Language of document : ECLI:EU:C:2012:95

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 16. Februar 2012(1)

Rechtssache C‑100/11 P

Helena Rubinstein SNC

und

L’Oréal SA

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Marke, die im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 bekannt ist – Voraussetzungen für den Schutz – Nichtigkeitsverfahren – Regel 38 der Verordnung Nr. 2868/95 – Verpflichtung, die Unterlagen zur Stützung des Nichtigkeitsantrags in der Verfahrenssprache vorzulegen – Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM – Gerichtliche Überprüfung (Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94) – Begründungspflicht (Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94)“






1.        Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Rechtsmittel der Helena Rubinstein SNC und der L’Oréal SA (im Folgenden: Helena Rubinstein und L’Oréal sowie für beide zusammen: die Rechtsmittelführerinnen) gegen das Urteil, mit dem das Gericht ihre Klagen gegen die Entscheidungen der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), ihre Gemeinschaftsmarken BOTOLIST und BOTOCYL für nichtig zu erklären, abgewiesen hatte.

I –    Vorgeschichte des Rechtsstreits, Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

2.        Im Folgenden wird der Sachverhalt und das Verfahren vor dem HABM, wie sie in dem angefochtenen Urteil beschrieben sind, kurz zusammengefasst.

3.        Am 6. Mai 2002 und am 9. Juli 2002 meldeten Helena Rubinstein und L’Oréal beim HABM eine Gemeinschaftsmarke nach der Verordnung Nr. 40/94 in geänderter Fassung(2) an. Sie beantragten die Eintragung der Wortzeichen BOTOLIST (Helena Rubinstein) und BOTOCYL (L’Oréal) für Waren der Klasse 3 im Sinne des Abkommens von Nizza(3), darunter insbesondere Kosmetikwaren wie Cremen, Milch, Lotionen, Gel und Puder für Gesicht, Körper und Hände. Die Gemeinschaftsmarken BOTOLIST und BOTOCYL wurden am 19. November 2003 bzw. am 14. Oktober 2003 eingetragen. Am 2. Februar 2005 stellte die Allergan, Inc. (im Folgenden: Allergan) beim HABM für jede der genannten Marken einen Nichtigkeitsantrag, der sich auf verschiedene ältere nationale und Gemeinschaftsbild- und ‑wortmarken stützte, die das Zeichen BOTOX zum Gegenstand haben und zwischen dem 12. April 1991 und dem 7. August 2003, insbesondere für Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza, darunter, soweit hier erheblich, pharmazeutische Waren zur Faltenbehandlung, eingetragen wurden. Die Anträge stützten sich auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 40/94. Mit Entscheidungen vom 28. März 2007 (BOTOLIST) und vom 4. April 2007 (BOTOCYL) lehnte die Nichtigkeitsabteilung des HABM die Nichtigkeitsanträge ab. Am 1. Juni 2007 focht Allergan diese Entscheidungen gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 an. Mit Entscheidungen vom 28. Mai 2008 (BOTOLIST) und vom 5. Juni 2008 (BOTOCYL) gab die Erste Beschwerdekammer des HABM den Beschwerden von Allergan statt, soweit sie sich auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 stützten (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen).

4.        Helena Rubinstein und L’Oréal fochten diese Entscheidungen vor dem Gericht an und beantragten deren Aufhebung. Sie stützten sich dabei auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 73 dieser Verordnung rügten. Das HABM reichte in beiden Verfahren eine Klagebeantwortung ein und beantragte die Abweisung der Klagen und die Verurteilung der Klägerinnen zur Tragung der Kosten. Allergan ließ sich nicht auf das Verfahren ein.

5.        Das Gericht hat die Verfahren miteinander verbunden und mit Urteil vom 16. Dezember 2010 (im Folgenden: angefochtenes Urteil) beide Klagen abgewiesen und die Klägerinnen zur Tragung der Kosten verurteilt(4). Das angefochtene Urteil ist neben den Klägerinnen und dem HABM auch Allergan zugestellt worden.

II – Verfahren vor dem Gerichtshof

6.        Mit Schreiben, das am 2. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, haben Helena Rubinstein und L’Oréal dieses Urteil angefochten. Die Rechtsmittelschrift ist dem HABM und Allergan zugestellt worden, die in ihren Rechtsmittelbeantwortungen beantragt haben, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Kosten den Rechtsmittelführerinnen aufzuerlegen. Die Vertreter der Rechtsmittelführerinnen und von Allergan sowie der Bevollmächtigte des HABM haben in der Sitzung vom 11. Januar 2012 mündlich verhandelt.

III – Zum Rechtsmittel

7.        Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit dem ersten Grund rügen sie einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügen sie einen Verstoß gegen Art. 115 der Verordnung Nr. 40/94 und Regel 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95. Der dritte Grund betrifft einen Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94. Schließlich machen die Rechtsmittelführerinnen viertens einen Verstoß gegen Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94 geltend.

A –    Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 52 der Verordnung Nr. 40/94

8.        Art. 52 („Relative Nichtigkeitsgründe“) der Verordnung Nr. 40/94 sieht in Abs. 1 Buchst. a vor, dass „die Gemeinschaftsmarke … auf Antrag beim Amt … für nichtig erklärt [wird], wenn eine in Artikel 8 Absatz 2 genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen des Artikels 8 … Absatz 5 erfüllt sind …“. Art. 8 („Relative Eintragungshindernisse“) der Verordnung Nr. 40/94 sieht in Abs. 5 vor, dass auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke „die angemeldete Marke … von der Eintragung ausgeschlossen [ist], wenn sie mit der älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der Gemeinschaft bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde“.

9.        Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund beanstanden die Rechtsmittelführerinnen das angefochtene Urteil, soweit das Gericht die Bekanntheit der älteren Marken festgestellt habe und zum Ergebnis gelangt sei, dass die Benutzung der Marken der Rechtsmittelführerinnen die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marken ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutze oder beeinträchtige. Dieser Rechtsmittelgrund umfasst vier Rügen.

1.      Zur ersten Rüge

a)      Vorbringen der Beteiligten und angefochtenes Urteil

10.      Im Rahmen ihrer ersten Rüge bringen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe seine Würdigung rechtsfehlerhaft auf zwei im Vereinigten Königreich eingetragene ältere Marken gestützt, die von der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt worden seien. Die Beschwerdekammer habe sich ausschließlich auf die am 12. Februar 2002 unter der Nummer 2015832 eingetragene Gemeinschaftswort- und ‑bildmarke (im Folgenden: ältere Gemeinschaftsmarke oder Gemeinschaftsmarke BOTOX) gestützt. Das HABM sieht in dieser Rüge die Geltendmachung einer Verfälschung der Tatsachen, die sich jedoch aus den Aktenunterlagen nicht ergebe. Es stellt außerdem fest, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht angegeben hätten, welche Auswirkung die Entscheidung darüber, welche älteren Marken zu berücksichtigen seien, auf die Beilegung des Rechtsstreits habe. Allergan hält die Rüge für unbegründet, weil aus den angefochtenen Entscheidungen hervorgehe, dass sich die Beschwerdekammer auf sämtliche älteren Markenrechte gestützt habe, die zur Untermauerung der Nichtigkeitsanträge geltend gemacht worden seien.

