Language of document : ECLI:EU:C:2008:725

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 16. Dezember 20081(1)

Rechtssache C‑531/06

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Italienische Republik


„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 43 EG und 56 EG – Öffentliche Gesundheit – Nationale Rechtsvorschriften, nach denen nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben können – Angemessene Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – Vertrieb von Arzneimitteln – Kommunale Apotheken“





1.        Mit der vorliegenden Klage beantragt die Kommission festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen hat,

–        indem sie eine Regelung in Kraft gelassen hat, die das Recht auf Betrieb einer privaten Einzelhandelsapotheke natürlichen Personen mit einem abgeschlossenen Pharmaziestudium und Betriebsgesellschaften, deren Gesellschafter ausschließlich Apotheker sind, vorbehält und

–        indem sie Rechtsvorschriften in Kraft gelassen hat, die es Unternehmen, die Arzneimittel vertreiben, unmöglich machen, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die kommunale Apotheken betreiben.

2.        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der erste Klagegrund der Kommission in engem Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (Deutschland) in den beim Gerichtshof anhängigen verbundenen Rechtssachen Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07) und Neumann‑Seiwert (C‑172/07) steht, in denen ich ebenfalls Schlussanträge vorlegen werde. Dieser erste Klagegrund betrifft im Wesentlichen die Frage, ob Art. 43 EG und/oder Art. 56 EG einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, nach der nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben können.

3.        Aus denselben Gründen wie in meinen Schlussanträgen in den vorstehend genannten Rechtssachen Apothekerkammer des Saarlandes u. a. und Neumann‑Seiwert werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, davon auszugehen, dass der erste Klagegrund der Kommission unbegründet ist. Ich bin nämlich der Auffassung, dass die Art. 43 EG und 48 EG einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegenstehen, nach der nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben können, da eine solche Rechtsvorschrift durch das Ziel einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerechtfertigt ist.

4.        Ich werde auch vorschlagen, den zweiten Klagegrund für unbegründet zu erklären.

I –    Der rechtliche Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

5.        Art. 43 Abs. 1 EG verbietet Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats. Nach Art. 43 Abs. 2 EG umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen.

6.        Nach Art. 48 Abs. 1 EG kommen die in Art. 43 EG verliehenen Rechte auch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften zugute, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben.

7.        Nach Art. 46 Abs. 1 EG steht Art. 43 EG den Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind, nicht entgegen.

8.        Nach Art. 47 Abs. 3 EG setzt die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe die Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraus. Der Rat der Europäischen Union und die Kommission haben jedoch anerkannt, dass die unmittelbare Wirkung der Art. 43 EG und 49 EG, die in den Urteilen Reyners(2) und van Binsbergen(3) für die Zeit ab 1. Januar 1970, d. h. ab dem Ende der Übergangszeit, festgestellt worden ist, auch für die Berufe des Gesundheitswesens gelten(4).

9.        Die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Tätigkeiten waren ferner Gegenstand von Koordinierungsrichtlinien. Für den pharmazeutischen Bereich handelt es sich zum einen um die Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten(5) und zum anderen um die Richtlinie 85/433/EWG des Rates vom 16. September 1985 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Apothekers und über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts für bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten(6).

10.      Diese beiden Richtlinien wurden durch die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen aufgehoben und ersetzt(7). Im 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 heißt es:

„Diese Richtlinie gewährleistet nicht die Koordinierung aller Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeiten des Apothekers. Insbesondere sollten die geografische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Diese Richtlinie berührt keine Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die Gesellschaften die Ausübung bestimmter Tätigkeiten des Apothekers verbieten oder ihnen für die Ausübung solcher Tätigkeiten bestimmte Auflagen machen.“

11.      Art. 56 Abs. 1 EG sieht überdies vor, dass im Rahmen des dem Kapital- und Zahlungsverkehr gewidmeten Kapitels 4 des EG-Vertrags alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind.

12.      Schließlich ist auf Art. 152 Abs. 5 EG hinzuweisen, in dem es heißt:

„Bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt. … “

B –    Nationales Recht

13.      In Italien führt das Gesetz Nr. 833 vom 23. Dezember 1978 den Servizio Sanitario Nazionale (nationaler Gesundheitsdienst) ein. Art. 25 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt, dass die Versorgungsleistungen aus der allgemein- und fachmedizinischen Versorgung, der pflegerischen Versorgung sowie der Versorgung durch Krankenhäuser und Apotheken bestehen.

14.      In Italien bestehen nebeneinander zwei Arten von Apotheken, zum einen die privaten und zum anderen die kommunalen Apotheken(8).

1.      Die Regelung für private Apotheken

15.      Art. 4 des Gesetzes Nr. 362 vom 8. November 1991 über Vorschriften zur Neuordnung des Pharmaziesektors (im Folgenden: Gesetz Nr. 362/1991) sieht für den Erwerb eines Apothekenbetriebs eine Ausschreibung vor, die von den Regionen und Provinzen durchgeführt wird und nur Angehörigen der Mitgliedstaaten offensteht, die im Besitz ihrer staatsbürgerlichen und politischen Rechte sind und als Apotheker bei der berufsständischen Vereinigung der Apotheker eingetragen sind.

16.      Art. 7 des Gesetzes Nr. 362/1991 bestimmt:

„1.   Der Betrieb einer privaten Apotheke ist nach den geltenden Bestimmungen natürlichen Personen sowie Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorbehalten.

2.     Ausschließlicher Zweck der in Abs. 1 genannten Gesellschaften ist der Betrieb einer Apotheke. Ihre Gesellschafter sind Apotheker, die bei der berufsständischen Vereinigung der Apotheker eingetragen sind und die in Art. 12 des geänderten Gesetzes Nr. 475 vom 2. April 1968 genannten Befähigungen besitzen.

3.     Mit der Leitung der von der Gesellschaft betriebenen Apotheke wird einer der Gesellschafter betraut, der für die Apotheke verantwortlich ist.

5.     Jede der in Abs. 1 genannten Gesellschaften kann nur eine Apotheke betreiben und eine entsprechende Genehmigung erhalten, vorausgesetzt, dass sich die Apotheke in der Provinz befindet, in der die Gesellschaft ihren Sitz hat.

6.     Jeder Apotheker kann nur an einer der in Abs. 1 genannten Gesellschaften beteiligt sein.

7.     Der Betrieb von privaten Apotheken ist Apothekern vorbehalten, die bei der berufsständischen Vereinigung der Apotheker derjenigen Provinz eingetragen sind, in der die Apotheke niedergelassen ist.“

17.      In Art. 8 des Gesetzes Nr. 362/1991 heißt es:

„1.    Eine Beteiligung am Kapital einer in Art. 7 genannten Gesellschaft … ist unvereinbar

a)      mit jeder anderen Tätigkeit im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln sowie der Erteilung wissenschaftlicher Auskünfte über diese.

…“

2.      Die Regelung für kommunale Apotheken

18.      Art. 12 des Gesetzes Nr. 498 vom 23. Dezember 1992, der durch Art. 116 des Decreto legislativo Nr. 267 vom 18. August 2000 ersetzt wurde, sieht die Möglichkeit vor, dass Gemeinden zum Betrieb von kommunalen Apotheken Aktiengesellschaften gründen, deren Gesellschafter nicht notwendigerweise Apotheker sind. Für die kommunalen Apotheken ist die Aufspaltung zwischen dem Besitz der Apotheke, deren Inhaberin die lokale Einheit bleibt, und dem Betrieb, der einer Gesellschaft mit mehrheitlich privatem Kapital übertragen wird, deren Gesellschafter nicht ausschließlich Apotheker sind, somit zulässig.

19.      Mit Urteil vom 24. Juli 2003 hat die Corte Costituzionale (Italien) das Verbot nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 362/1991, gleichzeitig eine Vertriebstätigkeit auszuüben, von dem bis dahin nur Gesellschaften betroffen waren, die private Apotheken betrieben, auf die Gesellschaften erstreckt, die kommunale Apotheken betreiben.

20.      Die gemeinsame Ausübung der Tätigkeiten des Arzneimittelgroßhandels und der Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit in einer Apotheke wurde durch Art. 100 Abs. 2 des Dekrets Nr. 219 vom 24. April 2006 ebenfalls verboten.

21.      Das italienische Recht verlangt zudem, dass sowohl in den privaten als auch in den öffentlichen Apotheken die Abgabe von Arzneimitteln nur dem Apotheker übertragen wird. Art. 122 des Testo unico der Gesundheitsgesetze bestimmt:

„Die Abgabe von Arzneistoffen in dosierter Form oder in Form von Arzneimitteln darf nur durch den Apotheker vorgenommen werden und muss in der Apotheke unter der Verantwortung des Betreibers erfolgen.“

3.      Das Decreto-legge Nr. 223 vom 4. Juli 2006

22.      Die italienischen Vorschriften wurden durch das Decreto-legge Nr. 223 vom 4. Juli 2006 mit Sofortmaßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufschwung und zur Eindämmung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben sowie mit Maßnahmen im Bereich der Steuereinnahmen und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (im Folgenden: Dekret Bersani) mehrfach geändert.

