Language of document : ECLI:EU:C:2012:368

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

Juliane Kokott

vom 21. Juni 2012(1)

Rechtssache C‑566/10 P

Italienische Republik

gegen

Europäische Kommission



„Rechtsmittel – Sprachenregelung – Bekanntmachung von allgemeinen Auswahlverfahren für die Einstellung von Verwaltungsräten und Assistenten – Veröffentlichung in drei Amtssprachen – Ergänzung in allen Amtssprachen – Auswahl der Zweitsprache unter drei Amtssprachen – Verordnung Nr. 1 – Art. 1d, 27, 28 und 29 Abs. 1 des Beamtenstatuts – Art. 1 Abs. 1 und 2 des Anhangs III des Beamtenstatuts – Gleichbehandlung – Begründung – Vertrauensschutz“





I –    Einleitung

1.        Die Europäischen Institutionen verfügen bislang nicht über den Babelfisch(2), der Sprachbarrieren gegenstandslos machen würde, sondern nur über Systran, ein Computersystem zur begrenzten Übersetzung von Texten, dessen Nutzung zudem durch einen Rechtsstreit in Frage gestellt wird.(3) Um die Kommunikation innerhalb ihrer Dienststellen sicherzustellen, versuchen die Institutionen daher in jüngerer Zeit, Mitarbeiter zu rekrutieren, die als Fremdsprache entweder Deutsch, Englisch oder Französisch beherrschen.(4) Italien sieht darin eine Verletzung des Sprachenregimes der Union. Daher wendet sich dieser Mitgliedstaat gegen die Bekanntmachung von drei derartigen Auswahlverfahren.

2.        Bekanntlich ist die Sprachenfrage sehr sensibel. Aus diesem Grund sieht Art. 290 EG (nach Änderung jetzt Art. 342 AEUV) für entsprechende Regelungen die einstimmige Entscheidung des Rates vor und Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erkennt ausdrücklich den Grundsatz der Vielsprachigkeit an. Der Schwerpunkt des vorliegenden Rechtsmittels liegt dementsprechend bei Fragen der Diskriminierung wegen der Sprache und dem Prinzip der Vielsprachigkeit. Daneben werden allerdings auch eher formale Fragen im Zusammenhang mit der Bekanntmachung von Auswahlverfahren aufgeworfen und die Verletzung des Vertrauensschutzes sowie der Begründungspflicht gerügt.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Primärrecht

3.        Art. 290 EG weist die Regelung der Sprachenfrage dem Rat zu:

„Die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Gemeinschaft wird unbeschadet der Satzung des Gerichtshofs vom Rat einstimmig getroffen.“

4.        Im Zusammenhang mit der Sprachenfrage ist auch Art. 22 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union(5) (im Folgenden: Charta) von Interesse:

„Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.“

B –    Die Verordnung Nr. 1

5.        Die Art. 1 und 4 bis 6 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft(6) in ihrer auf die vorliegende Rechtssache anwendbaren Fassung bestimmen:

Artikel 1

Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen der Organe der Union sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.

Artikel 4

Verordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung werden in den Amtssprachen abgefasst.

Artikel 5

Das Amtsblatt der Europäischen Union erscheint in den Amtssprachen.

Artikel 6

Die Organe der Gemeinschaft können in ihren Geschäftsordnungen festlegen, wie diese Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist.“

C –    Das Beamtenstatut

6.        Art. 1d Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) enthält verschiedene Diskriminierungsverbote:

„Bei der Anwendung dieses Statuts ist jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder einer sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten.“

7.        Die Rechtfertigung unterschiedlicher Behandlung wird in Art. 1d Abs. 6 des Statuts geregelt:

„Jede Einschränkung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist unter Angabe von objektiven und vertretbaren Gründen zu rechtfertigen; dabei sind die legitimen Ziele von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik zu berücksichtigen. …“

8.        Art. 27 regelt Grundlagen der Einstellungspolitik:

„Bei der Einstellung ist anzustreben, dem Organ die Mitarbeit von Beamten zu sichern, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen; sie sind unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaften auf möglichst breiter geografischer Grundlage auszuwählen.

Kein Dienstposten darf den Angehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats vorbehalten werden.“

9.        Art. 28 enthält Mindestanforderungen für die Ernennung zum Beamten.

„Zum Beamten darf nur ernannt werden, wer

f)      nachweist, dass er gründliche Kenntnisse in einer Sprache der Gemeinschaften und ausreichende Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Gemeinschaften in dem Umfang besitzt, in dem dies für die Ausübung seines Amtes erforderlich ist.“

10.      Art. 29 regelt das Verfahren zur Besetzung von Stellen:

„(1)      Bei der Besetzung von Planstellen eines Organs prüft die Anstellungsbehörde zunächst

und eröffnet sodann das Auswahlverfahren auf Grund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder auf Grund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen. Das Auswahlverfahren ist in Anhang III geregelt.“

11.      Unter den Regeln zum Inhalt von Ausschreibungen nach Art. 1 Abs. 1 des Anhangs III sind insbesondere die Hinweise zu den verschiedenen Arten von Auswahlverfahren in Buchst. a und zu sprachlichen Anforderungen in Buchst. f von Interesse:

„In der Stellenausschreibung sind anzugeben

a)      die Art des Auswahlverfahrens (Auswahlverfahren innerhalb des Organs, Auswahlverfahren innerhalb der Organe, allgemeines – gegebenenfalls von zwei oder mehr Organen gemeinsam durchgeführtes – Auswahlverfahren);

f)      gegebenenfalls die wegen der besonderen Art der zu besetzenden Dienstposten erforderlichen Sprachkenntnisse;

…“

12.      Art. 1 Abs. 2 des Anhangs III regelt die Veröffentlichung:

„Allgemeine Stellenausschreibungen sind spätestens einen Monat vor dem für die Einreichung der Bewerbungen festgelegten Zeitpunkt und gegebenenfalls mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt der Prüfungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen.“

III – Sachverhalt

13.      Die Italienische Republik wendet sich gegen zwei Bekanntmachungen von insgesamt drei Auswahlverfahren(7) durch das Europäische Amt für Personalauswahl (im Folgenden: EPSO). Die Bekanntmachungen erfolgten zunächst nur in der deutschen, der englischen und der französischen Ausgabe des Amtsblatts. Die Bekanntmachung der beiden ersten Auswahlverfahren war Gegenstand der Klage T‑166/07; die Bekanntmachung des dritten Auswahlverfahrens wurde mit der Klage T‑285/07 angegriffen.

14.      Die beiden ersten Auswahlverfahren dienten nach Punkt II. A. der jeweiligen Bedingungen der Aufstellung von Reservelisten zur Besetzung freier Planstellen in den europäischen Organen. Das dritte Auswahlverfahren sah unter Punkt II. A. vor, die Europäische Kommission sei nicht an diesem Auswahlverfahren beteiligt und werde folglich keine Bewerber der Reserveliste einstellen.

15.      Zulassungsvoraussetzungen im Hinblick auf Sprachkenntnisse befinden sich in Punkt I. A. 2 der Bekanntmachungen der Auswahlverfahren EPSO/AD/94/07 und EPSO/AD/95/07 sowie in Punkt I. A. 3 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens EPSO/AST/37/07. Danach mussten die Bewerberinnen und Bewerber über gründliche Kenntnis einer EU-Amtssprache verfügen sowie über ausreichende Kenntnisse einer weiteren Sprache, die entweder die deutsche, englische oder französische Sprache sein musste.

16.      In Punkt I. B. wurde angekündigt, dass die Zulassungstests in der Zweitsprache durchgeführt würden. Dementsprechend mussten die Bewerberinnen und Bewerber angeben, ob sie die Zulassungstests und die Prüfungen des Auswahlverfahrens in Deutsch, Englisch oder Französisch ablegen wollten.

17.      Außerdem wurde mitgeteilt, dass im Interesse der Klarheit und des Verständnisses der Texte allgemeinen Inhalts und der Mitteilungen an die bzw. von den Bewerberinnen und Bewerbern die Einladungen zu den einzelnen Tests und Prüfungen und der gesamte Schriftverkehr zwischen EPSO und den Bewerberinnen und Bewerbern ausschließlich in deutscher, englischer oder französischer Sprache erfolgen würden.