11.      Diese Rüge richtet sich gegen die Randnrn. 38 bis 40 des angefochtenen Urteils. In Randnr. 38 bemerkt das Gericht einleitend, dass die beim HABM gestellten Nichtigkeitsanträge auf mehrere nationale und Gemeinschaftsbild‑ und ‑wortmarken gestützt seien, die das Zeichen BOTOX enthielten und fast alle vor der Einreichung der Anmeldungen der Marken BOTOLIST und BOTOCYL eingetragen worden seien. Alle diese Marken und nicht nur die ältere Gemeinschaftsmarke gehörten zu den älteren Markenrechten, die von der Nichtigkeitsantragstellerin geltend gemacht worden seien. In Randnr. 39 stellt das Gericht fest, die Beschwerdekammer sei „implizit, aber zwangsläufig“ vom Ansatz der Nichtigkeitsabteilung abgewichen, die ihre Entscheidungen ausschließlich auf die ältere Gemeinschaftsmarke gestützt habe. Dieser Ansatz der Beschwerdekammer zeige sich daran, dass sie in den angefochtenen Entscheidungen nicht auf den Bildbestandteil der älteren Gemeinschaftsmarke Bezug genommen habe. In Randnr. 40 der angefochtenen Entscheidung hat das Gericht dargelegt, es habe unter den verschiedenen geltend gemachten älteren Markenrechten nur zwei im Vereinigten Königreich eingetragene Marken(5) berücksichtigt, und dies damit gerechtfertigt, dass die meisten der von Allergan vorgelegten Beweise das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats beträfen.

b)      Würdigung

12.      Einleitend weise ich darauf hin, dass die Ermittlung der älteren Markenrechte, die für die Prüfung, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzung der Bekanntheit nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 gegeben ist, in Betracht zu ziehen sind, für das Ergebnis einer solchen Prüfung durchaus von Bedeutung ist. Tatsächlich wurde die Gemeinschaftsmarke BOTOX, die nach dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen das einzige ältere Markenrecht ist, das von der Beschwerdekammer berücksichtigt worden sei, nur einige Monate vor der Einreichung der Anmeldungen der Marken BOTOCYL und BOTOLIST eingetragen(6). Der Nachweis, dass diese Marke zum Zeitpunkt dieser Anmeldung Bekanntheit erlangt hatte, ist daher schwieriger als bei den vom Gericht in Betracht gezogenen nationalen Marken(7).

13.      Vor diesem Hintergrund merke ich an, dass sich das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen im Rahmen dieser Rüge auf apodiktische Behauptungen beschränkt, die nichts enthalten, was ihre These stützen könnte, wonach die Beschwerdekammer ihre Prüfung wie die Nichtigkeitsabteilung ausschließlich auf die ältere Gemeinschaftsmarke gestützt habe. Was überdies offensichtlich gegen diese These spricht oder sie zumindest nicht untermauert, ist der Wortlaut der angefochtenen Entscheidungen, in denen die Beschwerdekammer die „Marke BOTOX“ als Oberbegriff für sämtliche von Allergan geltend gemachten Markenrechte verwendet. Das geht meines Erachtens in hinreichend klarer Weise aus Randnr. 3 der angefochtenen Entscheidungen hervor, in der die Beschwerdekammer nach der Aufzählung der von Allergan geltend gemachten Gemeinschaftsmarken und nationalen Marken das Vorbringen von Allergan wiedergibt und dabei auf die „Marke BOTOX“ in der Weise Bezug nimmt, dass sie nationale, gemeinschaftliche und internationale Eintragungen umfasst(8). Weiter unten in den Entscheidungen bezieht sich die Beschwerdekammer durchgehend auf die „Marke BOTOX“, sowohl bei der Wiedergabe des Vorbringens von Allergan als auch in ihren eigenen Überlegungen (vgl. z. B. Randnr. 34 der Entscheidung Helena Rubinstein und Randnr. 35 der Entscheidung L’Oréal). Außerdem führt die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angeführten Entscheidungen aus: „la marque contestée … est à comparer avec la marque BOTOX, enregistrée sous différentes versions (verbale, figurative, accompagnée de la legende ‚Botulinum Toxin‘)“. Dies steht aber im Widerspruch zum Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen – nämlich dass die Beschwerdekammer wie die Nichtigkeitsabteilung ausschließlich die Gemeinschaftsmarke Nr. 2015832 berücksichtigt habe –, da diese Marke eine Wort- und Bildmarke ist, der keine Zeichenerklärung beigefügt ist. In dieser Randnummer der angefochtenen Entscheidungen nimmt die Beschwerdekammer klar auf sämtliche von Allergan geltend gemachte Markenrechte Bezug und nicht nur auf die von den Rechtsmittelführerinnen angeführte Marke. Gegen die These der Rechtsmittelführerinnen spricht, wie sowohl das HABM als auch Allergan angemerkt haben, schließlich auch, dass das Gericht bei der Ähnlichkeitsprüfung der einander gegenüberstehenden Marken in keiner Weise den Bildbestandteil der Gemeinschaftsmarke berücksichtigt hat.

14.      Auf der Grundlage dieser Darlegungen komme ich zum Ergebnis, dass die erste Rüge des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen ist.

2.      Zur zweiten Rüge: Bekanntheit der älteren Marken

15.       Mit der zweiten Rüge machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht verschiedene Rechtsfehler begangen habe, als es zum Schluss gekommen sei, dass der Nachweis für die Bekanntheit der älteren Marken erbracht worden sei. Diese Vorwürfe – deren Zulässigkeit oder Begründetheit das HABM und Allergan mit weitgehend übereinstimmendem Vorbringen bestreiten – werden im Folgenden einzeln geprüft.

a)      Zu den relevanten Verkehrskreisen

16.      Erstens tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe, obwohl zwischen den Beteiligten außer Streit stehe, dass die relevanten Verkehrskreise aus gegenwärtigen oder möglichen Nutzern der BOTOX-Therapie und Angehörigen von Gesundheitsberufen bestünden, die Bekanntheit der älteren Marken nicht gesondert für diese beiden Kategorien geprüft.

17.      Hierzu ist vorab festzustellen, dass nach den Ausführungen des Gerichts in Randnr. 26 des angefochtenen Urteils die Beteiligten darin übereinstimmen, dass sich die relevanten Verkehrskreise in den vorliegenden Fällen aus der breiten Öffentlichkeit (und daher nicht, wie von den Rechtsmittelführerinnen vorgebracht, aus den gegenwärtigen und potenziellen Nutzern von BOTOX-Behandlungen) und den Angehörigen von Gesundheitsberufen zusammensetzen. Vor diesem Hintergrund ist meines Erachtens der von den Rechtsmittelführerinnen erhobene Vorwurf zurückzuweisen, schon allein wegen der vom HABM und Allergan geteilten offensichtlichen Erwägung, dass bei Einbeziehung der Kategorie der Angehörigen von Gesundheitsberufen in die größere Kategorie der breiten Öffentlichkeit eine getrennte Prüfung der Bekanntheit der älteren Marken für die eine und die andere Kategorie nicht erforderlich erschien. Jedenfalls blieb das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen bei dieser Unterscheidung, als es bei der Überprüfung der von Allergan zur Stützung ihres Nichtigkeitsantrags vorgelegten Beweismittel jene zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marken in der breiten Öffentlichkeit (Berichterstattung in der allgemeinen Presse) getrennt von jenen prüfte, die ihre Bekanntheit in Facharztkreisen zum Ziel hatten (Werbetätigkeit durch Veröffentlichung von Artikeln in Fachzeitschriften).

b)      Zum maßgeblichen Gebiet

18.      Zweitens machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das angefochtene Urteil wie die angefochtenen Entscheidungen keine Feststellungen zum Gebiet enthalte, hinsichtlich dessen die Bekanntheit der Marken BOTOX geprüft worden sei.