23.      Insbesondere wurden durch Art. 5 des Dekrets Bersani mehrere der oben genannten Bestimmungen aufgehoben. Es handelte sich um Art. 7 Abs. 5 bis 7 des Gesetzes Nr. 362/1991 und Art. 100 Abs. 2 des Dekrets Nr. 219 vom 24. April 2006. Durch die genannte Vorschrift wurde auch Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 362/1991 geändert, indem dort der Ausdruck „Vertrieb“ gestrichen wurde.

II – Das Vorverfahren

24.      Da die Kommission der Ansicht war, dass die oben angeführten Rechtsvorschriften nicht mit den Art. 43 EG und 56 EG vereinbar seien, sandte sie am 21. März 2005 ein Mahnschreiben an die Italienische Republik. Die Kommission sah die Erklärungen der Italienischen Republik nicht als überzeugend an und übermittelte ihr am 19. Dezember 2005 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, auf die die italienischen Behörden am 17. Februar 2006 antworteten. Am 6. Juli 2006 sandten die italienischen Behörden den Text des Dekrets Bersani an die Kommission und wiesen darauf hin, dass bestimmte Vorschriften dieses Decreto-legge, insbesondere dessen Art. 5, den Zweck hätten, das Vorverfahren zu beenden.

25.      Die Kommission war der Meinung, dass die Änderungen der beanstandeten Rechtsvorschriften durch das Dekret Bersani nicht geeignet seien, sie zu einer anderen Auffassung hinsichtlich der Unvereinbarkeit des italienischen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht kommen zu lassen. Sie entschied daher, beim Gerichtshof die vorliegende Klage nach Art. 226 EG zu erheben.

III – Die Klage

26.      Die Kommission beantragt,

–        festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG und Art. 56 EG verstoßen hat,

–        indem sie eine Regelung in Kraft gelassen hat, die das Recht zum Betrieb einer privaten Einzelhandelsapotheke natürlichen Personen mit einem abgeschlossenen Pharmaziestudium und Betriebsgesellschaften, deren Gesellschafter ausschließlich Apotheker sind, vorbehält, und

–        indem sie Rechtsvorschriften in Kraft gelassen hat, die es Unternehmen, die Arzneimittel vertreiben, unmöglich machen, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die kommunale Apotheken betreiben;

–        der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

27.      Die Italienische Republik beantragt,

–        die Klage für unzulässig zu erklären;

–        hilfsweise, sie für unbegründet zu erklären und die entsprechenden Anordnungen zu treffen.

28.      Die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Republik Lettland und die Republik Österreich sind dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Italienischen Republik beigetreten.

IV – Das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

A –    Zur Zulässigkeit der Klage

29.      Die Italienische Republik trägt zunächst vor, dass die Klage unzulässig sei. Da bekanntlich in den meisten Mitgliedstaaten Inhaber einer Apotheke nur ein Apotheker oder eine von Apothekern kontrollierte Gesellschaft sein könne, müsse die Kommission gegenüber diesen Rechtsordnungen einen eindeutigen Standpunkt einnehmen und dürfe nicht zwischen einzelnen Ländern oder Rechtsordnungen unterscheiden.

30.      Die Kommission rüge hauptsächlich einen Verstoß gegen die Art. 43 EG und 56 EG, berücksichtige aber nicht die Richtlinien zur Durchführung der Niederlassungsfreiheit. Diese enthielten ausdrückliche Bestimmungen, die bestätigten, dass die Voraussetzungen für den Zugang zu dem fraglichen Bereich noch nicht harmonisiert seien, und zeigten, dass dieses Gebiet in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle. Unter diesen Umständen müsse die Kommission die behauptete Verletzung genauer und konkreter darstellen, da die Italienische Republik bei der Regelung der Stellung der Apotheker diese Richtlinien und den Vorbehalt der nationalen Zuständigkeit, den sie enthielten, richtig angewandt habe.

31.      Obwohl das Verbot für Vertriebsunternehmen, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die Apotheken betrieben, durch die mit dem Dekret Bersani eingeführte Änderung aufgehoben worden sei, vertrete die Kommission weiterhin die Auffassung, dass ein solches Verbot nach wie vor von den italienischen Gerichten herangezogen werden könne. Somit sei die gerügte Vertragsverletzung nicht konkret und gegenwärtig, sondern ergebe sich aus zukünftigen und hypothetischen Entscheidungen dieser Gerichte.

B –    Zum ersten Klagegrund

32.      Die Kommission trägt vor, die Italienische Republik habe dadurch gegen die Art. 43 EG und 56 EG verstoßen, dass sie Personen, die kein Pharmaziestudium abgeschlossen hätten, und Gesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich Apotheker seien, den Betrieb einer Apotheke untersage. Dieses Verbot stelle für den genannten Personenkreis nicht nur eine Beeinträchtigung in der Ausübung der beiden vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten, nämlich der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Kapitalverkehrs, dar, sondern mache diese Ausübung völlig unmöglich.

33.      Das Ziel des Gesundheitsschutzes stelle zwar einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen könne. Die italienischen Rechtsvorschriften, die im vorliegenden Verfahren in Frage stünden, seien jedoch weder geeignet, dieses Ziel zu gewährleisten, noch erforderlich, um es zu erreichen.

34.      Erstens sei das für Personen, die kein Pharmaziestudium abgeschlossen hätten, und für Gesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich Apotheker seien, geltende Verbot, eine Apotheke zu betreiben, nicht geeignet, das Ziel des Gesundheitsschutzes zu gewährleisten. Es müsse zwischen den Aspekten bezüglich Betrieb, Leitung oder Verwaltung von Apotheken einerseits und den Aspekten bezüglich des Verhältnisses zu Dritten andererseits unterschieden werden. Die Notwendigkeit einer pharmazeutischen Berufsausbildung sei hinsichtlich der letzteren Aspekte gerechtfertigt, nicht aber in Bezug auf die ersteren, da das Erfordernis des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung nur die pharmazeutische Tätigkeit im Verhältnis zu Dritten betreffe, genauer gesagt, zu den Lieferanten und den Patienten. Eine Trennung der rein unternehmerischen Rolle des Apothekeninhabers und der berufsbezogenen Aufgabe der Apotheke wäre dem Ziel des Gesundheitsschutzes keineswegs abträglich, sondern könnte in Wirklichkeit positiv zu ihm beitragen, indem sie dem Apotheker die Möglichkeit gäbe, sich zum unmittelbaren Nutzen der Kunden auf die Aufgaben und Tätigkeiten zu konzentrieren, die in einem engeren Zusammenhang mit der pharmazeutischen Tätigkeit stünden.

35.      Das in den italienischen Rechtsvorschriften aufgestellte Verbot stütze sich ferner auf die nicht erwiesene Annahme, dass der Apotheker, der Betreiber der Apotheke sei, seinen Beruf fachkundiger ausübe als ein angestellter Apotheker und weniger versucht sei, seinen persönlichen Interessen Vorrang vor dem Allgemeininteresse einzuräumen. Da er keine persönlichen Interessen wirtschaftlicher Art verfolge, sondern genau umrissene berufliche Pflichten übernehme, dürfte der angestellte Apotheke eher als der Apothekeninhaber (unabhängig davon, ob er die Qualifikation des Apothekers besitze oder nicht) geneigt sein, seine Pflichten unter Einhaltung des Gesetzes und der berufsständischen Vorschriften zu erfüllen. Der Entscheidungsspielraum des Apothekers bei der Abgabe der Arzneimittel an die Patienten sei überdies äußerst beschränkt. Er habe vor allem die Pflicht, das verschriebene Arzneimittel abzugeben, ohne über die Möglichkeit einer Substitution – mit Ausnahme der im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fälle – zu verfügen.

36.      Zweitens gingen die streitigen Bestimmungen über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels des Gesundheitsschutzes erforderlich sei, da dieses auch durch Maßnahmen erreicht werden könne, die für die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr weniger einschneidend seien. Insbesondere reiche das Erfordernis der Anwesenheit eines Apothekers in der Apotheke aus, um eine fachgerechte Dienstleistung für den Kunden zu gewährleisten. Außerdem könnte ein System angemessener Kontrollen und wirksamer Sanktionen den Apothekenbetreibern gegenüber zur Anwendung kommen. Ein solches System ermögliche es, den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheken zum Schutz der Gesundheit der Patienten zu kontrollieren und zu gewährleisten. Ebenso sei es denkbar, Mitverantwortungsklauseln in dem Arbeitsvertrag zwischen dem Inhaber der Apotheke und dem für den Betrieb verantwortlichen Apotheker zu vereinbaren. Eine solche solidarische Haftung stelle sicher, dass beide dazu gebracht würden, die mit dem Betrieb der Apotheke verbundenen gemeinwirtschaftlichen Ziele und Verpflichtungen zu erfüllen.

