentlastung für kleine Unternehmen erwähnt habe, schließen die Beklagten, dass das vorlegende Gericht allein zu prüfen habe, ob der Unterschied zwischen den nominalen Steuersätzen, die einerseits auf Dividenden ausschüttende gebietsansässige Gesellschaften und andererseits auf Dividenden empfangende gebietsansässige Gesellschaften anwendbar seien, nur unter außergewöhnlichen Umständen bestehe.

25      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, es habe das effektive Besteuerungsniveau zu prüfen, das auf von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschüttete Gewinne anwendbar sei, hält es jedoch für erforderlich, den Gerichtshof hierzu zu befragen.

26      Zweitens ersucht das vorlegende Gericht um eine Klarstellung zu den Nrn. 2 und 4 des Tenors des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation. Es möchte wissen, ob diese Nummern nur für im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaften gelten, die unmittelbar Dividenden einer gebietsfremden Tochtergesellschaft beziehen, die in ihrem Sitzstaat Körperschaftsteuer auf die den Dividenden zugrunde liegenden Gewinne gezahlt hat, oder ob sie auch gilt, wenn die gebietsfremde Tochtergesellschaft selbst keine – oder nur geringe – Steuern gezahlt hat, aber die ausgeschütteten Dividenden aus Gewinnen ausgezahlt worden sind, die Dividenden umfassen, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Enkelgesellschaft auf Gewinne ausgeschüttet worden sind, auf die in diesem Staat Körperschaftsteuer gezahlt worden ist.

27      Das vorlegende Gericht erläutert hierzu, dass die gebietsfremde Tochtergesellschaft sehr häufig in ihrem Sitzstaat keine Steuer auf die Gewinne entrichte, aus denen die Dividenden an ihre gebietsansässige Muttergesellschaft gezahlt würden. Dies sei vor allem auf den weit verbreiteten Rückgriff internationaler Konzerne auf zwischengeschaltete Beteiligungsgesellschaften zurückzuführen, die wenig oder gar keine Steuern auf ihre Gewinne zahlten. Die Staaten, in denen diese Beteiligungsgesellschaften ihren Sitz hätten, gewährten häufig eine Steuerentlastung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für die auf die ausgeschütteten Gewinne entrichteten Steuern.

28      Drittens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich Nr. 2 des Tenors des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation auf den Fall beschränkt, dass die gebietsansässige Gesellschaft, die die Dividenden einer gebietsfremden Gesellschaft empfängt, selbst die ACT entrichtet, oder ob diese Nummer nur für den Fall gilt, dass die gebietsansässige Gesellschaft für die Regelung der Gruppenbesteuerung optiert hat. Im Rahmen einer solchen Regelung wird die ACT von einer in der Struktur der Gruppe auf einer höheren Stufe angesiedelten Gesellschaft entrichtet. Das vorlegende Gericht ersucht auch um Auskunft darüber, ob im letztgenannten Fall, der vom Gerichtshof in Randnr. 10 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation ausgenommen worden ist, eine Verletzung des Unionsrechts vorliegt, so dass nach den vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 1983, San Giorgio (199/82, Slg. 1983, 3595), aufgestellten Grundsätzen ein Erstattungsrecht der auf einer höheren Stufe angesiedelten Gesellschaft besteht, die die ACT tatsächlich gezahlt hat.

29      Nach Ansicht der Beklagten des Ausgangsverfahrens wurde jedoch die im vorliegenden Fall von dieser Gesellschaft gezahlte ACT ordnungsgemäß erhoben, so dass die von dieser Gesellschaft erlittenen Einbußen nur Gegenstand einer Schadensersatzklage sein könnten, wenn die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, Slg. 1996, I‑1029), aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien.

30      Viertens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich die erste im Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation gestellte Frage auf die Dividenden beschränkt habe, die in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften bezogen hätten. Als die Rechtssache wieder zum High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, gelangt sei, hätten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens jedoch geltend gemacht, dass die im Vereinigten Königreich geltende Regelung im Licht der sich fortentwickelnden Rechtsprechung des Gerichtshofs auch gegen Art. 63 AEUV verstoße, soweit dieser auf Dividenden Anwendung finde, die von in Drittländern ansässigen Tochtergesellschaften bezogen würden. Nach Ansicht der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ist Art. 63 AEUV anwendbar, da die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs unabhängig vom Umfang der Beteiligung, die der Betreffende an der in einem Drittstaat ansässigen ausschüttenden Gesellschaft halte, Anwendung fänden.

31      Die Beklagten des Ausgangsverfahrens sind jedoch der Ansicht, dass Art. 63 AEUV nicht anwendbar sei, wenn die in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft ausübe und deren Tätigkeiten bestimmen könne. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stützen die Urteile vom 24. Mai 2007, Holböck (C‑157/05, Slg. 2007, I‑4051), vom 18. Dezember 2007, A (C‑101/05, Slg. 2007, I‑11531), und vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome (C‑182/08, Slg. 2009, I‑8591), das Vorbringen der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens.

32      Fünftens ersucht das vorlegende Gericht um eine Klarstellung der Nr. 3 des Tenors des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation, die die in Randnr. 6 des vorliegenden Urteils erwähnte ACT‑Regelung betrifft, wonach eine im Vereinigten Königreich ansässige Muttergesellschaft ACT an ihre gebietsansässigen Tochtergesellschaften übertragen könne, so dass die ACT mit der Körperschaftsteuerschuld dieser Tochtergesellschaften verrechnet werden könne. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens hätten geltend gemacht, dass diese Regelung gegen Art. 49 AEUV verstoße, soweit diese Möglichkeit auf im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaften beschränkt sei. Wenn sich das Vereinigte Königreich für die Anwendung dieser Vorschriften entschieden habe, sei es dazu verpflichtet, eine gleichwertige Entlastung vorzusehen, wie etwa die Erstattung der ACT als Ausgleich für die Körperschaftsteuer, die von in der EU ansässigen Tochtergesellschaften gezahlt werde.

33      In Randnr. 115 seines Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation hat der Gerichtshof die Prüfung dieser Frage mit der Feststellung eingeleitet, „dass sich die Erörterung vor dem Gerichtshof auf die für eine gebietsansässige Gesellschaft bestehende Unmöglichkeit beschränkt hat, überschüssige ACT auf gebietsfremde Tochtergesellschaften zu übertragen, damit diese sie auf die Körperschaftsteuer anrechnen können, die sie im Vereinigten Königreich für dort ausgeübte Tätigkeiten zahlen müssen“.

34      Die in Randnr. 139 und in Nr. 3 des Tenors dieses Urteils erteilte Antwort betrifft somit nicht den Fall, dass die gebietsfremde Gesellschaft der Körperschaftsteuer nur im Mitgliedstaat ihres Sitzes unterlag. Das vorlegende Gericht möchte daher wissen, ob die Antwort in Nr. 3 des Tenors des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation anders ausfällt, wenn die gebietsfremden Tochtergesellschaften, an die keine überschüssige ACT übertragen werden konnte, nicht im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft besteuert werden.

