Language of document : ECLI:EU:T:2012:110

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

7. März 2012(*)

„Staatliche Beihilfen – Umweltabgabe auf Granulate im Vereinigten Königreich – Entscheidung der Kommission, keine Einwände zu erheben – Vorteil – Selektivität“

In der Rechtssache T‑210/02 RENV

British Aggregates Association mit Sitz in Lanark (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: C. Pouncey und J. Coombes, Solicitors, sowie Rechtsanwalt L. Van den Hende,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Afonso, J. Flett und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, zunächst vertreten durch T. Harris, dann durch S. Ossowski als Bevollmächtigte im Beistand von M. Hall und G. Facenna, Barristers,

Streithelfer,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung C (2002) 1478 final der Kommission vom 24. April 2002 betreffend die staatliche Beihilfe N 863/01 – Vereinigtes Königreich/Granulatabgabe

erlässt

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka sowie der Richter S. Frimodt Nielsen, J. Schwarcz und D. Gratsias,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wird in den Randnrn. 1 bis 25 des Urteils des Gerichts vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission (T‑210/02, Slg. 2006, II‑2789, im Folgenden: aufgehobenes Urteil oder Urteil des Gerichts), wie folgt dargestellt:

„1      Die British Aggregates Association ist ein Verband, in dem sich kleine unabhängige Unternehmen zusammengeschlossen haben, die im Vereinigten Königreich Steinbrüche und sonstige Abbaustellen betreiben. Sie hat 55 Mitglieder, die über 100 Steinbrüche und sonstige Abbaustellen betreiben.

2      Granulate sind körnige, chemisch inaktive Materialien, die im Hoch‑, Tief‑ und Straßenbausektor verwendet werden. Sie können als solche, z. B. als Aufschüttmasse oder als Schotter, oder vermischt mit Bindemitteln wie Zement (zur Gewinnung von Beton) oder Bitumen verwendet werden. Bestimmte von Natur aus körnige Materialien wie Sand und Kies können durch Sieben gewonnen werden. Andere Materialien wie Felsgestein müssen vor dem Sieben zerkleinert werden. Die verschiedenen Verwendungszwecken dienenden Granulate müssen den jeweiligen Spezifikationen entsprechen; die physikalischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials sind ausschlaggebend dafür, ob es sich für die beabsichtigte Verwendung eignet. So sind die Spezifikationen bei Aufschüttungen weniger streng als die für die unteren Schichten von Straßen, die ihrerseits weniger streng als die für stark beanspruchte Oberflächen wie Fahrbahnbeläge von Straßen oder Bahngleisschotter sind. Für Verwendungszwecke mit niedrigeren Anforderungen eignen sich viele Materialien als Granulat, während die Materialien, die höheren Anforderungen entsprechen, weniger zahlreich sind.

Finance Act 2001

3      Die Sections 16 bis 49 des zweiten Teils des Finance Act (Finanzgesetz) 2001 (im Folgenden: Gesetz) und dessen Anhänge 4 bis 10 führen die Aggregates Levy (Granulatabgabe, im Folgenden: AGL oder Abgabe) im Vereinigten Königreich ein.

4      Nach der Durchführungsverordnung zum Gesetz traten die Bestimmungen über die Einführung der AGL am 1. April 2002 in Kraft.

5      Das Gesetz wurde durch die Sections 129 bis 133 und Anhang 38 des Finance Act (Finanzgesetz) 2002 geändert. Die damit geänderten Bestimmungen sehen Befreiungen für Abraum (spoils) aus dem Abbau bestimmter Minerale, insbesondere von Tonschiefer, Schiefer, Töpferton und Porzellanerde, vor. Außerdem schaffen sie einen Übergangszeitraum für die Einführung der Abgabe in Nordirland.

6      Die AGL wird in Höhe von 1,60 GBP pro Tonne gewerblichen Zwecken dienenden Granulats erhoben (Section 16 Subsection 4 des Gesetzes).

7      Nach Section 16 Subsection 2 des Gesetzes in seiner geänderten Fassung fällt die AGL an, sobald abgabepflichtiges Granulat nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Vereinigten Königreich gewerblichen Zwecken zugeführt wird. Sie betrifft somit gleichermaßen eingeführtes wie im Vereinigten Königreich abgebautes Granulat.

8      Nach Regulation 13 Absatz 2 Buchstabe a der Durchführungsverordnung steht dem Gewerbetreibenden eine Abgabeentlastung zu, wenn abgabepflichtiges Granulat ohne weitere Behandlung ausgeführt oder aus dem Vereinigten Königreich verbracht wird.

9      Section 17 Subsection 1 des Gesetzes in seiner geänderten Fassung bestimmt:

‚´Granulat´ im Sinne dieses Teils sind (vorbehaltlich nachstehender Section 18) Fels, Kies oder Sand zusammen mit allen Materialien, die vorläufige oder natürliche Bestandteile davon sind.‘

10      Nach Section 17 Subsection 2 des Gesetzes unterliegt Granulat in vier Fällen nicht der Abgabe: bei ausdrücklicher Befreiung, wenn es bereits baulich verwendet wurde, wenn die Granulatabgabe darauf bereits erhoben wurde oder wenn es vor Inkrafttreten des Gesetzes von seinem Ursprungsort verbracht wurde.

11      Section 17 (3) und (4) des Gesetzes in seiner geänderten Fassung sieht bestimmte Abgabebefreiungen vor.

12      Außerdem bezeichnet Section 18 (1), (2) und (3) des Gesetzes in seiner geänderten Fassung die abgabebefreiten Verfahren und die davon betroffenen Materialien.

Verwaltungsverfahren und Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht

13      Mit Schreiben vom 24. September 2001 richteten zwei Unternehmen eine [erste] Beschwerde … an die Kommission, die keine Verbindung zur Klägerin haben und darum ersuchten, gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) ihre Identität dem betreffenden Mitgliedstaat nicht bekannt zu geben. Die Beschwerdeführer vertraten im Wesentlichen die Auffassung, dass der Ausschluss bestimmter Materialien vom Anwendungsbereich der AGL, die Ausfuhrbefreiung und die Ausnahmen in Bezug auf Nordirland staatliche Beihilfen darstellten.

14      Mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 meldete das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland bei der Kommission die staatliche Beihilferegelung ‚Schrittweise Einführung der Granulatabgabe in Nordirland‘ an.

15      Mit Schreiben vom 6. Februar 2002 übermittelte die Kommission diesem Mitgliedstaat eine Zusammenfassung der ersten Beschwerde und forderte ihn auf, dazu Stellung zu nehmen und Zusatzinformationen zur AGL zu liefern, was dieser mit Schreiben vom 19. Februar 2002 tat.

16      Am 11. Februar 2002 erhob die Klägerin Klage gegen die AGL beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division. Sie machte u. a. die Verletzung der Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen geltend. Mit Urteil vom 19. April 2002 wies der High Court of Justice die Klage ab und ließ ein Rechtsmittel der Klägerin an den Court of Appeal (England & Wales) zu. Nachdem die Klägerin Rechtsmittel eingelegt hatte, setzte der Court of Appeal das Verfahren in Anbetracht der Erhebung der vorliegenden Klage beim Gericht aus.

17      Währenddessen hatte die Klägerin mit Schreiben vom 15. April 2002 bei der Kommission eine Beschwerde gegen die AGL … eingereicht. Sie machte im Wesentlichen geltend, der Ausschluss bestimmter Materialien vom Anwendungsbereich der AGL und die Befreiung von Ausfuhren stellten staatliche Beihilfen dar. Die von den Behörden des Vereinigten Königreichs angemeldeten Ausnahmen in Bezug auf Nordirland seien mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Angefochtene Entscheidung

18      Am 24. April 2002 erließ die Kommission eine Entscheidung, keine Einwände gegen die AGL zu erheben …

19      Am 2. Mai 2002 wurde die angefochtene Entscheidung der Klägerin von den Behörden des Vereinigten Königreichs mitgeteilt. Förmlich bekannt gegeben wurde sie ihr von der Kommission mit Schreiben vom 27. Juni 2002.

20      In ihrer Entscheidung ([43. Erwägungsgrund]) ist die Kommission der Ansicht, dass die Abgabe kein Element einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG enthalte, weil ihr Anwendungsbereich durch die Logik und die Natur der Abgaberegelung gerechtfertigt sei. Im Übrigen sei die bei der Kommission angemeldete Freistellung für Nordirland mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

21      Bei der Beschreibung des Anwendungsbereichs der AGL hebt die Kommission im Wesentlichen hervor, dass diese Abgabe auf Virgin-Granulat erhoben werde, das ‚definiert [wird] als Granulat, das beim ersten Abbau aus natürlichen Mineralablagerungen erzeugt wird‘, und ‚aus Fragmenten von Fels, Sand oder Kies [besteht], die in ihrem natürlichen Zustand oder nach mechanischer Bearbeitung wie Zerstoßen, Waschen und Sortierung verwendet werden können‘ ([Erwägungsgründe] 8 und 9). Zu den ausgenommenen Materialien und den verfolgten Zielen führt sie in den [Erwägungsgründen] 11 bis 13 der angefochtenen Entscheidung aus:

‚Die AGL wird nicht auf Materialien erhoben, die Neben‑ oder Abfallprodukte anderer Verfahren sind. Nach Aussage der Behörden des Vereinigten Königreichs gehören dazu Schieferausschuss, Porzellanerdenabfall, Zechenabraum, Asche, Hochofenschlacke, Altglas und Gummi. Sie wird auch nicht auf aufbereitetes Granulat erhoben, wozu Fels, Sand oder Kies gehören, die bereits mindestens einmal verwendet wurden (üblicherweise für Hoch‑ und Tiefbauzwecke).

Nach Angaben der Behörden des Vereinigten Königreichs werden solche Erzeugnisse vom Anwendungsbereich der AGL ausgenommen, damit ihre Verwendung als Baumaterial attraktiv und der unnötige Abbau von Virgin-Granulat verringert wird, was zu einer wirksamen Ressourcenbewirtschaftung anhalten soll.

Nach ersten Entwürfen der Behörden des Vereinigten Königreichs soll die AGL die Nachfrage nach Virgin-Granulat bei einer jährlichen Gesamtnachfrage im Vereinigten Königreich von etwa 230 bis 250 Millionen Tonnen um durchschnittlich 20 Millionen Tonnen pro Jahr verringern.‘

22      Hinsichtlich der Beurteilung des Anwendungsbereichs der AGL heißt es in den [Erwägungsgründen] 29 und 31 der angefochtenen Entscheidung:

‚Die Kommission stellt fest, dass die AGL nur auf die gewerbliche Verwertung von Fels, Sand und Kies, die als Granulat verwendet werden, erhoben wird. Sie wird auf solche Materialien nicht erhoben, wenn sie nicht als Granulat verwendet werden. Sie wird nur auf Virgin-Granulat erhoben. Sie wird weder auf Granulat erhoben, das als Neben- oder Abfallprodukt anderer Verfahren gewonnen wird (Sekundär-Granulat), noch auf aufbereitetes Granulat. Entsprechend ist die Kommission der Ansicht, dass die AGL nur bestimmte Sektoren und bestimmte Unternehmen betrifft. Sie stellt somit fest, dass zu erörtern ist, ob der Anwendungsbereich der AGL durch die Logik und die Natur der Abgaberegelung gerechtfertigt ist.