37.      Außerdem zeige die den Aktiengesellschaften ohne öffentliche Mehrheitsbeteiligung vom italienischen Recht eingeräumte Möglichkeit, kommunale Apotheken zu betreiben, dass es der italienische Gesetzgeber für die Gewährleistung der Qualität des Apothekenbetriebs und für einen angemessenen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung nicht für unerlässlich halte, dass die Betreiber von Apotheken Apotheker seien, sofern ein Apotheker in der Apotheke anwesend und für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit Arzneimitteln verantwortlich sei. Dieselben Erwägungen gälten für die Bestimmungen, nach denen die Erben einer privaten Apotheke berechtigt seien, diese über einen gewissen Zeitraum hinweg zu betreiben, ohne im Besitz der erforderlichen Qualifikation zu sein.

38.      Im Übrigen seien die beruflichen Pflichten für den Apotheker, der seine Aufgaben als Inhaber einer Apotheke verrichte, die gleichen wie für den, der sie als angestellter Apotheker verrichte.

39.      Schließlich seien die Erwägungen, die der Gerichtshof im Urteil vom 21. April 2005, Kommission/Griechenland(9), zu Optikergeschäften angestellt habe, auf die Handelstätigkeit der Arzneimittelabgabe im Einzelhandel übertragbar.

40.      Zu diesem Vorbringen macht die Italienische Republik, unterstützt durch die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Republik Lettland und die Republik Österreich, geltend, dass die betreffenden Rechtsvorschriften nicht gegen die Art. 43 EG und 56 EG verstoßen würden, soweit sie den Besitz und den Betrieb einer privaten Apotheke natürlichen Personen mit einem abgeschlossenen Pharmaziestudium und Gesellschaften, deren Gesellschafter ausschließlich Apotheker sind, vorbehalte. Diese Rechtsvorschriften würden ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit angewandt, und die Beschränkungen, die sich daraus ergäben, seien durch das Ziel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, da sie zur Wahrung dieses Ziels geeignet und angemessen seien.

41.      Die Italienische Republik führt aus, sowohl das originäre als auch das abgeleitete Gemeinschaftsrecht hätten die Befugnis der Mitgliedstaaten beibehalten, die im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Regelung des Eigentums an Apotheken festzulegen. Mangels einer gemeinschaftlichen Harmonisierung könnten sie insbesondere die Höhe des Schutzniveaus der Gesundheit der Bevölkerung bestimmen, das bei der Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken gewährleistet sein müsse.

42.      Die Wechselbeziehung zwischen dem Besitz und dem Betrieb der privaten Apotheken einerseits und der Eintragung der Inhaber und Betreiber bei der berufsständischen Vereinigung der Apotheker andererseits sei ein wesentlicher Faktor der Gewährleistung der Qualität des Apothekenwesens in Italien.

43.      Die potenzielle Schädlichkeit von Arzneimitteln erfordere die Kontrolle und Begrenzung ihrer Verwendung. In der Apotheke bestehe daher ein objektiver Konflikt zwischen dem Privatinteresse – das darin bestehe, die wirtschaftliche Rentabilität sicherzustellen – und den Zielen des Allgemeininteresses. Die Sicherstellung des Vorrangs der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen erfordere, dass Apotheken tatsächlich im Eigentum von Personen mit entsprechender Berufserfahrung und fachlicher Befähigung stünden. Nur wenn die Inhaber von Apotheken, die auf den Apothekenbetrieb Einfluss nähmen, über umfassende fachliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügten, sei ein Betrieb möglich, der den Gesundheitsschutz gegenüber wirtschaftlichen Zielsetzungen systematisch in den Vordergrund stelle. Würden aber berufsfremde Personen Apotheken betreiben, bestände die Gefahr, dass sich diese von aus pharmazeutischer Sicht unsachlichen Kriterien leiten ließen.

44.      Die Einschränkung, dass ausschließlich Apotheker Inhaber von Apotheken sein könnten, ermögliche es außerdem, Hersteller oder Pharmagroßhändler vom Erwerb einer Apotheke auszuschließen. Diese Unternehmen könnten versucht sein, vorzugsweise die von ihnen hergestellten oder vertriebenen Waren zu verkaufen, was sich auf den wirklichen therapeutischen Bedarf und die Wahlfreiheit des Patienten nachteilig auswirken würde. Im Übrigen seien die kommerziellen Interessen von Großunternehmen auf eine Verringerung der Vertriebs- und Lagerhaltungskosten und somit auf eine Konzentrierung der Verkaufsstellen auf die am dichtesten bevölkerten Gebiete ausgerichtet. Eine nicht regulierte Eröffnung neuer Apotheken könne zudem einen Anstieg der pharmazeutischen Ausgaben zur Folge haben.

45.      Solche Gefahren seien für Länder oder Regionen, die – wie die Republik Estland, das Königreich Norwegen oder Navarra – eine vollständige Liberalisierung des Zugangs zum Apothekensektor vorgenommen hätten, in verschiedenen Studien aufgezeigt worden, die eine gravierende Verschlechterung hinsichtlich der Qualität der pharmazeutischen Leistungen belegten.

46.      Die wirksame Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben der Apotheken könne nicht durch weniger belastende Maßnahmen erreicht werden. Die Mitgliedstaaten könnten zwar vorsehen, dass angestellte Apotheker die Arzneimittel zubereiteten und verkauften. Ein solcher angestellter Apotheker sei jedoch nicht in der Lage, seinen Beruf völlig unabhängig auszuüben, da er an die Weisungen seines berufsfremden Arbeitgebers gebunden sei.

47.      Auch sei die völlige Wiedergutmachung eines Schadens durch eine Entschädigung wegen der überragenden Bedeutung der Gesundheit ausgeschlossen. Berufshaftpflichtversicherungen oder Schadensersatzleistungen aufgrund einer Haftung für Verschulden Dritter seien keine Möglichkeiten, das Ziel des Gesundheitsschutzes auf genauso wirksame Weise zu erreichen. Dadurch, dass der Besitz an der Apotheke und die Haftung für den Betrieb der Apotheke in der Person eines dem Berufsstand der Apotheker angehörigen Unternehmers zusammengeführt werde, könne dessen Haftung aufgrund zivilrechtlicher und strafrechtlicher Vorschriften um eine berufsständische Haftung ergänzt werden, die unter der Aufsicht der berufsständischen Vereinigung der Apotheker stehe.

48.      Was schließlich den Unterschied in der Regelung der privaten Apotheken und der kommunalen Apotheken angehe, so sei es erforderlich gewesen, für die privaten Apotheken eine zusätzliche Sicherung des Gesundheitsschutzes einzuführen, durch die sich das Modell der Führung einer privaten Apotheke von dem einer kommunalen Apotheke unterscheide, da die kommunalen Apotheken naturgemäß der Aufsicht und Kontrolle der Gebietskörperschaften unterlägen. Bei dem Modell der gemischten Gesellschaften, die die Erbringung öffentlicher Versorgungsleistungen im lokalen Bereich zum Gegenstand hätten, behalte die Gebietskörperschaft Lenkungs-, Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse als Mitbetreiberin und Gesellschafterin, selbst wenn an der Gesellschaft eine private Mehrheitsbeteiligung bestehe. Auch die Tatsache, dass das Eigentum bei der Gebietskörperschaft verbleibe, wenn der Betrieb an einen Dritten übertragen werde, sei geeignet, die Verfolgung des öffentlichen Interesses zu gewährleisten.

C –    Zum zweiten Klagegrund

49.      Mit dem zweiten Klagegrund macht die Kommission geltend, die Italienische Republik habe gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen, indem sie Rechtsvorschriften in Kraft gelassen habe, die es Unternehmen, die Arzneimittel vertreiben, unmöglich machten, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die kommunale Apotheken betreiben.

50.      Diese Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit sei durch das Ziel des Gesundheitsschutzes nicht gerechtfertigt. Die Regelung, dass der Vertrieb von Arzneimitteln mit dem Einzelverkauf von Arzneimitteln generell unvereinbar sei, sei in sich nicht schlüssig, weil sie Abweichungen in erheblichem Ausmaß erlaube.

51.      Insbesondere könne jemand eine Apotheke betreiben und gleichzeitig Gesellschafter einer Vertriebsgesellschaft sein, sofern er in der Gesellschaft keine Entscheidungs- oder Kontrollfunktion ausübe. Eine solche Person könne ein Interesse daran haben, den Verkauf der Waren zu fördern, die von der Gesellschaft vertrieben würden, an der er beteiligt sei. Außerdem gebe es andere Situationen, in denen der Apotheker, der Gesellschafter einer Vertriebsgesellschaft sei, die Möglichkeit habe, diese tatsächlich, sei es unmittelbar oder mittelbar, zu kontrollieren. Die Unvereinbarkeitsregelung sei daher für die natürlichen Personen und die Gesellschaften, die private Apotheken betrieben, sehr flexibel.

