Language of document : ECLI:EU:T:2011:343

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

12. Juli 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Projekte im Bereich gasisolierter Schaltanlagen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Aufteilung des Markts – Verteidigungsrechte – Nachweis der Zuwiderhandlung – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Begründung – Ausgangsbetrag – Referenzjahr“

In der Rechtssache T‑113/07

Toshiba Corp. mit Sitz in Tokio (Japan), Prozessbevollmächtigte: zunächst J. MacLennan, Solicitor, A. Schulz und J. Borum, Rechtsanwälte, dann J. MacLennan und A. Schulz,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch F. Arbault und J. Samnadda, dann durch X. Lewis, sodann durch J. Bourke und F. Ronkes Agerbeek und schließlich durch F. Ronkes Agerbeek und N. Khan als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 6762 endg. der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen), soweit sie die Klägerin betrifft, hilfsweise, Abänderung der Art. 1 und 2 dieser Entscheidung in Form der Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin), der Richterin K. Jürimäe und des Richters S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2009

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.     Klägerin

1        Die Klägerin, die Toshiba Corp., ist ein japanisches Unternehmen, das in mehreren Industriezweigen, u. a. im Bereich der gasisolierten Schaltanlagen (im Folgenden: GIS), tätig ist. Von Oktober 2002 bis April 2005 wurde ihre Tätigkeit im GIS-Bereich von dem Gemeinschaftsunternehmen TM T & D Corp. ausgeübt, das sich zu jeweils 50 % im Besitz der Klägerin und der Mitsubishi Electric Corp. (im Folgenden: Melco) befand und 2005 aufgelöst wurde.

2.     Erzeugnisse

2        GIS dienen zur Kontrolle des Energieflusses in Stromnetzen. Es handelt sich um schweres elektrisches Gerät, das als Hauptbestandteil von Umspannwerken eingesetzt wird. GIS werden weltweit als integraler Bestandteil eines schlüsselfertigen elektrischen Umspannwerks oder als gesondertes, dort erst einzubauendes Zubehör verkauft.

3.     Verwaltungsverfahren

3        Am 3. März 2004 informierte die ABB Ltd die Kommission der Europäischen Gemeinschaften über das Bestehen wettbewerbswidriger Praktiken in der GIS-Branche und beantragte mündlich einen Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Kronzeugenregelung).

4        Der Antrag von ABB auf Geldbußenerlass wurde durch mündliche Erklärungen und schriftliche Beweisstücke ergänzt. Die Kommission gewährte daraufhin ABB mit Entscheidung vom 24. April 2004 einen bedingten Geldbußenerlass.

5        Auf der Grundlage der Erklärungen von ABB leitete die Kommission eine Untersuchung ein und führte am 11. und 12. Mai 2004 Nachprüfungen in den Geschäftsräumen mehrerer in der GIS-Branche tätiger Gesellschaften durch.

6        Am 20. April 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die 20 Unternehmen zugestellt wurde, darunter u. a. die Klägerin. Am 18. und 19. Juli 2006 führte die Kommission eine Anhörung der Gesellschaften durch, an die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet war.

4.     Angefochtene Entscheidung

7        Am 24. Januar 2007 erließ die Kommission die Entscheidung K(2006) 6762 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

8        In den Randnrn. 113 bis 123 der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission aus, die am Kartell beteiligten Unternehmen hätten die Zuteilung von GIS Projekten weltweit mit Ausnahme einiger Märkte nach vereinbarten Regeln koordiniert, um insbesondere Kontingente beizubehalten, die weitgehend ihren geschätzten historischen Marktanteilen entsprochen hätten. Die Zuteilung der GIS Projekte sei auf der Grundlage eines gemeinsamen „japanischen“ Gesamtkontingents und eines gemeinsamen „europäischen“ Gesamtkontingents vorgenommen worden, die sodann von den japanischen und den europäischen Herstellern jeweils untereinander aufgeteilt worden seien. Eine in Wien am 15. April 1988 unterzeichnete Vereinbarung (im Folgenden: GQ Abkommen) habe die Regeln festgelegt, nach denen die GIS Projekte den japanischen oder den europäischen Herstellern zuzuteilen gewesen seien und ihr Wert auf das jeweilige Kontingent anzurechnen gewesen sei. In den Randnrn. 124 bis 132 der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission näher aus, die einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmen hätten eine nicht schriftlich festgehalte Vereinbarung (im Folgenden: Übereinkunft) getroffen, nach der die GIS-Projekte in Japan einerseits und in den Ländern der europäischen Kartellmitglieder andererseits, die zusammen als die „Stammländer“ der GIS-Projekte bezeichnet worden seien, den japanischen bzw. den europäischen Kartellmitgliedern vorbehalten gewesen seien. Über die GIS Projekte in den „Stammländern“ seien keine Informationen zwischen den beiden Gruppen ausgetauscht worden, und sie seien nicht auf die jeweiligen Kontingente angerechnet worden.

9        Das GQ-Abkommen habe weiter Regeln über den Austausch der für das Funktionieren des Kartells notwendigen Informationen zwischen den beiden Herstellergruppen enthalten, der insbesondere über die Sekretariate der genannten Gruppen stattgefunden habe, über die Manipulation der betreffenden Ausschreibungen und über die Festsetzung von Preisen für die GIS-Projekte, die nicht hätten zugeteilt werden können. Nach dem Wortlaut seines Anhangs 2 habe das GQ-Abkommen für die ganze Welt gegolten, ausgenommen die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan und 17 westeuropäische Länder. Zudem seien nach der Übereinkunft GIS-Projekte in anderen europäischen Ländern als den „Stammländern“ ebenfalls der europäischen Gruppe vorbehalten gewesen, da sich die japanischen Hersteller verpflichtet hätten, für GIS-Projekte in Europa keine Angebote einzureichen.