… [D]as Vereinigte Königreich [hat] in Ausübung seiner Steuerhoheit die AGL so gestaltet …, dass die Verwendung von aufbereitetem Granulat und anderen Ausweichmöglichkeiten zu Virgin-Granulat maximiert und die effiziente Verwendung von Virgin-Granulat, das ein nicht erneuerbarer natürlicher Rohstoff ist, gefördert werden soll. Die durch die Granulatgewinnung verursachten Umweltbeeinträchtigungen, denen das Vereinigte Königreich mit der AGL entgegenwirken möchte, umfassen Lärm, Staub, Beeinträchtigung der Biodiversität und Sichtbeeinträchtigungen.‘

23      Die Kommission schließt daraus [im] 32. [Erwägungsgrund], dass ‚die AGL eine spezifische Abgabe mit einem sehr engen Anwendungsbereich ist, die von dem Mitgliedstaat anhand der spezifischen Merkmale des betreffenden Sektors genau abgegrenzt wurde‘, und dass ‚[d]ie Struktur und der Umfang der Abgabe … die deutliche Unterscheidung zwischen der Gewinnung von Virgin-Granulat mit ihren unerwünschten Umweltauswirkungen und der Herstellung von Sekundärgranulat oder aufbereitetem Granulat wider[spiegeln], die erheblich zur Verarbeitung von Fels, Kies und Sand beiträgt, die bei Aushebungen oder sonstigen Arbeiten oder Verfahren abfallen, die rechtmäßig zu verschiedenen Zwecken durchgeführt werden‘.

24      Zur Befreiung von Granulat, das ohne vorherige Bearbeitung im Vereinigten Königreich ausgeführt wird, heißt es [im] 33. [Erwägungsgrund] der angefochtenen Entscheidung:

‚Eine solche Regelung ist … dadurch gerechtfertigt, dass Granulat im Vereinigten Königreich befreit sein kann, wenn es für befreite Verfahren (z. B. die Herstellung von Glas, Plastik, Papier, Düngemittel und Pestizide[n]) verwendet wird. Da die Behörden des Vereinigten Königreichs keine Kontrolle über die Verwendung von Granulat außerhalb ihres Hoheitsbereichs haben, ist die Befreiung von Ausfuhren notwendig, um Granulatausführern Rechtssicherheit zu gewährleisten und eine ungleiche Behandlung von Granulatausfuhren zu verhindern, die sonst für eine Befreiung im Vereinigten Königreich in Frage kämen.‘

25      [Im] 34. [Erwägungsgrund] zieht die Kommission folgende Schlussfolgerung:

‚[E]s [liegt] in der Natur und im allgemeinen Aufbau einer solchen Abgabe …, dass sie nicht für Sekundärgranulat oder aufbereitetes Granulat gilt. Die Erhebung einer Abgabe auf die Gewinnung von Virgin-Granulat wird zu einem Rückgang der Gewinnung von Primärgranulat, zu einer geringeren Verwendung nicht erneuerbarer Rohstoffe und zur Verringerung von Umweltbeeinträchtigungen beitragen. Die Kommission ist demzufolge der Ansicht, dass etwaige Vorteile, die für manche Unternehmen aus der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der AGL entstehen, durch die Natur und den allgemeinen Aufbau der Abgaberegelung gerechtfertigt sind.‘“

 Gerichtliche Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

2        Die British Aggregates Association erhob mit Klageschrift, die am 12. Juli 2002 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung C (2002) 1478 final der Kommission vom 24. April 2002 betreffend die staatliche Beihilfe N 863/01 – Vereinigtes Königreich/Granulatabgabe (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

3        Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland wurde mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 28. November 2002 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen.

4        Die Klägerin stützt ihre Klage erstens auf einen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG, zweitens auf einen Begründungsmangel im Sinne von Art. 253 EG, drittens darauf, dass die Kommission ihre Pflicht zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG verletzt habe, und viertens darauf, dass sie ihre Pflichten bei der Vorprüfung nach Art. 88 Abs. 3 EG missachtet habe.

5        Die Kommission stellte die Zulässigkeit der Klage in Abrede, weil die angefochtene Entscheidung die Klägerin nicht individuell im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG betreffe.

6        Mit dem aufgehobenen Urteil (oben in Randnr. 1 angeführt) erklärte das Gericht die Klage aus den in den Randnrn. 45 bis 68 des Urteils aufgeführten Gründen für zulässig. Im Übrigen wies es den ersten und den zweiten Klagegrund, die gemeinsam geprüft wurden, und sodann den dritten und den vierten Klagegrund aus den in den Randnrn. 104 bis 156, 163 bis 173 bzw. 177 bis 180 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) angegebenen Gründen zurück. Infolgedessen wies das Gericht die Klage insgesamt ab.

7        Mit am 27. November 2006 eingereichtem Schriftsatz legte die Klägerin beim Gerichtshof ein Rechtsmittel ein, mit dem sie beantragte, das Urteil des Gerichts (oben in Randnr. 1 angeführt) und die angefochtene Entscheidung, soweit sie nicht die Freistellung von Nordirland betrifft, aufzuheben. Die Kommission legte beim Gerichtshof ein Anschlussrechtsmittel ein, mit dem sie beantragte, das Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen. Das Vereinigte Königreich beantragte die Zurückweisung des Rechtsmittels.

8        Mit Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, Slg. 2008, I‑10505, im Folgenden: Rechtsmittelurteil), hat der Gerichtshof das Urteil des Gerichts (oben in Randnr. 1 angeführt) aufgehoben und die Sache an das Gericht zurückverwiesen.

9        Der Gerichtshof hat die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Gericht in vollem Umfang bestätigt (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 24 bis 58).

10      Hinsichtlich der Begründetheit hat der Gerichtshof zwei Rechtsfehler des Gerichts festgestellt.

11      Zum einen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass das Gericht in den Randnrn. 115, 117, 120, 121 und 128 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) den Begriff der Beihilfe verkannt hat, insbesondere das Kriterium der Selektivität des Vorteils, das nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen beschreibt. Das Gericht hätte daher nicht das verfolgte Umweltziel berücksichtigen dürfen, um den Ausschluss von Maßnahmen, die einen selektiven Vorteil enthalten, vom Anwendungsbereich des Art. 87 Abs. 1 EG zu rechtfertigen (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 82 bis 92).

12      Zum anderen hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass sich das Gericht insbesondere in den Randnrn. 118, 134, 139, 154 und 171 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) mit der Feststellung, die Kommission verfüge bei der Anwendung von Art. 88 Abs. 3 EG über ein weites Ermessen, hinsichtlich des Umfangs geirrt hat, in dem der Beihilfebegriff gerichtlich nachzuprüfen ist, der ein Rechtsbegriff ist und anhand objektiver Kriterien ausgelegt werden muss. Deshalb hat der Unionsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG fällt, grundsätzlich umfassend zu prüfen. Dieser Grundsatz gilt auch für die von der Kommission nach Abschluss der Vorprüfung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG erlassenen Entscheidungen, da die Kommission, ohne hierbei über einen Ermessensspielraum zu verfügen, verpflichtet ist, das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten, wenn die Vorprüfung es ihr nicht erlaubt hat, alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung auszuräumen. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist die gesamte Prüfung der Begründetheit der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht mit diesem Rechtsfehler behaftet (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 109 bis 115).

13      Der Gerichtshof hat ferner einer Rüge in Bezug auf Randnr. 112 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) stattgegeben. Das Gericht hatte dort im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kommission in der gesamten angefochtenen Entscheidung und insbesondere in deren 29. Erwägungsgrund davon ausgegangen sei, dass mit „Primär-Granulat“ im Wesentlichen „der AGL unterliegendes Granulat“ bezeichnet werde, während der Begriff „Sekundär-Granulat“ sich im Wesentlichen auf im Gesetz aufgeführtes „befreites“ Granulat bezogen habe. Das Gericht hatte daraus insbesondere hergeleitet, dass sich die Kommission in dem erwähnten Erwägungsgrund darauf beschränkt habe, auszuführen, dass „die AGL nicht auf die Neben- oder Abfallprodukte der ersten Gewinnung erhoben wird, wenn sie nach dem Gesetz … befreit sind“. Nach Auffassung des Gerichtshofs hat das Gericht damit einen Auslegungsfehler begangen und seine eigene Auslegung an die Stelle derjenigen gesetzt, die sich unmittelbar aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, obwohl kein sachlicher Umstand dies rechtfertigte (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 140 bis 145, insbesondere Randnr. 144, und Randnr. 151).

14      Darüber hinaus hat der Gerichtshof einer Rüge in Bezug auf Randnr. 150 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) stattgegeben, in der es um die Beachtung der Begründungspflicht nach Art. 253 EG ging. Nach Auffassung des Gerichtshofs kann entgegen den dort getroffenen Feststellungen des Gerichts die auf Art. 91 EG gestützte Begründung nicht als an die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe anknüpfend betrachtet werden, wonach die Behörden des Vereinigten Königreichs keine Mittel zur Kontrolle der Verwendung des Granulats außerhalb des Vereinigten Königreichs haben, sondern sie stellt in Wirklichkeit eine andere Begründung dar, die nach dem Erlass dieser Entscheidung gegeben worden ist. Aufgrund der Berücksichtigung dieser Begründung im Zusammenhang mit den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Gründen hat das Gericht nach Auffassung des Gerichtshofs daher Art. 253 EG verkannt (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 172 bis 179, insbesondere Randnr. 178).

15      Schließlich hat der Gerichtshof die Rechtsmittelgründe zurückgewiesen, mit denen Rechtsfehler bezüglich der Nichteinleitung des förmlichen Prüfverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 2 EG (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 185 bis 189) und der unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 192 bis 194) geltend gemacht wurden.

16      Der Gerichtshof hat schließlich entschieden, das Urteil des Gerichts (oben in Randnr. 1 angeführt) aufzuheben, die Rechtssache wegen der beiden oben in den Randnrn. 11 und 12 genannten Rechtsfehler an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 195, 197 und 198).

17      Nach der Zurückverweisung der vorliegenden Rechtssache sind die Verfahrensbeteiligten um Stellungnahme zu der Frage gebeten worden, welche Folgerungen sich aus dem Rechtsmittelurteil (oben in Randnr. 8 angeführt) für die Entscheidung des Rechtsstreits ergeben. Die Klägerin, die Kommission und das Vereinigte Königreich haben gemäß Art. 119 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts Schriftsätze eingereicht.

18      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung, soweit sie nicht die Freistellung für Nordirland betrifft, für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten einschließlich der im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

19      Die Kommission, unterstützt durch das Vereinigte Königreich, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

20      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

21      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 16. Mai 2011 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

22      In der Sitzung hat das Gericht die Kommission und das Vereinigte Königreich im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 64 der Verfahrensordnung aufgefordert, ihm binnen drei Wochen alle Dokumente oder Verweise auf bereits in der Verwaltungsakte enthaltene Dokumente zu bestimmten tatsächlichen Aspekten des aufgrund der Anmeldung der Aggregates Levy (Granulatabgabe, im Folgenden: AGL oder Abgabe) eingeleiteten Verwaltungsverfahrens vorzulegen, die sich auf die Gewinnung von Virgin-Granulat zu gewerblichen Zwecken beziehen. Das Gericht hat das mündliche Verfahren daher nicht abgeschlossen, was in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden ist.

23      Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, der Kommission und dem Vereinigten Königreich im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung aufzugeben, zusätzliche Informationen zu bestimmten in der Sitzung bestrittenen Tatsachen zu übermitteln. Die Kommission und das Vereinigte Königreich haben zu diesem Antrag am 13. und 14. Juli 2011 Stellung genommen.

24      Mit besonderen Schriftsätzen, die am 14. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, sind die Kommission und das Vereinigte Königreich der Aufforderung des Gerichts zur Vorlage von Dokumenten nachgekommen. Die Klägerin hat zu diesen Dokumenten am 18. Juli 2011 Stellung genommen, und das mündliche Verfahren ist abgeschlossen worden.