52.      Die Regelung sei dagegen für multinationale Gesellschaften, die Beteiligungen an kommunalen Apotheken erwerben wollten, sehr restriktiv. In diesem Fall könne die Gefahr eines Interessenkonflikts geringer oder jedenfalls weniger schwerwiegend sein, da die Gemeinde das Eigentum an der kommunalen Apotheke behalte und über die Apotheke aufgrund eines mit der privaten Betriebsgesellschaft geschlossenen Dienstleistungsvertrags eine unmittelbare und spezifische Kontrolle ausübe.

53.      Die Italienische Republik ist der Auffassung, die im Rahmen des ersten Klagegrundes geltend gemachten Grundsätze gälten in gleicher Weise für die kommunalen Apotheken. Im Übrigen sei das Verbot für Arzneimittelvertriebsgesellschaften, Beteiligungen an kommunalen Apotheken zu erwerben, mit dem Dekret Bersani aufgehoben worden.

V –    Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit der Klage

54.      Nach ständiger Rechtsprechung haben im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage, mit der die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht in Frage gestellt wird, etwaige Änderungen dieser Rechtsvorschriften auf die Entscheidung über die Klage keinen Einfluss, wenn sie nicht vor Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, vorgenommen wurden(10).

55.      Daher ist bei der Entscheidung über die behauptete Vertragsverletzung auf die Rechtsvorschriften abzustellen, die am 19. Februar 2006 in Kraft waren, dem Tag, an dem die Frist von zwei Monaten ablief, die in der der Italienischen Republik am 19. Dezember 2005 zugestellten mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war. Zu diesem Zeitpunkt war das Dekret Bersani noch nicht erlassen worden.

56.      Hieraus folgt, dass alle Stellungnahmen der Kommission und der Italienischen Republik zu den Auswirkungen des Dekrets auf das vorliegende Verfahren nicht berücksichtigt werden können. Insbesondere braucht bei der Prüfung des zweiten Klagegrundes nicht untersucht zu werden, ob das Verbot für die Arzneimittelvertriebsunternehmen, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die kommunale Apotheken betreiben, im italienischen Recht trotz des Dekrets Bersani noch in Kraft ist, sei es, weil bestimmte Rechtsvorschriften fortgelten, sei es, weil die Rechtsprechung die Fortdauer des Verbots festgestellt hat.

57.      Die Italienische Republik kann sich daher nicht darauf berufen, dass die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung nicht konkret und gegenwärtig sei, weil sie sich aus zukünftigen und hypothetischen Entscheidungen der nationalen Gerichte ergebe.

58.      Das sonstige Vorbringen der Italienischen Republik zur Begründung der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage ist ebenfalls zurückzuweisen. Im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Vertragsverletzungsklage ist es nämlich unerheblich, dass die Kommission ihre Klage gegen einen und nicht gegen alle Mitgliedstaaten erhoben hat, die über vergleichbare Rechtsvorschriften verfügen. Überdies hat die Kommission die Gemeinschaftsbestimmungen, in Bezug auf die sie die Feststellung der Vertragsverletzung der Italienischen Republik begehrt, genau bezeichnet, nämlich die Art. 43 EG und 56 EG.

B –    Zum ersten Klagegrund

59.      Mit dem ersten Klagegrund beanstandet die Kommission im Hinblick auf die Art. 43 EG und 56 EG eine der Voraussetzungen, die in Italien für den Besitz und den Betrieb einer privaten Apotheke gelten, nämlich die Voraussetzung des abgeschlossenen Pharmaziestudiums. Die Kommission ist der Ansicht, dass nur für das Eigentum an einer Apotheke ein abgeschlossenes Pharmaziestudium nicht verlangt werden könne. Dagegen sei diese Voraussetzung erforderlich und müsse erfüllt werden, um als verantwortlicher Leiter der Apotheke tätig zu sein, allgemeiner, um im Verhältnis zu den Kunden der Apotheke Aufgaben gleich welcher Art zu erfüllen.

60.      Da die Kommission der Italienischen Republik vorwirft, ihre Verpflichtungen sowohl aus Art. 43 EG als auch aus Art. 56 EG verletzt zu haben, ist in erster Linie zu prüfen, ob die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften anhand der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Kapitalverkehrs oder nur anhand einer dieser Verkehrsfreiheiten zu messen sind.

61.      Unter diesem Gesichtspunkt ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Beantwortung der Frage, ob nationale Rechtsvorschriften unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fallen, der Zweck der betreffenden Rechtsvorschriften zu berücksichtigen ist(11).

62.      Insoweit ist festzustellen, dass der Hauptzweck der Bestimmungen der italienischen Rechtsvorschriften, um die es im Rahmen des ersten Klagegrundes geht, darin besteht, eine Voraussetzung für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit aufzustellen, im vorliegenden Fall für die Ausübung der pharmazeutischen Tätigkeit als Inhaber einer Apotheke. Nach diesen Bestimmungen ist das Recht, eine private Apotheke zu besitzen und zu betreiben, natürlichen Personen mit abgeschlossenem Pharmaziestudium sowie Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorbehalten, deren Gesellschafter ausschließlich Apotheker sind. Indem die italienischen Rechtsvorschriften auf diese Weise die Errichtung privater Apotheken in Italien und somit die Voraussetzungen für die Niederlassung natürlicher und juristischer Personen im Apothekensektor regeln, berühren sie überwiegend die Niederlassungsfreiheit. Sie fallen somit vorrangig in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Vertrags, die diese Freiheit betreffen.

63.      Sollte eine solche nationale Maßnahme zu Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs führen, wären derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten keine Prüfung dieser Rechtsvorschriften im Hinblick auf Art. 56 EG(12).

64.      Folglich werde ich den ersten Klagegrund nur unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit, genauer gesagt, im Hinblick auf die Art. 43 EG und 48 EG prüfen(13).

65.      Bevor ich prüfe, ob die Vorschrift, nach der allein die Personen eine Apotheke besitzen und betreiben können, die zur Ausübung des Apothekerberufs berechtigt sind, mit den Art. 43 EG und 48 EG im Einklang steht, werde ich einige Vorbemerkungen zur Natur der jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft im Bereich des Gesundheitswesens machen.

1.      Vorbemerkungen zur Natur der jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung

66.      Mit Art. 152 EG ist der Gemeinschaft keine uneingeschränkte Zuständigkeit im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung übertragen worden. Diese Zuständigkeit bleibt daher zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilt.

67.      Die Modalitäten dieser Zuständigkeitsteilung, wie sie sich aus dem Wortlaut des Art. 152 EG ergeben, lassen eine gemeinsame Zuständigkeit mit nationaler Dominanz erkennen(14).

68.      Die Beibehaltung einer nationalen Zuständigkeit im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung ist in Art. 152 Abs. 5 EG ausdrücklich wie folgt festgelegt: „Bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt.“

69.      Dass mit der Übertragung einer Zuständigkeit im Gesundheitswesen auf die Gemeinschaft kein Zuständigkeitsentzug für die Mitgliedstaaten verbunden ist, folgt auch aus der Natur der nationalen und der gemeinschaftlichen Zuständigkeiten, wie sie sich aus Art. 152 EG ergibt. Es handelt sich nämlich sowohl um ergänzende Zuständigkeiten, da die Tätigkeit der Gemeinschaft die nationale Gesundheitspolitik ergänzt, als auch um koordinierte Zuständigkeiten, da mit dem Handeln der Gemeinschaft die nationalen Maßnahmen auf diesem Gebiet koordiniert werden sollen.

70.      Alles in allem enthalten die Bestimmungen des Art. 152 EG die Grundlagen für eine wenig integrierte Gesundheitspolitik und lassen daneben einen Bereich geschützter nationaler Zuständigkeit erkennen.

71.      Diese Entscheidung der Verfasser des Vertrags ist meines Erachtens vom Gerichtshof gebührend zu berücksichtigen. Insbesondere sollte der Gerichtshof, wenn er mit einer nationalen Maßnahme bezüglich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung befasst ist, stets dem Umstand Rechnung tragen, dass es um einen gleichsam verfassungsrechtlichen Schutz der nationalen Zuständigkeit in diesem Bereich geht(15).

72.      Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen verbliebenen Zuständigkeit ihre gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen außer Acht lassen könnten. Bekanntlich müssen sie nämlich hierbei das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Bestimmungen des Vertrags über die Verkehrsfreiheiten beachten. Diese Bestimmungen untersagen es den Mitgliedstaaten, ungerechtfertigte Beschränkungen der Ausübung dieser Freiheiten im Bereich der Gesundheitsversorgung einzuführen oder beizubehalten(16).

73.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts bei Weitem nicht alle Bedingungen für die Ausübung der pharmazeutischen Tätigkeiten Gegenstand von Koordinierungsmaßnahmen und noch weniger von Harmonisierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene gewesen sind, wie der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 bezeugt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber führt dort aus, dass z. B. die geografische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen sollen. Zudem wird dort erklärt, dass die Richtlinie keine Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten berührt, die Gesellschaften die Ausübung bestimmter Tätigkeiten des Apothekers verbieten oder ihnen für die Ausübung solcher Tätigkeiten bestimmte Auflagen machen. In diesen nicht harmonisierten Bereichen sind die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der Beachtung der Vertragsbestimmungen, insbesondere derjenigen über die Niederlassungsfreiheit, weiterhin für den Erlass der Rechtsvorschriften zuständig(17).