10      Nach den Ausführungen der Kommission war die Aufteilung der GIS-Projekte auf die europäischen Hersteller in einer ebenfalls in Wien am 15. April 1988 unterzeichneten Vereinbarung mit der Bezeichnung „E-Group Operation Agreement for GQ-Agreement“ (Vereinbarung der E-Gruppe über die Durchführung des GQ-Abkommens, im Folgenden: EQ-Abkommen) geregelt. Die Zuteilung der GIS-Projekte in Europa sei nach den gleichen Regeln und Verfahren erfolgt wie die Zuteilung der GIS-Projekte in anderen Ländern. Insbesondere hätten auch GIS-Projekte in Europa gemeldet, in eine Liste eingetragen, zugeteilt und abgesprochen werden sollen, oder es sei ein Mindestpreis vorgesehen worden.

11      Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen und der rechtlichen Würdigung in der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die beteiligten Unternehmen gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hätten, und verhängte gegen sie Geldbußen, die nach der Methode berechnet wurden, die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und in der Kronzeugenregelung vorgesehen ist.

12      In Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Klägerin im Zeitraum vom 15. April 1988 bis zum 11. Mai 2004 an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe.

13      Für die in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung bezeichnete Zuwiderhandlung wurde gegen die Klägerin in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung eine Geldbuße in Höhe von 90 900 000 Euro verhängt. Davon waren 4 650 000 Euro gesamtschuldnerisch mit Melco zu zahlen, ein Betrag, der der von TM T & D begangenen Zuwiderhandlung entsprach.

 Verfahren und Anträge der Parteien

14      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 18. April 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Die Klagebeantwortung ist am 27. August 2007 eingegangen und die Erwiderung am 22. Oktober 2007.

15      Mit Schriftsatz, der am 29. November 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin nach Art. 122 der Verfahrensordnung des Gerichts ein Versäumnisurteil beantragt. Diesen Antrag hat die Zweite Kammer des Gerichts mit Entscheidung vom 11. Dezember 2007 zurückgewiesen.

16      Das schriftliche Verfahren ist mit dem Eingang der Gegenerwiderung am 17. Dezember 2007 geschlossen worden.

17      Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Zweite Kammer) am 22. September 2009 beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und die Parteien ersucht, sich zur Erheblichkeit dieser Unterlagen im Hinblick auf das Vorbringen zur Verletzung des Rechts auf Aktenzugang zu äußern. Ferner hat das Gericht der Kommission zwei schriftliche Fragen gestellt und sie aufgefordert, diese in der mündlichen Verhandlung zu beantworten.

18      Die Kommission hat auf die Aufforderung des Gerichts die betreffenden Unterlagen am 26. Oktober 2009 vorgelegt. Die Klägerin hat sich am 19. November 2009 zu diesen Unterlagen schriftlich geäußert. Am 2. Dezember 2009 hat die Kommission auf die Stellungnahme der Klägerin geantwortet.

19      In der Sitzung vom 11. Dezember 2009 haben die Parteien mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

20      Mit Beschluss vom 11. Juni 2010 hat das Gericht die mündliche Verhandlung wiedereröffnet, die Kommission im Rahmen der Beweisaufnahme nach Art. 65 der Verfahrensordnung zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert und die Modalitäten für die Einsichtnahme der Klägerin in diese Unterlagen festgelegt.

21      Die Kommission ist dieser Anordnung im Rahmen der Beweisaufnahme innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

22      Die mündliche Verhandlung ist am 28. Juli 2010 geschlossen worden.

23      In der Klageschrift beantragt die Klägerin,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung, soweit sie sie betrifft, für nichtig zu erklären;

–        äußerst hilfsweise, die Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung abzuändern, um die gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten im Zusammenhang mit der Bankbürgschaft aufzuerlegen.

24      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren ersten Antrag zurückgenommen, der darauf gerichtet war, die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

25      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

26      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie, dass die Kommission das Vorliegen der Übereinkunft nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen habe. Mit dem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen. Der dritte Klagegrund betrifft eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin. Mit dem vierten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe zu Unrecht eine Geldbuße gegen sie verhängt.

27      Nach Ansicht der Kommission greifen diese Klagegründe nicht durch.

28      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht angegeben hat, auf welche ihrer Klagegründe sie ihre einzelnen Anträge jeweils stützt. Insoweit ist zum einen davon auszugehen, dass die Klägerin ihren Antrag, die angefochtene Entscheidung, soweit sie sie betrifft, für nichtig zu erklären, auf den ersten, den zweiten und den dritten Klagegrund stützt. Greift nämlich einer dieser Klagegründe durch, wird die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Klägerin betrifft, grundsätzlich in vollem Umfang für nichtig zu erklären sein. Zum anderen betrifft der vierte Klagegrund die Bestimmung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße und wird von der Klägerin somit zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung oder erhebliche Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße geltend gemacht.