 Rechtliche Würdigung

1.     Einleitende Bemerkungen

25      Da der Gerichtshof die vom Gericht im aufgehobenen Urteil (oben in Randnr. 1 angeführt) vorgenommene Beurteilung der Zulässigkeit der Klage endgültig bestätigt hat (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 24 bis 58), was die Verfahrensbeteiligten anerkannt haben, ist festzustellen, dass die vorliegende Klage zulässig und die Prüfung durch das Gericht auf die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu beschränken ist.

26      Da die vorliegende Rechtssache wegen der in den Randnrn. 82 bis 92 und 109 bis 115 des Rechtsmittelurteils (oben in Randnr. 8 angeführt) festgestellten Rechtsfehler, nämlich der Verkennung des Beihilfebegriffs und des Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht, zurückverwiesen wurde (vgl. Randnrn. 10 bis 12 und 16 des vorliegenden Urteils), muss das Gericht zu diesem Zweck sämtliche relevante Tatsachen, die den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bilden, erneut prüfen und im Hinblick auf das Verbot nach Art. 87 Abs. 1 EG neu beurteilen.

27      Das Gericht hält es deshalb für erforderlich, den ersten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG gerügt wird, zu prüfen.

2.     Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG

 Zusammenfassung der Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten nach der Zurückverweisung

28      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass der Begriff der Beihilfe und insbesondere die Selektivität der aus der AGL resultierenden Vorteile in der angefochtenen Entscheidung verkannt würden. Weder die Kommission noch das Vereinigte Königreich hätten dargetan, dass angesichts des mit der AGL verfolgten Umweltziels die unterschiedliche Behandlung bestimmter Granulate und/oder Materialien durch die Natur, den allgemeinen Aufbau oder die Umweltlogik des Gesetzes gerechtfertigt werden könne. Die Inkohärenz des Anwendungsbereichs der AGL führe damit zu nach Art. 87 Abs. 1 EG verbotenen selektiven Vorteilen. Diese Inkohärenz werde insbesondere dadurch bestätigt, dass bestimmte Materialien, wie Tonschiefer, Lehm und Schiefer, von der Abgabe befreit seien, obwohl sie „Granulat“ im Sinne des Gesetzes seien und Granulat aus Ersatzmaterialien der Abgabe unterliege. Ohne eindeutige Definition des Begriffs „Granulat“ könne eine solche Befreiung jedoch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, dass die AGL eine Umlenkung der Nachfrage nach Virgin-Granulat zu umweltfreundlicheren Materialien und insbesondere die Verwendung von aufbereitetem Granulat und anderen Ersatzerzeugnissen sowie eine wirtschaftliche Verwendung von Virgin-Granulat, einem nicht erneuerbaren natürlichen Rohstoff, fördern solle (31. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

29      Hinsichtlich der Befreiung der Ausfuhren fordert die Klägerin das Gericht auf, die Argumentation im 33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu beanstanden, wonach die Behörden des Vereinigten Königreichs keine Kontrolle über die Ausfuhren von Granulat hätten, so dass die Gefahr einer Ungleichbehandlung ausgeführter Granulate bestünde. 90 % des ausgeführten und befreiten Granulats stammten nämlich aus ein und demselben Granitsteinbruch in Glensanda (Schottland), dessen Erzeugnisse sämtlich nicht in befreiten Verfahren im Vereinigten Königreich verwendet werden könnten. Der eigentliche Grund für diese Befreiung, die im Widerspruch zu Natur und allgemeiner Struktur einer Umweltabgabe stehe, sei der Schutz des Wettbewerbs. Die Befreiung der Ausfuhren verleihe damit einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG.

30      Die Kommission entgegnet, dass das Gericht im Rahmen der Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG „seine Prüfung mit der Feststellung einer Maßnahme (oder eines ‚Systems‘) beginnen muss, die keine Elemente einer staatlichen Beihilfe enthält und weder das Umweltziel noch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems berücksichtigt“.

31      Nach Auffassung der Kommission ist als Erstes festzustellen, dass eine besondere Abgabenbelastung, die einen begrenzten Sektor treffe, keine staatliche Beihilfe sei, ohne dass die Ziele der Abgabe oder die Natur und der allgemeine Aufbau des Systems geprüft werden müssten. Im vorliegenden Fall unterliege Granulat der Abgabe, andere Materialien als Granulat sowie Granulat, das nicht als solches verwendet werde, hingegen nicht. Als Zweites sei festzustellen, dass das System Ausnahmen für aufbereitete Erzeugnisse und für Alternativen zu Virgin-Granulat vorsehe, insbesondere für Abraum, selbst wenn er als Granulat verwendet werde, und dass diese Abweichungen der Natur und dem allgemeinen Aufbau des Systems entsprächen und tatsächlich zur weiteren Verringerung der Gewinnung von Virgin-Granulat beitrügen. Die Klägerin begehe jedoch nach wie vor den grundlegenden Fehler, das Umweltziel, das zur Natur oder zum allgemeinen Aufbau des Systems gehöre, von der zweiten auf die erste Stufe dieser Überlegungen zu verlagern. Anders als das Gericht im aufgehobenen Urteil (oben in Randnr. 1 angeführt) festgestellt habe, gälten diese Überlegungen für alle Abgaben, die eine Sonderbelastung eines begrenzten Sektors darstellten, unabhängig von ihren Zielen. Das Rechtsmittelurteil (oben in Randnr. 8 angeführt) habe zutreffend auf diesen Fehler hingewiesen und damit die angefochtene Entscheidung und den Standpunkt der Kommission bestätigt.

32      Die Kommission widerspricht dem Vorbringen, dass die AGL keiner kohärenten Logik folge, weil andere Sektoren mit ähnlichen Umweltauswirkungen nicht abgabepflichtig seien (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 82, 86 und 87). Eine besondere Abgabenbelastung, die einen begrenzten Sektor treffe – und zwar den Granulatsektor – enthalte keine Elemente einer staatlichen Beihilfe zugunsten sämtlicher anderen, nicht abgabepflichtigen Sektoren. Diese anderen Sektoren seien der Abgabe deswegen nicht unterworfen worden, weil die Erzeugnisse entweder kein Granulat seien (Kohle, Braunkohle, Lehm, Porzellanerde, Töpferton und Schiefer; Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnr. 129) oder nicht als Granulat verwendet würden (für die Herstellung von Zement bestimmter Kalkstein und für die Herstellung von Glas bestimmter Sand) (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 90 bis 92 und 128 Satz 1). Im aufgehobenen Urteil (oben in Randnr. 1 angeführt) habe das Gericht dieses Vorbringen der Klägerin zu Recht zurückgewiesen und entschieden, dass es grundsätzlich Sache des Mitgliedstaats sei, die Gegenstände oder Dienstleistungen zu bestimmen, die er einer Abgabe zu unterwerfen beschließen, ohne dass sich daraus eine staatliche Beihilfe zugunsten anderer Sektoren ergebe, die vergleichbare Auswirkungen auf die Umwelt hätten (Randnrn. 114 bis 116, 128 und 129 des Urteils des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt).

33      Das Gericht habe jedoch einen zusätzlichen Aspekt berücksichtigt, der sich der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen lasse und den die Kommission im Verfahren nicht angeführt habe, weil er mit der ständigen Rechtsprechung unvereinbar sei (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 84, 85 und 87), nämlich das Umweltziel (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 115 und 128). Das Gericht habe nämlich die Begründung der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht dahin ausgelegt, dass sie auf Umweltabgaben beschränkt sei, obwohl sie sich auf jede Abgabe unabhängig von ihrem Zweck beziehe. Der Gerichtshof habe diesen Fehler zutreffend festgestellt (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 86 und 87). Um ihn zu berichtigen, müsse das Gericht das Umweltziel aus diesem Teil seiner Argumentation entfernen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass eine besondere Abgabenbelastung, die einen begrenzten Sektor treffe, keine Elemente einer staatlichen Beihilfe zugunsten anderer, nicht abgabepflichtiger Sektoren enthalte und dass keine staatliche Beihilfe zugunsten anderer Materialien als Granulat und zugunsten der Granulate vorliege, die für vom Anwendungsbereich der AGL ausgeschlossene Verwendungen bestimmt seien. Die Kommission stellt in diesem Zusammenhang klar, dass das Rechtsmittelurteil (oben in Randnr. 8 angeführt) die einzelnen Rügen der Klägerin in Bezug auf den Umstand, dass bestimmte Granulate der Abgabe unterlägen, bestimmte andere Materialien als Granulat sowie nicht als solches verwendetes Granulat hingegen nicht, ausdrücklich zurückweise.

34      In Randnr. 88 des Rechtsmittelurteils (oben in Randnr. 8 angeführt) werde diese Beurteilung bestätigt, indem dort darauf hingewiesen werde, dass die zusätzliche Berücksichtigung des Umweltziels im aufgehobenen Urteil (oben in Randnr. 1 angeführt) in offensichtlichem Widerspruch dazu stehe, dass andere umweltschädliche Sektoren wie der Kohlesektor ausgeschlossen seien und dass zur Rechtfertigung der Nichterhebung der Abgabe in diesen anderen Sektoren andere Ziele angeführt würden, darunter das Bestreben, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Der Gerichtshof habe insoweit zutreffend festgestellt, dass ein solcher Widerspruch nicht durch eine auf die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems gestützte Begründung behoben werden könne, zumal „es … nicht auf das Ziel an[kommt], sondern auf die Wirkungen“ (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 84, 85 und 87).

35      Zu der vom Gericht in den Randnrn. 120 und 121 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) getroffenen Unterscheidung zwischen dem vorliegenden Fall und demjenigen, der dem Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, Slg. 2001, I‑8365, im Folgenden: Urteil Adria-Wien Pipeline), zugrunde liegt, führt die Kommission aus, der Gerichtshof habe festgestellt, dass Art. 87 Abs. 1 EG die staatlichen Maßnahmen nach ihren Wirkungen und somit unabhängig von den verwendeten Techniken beschreibe (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 89). Hinsichtlich der Wirkungen weist die Kommission darauf hin, dass die AGL eine besondere Abgabe sei, die einen begrenzten Sektor treffe, und zwar den Granulatsektor (32. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Diese Eigenschaft als besondere Abgabenbelastung, die einen begrenzten Sektor treffe, rechtfertige den Schluss, dass die Abgabe nicht als solche – unabhängig von ihrem Ziel – eine staatliche Beihilfe zugunsten anderer Materialien als Granulat oder zugunsten von Granulat sei, das nicht als solches verwendet werde (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 90 bis 92). Nach Ansicht der Kommission bildet diese Eigenschaft zudem den „neutralen Bezugspunkt“ oder das „System“ bzw. den „Normalzustand“, der „als solcher keine Elemente einer staatlichen Beihilfe enthält und nicht im Hinblick oder gestützt auf das Ziel der Abgabe oder die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems eingeführt wurde“ und anhand dessen sich feststellen lasse, ob sich andere Abgabebefreiungen in die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems einfügten. Ein solcher begrenzter Sektor als „Bezugspunkt“ fehle aber in dem Sachverhalt, der dem Urteil Adria-Wien Pipeline zugrunde liege, da sich die fragliche Maßnahme auf einen Großteil der allgemeinen Wirtschaft ausgewirkt habe, was ein anderes Herangehen gerechtfertigt habe.