18.      Am 20. Juni 2007(8) und am 13. Juli 2007(9) veröffentlichte EPSO in allen Sprachfassungen des Amtsblatts Aktualisierungen der vorgenannten Bekanntmachungen. Darin wurde auf die ursprünglichen Bekanntmachungen hingewiesen und jeweils eine neue Frist für die Anmeldung zu den jeweiligen Auswahlverfahren festgelegt, die so lang war, wie die ursprünglich gewährte Frist. Außerdem wurde die für eine Teilnahme am Verfahren notwendige Ausbildung und Berufserfahrung erwähnt. Im Übrigen wurde auf den Inhalt der Originalbekanntmachungen verwiesen.

IV – Zum Verfahren in erster Instanz

19.      Das Gericht ließ die Republik Litauen als Streithelfer Italiens in der Rechtssache T‑166/07 zu und ebenso die Hellenische Republik in der Rechtssache T‑285/07. Anschließend verband es beide Rechtssachen für die Zwecke der mündlichen Verhandlung und des Urteils. Mit Urteil vom 13. September 2010 wies das Gericht beide Klagen ab.

V –    Anträge

20.      Die Italienische Republik legte daraufhin das vorliegende Rechtsmittel ein. Sie beantragt,

–      gemäß den Art. 56, 58 und 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 13. September 2010 in den verbundenen Rechtssachen T‑166/07 und T‑285/07 aufzuheben, mit dem über ihre Klagen auf Nichtigerklärung folgender Bekanntmachungen entschieden worden ist:

1.      Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/94/07 zur Erstellung einer Reserveliste zur Besetzung von 125 Stellen für Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte der Funktionsgruppe AD 5 im Bereich Information, Kommunikation und Medien sowie

2.      Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AST/37/07 zur Erstellung einer Reserveliste zur Besetzung von 110 Stellen für Beamtinnen und Beamte der Funktionsgruppe Assistenz (AST 3) im Bereich Kommunikation und Information,

beide veröffentlicht in der englischen, der französischen und der deutschen Ausgabe des Amtsblatts der Europäischen Union C 45 A vom 28. Februar 2007;

3.      Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/95/07 zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten (AD 5) für den Fachbereich „Information“ (Bibliothek/Dokumentation), veröffentlicht in der englischen, der französischen und der deutschen Ausgabe des Amtsblatts der Europäischen Union C 103 A vom 8. Mai 2007;

–      den Rechtsstreit selbst zu entscheiden und die oben angeführten Bekanntmachungen für nichtig zu erklären;

–      der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21.      Die Hellenische Republik beantragt ebenfalls,

–      das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 13. September 2010 in den verbundenen Rechtssachen T‑166/07 und T‑285/07 aufzuheben.

22.      Die Kommission beantragt,

–      das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–      der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

23.      Die in erster Instanz ebenfalls beteiligte Republik Litauen hat sich im Rechtsmittelverfahren nicht geäußert. Die übrigen Beteiligten haben schriftlich und in der Verhandlung vom 6. Juni 2012 mündlich vorgetragen.

VI – Rechtliche Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht

24.      Der Gerichtshof prüft unverzichtbare Prozessvoraussetzungen von Amts wegen.(10) Daher ist auf den zunächst überraschenden Umstand einzugehen, dass im Verfahren T‑285/07 ein Urteil gegen die Kommission ausgesprochen wurde, obwohl sie am betreffenden Auswahlverfahren nicht beteiligt war.(11)

25.      Dieser Umstand erklärt sich jedoch durch die bei der Schaffung von EPSO getroffenen Regelungen. Art. 4 des Beschlusses 2002/620/EG(12) hält nämlich ausdrücklich fest, dass jede Klage im Zusammenhang mit der Ausübung der auf EPSO übertragenen Befugnisse gegen die Kommission zu richten ist. Die Durchführung von allgemeinen Auswahlverfahren nach Art. 30 Abs. 1 und Anhang III des Beamtenstatuts wurde EPSO nach Art. 2 des genannten Beschlusses übertragen. Die Zulässigkeit der Klage steht daher nicht in Zweifel.(13)

B –    Zum ersten Rechtsmittelgrund

26.      Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wendet sich Italien gegen die Ausführungen des Gerichts in den Randnrn. 41 und 42 des angefochtenen Urteils. Dabei ging es darum, ob Art. 290 EG, die Rechtsgrundlage des Sprachenregimes, und Art. 6 der Verordnung Nr. 1 es erlauben, in Stellenausschreibungen die Kenntnis bestimmter Sprachen zu verlangen. Das Gericht stellte fest:

„41      Die Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage der Organe ist vom Rat gemäß Art. 290 EG erlassen worden. Art. 6 dieser Verordnung erlaubt den Organen ausdrücklich, in ihren Geschäftsordnungen festzulegen, wie diese Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist, eine Befugnis, bei deren Ausübung den Organen im Übrigen eine gewisse funktionelle Selbständigkeit einzuräumen ist, um ihr ordnungsgemäßes Funktionieren zu gewährleisten …

42      Demnach verstößt die streitige Stellenausschreibung nicht gegen Art. 290 EG, sondern wurde gemäß der Befugnis erlassen, die den Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft durch Art. 6 der Verordnung Nr. 1 eingeräumt wurde.“(14)

27.      Diese Ausführungen sind mit dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nicht vereinbar.

28.      Nach Art. 290 EG regelt der Rat einstimmig die Sprachenfrage für die Organe der Union. Dies geschah durch die Verordnung Nr. 1. Gemäß Art. 1 der Verordnung sind alle Amtssprachen zugleich Arbeitssprachen der Organe. Und die Organe werden durch Art. 6 ermächtigt, in ihren Geschäftsordnungen festzulegen, wie die Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist.

29.      Die Ausschreibung eines Auswahlverfahrens ist – wie Italien zutreffend betont – keine Geschäftsordnung oder ein vergleichbarer Rechtsakt. Daher ist Art. 6 der Verordnung Nr. 1 keine geeignete Grundlage für die streitgegenständlichen Ausschreibungen.

30.      Das angefochtene Urteil ist demzufolge in diesem Punkt mit einem Rechtsfehler behaftet. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klage Italiens insoweit erfolgreich ist.

31.      Vielmehr ist aus einem anderen Grund kein Verstoß gegen Art. 290 EG und Art. 6 der Verordnung Nr. 1 feststellbar. Diese Bestimmungen regeln nicht unmittelbar, welche Anforderungen in einer Ausschreibung gestellt werden können und welche der 23 Amtssprachen der Union bei der Ausschreibung zu verwenden sind. Daher kann diese Ausschreibung weder Art. 290 EG noch Art. 6 der Verordnung Nr. 1 verletzen.

32.      Der erste Rechtsmittelgrund ist folglich zurückzuweisen. Die von Italien aufgeworfenen Fragen sind allerdings bei der Beurteilung der nächsten drei Rechtsmittelgründe von Bedeutung.

C –    Zum zweiten Rechtsmittelgrund

33.      Der zweite Rechtsmittelgrund richtet sich gegen die Argumentation in den Randnrn. 52 bis 58 des angefochtenen Urteils. Italien hatte beanstandet, dass die Ausschreibungen nach Art. 1, 4 und 5 der Verordnung Nr. 1 vollständig in allen Amtssprachen hätten bekannt gemacht werden müssen.

34.      Das Gericht geht in den Randnrn. 52 und 53 des angefochtenen Urteils wie in seiner ständigen Rechtsprechung(15) davon aus, dass die Verordnung Nr. 1 in den Beziehungen zwischen den Organen und ihren Bediensteten nicht anwendbar ist, da sie die Sprachenfrage nur im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und einem Mitgliedstaat oder einer Person regelt, die der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats untersteht. Die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union sowie die Bewerber für solche Stellen unterständen nämlich, was die Anwendung der Bestimmungen des Statuts einschließlich jener über die Einstellung bei einem Organ angeht, allein der Zuständigkeit der Union.