35      Unter diesen Umständen hat der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Beziehen sich die Bezugnahmen auf „Steuersätze“ und „unterschiedliche Besteuerungsniveaus“ in Randnr. 56 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation

a)      ausschließlich auf die gesetzlichen bzw. nominalen Steuersätze oder

b)      sowohl auf die effektiven Steuersätze als auch auf die gesetzlichen bzw. nominalen Steuersätze, oder

c)      haben die genannten Ausdrücke eine andere Bedeutung, und falls ja, welche?

2.      Macht es für die Antwort des Gerichtshofs auf die zweite und die vierte Vorlagefrage in der mit dem Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation abgeschlossenen Rechtssache einen Unterschied, wenn

a)      die ausländische Körperschaftsteuer nicht (oder nicht vollständig) von der gebietsfremden Gesellschaft, die die Dividende an die gebietsansässige Gesellschaft ausschüttet, gezahlt wird, die Dividende jedoch aus Gewinnen ausgeschüttet wird, die von ihrer in einem Mitgliedstaat ansässigen direkten oder indirekten Tochtergesellschaft ausgeschüttete Dividenden umfassen, die aus Gewinnen gezahlt wurden, auf die in diesem Staat bereits Steuern entrichtet worden sind, und/oder

b)      die ACT nicht von der gebietsansässigen Gesellschaft gezahlt wird, die die Dividende von einer gebietsfremden Gesellschaft bezieht, sondern von ihrer direkten oder indirekten gebietsansässigen Muttergesellschaft im Anschluss an die weitere Ausschüttung der Gewinne der Empfängergesellschaft, die direkt oder indirekt die Dividende umfassen?

3.      Hat die Gesellschaft, die die ACT zahlt, unter den oben in Frage 2 b beschriebenen Umständen einen Anspruch auf Rückerstattung der zu Unrecht erhobenen Steuer (Urteil San Giorgio) oder nur einen Anspruch auf Schadensersatz (Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame)?

4.      Kann sich eine gebietsansässige Gesellschaft in Bezug auf Dividenden, die sie von einer Tochtergesellschaft erhält, auf die sie einen bestimmenden Einfluss ausübt und die in einem Drittland ansässig ist, auf Art. 63 AEUV berufen, wenn die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften nicht ausschließlich für Fälle gelten, in denen die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividende ausschüttet?

5.      Gilt die Antwort des Gerichtshofs auf die dritte Vorlagefrage in der mit dem Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation abgeschlossenen Rechtssache auch für Fälle, in denen gebietsfremde Tochtergesellschaften, auf die keine Übertragung erfolgen konnte, im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft nicht besteuert werden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

36      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 AEUV und 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Befreiungsmethode auf Dividenden aus inländischen Quellen und die Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen anwendet, wenn in diesem Mitgliedstaat das effektive Besteuerungsniveau für die Gewinne von Gesellschaften generell unter dem nominalen Steuersatz liegt.

37      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Situation einer Gesellschaft, die als Anteilseignerin Dividenden aus ausländischen Quellen erhält, in Bezug auf eine Steuervorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung ausgeschütteter Gewinne verhindern soll, mit der einer Gesellschaft, die als Anteilseignerin Dividenden aus inländischen Quellen erhält, insofern vergleichbar ist, als es grundsätzlich in beiden Fällen zu einer mehrfachen Besteuerung der erzielten Gewinne kommen kann (Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 62, sowie vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, C‑436/08 und C‑437/08, Slg. 2011, I‑305, Randnr. 59).

38      Unter diesen Umständen verpflichten die Art. 49 AEUV und 63 AEUV einen Mitgliedstaat, in dem für Dividenden, die gebietsansässige Gesellschaften an andere gebietsansässige Gesellschaften zahlen, ein System zur Verhinderung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung besteht, für Dividenden, die gebietsfremde Gesellschaften an gebietsansässige Gesellschaften zahlen, eine gleichwertige Behandlung vorzusehen (vgl. Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 72, sowie Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 60).

39      Sodann ist daran zu erinnern, dass es einem Mitgliedstaat, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, grundsätzlich freisteht, die mehrfache Besteuerung der Dividenden, die eine gebietsansässige Gesellschaft bezieht, durch die Option für die Befreiungsmethode zu verhindern, wenn die Dividenden von einer gebietsansässigen Gesellschaft gezahlt werden, und durch die Anrechnungsmethode, wenn sie von einer gebietsfremden Gesellschaft gezahlt werden. Diese beiden Methoden sind nämlich gleichwertig, vorausgesetzt, dass der Steuersatz für Dividenden aus ausländischen Quellen nicht höher ist als der Satz für Dividenden aus inländischen Quellen und dass die Steuergutschrift zumindest ebenso hoch ist wie der im Staat der ausschüttenden Gesellschaft gezahlte Betrag, bis zur Höhe der im Mitgliedstaat der Empfängergesellschaft festgesetzten Steuer (vgl. Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnrn. 48 und 57, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 86, vom 15. September 2011, Accor, C‑310/09, Slg. 2011, I‑8115, Randnr. 88, und Beschluss vom 23. April 2008, Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation, C‑201/05, Slg. 2008, I‑2875, Randnr. 39).

40      Hierbei ist zu beachten, dass das Unionsrecht bei seinem gegenwärtigen Stand keine allgemeinen Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Union vorschreibt (Urteile vom 14. November 2006, Kerckhaert und Morres, C‑513/04, Slg. 2006, I‑10967, Randnr. 22, und vom 8. Dezember 2011, Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C‑157/10, Slg. 2011, I‑13023, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung) und daher jeder Mitgliedstaat sein System für die Besteuerung ausgeschütteter Gewinne frei gestalten kann, solange das in Rede stehende System keine durch den AEU-Vertrag verbotenen Diskriminierungen enthält. Eine Verpflichtung des Mitgliedstaats, in dem die Dividenden empfangende Gesellschaft ansässig ist, Dividenden aus ausländischen Quellen von der Körperschaftsteuer zu befreien, würde die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaats beeinträchtigen, unter Wahrung des Diskriminierungsverbots diese ausgeschütteten Gewinne dem in seinem eigenen Recht vorgesehenen Steuersatz zu unterwerfen.

41      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben, wie aus Randnr. 54 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation hervorgeht, die Gleichwertigkeit der Befreiungs- und der Anrechnungsmethode mit der Begründung verneint, dass die Empfängergesellschaft nach den im Vereinigten Königreich geltenden Rechtsvorschriften bei einer Ausschüttung von Dividenden aus inländischen Quellen keine Körperschaftsteuer auf diese Dividenden zahlen müsse, und zwar unabhängig von der Steuer, die die ausschüttende Gesellschaft entrichtet habe, d. h., auch wenn diese aufgrund der ihr gewährten Entlastungen überhaupt keine Steuer entrichten müsse oder eine unter dem im Vereinigten Königreich geltenden nominalen Satz liegende Körperschaftsteuer zahle.