36      Die Kommission fordert das Gericht daher auf, unter Beachtung der verlangten Anforderungen an die gerichtliche Kontrolle erstens erneut die Bestimmung des Granulatsektors zu prüfen (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 75, 90, 91, 110, 138 und 139, sowie Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 96 bis 101). Im vorliegenden Fall habe die Kommission ihrer Untersuchung den Anwendungsbereich der Abgabe zugrunde gelegt, wie er vom Vereinigten Königreich bestimmt worden sei. Andere Materialien als Granulat, wie Kohle, Braunkohle, Lehm, Porzellanerde, Töpferton und Schiefer, sowie Granulate, die nicht als solche verwendet würden, insbesondere für die Herstellung von Zement bestimmter Kalkstein und für die Herstellung von Glas bestimmter Sand, unterlägen nicht der Abgabe, weil sie nicht zum Granulatsektor gehörten. Die Behauptung der Klägerin, dass sämtliche betroffenen Materialien Granulate seien, treffe daher nicht zu. Auch im Rechtsmittelurteil (oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 130) werde bestätigt, dass bestimmte Materialien nicht der Abgabe unterworfen seien, weil es sich nicht um Granulat handle. Zweitens müsse sich diese erneute Prüfung auf den Umstand erstrecken, dass die Abgabe auf Granulate hoher technischer Spezifikation wie roter Kies für Radwege, Straßenbelag und Bahngleisschotter erhoben werde, weil es sich dabei unabhängig davon, ob es Alternativen zu diesen Materialien gebe, um Granulat handle (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 85, 90 bis 92, 135 und 136, sowie Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 125, 126, 130 und 131). Drittens müsse das Gericht erneut den Umstand prüfen, dass die Abgabe auf „sekundären“ Zement und Sand erhoben werde, weil diese unabhängig davon, ob sie als „Sekundär“-Erzeugnisse aus bestimmten Abbaustellen eingestuft würden, als Granulat verwendet würden (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 86, 90 bis 92 und 137, sowie Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 146 bis 151). Viertens müsse sich die erneute Prüfung mit dem Umstand befassen, dass die Abgabe nicht auf andere Erzeugnisse als Granulate und Abraum, wie Tonschiefer, Schiefer, Lehm, Porzellanerde, Töpferton, Kohle und Braunkohle, erhoben werde, selbst wenn sie als Granulat verwendet würden, weil sich die Förderung der Verwendung von Substituten für Virgin-Granulat in die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems einfüge (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 83, 94 bis 98 und 130 bis 132, sowie Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 152 bis 154 und 160 bis 162). Schließlich fordert die Kommission das Gericht auf, erneut zu prüfen, ob die Befreiung der Einfuhren aus den in den Erwägungsgründen 22 und 33 der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen gerechtfertigt sei.

37      Das Vereinigte Königreich widerspricht insbesondere dem Vorbringen der Klägerin, dass wesentliche Begriffe der AGL nie eindeutig definiert worden seien und ihnen je nach den Umständen eine unterschiedliche Bedeutung zugemessen worden sei.

38      So werde der Begriff „Primärgranulat“ von den Betreibern von Steinbrüchen und sonstigen Abbaustellen zumeist zur Bezeichnung des dort erzeugten Primär- oder Hauptgranulats verwendet. Diese Betreiber erzeugten häufig eine Palette verschiedener Granulate, die nach ihrer physikalischen Beschaffenheit, ihrer technischen Spezifikation und ihrer Eignung für bestimmte Anwendungen variierten. So könnten Granulate hoher Spezifikation zur Herstellung von Teer oder Beton verwendet werden, Granulate niedrigerer Spezifikation hingegen als Aufschüttmasse oder als Schotter. Primärgranulate gälten allgemein als die Erzeugnisse, die am wertvollsten seien, nach denen die größte Nachfrage herrsche und die eine hinreichend gute Kornverteilung aufwiesen, um sich für zahlreiche Anwendungen zu eignen. Die Rentabilität der Gewinnung hänge in hohem Maße von den geologischen Gegebenheiten der Abbaustelle und zu einem gewissen Grad davon ab, wie leicht dort die Anlagen zugänglich seien, die für die Verarbeitung des Rohstoffs und die Maximierung seiner gewünschten Eigenschaften benötigt würden.

39      Dagegen werde der Begriff „Sekundärgranulat“ von den Betreibern von Steinbrüchen und sonstigen Abbaustellen am häufigsten zur Bezeichnung von Granulaten verwendet, die Nebenerzeugnisse der Gewinnung von Primärgranulat seien, die oft eine mechanische Behandlung wie Zerstoßen, Sieben, Schleifen und Zermahlen voraussetze. In jedem Stadium dieser Behandlung habe das geschaffene Sekundärgranulat eine weniger gute Kornverteilung als das Primärgranulat und werde daher von diesem getrennt. Sekundärgranulate könnten in mehreren Stufen weiter behandelt werden, um ihr eigenes maximales Potenzial als Granulat zu erreichen. Auf diese Weise werde eine Palette von Erzeugnissen mit unterschiedlicher Kornverteilung hergestellt, die von immer geringerer Qualität bzw. immer geringerem Wert seien, bis nur ein sehr feinkörniger Stoff übrig bleibe, die „Feinpartikel“, die nur begrenzt einsetzbar seien und nach denen nur geringe Nachfrage bestehe. Es handle sich jedoch nicht zwangsläufig um Neben- oder Abfallprodukte. Vielmehr hätten die meisten Sekundärgranulate einen besonders hohen Wert und eine besonders hohe Qualität und seien begehrt, so dass nur die „Feinpartikel“ als Abfallprodukt angesehen werden können. Die Kornverteilung von Sekundärgranulat, die weniger gut sei als die von Primärgranulat, sei daher ausschlaggebend für die Unterscheidung der beiden Granulatarten. Der Begriff „Sekundärgranulat“ werde mitunter auch zur Bezeichnung von Nebenerzeugnissen einer Reihe von Gewinnungs- und Herstellungsverfahren verwendet, deren Zweck zwar nicht die Erzeugung von Granulat sei, die aber unweigerlich zur Erzeugung solcher Materialien führten, z. B. Bergbaurückstände, Gewinnung von Porzellanerde, Erzeugung von Tonschiefer, Kraftwerksasche und Hochofenschlacke. Diese Verfahren müssten von der Gewinnung von Granulat unterschieden werden.

40      Das Vereinigte Königreich trägt vor, dass es die Entsorgung derartiger Nebenerzeugnisse als Abfall reduzieren wolle und daher bemüht sei, ihre Verwendung als brauchbare Alternative zur Granulatgewinnung als solcher zu fördern. Obwohl die AGL-Bestimmungen diese Materialien nicht als „Sekundärgranulat“ definierten, werde diese Bezeichnung in den betreffenden Sektoren üblicherweise verwendet. Die im Steinbruchsektor verwendete Terminologie könne jedoch irreführend sein, weil der Abgabe unterliegende Materialien und ihr nicht unterliegende Materialien häufig unrichtig als Primärgranulat und Sekundärgranulat bezeichnet würden, obwohl die Kategorie der der Abgabe unterliegenden Granulate sowohl Primär- als auch Sekundärgranulat umfasse. Zudem beziehe sich der Begriff „Virgin-Granulat“ sowohl auf Primär- als auch auf Sekundärgranulate, die noch nicht verwendet worden seien, weil sie neu gewonnen worden seien. Aufbereitete Granulate seien somit kein Virgin-Granulat.

41      Das Vereinigte Königreich widerspricht dem Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission und das Vereinigte Königreich keine kohärente Umweltlogik der AGL dargetan hätten oder nicht bewiesen hätten, dass die Natur und der allgemeine Aufbau dieser Abgabe deren Anwendungsbereich rechtfertigen könnten. Es stehe außer Frage, dass die Gewinnung von Granulat eine Reihe negativer Umweltauswirkungen habe, zu denen Lärm, Staub, Sichtbeeinträchtigung, Beeinträchtigungen der Biodiversität und der Verlust an Lebensqualität gehörten. Die AGL solle diese Umweltkosten in den Preis der Granulate einbeziehen, um auf diese Weise die Gewinnung von Virgin-Granulat zu verringern und seine wirtschaftliche Verwendung, die Verwendung anderer aufbereiteter Materialien und die von Materialien fördern, die andernfalls als Abfall entsorgt würden. Obwohl die AGL direkt von den Granulaterzeugern erhoben werde, liege die Abgabenlast letztlich bei den Endverbrauchern von Granulat, da die Erzeuger die Kosten der Abgabe über die Festlegung ihrer Preise auf ihre Kunden abwälzten. In diesem Sinne sei die AGL eine indirekte Abgabe, die den Endverbrauchern von Virgin-Granulat auferlegt werde.

42      Das Vereinigte Königreich bestreitet, dass der allgemeine Aufbau der AGL Widersprüche aufweise, die zu selektiven Vorteilen für bestimmte nicht der Abgabe unterliegende Sektoren oder Erzeugnisse führten. Das Gericht dürfe das Vorbringen der Klägerin zur Natur, zur Logik und zum Anwendungsbereich der AGL nicht erneut eingehend prüfen, da der Gerichtshof dieses Vorbringen aufgrund der eigenständigen Tatsachenwürdigungen des Gerichts weitgehend zurückgewiesen habe (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 94 bis 101). Außerdem seien die Natur und die Logik der AGL sowie die Umweltgrundsätze, durch die diese Abgabe gerechtfertigt werde, einfach, kohärent und durchdacht. Dass z. B. bestimmte Materialien wie Porzellanerde, Töpferton, Tonschiefer sowie andere mineralische und Industrieabfälle nicht der Abgabe unterworfen seien, ergebe sich aus der Natur und der Gesamtstruktur der AGL, was zur Folge habe, dass Art. 87 Abs. 1 EG auf diese Befreiung nicht anwendbar sei.

43      Zur Abgabebefreiung von Tonschiefer, Schiefer und Porzellanerde trägt das Vereinigte Königreich vor, dass das Verfahren zur Erzeugung von Tonschiefer und Porzellanerde zahlreiche Nebenerzeugnisse von Granulat generiere. Zudem hätten einige Sektoren des Granulatmarkts derartige Nebenerzeugnisse erfolgreich anstelle anderer, der AGL unterliegender Virgin-Granulate verwendet. Die Verfahren zur Gewinnung von Porzellanerde, Tonschiefer, Kohle und anderen Materialien dienten nämlich nicht der Erzeugung von Granulaten, führten aber unweigerlich zur Erzeugung von Materialien, die sich für eine solche Nutzung eigneten. Obwohl derartige Gewinnungsverfahren in gewissem Umfang Abfall generierten und umweltschädlich seien, gebe es keine effizientere Methode der Erzeugung von Materialien wie Tonschiefer und Porzellanerde. Im Hinblick auf das mit der AGL verfolgte Ziel des Umweltschutzes sollte die Verwendung der Nebenerzeugnisse solcher Verfahren als Granulat anstelle der Verwendung anderer Virgin-Granulate so weit wie möglich privilegiert werden, insbesondere wenn die einzige Alternative darin bestehe, diese Nebenerzeugnisse als Abfall zu entsorgen. Zahlreiche Nebenmaterialien aus diesen Verfahren würden gegenwärtig als nicht der AGL unterliegendes Granulat verkauft, während vor der Einführung dieser Abgabe die meisten dieser Materialien als Abfall entsorgt worden seien. Die Befreiung von Materialien, die für andere Verwendungen als solche als Granulat bestimmt seien, wie Quarzsand für die Herstellung von Glas, sei anwendbar, wenn beide Hauptvoraussetzungen erfüllt seien, also zum einen kein brauchbares Ersatzmaterial vorhanden sei und zum anderen das Material nicht als Granulat verwendet werde.