19.      Auch dieser Vorwurf ist sachlich unzutreffend. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht in den Randnrn. 40 und 41 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass die in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 aufgestellten Voraussetzungen im Licht der Wahrnehmung der Verbraucher des Vereinigten Königreichs geprüft worden seien, des Gebiets, für das Allergan die meisten Beweismittel vorgelegt hatte.

c)      Zum Nachweis der Bekanntheit

20.      Drittens werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht eine Reihe von Fehlern bei der Prüfung der zur Feststellung der Bekanntheit der älteren Marken vorgelegten Beweismittel vor. Bevor ich auf die einzelnen Vorwürfe eingehe, sollte erwähnt werden, dass das Gericht in dem angefochtenen Urteil die genannten Beweismittel getrennt geprüft hat, um auf verschiedene Argumente zu reagieren, mit denen die Rechtsmittelführerinnen ihre Zulässigkeit, Einschlägigkeit oder Beweiskraft in Frage stellten. Dennoch lässt, wie das HABM und Allergan zutreffend ausgeführt haben, die Begründung des angefochtenen Urteils klar erkennen, dass die Schlussfolgerungen, die das Gericht hinsichtlich der Bekanntheit der älteren Marken zieht, auf einer Prüfung aller dieser Beweismittel beruhen, so dass sie, auch wenn der Gerichtshof einige der von den Rechtsmittelführerinnen zu dem einen oder anderen Beweismittel vorgebrachten Argumente als begründet ansehen sollte, dadurch nicht zwangsläufig in Frage gestellt würden, da noch zu ermitteln wäre, welches Gewicht das auszuschließende Beweismittel bei der vom Gericht durchgeführten Gesamtprüfung hatte. Dafür ist aber im Rechtsmittel kein Raum.

21.      Vor diesem Hintergrund ist zunächst noch zu bemerken, dass viele der von den Rechtsmittelführerinnen erhobenen Vorwürfe im Wesentlichen darauf abzielen, eine neuerliche Beweisprüfung anzuregen, zu der der Gerichtshof, außer im Fall der Verfälschung von Beweismitteln, im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht befugt ist(9). Deshalb halte ich das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen für unzulässig, mit dem sie die Beweiskraft der Angaben zum Absatzvolumen im Vereinigten Königreich der von den älteren Marken erfassten Waren (Randnrn. 46 und 47 des angefochtenen Urteils) zum einen und der in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten Artikel (Randnrn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils) zum anderen in Frage stellen.

22.      Zu den vom Gericht in den Randnrn. 50 bis 54 des angefochtenen Urteils geprüften Beweisen, die in einigen in den Zeitschriften Newsweek und The International Herald Tribune veröffentlichten Artikeln bestehen, tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, sie hätten durch weitere Einzelheiten, insbesondere „den Verbreitungsraum“ dieser Zeitschriften, ergänzt werden müssen; andernfalls liege eine Verfälschung von Beweismitteln vor. Eine solche machen die Rechtsmittelführerinnen auch hinsichtlich einer im September und Oktober 2004 im Vereinigten Königreich durchgeführten Marktstudie geltend, die von Allergan in der Anlage zu ihren Beschwerdeschriften in den Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM vorgelegt wurde. Insbesondere bestreiten die Rechtsmittelführerinnen die Relevanz einer solchen Studie, da – von Allergan vorzulegende – Belege fehlten, dass die darin enthaltenen Daten Hinweise zu der im Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung der angefochtenen Marken bestehenden Situation liefern könnten. Schließlich bestreiten die Rechtsmittelführerinnen unter Berufung auf eine Tatsachenverfälschung die Relevanz des in den Randnrn. 55 und 56 des angefochtenen Urteils geprüften Beweises, der in der Eintragung des Stichworts BOTOX in verschiedene Wörterbücher besteht, die im Vereinigten Königreich veröffentlicht wurden.

23.      In Bezug auf sämtliche in der vorangehenden Randnummer dargelegte Vorwürfe verweise ich darauf, dass sich die Verfälschung nach ständiger Rechtsprechung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben muss, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf(10). Im vorliegenden Fall beschränken sich die in der Rechtsmittelschrift angeführten Argumente der Rechtsmittelführerinnen – weit davon entfernt, den strengen Beweisanforderungen im Hinblick auf die Feststellung, dass das Gericht Beweismittel oder Tatsachen verfälscht hat, zu genügen – auf allgemeine und unsubstantiierte Behauptungen, so dass sogar an ihrer Zulässigkeit gezweifelt werden darf, weil sie nicht die Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit erfüllen, die an eine Darstellung der Rechtsmittelgründe gestellt werden.

24.      Die Rechtsmittelführerinnen bestreiten schließlich die Relevanz der Entscheidung vom 26. April 2005 des United Kingdom Intellectual Property Office, die im Rahmen eines von Allergan zur Nichtigerklärung der Eintragung der Marke BOTOMASK für Kosmetika im Vereinigten Königreich angestrengten Verfahrens erging. Nach ihrer Auffassung kann eine in einem anderen Verfahren mit anderen Parteien ergangene Entscheidung nicht als Beweis in dem Rechtsstreit zwischen ihnen und Allergan dienen. Das Gericht habe dadurch, dass es sich darauf gestützt habe, einen Rechtsfehler begangen.

25.      Dieser Vorwurf ist meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen. Zwar ist das Gericht nach ständiger Rechtsprechung nicht an den Inhalt von Entscheidungen nationaler Rechtsprechungs- oder Verwaltungsorgane gebunden, doch schließt dies nicht aus, dass das Gericht, wenn diese Entscheidungen von den Parteien vorgelegt werden, die darin enthaltenen Feststellungen, sofern relevant, im Rahmen seiner freien Würdigung des Sachverhalts als Beweismittel berücksichtigen kann. Der Umstand, dass es sich um Entscheidungen handelt, die im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten mit anderen Parteien und anderem Gegenstand als in dem vor Gericht anhängigen Rechtsstreit ergingen, ist dabei unerheblich. Im Übrigen merke ich an, dass die Rechtsmittelführerinnen nichts vorgetragen haben, was unmittelbar gegen die Richtigkeit der in der besagten Entscheidung des United Kingdom Intellectual Property Office enthaltenen Feststellungen gerichtet wäre, und zwar weder vor dem HABM noch vor dem Gericht, wie aus Randnr. 58 des angefochtenen Urteils hervorgeht. Die Rechtsmittelführerinnen stellen im Rechtsmittelverfahren auch nicht die Richtigkeit der Auslegung des Inhalts dieser Entscheidung durch das Gericht in Frage.

d)      Ergebnis zur zweiten Rüge

26.      Daher vertrete ich die Auffassung, dass die zweite Rüge des ersten Rechtsmittelgrundes zur Gänze zurückzuweisen ist.

3.      Zur dritten Rüge: Bestehen eines Zusammenhangs zwischen den älteren Marken und den Marken der Rechtsmittelführerinnen

27.      Mit der dritten Rüge des ersten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen den im angefochtenen Urteil gezogenen Schluss, dass die angesprochenen Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen den älteren Marken BOTOX und ihren Marken BOTOLIST und BOTOCYL herstellten. Ein solcher Zusammenhang könne insbesondere nicht auf dem gemeinsamen Bestandteil „BOT“ oder „BOTO“ beruhen, da es sich um einen beschreibenden Bestandteil handele, der auf Botulinumtoxin Bezug nehme. Sie beanspruchen das Recht, diesen Bestandteil, der allgemein zur Bezeichnung dieses Toxins benutzt werde, in ihre Marke aufzunehmen, ohne deswegen beschuldigt zu werden, einen Zusammenhang zwischen ihren Marken und den Marken von Allergan herstellen zu wollen.