35.      Wie Italien und Griechenland zu Recht betonen, überzeugt diese Auffassung jedoch nicht. Zwar beziehen sich Art. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1 auf das Verhältnis zu den Mitgliedstaaten sowie zu den ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen, doch ist bereits zweifelhaft, ob die potenziellen Bewerber eines Auswahlverfahrens in dieser Eigenschaft der Hoheitsgewalt ihrer Mitgliedstaaten entzogen sind. Entgegen der Auffassung der Kommission ist dies keine zwingende Folge der Zuständigkeit der Unionsgerichte für Klagen im Zusammenhang mit derartigen Bewerbungen.

36.      Vor allem aber beruht die Verordnung auf Art. 290 EG, der Rechtsgrundlage für die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Union. Dementsprechend regelt sie in Art. 1 die Amts- und Arbeitssprachen der Organe. Dass dies nur Sprachen sein sollen, die gegenüber Außenstehenden verwendet werden, ist nicht erkennbar.(16) Eine Arbeitssprache ist typischerweise die Sprache, in der die betreffende Organisation auch intern arbeitet.

37.      Entgegen der Auffassung der Kommission spricht auch Art. 6 der Verordnung Nr. 1 für ihre Anwendung im Verhältnis der Organe zu ihren Beschäftigten. Denn danach können die Organe in ihren Geschäftsordnungen nicht festlegen, ob die Verordnung überhaupt anwendbar ist, sondern nur, wie sie im Einzelnen anzuwenden ist. Somit wäre Art. 6 möglicherweise eine geeignete Rechtsgrundlage, falls die Organe interne Kommunikationssprachen festlegen dürften(17), bestätigt aber im Übrigen, dass die Verordnung Nr. 1 auf das Verhältnis der Institutionen zu ihren Bediensteten anwendbar ist.

38.      Somit ist das angefochtene Urteil auch in diesem Punkt rechtsfehlerhaft. Um festzustellen, ob es mit einer anderen Begründung aufrechterhalten werden kann, ist folglich zu prüfen, ob die beschränkte Veröffentlichung der Ausschreibung mit den Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1 vereinbar war.

39.      Nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1 werden Verordnungen und Schriftstücke von allgemeiner Geltung in den Amtssprachen abgefasst. Art. 5 sieht vor, dass das Amtsblatt in „den Amtssprachen“ erscheint.

40.      Zwar hat der Gerichtshof aus diesen Bestimmungen sowie aus Art. 254 Abs. 2 EG im Urteil Kik abgeleitet, dass eine individuelle Entscheidung nicht unbedingt in allen Amtssprachen abgefasst werden muss, auch wenn sie die Rechte eines Unionsbürgers beeinträchtigen könnte, der nicht der Adressat dieser Entscheidung ist, wie z. B. eines konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmers.(18)

41.      Im Gegenschluss bekräftigt dies aber, dass die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1 genannten Verordnungen und Schriftstücke von allgemeiner Geltung in allen Amtssprachen abgefasst werden müssen.(19) Diese Auslegung ist zudem die einzige, die mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Nichtdiskriminierung vereinbar ist.(20)

42.      Darüber hinaus entspricht sie der Entwicklung des Wortlauts von Art. 4 der Verordnung Nr. 1. Genau wie Art. 5 nannte diese Bestimmung bis zu ihrer Änderung im Zuge der letzten Erweiterung(21) ausdrücklich die jeweilige Gesamtzahl der Amtssprachen.(22) Dass man mit den Änderungen anlässlich der letzten Erweiterung die Verwendung der verschiedenen Amtssprachen einschränken wollte, ist nicht ersichtlich. Wenn die Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1 von den Amtssprachen sprechen, ist dies folglich im Sinne der 23 Amtssprachen zu verstehen.

43.      Die Bekanntmachung eines allgemeinen Auswahlverfahrens ist zwar keine Verordnung, aber – wie auch Italien und Griechenland vortragen – im Unterschied zu einer individuellen Entscheidung dennoch ein Dokument von allgemeiner Bedeutung. Denn sie enthält die Bewerbungsfristen und die übrigen Bedingungen, die für jede Person verbindlich sind, die sich an dem Auswahlverfahren beteiligen möchte.(23) Schon daher muss sie grundsätzlich in allen Amtssprachen abgefasst werden.

44.      Dies bestätigt Art. 5 der Verordnung Nr. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 des Anhangs III des Beamtenstatuts. Nach der letztgenannten Regelung sind allgemeine Stellenausschreibungen(24) im Amtsblatt zu veröffentlichen. Da das Amtsblatt gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 1 in den Amtssprachen erscheint, sind auch alle obligatorischen Veröffentlichungen im Prinzip in allen Amtssprachen durchzuführen.

45.      Die Überlegungen des Gerichts in Randnr. 56 des angefochtenen Urteils lassen sich allerdings dahin gehend verstehen, dass die Organe bei Ausschreibungen von den vorgenannten Bestimmungen abweichen können:

„Unter diesen Umständen liegt es in der Verantwortung der Organe, die interne Kommunikationssprache zu wählen; jedes Organ ist befugt, sie seinen Bediensteten und denjenigen, die diese Eigenschaft beanspruchen, vorzuschreiben … Die Wahl der Sprache, in der eine externe Stellenausschreibung veröffentlicht wird, liegt ebenfalls in der Verantwortung der Organe …“

46.      Diese Auffassung stützt sich letztlich auf Art. 6 der Verordnung Nr. 1.(25) Wenn die Organe danach interne Kommunikationssprachen festlegen könnten, so könnte Art. 6 es auch erlauben, sich nur in diesen Sprachen an die potenziellen Stellenbewerber zu wenden, die sie beherrschen müssen.

47.      Wie bereits gesagt, ist die Ausschreibung jedoch selbst kein Rechtsakt auf der Grundlage von Art. 6 der Verordnung Nr. 1.(26) Und die Kommission hat auch im Übrigen niemals auf dieser Grundlage interne Kommunikationssprachen oder die Sprachen von Ausschreibungen förmlich festgelegt. Eine bloße Praxis, im Wesentlichen bestimmte Sprachen zu verwenden, ist keine derartige Festlegung. Schon der Inhalt einer solchen Praxis ist nämlich völlig unklar. Es ist nicht erkennbar, unter welchen Umständen eine bestimmte Sprache verwendet werden kann.

48.      Folglich kann Art. 6 der Verordnung Nr. 1 die Abweichung von Art. 4 und Art. 5 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 des Anhangs III des Beamtenstatuts nicht rechtfertigen.

49.      Auch die später in allen Amtssprachen veröffentlichten Hinweise haben der unzureichenden Veröffentlichung der Bekanntmachungen nicht abgeholfen. Die Hinweise enthalten nämlich nur einen Teil der Informationen. Insbesondere fehlen die Anforderungen an die Sprachkenntnisse. Der Verweis auf die vollständige Veröffentlichung in nur drei Sprachen kann die vollständige Veröffentlichung in den anderen Amtssprachen nicht ersetzen. Wie Griechenland bemerkt, konnten im Ausgangsfall Interessenten, die keine der drei Sprachen beherrschten, nicht erkennen, dass sie für die Auswahlverfahren so nicht qualifiziert waren und der weitere Inhalt der nur in den drei Sprachen vorliegenden Bekanntmachungen für sie somit ohne Interesse war.

50.      Vor allem aber gibt es keine Regelung, die eine Abweichung von der vollständigen Veröffentlichung in allen Sprachen erlauben würde, wie sie Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 des Anhangs III des Beamtenstatuts vorsehen.

51.      Die Bekanntmachungen mussten somit in allen Sprachen vollständig veröffentlicht werden. Ob Ausnahmen für Auswahlverfahren möglich sind, die sich nur an Bewerber mit einer bestimmten Muttersprache richten(27), muss vorliegend nicht entschieden werden.

52.      Da das Urteil des Gerichts rechtsfehlerhaft ist und auch nicht mit anderer Begründung gehalten werden kann, greift der zweite Rechtsmittelgrund durch. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben.

