Language of document : ECLI:EU:C:2010:784

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 16. Dezember 2010(1)

Rechtssache C‑391/09

Malgožata Runevič‑Vardyn,

Łukasz Wardyn

gegen

Vilniaus miesto savivaldybės administracija,

Lietuvos Respublikos teisingumo ministerija,

Valstybinė lietuvių kalbos komisija,

Vilniaus miesto savivaldybės administracijos Teisės departamento Civilinės metrikacijos skyrius

(Vorabentscheidungsersuchen des Vilniaus miesto 1 apylinkės teismas [Litauen])

„Unionsbürgerschaft − Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit − Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit − Art. 12 EG und 18 EG − Grundsatz der Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft − Richtlinie 2000/43 − Regelung eines Mitgliedstaats, wonach zur Umschrift der Vor- und Nachnamen von Personen in den von ihm ausgestellten Personenstandsurkunden ausschließlich Buchstaben der Amtssprache dieses Staates zu verwenden sind − Umschrift der Vor- und Nachnamen von aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Personen“





I –    Einleitung

1.        Das beim Gerichtshof anhängige Vorabentscheidungsersuchen ist im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer litauischen Staatsangehörigen polnischer Herkunft(2), Frau Malgožata Runevič‑Vardyn, und ihrem Ehemann, einem polnischen Staatsangehörigen, Herrn Łukasz Paweł Wardyn, einerseits und der Personenstandsabteilung des Rechtsdezernats der Stadtverwaltung Vilnius (Litauen) andererseits aufgrund der Weigerung Letzterer ergangen, die in der von dieser Abteilung ausgestellten Geburts- und Heiratsurkunde angegebenen Vor- und Nachnamen der Beteiligten zu ändern.

2.        Die anwendbare litauische Gesetzgebung sieht vor, dass die Vor- und Nachnamen von Personen in den Personenstandsurkunden in eine den Regeln der offiziellen Landessprache entsprechende Form umgeschrieben(3) werden müssen. Daraus folgt, dass allein die Verwendung von lateinischen Buchstaben ohne diakritische Zeichen(4), Ligaturen(5) oder sonstige Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets, die in anderen Sprachen verwendet werden, die es in der litauischen Sprache jedoch nicht gibt, zulässig ist.

3.        Das vorlegende Gericht, der Vilniaus miesto 1 apylinkės teismas (Erstes Bezirksgericht der Stadt Vilnius), stellt sich die Frage, ob die Bestimmungen des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft(6), die bisher noch nicht Gegenstand einer Vorabauslegung waren, oder die Bestimmungen der Art. 12 EG und 18 EG einer solchen nationalen Regelung entgegenstehen.

4.        Der Gerichtshof hatte bereits mehrfach über Vorlagefragen zu entscheiden, die den Personenstand von Bürgern der Europäischen Union und insbesondere ihren Nachnamen betrafen(7). In seiner jüngeren Rechtsprechung hat er eine für Einzelpersonen, die gegen die Verwaltungspraxis bei der Eintragung von Nachnamen in Personenstandsurkunden vorgegangen sind, relativ günstige Position eingenommen. Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof in erster Linie festzustellen, ob eine einer ethnischen Minderheit angehörende Person oder ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats sich auf das Unionsrecht berufen und die Behörden eines Mitgliedstaats so den in diesem Mitgliedstaat geltenden Verfassungsprinzipien zum Schutz der offiziellen Landessprache zuwider zur Verwendung seiner Muttersprache zwingen kann.

5.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen offenbart, dass die hier aufgeworfene Problematik sowohl bei den Parteien des Ausgangsverfahrens als auch bei den betroffenen Mitgliedstaaten starke Emotionen hervorruft(8). Die vorliegende Rechtssache ist in der Tat geschichtlich und geopolitisch heikel. Die Region Vilnius war im Europa der Zwischenkriegszeit Schauplatz eines schwierigen politischen Konflikts, und das Schicksal der in dieser Region lebenden Bevölkerung polnischer Herkunft führt nach wie vor zu politischen Spannungen zwischen der Republik Litauen und der Republik Polen, zwei Mitgliedstaaten, die durch eine lange gemeinsame Geschichte von 1386 bis 1918 innerhalb der Polnisch-Litauischen Union und des russischen Reichs miteinander verbunden sind.

6.        Vor- und Nachnamen spielen sowohl für den Einzelnen als auch für den Staat eine wichtige Rolle. Der Name und seine Schreibweise kann für eine Person einen wesentlichen Faktor seiner psychologischen, ethnischen oder sogar nationalen Identität darstellen(9). Als Beispiel für dieses Phänomen erwähne ich die massiven freiwilligen Änderungen von Nachnamen „ausländischer“ Herkunft in Finnland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der Geschichte sind mehr oder weniger nationalistische Beweggründe in mehreren europäischen Staaten auch Anlass für erzwungene – und also nicht mehr selbst gewählte – Änderungen von Nachnamen nationaler oder ethnischer Minderheiten sowie für Regelungen gewesen, die vorschrieben, dass die Eintragung von Vornamen in die Personenstandsurkunden in einer nationalen Variante ohne ausländische Betonungen zu erfolgen hatte. Die individuelle Freiheit auf diesem Gebiet wird in verschiedenen Ländern auch durch eine Bezugnahme auf Erwägungen der öffentlichen Ordnung eingeschränkt(10). Das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Einzelnen und denen des Staates auf dem Gebiet der Vor- und Nachnamen ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs wie auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte greifbar(11).

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Völkerrecht

1.      Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

7.        Art. 8 dieser am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention (im Folgenden: EMRK) lautet:

„(1)      Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

(2)      Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

2.      CIEC‑Übereinkommen Nr. 14 über die Angabe von Familiennamen und Vornamen in den Personenstandsbüchern

8.        Das am 13. September 1973 unter der Schirmherrschaft der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen (im Folgenden: CIEC) unterzeichnete Übereinkommen über die Angabe von Familiennamen und Vornamen in den Personenstandsbüchern ist am 16. Februar 1977 in Kraft getreten(12).

9.        In Art. 2 dieses Übereinkommens heißt es:

„Soll von einer Behörde eines Vertragsstaats eine Eintragung in ein Personenstandsbuch vorgenommen werden und wird zu diesem Zweck eine Abschrift eines Personenstandseintrags oder ein Auszug aus diesem oder eine andere Urkunde vorgelegt, die die Familiennamen und Vornamen in den gleichen Schriftzeichen wiedergibt wie in denjenigen der Sprache, in der die Eintragung vorgenommen werden soll, so sind diese Familiennamen und Vornamen buchstabengetreu ohne Änderung oder Übersetzung wiederzugeben.

Die in diesen Familiennamen und Vornamen enthaltenen diakritischen Zeichen sind ebenfalls wiederzugeben, selbst wenn die Sprache, in der die Eintragung vorgenommen werden soll, solche Zeichen nicht kennt.“

B –    Unionsrecht

1.      EU-Vertrag

10.      In Art. 4 Abs. 2 EUV heißt es: „Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität …“

2.      Charta der Grundrechte der Europäischen Union

11.      Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(13) lautet: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

3.      EG-Vertrag(14)

12.      Art. 12 Unterabs. 1 EG lautet: „Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. “

13.      Art. 18 Abs. 1 EG sieht vor: „Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. “

4.      Richtlinie 2000/43

14.      Die auf der Grundlage von Art. 13 EG erlassene Richtlinie 2000/43 hat die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft zum Gegenstand.

15.      Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie „liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“.

16.      Art. 3 der Richtlinie 2000/43 legt deren Geltungsbereich wie folgt fest:

„(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf:

h) den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Diese Richtlinie betrifft nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder deren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen ergibt.“

C –    Litauisches Recht

1.      Verfassung

17.      Art. 14 der litauischen Verfassung bestimmt, dass die Staatssprache Litauisch ist.

2.      Zivilgesetzbuch

18.      Nach Art. 2.20 Abs. 1 des litauischen Zivilgesetzbuchs (im Folgenden: Zivilgesetzbuch) hat „[j]ede Person … das Recht auf einen Namen. Dieses Recht umfasst das Recht auf einen Nachnamen, einen oder mehrere Vornamen und auf ein Pseudonym.“

19.      Art. 3.31 des Zivilgesetzbuchs bestimmt: „Jeder Ehepartner hat das Recht, nach der Eheschließung seinen Nachnamen beizubehalten, den Nachnamen des Ehegatten als gemeinsamen Nachnamen zu bestimmen oder den eigenen Namen mit dem Namen des Ehegatten zu verbinden.“

20.      Art. 3.281 des Zivilgesetzbuchs sieht vor, dass die Registrierung, Verlängerung, Änderung, Ergänzung oder Berichtigung von Personenstandsurkunden nach den Vorschriften über die Personenstandsregistrierung in der vom Justizministerium bestätigten Form vorzunehmen ist.

21.      Art. 3.282 des Zivilgesetzbuchs bestimmt, dass „Einträge in Personenstandsurkunden … in litauischer Sprache erfolgen [müssen]. Vornamen, Nachnamen und Ortsnamen müssen nach den Regeln der litauischen Sprache geschrieben werden.“

3.      Vorschriften über die Personenstandsregistrierung

22.      Nr. 11 des Erlasses Nr. IR-294 des litauischen Justizministeriums vom 22. Juli 2008 zur Bestätigung der Vorschriften über die Personenstandsregistrierung(15) bestimmt, dass Einträge in Personenstandsurkunden in litauischer Sprache erfolgen müssen.

III – Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

23.      Frau Malgožata Runevič-Vardyn, geboren am 20. März 1977 in Vilnius, ist litauische Staatsangehörige polnischer Herkunft. Sie gibt an, von ihren Eltern den polnischen Vornamen „Małgorzata“ und den Nachnamen ihres Vaters „Runiewicz“ erhalten zu haben.