1.     Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerin betreffen

29      Da die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung wegen Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin die Prüfung der Begründetheit der angefochtenen Entscheidung überflüssig machen würde, ist zunächst der dritte Klagegrund zu prüfen. Anschließend sind der erste und der zweite Klagegrund zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin

30      Die Klägerin macht geltend, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien. Im Rahmen des ersten Teils trägt sie vor, es liege ein grundlegender Verfahrensfehler im Hinblick auf die Identifizierung der Zuwiderhandlung im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung vor. Im Rahmen des zweiten Teils beanstandet sie eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht. Im Rahmen des dritten Teils macht sie geltend, die Kommission habe Akteninhalte verfälscht.

31      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

 Zum ersten Teil: unzureichende Identifizierung der Zuwiderhandlung im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung

–       Vorbringen der Parteien

32      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sich in Art. 1 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt, auf die Teilnahme der Klägerin an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen hinzuweisen, ohne eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens zu identifizieren, was einen grundlegenden Verfahrensfehler darstelle.

33      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

34      Aus Art. 1 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission feststellte, dass die betroffenen Unternehmen an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen in der GIS-Branche teilgenommen hätten, die gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, und dass die Kommission die betreffenden Zeiträume nannte. Somit enthält der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung keine näheren Angaben dazu, worin die beanstandeten Vereinbarungen und Verhaltensweisen bestanden.

35      Der verfügende Teil einer Entscheidung ist jedoch unter Berücksichtigung der ihn tragenden Gründe auszulegen (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 761). Im vorliegenden Fall werden die Umstände der Zuwiderhandlung u. a. in Randnr. 2 der angefochtenen Entscheidung dargelegt und in weiteren Randnummern der angefochtenen Entscheidung näher ausgeführt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Kommission im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung angesichts der ihn tragenden Gründe die betreffende Zuwiderhandlung hinreichend genau identifizierte. Damit ist dieser Teil zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht

–       Vorbringen der Parteien

36      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe ihr keinen Zugang zu sämtlichem be- und entlastenden Material gewährt.

37      Was das belastende Material betreffe, habe sie nur teilweisen Zugang zur Stellungnahme von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und überhaupt keinen Zugang zu den Erklärungen von Fuji erhalten, die angeblich die in Randnr. 125 der angefochtenen Entscheidung angeführten Erklärungen von ABB bestätigten. Folglich habe sie sich zu diesen Umständen nicht äußern können, und sie sei zu ihnen nicht gehört worden, weshalb diese Umstände in der angefochtenen Entscheidung nicht geltend gemacht werden könnten.

38      Zum entlastenden Material macht die Klägerin geltend, sie habe nicht beurteilen können, ob die anderen Parteien relevante zusätzliche Umstände vorgetragen hätten, da sie keine vollständige Akteneinsicht erhalten habe. Die Klägerin trägt vor, sie hätte jedenfalls zur zusätzlichen Antwort von Hitachi Ltd auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte Zugang erhalten müssen, in der sich Hitachi gegen die Schlussfolgerungen gewandt habe, die in der angefochtenen Entscheidung aus den von Hitachi übermittelten Erklärungen zur Anrechnung gezogen worden seien. Darüber hinaus beruft sie sich auf die Erklärungen der Mitarbeiter von Melco und Hitachi, die das Bestehen der Übereinkunft bestritten. Schließlich verweist sie auf die von Areva vorgelegten Erklärungen von Herrn S., die offensichtlich die Theorie hinsichtlich der Dauer des GQ-Abkommens widerlegten.

39      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

40      Die Wahrung der Verteidigungsrechte erfordert es, dem Betroffenen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den Schriftstücken, auf die sie den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen den Vertrag stützt, sachgerecht Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 66).

41      Als Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte bedeutet das Recht auf Akteneinsicht, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in der Ermittlungsakte zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Zu diesen Schriftstücken gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 68).

42      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert wird, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Zugang zu den Akten verfügt. Folglich gehört die Antwort anderer Beteiligter auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte grundsätzlich nicht zu den Unterlagen der Ermittlungsakte, die die Beteiligten einsehen können (Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, Hoechst/Kommission, T‑161/05, Slg. 2009, II‑3555, Randnr. 163).

43      Wenn sich allerdings die Kommission auf eine Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder auf eine dieser Antwort beigefügte Anlage stützen will, um in einem Verfahren nach Art. 81 Abs. 1 EG das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, muss den anderen Beteiligten dieses Verfahrens Gelegenheit gegeben werden, sich zu einem solchen Beweismittel zu äußern. Unter solchen Umständen stellt nämlich die fragliche Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder die Anlage zu dieser Antwort Material dar, das die verschiedenen an der Zuwiderhandlung angeblich Beteiligten belastet (vgl. Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 42 angeführt, Randnr. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens.

44      Entsprechend stellt eine Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder eine Anlage zu dieser Antwort, wenn sie für die Verteidigung eines Unternehmens von Bedeutung sein kann, da sie es diesem Unternehmen ermöglicht, sich auf Beweisstücke zu berufen, die nicht im Einklang mit den Ergebnissen der Kommission in diesem Verfahrensstadium stehen, ein entlastendes Beweismittel dar. In diesem Fall muss dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit gegeben werden, die fragliche Passage oder das fragliche Dokument zu prüfen und sich zu ihm zu äußern.

45      Jedoch wird nur aufgrund der Tatsache, dass sich andere Unternehmen auf dasselbe Vorbringen wie das betroffene Unternehmen gestützt und gegebenenfalls ihre Verteidigung aufwendiger gestaltet haben, dieses Vorbringen noch nicht zu Entlastungsmaterial (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnrn. 353 und 355).