53.      Ich halte es allerdings für geboten, auch auf die übrigen Rechtsmittelgründe einzugehen, um für die künftige Praxis der Institutionen bei der Durchführung von Auswahlverfahren Rechtssicherheit zu schaffen.

D –    Zum dritten Rechtsmittelgrund

54.      Mit dem dritten Rechtsmittelgrund rügt Italien, die Veröffentlichung der Auswahlverfahren in nur drei Sprachen verletze das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 12 EG (nach Änderungen jetzt Art. 18 AEUV) und des Grundsatzes der Vielsprachigkeit nach Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

55.      Dabei geht es nicht darum, ob die Bekanntmachung eines allgemeinen Auswahlverfahrens in nur drei Sprachen mit dem Diskriminierungsverbot unvereinbar war. Es steht außer Streit, dass Bewerber, auch wenn sie über ausreichende Kenntnisse des Deutschen, des Englischen oder des Französischen verfügen, nicht notwendigerweise die Amtsblattausgaben in einer dieser drei Sprachen konsultieren, sondern in aller Regel nur in ihrer Muttersprache.(28) Daher besteht die Gefahr, dass diese Interessenten nicht rechtzeitig von der Ausschreibung erfahren. Da die Muttersprache eng mit der Staatsangehörigkeit verbunden ist, läge darin eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Demnach reichten die ursprünglichen Bekanntmachungen vom 28. Februar 2007 und vom 8. Mai 2007 alleine nicht aus.

56.      Vorliegend ist jedoch zu klären, ob dieser ursprünglich bestehenden Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit später durch die Veröffentlichung von Hinweisen in den anderen Sprachen wirksam abgeholfen wurde, wie das Gericht in den Randnrn. 85 bis 91 des angefochtenen Urteils feststellte. Da sich dieser substanzielle Fehler von dem bereits untersuchten formalen Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung im Amtsblatt unterscheidet, ist das soeben gefundene Ergebnis zur unzureichenden Heilung des Veröffentlichungsmangels(29) nicht direkt übertragbar.

57.      Italien bestreitet zum einen die Möglichkeit einer Heilung und wendet zum anderen ein, dass die Hinweise nicht alle Angaben der ursprünglichen Bekanntmachung enthielten.

1.      Zur Möglichkeit einer Heilung der unzureichenden Bekanntmachung

58.      Italien stützt seine Auffassung zur Unmöglichkeit einer Heilung auf die Systematik der Nichtigkeitsklage. Nach Art. 230 EG (nach Änderung jetzt Art. 263 AEUV) seien die Bekanntmachungen in ihrer ursprünglichen Form Verfahrensgegenstand.

59.      Nach dieser Auffassung hätte sich die Klage jedoch erledigt. Streng genommen existiert die ursprüngliche Bekanntmachung nämlich nicht mehr. Die später veröffentlichten Hinweise hätten sie aufgehoben und durch neue Bekanntmachungen ersetzt.(30) Diese bestünden aus einer Kombination der ursprünglichen Bekanntmachung mit den neuen Hinweisen, die insbesondere eine neue Bewerbungsfrist setzten, und hätten in einer weiteren Klage angegriffen werden müssen.

60.      Eine so formalistische Vorgehensweise halte ich jedoch nicht für geboten. Wie bereits das Gericht festgestellt hat, haben die Hinweise die Substanz der Bekanntmachungen, jedenfalls soweit sie umstritten ist, nicht geändert.(31)

61.      Wenn sich aber der Rechtsstreit nicht erledigt hat, muss er die Bekanntmachung in ihrer tatsächlich wirksamen Form zum Gegenstand haben. Die später veröffentlichten Hinweise sind daher zu berücksichtigen.

62.      Entgegen der Auffassung Italiens ist im Unionsrecht im Übrigen die Möglichkeit der Heilung von Verfahrensfehlern prinzipiell anerkannt.(32) Die Heilungsmaßnahme muss die Berechtigten – vorliegend die potenziellen Bewerber – in die Lage versetzen, in der sie sich befunden hätten, wenn der Verfahrensfehler nicht eingetreten wäre.(33)

2.      Prüfung einer Heilung im vorliegenden Fall

63.      Vorliegend ist wurde der Mangel der ursprünglichen Bekanntmachungen nicht geheilt. Durch die mit den Hinweisen neu festgelegte Bewerbungsfrist galt zwar für die potenziellen Bewerber, in deren Muttersprache die Bekanntmachung nicht veröffentlicht wurde, die gleiche Bewerbungsfrist, wie für die Bewerber, in deren Muttersprache die Bekanntmachung veröffentlicht wurde.

64.      Gleichwohl wurden die potenziellen Bewerber, die erst aufgrund der späteren Hinweise über die Auswahlverfahren unterrichtet wurden, nicht in die Lage versetzt, in der sie sich befunden hätten, wenn entsprechende Hinweise bereits mit der Bekanntmachung veröffentlicht worden wären. Diejenigen, die durch die ursprünglichen Bekanntmachungen unterrichtet wurden, hatten nämlich deutlich mehr Zeit, sich speziell auf die Verfahren vorzubereiten. Bei den Verfahren EPSO/AD/94/07 und EPSO/AST/37/07 ergab sich daraus ein Vorsprung von fast vier Monaten, beim Verfahren EPSO/AD/95/07 waren es mehr als zwei Monate. Diese Zeit konnte man insbesondere nutzen, um die notwendigen Fach- oder Sprachkenntnisse aufzufrischen.

65.      Daher konnten die Hinweise auf die Bekanntmachung die in der selektiven Veröffentlichung der Bekanntmachung liegende Benachteiligung potenzieller Bewerber, deren Muttersprache weder Deutsch, Englisch noch Französisch ist, nicht heilen.

66.      Das Gericht hat diese Benachteiligung nicht gesehen. Daher sind seine Überlegungen in den Randnrn. 85 bis 91 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft. Das Urteil ist demnach auch aus diesem Grund aufzuheben.

3.      Zur Vollständigkeit der Bekanntmachung in den anderen Sprachen

67.      Italien beanstandet darüber hinaus, dass nicht jeweils die gesamte Bekanntmachung in den anderen Sprachen veröffentlicht wurde. Diesem Vorbringen ist zuzugeben, dass potenzielle Bewerber, die die volle Bekanntmachung in ihrer Muttersprache lesen konnten, gegenüber anderen potenziellen Bewerbern geringfügig im Vorteil waren, die sie in einer Fremdsprache lesen mussten.

68.      Wie das Gericht aber in den Randnrn. 90 und 99 des angefochtenen Urteils richtigerweise feststellt, erreichte diese Benachteiligung nicht das Gewicht einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

69.      Soweit sie dagegen Personen betrifft, die keine der drei Sprachen der vollständigen Bekanntmachung ausreichend beherrschen, handelt es sich nicht um potenzielle Bewerber. Wie das Gericht zutreffend in Randnr. 88 des angefochtenen Urteils darlegt, verfügten diese Personen nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse für die Zulassung zum Auswahlverfahren.

70.      Insofern unterscheiden sich die vorliegenden Auswahlverfahren von den Verfahren, die Gegenstand der von Italien angeführten anderen Entscheidungen des Gerichts waren, die zur Aufhebung von Bekanntmachungen führten.(34) Bei diesen Entscheidungen ging es nämlich um Verfahren, die keine Kenntnis bestimmter Sprachen voraussetzten. Es konnte in diesen Fällen daher potenzielle Bewerber geben, die die Bekanntmachung in keiner der verwendeten Sprachen verstanden hätten, während die potenziellen Bewerber der streitgegenständlichen Verfahren eine dieser Sprachen verstehen mussten.

71.      Daher hat das Gericht zu Recht in Randnr. 85 des angefochtenen Urteils festgestellt, die Hinweise hätten diesen Mangel der ursprünglichen Bekanntmachung geheilt. Ob es überhaupt zulässig war, Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch oder Französisch zu verlangen statt andere Zweitsprachen zuzulassen, ist erst im Rahmen des nächsten Rechtsmittelgrundes zu untersuchen.