24.      Nach dem Vorlagebeschluss ist ihr Vor- und Nachname in der ihr am 14. Juni 1977 ausgestellten Geburtsurkunde entsprechend der litauischen Schreibform als „Malgožata Runevič“ angegeben. Derselbe Vor- und Nachname ist auch in einer am 9. September 2003 von der Personenstandsabteilung der Stadt Vilnius ausgestellten neuen Geburtsurkunde und im litauischen Reisepass eingetragen, der ihr von den zuständigen Behörden am 7. August 2002 ausgestellt wurde.

25.      Aus den Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens geht hingegen hervor, dass die Geburtsurkunde aus dem Jahr 1977 in kyrillischer Schrift ausgestellt wurde(16), so dass der Vor- und Nachname in der Schreibweise „Malgožata Runevič“ nur in der Fassung dieser Urkunde aus dem Jahr 2003 und im 2002 erhaltenen Reisepass eingetragen ist. Die Beteiligte gibt an, auf ihren Antrag hin erreicht zu haben, dass ihre polnische „Staatsangehörigkeit“ in diesen Reisepass aufgenommen wurde(17). Außerdem habe sie nach polnischem Recht von der Personenstandsabteilung der Stadt Warschau am 31. Juli 2006 eine Geburtsurkunde erhalten, in der ihr Vor- und Nachname als „Małgorzata Runiewicz“ angegeben sei.

26.      Nachdem sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens für eine gewisse Zeit in Polen aufgehalten und gearbeitet hatte, schloss sie am 7. Juli 2007 in Vilnius mit dem polnischen Staatsangehörigen Łukasz Paweł Wardyn die Ehe. In der von der Personenstandsabteilung der Stadt Vilnius ausgestellten Heiratsurkunde ist „Łukasz Paweł Wardyn“ in Großbuchstaben, d. h. unter Verwendung des lateinischen Alphabets ohne diakritische Zeichen, in „LUKASZ PAWEL WARDYN“ umgeschrieben worden, während der Nachname seiner Ehefrau als „MALGOŽATA RUNEVIČ-VARDYN“ ausschließlich unter Verwendung litauischer Buchstaben ohne den Buchstaben „W“ angegeben ist. Die Kläger des Ausgangsverfahrens geben an, im Jahr 2008 eine polnische Heiratsurkunde erhalten zu haben, in der ihre Vor- und Nachnamen in der polnischen Schreibweise eingetragen worden seien(18). Bis heute halten sich die Beteiligten gemeinsam mit dem aus ihrer Verbindung hervorgegangenen Kind in Belgien auf.

27.      Am 16. August 2007 beantragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens bei der Personenstandsabteilung der Stadt Vilnius zum einen die Änderung ihres in ihrer Geburtsurkunde angegebenen Vor- und Nachnamens von „Malgožata Runevič“ in „Małgorzata Runiewicz“ und zum anderen die Änderung ihres in ihrer Heiratsurkunde eingetragenen Vor- und Nachnamens von „Malgožata Runevič-Vardyn“ in „Małgorzata Runiewicz-Wardyn“.

28.      Mit Bescheid vom 19. September 2007 teilte diese Abteilung Frau Runevič-Vardyn mit, dass aufgrund der in Litauen geltenden Rechtsvorschriften eine Änderung der Einträge in Personenstandsurkunden nicht möglich sei.

29.      Wie aus der Vorlageentscheidung ebenfalls hervorgeht, erhoben Frau Runevič‑Vardyn und Herr Wardyn Klage, mit der sie begehrten, die Personenstandsabteilung der Stadt Vilnius zu verpflichten, eine neue Geburtsurkunde sowie eine neue Heiratsurkunde entsprechend den von Frau Runevič‑Vardyn bei dieser Abteilung gestellten Anträgen auszustellen.

30.      Da sich der Vilniaus miesto 1 apylinkės teismas außerstande sah, auf die im Rahmen des bei ihm anhängigen Rechtsstreits aufgeworfenen Fragen zur Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts eine eindeutige Antwort zu geben, beschloss er, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Ist im Licht der in der Richtlinie 2000/43 enthaltenen Regelung Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine mittelbare Diskriminierung von Einzelnen aus Gründen ihrer ethnischen Herkunft verboten ist, soweit eine innerstaatliche Regelung vorsieht, dass Vor- und Nachnamen von Personen in Personenstandsurkunden nur unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache eingetragen werden dürfen?

2.         Ist im Licht der in der Richtlinie 2000/43 enthaltenen Regelung Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine mittelbare Diskriminierung von Einzelnen aus Gründen ihrer ethnischen Herkunft verboten ist, soweit eine innerstaatliche Regelung vorsieht, dass Vor- und Nachnamen von Personen anderer Herkunft oder Staatsangehörigkeit in Personenstandsurkunden unter Verwendung von lateinischen Buchstaben und ohne diakritische Zeichen, Ligaturen oder sonstige Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets eingetragen werden müssen, die in anderen Sprachen verwendet werden?

3.         Sind Art. 18 Abs. 1 EG, wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, und Art. 12 Abs. 1 EG, der die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten verwehren, in einer innerstaatlichen Regelung vorzusehen, dass Vor- und Nachnamen von Personen in Personenstandsurkunden nur unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache eingetragen werden dürfen?

4.         Sind Art. 18 Abs. 1 EG, wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, und Art. 12 Abs. 1 EG, der die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten verwehren, in einer innerstaatlichen Regelung vorzusehen, dass Vor- und Nachnamen von Personen anderer Herkunft oder Staatsangehörigkeit in Personenstandsurkunden unter Verwendung von lateinischen Buchstaben und ohne diakritische Zeichen, Ligaturen oder sonstige Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets eingetragen werden müssen, die in anderen Sprachen verwendet werden?

31.      Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache sind schriftliche und mündliche Erklärungen von Frau Runevič‑Vardyn und Herrn Wardyn, der litauischen, der estnischen, der lettischen und der polnischen Regierung sowie von der Europäischen Kommission abgegeben worden. Die tschechische, die portugiesische und die slowakische Regierung haben ausschließlich schriftliche Erklärungen abgegeben.

IV – Analyse

A –    Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

32.      Die litauische Regierung hat die Unzulässigkeit eines Teils der Vorlagefragen gerügt. Sie hat daraus abgeleitet, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen offensichtlich unzuständig sei. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie zwei verschiedene Einwände geltend gemacht.

33.      Im Hinblick auf die zweite und die vierte Vorlagefrage trägt die litauische Regierung vor, diese seien unzulässig, weil sie, was Herrn Wardyn betreffe, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünden.

34.      Im Hinblick auf sämtliche Vorlagefragen ist die litauische Regierung – in diesem Punkt gefolgt von der tschechischen Regierung – der Auffassung, diese seien insoweit unzulässig, als sie zu den nationalen Vorschriften über die Schreibweise des Vor- und des Mädchennamens von Frau Runevič‑Vardyn gehörten, weil diese Vorschriften sich auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt bezögen und daher andere Mitgliedstaaten nicht beträfen.

35.      Was den ersten Einwand zur verfahrensrechtlichen Stellung von Herrn Wardyn betrifft, mache ich darauf aufmerksam, dass unter den Ausdruck „beteiligte Parteien“ in Art. 23 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs nach der Rechtsprechung ausschließlich diejenigen Parteien fallen, die diese Eigenschaft in dem Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht haben, von dem das Vorabentscheidungsersuchen ausgeht(19).

36.      Was die Zulässigkeit einer Vorlagefrage angeht, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Rechtsstreits steht oder hypothetisch ist, erinnere ich daran, dass im Rahmen eines Vorlageverfahrens das vorlegende Gericht nach ständiger Rechtsprechung(20) die besten Voraussetzungen besitzt, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils und die Entscheidungserheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof demnach grundsätzlich gehalten, über sie zu befinden.

37.      Im vorliegenden Fall gibt das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung an, von Frau Runevič‑Vardyn und Herrn Wardyn, die von diesem Gericht als „Kläger“ bezeichnet werden, gemeinsam angerufen worden zu sein. Da Herr Wardyn Partei des Ausgangsrechtsstreits ist, ist er demzufolge auch Partei des vor dem Gerichtshof anhängigen Verfahrens. Die Vorlagefragen sind daher im Hinblick auf ihn nicht unzulässig, und zwar selbst dann nicht, wenn sich herausstellt, dass der Gegenstand der beim vorlegenden Gericht erhobenen Klage auf die Situation von Frau Runevič‑Vardyn beschränkt ist.

38.      Das Gericht hat es sowohl zum Erlass seines Urteils für erforderlich als auch für rechtlich erheblich gehalten, die tatsächlichen und rechtlichen Umstände Herrn Wardyn betreffend in seine Vorlagefragen mit aufzunehmen. Aus der angeführten Rechtsprechung geht hervor, dass der Gerichtshof es nur dann ablehnen kann, über ein Vorabentscheidungsersuchen zu befinden, wenn offensichtlich ist, dass die gewünschte Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn die aufgeworfene Problematik hypothetischer Natur ist. Ich bin der Ansicht, dass dies vorliegend nicht der Fall ist.

39.      Im Hinblick auf den zweiten Einwand, der sich auf die Behauptung bezieht, die Vorlagefragen hätten insoweit einen rein innerstaatlichen Charakter, als sie den Vor- und den Mädchennamen von Frau Runevič‑Vardyn beträfen, erinnere ich daran, dass diese Problematik unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs(21) keinen Unzulässigkeitseinwand darstellt, sondern eine Frage der Begründetheit betrifft, die inzident zu prüfen ist.

40.      Es ist demzufolge auf alle Vorlagefragen zu antworten, auch insoweit, als sie den Personenstand von Frau Runevič‑Vardyn vor ihrer Eheschließung betreffen.