28.      Soweit das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen darauf abzielt, den Gerichtshof dazu zu bringen, sich zum angeblich beschreibenden Charakter der Marke BOTOX oder ihrer Bestandteile zu äußern, ist es allerdings unzulässig, da damit eine Tatsachenwürdigung durch den Gerichtshof verbunden ist. Eine Rechtsfrage wirft hingegen das Argument auf, wonach die Rechtsmittelführerinnen berechtigt seien, in ihren eigenen Marken einen Bestandteil, den diese mit einer anderen Marke gemeinsam hätten, zu führen, wenn dieser Bestandteil beschreibend sei. Dieses Argument beruht jedoch auf der Behauptung, dass der Bestandteil BOT oder BOTO, der den Marken der Rechtsmittelführerinnen und den älteren Marken gemeinsam ist, tatsächlich beschreibend ist, eine Behauptung, die nicht nur im angefochtenen Urteil keine Stütze findet(11), sondern in den angefochtenen Entscheidungen ausdrücklich widerlegt wurde(12), und die der Gerichtshof, wie soeben dargelegt, nicht wieder aufzugreifen hat.

29.      Daher ist meines Erachtens auch die dritte Rüge des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

4.      Zur vierten Rüge: Beeinträchtigung der älteren Marken

30.      Im Rahmen ihres ersten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen schließlich die Erwägungen in den Randnrn. 87 und 88 des angefochtenen Urteils zu den „Auswirkungen der Benutzung“ der angefochtenen Marken. Bevor ich konkret darauf eingehe, sind kurz die Grundsätze darzulegen, auf denen beim aktuellen Stand der Rechtsprechung der Schutz von bekannten Marken beruht, insbesondere im Fall der sogenannten „parasitären Ausbeutung“, um die es im vorliegenden Fall geht.

31.      Soweit hier von Belang, sind diese Grundsätze vom Gerichtshof in drei Vorabentscheidungen, und zwar in den Rechtssachen Intel, L’Oréal und Interflora(13), aufgestellt worden, die im Zusammenhang mit der Auslegung der Art. 4 Abs. 4 Buchst. a und 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 ergingen, die bekanntermaßen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 entsprechende Bestimmungen enthalten. Wie im Folgenden noch deutlicher zu sehen sein wird, ist es aufgrund der Umstände des vorliegenden Verfahrens weder erforderlich, eine detaillierte Prüfung dieser Urteile vorzunehmen, noch, zur Berechtigung der vom Gerichtshof getroffenen Entscheidungen Stellung zu nehmen, die insbesondere in der Lehre jenseits des Ärmelkanals unweigerlich auf Kritik stießen, da sie als zu freundlich gegenüber den Inhabern bekannter Marken angesehen wurden(14). Es genügt hier, allgemein darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in diesen Urteilen klargestellt hat, dass die spezifische Voraussetzung für den Schutz, der durch die genannten Bestimmungen der Richtlinie 89/104 bekannten Marken gewährt wird, „in einer Benutzung der jüngeren Marke [besteht], die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt oder ausnutzen oder beeinträchtigen würde“(15). Die Beeinträchtigung, die eine ältere Marke dadurch erfährt, ist laut Gerichtshof „die Folge eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke, aufgrund dessen die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Marken sehen, d. h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln“(16). Das Vorliegen einer derartigen gedanklichen Verknüpfung bei den beteiligten Verkehrskreisen ist eine notwendige Voraussetzung, lässt für sich allein aber nicht den Schluss zu, dass die Voraussetzungen für den Schutz, der bekannten Marken gewährt wird, erfüllt sind(17). Es ist überdies erforderlich, dass der Inhaber der älteren Marke nachweist, dass die Benutzung des jüngeren Zeichens oder der jüngeren Marke „die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Unternehmensmarke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde“. Hierfür muss er keine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung dartun, sondern „das Vorliegen von Gesichtspunkten …, aus denen auf die ernsthafte Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung geschlossen werden kann“(18). Ist dieser Nachweis erbracht, obliegt es dem Inhaber des jüngeren Zeichens oder der jüngeren Marke, nachzuweisen, dass es für die Benutzung dieser Marke einen rechtfertigenden Grund gibt(19).

32.      Was insbesondere den Begriff „unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke“ (auch als „parasitäre Ausbeutung“ oder „Trittbrettfahren“ bezeichnet) betrifft, so hat der Gerichtshof im Urteil L’Oréal klargestellt, dass dieser Begriff nicht nur mit der Beeinträchtigung der Marke verknüpft ist, sondern auch „mit dem Vorteil, den der Dritte aus der Benutzung des identischen oder ähnlichen Zeichens zieht“. Nach Ansicht des Gerichtshofs umfasst er „insbesondere die Fälle, in denen aufgrund der Übertragung des Images der Marke oder der durch sie vermittelten Merkmale auf die mit dem identischen oder ähnlichen Zeichen gekennzeichneten Waren eine eindeutige Ausnutzung der bekannten Marke gegeben ist“. Daraus folgt, „dass sich der Vorteil, den ein Dritter aus der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke zieht, als unlauter erweisen kann, auch wenn die Benutzung des identischen oder ähnlichen Zeichens weder die Unterscheidungskraft noch die Wertschätzung der Marke oder allgemeiner den Inhaber der Marke beeinträchtigt“(20). Der Gerichtshof hat daraufhin bereits mit dem Urteil Intel erläutert, dass zur Feststellung, ob die Benutzung eines Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt, eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des konkreten Falls vorzunehmen ist, insbesondere des Ausmaßes der Bekanntheit und des Grades der Unterscheidungskraft der Marke, des Grades der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken sowie der Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und des Grades ihrer Nähe(21). Zum Ausmaß der Bekanntheit und Grad der Unterscheidungskraft der älteren Marke hat er ausgeführt, dass eine Beeinträchtigung umso eher vorliegen wird, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind(22) und dass die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt, umso größer ist, je unmittelbarer und stärker die Marke vom Zeichen in Erinnerung gerufen wird(23). Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung kann gegebenenfalls auch berücksichtigt werden, ob eine Gefahr der Verwässerung oder der Verunglimpfung der Marke besteht(24). Der Gerichtshof hat schließlich klargestellt, dass, wenn eine solche Gesamtbeurteilung ergibt, dass „ein Dritter [versucht], sich durch die Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, … der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der betreffenden Marke anzusehen“ ist(25). Im Urteil Interflora hat der Gerichtshof diese Grundsätze bestätigt(26). Er hat insbesondere hervorgehoben, dass der beschriebene Vorteil als unlauter erlangt anzusehen ist, wenn ein „rechtfertigender Grund“ im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 89/104 fehlt(27). Unter Bezugnahme auf den ihm vom vorlegenden Gericht zur Prüfung unterbreiteten Fall, der eine Werbeanzeige zum Gegenstand hatte, die im Internet mit einem einer bekannten Marke entsprechenden Schlüsselwort aufgerufen werden konnte, hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Anzeige, wenn sie, ohne eine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke zum Verkauf anzubieten(28), ohne eine Verwässerung oder Verunglimpfung herbeizuführen und ohne im Übrigen die Funktionen dieser Marke zu beeinträchtigen, eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der Marke vorschlägt, eine Benutzung der Marke darstellt, die grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb im Bereich der fraglichen Waren oder Dienstleistungen fällt und damit aus einem „rechtfertigenden Grund“ im Sinne der genannten Bestimmungen erfolgt(29).