72.      Der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes greift somit nicht durch.

E –    Zum vierten Rechtsmittelgrund

73.      Der vierte Rechtsmittelgrund betrifft den Kern des Disputs, die Auswahl von nur drei Sprachen als möglicher „Zweitsprache“ für das Auswahlverfahren. Die Erwägungen, mit denen das Gericht verneint habe, dass die Wahl der Kommission diskriminierend und unangemessen sei, verletzen nach Auffassung Italiens das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und das Prinzip der Vielsprachigkeit.

1.      Zum Diskriminierungsverbot

74.      Nach Art. 12 EG (nach Änderung jetzt Art. 18 AEUV) ist im Anwendungsbereich des Unionsrechts jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Dieser Grundsatz ist jetzt auch in Art. 21 Abs. 2 der Charta der Grundrechte niedergelegt.

75.      Das Gericht setzt sich zwar in den Randnrn. 93 bis 104 des angefochtenen Urteils nicht mit der Frage auseinander, ob die Beschränkung der Zweitsprache eine solche Diskriminierung begründen kann. Es kommt jedoch zu einem zutreffenden Ergebnis, da eine solche Diskriminierung nicht vorliegt.

76.      Eine Beschränkung der Verwendung von Erstsprachen in Auswahlverfahren der Institutionen wäre diskriminierend und bedürfte somit einer Rechtfertigung. Da die am besten beherrschte Sprache eines Bewerbers in der Regel eng mit seiner Staatsangehörigkeit verknüpft ist, würde eine solche Festlegung zumindest mittelbar potenzielle Bewerber benachteiligen, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit andere Muttersprachen haben. Sie müssten wichtige Teile des Auswahlverfahrens in einer Fremdsprache bestreiten, während Konkurrenten ihre Muttersprache verwenden könnten.

77.      Insoweit ist das in Art. 1d Abs. 1 des Beamtenstatuts verankerte Verbot der Diskriminierung aufgrund der Sprache, das jetzt auch in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte enthalten ist, eine Ausprägung des allgemeinen Verbots der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Zugleich wäre Art. 27 Abs. 2 des Beamtenstatuts betroffen, der es verbietet, Dienstposten den Angehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats vorzubehalten.

78.      Vorliegend wird allerdings nicht die Verwendung der Erstsprache beschränkt, sondern die einer Zweitsprache. Die Zweitsprache potenzieller Bewerber ist deutlich weniger eng mit der Staatsangehörigkeit verknüpft als die Erstsprache.

79.      Zugegebenermaßen gibt es bestimmte Staaten, in denen eine der zugelassenen Sprachen neben anderen Landessprachen einen besonderen Status genießt.(35) Daher besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass bestimmte Bewerber aus diesen Staaten eine zugelassene Zweitsprache besonders gut beherrschen.

80.      Anders als die Muttersprache beruhen entsprechende Kenntnisse der Zweitsprache aber nicht allein auf der betreffenden Staatsangehörigkeit, sondern auf zusätzlichen Anstrengungen des betreffenden Staates, der Familie oder der jeweiligen Person. Insofern besteht höchstens ein gradueller Unterschied zu Fremdsprachenkenntnissen, die in einem besonders gut ausgebauten Schulsystem erworben wurden.

81.      Der potenzielle Vorteil einer Zweitsprache, die im Heimatstaat einen besonderen Status genießt, kann daher keine Diskriminierung von Bewerbern anderer Staaten aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit begründen.

82.      „Benachteiligt“ werden aus dieser Perspektive nur bestimmte Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten, in denen mehrere Amtssprachen der Union gesprochen werden, aber keine der drei privilegierten Sprachen.(36) Solche Bewerber können möglicherweise ihre „natürliche“ Zweitsprache nicht im Auswahlverfahren verwenden. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass dieser theoretische Nachteil für bestimmte Bewerber praktische Auswirkungen hat.

83.      Für die weit überwiegende Zahl der potenziellen Bewerber bewirkt die Beschränkung möglicher Zweitsprachen jedenfalls keinen Unterschied. Es handelt sich nämlich um die drei am weitesten verbreiteten Fremdsprachen in der Union.(37) Als erste Fremdsprache wird in fast allen Mitgliedstaaten ganz überwiegend Englisch gelernt, in nur wenigen Mitgliedstaaten mehrheitlich Französisch und nur in Luxemburg in der Grundschule fast ausschließlich Deutsch. Bei der zweiten Fremdsprache überwiegen Deutsch und Französisch deutlich. Spanisch, Schwedisch (in Finnland) und Estnisch (in Estland – vermutlich bei Mitgliedern der russischen Minderheit) tauchen zwar vereinzelt, aber in deutlich geringerem Maß auf.(38) Somit ist es relativ unwahrscheinlich, dass es überhaupt Bewerber gibt, die andere Fremdsprachen deutlich besser beherrschen als entweder Deutsch, Englisch oder Französisch.

84.      Daher kann der Beschränkung der Zweitsprache auf diese drei Sprachen nicht die Wirkung einer Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit zugeschrieben werden.

2.      Zur Verletzung des Prinzips der Vielsprachigkeit

85.      Weiterhin vertritt Italien die Auffassung, die Beschränkung der Auswahl an Zweitsprachen verletze das Prinzip der Vielsprachigkeit. Danach könne man von den Bewerbern um eine Stelle bei den Institutionen erwarten, dass sie über die Sprache ihres Mitgliedstaats hinaus zumindest eine weitere Sprache kennen, aber nicht, dass es sich bei dieser Sprache zwingend um Deutsch, Englisch oder Französisch handelt.

86.      Zwar war zum Zeitpunkt der Bekanntmachungen, im Jahr 2007, der Vertrag von Lissabon noch nicht in Kraft getreten, so dass der in Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Grundsatz der Vielsprachigkeit noch keine direkte Bindungswirkung entfaltete. Doch stützte sich dieser Artikel ausweislich der offiziellen Erläuterungen(39) auf den damals geltenden Art. 6 EU, der in Abs. 3 von der Union die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten verlangte (dies ist Teil von Art. 4 Abs. 2 EUV), sowie auf die Art. 151 Abs. 1 und 4 EG (nach Änderung jetzt Art. 167 Abs. 1 und 4 AEUV), wonach die Gemeinschaft zur nationalen und regionalen Vielfalt beitragen bzw. die kulturelle Vielfalt wahren und fördern sollte. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 EUV hebt diese Aufgabenstellung heute besonders hervor.

87.      Der Grundsatz der Vielsprachigkeit ist Teil der kulturellen Vielfalt(40) und der nationalen Identitäten der Mitgliedstaaten. Er beruht somit auf Grundwerten der Union, die auch schon zum Zeitpunkt der umstrittenen Bekanntmachungen bestanden.(41)

88.      Der Grundsatz der Vielsprachigkeit verlangt jedoch weder, dass die Union in jeder Situation alle Amtssprachen verwendet(42), noch enthält er eine konkrete Regelung, unter welchen Sprachen potenzielle Bewerber um Stellen bei der Union eine Zweitsprache auswählen können. Für diese Frage kann er nur im Zusammenspiel mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung wirksam werden.

89.      Dieser mittlerweile auch in Art. 20 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz verlangt, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist.(43) Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht.(44) Bei dieser Abwägung sind betroffene Grundwerte der Union, z. B. der Grundsatz der Vielsprachigkeit, zu berücksichtigen. Widerspricht die Maßnahme einem solchen Grundwert, so muss ihrem Ziel besonderes Gewicht zukommen, um sie zu rechtfertigen.

90.      Indem die streitigen Auswahlverfahren nur bestimmte Sprachen als Zweitsprachen zulassen, behandeln sie die verschiedenen Amts- und Arbeitssprachen der Union unterschiedlich.

91.      Das Gericht stützt die Privilegierung von drei Sprachen in den Randnrn. 93, 94 und 102 des angefochtenen Urteils erneut auf Art. 6 der Verordnung Nr. 1, wonach die Institutionen die Anwendung des Sprachenregimes regeln können. Wie jedoch bereits festgestellt, wurde diese Kompetenz bislang nicht angewandt und kann folglich auch die Bedingungen des Auswahlverfahrens nicht rechtfertigen.(45) Das Urteil ist daher auch insoweit mit einem Rechtsfehler behaftet.