B –    Zur Beantwortung der Fragen

1.      Vorbemerkungen

a)      Zur Verteilung der Zuständigkeiten

41.      Das Unionsrecht lässt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der Angabe von Familiennamen und Vornamen in Personenstandsurkunden unberührt(22). In Ermangelung einer Harmonisierung des Begriffs „Personenstand“ auf Unionsebene(23) ist es Sache der Gesetzgebung jedes Mitgliedstaats, die Bedingungen für die Zuteilung, Änderung oder Umschrift von Namen in den betreffenden Registern festzulegen.

42.      Bei der Ausübung dieser ihnen übertragenen Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten gleichwohl das Unionsrecht beachten, im vorliegenden Fall insbesondere die Bestimmungen zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung, zur Unionsbürgerschaft und zum freien Personenverkehr(24).

b)      Zu den zeitlichen Aspekten des Ausgangsrechtsstreits

43.      Zwei Zeitfaktoren werfen im Hinblick auf die Geburtsurkunde von Frau Runevič‑Vardyn, die im Jahr 1977 zunächst in kyrillischen Schriftzeichen von den Behörden der Sowjetrepublik Litauen(25), später, im Jahr 2003, in einer neuen Fassung in litauischer Sprache ausgestellt wurde, möglicherweise Probleme auf. Die Republik Litauen ist, nachdem sie 1990 ihre Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, der Europäischen Union erst am 1. Mai 2004 beigetreten. Entsprechend hat Frau Runevič‑Vardyn von den ihr durch das Unionsrecht verliehenen Rechten, insbesondere dem mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Recht, sich innerhalb der Gemeinschaft frei zu bewegen und aufzuhalten, erst mehrere Jahre nach Eintragung ihres Vor- und Nachnamens Gebrauch gemacht.

44.      Es stellt sich daher die Frage nach dem Anwendungsbereich zum Zeitpunkt der in der Vorlageentscheidung erwähnten Bestimmungen des Unionsrechts, und dies unter zwei Gesichtspunkten, von denen der eine allgemeiner, der andere individueller Natur ist.

45.      Was den ersten Gesichtspunkt betrifft, ist davon auszugehen, dass ein Mitgliedstaat mit seinem Beitritt zur Europäischen Union den gemeinschaftlichen Besitzstand, wie er sich insbesondere aus der Richtlinie 2000/43 und den in der Vorlageentscheidung aufgeführten Bestimmungen des EG-Vertrags ergab, übernommen hat; Litauen war somit nach seinem Beitritt gehalten, die genannten Vorschriften zu beachten und für ihre Durchsetzung zu sorgen. Aus dieser Pflicht resultiert meines Erachtens jedoch keine Verpflichtung, den Inhalt der Verwaltungsakte, die existierten, bevor der betreffende Staat Mitglied der Union wurde, und die Umstände betreffen, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, rückwirkend zu ändern.

46.      Unter dem zweiten Gesichtspunkt ist festzustellen, dass die grenzüberschreitende Situation von Frau Runevič‑Vardyn zwar erst nach der Beurkundung ihrer Identität in der streitigen Personenstandsurkunde entstanden ist, dass jedoch lediglich die Anwendung des Unionsrechts gefordert wird, um daraus die entsprechenden Konsequenzen für den vorliegenden und jeden anderen Sachverhalt, der hiervon zukünftig betroffen sein könnte, zu ziehen, und zwar ab dem Inkrafttreten der fraglichen Bestimmungen in diesem Mitgliedstaat.

47.      Meines Erachtens kann das Unionsrecht die rückwirkende Änderung einer vor dem Beitritt ausgestellten Geburtsurkunde nicht vorschreiben. Es ist hingegen nicht ausgeschlossen, dass es dem Einzelnen ein Recht verleiht, von einem Mitgliedstaat die Ausstellung einer Personenstandsurkunde zu fordern, mit der in seiner Geburtsurkunde enthaltene Angaben bescheinigt werden, jedoch unter Verwendung einer anderen Schrift für seinen Vor- und Nachnamen, wie es die litauischen Behörden in Bezug auf Frau Runevič‑Vardyn im Jahr 2003 getan haben.

c)      Zu den grenzüberschreitenden Aspekten des Ausgangsrechtsstreits

48.      Die litauische Regierung macht geltend, dass sämtliche Aspekte bestimmter Teile des Ausgangsrechtsstreits auf das litauische Hoheitsgebiet beschränkt seien. Die Anträge von Frau Runevič‑Vardyn auf Änderung ihres Vor- und Nachnamens in ihrer Geburtsurkunde fielen nicht unter die Bestimmungen des Unionsrechts, da diese Urkunde in Litauen ausgestellt worden sei und eine litauische Staatsbürgerin betreffe. Ich erinnere daran, dass es sich hierbei um eine Frage der Begründetheit handelt, die nicht im Rahmen einer Einrede der Zulässigkeit zu prüfen ist.

49.      Dagegen besteht kein Zweifel am Bezug zum Unionsrecht im Hinblick auf die übrigen Aspekte des Rechtsstreits, d. h. die Aspekte, die die Eintragung der Namen der beiden Kläger des Ausgangsverfahrens in ihre Heiratsurkunde betreffen, denn es handelt sich um Ehepartner unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, die jeweils von ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union Gebrauch gemacht haben.

50.      Zur Richtlinie 2000/43 ist festzustellen, dass diese den in Art. 13 Abs. 1 EG niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft umsetzt. Der Anwendungsbereich dieses Grundsatzes ist nicht durch den etwaigen innerstaatlichen Charakter des betreffenden Sachverhalts, sondern allgemein durch die Beschränkung der der Gemeinschaft (oder der Union) übertragenen Zuständigkeiten und im Besonderen durch den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/43, wie er in dieser selbst definiert ist, begrenzt, wobei die Richtlinie 2000/43 meines Erachtens auch rein innerstaatliche Sachverhalte erfasst(26).

51.      Die Anwendbarkeit der Art. 12 EG und 18 EG hängt davon ab, ob der Sachverhalt im Geltungsbereich des EG-Vertrags liegt oder nicht. Wie ich bereits ausgeführt habe, können die mit der Heiratsurkunde zusammenhängenden Fragen eindeutig unter die Bestimmungen des Unionsrechts über die Grundfreiheiten fallen. Im Hinblick auf die Frau Runevič‑Vardyn im Jahr 2003 ausgestellte Geburtsurkunde erinnere ich daran, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens sich auf eine Reihe praktischer Schwierigkeiten beruft, auf die sie in Polen und Belgien aufgrund der Unterschiede in der Schreibweise ihres Nachnamens zwischen den litauischen und den polnischen Personenstandsurkunden, die sie und ihre Familie betreffen, gestoßen sein will. Meines Erachtens kann die Situation eines Unionsbürgers, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht und mit einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Ehe geschlossen hat, im Hinblick auf die in seinem Herkunftsstaat ausgestellten Personenstandsurkunden nicht als rein innerstaatlich eingestuft werden, wenn die Rechts- und Verwaltungsvorschriften dieses Staates dazu führen, dass der gemeinsame Ehename in den beide Ehepartner betreffenden Personenstandsurkunden nicht einheitlich geschrieben werden kann. Ein solcher Sachverhalt fällt in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags.

52.      Im vorliegenden Fall weist der Ausgangsrechtsstreit mit einigen Elementen zweifellos nicht über die Grenzen des Hoheitsgebiets der Republik Litauen hinaus. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof gleichwohl nicht allein aufgrund dieser Erwägung von der Beantwortung einer Vorlagefrage absehen(27). Das entscheidende Kriterium ist, ob die gewünschte Auslegung einen Bezug zum Ausgangsrechtsstreit aufweist oder nicht. Es ist festzustellen, dass der Inhalt der Geburtsurkunde von Frau Runevič‑Vardyn in der Praxis als Grundlage für Einträge in anderen Urkunden wie dem Reisepass oder der Heiratsurkunde der Beteiligten, die ebenfalls Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, dienen kann. Daher kann die Beantwortung der Vorlagefragen, auch wenn bestimmte Tatsachen nicht über die Grenzen des nationalen Hoheitsgebiets hinausweisen, für das vorlegende Gericht gleichwohl nützlich sein.

53.      Ich bin daher der Auffassung, dass der Gerichtshof gehalten ist, auf die ihm zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zu antworten.

2.      Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/43

54.      Sollten die im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits gestellten Anträge, mit denen das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft(28) im Sinne der Richtlinie 2000/43 geltend gemacht wird, nicht unter die Bestimmungen dieser Richtlinie fallen, ist der Gerichtshof für die Beantwortung der ersten und der zweiten Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts ratione materiæ nicht zuständig.

55.      Die meisten Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, sind der Auffassung, dass die Richtlinie 2000/43 auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden könne. Lediglich die Kläger des Ausgangsverfahrens und die portugiesische Regierung sind anderer Meinung(29).

56.      Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass der sachliche Geltungsbereich dieser Richtlinie sehr weit sei und zahlreiche Aspekte des sozialen Lebens erfasse. Im Gegensatz zu anderen Richtlinien zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gehe die Richtlinie 2000/43, wie es der Gesetzgeber vorgesehen habe, über den Bereich der Beschäftigung und der beruflichen Bildung hinaus(30).

57.      Zwar nimmt die Richtlinie 2000/43 im Gegensatz zur Richtlinie 2000/78 des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(31) die Fragen des Personenstands nicht ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Gleichwohl verdeutlicht der Vorschlag, der zum Erlass der Richtlinie 2000/43 geführt hat, dass die Bereiche nur insoweit erfasst sind, als sie in die der Gemeinschaft durch den EG‑Vertrag übertragenen Zuständigkeiten fallen(32). In ihrem Art. 3 wird darauf hingewiesen, dass die Richtlinie unter Berücksichtigung dieser Grenzen erlassen worden ist. Wie ich ausgeführt habe, fällt aber die Angabe von Vor- und Nachnamen in den Personenstandsregistern nicht in die Zuständigkeit der Union.