42      Der Gerichtshof hat sodann in Randnr. 56 seines Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation das vorlegende Gericht aufgefordert, zu prüfen, ob die Steuersätze wirklich gleich sind und unterschiedliche Besteuerungsniveaus nur in bestimmten Fällen aufgrund einer Änderung der Besteuerungsgrundlage infolge bestimmter ausnahmsweise gewährter Entlastungen vorkommen.

43      Es ist nämlich anzunehmen, dass unter folgenden Umständen der Steuersatz für Dividenden aus ausländischen Quellen höher als der auf Dividenden aus inländischen Quellen im Sinne der in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist und daher die Gleichwertigkeit der Befreiungs- und der Anrechnungsmethode beeinträchtigt wird.

44      Erstens führt, wenn die gebietsansässige Gesellschaft, die Dividenden ausschüttet, einem niedrigeren nominalen Steuersatz unterliegt als die gebietsansässige Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, die Steuerbefreiung der Dividenden aus inländischen Quellen bei der letztgenannten Gesellschaft zu einer niedrigeren Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne, als sie sich aus der Anwendung der Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen ergibt, die dieselbe gebietsansässige Gesellschaft empfängt, nunmehr jedoch von einer gebietsfremden Gesellschaft, die ebenfalls einer niedrigen Besteuerung ihrer Gewinne insbesondere wegen eines nominal niedrigeren Steuersatzes, unterliegt.

45      Bei Anwendung der Befreiungsmethode werden nämlich die ausgeschütteten Gewinne aus inländischen Quellen zu dem niedrigeren inländischen Steuersatz besteuert, der auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft anwendbar ist, während bei Anwendung der Anrechnungsmethode auf die Dividenden aus ausländischen Quellen die ausgeschütteten Gewinne zu dem höheren nominalen Satz besteuert werden, der auf die Dividenden empfangende Gesellschaft anwendbar ist.

46      Zweitens wird die Gleichwertigkeit der steuerlichen Befreiung der von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden und der Anwendung einer Anrechnungsmethode auf die von einer gebietsfremden Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden, die, wie die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung das effektive Niveau der Besteuerung der Gewinne im Quellenstaat berücksichtigt, auch dann beeinträchtigt, wenn die Gewinne der gebietsansässigen Gesellschaft, die Dividenden ausschüttet, im Ansässigkeitsmitgliedstaat einem niedrigeren effektiven Besteuerungsniveau unterliegt als dem dort anwendbaren nominalen Steuersatz.

47      Die Steuerbefreiung der Dividenden aus inländischen Quellen führt nämlich unabhängig vom effektiven Besteuerungsniveau, das für die Gewinne gilt, aus denen die Dividenden ausgeschüttet werden, zu keiner steuerlichen Belastung bei der gebietsansässigen Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt. Dagegen führt die Anwendung der Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen zu einer zusätzlichen steuerlichen Belastung bei der gebietsansässigen Empfängergesellschaft, wenn das effektive Besteuerungsniveau, dem die Gewinne der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft unterlagen, nicht den nominalen Steuersatz erreicht, dem die Gewinne der gebietsansässigen Gesellschaft unterliegen, die die Dividenden empfängt.

48      Im Gegensatz zur Befreiungsmethode erlaubt die Anrechnungsmethode nämlich nicht die Weitergabe der Entlastungen, die auf der vorhergehenden Stufe der Dividenden ausschüttenden Gesellschaft bei der Körperschaftsteuer gewährt wurden, auf die Empfängergesellschaft.

49      Unter diesen Umständen bezieht sich die Prüfung, zu der das vorlegende Gericht vom Gerichtshof in Randnr. 56 seines Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation aufgefordert worden ist, sowohl auf die anwendbaren nominalen Steuersätze als auch auf die effektiven Besteuerungsniveaus. „Die Steuersätze“, die in Randnr. 56 angeführt sind, beziehen sich nämlich auf den nominalen Steuersatz, und die „unterschiedliche[n] Besteuerungsniveaus … aufgrund einer Änderung der Besteuerungsgrundlage“ beziehen sich auf die effektiven Besteuerungsniveaus. Insbesondere wegen der Entlastungen, die die Besteuerungsgrundlage verringern, kann das effektive Besteuerungsniveau niedriger als der nominale Steuersatz sein.

50      In Bezug auf einen möglichen Unterschied zwischen dem nominalen Steuersatz und dem effektiven Besteuerungsniveau, dem die gebietsansässige Gesellschaft, die Dividenden ausschüttet, unterliegt, geht zwar aus Randnr. 56 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation hervor, dass die Gleichwertigkeit der Befreiungs- und der Anrechnungsmethode nicht von vornherein beeinträchtigt wird, wenn in Ausnahmefällen Dividenden aus inländischen Quellen befreit sind, während die Gewinne, aus denen diese Dividenden gezahlt werden, insgesamt nicht einem effektiven Besteuerungsniveau unterliegen, das dem nominalen Steuersatz entspricht. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob der Unterschied zwischen dem effektiven Besteuerungsniveau und dem nominalen Steuersatz Ausnahmecharakter hat oder nicht.

51      Aus der Entscheidung des vorlegenden Gerichts ergibt sich, dass es die Prüfung vorgenommen hat, zu der es in Randnr. 56 des Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation aufgefordert worden ist. So hat es festgestellt, dass im Ausgangsverfahren sowohl auf die Gewinne der gebietsansässigen Gesellschaft, die Dividenden ausschüttet, als auch auf die Gewinne der diese Dividenden empfangenden gebietsansässigen Gesellschaft derselbe nominale Steuersatz anwendbar ist. Dagegen liegt laut der Vorlageentscheidung der in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils angeführte Fall vor, und zwar nicht ausnahmsweise. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts ist nämlich im Vereinigten Königreich in den meisten Fällen das effektive Besteuerungsniveau der gebietsansässigen Gesellschaften niedriger als der nominale Steuersatz.

52      Daher gewährleistet die Anwendung der Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen, wie sie in der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung vorgesehen ist, keine steuerliche Behandlung, die derjenigen gleichwertig ist, die sich aus der Anwendung der Befreiungsmethode auf Dividenden aus inländischen Quellen ergibt.

53      Da die Situation einer Gesellschaft als Anteilseignerin, die Dividenden aus ausländischen Quellen erhält, in Bezug auf eine Steuerregelung der im Ausgangsverfahren fraglichen Art, die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung ausgeschütteter Gewinne vermeiden soll, mit derjenigen einer Gesellschaft als Anteilseignerin, die Dividenden aus inländischen Quellen erhält, insofern vergleichbar ist, als es grundsätzlich in beiden Fällen zu einer mehrfachen Besteuerung der erzielten Gewinne kommen kann (vgl. Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 62, sowie Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 59), ist die unterschiedliche steuerliche Behandlung der beiden Kategorien von Dividenden nicht durch erheblich unterschiedliche Verhältnisse gerechtfertigt.