92.      Dieser Fehler stellt jedoch das Ergebnis noch nicht in Frage. Auch wenn die Institutionen keine internen Arbeitssprachen förmlich festgelegt haben, so ist – wie die Kommission hervorhebt – die Möglichkeit interner Kommunikation doch eine zwingende Voraussetzung des Funktionierens ihrer Dienststellen. Daher müssen die Institutionen über die Möglichkeit verfügen, neue Mitarbeiter danach auszuwählen, ob sie sich in die bestehenden Dienststellen einfügen und dort mitarbeiten können. Dafür ist es von entscheidender Bedeutung, ob sie Sprachen beherrschen, die in diesen Dienststellen bereits faktisch als interne Arbeitssprachen verwendet werden. Es nützt nichts, wenn ein Bediensteter mehrere Amtssprachen perfekt beherrscht, die in seiner Dienststelle niemand sonst versteht.

93.      Soweit allerdings nicht besondere Umstände die Konzentration auf eine oder wenige Sprachen erfordern, dient es der Chancengleichheit und der Vielsprachigkeit, nach Möglichkeit alle oder zumindest mehrere Sprachen der Union zu verwenden.(46) Wie diese Sprachen praktisch eingesetzt werden, kann dann im Einzelfall anhand der Fähigkeiten der betroffenen Bediensteten entschieden werden. Auf eine einzige Sprache sollten die Institutionen die Kommunikation dagegen nur konzentrieren, soweit besondere Umstände dies zwingend erfordern – im Rahmen der Beratungen des Gerichtshofs etwa die Tradition, seit 1954 Entscheidungen intern ausschließlich in französischer Sprache zu entwerfen.

94.      Da Deutsch, Englisch und Französisch die am weitesten verbreiteten Fremdsprachen in der Union sind(47), dürfen die Institutionen annehmen, dass die Kenntnis einer dieser Sprachen als Fremdsprache eine effiziente interne Kommunikation ermöglicht. Keine weitere Sprache würde in vergleichbarem Umfang Möglichkeiten der internen Kommunikation eröffnen. Daher unterscheiden sich diese drei Sprachen bei objektiver Betrachtung hinreichend von den anderen Amtssprachen, um sie als die einzigen zulässigen Zweitsprachen auszuwählen. Auch unter Berücksichtigung des Prinzips der Vielsprachigkeit wird das Prinzip der Gleichbehandlung daher nicht verletzt.

3.      Zu Art. 1 Abs. 1 Buchst. f des Anhangs III zum Beamtenstatut

95.      Italien beruft sich darüber hinaus auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. f des Anhangs III zum Beamtenstatut. Diese Argumentation ist jedoch keine zulässige Fortentwicklung des Vorbringens aus erster Instanz, sondern ein gänzlich neuer Gesichtspunkt, der bislang noch nicht Gegenstand des Verfahrens war und somit im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof unzulässig ist.(48)

4.      Ergebnis zum vierten Rechtsmittelgrund

96.      Der vierte Rechtsmittelgrund greift daher insgesamt nicht durch.

F –    Zum fünften Rechtsmittelgrund

97.      Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, in den Randnrn. 110 bis 115 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden zu haben, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliege, indem es verneint habe, dass die mehrjährige Praxis der Kommission im Bereich der Auswahlverfahren bei den möglichen Bewerbern ein berechtigtes Vertrauen in bestimmte Modalitäten von Auswahlverfahren begründet habe.

98.      Der Schutz des berechtigten Vertrauens zählt zu den tragenden Grundsätzen der Union. Auf ihn kann sich jeder Rechtsunterworfene berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Ist jedoch ein umsichtiger und besonnener Rechtsunterworfener in der Lage, den Erlass einer Maßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den genannten Grundsatz berufen. Weiterhin sind die Rechtsunterworfenen nicht berechtigt, auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation zu vertrauen, die die Unionsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können.(49)

99.      Vorliegend kann offen bleiben, ob die zuvor über viele Jahre geübte Praxis, bei Auswahlverfahren alle Amtssprachen als Zweitsprachen zuzulassen, im Sinne der Rechtsprechung begründete Erwartungen wecken konnte. Jedenfalls besteht kein Grund für die Annahme, dass umsichtige und besonnene potenzielle Bewerber bei ihrer sprachlichen Ausbildung darauf vertrauten, weiterhin alle Amtssprachen als Zweitsprachen in Auswahlverfahren der Union verwenden zu können. Angesichts der ständig zunehmenden Zahl der Amtssprachen mussten potenzielle Bewerber vielmehr damit rechnen, dass nicht alle Amtssprachen als Fremdsprachen die gleiche praktische Bedeutung haben würden. Im Übrigen zeigen die Statistiken zu den erlernten Fremdsprachen, dass Englisch, Deutsch und Französisch ganz überwiegend als die wichtigsten Amtssprachen angesehen werden.(50) Die potenziellen Bewerber haben sich in ihrer überwältigenden Mehrzahl somit praktisch bereits darauf vorbereitet, dass diese Sprachen für ihr berufliches Fortkommen wichtiger sind als andere Sprachen.

100. Daher kann auch dieser Rechtsmittelgrund nicht durchgreifen.

G –    Zum sechsten Rechtsmittelgrund

101. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe in den Randnrn. 126 und 127 des angefochtenen Urteils mit der Feststellung, dass die Verwaltung nicht verpflichtet gewesen sei, in den streitigen Bekanntmachungen der Auswahlverfahren die Wahl der drei zulässigen Zweitsprachen zu rechtfertigen, gegen Art. 253 EG (nach Änderung jetzt Art. 296 Abs. 2 AEUV) verstoßen, wonach alle Rechtsakte mit einer Begründung zu versehen seien.

102. Die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung muss nach ständiger Rechtsprechung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muss die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, dass die Betroffenen die tragenden Gründe für die Maßnahme erkennen können. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie ihre Rechte und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen können. Nach dieser Rechtsprechung brauchen in der Begründung des Rechtsakts jedoch nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden. Ob nämlich die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, ist nicht nur im Hinblick auf seinen Wortlaut zu beurteilen, sondern auch aufgrund seines Zusammenhangs sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Insbesondere würde es, wenn der angefochtene Rechtsakt den von dem Unionsorgan verfolgten Zweck in seinen wesentlichen Zügen erkennen lässt, zu weit gehen, eine besondere Begründung für die verschiedenen technischen Entscheidungen zu verlangen.(51)

103. Das Gericht hat diese Anforderungen in Randnr. 125 des angefochtenen Urteils nicht erörtert, sondern beschränkte seine Ausführungen dort darauf, ob die Bekanntmachungen die notwendigen Informationen zur Durchführung des Auswahlverfahrens enthielten.

104. Italien beanstandet insofern zu Recht, dass das Gericht mit diesen Ausführungen nicht auf seinen Klagegrund eingegangen ist. Der notwendige Inhalt der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens ist nicht mit seiner Begründung gleichzusetzen.

105. Allerdings hat das Gericht ergänzend in Randnr. 126 festgestellt, die Beschränkung der möglichen Zweitsprache auf drei Sprachen bedürfe keiner Rechtfertigung, da feststehe, dass sie den internen Bedürfnissen der Verwaltung entspreche. Damit genügt das Gericht den Anforderungen an eine Begründung seiner Entscheidung nach Art. 36 und 53 der Satzung des Gerichtshofs.

106. Entgegen der Auffassung Italiens ist diese Feststellung des Gerichts zur notwendigen Begründung der Bekanntmachungen auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Es ist nämlich offensichtlich, dass die Bedingungen eines Auswahlverfahrens darauf ausgerichtet sind, Bewerber zu identifizieren, die am besten den internen Anforderungen der einstellenden Institutionen entsprechen. Und es ist allgemein bekannt, dass Englisch, Deutsch und Französisch die in der Union am weitesten verbreiteten Fremdsprachen und folglich am besten geeignet sind, in der internen Kommunikation der Dienststellen verwendet zu werden. Diese Gesichtspunkte bedurften somit keiner besonderen Hervorhebung in den Bekanntmachungen.