58.      Darüber hinaus enthält Art. 3 Abs. 1(33) der Richtlinie 2000/43, der ihren sachlichen Geltungsbereich erschöpfend festlegt, meines Erachtens kein Element, das den speziellen Bereichen des Personenstands oder der Ausstellung der dazugehörigen Dokumente zuzuordnen wäre. Zu den Bereichen, in denen eine Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft untersagt ist, gehört gemäß Buchst. h dieses Absatzes „[der] Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“. Dies ist die einzige Rubrik, die im vorliegenden Fall einschlägig sein könnte, da sich die übrigen Rubriken auf berufliche, soziale oder Aspekte der Ausbildung beziehen, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen. Es kann allerdings nicht gesagt werden, dass die Vorschriften zur Schreibweise von Vor- und Nachnamen in den Personenstandsurkunden unmittelbar unter den Begriff „Dienstleistung“ im Sinne dieser Richtlinie fielen(34).

59.       Die Kläger des Ausgangsverfahrens tragen vor, ihre Situation werde deshalb von diesen Bestimmungen erfasst, weil für die Wahrnehmung bestimmter Rechte und die Nutzung der von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 erfassten Güter und Dienstleistungen die Vorlage eines Ausweises und verschiedener Schriftstücke, Bescheinigungen oder Urkunden notwendig sei.

60.      Diese Argumentation überzeugt mich indes nicht. Aus den vorbereitenden Arbeiten zum Wortlaut dieser Richtlinie(35) geht hervor, dass Rasse und ethnische Herkunft gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. h bei „Entscheidungen“ über den Zugang zu Waren und Dienstleistungen oder darüber, ob eine Person als Anbieter von Waren und Dienstleistungen auftreten darf, keine Rolle spielen dürfen. Zur Verdeutlichung, wozu Diskriminierungen beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, die einer sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung hinderlich sind, führen können, hat die Kommission das Beispiel des Zugangs zu Finanzmitteln angeführt, der von Entscheidungen über die Gewährung von Darlehen für Kleinbetriebe oder über Hypothekarkredite abhängen könne(36). Der Zusammenhang zwischen der getroffenen Entscheidung und dem Zugang zur gewünschten Dienstleistung ist in diesem Beispiel unmittelbar und offensichtlich. Bei den betreffenden Maßnahmen im Ausgangsrechtsstreit scheint mir hingegen kein solcher Kausalzusammenhang zu bestehen.

61.      Dem Ansatz der Kläger des Ausgangsverfahrens könnte nur dann gefolgt werden, wenn man die mittelbaren Auswirkungen der Regelungen zur Schreibweise von Vor- und Nachnamen insoweit berücksichtigte, als diese eine Beschränkung des Zugangs von Interessenten zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen wie dem Kauf von Flugtickets, der Eröffnung eines Bankkontos oder der Erledigung eines Behördengangs zwar nicht – offen oder versteckt – bezwecken, aber zur praktischen Folge haben könnten, während andere Eheleute in einer vergleichbaren Lage nicht auf derartige potenziell abschreckende Hindernisse stießen(37).

62.      Ich folge dieser Argumentation nicht. Läge in den zuvor beschriebenen Situationen eine irgendwie geartete Diskriminierung vor, so wäre diese nicht auf die betreffende Regelung selbst, sondern auf die Reaktionen der Anbieter der Waren und Dienstleistungen angesichts der ihnen vorgelegten Personenstandsurkunden zurückzuführen. Derartige Handlungen von Privatpersonen sind von behördlichen Maßnahmen zu unterscheiden.

63.      Darüber hinaus ist es nicht möglich, vorab festzustellen, ob eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft durch Anbieter von Waren und Dienstleistungen auf die – unmittelbare (als solche) oder mittelbare (über die Schreibweise der Vor- und Nachnamen) – Angabe dieser Herkunft in den Personenstandsurkunden zurückzuführen wäre oder aber auf dem Weglassen dieser Angabe beruhte. Unter den Umständen des Ausgangsrechtsstreits führt Frau Runevič-Vardyn die Schwierigkeiten an, auf die sie wegen des Verbots der Verwendung von Buchstaben des polnischen Alphabets in den litauische Staatsbürger betreffenden Personenstandsurkunden gestoßen sei. In einem anderen Zusammenhang könnte eine Person diskriminiert werden, wenn ihre Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit durch Personenstandsurkunden offengelegt würde(38). Ich erinnere daran, dass eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn ein dem Anschein nach neutrales Kriterium Personen, die einer bestimmten Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen kann. Es ist einem Mitgliedstaat untersagt, ein solches Kriterium anzuwenden, es sei denn, er ist in der Lage, hierfür eine angemessene Rechtfertigung zu liefern. Die Auslegung des Unionsrechts darf nicht dazu führen, dass die beiden an dieser Stelle angeführten Fälle, die alternativ sind und sich gegenseitig ausschließen, einem Mitgliedstaat als diskriminierend entgegengehalten werden können.

64.      Die konkreten Schwierigkeiten, die Frau Runevič‑Vardyn und Herr Wardyn anführen, sind das Ergebnis von Unterschieden in der Schreibweise ihrer Vor- und Nachnamen in den litauischen und den polnischen Personenstandsurkunden und nicht der verwendeten Schreibweise als solcher. Es kann angesichts der sie betreffenden litauischen Heiratsurkunde in der Tat keinerlei Zweifel geben am Bestehen der Ehe zwischen „MALGOŽATA RUNEVIČ-VARDYN“ und „LUKASZ PAWEL WARDYN“, Angaben, die in Großbuchstaben in der Urkunde enthalten sind. Die aufgeworfene Problematik steht in keinem Zusammenhang mit den in der Richtlinie 2000/43 vorgesehenen Diskriminierungsfaktoren.

65.      Meines Erachtens kann der Gerichtshof es in der heutigen Zeit nicht dulden, dass in Fällen, in denen für den Zugang zu Waren und Dienstleistungen möglicherweise das Bestehen einer Ehe von Bedeutung ist, dieser Umstand aus der Übereinstimmung der Namen der Eheleute abgeleitet oder in Ermangelung einer solchen Übereinstimmung ausgeschlossen werden könnte. Im vorliegenden und in allen entsprechenden Fällen kann allein eine Heiratsurkunde oder eine vergleichbare Personenstandsurkunde ohne jeden Zweifel Aufschluss über das tatsächliche Bestehen einer Ehe geben.

66.      Überdies weise ich darauf hin, dass es zu Problemen bei der Anwendung der Richtlinie 2000/43 auf Betriebe, die eindeutig in ihren Anwendungsbereich fallen, führen würde, wenn der Gerichtshof die Reichweite des Art. 3 Abs. 1 Buchst. h dieser Richtlinie weit in dem Sinne verstehen würde, dass sie auch die möglichen mittelbaren Auswirkungen der Vorschriften zur Schreibweise von Vor- oder Nachnamen in den Personenstandsurkunden im Hinblick auf den Zugang zu Waren und Dienstleistungen umfasste. Eine Auslegung, nach der etwa die Beschränkung der Verwendung von Buchstaben in Personenstandsurkunden als eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft angesehen würde, würde alle Anbieter von Dienstleistungen, die sich in ihren Kundendateien und bei der Kommunikation mit ihren Kunden aufgrund von technischen oder Normungszwängen auf die Verwendung einer vergleichsweise geringen Auswahl von Graphemen und Zeichen beschränken müssen, einer Welle von Diskriminierungsvorwürfen aussetzen(39). Solchen Praktiken eine – und wenn auch nur potenziell – diskriminierende Wirkung zuzusprechen, erscheint mir exzessiv und nicht gerechtfertigt.

67.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen bin ich der Auffassung, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/43 fällt.

3.      Zu den Fragen im Hinblick auf die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und auf die Unionsbürgerschaft

68.      Wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, hat gemäß Art. 17 EG den Status eines Unionsbürgers, an den die im EG-Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten anknüpfen, zu denen das Recht nach Art. 12 Unterabs. 1 EG, sich auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu berufen, und das in Art. 18 Abs. 1 EG vorgesehene Recht gehören, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, und zwar in allen Situationen, die ratione materiæ in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen(40).

a)      Zur Auslegung von Art. 12 EG im Hinblick auf die verschiedenen Anträge auf Änderung der Personenstandsurkunden

69.      Angesichts des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits ist bei der Beantwortung der dritten und der vierten Vorlagefrage meines Erachtens zwischen drei verschiedenen Anträgen der Kläger des Ausgangsverfahrens zu unterscheiden: zum einem dem Antrag von Frau Runevič‑Vardyn auf Änderung ihrer Geburtsurkunde, zum anderen dem Antrag von Herrn Wardyn im Hinblick auf die Heiratsurkunde und schließlich dem Antrag den in der Heiratsurkunde eingetragenen Ehenamen von Frau Runevič‑Vardyn betreffend.

70.      Im Hinblick auf den Vor- und Mädchennamen, der in der von der Personenstandsabteilung der Stadt Vilnius gemäß den litauischen Rechtsvorschriften ausgestellten Geburtsurkunde von Frau Runevič‑Vardyn angegeben ist, bin ich der Auffassung, dass dieser Sachverhalt nicht unter die Bestimmungen des Art. 12 EG fällt. Da Frau Runevič‑Vardyn Angehörige des Staates ist, dessen Regelung angefochten wird, kann keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegen. Überdies stelle ich fest, dass nach dem Wortlaut dieses Artikels in der deutschen Sprachfassung(41), der seit dem Inkrafttreten des Römischen Vertrags im Jahr 1957 unverändert geblieben ist, eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine Diskriminierung zwischen Angehörigen verschiedener Mitgliedstaaten, nicht aber eine Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit voraussetzt.