54      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche stellt folglich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs dar, die grundsätzlich nach den Art. 49 AEUV und 63 AEUV verboten ist.

55      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine solche Beschränkung nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In diesem Fall muss die Beschränkung aber außerdem geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. Urteile vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, Slg. 2011, I‑12273, Randnr. 42, und vom 1. Dezember 2011, Kommission/Belgien, C‑250/08, Slg. 2011, I‑12341, Randnr. 51).

56      Hierzu hat die Regierung des Vereinigten Königreichs in der Rechtssache, in der das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation ergangen ist, ausgeführt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung objektiv durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Kohärenz der nationalen Steuerregelung zu sichern.

57      Der Gerichtshof hat bereits früher anerkannt, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann (Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann, C‑204/90, Slg. 1992, I‑249, Randnr. 21, vom 7. September 2004, Manninen, C‑319/02, Slg. 2004, I‑7477, Randnr. 42, vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, C‑157/07, Slg. 2008, I‑8061, Randnr. 43, und Kommission/Belgien, Randnr. 70).

58      Nach ständiger Rechtsprechung muss jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen sein (Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss (Urteile vom 27. November 2008, Papillon, C‑418/07, Slg. 2008, I‑8947, Randnr. 44, und vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha, C‑303/07, Slg. 2009, I‑5145, Randnr. 72).

59      In Bezug auf das mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung verfolgte Ziel besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einerseits der gewährten steuerlichen Vergünstigung, nämlich der Steuergutschrift bei Dividenden aus ausländischen Quellen und der Steuerbefreiung für Dividenden aus inländischen Quellen, und andererseits der Steuer, mit der die ausgeschütteten Gewinne bereits belastet worden sind.

60      Zur Verhältnismäßigkeit der Beschränkung ist festzustellen, dass sich zwar die Anwendung der Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen und der Befreiungsmethode auf Dividenden aus inländischen Quellen mit der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne begründen lässt, doch ist es für die Wahrung der betreffenden steuerlichen Kohärenz nicht erforderlich, einerseits für die Berechnung der steuerlichen Vergünstigung im Rahmen der Anwendung der Anrechnungsmethode das effektive Besteuerungsniveau bei den ausgeschütteten Gewinnen und andererseits im Rahmen der Befreiungsmethode nur den auf die ausgeschütteten Gewinne angewandten nominalen Steuersatz zu berücksichtigen.

61      Die steuerliche Entlastung einer gebietsansässigen Gesellschaft, die Dividenden aus inländischen Quellen bezieht, wird nämlich unabhängig vom effektiven Besteuerungsniveau gewährt, dem die Gewinne unterlagen, aus denen die Dividenden ausgeschüttet worden sind. Da diese Befreiung der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne dient, liegt ihr die Annahme zugrunde, dass diese Gewinne bei der Gesellschaft, die Dividenden ausschüttet, zum nominalen Steuersatz besteuert werden. Sie kommt somit der Gewährung einer Steuergutschrift nahe, die nach Maßgabe des nominalen Steuersatzes berechnet wird.

62      Zur Wahrung der Kohärenz der in Rede stehenden Steuerregelung dürfte eine nationale Regelung, die insbesondere auch im Rahmen der Anrechnungsmethode den nominalen Steuersatz berücksichtigt, dem die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne unterlagen, geeignet sein, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne zu vermeiden und die innere Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten, und würde gleichzeitig die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr weniger beeinträchtigen.

63      In diesem Zusammenhang ist anzuführen, dass der Gerichtshof in Randnr. 99 seines Urteils Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen nach dem Hinweis, dass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich erlaubt ist, die Mehrfachbesteuerung von Dividenden, die eine gebietsansässige Gesellschaft bezieht, durch die Anwendung der Befreiungsmethode auf Dividenden aus inländischen Quellen und der Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen zu vermeiden, festgestellt hat, dass die fragliche nationale Regelung bei der Berechnung des Betrags der Steuergutschrift im Rahmen der Anrechnungsmethode den nominalen Steuersatz berücksichtigt hat, der in dem Staat, in dem die Dividenden ausschüttende Gesellschaft niedergelassen war, anwendbar war.

64      Zwar kann die Berechnung einer Steuergutschrift im Rahmen der Anwendung der Anrechnungsmethode auf der Grundlage des nominalen Steuersatzes, dem die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne unterlagen, noch zu einer ungünstigeren steuerlichen Behandlung der Dividenden aus ausländischen Quellen führen, die eine Folge insbesondere der unterschiedlichen Regeln für die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Körperschaftsteuer in den Mitgliedstaaten ist. Eine solche nachteilige Behandlung, wenn sie stattfindet, beruht jedoch darauf, dass die verschiedenen Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel ausüben, was mit dem Vertrag vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Kerckhaert und Morres, Randnr. 20, und vom 15. April 2010, CIBA, C‑96/08, Slg. 2010, I‑2911, Randnr. 25).

65      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 49 AEUV und 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Befreiungsmethode auf Dividenden aus inländischen Quellen und die Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen anwendet, wenn sich erweist, dass zum einen die Steuergutschrift für die Dividenden empfangende Gesellschaft im Rahmen der Anrechnungsmethode dem Betrag der Steuer entspricht, die tatsächlich auf die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne entrichtet worden ist, und zum anderen in dem betreffenden Mitgliedstaat das effektive Besteuerungsniveau für die Gewinne von Gesellschaften generell unter dem vorgeschriebenen nominalen Steuersatz liegt.

 Zur zweiten Frage

66      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Antworten des Gerichtshofs auf die zweite und die vierte Frage im Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation auch in Fällen gelten, in denen zum einen die ausländische Körperschaftsteuer auf die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne nicht oder nicht vollständig von der gebietsfremden Gesellschaft, die diese Dividenden an die gebietsansässige Gesellschaft zahlt, sondern von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen direkten oder indirekten Tochtergesellschaft der erstgenannten Gesellschaft entrichtet worden ist, und zum anderen die ACT nicht von der gebietsansässigen Gesellschaft entrichtet worden ist, die die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft empfangen hat, sondern im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung von ihrer gebietsansässigen Muttergesellschaft.