74.      Um Bestand zu haben, muss eine nationale Regelung, nach der nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben dürfen, demnach mit Art. 43 EG im Einklang stehen, selbst wenn sie Ausdruck einer den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeit im Bereich des Gesundheitswesens und insbesondere im Bereich seiner Organisation und der medizinischen Versorgung ist.

75.      Der Umstand, dass eine derartige Vorschrift im ausdrücklich von Art. 152 Abs. 5 EG geschützten Bereich der verbliebenen nationalen Zuständigkeit ergeht, ist jedoch nicht ohne Folgen. Der Gerichtshof muss diesen im Vertrag verankerten Schutz der nationalen Zuständigkeit nämlich bei der Beurteilung berücksichtigen, ob die genannte Regelung im Hinblick auf ein im Allgemeininteresse liegendes Erfordernis wie den Gesundheitsschutz gerechtfertigt ist. Er kann sich insoweit auf seine Rechtsprechung beziehen, wonach bei der Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung beachtet worden ist, berücksichtigt werden muss, dass der Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll(18).

76.      Nach diesen Vorbemerkungen ist zunächst zu prüfen, ob die italienische Regelung, nach der Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben dürfen, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen kann.

2.      Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

77.      Die mit den Art. 43 EG und 48 EG eingeführte Niederlassungsfreiheit verleiht den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften das Recht zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat und zur dauerhaften Ausübung dieser Tätigkeit dort unter denselben Bedingungen, wie sie für Gesellschaften mit Sitz in diesem Staat gelten. Diese grundlegende Freiheit gilt auch für die Gründung und Leitung von Unternehmen sowie für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften. Nach Art. 43 EG sind diskriminierende Maßnahmen zu beseitigen.

78.      Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich überdies, dass Maßnahmen, die zwar unterschiedslos anwendbar sind, jedoch die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die Gemeinschaftsangehörigen untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen, Beschränkungen darstellen, die dem Vertrag zuwiderlaufen(19).

79.      Nach den italienischen Rechtsvorschriften ist der Betrieb einer privaten Apotheke natürlichen Personen mit abgeschlossenem Pharmaziestudium sowie Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorbehalten, deren ausschließlicher Zweck im Betrieb einer Apotheke besteht und deren Gesellschafter Apotheker sind, die bei der berufsständischen Vereinigung der Apotheker eingetragen sind.

80.      Diese Voraussetzungen bewirken, dass die Angehörigen der Mitgliedstaaten, die keine Apotheker sind, am Besitz und am Betrieb einer privaten Apotheke in Italien gehindert werden. Die genannten Voraussetzungen können wegen ihrer Auswirkungen auf den Marktzugang für natürliche oder juristische Personen, die in Italien eine private Apotheke errichten wollen, als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit angesehen werden. Indem sie den Zugang neuer Wirtschaftsteilnehmer zu dem relevanten Markt behindern, stellen sie nämlich objektiv Schranken für die Verkehrsfreiheiten dar, die den Wirtschaftsteilnehmern grundsätzlich zugutekommen sollen.

81.      Nachdem festgestellt worden ist, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt, ist nunmehr zu prüfen, ob das Verbot für Nichtapotheker, eine Apotheke zu besitzen und zu betreiben, als nach dem Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt angesehen werden kann.

3.      Zur Rechtfertigung der festgestellten Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

82.      Eine Beschränkung, wie sie in den italienischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, kann als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden, wenn sie die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt. Sie muss zunächst in nicht diskriminierender Weise angewandt werden. Sie muss sodann durch einen legitimen Grund oder einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Sie muss schließlich zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(20).

83.      Erstens sind bei den in Rede stehenden Rechtsvorschriften keine diskriminierenden Merkmale zu erkennen, da diese Vorschriften ohne Unterscheidung nach Herkunftsmitgliedstaat für alle gelten, die in Italien eine Apotheke errichten und betreiben wollen.

84.      Zweitens gehört der Gesundheitsschutz zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die nach Art. 46 Abs. 1 EG Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können(21). Die italienischen Rechtsvorschriften sind somit anhand dieses Ziels zu prüfen, insbesondere in Anbetracht ihrer Ausrichtung auf eine angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.

85.      Was drittens die Frage anbelangt, ob eine solche Regelung zur Erreichung des Ziels des Gesundheitsschutzes geeignet ist, muss geprüft werden, ob das Besitz‑ und Betriebsverbot für Nichtapotheker geeignet ist, dem genannten Ziel in sachgerechter Weise zu dienen.

86.      Meines Erachtens ist dies der Fall. Genauer gesagt ist diese Vorschrift geeignet, eine Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, die eine hinreichende Gewähr für Qualität und Auswahl bietet.

87.      Das Argument der Kommission, es müsse bei der pharmazeutischen Tätigkeit zwischen den internen Aspekten (Eigentum, Führung und Leitung der Apotheke) und den externen Aspekten (Beziehungen zu Dritten) unterschieden werden, überzeugt mich nicht. Wer als Eigentümer und Arbeitgeber eine Apotheke besitzt, beeinflusst meines Erachtens nämlich zwangsläufig die Arzneimittelabgabepolitik in dieser Apotheke. Die Entscheidung des italienischen Gesetzgebers, die berufliche Kompetenz mit dem wirtschaftlichen Eigentum an der Apotheke zu verbinden, lässt sich demnach im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung rechtfertigen.

88.      Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Aufgabe, die der Apotheker erfüllt, sich nicht im Verkauf von Arzneimitteln erschöpft. Die Arzneimittelabgabe erfordert vom Apotheker noch andere Leistungen, wie etwa die Prüfung der ärztlichen Verschreibungen, die Zubereitung von Arzneimittelpräparaten oder auch die Erteilung von Auskünften und Ratschlägen zur richtigen Anwendung der Arzneimittel(22). Zudem hat die Beratungspflicht des Apothekers große Bedeutung bei Arzneimitteln, die keiner ärztlichen Verschreibung bedürfen, deren Zahl als Folge der Entscheidungen der Staaten zur Wahrung des Gleichgewichts der Sozialetats ständig zunimmt. Hierbei kann sich der Patient nämlich nur auf die Auskünfte eines Fachmanns in Gesundheitsfragen verlassen. Dieser Fachmann ist der Apotheker.

89.      Da die pharmazeutische Tätigkeit wie zahlreiche Berufe des Gesundheitswesens durch eine asymmetrische Informationsverteilung gekennzeichnet ist, muss der Patient volles Vertrauen in den vom Apotheker erteilten Rat setzen können. Es ist daher wichtig, die Neutralität der pharmazeutischen Beratung, d. h. einen kompetenten und objektiven Rat, zu gewährleisten

90.      Zudem ist der Apotheker aus den vorgenannten Gründen eng in eine allgemeine Gesundheitspolitik eingebunden, die weitgehend unvereinbar mit der rein kaufmännischen Denkweise von Kapitalgesellschaften ist, die unmittelbar auf Rentabilität und Gewinn ausgerichtet sind. Der spezifische Charakter der dem Apotheker übertragenen Aufgabe erfordert demnach, dass dem Fachmann die für die Art seiner Tätigkeit nötige Unabhängigkeit zuerkannt und gewährleistet wird.

91.      Somit steht die Qualität der Arzneimittelabgabe in engem Zusammenhang mit der Unabhängigkeit, die ein Apotheker bei der Erfüllung seiner Aufgabe wahren muss.

92.      Mit der Entscheidung, das Eigentum und den Betrieb von privaten Apotheken Apothekern vorzubehalten, wollte der italienische Gesetzgeber gerade die Unabhängigkeit der Apotheker gewährleisten, indem er die wirtschaftliche Struktur der Apotheken gegen äußere Einflüsse abschottete, die z. B. von Arzneimittelherstellern oder Großhändlern ausgehen. Er wollte insbesondere der Gefahr von Interessenkonflikten, die nach seiner Auffassung mit einer vertikalen Integration des Pharmasektors verbunden sein könnte, vorbeugen, um u. a. das Phänomen des übermäßigen Arzneimittelkonsums zu bekämpfen und in den Apotheken eine hinreichende Auswahl von Arzneimitteln zu garantieren. Der italienische Gesetzgeber hielt zudem die Einschaltung eines Fachmanns für erforderlich, der als Filter zwischen dem Arzneimittelhersteller und dem Publikum dient, um in unabhängiger Weise einen sachgerechten Arzneimittelgebrauch zu kontrollieren.