46      Was die Folgen eines Verstoßes gegen diese Regeln bei der Gewährung des Aktenzugangs anbelangt, so stellt die Nichtübermittlung eines Schriftstücks, auf das sich die Kommission zur Untermauerung ihres Vorwurfs gegen ein Unternehmen gestützt hat, nur dann eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn das betroffene Unternehmen nachweist, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gelangt ist, anders ausgefallen wäre, wenn das nicht übermittelte Schriftstück als belastendes Beweismittel ausgeschlossen werden müsste (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 71 und 73).

47      Wurde ein entlastendes Schriftstück nicht übermittelt, so muss das betroffene Unternehmen nur nachweisen, dass seine Nichtoffenlegung den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflussen konnte. Es genügt, dass das Unternehmen dartut, dass es die fraglichen entlastenden Schriftstücke zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass es, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf diese Schriftstücke hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen zumindest in Bezug auf die Schwere und die Dauer des ihm zur Last gelegten Verhaltens und damit die Höhe der Geldbuße hätten beeinflussen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 74 und 75).

48      Dass ein nicht übermitteltes Schriftstück Einfluss auf den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission hätte haben können, kann nur nach einer vorläufigen Prüfung bestimmter Beweismittel nachgewiesen werden, die zeigt, dass die nicht übermittelten Schriftstücke eine Bedeutung – für diese Beweismittel – hätten haben können, die nicht hätte unberücksichtigt bleiben dürfen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 76).

49      In der vorliegenden Rechtssache ist zunächst das Vorbringen der Klägerin, sie habe keinen Zugang zum gesamten Akteninhalt der Kommission erhalten, zurückzuweisen. Aus der oben in Randnr. 41 angeführten Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass der Schutz der Verteidigungsrechte der Personen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, nicht impliziert, dass vollständiger Zugang zur Akte gewährt werden muss.

50      Was das Belastungsmaterial betrifft, ist festzustellen, dass die Klägerin nicht darlegt, welche belastenden und in der angefochtenen Entscheidung angeführten Umstände in dem ihr nicht zugänglichen Teil der Stellungnahme von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten sein sollen. Ebenso wenig legt sie dar, warum der Umstand, dass sie nur teilweisen Zugang zu diesem Dokument erhalten habe, ihr nicht ermöglicht habe, sich zu den Erklärungen zu äußern, die Hitachi zur Anrechnung abgegeben habe und die insoweit das wesentliche Belastungsmaterial darstellten. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf den teilweisen Zugang zur Stellungnahme von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zurückzuweisen.

51      Darüber hinaus räumt die Kommission ein, dass sie sich für die Begründung der gegenüber der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Beschwerdepunkte nicht auf die Stellungnahme von Fuji habe stützen können, die der Klägerin nicht übermittelt worden sei. Jedoch bestreitet die Kommission, die Stellungnahme tatsächlich als Belastungsmaterial herangezogen zu haben.

52      Allerdings hat die Kommission in den Randnrn. 125 und 255 der angefochtenen Entscheidung auf die zusätzlichen Stellungnahmen von Fuji, insbesondere auf die Stellungnahme vom 21. November 2006, Bezug genommen, um das Vorliegen der Übereinkunft zu untermauern.

53      Unter diesen Umständen hängt die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin vom Ergebnis der Prüfung des ersten Klagegrundes im Hinblick auf den Nachweis des Vorliegens der Übereinkunft ab. Wird nämlich festgestellt, dass das Vorliegen der Übereinkunft rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde, obwohl die betreffende Stellungnahme von Fuji nicht als Belastungsmaterial berücksichtigt wurde, ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen. Wird dagegen festgestellt, dass die genannte Stellungnahme die notwendige Grundlage für die Feststellungen ist, die in der angefochtenen Entscheidung zum Vorliegen der Übereinkunft getroffen wurden, ist dem Vorbringen der Klägerin zu folgen und somt die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Klägerin betrifft, für nichtig zu erklären.

54      Was das Entlastungsmaterial angeht, hat das Gericht die Kommission aufgefordert, sämtliche Dokumente beizubringen, die von der Klägerin mit einem Mindestmaß an Genauigkeit bestimmt worden sind. Da sich die an die Kommission gerichtete Aufforderung auf Angaben stützt, die die Klägerin selbst gemacht hat, ist ihrem Antrag in der Stellungnahme vom 19. November 2009, der darauf gerichtet ist, dass die Kommission ihr alle Dokumente übermittelt, die in Beantwortung entsprechender Ersuchen des Gerichts in den Rechtssachen T‑112/07, Hitachi u. a./Kommission, und T‑133/07, Mitsubishi Electric/Kommission, vorgelegt wurden, nicht stattzugeben.