71.      Was den Antrag von Herrn Wardyn auf Änderung der Heiratsurkunde angeht, weise ich darauf hin, dass dieser nicht seinen eigenen Nachnamen betrifft, der ohne Veränderung in seiner ursprünglichen Form eingetragen worden ist, sondern seine Vornamen, die in die litauische Form umgeschrieben worden sind („Lukasz Pawel“), d. h. ohne die diakritischen Zeichen („Łukasz Paweł“), die es in der Sprache seines Geburtsstaats, dessen Staatsangehöriger er ist, d. h. der Republik Polen, gibt. Außerdem ist Herr Wardyn der Ansicht, dass er persönlich insoweit eine Diskriminierung aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit erfahren habe, als ihm im Gegensatz zu litauischen Staatsangehörigen, die miteinander die Ehe schlössen, nicht die Möglichkeit eingeräumt worden sei, seinen authentischen Namen, d. h. „Wardyn“, auf seine Ehefrau zu übertragen, weil dieser für seine Ehefrau in die litauische Form „Vardyn“ umgeschrieben worden sei.

72.      Die Anwendbarkeit von Art. 12 EG auf diesen Sachverhalt ist von den Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben haben, allgemein anerkannt worden; ich schließe mich dem an. Herr Wardyn, polnischer Staatsangehöriger, hat durch seine in Litauen eingegangene Verbindung mit einer Angehörigen dieses anderen Mitgliedstaats eine grenzüberschreitende Ehe geschlossen. Außerdem hält er sich gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem aus ihrer Verbindung hervorgegangenen Kind derzeit außerhalb des litauischen und des polnischen Hoheitsgebiets, nämlich in Belgien, auf, wo er aufgrund der Abweichung zwischen seinem und dem seiner Ehefrau von den litauischen Behörden zugeteilten Nachnamen auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein behauptet.

73.      Im Hinblick auf die Auslegung der Anforderungen des Art. 12 EG sind allein die Republik Litauen und die Tschechische Republik der Ansicht, dass dieser Artikel einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehe. Ich bin aus Gründen, die ich im Folgenden erläutern werde, der gegenteiligen Auffassung. Schon hier weise ich darauf hin, dass meines Erachtens eine Art. 12 EG berührende mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gegenüber einem Unionsbürger vorliegt, der sich zu einer Eheschließung in einem anderen als dem Mitgliedstaat, dessen Angehöriger er ist, entschlossen hat und dessen ursprüngliche Vornamen allein aus diesem Grund in der Heiratsurkunde geändert worden sind.

74.      Daraus, dass dem Angehörigen eines Mitgliedstaats die Möglichkeit genommen worden sein soll, seinen Nachnamen in seiner ursprünglichen Form auf seine Ehefrau zu übertragen, kann meines Erachtens hingegen keine Diskriminierung abgeleitet werden, weil mir ein solches behauptetes „Recht“ mit dem Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern, wie er insbesondere im Unionsrecht verankert ist, unvereinbar zu sein scheint(42). Jede Person, ob Mann oder Frau, muss bei ihrer Eheschließung die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten haben, wie etwa den eigenen Nachnamen beizubehalten, den Nachnamen des Ehepartners anzunehmen(43) oder diesen mit dem eigenen Namen zu verbinden, wenn die auf diese Eheschließung anwendbaren Rechtsvorschriften diese Möglichkeit eröffnen. Sollte Frau Runevič‑Vardyn über eine solche Option verfügt haben(44), könnte Herr Wardyn nicht verlangen, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, ihr seinen Nachnamen zu geben.

75.      Meiner Ansicht nach ist im vorliegenden Fall der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz berührt, weil eigene Staatsangehörige, die im Regelfall einen Vor- und einen Nachnamen führen, deren Schreibweise der litauischen Sprache entspricht, besser behandelt werden als Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die Namen mit Buchstaben oder diakritischen Zeichen tragen, die diese Sprache nicht kennt(45). Es stellt sich sodann die Frage, ob eine solche Beeinträchtigung, die eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellen kann, gleichwohl durch einen rechtmäßigen Zweck und durch verhältnismäßige Mittel zur Erreichung dieses Zwecks objektiv gerechtfertigt ist.

76.      Das rechtmäßige Ziel, das zur Stützung der angefochtenen Regelung mit Erfolg angeführt werden könnte, ist das der Sicherstellung des Schutzes der Amtssprache zur Gewährleistung der nationalen Einheit und zur Wahrung des sozialen Zusammenhalts.

77.      In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf diesem Gebiet zu verweisen, die zwingend zu berücksichtigen ist(46), zumal aus den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte(47) hervorgeht, dass die Rechte nach Art. 7 der Charta den Rechten entsprechen, die durch Art. 8 EMRK garantiert sind, und dass ihre möglichen legitimen Einschränkungen diejenigen sind, die Art. 8 Abs. 2 EMRK gestattet(48).

78.      Zwar enthält die EMRK keine Vorschrift, die einer Person das Recht auf Schutz ihres Namens und ihrer persönlichen Identität ausdrücklich zuerkennt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Art. 8 EMRK jedoch weit ausgelegt und entschieden, dass der Name einer Einzelperson ihr Privat- und Familienleben betreffe, weil er ein Mittel der persönlichen Identifikation darstelle und Ausdruck einer familiären Bindung sei(49).

79.      Ich weise darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über eine mit dem vorliegenden Ausgangsrechtsstreit vergleichbare Rechtssache zu befinden hatte, in deren Rahmen die Klägerin gegen die „aufgezwungene Lettisierung“ ihres Nachnamens vorging. Er hat diese Klage als offensichtlich unbegründet abgewiesen und entschieden, dass, auch wenn die im Streit stehende Praxis der Transliteration von Nachnamen eine Einmischung in das Privat- und Familienleben der betreffenden Person verursachen könne, sie gleichwohl nicht gegen die Anforderungen der EMRK verstoße, weil diese Praxis erstens gesetzlich vorgesehen sei, zweitens ein oder mehrere rechtmäßige Ziele im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK verfolge und drittens zur Erreichung dieser Ziele in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sei(50). Der EGMR hat kürzlich festgestellt, dass in diesem Bereich bei der Prüfung, ob die „Notwendigkeit“ eines Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens überzeugend dargelegt worden sei, im Wesentlichen auf die von den Behörden angeführte und von den nationalen Gerichten überprüfte Rechtfertigung abgestellt werden müsse (51).

80.      Darüber hinaus ist es den Mitgliedstaaten meines Erachtens durch das Unionsrecht nicht per se verwehrt, Vorschriften über die Schreibweise von Vor- und Nachnamen zum Schutz der Landessprache zu erlassen. Ich weise darauf hin, dass die Union gemäß Art. 4 Abs. 2 des EU‑Vertrags die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet.

81.      Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die litauische Regelung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel des Schutzes der Landessprache beachtet(52).

82.      Die estnische Regierung ist der Auffassung, dass die Anforderungen im Hinblick auf die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der Mittel durch ein System erfüllt würden, das Maßnahmen umfasse, die sicherstellten, dass praktisch und ohne größeren Aufwand ein Bezug zwischen den verschiedenen Formen des Namens hergestellt und seine ursprüngliche Form festgestellt werden könne.

83.      Die litauische Regierung teilt im Übrigen mit, dass sie dem litauischen Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt habe, mit dem die Möglichkeit eröffnet werden solle, die Vornamen und Namen bestimmter Personengruppen unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache oder anderer Buchstaben des lateinischen Alphabets (mit und ohne diakritische Zeichen) zu schreiben(53).

84.      Diese Umstände beweisen, dass ein moderaterer als der im Rahmen der streitigen Regelung im Ausgangsverfahren eingeschlagene Weg möglich ist und dass die derzeit zur Erreichung des von der Republik Litauen verfolgten Ziels verwendeten Mittel unverhältnismäßig sind.

85.      In diesem Zusammenhang könnte das 14. CIEC‑Übereinkommen(54) meines Erachtens als eine nützliche Inspirationsquelle bei der Auslegung des EG-Vertrags dienen, da dieses Übereinkommen Ausdruck eines fortgeschrittenen Völkerrechtsstandards im Hinblick auf die Angabe ausländischer Vor- und Nachnamen in den Personenstandsbüchern ist(55).

86.      Insbesondere Art. 2 des 14. CIEC‑Übereinkommens sieht vor, dass, wenn von einer Behörde eines Vertragsstaats eine Eintragung in ein Personenstandsbuch vorgenommen werden soll und zu diesem Zweck eine Abschrift eines Personenstandseintrags oder ein Auszug aus diesem oder eine andere Urkunde vorgelegt wird, die die Familiennamen und Vornamen in den gleichen Schriftzeichen wiedergibt wie in denjenigen der Sprache, in der die Eintragung vorgenommen werden soll, diese Familiennamen und Vornamen buchstabengetreu ohne Änderung oder Übersetzung wiederzugeben sind. Die in diesen Familiennamen und Vornamen enthaltenen diakritischen Zeichen sind ebenfalls wiederzugeben, selbst wenn die Sprache, in der die Eintragung vorgenommen werden soll, solche Zeichen nicht kennt. Im erläuternden Bericht im Anhang dieses Übereinkommens heißt es zu diesem Artikel, dass „die Regel für die buchstabengetreue Wiedergabe auch auf diakritische Zeichen Anwendung [findet]“ und dass diese „ebenfalls wiederzugeben [sind], selbst wenn die Sprache, in der die Eintragung vorgenommen werden soll, solche Zeichen nicht kennt. Wird die Eintragung mit der Schreibmaschine vorgenommen, werden die diakritischen Zeichen gegebenenfalls per Hand hinzugefügt.“

87.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass gemäß Art. 12 Abs. 1 EG die Behörden eines Mitgliedstaats Angaben zur Identität von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten buchstabengetreu und unter Verwendung der in diesen Staaten zulässigen diakritischen Zeichen eintragen sollten.

b)      Zur Auslegung von Art. 18 EG im Hinblick auf die verschiedenen Anträge auf Änderung der Personenstandsurkunden

88.      Art. 18 Abs. 1 EG garantiert jedem Unionsbürger mit unmittelbarer Wirkung(56) das Recht, sich frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten.