44      Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs wurde im Wesentlichen das gesamte Vorbringen der Klägerin zur Vereinbarkeit der AGL mit dem Verursacherprinzip, zur Auswirkung der Gewinnung verschiedener Materialien auf die Umwelt, zur Definition des „Granulatsektors“ durch die Kommission und zur tatsächlichen Logik der Befreiungen bestimmter Materialien, nämlich der Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, vom Gerichtshof verworfen (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 99 bis 101, 128 bis 132, 149, 150, 161 und 162) und sei damit zurückzuweisen. Jedenfalls sei dieses Vorbringen angesichts der oben dargestellten Natur und Logik der AGL offensichtlich unzutreffend (Urteil des Gerichts, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 129, 133, 134, 138 und 153). Darüber hinaus verwechsle die Klägerin die Begriffe „Primärgranulat“, „Sekundärgranulat“ und „Virgin-Granulat“ und gebe ihnen einen Sinn, der nicht durch eine im Gesetz enthaltene Legaldefinition gestützt werde.

 Zu den Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG

 Zu den Kriterien für die Selektivität des Vorteils

45      Mit ihrem ersten Klagegrund wirft die Klägerin der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe den Beihilfebegriff im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG, insbesondere die Kriterien des Vorteils und seiner Selektivität, verkannt und fehlerhaft angewandt.

46      Was das Kriterium des Vorteils betrifft, ist der Begriff der Beihilfe nach ständiger Rechtsprechung weiter als der der Subvention, denn er umfasst nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch staatliche Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 8. Mai 2003, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, C‑328/99 und C‑399/00, Slg. 2003, I‑4035, Randnr. 35, vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C‑222/04, Slg. 2006, I‑289, Randnr. 131, sowie vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium, C‑393/04 und C‑41/05, Slg. 2006, I‑5293, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für den Abgabenbereich hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Abgabenbefreiung gewähren, die die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG ist. Genauso kann eine Maßnahme, mit der bestimmten Unternehmen eine Steuersenkung oder ein Zahlungsaufschub für die sonst geschuldete Steuer gewährt wird, eine staatliche Beihilfe sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u. a., Randnr. 132).

47      Was das Kriterium der Selektivität des Vorteils angeht, ist zu prüfen, ob eine staatliche Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmt[e] Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (Urteil Adria-Wien Pipeline, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 41; vgl. ferner Urteile des Gerichtshofs vom 3. März 2005, Heiser, C‑172/03, Slg. 2005, I‑1627, Randnr. 40, vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479, Randnr. 119, vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, Slg. 2006, I‑7115, Randnr. 54, und vom 11. September 2008, UGT‑Rioja u. a., C‑428/06 bis C‑434/06, Slg. 2008, I‑6747, Randnr. 46).

48      Diese Voraussetzung der Selektivität ist bei einer Maßnahme nicht gegeben, die zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, aber durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Adria-Wien Pipeline, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 42, und Portugal/Kommission, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 52). Der Gerichtshof hat klargestellt, dass der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass die Maßnahme unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht, und dass insoweit zu unterscheiden ist zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind (Urteil Portugal/Kommission, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 81). Steuerbefreiungen, denen ein Ziel zugrunde liegt, das dem Steuersystem, in das sie sich einfügen, fremd ist, dürfen nämlich den Anforderungen des Art. 87 Abs. 1 EG nicht entgehen.

49      Zur Beurteilung der Selektivität des mit der fraglichen Maßnahme gewährten Vorteils kommt außerdem der Bestimmung des Bezugsrahmens im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu, da das tatsächliche Vorliegen eines Vorteils nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Portugal/Kommission, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 56, und Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2004, Salzgitter/Kommission, T‑308/00, Slg. 2004, II‑1933, Randnr. 81). Dementsprechend setzt die Einstufung einer nationalen Steuermaßnahme als „selektiv“ in einem ersten Schritt voraus, dass im Vorfeld die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung ermittelt und geprüft wird. Anhand dieser allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen und festzustellen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

50      In einem ersten Schritt sind somit die Kriterien für die im Rahmen der AGL vorgesehene „normale“ Besteuerung zu ermitteln.

 Zu der im Rahmen der AGL vorgesehenen „normalen“ Besteuerung

51      Die Verfahrensbeteiligten erkennen im vorliegenden Fall an, dass der Bezugsrahmen, anhand dessen die Normalbesteuerung und das Vorliegen etwaiger selektiver Vorteile zu ermitteln sind, aus der AGL als solcher besteht, mit der eine für den Granulatsektor im Vereinigten Königreich geltende spezifische Abgaberegelung eingeführt wurde.

52      Selbst wenn es jedoch möglich sein sollte, diese Regelung als „besondere Abgabenbelastung, die einen begrenzten Sektor trifft“, zu bezeichnen, wäre sie entgegen dem Vorbringen der Kommission (vgl. Randnrn. 31 bis 33 des vorliegenden Urteils) nicht bereits aus diesem Grund vom Verbot nach Art. 87 Abs. 1 EG ausgenommen (vgl. in diesem Sinne Urteil Heiser, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 42), da sie Unterscheidungen in diesem Sektor treffen könnte, die möglicherweise die Kriterien des Vorteils und der Selektivität im Sinne der oben in Randnr. 47 angeführten Rechtsprechung erfüllen. Da außerdem der Beihilfebegriff ein Rechtsbegriff ist, der anhand objektiver Kriterien auszulegen ist (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 111), genügt nicht das mit einer staatlichen Maßnahme verfolgte Ziel – im vorliegenden Fall das Umweltziel einer spezifischen oder sektoriellen Abgaberegelung bzw. der Umstand, dass es sich bei der Abgabe um eine Ökoabgabe handelt – um die Maßnahme von vornherein von der Einordnung als „Beihilfe“ im Sinne von Art. 87 EG auszunehmen (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 84), denn eine solche Maßnahme ist anhand ihrer Wirkungen und nicht ihrer Gründe oder Ziele zu beurteilen (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 85 bis 88). Der Beihilfebegriff im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG verlangt mithin, dass geprüft wird, ob eine spezifische oder sektorielle Abgaberegelung Unterscheidungen enthält, die zur Begünstigung „bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ in dem von dieser Regelung erfassten Sektor führen, was voraussetzt, dass zunächst die „normale“ Besteuerung ermittelt wird, die dieser Regelung zugrunde liegt (vgl. Randnr. 49 des vorliegenden Urteils).

53      Wie insbesondere aus dem Schriftsatz des Vereinigten Königreichs (vgl. Randnrn. 37 bis 43 des vorliegenden Urteils) und den Antworten der Verfahrensbeteiligten auf mündliche Fragen des Gerichts in der Sitzung hervorgeht, besteht das der AGL zugrunde liegende „Normal“-Besteuerungsprinzip in der gewerblichen Verwertung eines der Abgabe unterliegenden Materials in der Form von „Granulat“ im Vereinigten Königreich (Section 16 [1] und [2] sowie Section 17 [1] des Finance Act 2001; im Folgenden: Gesetz), ohne dass dieses Gesetz, u. a. unter Bezugnahme auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Zusammensetzung, die Größe oder den gewerblichen Wert der betreffenden Materialien, den Begriff „Granulat“ definiert oder ihn näher bestimmende allgemeine Kriterien der Abgabeerhebung vorsieht.

54      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch von den Verfahrensbeteiligten im Verfahren wiederholt verwendeten Bezeichnungen von Granulat als „Virgin“-, „Primär“- oder „Sekundär“-Granulat nicht entscheidend sind, da der Wortlaut der AGL-Bestimmungen keine solche Unterscheidung trifft. Wie das Vereinigte Königreich in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, erfolgt nämlich zum einen die normale Erhebung der AGL nicht auf der Grundlage eines allgemeinen Granulatbegriffs und schließt das Gesetz zum anderen diejenigen Granulate vom Anwendungsbereich der AGL aus, die aus bestimmten Materialien gewonnen wurden (Section 17 des Gesetzes), und zwar unabhängig von ihrer physikalischen Beschaffenheit, oder die aus bestimmten Gewinnungs- oder Erzeugungsverfahren hervorgegangen sind („Exempt processes“ nach Section 18 des Gesetzes) oder die ausgeführt werden sollen (Section 16 [2] des Gesetzes). Die AGL-Bestimmungen enthalten somit eine Liste von Granulaten, die aus abgabebefreiten Materialien oder Gewinnungs- bzw. Erzeugungsverfahren hervorgegangen sind, gleichgültig, ob sie zu einer der behaupteten Granulatkategorien gehören (Section 17 [2] bis [4] und Section 18 [1] bis [3] des Gesetzes).

55      Daraus folgt, dass das der AGL zugrunde liegende Normalbesteuerungsprinzip allein auf dem Konzept der gewerblichen Verwertung eines der Abgabe unterliegenden Materials in der Form von „Granulat“ im Vereinigten Königreich beruht.

56      In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission dieses Normalbesteuerungsprinzip im Rahmen der Prüfung der Selektivität etwaiger durch die AGL geschaffener Vorteile offenkundig nicht berücksichtigt. So entspricht die Beschreibung des Anwendungsbereichs der AGL, die sich insbesondere in den Sätzen 2 und 3 des 29. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung befindet, nicht dieser Definition der Normalbesteuerung. In diesen Sätzen heißt es nämlich im Wesentlichen, dass die Abgabe nur auf „Virgin“-Granulat und weder „auf Granulat erhoben [wird], das als Neben- oder Abfallprodukt anderer Verfahren gewonnen wird (Sekundärgranulat), noch auf aufbereitetes Granulat“. Die AGL-Bestimmungen enthalten jedoch keine solche allgemeine Besteuerungsregel, die nach diesen verschiedenen Granulatkategorien unterscheiden würde („Virgin“-, „Sekundär“- und „aufbereitet“).

57      Diese Feststellung wird nicht durch Randnr. 144 des Rechtsmittelurteils (oben in Randnr. 8 angeführt) in Frage gestellt, in der nicht auf die Ermittlung des der AGL zugrunde liegenden Normalbesteuerungsprinzips Bezug genommen und erst recht nicht entschieden wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer korrekten Definition dieses Prinzips beruhe. Tatsächlich hat der Gerichtshof dort lediglich ausgeführt, dass das Gericht den 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nicht dahin auslegen durfte, dass mit dem Begriff „Primärgranulat“ im Wesentlichen der AGL unterliegendes Granulat bezeichnet werde und der Begriff „Sekundärgranulat“ sich im Wesentlichen auf „befreites, gesetzlich genau aufgelistetes Granulat“ bezogen habe (aufgehobenes Urteil, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnr. 112). Selbst wenn aber in diesem Zusammenhang die Verwendung der Begriffe „Primär“-Granulat und/oder „Sekundär“-Granulat relevant sein sollte, schließt das der AGL zugrunde liegende Normalbesteuerungsprinzip, wie es in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils dargestellt ist, keineswegs aus, dass ein „Sekundär“-Granulat auch ein „Virgin“-Granulat sein kann oder dass es grundsätzlich der AGL genau deshalb unterworfen wird, weil es die Funktion von „Granulat“ erfüllt. Anders als im 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung kategorisch festgestellt worden ist, bedeutet der bloße Umstand, dass „Sekundärgranulat“ „als Neben- oder Abfallprodukt anderer Verfahren gewonnen[es Granulat]“ bezeichnen soll, nicht zwangsläufig, dass diese Granulate von der Abgabe befreit sind. Das Gleiche gilt für die „aufbereiteten“ Materialien, wenn sie „Granulat“ im Sinne der AGL sind (vgl. Randnr. 55 des vorliegenden Urteils).