55      Was die verschiedenen Dokumente betrifft, die die Kommission in der vorliegenden Rechtssache vorgelegt hat, ist erstens festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin die zusätzliche Antwort von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte den sachlichen Inhalt der Erklärungen, die Hitachi zum Melde- und Anrechnungsmechanismus abgegeben hat, nicht in Frage stellt. In ihrer zusätzlichen Antwort hat sich Hitachi darauf beschränkt, der von der Kommission vorgenommenen Auslegung der genannten Erklärungen entgegenzutreten, insbesondere im Hinblick auf ihre Erheblichkeit als Nachweis für die Übereinkunft und das Vorliegen einer einheitlichen, diese Übereinkunft und das GQ-Abkommen umfassenden Zuwiderhandlung. Dieses Vorbringen hatte Hitachi jedoch bereits in dem der Klägerin durch die Kommission übermittelten Auszug ihrer ersten Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht. Folglich kann die zusätzliche Antwort von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht als entlastendes Beweismittel angesehen werden, dessen Übermittlung den Verfahrensablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hätte beeinflussen können.

56      Außerdem beanstandet die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 19. November 2009 zu Unrecht, dass sie nach dem an die Kommission gerichteten Ersuchen des Gerichts nur teilweisen Zugang zur zusätzlichen Antwort von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten habe. Dass sie nur teilweisen Zugang zu diesem Dokument erhielt, ist nämlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin das Dokument in ihren Schriftsätzen nur insoweit als potenziell entlastendes Beweismittel bezeichnet hatte, als es den Melde- und Anrechnungsmechanismus betrifft.

57      Zweitens bestreiten die Mitarbeiter von Melco und Hitachi in den schriftlichen Erklärungen, die im November 2006 vorgelegt wurden, das Bestehen der Übereinkunft und damit verbundene Gespräche, und sie berufen sich auf „besonders schwere“ Hindernisse für den Eintritt in den europäischen Markt. Im Übrigen weist einer der Zeugen von Melco darauf hin, dass Fuji nicht an den Verhandlungen teilgenommen habe, die der Unterzeichnung des GQ-Abkommens vorausgegangen seien, während der andere Zeuge vorträgt, dass seiner Meinung nach der Ausschluss bestimmter europäischer Länder vom Geltungsbereich des GQ-Abkommens auf die Gefahr der Durchführung des Wettbewerbsrechts zurückzuführen sei. Die Zeugen von Hitachi berichten über Einzelheiten eines im Juli 2002 unterbreiteten Vorschlags von Alstom zu einer Vereinbarung zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern und über die Ablehnung dieses Vorschlags durch Hitachi.

58      Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die schriftlichen Aussagen der Mitarbeiter einer Gesellschaft, die unter deren Kontrolle verfasst wurden und zu deren Verteidigung im Rahmen des von der Kommission geführten Verwaltungsverfahrens vorgelegt werden, grundsätzlich nicht als von den eigenen Erklärungen dieser Gesellschaft verschiedene und unabhängige Beweisstücke angesehen werden können. Im Allgemeinen beruht nämlich der Standpunkt einer Gesellschaft in Bezug auf das Vorliegen des ihr von der Kommission vorgeworfenen Sachverhalts in erster Linie auf den Kenntnissen und Ansichten ihrer Mitarbeiter und Geschäftsleiter.

59      Zum anderen hat die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens selbst das Vorliegen der Übereinkunft und damit verbundene Gespräche bestritten und sich auf „besonders schwere“ Hindernisse für den Eintritt in den europäischen Markt berufen. Daher kann der Umstand, dass andere Unternehmen diese Argumente angeführt haben, nicht als Entlastungsmaterial angesehen werden.

60      Ebenso wurden die Einzelheiten des im Juli 2002 von Alstom unterbreiteten Vorschlags in der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt, während das Fehlen von Fuji bei den Verhandlungen im Zusammenhang mit dem GQ-Abkommen in der Zeugenaussage von Herrn M. erwähnt wird, zu der die Klägerin unstreitig Zugang hatte. Folglich handelt es sich dabei nicht um Entlastungsmaterial.

61      Dagegen ist nicht ersichtlich, dass das Argument zu dem Grund für den Ausschluss bestimmter europäischer Länder vom Geltungsbereich des GQ-Abkommens von der Klägerin vorgebracht wurde oder dass sie Zugang zu einem Dokument hatte, in dem dieses Argument dargelegt wird. Daher kann die betreffende Stelle der Zeugenaussage eines Mitarbeiters von Melco als Entlastungsmaterial angesehen werden. Es handelt sich jedoch um eine Erklärung eines Mitarbeiters eines beteiligten Unternehmens, bei der sich der Mitarbeiter darauf beschränkt, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zu bestreiten, und die in keiner Weise untermauert ist. Insoweit ist nicht davon auszugehen, dass die Übermittlung dieses Umstands den Verfahrensablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hätte beeinflussen können.

62      Drittens erkennt die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 19. November 2009 selbst an, dass die von Areva vorgelegten Erklärungen von Herrn S. ihr eigenes Vorbringen im Hinblick auf die angebliche Aussetzung der Durchführung des GQ-Abkommens zwischen 1999 und 2002 bestätigen. Ebenso war entgegen den Ausführungen der Klägerin das Vorbringen, es sei notwendig gewesen, TM T & D im Jahr 2002 im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Kartellaktivitäten zu kontaktieren, in einer erläuternden Anmerkung von Areva zur Funktionsweise des Kartells enthalten, und diese Anmerkung war der Klägerin zugänglich.