89.      Die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Regelung der Angabe von Vor- und Nachnamen in den Personenstandsurkunden lässt sich kurz wie folgt zusammenfassen(57). Da dieser Bereich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, liegt eine Beeinträchtigung der in Art. 18 EG vorgesehenen Freizügigkeit nur bei schwerwiegenden Nachteilen vor. Eine solche Beeinträchtigung ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie einerseits auf objektiven Erwägungen der öffentlichen Ordnung und nicht auf Verwaltungsvereinfachung ausgerichteten Erwägungen beruht und andererseits in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Ziel steht(58).

90.      Im vorliegenden Fall bin ich, wie auch die Mehrzahl der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, der Ansicht, dass die Situation von Frau Runevič‑Vardyn im Hinblick auf ihren in ihrer Geburtsurkunde angegebenen Vor- und Nachnamen unter die Bestimmungen des Art. 18 EG fällt, weil die Betroffene sich in Ausübung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Rechte in anderen Mitgliedstaaten als ihrem Herkunftsmitgliedstaat niedergelassen und dort gearbeitet hat.

91.      Frau Runevič‑Vardyn macht geltend, aus den Urteilen Garcia Avello und Grunkin und Paul gehe eindeutig hervor, dass die litauische Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Freizügigkeitsrecht als Unionsbürgerin darstelle. Durch die Umschrift von Vor- und Nachnamen nichtlitauischer Herkunft, die litauische Buchstaben enthielten, werde eine neue persönliche Identität geschaffen und verhindert, dass Personen, die sich wie sie in anderen Staaten der Union aufhielten, über ihre authentischen Vor- und Nachnamen identifizierbar seien, was ihnen erhebliche Schwierigkeiten in ihrem Privat- und Berufsleben bereite.

92.      Im Hinblick auf die Geburtsurkunde von Frau Runevič‑Vardyn bin ich demgegenüber der Meinung, dass die von ihr angeführten Nachteile nicht bestehen, weil sich ihr Vor- und ihr Mädchenname, die ihr in dem Mitgliedstaat verliehen wurden, in dem sie geboren ist, seit ihrer Geburt nicht geändert haben und genau in dieser Form insbesondere in ihren Reisepass eingetragen worden sind. Darüber hinaus sind die Bestimmungen der in Rede stehenden Regelung für bestimmte eigene Staatsangehörige allein deshalb nicht weniger vorteilhaft, weil sie später von ihrer Freiheit, sich in einem anderen Mitgliedstaat zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben.

93.      Was die Situation von Herrn Wardyn im Hinblick auf seinen in der Heiratsurkunde angegebenen Vornamen angeht, sind die Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, übereinstimmend wie auch ich der Auffassung, dass Art. 18 EG anwendbar ist.

94.      Ich teile den Standpunkt der Kommission, wenn sie unter Bezugnahme auf das Urteil Konstantinidis darauf hinweist, dass alles unternommen werden müsse, um sicherzustellen, dass die Vor- und Nachnamen aller Unionsbürger fest und dauerhaft dokumentiert sind, damit ihnen die ungehinderte Ausübung der mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte möglich ist.

95.      Die litauische Regierung führt aus, dass die Vor- und Nachnamen von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten in Schriftstücken wie Aufenthaltsgenehmigungen oder Personenstandsurkunden (Geburts- und Heiratsurkunden, Totenscheinen), die in Litauen ausgestellt würden, unter Verwendung von Buchstaben des lateinischen Alphabets und unter Beachtung der Schreibweise im Herkunftsstaat, einschließlich der Buchstaben „w“, „x“ und „q“, die es im litauischen Alphabet nicht gebe, allerdings ohne diakritische Zeichen, geschrieben würden.

96.      Eine solche Regelung beeinträchtigt meines Erachtens das Recht von Herrn Wardyn, sich frei in einem anderen Mitgliedstaat zu bewegen und aufzuhalten, nur teilweise. Im alltäglichen internationalen Handelsverkehr werden diakritische Zeichen oftmals weggelassen, insbesondere weil die EDV-Systeme, wie ich bereits erwähnt habe, lediglich die Verwendung des englischen Alphabets erlauben. Dies gilt nicht nur für Flugtickets, sondern häufig auch für digitale Formulare oder Kreditkarten. Personen, die keine Fremdsprache beherrschen, kennen die Bedeutung diakritischer Zeichen oftmals nicht und bemerken sie nicht einmal. In meinen Augen dürfte das Weglassen von diakritischen Zeichen für sich allein – und ich spreche hier aus eigener Erfahrung – nicht dazu führen, dass Gründe für eine doppelte Identität einer Person gerechtfertigt werden müssten. Die Möglichkeit eines tatsächlichen und schwerwiegenden Nachteils, der auf einem solchen Weglassen beruhte, scheint mir daher ausgeschlossen.

97.      Ich bin hingegen der Auffassung, dass die Weigerung, in Personenstandsurkunden, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten betreffen, Buchstaben des lateinischen Alphabets zu verwenden, die im eigenen Alphabet nicht vorhanden sind, bei Letzteren zu hinreichend schwerwiegenden Nachteilen führen kann, um diese von der Ausübung ihrer Freizügigkeit abzuhalten. Dies scheint mir jedoch in Litauen nicht der Fall zu sein, weil die Nachnamen von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten nach Informationen der litauischen Regierung mit solchen Buchstaben umgeschrieben werden können, wie es im vorliegenden Fall, in dem der Nachname von Herrn Wardyn mit einem „W“ in die litauische Heiratsurkunde eingetragen wurde, geschehen ist.

98.      Was die Situation von Frau Runevič‑Vardyn im Hinblick auf ihren in ihrer Heiratsurkunde angegebenen Ehenamen angeht, ist Art. 18 EG meines Erachtens anwendbar und könnte einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, was auch von der Mehrzahl der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, so gesehen wird.

99.      Die polnische Regierung weist darauf hin, dass die Änderung der Umschrift eines Vor- oder Nachnamens die Rechte der davon betroffenen Personen schwerwiegend beeinträchtige. Personenstandsurkunden und andere Unterlagen würden nicht nur im Hoheitsgebiet des Staates verwendet, der sie nach den Regeln seiner Sprache geändert habe, sondern auch im Hoheitsgebiet aller übrigen Mitgliedstaaten der Union und außerhalb der Union. Bürger eines anderen Mitgliedstaats, denen weder die Buchstaben einer Sprache noch die Regeln für ihre Lesung bekannt seien, seien möglicherweise nicht in der Lage, festzustellen, ob es sich bei zwei Namen in zwei unterschiedlichen Schriftstücken in Wirklichkeit um ein- und denselben Namen handele. Gleichwohl kann sich der Gerichtshof, wie ich bereits erwähnt habe, meines Erachtens nicht auf die Prämisse stützen, dass die familiäre Bindung zwischen Ehegatten nur deshalb vermutet bzw. ausgeschlossen würde, weil sie identische bzw. unterschiedliche Familiennamen tragen.

100. Zur Rechtfertigung dieser Beeinträchtigung führt die litauische Regierung die Belange und Traditionen der litauischen Sprache an. Nun kann zwar der Schutz der Landessprache eine objektive Erwägung des Allgemeininteresses im Sinne des Unionsrechts darstellen. Wie Generalanwalt Jacobs unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte(59) jedoch hervorgehoben hat, darf der weite Ermessensspielraum, über den die Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Schreibweise von Vor- und Nachnamen verfügen, nicht dazu führen, dass das Recht der Unionsbürger, sich frei in allen Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten, auf unverhältnismäßige Weise beschränkt wird. Diese dürfen, gleich aus welchem Mitgliedstaat sie stammen, nicht allein aus dem Grund benachteiligt werden, weil sie von diesem Recht Gebrauch machen(60). Im vorliegenden Fall wird Frau Runevič‑Vardyn das anderen litauischen Staatsangehörigen zuerkannte Recht vorenthalten, den Namen des Ehegatten in einer der ursprünglichen Schreibweise entsprechenden Form zu führen, und dies allein deshalb, weil sie mit einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, dem sie in Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts begegnet ist, die Ehe geschlossen hat.

101. Die litauischen Bestimmungen stellen meines Erachtens kein geeignetes und erforderliches Mittel zur Erreichung des Ziels des Schutzes der Landessprache dar. Andere, die Rechte der betroffenen Person weniger beeinträchtigende Lösungen sind denkbar. In der Tat genügt die Feststellung, dass die litauische Rechtsordnung die Verwendung von in der Landessprache unbekannten Buchstaben in den einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats wie Herrn Wardyn betreffenden Personenstandsurkunden bereits jetzt erlaubt, um daraus abzuleiten, dass der Schutz dieser Sprache durch die Verwendung des Buchstabens „W“ auch bei der Angabe des Namens seiner Ehefrau nicht in schwerwiegender Weise gefährdet würde.

V –    Ergebnis

102. Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Vilniaus miesto 1 apylinkės teismas wie folgt zu antworten:

Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft ist dahin auszulegen, dass er auf nationale Bestimmungen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen keine Anwendung findet.

Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist Art. 12 Unterabs. 1 EG, der eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, in seiner Rechtsordnung vorzusehen, dass der Vor- oder der Nachname eines seiner Staatsangehörigen in Personenstandsurkunden nur unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache und ohne diakritische Zeichen, Ligaturen oder sonstige Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets, die in anderen Sprachen verwendet werden, eingetragen werden darf. Dieser Artikel verbietet hingegen eine solche Praxis im Hinblick auf einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats.

Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist Art. 18 Abs. 1 EG, wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, in seiner Rechtsordnung vorzusehen, dass der Vor- oder der Nachname eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder der von einem seiner eigenen Staatsangehörigen, der mit einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Ehe geschlossen hat, gewählte Ehename in den Personenstandsurkunden nur unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache eingetragen werden darf. Dieser Artikel schreibt einem Mitgliedstaat hingegen nicht die Verwendung von diakritischen Zeichen, Ligaturen oder sonstigen Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets vor, die in anderen Sprachen verwendet werden.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Frau Runevič‑Vardyn beansprucht für sich die Zugehörigkeit zur in Litauen lebenden polnischen Gemeinschaft, die etwa 7 % der Bevölkerung ausmacht und hauptsächlich in der Stadt und der Grafschaft Vilnius angesiedelt ist. In der Tat sind ihre Eltern polnischer Herkunft, und sie hat Schriftstücke vorgelegt, die bis in mehrere Generationen zurückreichen und starke kulturelle, sprachliche und gefühlsmäßige Bindungen zur polnischen Bevölkerungsgruppe in der Region Vilnius belegen.


3 – Die vorliegende Rechtssache betrifft die Umschrift von in Buchstaben des lateinischen Alphabets geschriebenen Vor- und Nachnamen und nicht die Transliteration aus den beiden anderen in den Amtssprachen der Union bestehenden Alphabeten, d. h. dem kyrillischen und dem griechischen Alphabet. Zu dieser letzten Frage vgl. Urteil vom 30. März 1993, Konstantinidis (C‑168/91, Slg. 1993, I‑1191).


4 – Ein Diakritikum oder diakritisches Zeichen ist ein grafisches Element, das in zahlreichen Sprachen, die das lateinische Alphabet benutzen, verwendet wird; es kann über, unter, neben oder durch einen Buchstaben hindurch angebracht sein, verändert dessen Aussprache bzw. schafft sogar einen zusätzlichen Buchstaben. In der deutschen Sprache etwa zeigt das Trema „¨“, auch Umlaut genannt, wenn es über einem Buchstaben wie „A“ angebracht wird, eine Veränderung der Aussprache dieses Buchstabens an, während „Ä“ in der finnischen Sprache ein eigenständiger Buchstabe ist.


5 – Eine Ligatur besteht aus der Verschmelzung zweier Grapheme einer Schrift zu einem neuen Graphem, das gegebenenfalls als eigenständiger Buchstabe angesehen wird (z. B. „OE“ wird „Œ“).


6 – ABl. L 180, S. 22.


7 – Vgl. Urteile Konstandinis, vom 2. Oktober 2003, Garcia Avello (C‑148/02, Slg. 2003, I‑11613), und vom 14. Oktober 2008, Grunkin und Paul (C‑353/06, Slg. 2008, I‑7639). Andere Rechtssachen betrafen die Umschrift eines Geburtsdatums in einer Personenstandsurkunde, z. B. Urteil vom 2. Dezember 1997, Dafeki (C‑336/94, Slg. 1997, I‑6761).


8 – Vgl. u. a. den Artikel des britischen Magazins The Economist vom 23. Oktober 2010 und den Artikel der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat vom 19. November 2010, die von einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Republik Litauen und der Republik Polen im Zusammenhang mit der Umschrift von Vor- und Nachnamen polnischer Herkunft in litauischen Personenstandsurkunden berichten.


9 – So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Namen als „Hauptelement zur Individualisierung einer Person innerhalb der Gesellschaft“ angesehen (Urteil vom 9. November 2010, Losonci Rose und Rose/Schweiz, Beschwerde Nr. 664/06, § 51).


10 – Vgl. Kangas, U., Ihmisen nimi [Der Name einer Person], Lakimiesliiton kustannus, Helsinki, 1991, S. 5, 6 und 12.


11 – Nina Holst‑Christensen weist darauf hin, dass Entscheidungen wie das Urteil Grunkin und Paul von den Mitgliedstaaten als lästig betrachtet werden können, dass sie es den Bürgern jedoch ermöglichen, störende oder zu weit gehende nationale Vorschriften anzuprangern. Vgl. Holst‑Christensen, N., „What’s in a Name? – EU‑retten som korrektionsfaktor i forhold til national navnelovgivning [Das Unionsrecht als Korrektiv für die nationale Namensgesetzgebung]“, Familieret og engagement – Hilsener til Svend Danielelsen, Thomson Reuters Professional A/S, Kopenhagen, 2009, S. 187 bis 197.


12 – Vertragsstaaten des CIEC‑Übereinkommens Nr. 14 sind das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und die Republik Türkei. Weder für die Europäische Union noch für die unmittelbar von der vorliegenden Rechtssache betroffenen Mitgliedstaaten, d. h. die Republik Litauen und die Republik Polen, ist dieses Übereinkommen verbindlich.


13 – Verkündet in Nizza am 7. Dezember 2000 (ABl. C 364, S. 1), geändert und für rechtlich verbindlich erklärt anlässlich der Annahme des Vertrags von Lissabon (ABl. 2007, C 303, S. 1).


14 – An die Stelle der in den Vorlagefragen angeführten Art. 12 EG und 18 EG sind die Art. 18 AEUV und 21 AEUV getreten. Da die vorliegende Rechtssache jedoch hauptsächlich die Anwendbarkeit litauischer Rechtsvorschriften in ihrer vor dem Inkrafttreten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geltenden Fassung betrifft, wird nachstehend auf die Bestimmungen des AEU-Vertrags in der vor diesem Zeitpunkt anwendbaren Nummerierung Bezug genommen.


15 – Žin., 2008, Nr. 88‑3541.


16 – Unter den dem Gerichtshof übersandten Unterlagen befindet sich eine Kopie der von den Behörden der Sowjetrepublik Litauen ausgestellten Originalgeburtsurkunde. Darin ist „Maлгожата Mихайловна Pуневич“, eine unmittelbare Transliteration der litauischen Schreibweise des Vornamens des Kindes sowie des um das weibliche Suffix ergänzten Vornamens und des Nachnamens seines Vaters, in kyrillischer Schrift angegeben. Auch in den Rubriken „Национальность“ (Staatsangehörigkeit) ist im Hinblick auf den Vater und die Mutter des betreffenden Kindes „Поляк“ (Pole) bzw. „Полька“ (Polin) angegeben.


17 – In der mündlichen Verhandlung hat Herr Wardyn jedoch erklärt, seine Ehegattin sei litauischer Staatsangehörigkeit und könne keine doppelte Staatsangehörigkeit haben.


18 – In der mündlichen Verhandlung hat die polnische Regierung angegeben, dass die in Rede stehenden Geburts- und Heiratsurkunden auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens zwischen der Republik Litauen und der Republik Polen vom 26. April 1994 hätten ausgestellt werden müssen, nach dessen Art. 14 die Vertragsparteien erklären, dass sie den in Art. 13 Abs. 2 aufgeführten Personen ein Sonderrecht einräumen, ihren Vor- und Nachnamen in einer Aussprache zu verwenden, die in der ethnischen Minderheit, der sie angehören, üblich ist. Sie schließe es nicht aus, dass diese Vorschrift von polnischen Standesämtern möglicherweise als unmittelbar anwendbar betrachtet worden sei.


19 – Vgl. insbesondere Urteil vom 9. Dezember 2003, Gasser (C‑116/02, Slg. 2003, I‑14693, Randnr. 27).


20 – Vgl. insbesondere Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981, Randnrn. 34ff.), vom 24. Juni 2010, Sorge (C‑98/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 24), und vom 12. Oktober 2010, Rosenbladt (C‑45/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 32).


21 – Urteil vom 13. Januar 2000, TK‑Heimdienst (C‑254/98, Slg. 2000, I‑151, Randnrn. 14 f.).


22 – Vgl. insbesondere Urteil vom 19. April 2007, Stamatelaki (C‑444/05, Slg. 2007, I‑3185, Randnr. 23). Zu den beträchtlichen Unterschieden, die zwischen den nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich der Familiennamen bestehen, sowie zu den diese Situation bestimmenden Faktoren vgl. Urteil Dafeki, Randnrn. 14 ff.


23 – „Der Personenstand (‚état civil‘) kann definiert werden als eine Art der Beurkundung der wichtigsten Tatsachen über den Stand von Personen und Familien wie Geburt, Eheschließung, Namen oder Staatsangehörigkeit. Darüber hinaus bezeichnet ‚état civil‘ auch die Behörde, die die Urkunden führt, in denen diese Tatsachen enthalten sind, die Eheschließungen durchführt und Auszüge, Familienbücher und andere Dokumente ausstellt“, so ein Bericht des französischen Senats über die internationale Kommission für das Zivilstandswesen (Nr. 277, session ordinaire 2001‑2002). Eine in allen Mitgliedstaaten geltende Definition des Personenstands gibt es indes nicht; einige von ihnen verwenden möglicherweise unterschiedliche Begriffe für die Gegenstände der beiden in diesem Zitat aufgeführten Kategorien.


24 – Vgl. insbesondere Urteil Garcia Avello, Randnr. 25.


25 – Ich erinnere daran, dass die Annexion der baltischen Staaten durch die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt de facto von allen europäischen Staaten anerkannt war.


26 – Vgl. in diesem Sinne Ringelheim, J., „The Prohibition of Racial and Ethnic Discrimination in Access to Services under EU Law“, European Anti‑discrimination Law Review, Nr. 10, 2010, S. 11, unter Anführung von Bell, M., Anti‑Discrimination Law and the European Union, Oxford University Press, 2002, S. 137.


27 – Vgl. insbesondere Urteil vom 15. Mai 2003, Salzmann (C‑300/01, Slg 2003, I‑4899).