58      Diese Beurteilung wird durch die oben in den Randnrn. 37 bis 40 wiedergegebenen plausiblen Erläuterungen des Vereinigten Königreichs bestätigt, die, wie die Kommission in Antwort auf eine prozessleitende Maßnahme des Gerichts eingeräumt hat, der Erklärung in Randnr. 19 der Anmeldung der AGL entsprechen, in der die Begriffe „Primär“-Granulat und/oder „Sekundär“-Granulat ebenso wenig wie im Gesetz vorkommen. Im Wesentlichen geht aus diesen Erläuterungen hervor, dass zum einen die in der angefochtenen Entscheidung zur Bezeichnung der verschiedenen Granulatkategorien verwendete Terminologie nicht derjenigen der AGL entspricht, sondern der im Steinbruchsektor genutzten, und dass zum anderen eine erhebliche Überschneidung zwischen dem Begriff „Sekundär“-Granulat – dem der Begriff „Primär“-Granulat gegenübersteht – und dem Begriff „Virgin“-Granulat besteht. Dem Vereinigten Königreich zufolge umfasst der Begriff „Virgin“-Granulat sowohl „Primär“-Granulat als auch „Sekundär“-Granulat, während „aufbereitete“ Granulate kein „Virgin“-Granulat seien. Zu der Überschneidung komme es, weil „Sekundär“-Granulate häufig Nebenprodukte der Erzeugung von „Primär“-Granulat seien, d. h. des ersten Abbaus bestimmter Materialien aus dem Untergrund zum Zweck der Gewinnung von Granulat im Sinne der AGL. Der Hauptunterschied zwischen „Primär“-Granulat und „Sekundär“-Granulat bestehe in der jeweiligen Zusammensetzung, die über ihre spezifische industrielle Verwendung entscheide. Sowohl „Primär“-Granulat als auch „Sekundär“-Granulat könnten daher „Virgin“-Granulat sein, soweit sie neu gewonnen und noch nicht (als Granulat) verwendet worden seien. In der mündlichen Verhandlung haben auch die anderen Verfahrensbeteiligten die Relevanz dieser Klarstellung des Vereinigten Königreichs anerkannt.

59      Somit sehen die AGL-Bestimmungen, anders als im 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung dargestellt, keine allgemeine Befreiung von „Sekundär“-Granulat vor, die für alle unter den Begriff „Granulat“ fallenden Materialien gelten würde, sondern beschränkt sich darauf, die Einstufung als abgabebefreites Granulat an bestimmte, im Gesetz namentlich genannte Materialien oder an ein spezifisches Verfahren der Gewinnung oder Erzeugung eines dieser Materialien oder an die Ausfuhr von Granulat zu knüpfen.

60      Indem sich die Kommission darauf beschränkt hat, den Anwendungsbereich der AGL im 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung – unzutreffend – zu beschreiben, ist sie folglich, wie von der Klägerin vorgetragen (aufgehobenes Urteil, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnr. 79), von einem fehlerhaften Verständnis des dem Gesetz zugrunde liegenden Normalbesteuerungsprinzips ausgegangen, was die Rechtmäßigkeit ihrer Beurteilung der Abgabebefreiungen im Hinblick auf den Beihilfebegriff und insbesondere der etwaigen Selektivität im Sinne der oben in den Randnrn. 47 bis 49 angeführten Rechtsprechung beeinträchtigen konnte.

61      Zu prüfen ist daher, ob und inwieweit im vorliegenden Fall dieser Fehler der Kommission ihre Beurteilung der übrigen Kriterien für die Selektivität des Vorteils im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG in der angefochtenen Entscheidung beeinträchtigt hat. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Kommission das Vorliegen von Vorteilen aufgrund von im Rahmen der AGL getroffenen steuerlichen Differenzierungen aus dem bloßen Grund verneinen durfte, dass der „Anwendungsbereich der AGL“ durch ihre Logik und ihren allgemeinen Aufbau gerechtfertigt sei (vgl. Erwägungsgründe 29, 34 und 43 der angefochtenen Entscheidung).

 Zum Vorliegen von im Rahmen der AGL getroffenen steuerlichen Differenzierungen

–       Zu den Kriterien für die Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen

62      Um beurteilen zu können, ob die durch eine Abgaberegelung gewährten Vorteile selektiv sind, ist zu prüfen, ob die auf diese Regelung gestützten Maßnahmen geeignet sind, „bestimmt[e] Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (Urteil Adria-Wien Pipeline, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 41).

63      Wie die Verfahrensbeteiligten insbesondere in der mündlichen Verhandlung einhellig anerkannt haben, ist das Hauptziel der AGL der Umweltschutz, obwohl dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der AGL-Bestimmungen hervorgeht.

64      Dieses Ziel besteht im Wesentlichen darin, im Bausektor die Verwendung von Granulaten, die Neben- oder Abfallprodukte bestimmter Verfahren sind (auch als „Sekundär“-Granulat bezeichnet), sowie von aufbereitetem Granulat zu fördern, um auf diese Weise die Verwendung von in Steinbrüchen und sonstigen Abbaustellen gewonnenem Granulat (auch als „Primär“-Granulat bezeichnet), einem nicht erneuerbaren natürlichen Rohstoff, zu verringern und dadurch die Umweltbeeinträchtigungen zu beschränken, die mit diesem Gewinnungsverfahren verbunden sind (im Folgenden: Ziel der Nachfrageumlenkung oder Umweltziel der AGL). Die Klägerin hat hierzu im Wesentlichen nur vorgetragen, dass dieses Ziel aufgrund der Inkohärenz des Anwendungsbereichs des Gesetzes nicht systematisch erreicht werden könne und dass die AGL Granulate aus bestimmten Materialien gegenüber Granulaten aus anderen Materialien begünstigte, obwohl Letztere sich im Hinblick auf dieses Ziel in einer vergleichbaren Situation befänden. Es ist klarzustellen, dass diese allgemeine Definition des Umweltziels der AGL – die das Gesetz selbst so nicht ausdrücklich enthält – genau wie das der AGL zugrunde liegende, oben in den Randnrn. 53 bis 55 beschriebene Normalbesteuerungsprinzip nicht zwischen den verschiedenen Kategorien von Materialien unterscheidet, aus denen derartige Granulate hergestellt werden können.

65      Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist aber auf genau diese Definition des Umweltziels der AGL gestützt (vgl. Randnrn. 5, 29, 31, 32 und 35 der Entscheidung; vgl. ferner Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 150 und 161).

66      Nicht geklärt zu werden braucht im vorliegenden Fall die Frage, ob der AGL auch das Verursacherprinzip zugrunde liegt, das sich weder dem Wortlaut der einschlägigen AGL-Bestimmungen noch der Begründung der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 128 bis 131). Dieses Prinzip würde erfordern, dass die Abgabe grundsätzlich jede Tätigkeit des Abbaus von Mineralen erfasst, um die verursachten Umweltkosten zu internalisieren. Die Klägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass dies nicht der Fall sei. Wenn ein solcher zusätzlicher Zweck bedeuten würde, dass die Abgabe auf jedes aus dem Untergrund abgebaute Mineral unabhängig davon zu erheben ist, ob es als Granulat gewerblich verwertet werden soll, drohte er jedenfalls nicht nur das oben in den Randnrn. 53 bis 55 beschriebene Normalbesteuerungsprinzip in Frage zu stellen, sondern auch die kohärente und effektive Umsetzung des Ziels der Nachfrageumlenkung zu beeinträchtigen.

67      Zu prüfen ist demnach, ob die AGL-Bestimmungen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige eine günstigere steuerliche Behandlung vorsehen als für andere Unternehmen oder Produktionszweige (im Folgenden: steuerliche Differenzierung), die sich im Hinblick auf das oben in den Randnrn. 63 und 64 festgestellte Umweltziel der AGL in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

68      Anders als die Kommission nach der Zurückverweisung der vorliegenden Rechtssache an das Gericht geltend gemacht hat (vgl. Randnrn. 30 bis 33 des vorliegenden Urteils), dürfen weder die Kommission noch das Gericht dieses Umweltziel der AGL im Rahmen der Beurteilung der Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen unberücksichtigt lassen (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 87, Urteil Adria-Wien Pipeline, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 41, und Randnr. 49 des vorliegenden Urteils), da die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Maßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, sowie der Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs, dem die Maßnahme unterfällt, zu bestimmen und zu beurteilen sind (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnr. 26, und vom 12. Mai 2011, Luxemburg/Parlament und Rat, C‑176/09, Slg. 2011, I‑3727, Randnr. 32).

69      Im Rahmen ihres ersten Klagegrundes macht die Klägerin u. a. geltend, angesichts des Umweltziels der AGL habe der Ausschluss mehrerer Materialien von ihrem Anwendungsbereich eine nicht gerechtfertigte steuerliche Differenzierung zulasten bestimmter anderer Materialien zur Folge (aufgehobenes Urteil, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnrn. 81 bis 86).

70      Zu prüfen ist daher, ob aus den Aktenunterlagen hervorgeht, dass sich die befreiten Materialien im Hinblick auf das Umweltziel der AGL in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden wie die übrigen, der Abgabe unterliegenden Materialien.

–       Zur Vergleichbarkeit der Situation von Granulaten aus Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton (ball clay) und Schiefer mit der Situation anderer Granulate

71      Was insbesondere Granulate aus Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton und Schiefer angeht, die nach Section 17 (3) und (4) sowie Section 18 (3) des Gesetzes von der Abgabe befreit sind, trägt die Klägerin zutreffend vor, dass diese Granulate unabhängig von ihrer Einstufung im Handel – ob als „Virgin“-, „Primär“- oder „Sekundär“-Granulat – grundsätzlich das Normalbesteuerungskriterium der AGL erfüllen, weil sie „Granulat“ im Sinne des Gesetzes sind. Diese grundsätzliche Aussage ist weder von der Kommission noch vom Vereinigten Königreich bestritten worden, die lediglich geltend gemacht haben, dass diese Materialien normalerweise nicht zum Zweck der Verwendung als Granulat gewonnen würden.

72      Soweit diese Granulate jedoch als solche verwendet und gewerblich verwertet werden, z. B. beim Bau von Gebäuden oder Straßen, befinden sie sich in einer vergleichbaren oder sogar in der gleichen Situation wie andere, mit der Abgabe belegte Ersatzgranulate. Weder der Kommission noch dem Vereinigten Königreich ist es insoweit gelungen, das Argument der Klägerin zu entkräften, dass in einem solchen Fall im Hinblick auf die Verwendung oder die gewerbliche Verwertung zumindest eine potenzielle Wettbewerbs- oder Substituierbarkeitsbeziehung zwischen diesen verschiedenen Granulaten bestehe. Dementsprechend ist das Vorbringen der Kommission und des Vereinigten Königreichs zurückzuweisen, dass Materialien wie Tonschiefer, plastischer Ton, Porzellanerde und Schiefer vom Anwendungsbereich der AGL ausgeschlossen seien, weil sie nicht zum „Granulatsektor“ gehörten, „allgemein“ oder „herkömmlicherweise“ weder als solche verwendet noch zu diesem Zweck gewonnen würden oder keinen „signifikanten Wettbewerbsbezug zum abgabepflichtigen Sektor“ aufwiesen (vgl. Randnrn. 32 und 36 des vorliegenden Urteils), denn die Einbeziehung dieser Materialien in den Anwendungsbereich der Abgabe nach dem anwendbaren Normalbesteuerungsprinzip (vgl. Randnr. 55 des vorliegenden Urteils) hängt allein davon ab, dass sie tatsächlich und erwiesenermaßen als Granulat verwertet werden. Darüber hinaus haben die Kommission und das Vereinigte Königreich dem Vorbringen der Klägerin, wonach es im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats mehrere Steinbrüche gebe, in denen (Primär‑)Granulat aus Schiefer und Tonschiefer erzeugt werde, nicht widersprochen.