63      Der einzige potenziell entlastende Umstand in den Erklärungen von Herrn S. ist das Vorbringen, das GQ-Abkommen habe in Abwesenheit eines der wichtigsten Hersteller wie Siemens nicht funktionieren können. Dieses Vorbringen eines Mitarbeiters eines der Beteiligung an der Zuwiderhandlung beschuldigten Unternehmens ist jedoch nicht untermauert und wird sowohl durch die Erklärungen der anderen beteiligten Unternehmen als auch durch die Schriftstücke, welche die Kommission zusammengestellt und in den Randnrn. 191 bis 198 der angefochtenen Entscheidung angeführt hat, widerlegt. Daher hätte die Übermittlung dieses Umstands den Verfahrensablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung nicht beeinflussen können.

64      Angesichts all dessen ist das Vorbringen der Klägerin zum Zugang zu Entlastungsmaterial zurückzuweisen. Wie jedoch aus Randnr. 53 des vorliegenden Urteils hervorgeht, hängt die Stichhaltigkeit des vorliegenden Teils vom Ergebnis der Prüfung des Vorbringens der Klägerin im Rahmen des ersten Klagegrundes ab.

 Zum dritten Teil: Verfälschung von Akteninhalten

–       Vorbringen der Parteien

65      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe Akteninhalte verfälscht und somit sowohl die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt als auch gegen die Pflicht verstoßen, die Akte unparteiisch und umsichtig zu führen.

66      Erstens habe entgegen den Ausführungen in Randnr. 255 der angefochtenen Entscheidung das Unternehmen, das zu derselben Gruppe wie VA TECH Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG (im Folgenden: VA TECH) gehöre, zur Frage des Bestehens einer Übereinkunft nicht geschwiegen, sondern eine solche Übereinkunft bei der Anhörung ausdrücklich bestritten.

67      Zweitens bestreitet die Klägerin, dass sie bei der Anhörung nicht in der Lage gewesen sei, auf die Fragen zu den Projekten, die auf das Kontingent nach dem GQ-Abkommen angerechnet wurden, und der von ABB übermittelten Liste der angeblich gemeldeten Projekte zu antworten. Die Klägerin stützt sich auf einen Auszug der Niederschrift über die Anhörung und macht geltend, sie habe geantwortet, dass ihr die Anrechnung nicht bekannt gewesen sei.

68      Drittens habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin die Fortsetzung des GQ-Abkommens nach dem 24. April 1999 bestätigt habe, obwohl sie stets vorgetragen habe, dass das weltweite Kartell nach der Unterbrechung der Beteiligung von Siemens und Hitachi beendet worden sei.

69      Viertens habe die Klägerin − entgegen der Behauptung der Kommission in Randnr. 306 der angefochtenen Entscheidung − die Erklärungen von Hitachi zum Bestehen der Meldung nicht bestätigt und sowohl die Meldung als auch die Anrechnung bestritten.

70      Fünftens könne die Klägerin, da ihr die Erklärungen der anderen Parteien, auf welche die Kommission ihre Feststellungen gestützt habe, nicht zugänglich gewesen seien, nicht ausschließen, dass die angefochtene Entscheidung auch den Inhalt dieser Erklärungen verfälscht habe, was im Übrigen angesichts der oben erhobenen Rügen sehr wahrscheinlich sei.

71      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

72      Zum einen kann der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, dessen Inhalt oben in Randnr. 40 dargelegt wurde, nur dann durch eine Verfälschung von Tatsachen verletzt werden, wenn diese die Möglichkeit des Beteiligten beeinträchtigt hat, den Gehalt der Beschwerdepunkte der Kommission zu verstehen oder die Umstände zu beurteilen, auf die sich die Beschwerdepunkte stützen.

73      In der vorliegenden Rechtssache hat die Klägerin jedoch nicht dargelegt, inwieweit die angebliche Verfälschung von Tatsachen durch die Kommission der Klägerin ihre Verteidigung erschwert hat.

74      Folglich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte zurückzuweisen.

75      Zum anderen ist jede Tatsachenverfälschung ein Verstoß gegen die Pflicht, die Akte unparteiisch und umsichtig zu führen, und diese Pflicht ist ein wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung. Ein solcher Verstoß hat jedoch nur dann die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Folge, wenn die Kommission bei zutreffender Auslegung der fraglichen Tatsachen nicht zum gleichen Ergebnis kommen konnte.

76      Insoweit werden die Auslegung der verschiedenen als verfälscht angeführten Tatsachen sowie die Konsequenzen der etwa festzustellenden Verfälschungen im Rahmen der Klagegründe geprüft, mit denen die betreffenden Tatsachen in Frage gestellt werden.

77      Nach alledem ist der dritte Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: rechtlich unzureichender Nachweis des Vorliegens der Übereinkunft durch die Kommission

78      Nach der Rechtsprechung obliegt es der Kommission, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen nachzuweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Hat das Gericht insoweit Zweifel, so muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Der Richter kann also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer eine Geldbuße verhängenden Entscheidung, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt (Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnr. 60).

80      Unter den genannten Umständen ist nämlich die Unschuldsvermutung insbesondere nach Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu beachten, die zu den Grundrechten gehört, die allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellen. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnrn. 62 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Außerdem kann in Anbetracht der Bekanntheit des Verbots wettbewerbswidriger Vereinbarungen von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweise, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnrn. 64 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Die Klägerin macht hierzu geltend, dass flexiblere Beweisregeln im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die sich der Kommission beim Nachweis einer Zuwiderhandlung stellten, nicht mehr anzuwenden seien. Erstens habe die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) die Befugnisse der Kommission in diesem Bereich verstärkt. Zweitens habe die Kommission in der vorliegenden Rechtssache aufgrund der Kronzeugenregelung zahlreiche Beweismittel erhalten. Drittens befänden sich aufgrund der Verwendung moderner Techniken auf verschiedenen Computern zahlreiche Kopien der Dokumente, die die Mitglieder des Kartells beträfen. Die fraglichen Dokumente könnten daher leichter entdeckt und identifiziert werden, und ihr Inhalt könne sogar nach ihrer Löschung wiederhergestellt werden.