28 – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil Timishev/Russland vom 13. Dezember 2005 (Beschwerden Nrn. 55762 und 55974/00, Recueil des arrêts et décisions, 2005‑XII, § 55) festgestellt, dass „[d]er Begriff Ethnizität … der Vorstellung gesellschaftlicher Gruppen entnommen [ist], die durch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, Stammeszugehörigkeit, einen gemeinsamen religiösen Glauben, eine gemeinsame Sprache oder gemeinsame Ursprünge in Kultur und Tradition sowie einen gemeinsamen Hintergrund gekennzeichnet sind“. Vgl. auch De Schutter, O., „Das Diskriminierungsverbot nach europäischem Menschenrecht – seine Bedeutung für die ‚Rassengleichbehandlungsrichtlinie‘ und die Richtlinie zur Gleichbehandlung in der Beschäftigung“, unter der Schirmherrschaft der Europäischen Kommission veröffentlichter Bericht, OPOCE, Luxemburg, 2005, insbesondere S. 7, 15 und 38 f.


29 – Die portugiesische Regierung nimmt zwar nicht ausdrücklich Stellung zu diesem Punkt, äußert sich jedoch im Sinne einer Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen mit der Richtlinie 2000/43.


30 – Nach dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft vom 25. November 1999 (KOM[1999] 566 endg. S. 5) „[müssen] möglichst viele Bereiche erfasst werden …, wenn man einen signifikanten Beitrag zum Abbau von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa leisten will“. Vgl. auch den zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43.


31 – ABl. L 303, S. 16. Der Unterschied zwischen diesen beiden Richtlinien ist umso bemerkenswerter, als sie in zeitlicher Nähe zueinander und auf derselben rechtlichen Grundlage, nämlich Art. 13 EG, erlassen worden sind.


32 – Richtlinienvorschlag KOM(1999) 566 endg. S. 8.


33 – Wie der 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 klarstellt, nimmt ihr Art. 3 Abs. 2 Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit vom Geltungsbereich der Richtlinie aus.


34 – Zu diesem Begriff vgl. Ringelheim, J., a. a. O. (Fn. 26), S. 11 ff.


35 – Richtlinienvorschlag KOM(1999) 566 endg. S. 9.


36 – Ebd. S. 6.


37 – Dieser Standpunkt ist insoweit vertretbar, als der Wirkung der in Rede stehenden Regelung bei einer Diskriminierung eine größere Bedeutung zukommt als der Absicht des Gesetzgebers. Daher spricht Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 von einer „Benachteiligung“. Auch der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 10. Juli 2008, Feryn (C‑54/07, Slg. 2008, I‑5187), bei der Charakterisierung einer unmittelbaren Diskriminierung bei der Einstellung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 auf die konkrete Wirkung der im Streit stehenden Maßnahme, d. h. ihre abschreckende Wirkung, abgestellt.


38 – So ist die polnische Herkunft von Frau Runevič‑Vardyn in dem ihr im Jahr 2002 ausgestellten litauischen Reisepass angegeben, in bestimmten Mitgliedstaaten könnte eine solche Angabe jedoch als Ursache einer Diskriminierung gelten.


39 – Gemäß dem Dokument 9303 der Internationalen Luftfahrtorganisation (ICAO) sind die in der maschinell lesbaren Zone von Reisedokumenten zulässigen Zeichen beispielsweise auf Zahlen und Großbuchstaben des englischen Alphabets beschränkt, das in Anhang 8 dieses Dokuments aufgeführt ist, während die übrigen Buchstaben oder diakritischen Zeichen nach dem in Anhang 9 enthaltenen Standard umgeschrieben oder transliteriert werden (siehe Documents de voyage lisibles à la machine auf der Internetseite der ICAO: www2.icao.int). Die Luftfahrtgesellschaften wenden bei der Angabe der Passagiernamen auf den Flugtickets üblicherweise dasselbe Prinzip an.


40 – Zur Kombination dieser verschiedenen Vorschriften vgl. Urteile vom 22. Mai 2008, Nerkowska (C‑499/06, Slg. 2008, I‑3993, Randnrn. 21 ff.), und vom 2. März 2010, Rottmann (C‑135/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 43 ff.).


41 – „Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten“ (Hervorhebung nur hier).


42 – Vgl. EGMR, Urteil Losonci Rose und Rose/Schweiz, § 47, in dem ausgeführt wird, „dass sich innerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats im Hinblick auf die gleichberechtigte Wahl des Nachnamens von Eheleuten ein Konsens abzeichnet und dass auf internationaler Ebene die Entwicklungen innerhalb der Vereinten Nationen im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern in diesem speziellen Bereich in Richtung auf die Anerkennung des Rechts jedes Ehepartners gehen, seinen ursprünglichen Nachnamen beizubehalten oder gleichberechtigt an der Wahl eines neuen Familiennamens mitzuwirken“.


43 – Das Ministerkomitee des Europarats hat bereits 1978 eine Entschließung Nr. (78) 37, in der den Mitgliedstaaten des Europarats empfohlen wird, jede Diskriminierung zwischen Mann und Frau im Bereich des Nachnamensrechts zu beseitigen, und später eine Empfehlung Nr. 1271 (1995) angenommen (vgl. http://assembly.coe.int).


44 – Ich werde auf die Situation von Frau Runevič-Vardyn im Hinblick auf ihren Ehenamen im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 18 EG zurückkommen.


45 – Bekanntlich ist ohne eine Ungleichbehandlung eine Diskriminierung nicht möglich. Vgl. insbesondere Urteil vom 14. März 2000, Kocak und Örs (C‑102/98 und C‑211/98, Slg. 2000, I‑1287, Randnrn. 52 ff.), zur Angabe von Geburtsdaten in Personenstandsregistern.


46 – Zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Schutz der Grundrechte bei der Anwendung des Unionsrechts vgl. Urteil vom 11. Oktober 2007, Möllendorf und Möllendorf‑Niehuus (C‑117/06, Slg. 2007, I‑8361 Randnr. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47 – ABl. 2007, C 303, S. 20.


48 – Vgl. Nrn. 9 f. der Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der noch anhängigen Rechtssache Sayn‑Wittgenstein (C‑208/09).


49 – EGMR, Urteile Burghartz/Schweiz vom 22. Februar 1994 (Serie A, Nr. 280‑B, § 24), Stjerna/Finnland vom 25. November 1994 (Serie A, Nr. 299‑B, § 37), Guillot/Frankreich vom 24. Oktober 1996 (Recueil des arrêts et décisions 1996‑V, § 21) und Daróczy/Ungarn vom 1. Juli 2008 (Beschwerde Nr. 44378/05, § 32). Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Konstantinidis (Nrn. 33 und 40 f.) und in der Rechtssache Garcia Avello (Nr. 66).


50 – EGMR, Urteil Kuharec alias Kuhareca/Lettland vom 7. Dezember 2004 (Beschwerde Nr. 71557/01).


51 – EGMR, Urteil Kemal Taşkin u. a./Türkei vom 2. Februar 2010 (Beschwerden Nrn. 30206/04, 37038/04, 43681/04, 45376/04, 12881/05, 28697/05, 32797/05 und 45609/05, § 49).


52 – In diesem Zusammenhang mache ich darauf aufmerksam, dass nach einer Entscheidung des Konstitucinis teismas (Verfassungsgerichtshof der Republik Litauen) vom 21. Oktober 1999 die Vor- und Nachnamen in den Reisepässen der Bürger der Republik Litauen in der Landessprache einzutragen sind, weil das Einfügen von ausländischen Schriftzeichen insofern nationalen Interessen schaden könne, als es neben dem Verfassungsprinzip der Landessprache auch das gute Funktionieren der Organe, der Unternehmen und der Regierungs-, Kommunal- und übrigen Organisationen gefährde. In einer die frühere Entscheidung auslegenden Entscheidung vom 6. November 2009 hat dieser Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die Angabe des Namens in seiner ursprünglichen Form in der Rubrik „andere Einträge“ des litauischen Reisepasses zulässig sei, wenn ein litauischer Staatsangehöriger dies wünsche.


53 – Entwurf eines Gesetzes über die Schreibweise der Namen und Vornamen in amtlichen Schriftstücken (Vardų ir pavardžių rašymo dokumentuose įstatymo projektas) vom 14. Januar 2009 (Nr. XIP‑1644). Dieser Entwurf ist vom litauischen Parlament zurückgewiesen worden. Die Arbeiten an dem von einer Gruppe Abgeordneter vorgelegten Gesetzentwurf (Nr. XIP‑1668) mit weniger liberalem Inhalt dauern hingegen an (vgl. die Internetseite www.lrs.lt).


54 – Die im Jahr 1950 gegründete und aus 16 europäischen Staaten bestehende Internationale Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC) hat als zwischenstaatliche Organisation insbesondere die Aufgabe, verbindliche Übereinkommen zur Harmonisierung der in den teilnehmenden Staaten geltenden Bestimmungen über den Personen- oder Familienstand, die Rechts- und die Geschäftsfähigkeit und die Staatsangehörigkeit zu erarbeiten.


55 – Gemäß seiner Präambel hat dieses Übereinkommen das Ziel, „die einheitliche Angabe von Familiennamen und Vornamen in den Personenstandsbüchern zu gewährleisten“.


56 – Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C‑413/99, Slg. 2002, I‑7091, Randnr. 94).


57 – Für eine ausführlichere Darstellung vgl. die Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Sayn‑Wittgenstein, Nrn. 11 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung.


58 – Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen die aufgrund der Namensregelungen erlittenen Unannehmlichkeiten eine gewisse Schwere oder ein gewisses Ausmaß erreicht haben, damit eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens festgestellt werden kann (Urteil Stjerna/Finnland, § 42).


59 – Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Garcia Avello, Nrn. 66 ff.


60 – Urteil vom 11. Juli 2002, D’Hoop (C‑224/98, Slg. 2002, I‑6191, Randnrn. 28 bis 31): „Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger er ist, ihn deshalb weniger günstig behandeln würde, weil er von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, die ihm die Freizügigkeitsbestimmungen des EG-Vertrags eröffnen. Dieses Recht könnte nämlich seine volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von der Wahrnehmung dieser Möglichkeiten abgehalten werden könnte, weil ihm bei der Rückkehr in sein Herkunftsland Nachteile entstünden, die eine Regelung an diese Wahrnehmung knüpft.“