33.      In den hier beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils hat das Gericht, nachdem es die Begründung der Entscheidungen der Beschwerdekammer zum Vorliegen einer Beeinträchtigung im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 als „knapp“ bezeichnet hatte (Randnr. 87), darauf hingewiesen, dass diese Frage „im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und vor dem Gericht Gegenstand umfangreicher Erörterungen war“. So habe Allergan „ausgeführt, dass mit den Marken BOTOLIST und BOTOCYL, die von der L’Oréal-Gruppe gemeinsam eingetragen worden seien, konkret die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung von BOTOX im Bereich der Faltenbehandlung ausgenutzt werden solle, was eine Wertminderung dieser Marke bewirke“. Nach Ansicht des Gerichts ist diese Gefahr „hinreichend schwerwiegend und gegenwärtig, um die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 zu rechtfertigen“. Die Klägerinnen hätten, so das Gericht, in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass ihre Waren zwar kein Botulinumtoxin enthielten, dass sie aber dennoch das damit verbundene Image der Marke BOTOX, einer in diesem Zusammenhang einmaligen Marke(30), ausnutzen wollten (Randnr. 88).

34.      In Randnr. 80 des angefochtenen Urteils wird die in den Randnrn. 87 und 88 dargelegte Begründung vervollständigt. Dort weist das Gericht einleitend darauf hin, dass die Rechtsmittelführerinnen nichts dafür dargetan hätten, dass die Benutzung der Marken BOTOCYL und BOTOLIST aus einem „rechtfertigenden Grund“ erfolge, und dass es, da es sich dabei um ein Verteidigungsmittel handele, an ihnen liege, diesen Grund zu substantiieren. Bereits jetzt weise ich darauf hin, dass die Rechtsmittelführerinnen weder die Feststellung, dass sie keinen „rechtfertigenden Grund“ geltend gemacht hätten, noch die im Übrigen mit der Rechtsprechung(31) in Einklang stehende Auffassung, dass der entsprechende Nachweis von ihnen zu erbringen gewesen sei(32), beanstandet haben. Folglich geht die Frage, ob im vorliegenden Fall ein rechtfertigender Grund für die Benutzung der Marken der Rechtsmittelführerinnen gegeben ist, über den Gegenstand dieses Verfahrens hinaus(33).

35.      Die von den Rechtsmittelführerinnen insoweit geäußerten Kritikpunkte sind in der Rechtsmittelschrift äußerst knapp dargelegt. Die Rechtsmittelführerinnen beschränken sich im Wesentlichen auf das Vorbringen, dass es keinen Beweis für ihre vermeintliche Absicht gebe, die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke BOTOX auszunutzen. Sie machen ferner geltend, dass das Gericht die Ausführungen ihrer Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung falsch ausgelegt habe und dass sie, auch wenn ihre Marken möglicherweise einen Hinweis auf Botulinumtoxin enthielten, weder beabsichtigten, mit der Marke BOTOX in Verbindung gebracht zu werden, noch eine solche Assoziation bezwecken könnten, da es sich um eine für verschreibungspflichtige Arzneimittel eingetragene Marke handele.

36.      Der Begründung des angefochtenen Urteils insgesamt lässt sich entnehmen, dass das Bestehen einer parasitären Absicht aus einer Reihe von Feststellungen gefolgert wird, die zum einen die Entscheidung der Rechtsmittelführerinnen betreffen, in ihren Marken ein Präfix zu benutzen, das beinahe die gesamte ältere Marke wiedergibt – eine Entscheidung, die sich nach Ansicht des Gerichts und zuvor der Beschwerdekammer(34) nicht damit rechtfertigen lässt, dass auf Botulinumtoxin, das im Übrigen kein Bestandteil der von den streitigen Marken erfassten Waren ist(35), hingewiesen werden soll –, und zum anderen die Merkmale der älteren Marke, d. h. ihre auch wegen ihrer Einmaligkeit starke Unterscheidungskraft und ihre weitreichende Bekanntheit. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht also konkret eine der angeführten Rechtsprechung entsprechende umfassende Beurteilung der relevanten Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Vor diesem Hintergrund ist das Argument der Rechtsmittelführerinnen, der Befund, dass eine parasitäre Absicht gegeben sei, sei durch keinen Beweis gestützt, nicht haltbar. Was die Feststellungen betrifft, auf denen dieser Befund beruht, so können sie, weil es sich um Tatsachen handelt(36), vom Gerichtshof nicht überprüft werden.

37.      Unter ausschließlicher Bezugnahme auf die Entscheidungen der Beschwerdekammern bestreiten die Rechtsmittelführerinnen die Relevanz des Verweises auf den „spezifischen Charakter“ und die „Einmaligkeit“ der Marke BOTOX, die ihres Erachtens relevante Umstände bei einer Verwässerung der Marke, nicht aber bei einer parasitären Ausbeutung darstellen. Sollte sich die Kritik auch auf das angefochtene Urteil erstrecken, in dem das Gericht auch auf diese Umstände und auf die Gefahr eines „Wertverlusts der Marke“ Bezug nimmt (Randnr. 88), ist sie zurückzuweisen. Wie wir oben gesehen haben, hat der Gerichtshof nämlich bereits klargestellt, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke zwar keine notwendige Voraussetzung für die Bejahung einer parasitären Ausbeutung ist, aber einen Umstand darstellt, der bei der Prüfung, ob ein in unlauterer Weise erlangter Vorteil vorliegt, zu berücksichtigen ist.

38.      Aufgrund der dargestellten Überlegungen ist meines Erachtens auch die vierte Rüge des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

5.      Ergebnis zum ersten Rechtsmittelgrund

39.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen ist.

B –    Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 115 der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Regel 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95(37)

1.      Rechtlicher Rahmen, Vorbringen der Beteiligten und angefochtenes Urteil

40.      Gemäß Art. 115 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 sind Widersprüche und Anträge auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit in einer der Sprachen des HABM einzureichen.

41.      Regel 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 sieht vor, dass der Antragsteller, falls die zur Begründung des Antrags auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit vorgebrachten Beweismittel nicht in der Sprache des Verfahrens eingereicht werden, eine Übersetzung der betreffenden Beweismittel in dieser Sprache innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Einreichung der Beweismittel vorlegen muss. Die diese Verfahren betreffenden Bestimmungen erläutern nicht, welche Folgen die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung hat. Zu den Widerspruchsverfahren bestimmt Regel 19 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2868/95 in der durch die Verordnung Nr. 1041/2005(38) geänderten Fassung allerdings, dass „[das HABM] schriftliche Vorlagen oder Unterlagen oder Teile davon unberücksichtigt [lässt], die nicht innerhalb der vom Amt gesetzten Frist vorgelegt oder in die Verfahrenssprache übersetzt wurden“.

42.      Die Rechtsmittelführerinnen vertreten die Auffassung, das Gericht habe dadurch, dass es einige in der Fachpresse und der allgemeinen Presse auf Englisch veröffentlichte und nicht in das Französische, die Verfahrenssprache, übersetzte Artikel als Beweise zugelassen und sich auf diese Unterlagen gestützt habe, gegen Art. 115 der Verordnung Nr. 40/94 und Regel 38 der Verordnung Nr. 2868/95 verstoßen. Das HABM entgegnet, dass Regel 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 im Unterschied zu dem, was Regel 19 dieser Verordnung für die Widerspruchsverfahren bestimme, keine Sanktion für den Fall vorsehe, dass der Antragsteller auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit keine Übersetzung der als Beweismittel eingereichten Unterlagen in die Verfahrenssprache vorlege. Nach Ansicht des HABM sind diese Unterlagen daher zulässig, es sei denn, von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei sei ihre Übersetzung innerhalb einer festgesetzten Frist gefordert worden und diese Übersetzung sei nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt worden. Das HABM hebt außerdem, unterstützt von Allergan, hervor, dass das Nichtvorliegen der in Rede stehenden Übersetzungen in keiner Weise die Ausübung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen behindert habe, weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Gericht.