84      Diesem Vorbringen der Klägerin kann jedoch nicht gefolgt werden. Erstens geht zwar aus Randnr. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass die Stärkung der Befugnisse der Kommission dem Ziel dient, u. a. Verstöße gegen Art. 81 EG aufzudecken, doch diese verstärkten Befugnisse garantieren für sich genommen nicht, dass die Kommission in einem bestimmten Fall Beweismittel tatsächlich leichter erheben kann. Zweitens gilt dieses Ergebnis auch für die Kronzeugenregelung. Die Dokumente, die von den beteiligten Unternehmen übermittelt werden, müssen nämlich in jedem Fall die geltenden Kriterien der Rechtsprechung erfüllen, damit die Kommission sie als Nachweis für eine Zuwiderhandlung wirksam geltend machen kann. Daher erleichtert das Vorliegen von Anträgen nach der Kronzeugenregelung nicht notwendigerweise die Aufgabe der Kommission. Drittens wird die Wirkung der Verbreitung von Dateien durch die technischen Maßnahmen ausgeglichen, die die Kartellmitglieder in diesem Zusammenhang getroffen haben. In der vorliegenden Rechtssache geht aus den Randnrn. 173 bis 175 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Parteien die maßgeblichen Dokumente mit Hilfe von EDV-Anwendungen verschlüsselt haben und für die Kommunikation in Verbindung mit der Zuwiderhandlung anonyme elektronische Postfächer verwendet wurden. Zum einen steht nicht fest, dass sich die Klägerin systematisch geweigert hat, diesen Maßnahmen Folge zu leisten, und dem Akteninhalt lässt sich kein dauerhafter Widerstand entnehmen. Zum anderen geht aus dem Akteninhalt hervor, dass die Kommunikation mit der Klägerin, wenn diese keine Verschlüsselungstechniken und keine anonymen elektronischen Postfächer einsetzte, telefonisch und per Fax und nicht per E-Mail oder durch sonstigen Austausch von Dateien erfolgte.

85      Stützt sich die Kommission für ihre Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, genügt es für diese, das Vorliegen von Umständen nachzuweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln geschlossen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 186 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Wie die Klägerin geltend macht, gilt diese Regel auch dann, wenn die von der Kommission angeführten Beweismittel nicht ausreichen. In diesem Fall kann nämlich das Vorliegen der Zuwiderhandlung aufgrund der genannten Beweismittel nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 74).

87      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin gilt dies jedoch nicht für alle Fälle, in denen eine Zuwiderhandlung anhand von Schlussfolgerungen, die aus anderen Tatsachen gezogen werden, durch mittelbare oder nichtschriftliche Nachweise festgestellt wird. Hinsichtlich der Beweismittel, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG herangezogen werden dürfen, gilt im Gemeinschaftsrecht nämlich der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Randnr. 72). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 des EWR-Abkommens übertragbar.

88      Selbst wenn sich somit die von der Klägerin geltend gemachten Umstände, sofern sie erwiesen wären, im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen können, kann das betroffene Unternehmen nicht allein ihretwegen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen.

89      Zudem verbietet keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts der Kommission, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer Unternehmen zu verwenden, denen vorgeworfen wird, sie seien am Kartell beteiligt gewesen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die Art. 81 EG zuwiderlaufen, untragbar und mit der ihr anvertrauten Aufgabe, die richtige Anwendung dieser Bestimmung zu überwachen, nicht zu vereinbaren (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 192). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 des EWR-Abkommens übertragbar.

90      Eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen betroffenen Unternehmen bestritten wird, kann jedoch nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird, wobei jedoch der erforderliche Grad der Erhärtung aufgrund der Glaubhaftigkeit der fraglichen Erklärungen geringer ist (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnrn. 219 und 220).

91      Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnr. 72).

92      Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnrn. 1053 und 1838).

93      Zudem kann Erklärungen ein besonders hoher Beweiswert beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse dieses Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben werden (vgl. in diesem Sinne Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnrn. 205 bis 210).

94      Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, wie die Klägerin geltend macht, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, möglichst viel Belastungsmaterial zur Tätigkeit ihrer Wettbewerber zu liefern, so ändert dies nichts daran, dass ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Mitglieder des Kartells vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der Kronzeugenregelung gelangt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnr. 70).

95      Die Übermittlung unrichtiger Angaben ist möglicherweise insofern folgenreicher, als eine bestrittene Erklärung eines Unternehmens, wie in Randnr. 90 oben ausgeführt, erhärtet werden muss. Dadurch erhöht sich nämlich das Risiko, dass unrichtige Erklärungen sowohl von der Kommission als auch von den anderen beteiligten Unternehmen erkannt werden.