93.      Ein Apotheker, der Eigentümer seiner Apotheke ist, ist finanziell unabhängig, wodurch die freie Ausübung seines Berufs gewährleistet wird. Ein solcher Apotheker hat die volle Kontrolle über seine Arbeitsmittel und übt seinen Beruf mit der Unabhängigkeit aus, die für die freien Berufe kennzeichnend ist. Er ist Leiter eines Unternehmens mit Nähe zu den wirtschaftlichen Realitäten, denen er sich bei der Führung seiner Apotheke stellen muss, und zugleich ein Gesundheitsfachmann, der bestrebt ist, die wirtschaftlichen Zwänge, denen er unterliegt, mit Erwägungen der öffentlichen Gesundheit in Einklang zu bringen, wodurch er sich von einem reinen Investor unterscheidet.

94.      Ich bin daher der Meinung, dass der präventive Ansatz des italienischen Gesetzgebers geeignet ist, den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

95.      Zum Schluss ist zu prüfen, ob die Regelung, nach der nur ein Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben kann, erforderlich ist, um das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen, und ob dieses Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreicht werden könnte, die weniger weit gehen oder die Niederlassungsfreiheit weniger beeinträchtigen.

96.      In dieser Hinsicht ist nach Auffassung des Gerichtshofs bei der Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung beachtet worden ist, zu berücksichtigen, dass der Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da dieses Niveau sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein entsprechender Beurteilungsspielraum zuzuerkennen, so dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Vorschriften erlässt, die weniger streng sind als die in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen, nicht bedeutet, dass Letztere unverhältnismäßig wären(23).

97.      Mit dem Erlass der Regelung, dass nur ein Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben kann, hat der italienische Gesetzgeber von diesem Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht, wobei er sich für ein System entschieden hat, das seines Erachtens ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere eine angemessene Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gewährleistet.

98.      Wie andere Mitgliedstaaten hätte der italienische Gesetzgeber ein anderes Modell wählen und andere Mittel für den Gesundheitsschutz einsetzen können, indem er z. B. nur die Eröffnung neuer Apotheken von Voraussetzungen abhängig gemacht hätte, die die geografische Verteilung der Apotheken, eine bestimmte Einwohnerzahl pro Apotheke oder Regeln für den Mindestabstand zwischen zwei Apotheken betreffen. Unter den anderen Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen genießt, könnte ein Mitgliedstaat sich für die Aufrechterhaltung des Monopols der Apotheken für den Verkauf von Arzneimitteln und/oder für eine Preisregulierung für Arzneimittel entscheiden.

99.      Alles in allem ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 152 Abs. 5 EG in Ermangelung einer Harmonisierung der gesamten Voraussetzungen für die Ausübung der Apothekertätigkeit in der Gemeinschaft über einen Beurteilungsspielraum verfügen, um das Modell zu erstellen, das ihren Bestrebungen, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, am besten entspricht.

100. Bei der Prüfung, ob eine nationale Maßnahme wie die hier in Rede stehende den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, muss sich der Gerichtshof schließlich vergewissern, dass die Mitgliedstaaten nicht die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten haben. Er prüft auch, ob andere Maßnahmen nicht ebenso wirksam zur Gewährleistung eines hohen Niveaus für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung beitragen würden.

101. Meines Erachtens hat die Italienische Republik mit der Regelung, dass nur ein Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben kann, nicht die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums im Bereich des Gesundheitsschutzes überschritten, so dass diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Sicherstellung eines hohes Niveaus für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung erforderlich ist.

102. So bin ich nicht davon überzeugt, dass die Maßnahmen, die dem Gerichtshof vorgetragen worden sind und die nach Auffassung der Kommission an die Stelle der italienischen Vorschrift treten sollten, ein gleich hohes Niveau für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sicherstellen könnten.

103. Allgemein ist zunächst zu betonen, dass die Regelung, die Nichtapothekern den Besitz und den Betrieb von Apotheken verbietet, eine Maßnahme darstellt, mit der die vorstehend beschriebenen Auswüchse vermieden werden sollen, insbesondere die Interessenkonflikte, die sich aus einer vertikalen Integration des pharmazeutischen Bereichs ergeben und die Qualität der Abgabe von Arzneimitteln negativ beeinflussen könnten. Diesem präventiven Gesichtspunkt kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn das Gebot des Gesundheitsschutzes auf dem Spiel steht. Die Einführung einer Haftung sowohl des Betreibers, der nicht Apotheker ist, als auch der angestellten Apotheker und die von Sanktionen gegenüber diesen Personen reichen hingegen nicht aus, um ein gleich hohes Niveau für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen, da es sich hierbei in erster Linie um Maßnahmen handelt, mit denen die Auswüchse nachträglich korrigiert werden sollen, nachdem sie bereits eingetreten sind(24).

104. Zudem kann die Anwesenheitspflicht eines angestellten Apothekers, der Aufgaben in Beziehung zu Dritten wahrnimmt, meines Erachtens nicht eine angemessene Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mit demselben Qualitäts- und Neutralitätsanspruch bei der Arzneimittelabgabe gewährleisten.

105. Ein angestellter Apotheker ist zwar gehalten, die für ihn geltenden beruflichen und berufsethischen Regeln zu beachten. Da er jedoch nicht die Geschäftspolitik der Apotheke bestimmt und in der Praxis die Weisungen seines Arbeitgebers befolgen muss, ist nicht auszuschließen, dass ein angestellter Apotheker, der in einer von einem Berufsfremden betriebenen Apotheke angestellt ist, dazu gebracht wird, das wirtschaftliche Interesse der Apotheke gegenüber den Erfordernissen, die mit der Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit verbunden sind, in den Vordergrund zu stellen. So ist auch nicht auszuschließen, dass ein berufsfremder Betreiber, der nicht über genügende berufliche Kompetenz verfügt, um zu beurteilen, was die Abgabe von Arzneimitteln erfordert, versucht sein könnte, die Patientenberatung einzuschränken oder wenig rentable Geschäftsbereiche, wie die Zubereitung von Arzneipräparaten, aufzugeben. Daraus ergäbe sich eine Qualitätsminderung bei der Arzneimittelabgabe, die ein angestellter Apotheker, der den Weisungen seines Arbeitgebers nachkommen muss, schwerlich bekämpfen könnte.

106. Ganz grundlegend ist zu bemerken, dass die Unterscheidung zwischen internen und externen Aspekten der pharmazeutischen Tätigkeit gekünstelt ist und zwangsläufig der Betreiber die Geschäftspolitik der Apotheke bestimmt, da er die Kontrolle über dieselbe ausübt. So erscheint es kaum vorstellbar, dass ein berufsfremder Apothekenbetreiber nicht in die Beziehungen zwischen Apotheker und Kunden eingreift, und sei es auch mittelbar, indem er das Arzneimittellager der Apotheke verwaltet. Eine schlechte Verwaltung dieses Lagers würde sich notwendigerweise auf die Qualität der Arzneimittelabgabe auswirken.

107. Die italienische Regelung ist daher notwendig, da sie bewirkt, dass der Apotheker als Eigentümer seiner Apotheke sich für seine Entscheidungen bezüglich der Qualität der Dienstleistungen seiner Apotheke persönlich vor seinesgleichen zu verantworten hat, dass er persönlich allen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und allen berufsethischen Regeln für die Ausübung des Apothekerberufs unterliegt und dass er die Geschäfte seiner Apotheke völlig unbeeinflusst von berufsfremden Dritten führen kann.

108. So kann der Betreiber dank der Verbindung zwischen der beruflichen Kompetenz im Arzneimittelbereich und dem Eigentum an der Apotheke die Folgen seiner geschäftlichen Entscheidungen für die Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe öffentlichen Interesses, d. h. eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, richtig beurteilen.

109. Schließlich ist die Verknüpfung der Betriebserlaubnis für eine Apotheke mit der Person des Apothekers ein wirksames Mittel, um die Ordnungsmäßigkeit der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, insbesondere weil für den Apotheker als Betreiber der Apotheke im Fall eines Berufsvergehens die Gefahr besteht, dass ihm nicht nur die Approbation, sondern auch die Betriebserlaubnis entzogen wird, wobei die daraus entstehenden schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen zu bedenken sind. Abgesehen von den disziplinarrechtlichen Folgen setzt der Apotheker durch Berufsvergehen seine wirtschaftliche Existenz aufs Spiel, was einen zusätzlichen Anreiz bietet, seine Apotheke so zu führen, dass das Erfordernis der öffentlichen Gesundheit Vorrang genießt. Die Regelung, nach der die Kompetenz und die Berufsethik mit der wirtschaftlichen Verantwortung für die Apotheke in ein und derselben Person zu vereinen sind, ist somit notwendig, um dem Allgemeininteresse Vorrang zu verleihen.

110. Aufgrund dieser Erwägungen bin ich daher der Auffassung, dass die italienische Regelung, nach der nur ein Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben darf, nicht über das hinausgeht, was zur Gewährleistung eines hohen Niveaus für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere zur Sicherstellung einer vielfältigen und qualitativ guten Arzneimittelversorgung der Bevölkerung erforderlich ist. Wenn somit verlangt wird, dass derjenige, der eine Apotheke wirtschaftlich beherrscht und folglich die Geschäftspolitik derselben bestimmt, Apotheker ist, so stimmt dies meines Erachtens mit Art. 43 EG überein.