67      Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation auf die zweite und die vierte Frage geantwortet, dass die Art. 49 AEUV und 63 AEUV Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen,

–        die es einer gebietsansässigen Gesellschaft, die Dividenden von einer anderen gebietsansässigen Gesellschaft erhält, ermöglichen, von der Körperschaftsteuervorauszahlung, die die erstgenannte Gesellschaft zu leisten hat, die von der letztgenannten Gesellschaft geleistete Körperschaftsteuervorauszahlung abzuziehen, während ein solcher Abzug im Fall einer gebietsansässigen Gesellschaft, die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft erhält, in Bezug auf die Steuer, die von der letztgenannten Gesellschaft auf die ausgeschütteten Gewinne in ihrem Sitzstaat gezahlt worden ist, nicht möglich ist und

–        die gebietsansässige Gesellschaften, die an ihre Anteilseigner Dividenden ausschütten, die aus von ihnen bezogenen Dividenden aus inländischen Quellen stammen, von der Körperschaftsteuervorauszahlung befreien, dagegen gebietsansässigen Gesellschaften, die an ihre Anteilseigner Dividenden ausschütten, die aus von ihnen bezogenen Dividenden aus ausländischen Quellen stammen, die Möglichkeit einräumen, sich für eine Regelung zu entscheiden, nach der sie die als Vorauszahlung geleistete Körperschaftsteuer zurückerlangen können, dabei jedoch diese Gesellschaften zum einen verpflichten, die genannte Steuervorauszahlung zu leisten und dann deren Erstattung zu beantragen, und zum anderen keine Steuergutschrift für die Anteilseigner vorsehen, obwohl diese eine solche Gutschrift bei einer Ausschüttung durch eine gebietsansässige Gesellschaft auf der Grundlage von Dividenden aus inländischen Quellen erhalten hätten.

68      Erstens ist daran zu erinnern, dass nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung bei der Ausschüttung von Dividenden außerhalb der Regelung der Gruppenbesteuerung die gebietsansässige Gesellschaft, die diese ausschüttet, verpflichtet war, die ACT zu entrichten, die eine Form der Vorauszahlung der Körperschaftsteuer war. Sodann wurden die ausgeschütteten Dividenden in der Hierarchie der Gruppe als befreiter Kapitalertrag in dem Sinne weitergegeben, dass mit den Dividenden eine Steuergutschrift in Höhe der entrichteten ACT verbunden wurde. Die Steuergutschrift wurde auf die Verpflichtung der in der Hierarchie der Gruppe übergeordneten Gesellschaften zur Entrichtung der ACT bei der späteren Ausschüttung von Dividenden an ihre unmittelbare Muttergesellschaft oder an außenstehende Aktionäre angerechnet. Somit wurde mit der ACT bei der Zahlung einer Dividende außerhalb der Regelung der Gruppenbesteuerung die unterste Ebene der im Vereinigten Königreich gebietsansässigen Gesellschaften belastet.

69      Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Ansicht, es verstoße nicht gegen die Art. 49 AEUV und 63 AEUV, dass die Körperschaftsteuer auf die den Dividenden aus ausländischen Quellen zugrunde liegenden Gewinne nicht von der ACT, die die im Vereinigten Königreich ansässige Muttergesellschaft schulde, abgezogen werden könne, wenn die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft, die Dividenden an ihre im Vereinigten Königreich ansässige Muttergesellschaft zahle, die Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne nicht selbst – oder nicht vollständig – entrichtet habe, sondern diese Steuer von einer ebenfalls in einem Mitgliedstaat ansässigen direkten oder indirekten Tochtergesellschaft der erstgenannten Tochtergesellschaft entrichtet worden ist. Wenn die gebietsfremde Gesellschaft, die an ihre im Vereinigten Königreich gebietsansässige Muttergesellschaft Dividenden ausschütte, die Körperschaftsteuer für die ausgeschütteten Gewinne nicht selbst entrichtet habe, liege keine grenzüberschreitende Mehrfachbesteuerung vor, die eine steuerliche Entlastung rechtfertige.

70      Dem kann nicht gefolgt werden.

71      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich eine gebietsansässige Gesellschaft, die Dividenden aus ausländischen Quellen empfängt, in Anbetracht des mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung verfolgten Ziels der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in einer vergleichbaren Situation wie eine gebietsansässige Gesellschaft befindet, die Dividenden aus inländischen Quellen empfängt. In Bezug auf dieses Ziel geht aus den Antworten auf die zweite und die vierte Frage im Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation hervor, dass die Art. 49 AEUV und 63 AEUV Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die allein bei Dividenden aus ausländischen Quellen die bereits auf die ausgeschütteten Gewinne entrichtete Körperschaftsteuer nicht berücksichtigen.

72      Wie aus Randnr. 62 des vorliegenden Urteils hervorgeht, lässt sich die Verpflichtung einer gebietsansässigen Gesellschaft aufgrund einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die ACT bei der Ausschüttung von Gewinnen aus Dividenden aus ausländischen Quellen zu entrichten, nämlich nur rechtfertigen, soweit diese Steuervorauszahlung dem Betrag entspricht, der dem Ausgleich des im Vergleich zum nominalen Steuersatz für die Gewinne der gebietsansässigen Gesellschaft niedrigeren nominalen Steuersatzes für die den Dividenden aus ausländischen Gewinnen zugrunde liegenden Gewinne dient.

73      Hierbei ist es unerheblich, dass die gebietsfremde Gesellschaft, die Dividenden an ihre gebietsansässige Muttergesellschaft ausschüttet, selbst der Körperschaftsteuer unterliegt, jedenfalls soweit die ausgeschütteten Gewinne der Körperschaftsteuer unterlagen.

74      Die Antworten auf die zweite und die vierte Frage in der Rechtssache, in der das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation ergangen ist, werden daher durch die Feststellung nicht berührt, dass die ausländische Körperschaftsteuer auf die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne nicht oder nicht ganz von der gebietsfremden Gesellschaft, die die Dividenden ausgeschüttet hat, sondern von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen direkten oder indirekten Tochtergesellschaft der erstgenannten Gesellschaft entrichtet wurde.

75      Zweitens ist in Bezug auf die Regelung der Gruppenbesteuerung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, darauf hinzuweisen, dass Dividenden, wenn sie von einer gebietsansässigen Gesellschaft im Rahmen dieser Regelung gezahlt wurden, nicht der Verpflichtung zur Entrichtung der ACT unterlagen und bei der gebietsansässigen Gesellschaft, die sie empfing, nicht als befreiter Kapitalertrag betrachtet wurden.

76      Dies bedeutet, dass die gebietsansässige Muttergesellschaft, obwohl die Dividenden in der Hierarchie der Gruppe ohne Verpflichtung zur Entrichtung der ACT weitergegeben wurden, über keine auf ihre Verpflichtung zur Entrichtung der ACT anrechenbare Steuergutschrift verfügte, wenn sie die Dividenden an nicht zur Gruppe gehörende Aktionäre zahlte, und infolgedessen verpflichtet war, die ACT auf die Dividenden zu entrichten. Die Bestimmungen der Regelung der ACT erlaubten es jedoch der Muttergesellschaft, bei ihr angefallene überschüssige ACT auf ihre gebietsansässigen Tochtergesellschaften zu übertragen und sie auf die steuerliche Gesamtbelastung der Gruppe anzurechnen (vgl. Urteil vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a., C‑397/98 und C‑410/98, Slg. 2001, I‑1727, Randnrn. 21 bis 25).

