Language of document : ECLI:EU:C:2013:462

Rechtssache C‑412/11

Europäische Kommission

gegen

Großherzogtum Luxemburg

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verkehr – Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft – Richtlinie 91/440/EWG – Art. 6 Abs. 3 und Anhang II – Richtlinie 2001/14/EG – Art. 14 Abs. 2 – Unabhängigkeit der Stelle, die mit der Ausübung wesentlicher Funktionen betraut ist“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 11. Juli 2013

1.        Vertragsverletzungsklage – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

(Art. 258 AEUV)

2.        Verkehr – Gemeinsame Politik – Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft – Trennung zwischen der Verwaltung der Infrastruktur und der Beförderungstätigkeit – Wesentliche Funktionen, die einer unabhängigen Stelle übertragen werden müssen – Begriff – Erlass von Maßnahmen, die bei Störungen des Verkehrs oder bei Gefahr zur Wiederherstellung normaler Verkehrsbedingungen erforderlich sind – Nichteinbeziehung – Neuzuweisung von Trassen – Einbeziehung

(Richtlinie 2001/14 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 14 Abs. 2 und Art. 29; Richtlinie 91/440 des Rates, Art. 6 Abs. 3 und Anhang II)

1.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 30)

2.        Bei zur Wiederherstellung normaler Verkehrsbedingungen erforderlichen Maßnahmen, die nach Art. 29 der Richtlinie 2001/14 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur erlassen werden, einschließlich der Sperrung von Zugtrassen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie unmittelbar die wesentliche Funktion der Zuweisung von Fahrwegkapazität oder der Zuweisung von Zugtrassen im Sinne von Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie betreffen, eine Funktion, die einer unabhängigen Zuweisungsstelle übertragen werden muss. Es handelt sich vielmehr um punktuelle Maßnahmen, die im Notfall getroffen werden müssen, um einer besonderen Situation Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass die Rechte auf Fahrwegkapazität in Form von Zugtrassen vom Begünstigten im Einklang mit dem Netzfahrplan tatsächlich wahrgenommen werden können. Der Erlass derartiger Maßnahmen gehört daher zur Verwaltung des Verkehrs und unterliegt nicht dem Unabhängigkeitserfordernis, so dass einem Betreiber der Infrastruktur, der auch gleichzeitig Eisenbahnunternehmen ist, derartige Funktionen übertragen werden können.

Allerdings muss, auch wenn die Streichung von Trassen im Fall von Verkehrsstörungen nicht als wesentliche Funktion angesehen wird, ihre Neuzuweisung als Teil der wesentlichen Funktionen angesehen werden, die nur von einem unabhängigen Betreiber oder von einer Zuweisungsstelle ausgeübt werden können, da die Neuzuweisung von Trassen – im Gegensatz zur Verwaltung des Verkehrs, der nicht mit Entscheidungen im Sinne des Anhangs II der Richtlinie 91/440 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft verbunden ist – Entscheidungen über die Trassenzuweisung erfordert.

(vgl. Randnrn. 34, 36-38)