111. Die vorstehende Untersuchung des angemessenen und verhältnismäßigen Charakters der Regelung, nach der nur ein Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben darf, wird entgegen der Auffassung von DocMorris und der Kommission auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Betrieb einer Apotheke durch einen Berufsfremden nach dem italienischen Recht unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist. Es geht dabei um folgende Fälle.

112. Es geht zunächst um die den Erben des Eigentümers einer privaten Apotheke gebotene Möglichkeit, die Apotheke während einer Dauer von höchstens zehn Jahren nach dem Tod des Apothekers zu betreiben, auch wenn sie nicht die erforderliche Qualifikation besitzen. Der italienische Gesetzgeber hat mit dieser Regelung versucht, die Vorschrift, die dem Berufsfremden den Besitz und den Betrieb einer Apotheke verbietet, mit dem Erfordernis in Einklang zu bringen, die Interessen der Familie des Apothekers zu schützen. Diese Ausnahme scheint mir nicht geeignet, die Kohärenz der italienischen Rechtsvorschriften in Frage zu stellen, da sie zum einen zeitlich begrenzt ist und zum anderen den Hauptzweck der Rechtsvorschriften, nämlich der Gefahr von Interessenkonflikten vorzubeugen, die mit einer vertikalen Integration des Pharmasektors verbunden sein könnten, nicht beeinträchtigt.

113. Es geht sodann um die besondere Lage der kommunalen Apotheken. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass Art. 116 des Decreto legislativo Nr. 267 vom 18. August 2000 die Möglichkeit vorsieht, dass Gemeinden zum Betrieb von kommunalen Apotheken Aktiengesellschaften gründen, deren Gesellschafter nicht notwendigerweise Apotheker sind. Die Aufspaltung zwischen dem Besitz der Apotheke, deren Inhaberin die lokale Einheit bleibt, und dem Betrieb, der einer Gesellschaft mit mehrheitlich privatem Kapital übertragen wird, deren Gesellschafter nicht ausschließlich Apotheker sind, ist für diese Art von Apotheken somit zulässig.

114. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Eigentums und des Betriebs einer Apotheke ist meines Erachtens nicht geeignet, die Kohärenz der italienischen Rechtsvorschriften zu beeinträchtigen. Wie nämlich die Italienische Republik dargetan hat, verfügt die Gebietskörperschaft, die einer privaten Gesellschaft die Leitung einer Apotheke überträgt, über eine Reihe von Befugnissen, um die Art, wie die Apotheke der Aufgabe der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nachkommt, lenken und beaufsichtigen zu können.

115. Die Kontrolle der Kommune über den Betrieb der Apotheke erfolgt zunächst nach den Vorgaben, die im Einzelfall in die Ausschreibung, in die Satzung der Dienstleistungsgesellschaft und in den Dienstleistungsvertrag aufgenommen werden. Diese Vorgaben betreffen die konkreten Bedingungen für den Betrieb der Apotheke, insbesondere die Fragen bezüglich der Aufsicht, die die Kommune ausübt, und der Sanktionen, denen sich der Dienstleistungserbringer aussetzt, wenn der Betrieb nicht im Einklang mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes steht. Abgesehen davon, dass die Gebietskörperschaft Inhaberin der Apotheke bleibt und die Vertragsbeziehung, in der sie mit der beauftragten Gesellschaft steht, beenden kann, ist die Gebietskörperschaft zudem befugt, einen oder mehrere Verwalter und Abschlussprüfer zu bestellen.

116. Durch all dies ist meines Erachtens gewährleistet, dass der Betrieb der kommunalen Apotheken den Vorrang des Allgemeininteresses, genauer gesagt eine angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, konkret sicherstellt. Die Kohärenz der italienischen Rechtsvorschriften ist somit nicht beeinträchtigt.

117. Schließlich ist das Argument zurückzuweisen, dass die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Kommission/Griechenland zum Betrieb der Optikergeschäfte auf die Apotheken zu übertragen seien.

118. Die Kommission hatte mit ihrer Vertragsverletzungsklage gegen die Hellenische Republik beantragt, festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 48 EG verstoßen hat. Sie warf erstens dem genannten Mitgliedstaat vor, einem diplomierten Optiker als natürlicher Person nicht zu erlauben, mehr als ein Optikergeschäft zu betreiben. Sie beanstandete zweitens die nationalen Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit, dass eine juristische Person ein Optikergeschäft eröffnet, davon abhängig machen,

–        dass die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Optikergeschäfts auf den Namen eines anerkannten Optikers als natürlicher Person ausgestellt wird, dass die Person, die die Erlaubnis für den Betrieb des Geschäfts besitzt, mit mindestens 50 % am Gesellschaftskapital sowie an den Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft beteiligt ist, dass die Gesellschaft die Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft hat und

–        dass der betreffende Optiker höchstens noch an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist, die Eigentümer eines Optikergeschäfts ist, vorausgesetzt, dass die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Geschäfts auf den Namen eines anderen anerkannten Optikers ausgestellt ist.

119. Nachdem er eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bejaht hatte(25), prüfte der Gerichtshof im Ganzen, ob die verschiedenen beanstandeten Aspekte der griechischen Rechtsvorschriften durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt sind. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei, da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet worden sei.

120. Er erklärt hierzu, „dass das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, auf das die Hellenische Republik sich beruft, mit Maßnahmen erreicht werden kann, die die Niederlassungsfreiheit sowohl natürlicher Personen als auch juristischer Personen weniger einschränken, z. B. durch das Erfordernis, dass in jedem Optikergeschäft als Arbeitnehmer oder als Gesellschafter diplomierte Optiker anwesend sein müssen, durch die für die zivilrechtliche Haftung für das Verhalten eines Dritten geltenden Vorschriften sowie durch Bestimmungen, die eine Berufshaftpflichtversicherung vorschreiben“(26).

121. Der Gerichtshof sollte meines Erachtens anders entscheiden hinsichtlich der Abgabe von Arzneimitteln, die sich aufgrund ihrer weitreichenden Auswirkung auf die Gesundheit der Bevölkerung vom Verkauf optischer Erzeugnisse unterscheidet.

122. Der Gerichtshof hat zwar anerkannt, dass der Verkauf optischer Erzeugnisse wie Kontaktlinsen nicht als eine Handelstätigkeit wie jede andere angesehen werden kann, da der Verkäufer in der Lage sein muss, den Benutzern Informationen zum Gebrauch und zur Pflege solcher Erzeugnisse zu geben(27). Er hat daher die Auffassung vertreten, dass nationale Rechtsvorschriften, die den Verkauf von Kontaktlinsen und damit zusammenhängenden Erzeugnissen in Handelsbetrieben verbieten, die nicht von Personen geleitet oder geführt werden, die die für die Ausübung des Berufs des Augenoptikers erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt seien(28).

123. Da Arzneimittel aber Erzeugnisse sind, die sich schwerwiegender auf die Gesundheit auswirken können als optische Erzeugnisse und die im Fall falschen Gebrauchs sogar zum Tod des Patienten führen können, sind für ihre Abgabe besondere Garantien erforderlich. Ich halte es daher für rechtmäßig, wenn ein Mitgliedstaat ein hohes Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit dadurch erreichen will, dass er die Qualität und Neutralität bei der Abgabe von Arzneimitteln zu erhalten versucht.

124. Da die Abgabe von Arzneimitteln im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung nicht in gleicher Weise wie der Verkauf optischer Erzeugnisse behandelt werden kann, kann ein Mitgliedstaat ohne Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus den vorstehend dargelegten Gründen entscheiden, dass er den Besitz und den Betrieb von Apotheken nur Apothekern vorbehält.

125. Aus all diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, den ersten Klagegrund der Kommission für unbegründet zu erklären.

C –    Zum zweiten Klagegrund

126. Mit dem zweiten Klagegrund beantragt die Kommission festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen hat, indem sie Rechtsvorschriften in Kraft gelassen hat, die es Unternehmen, die Arzneimittel vertreiben, unmöglich machen, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die kommunale Apotheken betreiben.

127. Ich erinnere zunächst daran, dass bei Ablauf der Frist, die in der der Italienischen Republik zugestellten mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, das Dekret Bersani, das das genannte Verbot aufgehoben hatte, noch nicht erlassen worden war. Es kann demnach vom Gerichtshof bei der Entscheidung über das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht berücksichtigt werden.

128. Was sodann die Reichweite des Klagegrundes angeht, ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der von der Kommission in einigen Passagen ihrer Schriftsätze vertretenen Auffassung(29) der Klagegrund nicht auf die privaten Apotheken ausgedehnt werden kann, da er sich in seiner Formulierung seit der vorprozessualen Phase allein auf die kommunalen Apotheken erstreckt.