43.      In Randnr. 54 des angefochtenen Urteils weist das Gericht darauf hin, dass „allein die Existenz“ der fraglichen Artikel „einen für die Ermittlung der Bekanntheit der unter der Marke BOTOX vertriebenen Waren in der breiten Öffentlichkeit relevanten Umstand darstellt, und zwar unabhängig vom positiven oder negativen Inhalt dieser Artikel“. Es führt weiter aus, „dass die Beweiskraft dieser Unterlagen als solche nicht von ihrer Übersetzung in die Verfahrenssprache abhängen“ und eine „solche Übersetzung … nicht zur Voraussetzung für die Zulässigkeit eines als Beweismittel vorgelegten Schriftstücks gemacht werden kann“.

2.      Würdigung

44.      Die These des HABM – die im Übrigen von der Argumentationslinie des Gerichts abweicht, das sich zu den Folgen der Nichtvorlage einer Übersetzung im Sinne von Regel 38 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht äußert, sondern sich im Wesentlichen auf die Feststellung beschränkt, im vorliegenden Fall sei eine Übersetzung nicht notwendig gewesen – überzeugt mich nicht. Danach soll Regel 38 im Umkehrschluss zu Regel 19 dieser Verordnung in der durch die Verordnung Nr. 1041/2005 geänderten Fassung auszulegen sein. Mit letzterer Verordnung wurde aber auch Regel 98 der Verordnung Nr. 2868/95 mit der Überschrift „Übersetzungen“ geändert. Nach dem neuen Wortlaut dieser Regel gilt, sofern die Verordnung Nr. 40/94 oder die Verordnung Nr. 2868/95 nichts anderes bestimmen, „ein Schriftstück, für das eine Übersetzung einzureichen ist, als nicht beim Amt eingegangen, wenn die Übersetzung nach Ablauf der Frist für die Einreichung des Originalschriftstücks oder der Übersetzung eingeht“. Daher ist es auch unter der Annahme, dass auf den vorliegenden Sachverhalt die abgeänderte Fassung der Verordnung Nr. 2868/95 anwendbar ist, meines Erachtens nicht möglich, aus dem Umstand, dass Regel 38 keine ausdrückliche Sanktion für den Fall der Nichtvorlage der Übersetzung eines Schriftstücks enthält und Regel 19 eine andere Regelung für Widerspruchsverfahren vorsieht, zu schließen, dass ein solches Schriftstück, sofern vom HABM nicht anders verfügt, dennoch zulässig sei. Einer solchen Auslegung steht nämlich die erwähnte Regel 98 entgegen, die als Ausschlussnorm für den Fall der verspäteten Einreichung einer Übersetzung vorgesehen ist und erst recht bei deren Nichtvorlage gilt. Es ist überdies darauf hinzuweisen, dass Regel 19 vor der Änderung durch die Verordnung Nr. 1041/2005 in wesentlichen Teilen ihres Wortlauts mit Regel 38 übereinstimmte und vom Gericht dahin ausgelegt wurde, dass die Nichtvorlage der Übersetzung in die Verfahrenssprache zur Unzulässigkeit des Schriftstücks führte(39).

45.      Ebenso wenig lässt sich jedoch meines Erachtens die im angefochtenen Urteil verfolgte Argumentationslinie zur Gänze nachvollziehen, jedenfalls nicht im Hinblick auf die Umstände des hier vorliegenden Falles. Die Zulässigkeit von Beweisunterlagen, deren verbale Bestandteile nicht oder nicht vollständig übersetzt zu werden brauchen, da ihre Beweiskraft tatsächlich unabhängig vom Inhalt dieser Bestandteile besteht oder Letztere ohne Weiteres verständlich sind, ist zwar nicht grundsätzlich auszuschließen; meines Erachtens ist dies aber bei Zeitungsartikeln, die die Verbreitung von Informationen über die therapeutischen Eigenschaften eines Arzneimittels und das Vorliegen einer weitverbreiteten Kenntnis solcher Informationen bei einem Fachpublikum und/oder der breiten Öffentlichkeit bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung (vgl. Randnrn. 51 und 52 des angefochtenen Urteils) belegen sollen, nicht der Fall.

46.      Jedoch kann, auch wenn auf der Grundlage der dargelegten Erwägungen anzunehmen wäre, dass dem Gericht ein Fehler unterlaufen ist, als es die fraglichen Artikel als Beweismittel zugelassen hat, ein solcher Fehler, weil er die Beweiswürdigung betrifft(40), im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht gerügt werden. Und selbst wenn er als „Rechtsfehler“ qualifiziert werden könnte, würde er für sich genommen nicht ausreichen, um eine Aufhebung des angefochtenen Urteils zu rechtfertigen. Denn die Regel, wonach die Beweismittel zur Stützung der Anträge des Widersprechenden oder des Antragstellers auf Erklärung der Nichtigkeit oder des Verfalls der Marke in der Verfahrenssprache oder zusammen mit einer Übersetzung in diese Sprache vorgelegt werden müssen, rechtfertigt sich aus dem Erfordernis, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und die Waffengleichheit zwischen den Beteiligten an einem Verfahren inter partes zu wahren(41). Im vorliegenden Fall hat die der Beschwerdekammer unterlaufene und vom Gericht nicht aufgegriffene Unregelmäßigkeit die Rechtsmittelführerinnen nicht daran gehindert, sich vor beiden Instanzen sachgerecht zu verteidigen. Wie sie selbst einräumen, haben sie nämlich den Inhalt der fraglichen Artikel verstanden. Sie haben auch, wie aus ihren Schriftsätzen vor dem Gericht und dem Gerichtshof hervorgeht, die diesen Artikeln zunächst von der Beschwerdekammer und dann vom Gericht zugesprochene Beweisfunktion vollständig erfasst.

47.      Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

C –    Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94

48.      Mit dem dritten Rechtsmittelgrund beanstanden die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen, dass das Gericht unter Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94, der die Grenzen der gerichtlichen Nachprüfbarkeit der Entscheidungen des HABM durch den Gerichtshof festlege, die Würdigung der Beschwerdekammer durch seine eigene ersetzt habe.

49.      Das Gericht habe zunächst seine Beurteilung der älteren Markenrechte in Bezug auf die britischen Eintragungen der Marke BOTOX an die Stelle derjenigen der Beschwerdekammer gesetzt. Diese Rüge ist zurückzuweisen, da sie sich auf die falsche Prämisse stützt, die Beschwerdekammer habe ihrer Würdigung im Unterschied zum Gericht ausschließlich eine der Gemeinschaftsmarken von Allergan zugrunde gelegt(42).

50.      Allgemein rügen die Rechtsmittelführerinnen sodann, das Gericht habe eine autonome Würdigung der Beweismittel vorgenommen, die an die Stelle der fehlerhaften Würdigung der Beschwerdekammer getreten sei. Auch diese Rüge ist meines Erachtens zurückzuweisen. Wenn nämlich die Begründung des angefochtenen Urteils von einer eingehenderen Prüfung der von Allergan vor den Stellen des HABM vorgelegten Beweismittel zeugt als die Begründung der angefochtenen Entscheidungen, ist das darauf zurückzuführen, dass die Rechtsmittelführerinnen in erster Instanz die Zulässigkeit und/oder die Beweiskraft der einzelnen Beweismittel in Zweifel zogen. Das Ergebnis, zu dem das Gericht am Ende dieser Prüfung gelangt, nämlich dass die geprüften Unterlagen eine breite Medienberichterstattung über die BOTOX-Waren belegen, weicht nämlich nicht vom Ergebnis der Beschwerdekammer ab. Vor diesem Hintergrund haben die Rechtsmittelführerinnen die Stichhaltigkeit ihres Vorbringens nicht nachgewiesen.