107. Auch dieser Rechtsmittelgrund greift daher nicht durch.

H –    Zum siebten Rechtsmittelgrund

108. Der siebte Rechtsmittelgrund schließlich rügt einen Verstoß gegen Art. 1d Abs. 1 und 6, 28 Buchst. f sowie 27 Abs. 2 des Beamtenstatuts in den Randnrn. 128 bis 135 des angefochtenen Urteils. Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, dass es nicht allein Sache des Prüfungsausschusses des jeweiligen Auswahlverfahrens sei, die Sprachkompetenzen der Bewerber zu bewerten.

109. Italien vertritt die Auffassung, dass die Behörde, die die Bekanntmachung veranlasse, nicht präventiv eine Vorauswahl der Interessenten auf rein sprachlicher Grundlage vornehmen dürfe. Auch gälten für die sprachlichen Anforderungen eines Auswahlverfahrens grundsätzlich andere Maßstäbe als für die fachlichen Qualifikationen der Bewerber.

110. Die dafür von Italien angeführten Argumente, insbesondere das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, begründen jedoch keine besonderen Anforderungen in Bezug auf die Zweitsprache der Bewerber.(52) Auch im Übrigen sind keine Gründe dafür erkennbar, warum der Prüfungsausschuss befugt sein sollte, Bewerber aufgrund mangelnder Kenntnisse bestimmter Zweitsprachen auszuschließen, dies aber den Institutionen bei der Festlegung der Bedingungen eines Auswahlverfahrens verboten sein soll.

111. Somit greift auch dieser Rechtsmittelgrund nicht durch.

VII – Zur Entscheidung durch den Gerichtshof

112. Nach Art. 61 Abs. 1 seiner Satzung hebt der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

113. Da der zweite und der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes durchgreifen, ist das angegriffene Urteil aufzuheben. Zugleich ergibt sich aus der Prüfung des zweiten Rechtsmittelsgrundes, dass die angegriffenen Bekanntmachungen von Auswahlverfahren den Anforderungen von Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1 sowie Art. 1 Abs. 2 des Anhangs III zum Beamtenstatut nicht genügten. Und nach der Untersuchung des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes konnte die spätere Veröffentlichung von Hinweisen auf die Bekanntmachungen einer möglichen Benachteiligung potenzieller Bewerber, deren Muttersprache weder Deutsch, Englisch noch Französisch ist, nicht abhelfen. Daher ist der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif. Auch die Bekanntmachungen sind folglich für nichtig zu erklären.

VIII – Zur Beschränkung der Urteilswirkung

114. Abschließend möchte ich dem Gerichtshof vorschlagen, die Wirkung seines Urteils ausdrücklich zu beschränken, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden.

115. Im Zusammenhang mit Klagen von Bewerbern hat der Gerichtshof festgestellt, dass bei Aufhebung einer Prüfung im Rahmen eines allgemeinen Auswahlverfahrens zur Bildung einer Einstellungsreserve die Rechte eines Klägers angemessen geschützt sind, wenn der Prüfungsausschuss und die Anstellungsbehörde ihre Entscheidungen überprüfen und für diesen Fall eine billige Lösung zu erreichen suchen; es besteht keine Veranlassung, das gesamte Ergebnis des Auswahlverfahrens in Frage zu stellen oder die danach ausgesprochenen Ernennungen auf Beamtenstellen aufzuheben. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass ein Ausgleich zwischen den Interessen der durch einen Fehler im Rahmen eines Auswahlverfahrens benachteiligten Bewerber und den Interessen der übrigen Bewerber hergestellt werden muss. Der Richter hat nämlich nicht nur die Notwendigkeit zu berücksichtigen, die Rechte benachteiligter Bewerber wiederherzustellen, sondern er muss auch dem schutzwürdigen Vertrauen der bereits ausgewählten Bewerber Rechnung tragen.(53)

116. Vorliegend ist nicht zu entscheiden, welche Maßnahmen notwendig sind, um der möglichen Benachteiligung potenzieller Bewerber abzuhelfen. Allerdings ist dem schutzwürdigen Vertrauen der bereits ausgewählten Bewerber Rechnung zu tragen. Die im ursprünglichen Auswahlverfahren erstellten Eignungslisten, d. h. auch etwaige Ernennungen aufgrund dieser Listen, sollten folglich durch das vorliegende Verfahren nicht in Frage gestellt werden.

IX – Zu den Kosten

117. Nach Art. 122 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet.

118. Gemäß Art. 69 § 2 in Verbindung mit Art. 118 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Italien beantragt hat, der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, und mit dem zweiten Rechtsmittelgrund und dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes voll obsiegt, sind der Kommission die Kosten der Italienischen Republik und ihre eigenen Kosten in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.

119. Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen.

X –    Ergebnis

120. Ich schlage dem Gerichtshof somit vor, wie folgt zu entscheiden:

1.      Das Urteil des Gerichts vom 13. September 2010, Italien/Kommission, in den Rechtssachen T‑166/07 und T‑285/07 wird aufgehoben.

2.      Die Bekanntmachungen der allgemeinen Auswahlverfahren EPSO/AD/94/07, EPSO/AST/37/07 und EPSO/AD/95/07 werden für nichtig erklärt.

3.      Die Gültigkeit der aufgrund dieser Auswahlverfahren erstellten Eignungslisten wird vom vorliegenden Urteil nicht berührt.

4.      Die Kommission trägt die Kosten der Italienischen Republik und ihre eigenen Kosten in beiden Rechtszügen. Die Hellenische Republik und die Republik Litauen tragen ihre eigenen Kosten.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Douglas Adams, The Hitchhikerʼs Guide to the Galaxy, Chapter 6, London 1979.


3 – Siehe dazu Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2010, Systran und Systran Luxemburg/Kommission (T‑19/07, Slg. 2010, II‑6083), sowie das noch anhängige Rechtsmittel C‑103/11 P.


4 – Siehe über die streitgegenständlichen Auswahlverfahren hinaus z. B. die Bekanntmachung der Allgemeinen Auswahlverfahren EPSO/AD/230/12 (AD 5) und EPSO/AD/231/12 (AD 7), ABl. 2012, C 76 A, 1, Abschnitt III, Nr. 2 Buchst. b.


5 – ABl. C 364, S. 1, erneut am 12. Dezember 2007 in Straßburg (ABl. 2007, C 303, S. 1, und ABl. 2010, C 83, S. 389) feierlich proklamiert.


6 – ABl. 1958, Nr. 17, S. 385.


7 – Es handelt sich einerseits um die am 28. Februar 2007 veröffentlichten allgemeinen Auswahlverfahren EPSO/AD/94/07 zur Erstellung einer Reserveliste zur Besetzung von Stellen der Funktionsgruppe AD 5 im Bereich Information, Kommunikation und Medien sowie EPSO/AST/37/07 zur Erstellung einer Reserveliste zur Besetzung von Stellen der Funktionsgruppe Assistenz (AST 3) im Bereich Kommunikation und Information (ABl. 2007, C 45 A) und andererseits um das am 8. Mai 2007 veröffentlichte allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/95/07 zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten (A 5) für den Fachbereich „Information“ (Bibliothek/Dokumentation) (ABl. 2007, C 103 A).


8 – ABl. C 136 A., S. 1.


9 – ABl. C 160, S 14.


10 – Vgl. die Urteile vom 23. April 2009, Sahlstedt u. a./Kommission (C‑362/06 P, Slg. 2009, I‑2903, Randnr. 22), vom 3. September 2009, Moser Baer India/Rat (C‑535/06 P, Slg. 2009, I‑7051, Randnr. 24), und vom 25. Februar 2010, Lancôme/HABM und CMS Hasche Sigle (C‑408/08 P, Slg. 2010, I‑1347, Randnr. 52).