77      Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs ist die Regelung der Gruppenbesteuerung mit den Art. 49 AEUV und 63 AEUV vereinbar, da die gebietsansässige Gesellschaft, die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft beziehe, von der ACT befreit sei. Da die gebietsansässige Gesellschaft keine ACT schulde, führe die Regelung zu keiner wirtschaftlichen Doppelbesteuerung.

78      Hierzu ist festzustellen, dass die Regelung der Gruppenbesteuerung eine Verschiebung der Zahlung der ACT – d. h. der vorausgezahlten Körperschaftsteuer – nach oben in der Gruppenhierarchie bewirkt. Nach dieser Regelung ist insbesondere die gebietsansässige Muttergesellschaft der Gruppe verpflichtet, die ACT zum Zeitpunkt der Ausschüttung der Dividenden an die nicht der Gruppe angehörenden Aktionäre zu entrichten, was für einen Teil der ausgeschütteten Gewinne, die den Dividenden aus ausländischen Quellen entsprechen, die Gefahr einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in sich birgt.

79      Die Zahlung der ACT auf die den Dividenden aus ausländischen Quellen entsprechenden Gewinne durch die gebietsansässige Muttergesellschaft der Gruppe hat, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die Europäische Kommission ausführen, zur Folge, dass die ausgeschütteten Gewinne ein zweites Mal mit der Körperschaftsteuer besteuert werden. Diese Besteuerung kann nicht auf die steuerlichen Verpflichtungen der gebietsfremden Tochtergesellschaft, die die Gewinne ausschüttet, angerechnet werden. Dagegen kann in einem rein innerstaatlichen Kontext die überschüssige von der gebietsansässigen Muttergesellschaft entrichtete ACT übertragen und auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden, die die gebietsansässigen Tochtergesellschaften der Gruppe zu entrichten haben.

80      In Anbetracht des mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung angestrebten Ziels der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung stehen die Art. 49 AEUV und 63 AEUV einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, da diese im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung bei Dividenden aus ausländischen Quellen nicht die bereits entrichtete Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne berücksichtigt.

81      Die Antworten auf die zweite und die vierte Frage in der Rechtssache, in der das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation ergangen ist, sind daher die gleichen, wenn die ACT nicht von der gebietsansässigen Gesellschaft entrichtet wird, die die Dividenden einer gebietsfremden Gesellschaft bezieht, sondern von ihrer gebietsansässigen Muttergesellschaft im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung entrichtet wird.

82      Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Antworten des Gerichtshofs auf die zweite und die vierte Frage im Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation auch in Fällen gelten, in denen

–        die ausländische Körperschaftsteuer, mit der die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne belegt waren, nicht oder nicht vollständig von der gebietsfremden Gesellschaft, die diese Dividenden an die gebietsansässige Gesellschaft zahlt, sondern von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen direkten oder indirekten Tochtergesellschaft der erstgenannten Gesellschaft entrichtet worden ist;

–        die ACT nicht von der gebietsansässigen Gesellschaft entrichtet worden ist, die die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft empfangen hat, sondern im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung von ihrer gebietsansässigen Muttergesellschaft.

 Zur dritten Frage

83      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass eine Muttergesellschaft, die im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung unter Verstoß gegen das Unionsrecht gezwungen war, die ACT auf den aus Dividenden aus ausländischen Quellen stammenden Teil ihres Gewinns zu entrichten, einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Steuer oder nur einen Anspruch auf Schadensersatz hat.

84      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den Einzelnen aus den Bestimmungen des Unionsrechts erwachsen, die diesen Abgaben entgegenstehen. Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (Urteil vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a., C‑398/09, Slg. 2011, I‑7375, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Aus der Antwort auf die zweite Frage ergibt sich, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne dient, mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, soweit sie im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung bei Dividenden aus anderen Staaten nicht die Körperschaftsteuer berücksichtigt, die bereits auf die Gewinne, aufgrund deren diese Dividenden ausgeschüttet worden sind, entrichtet worden ist.

86      Wie aus den Randnrn. 62 und 72 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist die Verpflichtung einer gebietsansässigen Gesellschaft zur Entrichtung der ACT bei der Ausschüttung von Gewinnen aus Dividenden aus ausländischen Quellen nur insoweit gerechtfertigt, als diese Steuervorauszahlung dem Betrag entspricht, der dem Ausgleich des im Vergleich zum nominalen Steuersatz für die Gewinne der gebietsansässigen Gesellschaft niedrigeren nominalen Steuersatzes für die den Dividenden aus ausländischen Quellen zugrunde liegenden Gewinne dient.

87      Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass eine im Gebiet eines Mitgliedstaats ansässige Muttergesellschaft, die im Rahmen einer Regelung der Gruppenbesteuerung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter Verstoß gegen das Unionsrecht gezwungen war, die ACT auf den aus Dividenden aus ausländischen Quellen stammenden Teil ihres Gewinns zu entrichten, einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Steuer hat, soweit diese den Mehrbetrag der Körperschaftsteuer übersteigt, den der betreffende Mitgliedstaat erheben durfte, um den im Vergleich zu dem nominalen Steuersatz für die Gewinne der gebietsansässigen Muttergesellschaft niedrigeren nominalen Steuersatz für die den Dividenden aus ausländischen Quellen zugrunde liegenden Gewinne auszugleichen.

 Zur vierten Frage

88      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass sich eine im Gebiet eines Mitgliedstaats ansässige Gesellschaft, die eine Beteiligung an einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft hält, die ihr einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der letztgenannten Gesellschaft verschafft, auf Art. 63 AEUV berufen kann, um die Vereinbarkeit einer Regelung dieses Mitgliedstaats über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus ausländischen Quellen, die nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in denen die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt, mit dem Unionsrecht in Frage zu stellen.

89      Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die steuerliche Behandlung von Dividenden unter Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit und unter Art. 63 AEUV über den freien Kapitalverkehr fallen kann (Urteile Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 33, sowie Accor, Randnr. 30).

90      In Bezug auf die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist nach ständiger Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995, Randnrn. 31 bis 33, vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C‑374/04, Slg. 2006, I‑11673, Randnrn. 37 und 38, vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107, Randnrn. 26 bis 34, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 34, sowie Accor, Randnr. 31).

91      Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit (vgl. Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 37, vom 21. Oktober 2010, Idryma Typou, C‑81/09, Slg. 2010, I‑10161, Randnr. 47, Accor, Randnr. 32, und vom 19. Juli 2012, Scheunemann, C‑31/11, Randnr. 23).

92      Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (Urteile Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 35, Accor, Randnr. 32, und Scheunemann, Randnr. 23).