129. Der Gerichtshof hat seine Beurteilung somit auf die Frage zu beschränken, ob die Art. 43 EG und 56 EG dagegen sprechen, dass einem Unternehmen, das Arzneimittel vertreibt, verboten wird, sich am Kapital einer Gesellschaft zu beteiligen, die eine kommunale Apotheke betreibt.

130. Anders als beim ersten Klagegrund geht es hier nicht um die Prüfung, ob eine Voraussetzung für die Ausübung der pharmazeutischen Tätigkeit als Inhaber einer Apotheke mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht. Ich erinnere daran, dass in dem System des Betriebs der kommunalen Apotheken die Kommunen Inhaber der Apotheken bleiben und dass sie nur die Leitung der Apotheke auf eine Gesellschaft übertragen, dessen Kapital mehrheitlich in privaten Händen liegen kann. Die Frage ist hier somit, ob es mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, dass ein Unternehmen, das Arzneimittel vertreibt, daran gehindert wird, sich über eine Beteiligung am Kapital der privaten Betreibergesellschaft an dem Betrieb einer kommunalen Apotheke zu beteiligen.

131. Da dieses Verbot nicht nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, die die kommunale Apotheke betreibt, auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, kann es sowohl unter Art. 43 EG als auch unter Art. 56 EG fallen.(30)

1.      Zum Vorliegen von Beschränkungen der Verkehrsfreiheiten

132. Nach den Feststellungen des Gerichtshofs sind nationale Maßnahmen als „Beschränkungen“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG anzusehen, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren(31).

133. Da die italienischen Rechtsvorschriften bewirken können, Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und im Sektor des Arzneimittelvertriebs tätig sind, davon abzuhalten, finanzielle Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, deren Gegenstand der Betrieb einer kommunalen Apotheke in Italien ist, stellen sie eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

134. Bezüglich der Niederlassungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung in den sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit nationale Vorschriften, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen(32).

135. Da die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften zumindest teilweise bewirken, dass die Unternehmen des Arzneimittelvertriebs am Kapital der Gesellschaften, die kommunale Apotheken betreiben, keine Beteiligungen erwerben können, die ihnen einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaften gewähren und es ihnen ermöglichen, deren Tätigkeiten zu bestimmen, ist auch davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit beinhalten.

2.      Zur Rechtfertigung der festgestellten Beschränkungen

136. Ebenso wie die Niederlassungsfreiheit kann der freie Kapitalverkehr durch nationale Regelungen beschränkt werden, die aus den in Art. 58 EG genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, soweit keine gemeinschaftliche Harmonisierungsmaßnahme vorliegt, die bereits die zur Gewährleistung des Schutzes dieser Interessen erforderlichen Maßnahmen vorsieht(33).

137. Der Umstand, dass Unternehmen, die Arzneimittel vertreiben, keine Beteiligungen an Gesellschaften erwerben können, die kommunale Apotheken betreiben, ist meines Erachtens durch das Ziel eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt.

138. Ich erinnere daran, dass nach den italienischen Rechtsvorschriften die Kommunen die Möglichkeit haben, zum Betrieb von kommunalen Apotheken Aktiengesellschaften zu gründen, deren Gesellschafter nicht notwendigerweise Apotheker sind.

139. Ich habe ausgeführt, dass diese Durchbrechung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Eigentums und des Betriebs einer Apotheke nicht geeignet ist, die Kohärenz der italienischen Rechtsvorschriften zu beeinträchtigen, da aufgrund einer Reihe von Garantien gewährleistet ist, dass der Betrieb der kommunalen Apotheken dem Allgemeininteresse, genauer gesagt einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, konkret den Vorrang gewährt. Insbesondere tragen die Lenkungs- und Aufsichtsbefugnisse, über die die Kommune gegenüber der Betreibergesellschaft der kommunalen Apotheke verfügt, dazu bei, der Gefahr von Interessenkonflikten vorzubeugen, die mit der Beteiligung von Nichtapothekern am Betrieb einer Apotheke dieser Art verbunden ist.

140. Dadurch, dass Unternehmen, die Arzneimittel vertreiben, keine Beteiligungen an Gesellschaften erwerben können, die kommunale Apotheken betreiben, wird eine zusätzliche Sicherheit geschaffen, durch die in verstärktem Maße die Gefahr von Interessenkonflikten verhindert werden kann, die sich aus der Beteiligung dieser Art von Wirtschaftsteilnehmern für den Betrieb der kommunalen Apotheken ergeben könnte.

141. Ich bin daher der Ansicht, dass die Italienische Republik das Verbot für die Arzneimittelvertriebsunternehmen, Beteiligungen an Gesellschaften zu erwerben, die kommunale Apotheken betreiben, beibehalten durfte, ohne damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verstoßen.

142. Folglich ist der zweite Klagegrund für unbegründet zu erklären.

VI – Ergebnis

143. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        die vorliegende Vertragsverletzungsklage als unbegründet abzuweisen und

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Kosten aufzuerlegen, während die Streithelfer ihre eigenen Kosten zu tragen haben.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Urteil vom 21. Juni 1974 (2/74, Slg. 1974, 631).


3 – Urteil vom 3. Dezember 1974 (33/74, Slg. 1974, 1299).


4 – Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 75/362/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 167, S. 1) heißt es daher, dass aufgrund des EWG-Vertrags seit Ablauf der Übergangszeit jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung bei der Niederlassung und im Dienstleistungsverkehr untersagt ist.


5 – ABl. L 253, S. 34.


6 – ABl. L 253, S. 37.


7 – ABl. L 255, S. 22.


8 – Nach Angaben der Italienischen Republik gibt es ungefähr 1 600 kommunale und 16 000 private Apotheken.


9 – C‑140/03, Slg. 2005, I‑3177.


10 – Vgl. insbesondere Urteile vom 21. September 1999, Kommission/Irland (C‑392/96, Slg. 1999, I‑5901, Randnr. 86), vom 9. Dezember 2004, Kommission/Frankreich (C‑177/03, Slg. 2004, I‑11671, Randnr. 19), und vom 21. Februar 2008, Kommission/Italien (C‑412/04, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 42).


11 – Urteil vom 17. Juli 2008, Kommission/Spanien (C‑207/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 35).


12 – Vgl. insbesondere Urteil vom 25. Oktober 2007, Geurts und Vogten (C‑464/05, Slg. 2007, I‑9325, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13 – Ich weise ferner darauf hin, dass die Kommission in der Vertragsverletzungsklage, die zum Urteil Kommission/Griechenland führte, dieselbe Art von Problematik im Hinblick auf die Errichtung von Optikergeschäften ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit erörterte. Ich halte es nicht für erforderlich, diese Problematik nun auf den freien Kapitalverkehr auszudehnen.


14 – Nach dem Begriff von Michel, V., „La compétence de la Communauté en matière de santé publique“, Revue des affaires européennes, 2003‑2004/2, S. 157.


15 – Vgl. Michel, V., a. a. O., S. 177.


16 – Vgl. insbesondere Urteil vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland (C‑141/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland (Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18 – Vgl. insbesondere Urteil Kommission/Deutschland (Randnr. 51).


19 – Vgl. Urteile vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France (C‑442/02, Slg. 2004, I‑8961, Randnr. 11 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 14. Oktober 2004, Kommission/Niederlande (C‑299/02, Slg. 2004, I‑9761, Randnr. 15), Kommission/Griechenland (Randnr. 27) sowie vom 17. Juli 2008, Corporación Dermoestética (C‑500/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20 – Vgl. insbesondere Urteile vom 5. Juni 2007, Rosengren u. a. (C‑170/04, Slg. 2007, I‑4071, Randnr. 43), sowie Corporación Dermoestética (Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21 – Urteil Corporación Dermoestética (Randnr. 37).


22 – Für eine Aufzählung der verschiedenen Tätigkeiten des Apothekers vgl. Art. 45 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36.


23 – Urteil Kommission/Deutschland (Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24 – Die Argumente, die die Kommission insoweit zur Stützung ihrer Auffassung vorgebracht hat, sind weitgehend theoretisch und werden im Übrigen von der Wirklichkeit der gegenwärtigen Finanzkrise widerlegt. So hat die Existenz von Kontrollbehörden und rechtlichen Regelungen über die zivilrechtliche, kommerzielle oder strafrechtliche Haftung im Bankengeschäft in tragischer Weise ihre Grenzen und ihr Unvermögen offenbart, die Auswüchse einer Denkweise zu unterbinden oder zu kontrollieren, die dem Ertrag des eingesetzten Kapitals den Vorrang einräumt.


25 – Urteil Kommission/Griechenland (Randnrn. 27 bis 29).


26 – Ebd. (Randnr. 35).


27 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Mai 1993, LPO (C‑271/92, Slg. 1993, I‑2899, Randnr. 11).


28 – Ebd. (Randnr. 13).


29 – Vgl. insbesondere Randnr. 5 der Erwiderung der Kommission.


30 – Vgl. entsprechend Urteil Kommission/Spanien (Randnrn. 36 und 37).


31 – Ebd. (Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32 – Ebd. (Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).


33 – Ebd. (Randnr. 41).