51.      Schließlich beanstanden die Rechtsmittelführerinnen insbesondere, dass sich das Gericht auf einige Unterlagen – die Erklärung eines leitenden Angestellten von Allergan und eine im Jahr 2004 durchgeführte Marktstudie – gestützt habe, die zum ersten Mal vor der Beschwerdekammer vorgelegt worden, von dieser wegen der verspäteten Vorlage aber nicht berücksichtigt worden seien. Das Gericht habe seine Kontrollbefugnisse überschritten, indem es zum Schluss gekommen sei, dass die Beschwerdekammer diese Beweismittel „stillschweigend, aber zwangsläufig“ als zulässig erachtet habe.

52.      Hierzu weise ich darauf hin, dass das Gericht in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils, nachdem es in Erinnerung gerufen hatte, dass das HABM nach Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Beweismitteln, die verspätet vorgebracht worden seien, über einen weiten Ermessensspielraum verfüge, erläutert, dass die Beschwerdekammer die Beweismittel in Form der genannten Unterlagen, da sie sie nicht ausdrücklich für unzulässig erklärt habe, zwangsläufig, wenn auch stillschweigend für zulässig erachtet habe. Die von den Rechtsmittelführerinnen beanstandete Schlussfolgerung ergibt sich also aus der Anwendung der vom Gericht im angefochtenen Urteil vorgenommenen Auslegung von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 auf den konkreten Fall. Dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen lässt sich aber nicht entnehmen, auf welche Weise das Gericht allein durch eine solche Auslegung und Rechtsanwendung die Grenzen der in Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 vorgeschriebenen gerichtlichen Kontrolle über die Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM überschritten haben soll. Die Rüge der Rechtsmittelführerinnen ist daher zurückzuweisen.

53.      Was hingegen Zweifel aufwirft, ist die Richtigkeit der Auslegung von Art. 74 Abs. 2, zu der das Gericht im angefochtenen Urteil gelangt. Es scheint diese Bestimmung nämlich dahin zu verstehen, dass die Stellen des HABM nur die Unzulässigkeit eines verspätet vorgebrachten Beweismittels ausdrücklich feststellen müssen, nicht aber seine Zulässigkeit. Eine solche Auslegung weicht aber von derjenigen des Gerichtshofs ab, die den widerstreitenden Interessen in den Inter-partes-Verfahren vor dem HABM wesentlich besser Rechnung trägt. Der Gerichtshof hat in dem von der Großen Kammer erlassenen Urteil Kaul deutlich gemacht, dass das HABM seine Entscheidung begründen muss, und zwar sowohl wenn es beschließt, ein solches Beweismittel nicht zu berücksichtigen, als auch im umgekehrten Fall, wenn es beschließt, es in Betracht zu ziehen(43). Da die Rechtsmittelführerinnen in ihrem Rechtsmittel keinen aus den dargelegten Gründen erfolgten Verstoß gegen Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 geltend gemacht haben, ist der Auslegungsfehler des Gerichts im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu beanstanden.

54.      Nach alledem ist der dritte Rechtsmittelgrund meines Erachtens zurückzuweisen.

D –    Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94

55.      Mit dem vierten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94, wonach die Entscheidungen des Amtes mit Gründen zu versehen seien. Das Gericht habe es fälschlich unterlassen, die fehlende Begründung der in zwei Punkten angefochtenen Entscheidungen zu beanstanden: die Feststellung der Bekanntheit der BOTOX-Marken und die Feststellung des Vorliegens einer Beeinträchtigung dieser Marken durch Benutzung der Marken der Rechtsmittelführerinnen.

56.      Die Tragweite von Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94 lässt sich durch einen Verweis auf die Rechtsprechung zur Pflicht zur Begründung von Rechtsakten der Unionsorgane bestimmen. Dies gilt auch für die auf die Überprüfung der Einhaltung dieser Verpflichtung anwendbaren Grundsätze. So muss die von dieser Bestimmung geforderte Begründung die Überlegungen desjenigen, der den Rechtsakt erlassen hat, klar und eindeutig zum Ausdruck bringen. Die den Stellen des HABM auferlegte Verpflichtung soll dem doppelten Ziel dienen, die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und es außerdem dem Gericht zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen.

57.      In Randnr. 93 des angefochtenen Urteils führt das Gericht aus, dass sich der Begründung der angefochtenen Entscheidungen entnehmen lasse, aus welchen Gründen die Beschwerdekammer die Marke BOTOX als bekannt erachtet habe. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen kann diese Feststellung meines Erachtens nicht entkräften. Es geht nämlich aus diesen Entscheidungen hervor, dass die Beschwerdekammer der Auffassung war, dass die Marke BOTOX in allen Mitgliedstaaten bekannt sei, dass diese Bekanntheit nicht nur die Folge der Vermarktung der BOTOX-Waren, sondern auch der indirekten Werbung für diese Waren in den Medien sei, und schließlich, dass diese Werbung die breite Öffentlichkeit mit Botulinumtoxin und seiner Verwendung zur Faltenbehandlung vertraut gemacht habe (Randnr. 35 der Entscheidung L’Oréal und Randnr. 34 der Entscheidung Helena Rubinstein). Anhand dieser Begründung lassen sich die Überlegungen der Beschwerdekammer nachvollziehen und die Gründe ermitteln, die sie veranlasst haben, die Bekanntheit der älteren Marke festzustellen. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen war die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, über die Prüfung jedes einzelnen von Allergan vorgebrachten Beweismittels Rechenschaft abzulegen, insbesondere weil aus dieser Begründung hervorgeht, dass nach Ansicht der Beschwerdekammer ein Großteil dieser Beweismittel zusammengenommen dieselbe Tatsache belegt, nämlich die Medienberichterstattung über die BOTOX-Waren.

58.      In Randnr. 94 des angefochtenen Urteils führt das Gericht aus, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidungen zu den Auswirkungen der Benutzung der Marken der Rechtsmittelführerinnen zwar „knapp“ ausgefallen sei, es diesen aber gleichwohl ermöglicht habe, über die notwendigen Informationen zu verfügen, um das Ergebnis der Beschwerdekammer in diesem Punkt anzufechten. Dabei beschränken sich die Rechtsmittelführerinnen auf die Bemerkung, dass sich das, was das Gericht Begründung nenne, auf zwei Sätze reduziere, und auf die apodiktische Feststellung, dass dies keine „Begründung im rechtlichen Sinn“ darstelle. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen lassen sich aus den Randnrn. 42 und 43 der Entscheidung Helena Rubinstein und den Randnrn. 44 und 45 der Entscheidung L’Oréal die Gründe entnehmen, die die Beschwerdekammer veranlassten, zum einen zum Ergebnis zu kommen, dass kein rechtfertigender Grund für die Benutzung der Marken der Rechtsmittelführerinnen vorliege, und zum anderen die Auffassung zu vertreten, dass diese die Unterscheidungskraft der Marke BOTOX in unlauterer Weise ausgenutzt hätten.

59.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass auch der vierte und letzte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

IV – Ergebnis

60.      Aufgrund all dieser Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2–      Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1). Mit Wirkung vom 13. April 2009 wurde die Verordnung Nr. 40/94 durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben und ersetzt.


3 – Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957.


4 – Urteil vom 16. Dezember 2010, Rubinstein und L’Oréal/HABM – Allergan (BOTOLIST) (T‑345/08 und T‑357/08).