73      Im Übrigen steht fest, dass die Gewinnung von nicht mit der Abgabe belegten Materialien, insbesondere von Tonschiefer und Lehm, der Umwelt zumindest genauso, wenn nicht mehr schadet als die Gewinnung anderer, mit der Abgabe belegter Materialien, die ebenfalls zur Erzeugung von Abraum, Abfällen oder sonstigen Nebenerzeugnissen führen kann, die als Granulat verwendbar sind (vgl. Randnr. 41 des vorliegenden Urteils). So haben die Verfahrensbeteiligten unterstrichen, dass die Gewinnung von Tonschiefer, plastischem Ton und Porzellanerde sehr unwirtschaftlich sei und dass erhebliche Lager von Abraum und Abfällen dieser Materialien die Landschaft verunstalteten, weshalb das betreffende Gewinnungsverfahren besonders umweltschädlich sei. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber des Vereinigten Königreichs die genannten Materialien von der Abgabe befreit, um ihre Verwendung und ihre Aufbereitung als Granulat zu fördern. Die Granulate aus diesen verschiedenen Materialien befinden sich also im Hinblick auf das Umweltziel der AGL von vornherein in einer zumindest vergleichbaren Situation.

74      Hierzu ist festzustellen, dass es der Kommission und dem Vereinigten Königreich nicht gelungen ist, rechtlich hinreichend darzutun, dass gerade die besondere Umweltschädlichkeit der Gewinnung der nicht mit der Abgabe belegten Materialien deren Situation von derjenigen der mit der Abgabe belegten Materialien unterscheide, denn weder die Gründe der angefochtenen Entscheidung noch das der schriftlichen Antwort der Kommission vom 2. Dezember 2005 auf schriftliche Fragen des Gerichts beigefügte Schreiben des Vereinigten Königreichs vom 19. Februar 2002, noch die Antworten dieser Verfahrensbeteiligten auf mündliche Fragen des Gerichts in der Sitzung haben insoweit eine ausreichende Erklärung geliefert.

–       Zur steuerlichen Differenzierung zwischen vergleichbaren Situationen

75      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Umstand, dass Granulate aus bestimmten Materialien, wie Tonschiefer, plastischer Ton, Porzellanerde und Schiefer, von der Abgabe befreit sind und Granulate aus anderen Materialien ihr unterworfen sind, obwohl sich diese verschiedenen Granulate angesichts des Umweltziels der AGL hinsichtlich ihrer Verwendung als „Granulate“ in einer vergleichbaren Situation befinden, eine steuerliche Differenzierung darstellt, die zu selektiven Vorteilen im Sinne der oben in Randnr. 47 angeführten Rechtsprechung führen kann.

76      Selbst wenn man die Unterscheidung zwischen „Primär“- und „Sekundär“-Granulaten als relevant ansieht, obwohl sie sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt (vgl. Randnr. 54 des vorliegenden Urteils), sind die Erzeuger von mit der Abgabe belegten Granulaten, die an die Stelle von Granulaten aus befreiten Materialien treten können, in zweifacher Hinsicht benachteiligt. Nicht nur sind die mit der Abgabe belegten Granulate der AGL unterworfen, sondern sie unterliegen auch zumindest in stärkerem Maße als die befreiten Materialien den wirtschaftlichen Folgen des Effekts der Umorientierung der Nachfrage hin zu den befreiten „Sekundär“-Granulaten, der durch die alleinige Besteuerung der der Abgabe unterliegenden Granulate verursacht wird.

77      Das Vorbringen der Kommission und des Vereinigten Königreichs kann diese Beurteilung nicht entkräften.

78      Die Kommission und das Vereinigte Königreich haben sich im Gegenteil auf eine präzise Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht zu der Frage geäußert, ob die Befreiung der Granulate aus Lehm, Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton und Schiefer im Bausektor zwangsläufig zu einer größeren Nachfrage nach diesen Granulaten führt oder sogar einen wirtschaftlichen Anreiz bildet, mehr („Primär“‑)Granulat aus diesen befreiten Materialien zu gewinnen. Eine solche Umorientierung des Angebots hin zu („Primär“‑)Granulat aus befreiten Materialien würde die ungleichen wirtschaftlichen Auswirkungen verstärken, die die steuerliche Differenzierung bereits als solche auf die gewerbliche Verwertung der mit der Abgabe belegten Ersatzgranulate hat. Außerdem könnte sie das Umweltziel der AGL beeinträchtigen, das gerade darin besteht, die Gewinnung von („Primär“‑)Granulat aus bestimmten Materialien, vor allem aus befreiten Materialien, weniger attraktiv, dafür aber wirtschaftlicher zu machen und sicherzustellen, dass die Lager von Abraum und Abfällen dieser Materialien beseitigt werden.

79      Die allgemeine Befreiung von Granulaten aus Lehm, Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton und Schiefer hat demnach zu einer steuerlichen Differenzierung zulasten von Ersatzgranulaten aus anderen, der AGL unterliegenden Materialien geführt. Das Vereinigte Königreich hat im Übrigen in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es im Rahmen der AGL Unterschiede in der Behandlung gebe, aber geltend gemacht, dass diese Unterschiede durch die Natur und den allgemeinen Aufbau des eingeführten Abgabesystems gerechtfertigt werden könnten.

80      Die Beurteilung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 158 bis 163 des Rechtsmittelurteils (oben in Randnr. 8 angeführt) Randnr. 130 des aufgehobenen Urteils (oben in Randnr. 1 angeführt) nicht beanstandet hat. Der Gerichtshof ist nämlich in diesen Randnummern auf eine sehr spezifische Rüge der Klägerin eingegangen, mit der diese insbesondere geltend gemacht hat, das Gericht habe eine rechtswidrige Ersetzung von Gründen in der Frage vorgenommen, ob es im Hinblick auf die verfolgten Umweltziele gerechtfertigt sei, bestimmte Materialien wie Schiefer und Tonschiefer minderer Güte, Lehm und Abfälle von Porzellanerde und plastischem Ton zu befreien, selbst wenn sie nach ihrer Gewinnung als Granulat verwendet würden. Der Gerichtshof hat – beschränkt auf diesen Zusammenhang – lediglich die Auffassung vertreten, dass die Feststellung des Gerichts, wonach diese Materialien „wegen ihrer erhöhten Transportkosten bislang wenig als Granulat eingesetzt“ worden seien, nicht rechtsfehlerhaft ist, da „die Förderung der Verwendung von unbearbeitetem Material, das bislang als Granulat verwendet wurde, … mit dem Ziel der Rationalisierung der Verwendung von Granulat im Einklang steht“ und daher „die Förderung der Verwendung dieser Materialien auch nicht der umweltbezogenen Natur und der allgemeinen Struktur der AGL [widerspricht]“ (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 161; vgl. ferner Schlussanträge von Generalanwalt Mengozzi in dieser Rechtssache, Slg. 2008, I‑10521, Nrn. 120 bis 122). Der Gerichtshof hat sich in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu der Frage geäußert, ob die Umorientierung der Nachfrage zugunsten von Granulaten aus diesen befreiten Materialien eine steuerliche Differenzierung zulasten von Granulaten aus der Abgabe unterliegenden Materialien darstellen kann.

81      Dem Hauptargument der Klägerin, dass die AGL zu einer steuerlichen Differenzierung zwischen den abgabebefreiten Materialien und den Ersatzgranulaten aus der Abgabe unterliegenden Materialien geführt habe, ist daher zuzustimmen, ohne dass es erforderlich wäre, über die weiteren Rügen und Argumente zu entscheiden, die die Klägerin insoweit angeführt hat.

82      Diese steuerliche Differenzierung führt jedoch nur zu selektiven Vorteilen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige, wenn sie nicht durch die Natur und den Aufbau des mit der AGL eingeführten Abgabesystems gerechtfertigt werden kann (vgl. Randnr. 48 des vorliegenden Urteils).

 Zur Rechtfertigung durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau der AGL

83      Zu prüfen ist somit, ob die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass die festgestellten steuerlichen Vorteile zugunsten bestimmter Erzeuger oder bestimmter Materialien durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau der AGL gerechtfertigt seien, die im vorliegenden Fall den einzigen relevanten Bezugsrahmen bildet (vgl. Erwägungsgründe 5, 29, 31 und 32 der angefochtenen Entscheidung; vgl. ferner Randnr. 51 des vorliegenden Urteils).

84      Für diese Beurteilung ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind; diese Ziele und Mechanismen können als Grund- oder Leitprinzipien des fraglichen Steuersystems eine solche Rechtfertigung stützen, wofür der Nachweis dem Mitgliedstaat obliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Portugal/Kommission, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnrn. 80 und 81).

85      Wie oben in den Randnrn. 63 und 64 dargelegt worden ist, besteht das Umweltziel der AGL im Wesentlichen darin, eine Umlenkung der Nachfrage im Bausektor von „Primär“-Granulaten zu „Sekundär“-Granulaten, d. h. Neben- oder Abfallprodukten anderer Verfahren, sowie zu „aufbereiteten“ Granulaten zu fördern, ohne dass diese allgemeine Definition zwischen verschiedenen Materialien unterscheidet, aus denen derartige Granulate hergestellt werden können. Die maßgeblichen Kriterien für die „Normalität“ der im Rahmen der AGL vorgesehenen Besteuerung (vgl. Randnrn. 53 und 54 des vorliegenden Urteils) und dieses Ziel bilden demnach die Grund- oder Leitprinzipien des Gesetzes, anhand deren zu beurteilen ist, ob eine steuerliche Differenzierung gerechtfertigt ist.

86      Angesichts der von der Klägerin vorgetragenen Umstände ist es der Kommission und dem Vereinigten Königreich nicht gelungen darzutun, dass die steuerliche Differenzierung, die mit der Befreiung von Granulat aus Lehm, Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton und Schiefer verbunden ist, durch das der AGL zugrunde liegende „Normal“-Besteuerungsprinzip oder ihr Umweltziel gerechtfertigt ist.

87      Zum einen weicht diese steuerliche Differenzierung eindeutig von der „normalen“ Besteuerungslogik der AGL ab, da Granulate aus befreiten Materialien zumindest potenziell „Granulate“ sind, die im Sinne dieses Gesetzes gewerblich verwertet werden.

88      Zum anderen kann diese steuerliche Differenzierung das Umweltziel der AGL in zweifacher Hinsicht beeinträchtigen.

89      Erstens könnte vorbehaltlich des Beweises des Gegenteils, der bislang weder von der Kommission noch vom Vereinigten Königreich erbracht worden ist, die Befreiung von Granulat aus Lehm, Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton und Schiefer im Bausektor eine stärkere Nachfrage nach „Primär“-Granulaten dieses Typs statt nach „Sekundär“-Granulaten – d. h. nach Neben- oder Abfallprodukten bestimmter Verfahren, einschließlich von Granulat aus anderen alternativen, aber der Abgabe unterliegenden Materialien – auslösen und damit die Gewinnung derartiger „Primär“-Granulate intensivieren, was dem Umweltziel der AGL zuwiderlaufen würde, das die Verwendung allein dieser „Sekundär“-Granulate fördern und deren Entsorgung und Lagerung verhindern soll (vgl. Randnr. 78 des vorliegenden Urteils). Die Kommission und das Vereinigte Königreich haben insoweit lediglich allgemein behauptet, dass diese Materialien „herkömmlicherweise“ oder „allgemein“ kein Granulat seien; jedoch ist es ihnen nicht gelungen, das Vorbringen der Klägerin in Frage zu stellen, wonach es im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats mehrere Steinbrüche gibt, in denen („Primär“‑)Granulate aus Schiefer und Tonschiefer erzeugt werden, die damit von dieser Befreiung in der oben dargestellten Weise profitieren könnten.