93      Die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung ist nicht nur auf Dividenden anwendbar, die eine gebietsansässige Gesellschaft auf der Grundlage einer Beteiligung erhält, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der ausschüttenden Gesellschaft verleiht und es ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen, sondern auch auf Dividenden, die auf der Grundlage einer Beteiligung bezogen werden, die keinen solchen Einfluss verleiht. Soweit sich die nationale Regelung auf Dividenden bezieht, die ihre Quelle in einem Mitgliedstaat finden, erlaubt es der Gegenstand dieser Regelung somit nicht, zu bestimmen, ob diese vorwiegend unter Art. 49 AEUV oder unter Art. 63 AEUV fällt.

94      In solchen Fällen berücksichtigt der Gerichtshof die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles, um zu bestimmen, von welcher dieser Bestimmungen die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Situation erfasst wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnrn. 37 und 38, vom 26. Juni 2008, Burda, C‑284/06, Slg. 2008, I‑4571, Randnrn. 71 und 72, sowie vom 21. Januar 2010, SGI, C‑311/08, Slg. 2010, I‑487, Randnrn. 33 bis 37).

95      So hat der Gerichtshof in Randnr. 37 seines Urteils Test Claimants in the FII Group Litigation festgestellt, dass es in den Verfahren, die im Rahmen des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits als „Musterverfahren“ ausgewählt wurden, um im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaften ging, die Dividenden von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften erhalten hatten, die sie zu 100 % kontrollierten. Da es sich um eine Beteiligung handelte, die dem Inhaber einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der ausschüttenden Gesellschaft verschaffte und es ihm ermöglichte, deren Tätigkeiten zu bestimmen, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit in diesen „Musterverfahren“ Anwendung finden.

96      In einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens, bei dem es um die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Quellen in einem Drittland geht, ist jedoch davon auszugehen, dass die Prüfung des Gegenstands einer nationalen Regelung für die Beurteilung ausreicht, ob die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Quellen in einem Drittland unter die Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr fällt.

97      Da nämlich das Kapitel des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit keine Vorschrift enthält, die den Anwendungsbereich seiner Bestimmungen auf Sachverhalte erstreckt, die die Niederlassung einer Gesellschaft eines Mitgliedstaats in einem Drittstaat oder einer Gesellschaft eines Drittstaats in einem Mitgliedstaat betreffen (vgl. Urteile Holböck, Randnr. 28, vom 3. Oktober 2006, Fidium Finanz, C‑452/04, Slg. 2006, I‑9521, Randnr. 25, und Scheunemann, Randnr. 33, sowie Beschlüsse vom 10. Mai 2007, A und B, C‑102/05, Slg. 2007, I‑3871, Randnr. 29, und Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation, Randnr. 88), kann eine Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden mit Quellen in Drittländern nicht von Art. 49 AEUV erfasst werden.

98      Ergibt sich aus dem Gegenstand einer solchen nationalen Regelung, dass sie nur auf Beteiligungen Anwendung finden soll, die es erlauben, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, ist weder eine Berufung auf Art. 49 AEUV noch eine auf Art. 63 AEUV möglich (Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Randnrn. 33, 34, 101 und 102, sowie Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec, C‑492/04, Slg. 2007, I‑3775, Randnrn. 22 und 27; vgl. auch Beschluss A und B, Randnrn. 4 und 25 bis 28).

99      Dagegen ist eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus einem Drittland, die nicht ausschließlich für Situationen gilt, in denen die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüttet, nach Art. 63 AEUV zu beurteilen. Eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft kann sich daher unabhängig vom Umfang der Beteiligung, die sie an der in einem Drittland niedergelassenen Dividenden ausschüttenden Gesellschaft hält, auf diese Bestimmung berufen, um die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil A, Randnrn. 11 und 27).

100    Da der Vertrag die Niederlassungsfreiheit nicht auf Drittländer erstreckt, ist zu vermeiden, dass die Auslegung von Art. 63 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Beziehungen zu Drittländern es Wirtschaftsteilnehmern, die sich außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit befinden, erlaubt, in den Genuss dieser Freiheit zu gelangen. Eine solche Gefahr besteht nicht in einer Situation wie derjenigen des Ausgangsverfahrens. Die Regelung des betreffenden Mitgliedstaats betrifft nämlich nicht die Voraussetzungen des Marktzugangs einer Gesellschaft dieses Mitgliedstaats in einem Drittland oder einer Gesellschaft eines Drittlands in diesem Mitgliedstaat. Sie betrifft nur die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Investitionen, die der Bezieher der Dividenden in eine in einem Drittland ansässige Gesellschaft getätigt hat.

101    Die Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs, der deutschen, der französischen und der niederländischen Regierung, wonach die auf die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Quellen in einem Drittland anwendbare Freiheit nicht nur vom Gegenstand der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung, sondern auch von den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens abhänge, hätte Wirkungen, die mit Art. 64 Abs. 1 AEUV unvereinbar wären.

102    Aus der erwähnten Bestimmung geht nämlich hervor, dass unter Art. 63 AEUV über den freien Kapitalverkehr grundsätzlich solche Kapitalbewegungen fallen, die eine Niederlassung oder Direktinvestitionen umfassen. Die letztgenannten Begriffe beziehen sich auf eine Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen (vgl. Urteile Glaxo Wellcome, Randnr. 40, und Idryma Typou, Randnr. 48).

103    Nach der Rechtsprechung erfassen die Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Zusammenhang mit einer Niederlassung oder Direktinvestitionen im Sinne von Art. 64 Abs. 1 AEUV nicht nur nationale Maßnahmen, die bei ihrer Anwendung auf den Kapitalverkehr mit dritten Ländern die Niederlassung oder Investitionen beschränken, sondern auch solche, die die sich daraus ergebenden Dividendenzahlungen beschränken (Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 183, und Holböck, Randnr. 36).

104    Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass sich eine im Gebiet eines Mitgliedstaats ansässige Gesellschaft, die eine Beteiligung an einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft hält, die ihr einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der letztgenannten Gesellschaft verschafft, auf Art. 63 AEUV berufen kann, um die Vereinbarkeit einer Regelung dieses Mitgliedstaats über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Quellen dieses Drittlands, die nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in dem die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt, mit dieser Bestimmung in Frage zu stellen.

 Zur fünften Frage

105    Mit seiner fünften Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Antwort des Gerichtshofs auf die dritte Frage in der Rechtssache, in der das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation ergangen ist, auch gilt, wenn in anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften, auf die keine Übertragung der ACT erfolgen konnte, im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft nicht besteuert werden.