5 – Eintragungen Nr. 2255853 und Nr. 2255854. Es handelt sich um die nationalen Marken unter den von Allergan geltend gemachten, die am frühesten u. a. für Arzneimittelpräparate zur Faltenbehandlung eingetragen wurden.


6 – Etwas weniger als drei Monate im Fall der Marke BOTOLIST und etwas mehr als fünf Monate im Fall der Marke BOTOCYL.


7–      Eingetragen am 14. Dezember 2000.


8 – Die entsprechenden Passagen lauten: „la demanderesse en nullité a expliqué que la marque BOTOX identifie un produit pharmaceutique vendu sous prescription, fabriqué à partir de la toxine botulique …“, „Elle a indiqué que sa marque a été enregistrée aux États-Unis en 1991, qu’elle est utilisée dans I’Union européenne depuis 1992 et qu’elle est enregistrée dans la plupart des pays du monde …“.


9 – Vgl. Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission (C‑551/03 P, Slg. 2006, I‑3173, Randnr. 52), vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission (C‑266/06 P, Slg. 2008, I‑81, Randnr. 73), und vom 18. März 2010, Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission (C‑419/08 P, Slg. 2010, I‑2259, Randnr. 31).


10 – Urteile General Motors, Randnr. 54, Degussa, Randnr. 74, und Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission, Randnr. 32.


11 – Vor dem Gericht beanstandeten die Rechtsmittelführerinnen die Prüfung der Beschwerdekammer, weil sie einen Vergleich der betreffenden Marken vorgenommen habe, bei dem sie das Präfix BOTO und nicht die Silbe BOT berücksichtigt habe, die beschreibenden Charakter habe, da sie in offensichtlicher und eindeutiger Weise auf den Wirkstoff der unter der Marke BOTOX (Botulinumtoxin) vertriebenen pharmazeutischen Ware Bezug nehme. Das Gericht hat dieses Vorbringen in den Randnrn. 72 bis 73 des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückgewiesen. Es hat insbesondere festgestellt, dass die Silbe BOT keine bestimmte Bedeutung habe und die Rechtsmittelführerinnen nicht begründet hätten, warum sie in der Ähnlichkeitsprüfung der Marken dem von der Beschwerdekammer herangezogenen Präfix „BOTO“ vorzuziehen sei. Das Gericht hat hinzugefügt, die Marke BOTOX habe, selbst wenn sie ursprünglich beschreibend gewesen sei, durch Benutzung Unterscheidungskraft erworben, zumindest im Vereinigten Königreich.


12 – Vgl. Randnr. 40 der Entscheidung L’Oréal und Randnr. 39 der Entscheidung Helena Rubinstein.


13 – Urteile vom 27. November 2008, Intel Corporation (C‑252/07, Slg. 2008, I‑8823), vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a. (C‑487/07, Slg. 2009, I‑5185), und vom 22. September 2011, Interflora u. a. (C‑323/09, Slg. 2011, I‑8625).


14 – Vgl. z. B. D. Gangjee und R. Burrell, „Because You’re Worth it: L’Oréal and the Prohibition on Free Riding“, The Modern Law Review, Vol. 73 (2010), Nr. 2, S. 282 bis 304.


15–      Urteil Intel, Randnr. 26.


16–      Urteil Intel, Randnr. 30.


17–      Urteil Intel, Randnrn. 31 und 32.


18–      Urteil Intel, Randnrn. 37 und 38.


19–      Urteil Intel, Randnr. 39.


20–      Urteil L’Oréal, Randnrn. 41 und 43. Dabei geht es um Gründe, über die sich die Kritiker der Lehre, auf die in Fn. 14 verwiesen wurde, einig sind.


21 – Urteil Intel, Randnrn. 67 bis 69, und Urteil L’Oréal, Randnr. 44.


22–      Urteil L’Oréal, Randnr. 44.


23–      Urteil Intel, Randnrn. 67 bis 69.


24–      Urteil L’Oréal, Randnr. 45.


25 – Urteil L’Oréal, Randnr. 50.


26–      Vgl. insbesondere Randnrn. 74 und 89.


27–      Randnr. 89.


28–      Darum ging es auch in der Rechtssache des Urteils L’Oréal.


29–      Randnr. 91.


30 – Das Gericht führt Randnr. 56 des Urteils Intel an, in der der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Unterscheidungskraft einer Marke umso größer ist, wenn diese Marke einmalig ist – d. h. im Fall einer Wortmarke, „wenn das Wort, aus dem sie besteht, von niemandem für irgendeine Ware oder Dienstleistung benutzt wird außer vom Inhaber dieser Marke für die von ihm vermarkteten Waren oder Dienstleistungen“.


31 – Vgl. Urteil Intel, Randnr. 39.


32 – Im ersten Rechtszug hatten die Rechtsmittelführerinnen lediglich geltend gemacht, dass die von der Beschwerdekammer untersuchte Akte keinen Beleg dafür enthalten habe, dass sie im Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung ihrer Marken ohne „rechtfertigenden Grund“ gehandelt hätten (Randnr. 31 des angefochtenen Urteils). Wie ausgeführt, obliegt es aber nach der Rechtsprechung, falls der Inhaber der älteren Marke deren Bekanntheit und einen durch die Benutzung des jüngeren Zeichens oder der jüngeren Marke in unlauterer Weise erlangten Vorteil nachweist, dem Inhaber des jüngeren Zeichens oder der jüngeren Marke einen rechtfertigenden Grund für diese Benutzung geltend zu machen.


33 – Hierzu befragt, hat der Vertreter der Rechtsmittelführerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof erklärt, die Rechtsmittelführerinnen seien nicht verpflichtet gewesen, irgendeinen rechtfertigenden Grund für die Benutzung ihrer Marken anzuführen, da sie auf einer vorgelagerten Ebene bestritten hätten, dass im vorliegenden Fall die Bekanntheit der älteren Marken nachgewiesen worden sei.


34 – Vgl. jeweils Randnrn. 43 und 44 der angefochtenen Entscheidungen.


35 – Dieser in Randnr. 88 des angefochtenen Urteils erwähnte Umstand wird von den Rechtsmittelführerinnen nicht bestritten.


36 – So vom Gerichtshof im Urteil vom 25. Januar 2007, Adam Opel (C‑48/05, Slg. 2007, I‑1017, Randnr. 36), entschieden.


37–      Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1).


38–      Verordnung (EG) Nr. 1041/2005 der Kommission vom 29. Juni 2005 (ABl. L 172, S. 4).


39 – Vgl. Urteile des Gerichts vom 13. Juni 2002, Chef Revival USA/HABM – Massagué Marín (Chef) (T‑232/00, Slg. 2002, II‑2749 Randnrn. 31, 33, 36, 41 und 44), und vom 30. Juni 2004, GE Betz/HABM – Atofina Chemicals (BIOMATE) (T‑107/02, Slg. 2004, II‑1845, Randnr. 72), zur Nichtvorlage der Übersetzung der Eintragungsbescheinigung.


40 –      Soweit dieser Fehler darin besteht, die Auffassung vertreten zu haben, dass die Beweiskraft der in Rede stehenden Unterlagen nicht von deren Übersetzung in die Verfahrenssprache abhängt.


41 – In diesem Sinne vgl. die in Fn. 39 angeführten Urteile Chef Revival, Randnr. 42, und GE Betz, Randnr. 72.


42 – Vgl. hierzu die Prüfung der ersten Rüge des ersten Rechtsmittelgrundes, oben, Nrn. 12 ff.


43–      Urteil vom 13. März 2007 (C‑29/05 P, Slg. 2007, I‑2213, Randnr. 43).