90      Zweitens ist insofern nicht mehr gewährleistet, dass diese Nachfrage wirksam und kohärent zur Verwendung von „Sekundär“-Granulaten aller Materialkategorien, d. h. von Neben- und Abfallprodukten bestimmter Verfahren, oder zu „aufbereiteten“ Granulaten umgelenkt und so die Entsorgung dieser „Sekundär“-Granulate als Abfall verhindert und eine wirtschaftlichere Gewinnung sämtlicher „Primär“-Granulate, nicht nur derjenigen aus bestimmten befreiten Materialien, gefördert wird. Ein solches Ergebnis wäre jedoch mit dem vom Vereinigten Königreich angeführten Umweltziel der AGL offensichtlich unvereinbar. Außerdem genügt unter diesen Umständen nicht die im Hinblick auf dieses Ziel für die Umwelt potenziell günstige Wirkung, die darin besteht, dass zunächst die vorhandenen Lager von „Sekundär“-Granulat aus Lehm, Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton und Schiefer erschöpft werden, um die festgestellte steuerliche Differenzierung zu rechtfertigen; denn diese Wirkung könnte, weil sie zeitlich nicht begrenzt ist, vorbehaltlich des – im vorliegenden Fall vom Vereinigten Königreich nicht erbrachten – Beweises des Gegenteils, vergleichbare Probleme der Lagerung von Abfällen aus Granulat aus anderen der Abgabe unterliegenden Materialien schaffen, hinsichtlich deren die Nachfrage inzwischen umgelenkt wurde, was ebenfalls dem Umweltziel der AGL widersprechen würde.

91      Angesichts aller vorstehenden Erwägungen, die auf das Bestehen selektiver Vorteile im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG hinweisen, war die Kommission nicht berechtigt, in den Erwägungsgründen 34 und 43 der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss zu kommen, dass „etwaige Vorteile, die für manche Unternehmen aus der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der AGL entstehen, durch die Natur und den allgemeinen Aufbau der Abgaberegelung gerechtfertigt sind“.

92      Die Kommission hat damit im vorliegenden Fall den Beihilfebegriff nach Art. 87 Abs. 1 EG verkannt, so dass dem ersten Klagegrund stattzugeben ist, soweit er sich auf das Bestehen einer im Rahmen der AGL vorgenommenen steuerlichen Differenzierung und auf das Fehlen einer diesbezüglichen Rechtfertigung durch die Natur und den Aufbau der fraglichen Abgaberegelung bezieht.

93      Schließlich hält das Gericht es für erforderlich, die Rüge zu prüfen, dass der Beihilfebegriff verkannt worden sei, soweit es um die Beurteilung der Befreiung der Granulatausfuhren durch die Kommission gehe, ein Aspekt der angefochtenen Entscheidung, den die Rüge, der in der vorstehenden Randnummer stattgegeben worden ist, nicht betrifft.

 Zur Befreiung der Granulatausfuhren

94      Wie aus Section 16 (2) des Gesetzes hervorgeht, ist der räumliche Anwendungsbereich der AGL auf das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs begrenzt, was zur Folge hat, dass jedes Inverkehrbringen von Granulat außerhalb dieses Gebiets, d. h. jedes mit der Ausfuhr des Granulats verbundene Geschäft, von der Abgabe befreit ist (vgl. auch Regulation 13 [2] [a] der Durchführungsverordnung zu dem Gesetz). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Klägerin das Gericht aufgefordert hat, die Argumentation im 33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu verwerfen, wonach die Behörden des Vereinigten Königreichs keine Kontrolle über die Ausfuhren von Granulat hätten, so dass die Gefahr einer Ungleichbehandlung ausgeführter Granulate bestünde (vgl. Randnr. 29 des vorliegenden Urteils).

95      Um festzustellen, ob die Befreiung der Ausfuhren einen selektiven Vorteil zugunsten bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige enthält, ist zunächst anhand des oben in Randnr. 47 dargestellten Grundsatzes zu prüfen, ob sich das ausgeführte Granulat und das im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs in den Verkehr gebrachte Granulat in vergleichbaren oder sogar gleichen Situationen befinden.

96      Dabei ist zu beachten, dass der Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung in den Randnrn. 174 bis 178 des Rechtsmittelurteils (oben in Randnr. 8 angeführt) zu dem Schluss gelangt ist, dass das Gericht Art. 253 EG im Rahmen der Auslegung der Reichweite der im 33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Begründung rechtsfehlerhaft angewandt hat (aufgehobenes Urteil, oben in Randnr. 1 angeführt, Randnr. 150). Der Gerichtshof hat insbesondere klargestellt, dass sich diese Begründung „auf die Ungleichbehandlung [bezieht], die sich in Ermangelung einer Befreiung des ausgeführten Granulats daraus ergeben würde, dass das Granulat, das im Vereinigten Königreich in den Verkehr gebracht wird, befreit würde, wenn es zu bestimmten Zwecken verwendet wird, während das für die gleichen Zwecke im Einfuhrstaat verwendete Granulat mit der AGL belegt würde, weil die … Behörden [des Vereinigten Königreichs] keine Mittel zur Kontrolle seiner Verwendung außerhalb des Hoheitsgebiets [dieses Mitgliedstaats] haben“ (Rechtsmittelurteil, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 176).

97      Wie die Kommission im 33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist angesichts des Gegenstands der AGL, mit der nur die als Granulat verwerteten Materialien belegt werden sollen, festzustellen, dass sich die im Vereinigten Königreich in den Verkehr gebrachten Materialien und die ausgeführten Materialien in verschiedenen Situationen befinden, weil die Anwendung des maßgeblichen Besteuerungskriteriums, nämlich der gewerblichen Verwertung als Granulat, nach einer Ausfuhr grundsätzlich nicht mehr von den Behörden des Vereinigten Königreichs überprüft werden kann. Diese werden nämlich nicht oder nur schwer klären können, ob ein ausgeführtes Material tatsächlich als Granulat verwendet und verwertet wird, wenn es sich dafür eignet, oder ob es zu anderen Zwecken verwendet wird, was auch von den im Bestimmungsland geltenden rechtlichen Spezifikationen abhängt. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin, es sei für die Behörden des Vereinigten Königreichs besonders einfach, die physikalisch-chemischen Eigenschaften der für die Ausfuhr bestimmten Materialien festzustellen, um auf diese Weise zu klären, ob sie in Verfahren verwendbar sind, die zu einer Befreiung von der AGL berechtigen, trifft nicht zu. Selbst wenn es sich so verhalten sollte, hängt die Einstufung als „Granulat“ oder befreites Material, wie oben in den Randnrn. 53 und 54 dargelegt, gerade nicht von diesen Eigenschaften ab, sondern insbesondere von einem im Einzelfall vorgenommenen Ausschluss bestimmter – namentlich genannter oder aus bestimmten Verfahren hervorgegangener – Materialien vom Anwendungsbereich der AGL. Außerdem wird der Umstand, dass sich die ausgeführten Materialien und die im Vereinigten Königreich in den Verkehr gebrachten Materialien nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, durch das Umweltziel der AGL (vgl. Randnr. 63 des vorliegenden Urteils) bestätigt, weil der Gesetzgeber und die Behörden des Vereinigten Königreichs im Fall der Ausfuhr nicht in der Lage sind, mittels einer differenzierten Besteuerung die Nachfrage nach Granulat im Einklang mit diesem Ziel umzulenken.

98      Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin, dass 90 % des ausgeführten und damit befreiten Granulats aus ein und demselben Granitsteinbruch in Glensanda (Schottland) stammten und nicht in befreiten Verfahren im Vereinigten Königreich verwendet werden könnten, nicht bewiesen. Selbst wenn das Vorbringen als bewiesen unterstellt würde, würde es nicht genügen, um die oben in Randnr. 97 gemachten Ausführungen in Frage zu stellen. Auch wenn nämlich diese Materialien im Fall ihrer gewerblichen Verwertung als Granulat im Vereinigten Königreich mit der Abgabe belegt würden, könnte mit diesem Vorbringen nicht nachgewiesen werden, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs in der Lage sind, nachzuprüfen, ob sich die ausgeführten Materialien im Bestimmungsland in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befinden, in der sie, wenn sie im Vereinigten Königreich der gleichen Verwertung zugeführt worden wären, der AGL unterlegen hätten.

99      Mangels Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen hat die Klägerin somit nicht dargetan, dass die Befreiung der Ausfuhren zu steuerlichen Differenzierungen führt, die selektive Vorteile im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen können. Folglich braucht nicht geprüft zu werden, ob diese Befreiung die Verwertung von „Primär“-Granulat fördern und damit im Widerspruch zum Umweltziel der AGL stehende Folgen haben kann, die durch die Natur und den Aufbau der AGL gerechtfertigt werden können.

100    Angesichts der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin somit nicht nachgewiesen, dass der 33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung mit einem Fehler behaftet ist, soweit dort festgestellt wird, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs keine Kontrolle über „die Verwendung von Granulat außerhalb ihres Hoheitsbereichs“ haben und dass es notwendig ist, „eine ungleiche Behandlung von Granulatausfuhren zu verhindern“.

101    Diese Rüge ist daher zurückzuweisen. Dies ändert jedoch nichts an der Rechtswidrigkeit des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung, wie er sich aus deren 43. Erwägungsgrund ergibt, wonach die Kommission keine Einwände gegen die AGL als Ganzes hat, weil deren „Anwendungsbereich durch die Logik und die Natur der Abgaberegelung gerechtfertigt [ist]“.

102    Angesichts der von der Kommission im Rahmen der Anwendung des Beihilfebegriffs begangenen Fehler, wie sie oben in den Randnrn. 51 bis 92 festgestellt worden sind, ist somit die angefochtene Entscheidung, soweit sie nicht die Freistellung für Nordirland, die nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, betrifft, wegen Verstoßes gegen Art. 87 Abs. 1 EG für nichtig zu erklären, ohne dass über den zweiten, den dritten und den vierten Klagegrund entschieden zu werden braucht.

 Kosten

103    In seinem Rechtsmittelurteil hat der Gerichtshof die Kostenentscheidung vorbehalten. Somit hat das Gericht im vorliegenden Urteil gemäß Art. 121 der Verfahrensordnung über sämtliche in den verschiedenen Verfahren angefallenen Kosten zu entscheiden.

104    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die in den Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

105    Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Vereinigte Königreich trägt daher die ihm in den Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht entstandenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung C (2002) 1478 final der Kommission vom 24. April 2002 betreffend die staatliche Beihilfe N 863/01 – Vereinigtes Königreich/Granulatabgabe wird, soweit sie nicht die Freistellung für Nordirland betrifft, für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die ihr selbst und die der British Aggregates Association in den Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht entstandenen Kosten.

3.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die ihm in den Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht entstandenen Kosten.

Azizi

Labucka

Frimodt Nielsen

Schwarcz

 

       Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. März 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Gerichtliche Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

1.  Einleitende Bemerkungen

2.  Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG

Zusammenfassung der Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten nach der Zurückverweisung

Zu den Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG

Zu den Kriterien für die Selektivität des Vorteils

Zu der im Rahmen der AGL vorgesehenen „normalen“ Besteuerung

Zum Vorliegen von im Rahmen der AGL getroffenen steuerlichen Differenzierungen

–  Zu den Kriterien für die Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen

–  Zur Vergleichbarkeit der Situation von Granulaten aus Tonschiefer, Porzellanerde, plastischem Ton (ball clay) und Schiefer mit der Situation anderer Granulate

–  Zur steuerlichen Differenzierung zwischen vergleichbaren Situationen

Zur Rechtfertigung durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau der AGL

Zur Befreiung der Granulatausfuhren

Kosten


*Verfahrenssprache: Englisch.