11 – Siehe Abschnitt II, Buchst. A, Einleitung, des Auswahlverfahrens EPSO/AD/95/07. Im Übrigen konnten nach Abschnitt II, Buchst. A, Einleitung und Nr. 1, des Auswahlverfahren EPSO/AD/94/07 und Abschnitt II, Buchst. A, Einleitung, des Auswahlverfahrens EPSO/AST/37/07 auch andere Institutionen auf die entsprechenden Reservelisten zugreifen.


12 – Beschluss des Europäischen Parlaments, des Rates, der Kommission, des Gerichtshofs, des Rechnungshofs, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Ausschusses der Regionen und des Europäischen Bürgerbeauftragten vom 25. Juli 2002 über die Errichtung des Amtes für Personalauswahl der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 197, S. 53).


13 – So im Ergebnis auch der Beschluss des Gerichts vom 16. Dezember 2008, Italien/Parlament und Kommission (T‑285/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


14 –      So auch die Urteile des Gerichts vom 3. Februar 2011, Italien/Kommission (T‑205/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 20 f.), und vom 31. März 2011, Italien/EWSA (T‑117/08, Slg. 2011, II‑1463, Randnrn. 41 f.).


15 – Urteile des Gerichts vom 7. Februar 2001, Bonaiti Brighina/Kommission (T‑118/99, Slg. ÖD 2001, I‑A‑25 und II‑97, Randnr. 13), vom 5. Oktober 2005, Rasmussen/Kommission (T‑203/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑279 und II‑1287, Randnr. 60), vom 20. November 2008, Italien/Kommission (T‑185/05, Slg. 2008, II‑3207, Randnrn. 117 f.), sowie nachfolgend Italien/EWSA (zitiert in Fn. 14, Randnrn. 51 f.).


16 – Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 16. Dezember 2004, Spanien/Eurojust (C‑160/03, Slg. 2005, I‑2077, Nr. 31).


17 – So im Übrigen auch das Urteil des Gerichts Italien/EWSA (zitiert in Fn. 14, Randnr. 55).


18 – Urteil vom 9. September 2003, Kik/HABM (C‑361/01 P, Slg. 2003, I‑8283, Randnr. 85).


19 Vgl. das Urteil vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux (C‑161/06, Slg. 2007, I‑10841, Randnr. 34).


20 – Urteil Skoma-Lux (zitiert in Fn. 19, Randnr. 36).


21 Siehe Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 zur Anpassung einiger Verordnungen, Beschlüsse und Entscheidungen in den Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbspolitik, Landwirtschaft (einschließlich des Veterinär- und Pflanzenschutzrechts), Verkehrspolitik, Steuerwesen, Statistik, Energie, Umwelt, Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, Zollunion, Außenbeziehungen, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Organe anlässlich des Beitritts Bulgariens und Rumäniens (ABl. L 363, S. 1), Nr. 15 des Anhangs.


22 – Siehe zuletzt die Verordnung (EG) Nr. 920/2005 des Rates vom 13. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung Nr. 1 vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Atomgemeinschaft sowie zur Einführung befristeter Ausnahmeregelungen zu diesen Verordnungen (ABl. L 156, S. 3), wo jeweils von den einundzwanzig Amtssprachen die Rede ist.


23 – Urteile vom 30. Oktober 1974, Grassi/Rat (188/73, Slg. 1974, 1099, Randnr. 38), vom 28. Februar 1989, Van der Stijl und Cullington/Kommission (341/85, 251/86, 258/86, 259/86, 262/86, 266/86, 222/87 und 232/87, Slg. 1989, 511, Randnrn. 51 f.), und vom 18. März 1993, Parlament/Frederiksen (C‑35/92 P, Slg. 1993, I‑991, Randnr. 13).


24 – Allgemeine Auswahlverfahren sind nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Anhangs III des Statuts Auswahlverfahren, die nicht innerhalb eines oder aller Organe durchgeführt werden.


25 – Siehe Randnr. 41 des angefochtenen Urteils und das Urteil Italien/EWSA (zitiert in Fn. 14, Randnr. 55).


26 – Siehe oben, Nr. 29.


27 – Siehe etwa das Amtsblatt 2012, C 121 A, das nur in bulgarischer Sprache vorliegt, sowie die entsprechenden Hinweise im ABl. 2012, C 121, S. 38.


28 – Urteile des Gerichts Italien/Kommission (zitiert in Fn. 15, Randnr. 148) und Italien/EWSA (zitiert in Fn. 14, Randnr. 81).


29 – Siehe oben, Nr. 49.


30 – Vgl. das Urteil vom 24. November 2005, Italien/Kommission (C‑138/03, C‑324/03 und C‑431/03, Slg. 2005, I‑10043, Randnrn. 23 ff.).


31 – Randnrn. 32 ff. des angefochtenen Urteils.


32 – Vgl. die Urteile vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission (C‑109/10 P, Slg. 2011, I‑10329, und C‑110/10 P, Slg. 2011, I‑10439, jeweils Randnr. 56), zur Heilung von Verfahrensfehlern im Kartellverfahren der Kommission, und das Urteil vom 16. Januar 1992, Marichal-Margrève (C‑334/90, Slg. 1992, I‑101, Randnr. 25), zum Zollverfahrensrecht.


33 – Vgl. zum Kartellverfahrensrecht Urteile Solvay (zitiert in Fn. 32).


34 – Urteile des Gerichts Italien/Kommission (zitiert in Fn. 15, Randnr. 148) und Italien/EWSA (zitiert in Fn. 14, Randnr. 80).


35 – Dafür kommen z. B. Luxemburg (Französisch und Deutsch), Belgien (Niederländisch, Französisch und Deutsch), Irland (Irisch und Englisch) sowie Malta (Maltesisch und Englisch) in Betracht.


36 – Zu denken ist etwa an Finnland, wo Finnisch und Schwedisch verwendet werden.


37 – Mejer u. a. (Eurostat), Statistics in Focus Nr. 49/2010, S. 1, nennen zwar Russisch als dritte Sprache hinter Englisch und Deutsch, aber vor Französisch, doch Russisch ist keine Amtssprache der Union.


38 Mejer u. a. (zitiert in Fn. 37, S. 4).


39 – ABl. 2007, C 303, S. 17 (25).


40 – Urteil vom 5. März 2009, UTECA (C‑222/07, Slg. 2009, I‑1407, Randnr. 33).


41 – Vgl. dazu auch meine Schlussanträge vom 4. September 2008, UTECA (C‑222/07, Slg. 2009, I‑1407, Nrn. 93 ff.).


42 – Urteil Kik/HABM (zitiert in Fn. 18, Randnr. 82).


43 – Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 95), vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnr. 23), vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, Slg. 2009, I‑5783, Randnr. 74), sowie vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a. (C‑550/07 P, Slg. 2010, I‑8301, Randnr. 55).


44 – Urteil Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (zitiert in Fn. 43, Randnr. 47).


45 – Siehe oben, Nr. 47.


46 – Siehe aber die Schlussanträge Spanien/Eurojust des Generalanwalts Poiares Maduro (zitiert in Fn. 16, Nrn. 55 f.), der Präferenzen für ein Einsprachenregime erkennen lässt.


47 – Siehe oben, Nr. 83.


48 – Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 165), und vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, Slg. 2007, I‑439, Randnr. 61).


49 – Vgl. die Urteile vom 15. Juli 2004, Di Lenardo und Dilexport (C‑37/02 und C‑38/02, Slg. 2004, I‑6911, Randnr. 70), und vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479, Randnr. 147), vom 22. Dezember 2008, Centeno Mediavilla u. a./Kommission (C‑443/07 P, Slg. 2008, I‑10945, Randnr. 91), sowie vom 4. März 2010, Angé Serrano u. a./Parlament (C‑496/08 P, Slg. 2010, I‑1793, Randnr. 93).


50 – Siehe oben, Nr. 83.


51 – Urteil vom 12. März 2002, Omega Air u. a. (C‑27/00 und C‑122/00, Slg. 2002, I‑2569, Randnrn. 46 f.).


52 – Siehe oben, Nrn. 74 ff.


53 – Urteil vom 6. Juli 1993, Kommission/Albani u. a. (C‑242/90 P, Slg. 1993, I‑3839, Randnrn. 13 f.).