106    Es ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation in Beantwortung der dritten Frage des vorlegenden Gerichts entschieden hat, dass Art. 49 AEUV Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es einer gebietsansässigen Gesellschaft ermöglichen, den Betrag der ACT, den sie nicht auf die von ihr für das betreffende Geschäftsjahr oder für frühere oder spätere Geschäftsjahre geschuldete Körperschaftsteuer anrechnen kann, auf gebietsansässige Tochtergesellschaften zu übertragen, damit diese ihn auf die von ihnen zu zahlende Körperschaftsteuer anrechnen können, es einer gebietsansässigen Gesellschaft jedoch nicht ermöglichen, diesen Betrag auf gebietsfremde Tochtergesellschaften zu übertragen, die in diesem Mitgliedstaat auf die dort erzielten Gewinne Steuern zahlen müssen.

107    Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass diese Antwort des Gerichtshofs auch dann gelte, wenn die Gewinne gebietsfremder Tochtergesellschaften, bei denen eine solche Übertragung der überschüssigen ACT nicht erfolgen könne, im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft nicht besteuert würden, sondern in anderen Mitgliedstaaten besteuert würden. Es würde gegen die mit der fraglichen nationalen Regelung verfolgten Ziele verstoßen, wenn der Mechanismus der Übertragung der überschüssigen ACT auf im Vereinigten Königreich besteuerte Tochtergesellschaften beschränkt würde. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung hätte die Möglichkeit vorsehen müssen, die von der Muttergesellschaft entrichtete ACT mit der ausländischen Körperschaftsteuer zu vergleichen, die die Tochtergesellschaft, die Dividenden ausschütte, getragen habe, und hätte die Erstattung der überschüssigen ACT erlauben müssen, um eine Mehrfachbesteuerung der Gesellschaften der Gruppe zu vermeiden.

108    Zu diesem Zweck ist, wie die Kommission ausführt, zwischen der ACT zu unterscheiden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat rechtswidrig unter Verstoß gegen die im Vertrag verankerten Freiheiten erhoben worden ist, und der ACT, die, wie aus den Randnrn. 62 und 72 des vorliegenden Urteils hervorgeht, rechtmäßig bei einer gebietsansässigen Gesellschaft erhoben werden durfte, die Dividenden aus ausländischen Quellen bezogen hat, weil sie dem Mehrbetrag der Körperschaftsteuer entsprach, der geschuldet wurde, um den niedrigeren nominalen Steuersatz auszugleichen, dem die den Dividenden aus ausländischen Quellen zugrunde liegenden Gewinne im Vergleich zu dem auf die Gewinne der gebietsansässigen Gesellschaft anwendbaren nominalen Steuersatz unterlagen.

109    Aus der Antwort auf die dritte Frage in der vorliegenden Rechtssache ergibt sich, dass die rechtswidrig erhobene ACT zu erstatten ist.

110    Dagegen ist in Bezug auf die ACT, die dem Mehrbetrag der Körperschaftsteuer entspricht, die der betreffende Mitgliedstaat erheben durfte, daran zu erinnern, dass die ACT eine Vorauszahlung der Körperschaftsteuer im Vereinigten Königreich ist. Das Recht, die überschüssige ACT an Tochtergesellschaften abzutreten, gewährleistet, dass eine Gruppe von im Vereinigten Königreich besteuerten Gesellschaften nicht – nur wegen der ACT – einen höheren Steuerbetrag entrichtet, als er der gesamten im Vereinigten Königreich entstandenen Steuerschuld entspricht. Die Erstreckung dieses Rechts auf im Vereinigten Königreich nicht steuerpflichtige gebietsfremde Gesellschaften, die zur Erstattung der überschüssigen ACT führen würde, würde faktisch dem Vereinigten Königreich das Recht nehmen, einen Mehrbetrag an Steuer auf Dividenden aus ausländischen Quellen zu erheben, die aus Gewinnen ausgeschüttet werden, die zu einem niedrigeren Steuersatz als dem im Vereinigten Königreich anwendbaren besteuert worden sind, und auf diese Weise die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2011, Meilicke u. a., C‑262/09, Slg. 2011, I‑5669, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    Daher ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass die Antwort des Gerichtshofs auf die dritte Frage in der Rechtssache, in der das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation ergangen ist, nicht gilt, wenn in anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften, auf die keine Übertragung der ACT erfolgen konnte, im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft nicht besteuert werden.

 Kosten

112    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 49 AEUV und 63 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Befreiungsmethode auf Dividenden aus inländischen Quellen und die Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen anwendet, wenn sich erweist, dass zum einen die Steuergutschrift für die Dividenden empfangende Gesellschaft im Rahmen der Anrechnungsmethode dem Betrag der Steuer entspricht, die tatsächlich auf die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne entrichtet worden ist, und zum anderen in dem betreffenden Mitgliedstaat das effektive Besteuerungsniveau für die Gewinne von Gesellschaften generell unter dem vorgeschriebenen Steuersatz liegt.

2.      Die Antworten des Gerichtshofs auf die zweite und die vierte Frage im Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04), gelten auch in Fällen, in denen

–        die ausländische Körperschaftsteuer, mit der die den ausgeschütteten Dividenden zugrunde liegenden Gewinne belegt waren, nicht oder nicht vollständig von der gebietsfremden Gesellschaft, die diese Dividenden an die gebietsansässige Gesellschaft zahlt, sondern von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen direkten oder indirekten Tochtergesellschaft der erstgenannten Gesellschaft entrichtet worden ist;

–        die Körperschaftsteuervorauszahlung nicht von der gebietsansässigen Gesellschaft entrichtet worden ist, die die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft empfangen hat, sondern im Rahmen der Regelung der Gruppenbesteuerung von ihrer gebietsansässigen Muttergesellschaft.

3.      Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft, die im Rahmen einer Regelung der Gruppenbesteuerung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter Verstoß gegen das Unionsrecht gezwungen war, die Körperschaftsteuervorauszahlung auf den aus Dividenden aus ausländischen Quellen stammenden Teil ihres Gewinns zu entrichten, einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Steuer hat, soweit diese den Mehrbetrag der Körperschaftsteuer übersteigt, den der betreffende Mitgliedstaat erheben durfte, um den im Vergleich zu dem nominalen Steuersatz für die Gewinne der gebietsansässigen Muttergesellschaft niedrigeren nominalen Steuersatz für die den Dividenden aus ausländischen Quellen zugrunde liegenden Gewinne auszugleichen.

4.      Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass sich eine im Gebiet eines Mitgliedstaats ansässige Gesellschaft, die eine Beteiligung an einer in einem Drittland ansässigen Gesellschaft hält, die ihr einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der letztgenannten Gesellschaft verschafft, auf Art. 63 AEUV berufen kann, um die Vereinbarkeit einer Regelung dieses Mitgliedstaats über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus Quellen dieses Drittlands, die nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in dem die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt, mit dieser Bestimmung in Frage zu stellen.

5.      Die Antwort des Gerichtshofs auf die dritte Frage in der Rechtssache, in der das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation ergangen ist, gilt nicht, wenn in anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften, auf die keine Übertragung der Körperschaftsteuervorauszahlung erfolgen konnte, im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft nicht besteuert werden.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.