96      Was die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung die Übereinkunft eine nichtschriftliche Vereinbarung war, die zunächst die Verpflichtung der japanischen Unternehmen umfasste, nicht in den Markt für GIS-Projekte im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einzudringen, ferner die Verpflichtung der europäischen Unternehmen, nicht in den japanischen Markt für GIS-Projekte einzudringen, und schließlich die Verpflichtung der europäischen Unternehmen, den japanischen Unternehmen GIS-Projekte in anderen europäischen Ländern als den Stammländern zu melden und sie auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen anzurechnen. Nach Ansicht der Kommission war das Ziel des Melde- und Anrechnungsmechanismus, den japanischen Unternehmen, die von den europäischen Unternehmen als potenzielle Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen worden seien, einen Ausgleich anzubieten.

97      Von den verschiedenen in der vorstehenden Randnr. 96 genannten Bestandteilen der Übereinkunft stellt die Verpflichtung zum Nichteindringen in den EWR-Markt, die die japanischen Unternehmen eingegangen sein sollen, die Grundlage für den Vorwurf dar, den die Kommission der Klägerin macht. Daher muss das Bestehen dieser Verpflichtung rechtlich hinreichend nachgewiesen werden. Die anderen Bestandteile der Übereinkunft können sich jedoch im Fall ihres Nachweises als indirekter Beweis für das Bestehen der entsprechenden Verpflichtung der japanischen Unternehmen als relevant erweisen.

98      Die Klägerin bestreitet das Bestehen der Übereinkunft und ihre Beteiligung daran. Sie beanstandet den Beweiswert der verschiedenen von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Umstände und weist auf andere hin, die dafür sprächen, dass die Übereinkunft nicht bestanden habe. Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass die Kommission unter diesen Umständen die andere Erklärung für das Fehlen der japanischen Hersteller auf dem EWR-Markt für GIS-Projekte akzeptieren müsse, die mit dem Vorliegen rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hindernisse für den Eintritt in diesen Markt zusammenhänge. Mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission die Beweislast umgekehrt, den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt und ihre Zuständigkeit überschritten.

99      Nach Ansicht der Kommission ist das Bestehen der Übereinkunft und insbesondere die Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den EWR-Markt einzudringen, durch ein Bündel von Beweisen, das schriftliche Beweisstücke, Erklärungen von Unternehmen, Zeugenaussagen und Umstände umfasse, die das tatsächliche Funktionieren des Kartells beträfen, rechtlich hinreichend nachgewiesen.

100    Somit sind die Verlässlichkeit und der Gehalt der einzelnen betreffenden Beweisstücke zu beurteilen, um zu überprüfen, ob die von der Kommission geltend gemachten Umstände eine feste Überzeugung vom Bestehen der Übereinkunft stützen, die durch die von der Klägerin vorgebrachten Umstände nicht in Frage gestellt werden kann.

101    Die Rügen der Klägerin, dass die Kommission den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt und ihre Zuständigkeit überschritten habe, beruhen auf der Annahme, dass die Kommission das Bestehen der Übereinkunft und die Beteiligung der Klägerin daran nicht bewiesen habe. Wenn daher das Vorbringen der Klägerin zum Nachweis des Bestehens der Übereinkunft und der Beteiligung der Klägerin daran zurückzuweisen ist, impliziert dies zwangsläufig, dass die Rügen der Klägerin, die Kommission habe den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt und ihre Zuständigkeit überschritten, ebenfalls zurückzuweisen sind. Wird dagegen festgestellt, dass die Beteiligung der Klägerin an der angenommenen Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen wurde, rechtfertigt bereits diese Feststellung die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerin betrifft.

 Zu den Angaben von ABB

–       Vorbringen der Parteien

102    Die Klägerin bestreitet, dass die verschiedenen Angaben von ABB einen Nachweis für die Übereinkunft darstellen.

103    Vorab macht die Klägerin geltend, dass die Angaben von ABB allgemein einen geringeren Beweiswert hätten, da ABB ein bedingter Geldbußenerlass gewährt worden sei. ABB belaste sich mit ihren Erklärungen nicht mehr selbst. Vielmehr habe für ABB ein großer Anreiz bestanden, die Fragen der Kommission so zu beantworten, dass sie das Bestehen des Kartells bestätigten, da für ABB weiter die Gefahr bestanden habe, dass ihr der bedingte Geldbußenerlass aberkannt werde, wenn ihre Mitwirkung für unzureichend befunden würde. Daher seien die von ABB stammenden Beweismittel mit Vorsicht zu behandeln.

104    Im Übrigen stellt die Klägerin den Beweiswert der einzelnen Angaben von ABB jeweils gesondert in Frage. Als Erstes sei die Erklärung von ABB vom 11. März 2004, die das Bestehen der Übereinkunft bestätige, mehrdeutig, da ABB auch anerkannt habe, dass es keine explizite Vereinbarung gegeben habe und dass die Übereinkunft auf den tatsächlichen Umständen basiert habe, d. h. auf dem Umstand, dass die japanischen Unternehmen von den deutschen Kunden nur eingeschränkt akzeptiert worden seien und sie mit bestimmten technischen und rechtlichen Schwierigkeiten konfrontiert worden wären, wenn sie beabsichtigt hätten, in den europäischen Markt einzudringen. Weiter habe ABB vorgetragen, dass die japanischen Hersteller nur insoweit am Kartell teilgenommen hätten, als das Kartell Gebiete außerhalb des EWR betroffen habe.

105    Als Zweites setzt sich die Klägerin kritisch mit der Zeugenaussage von Herrn M., einem ehemaligen ABB-Mitarbeiter, bei der Befragung am 23. September 2005 auseinander. Der Wille von ABB, die Theorie der Kommission zu bestätigen, habe sich darin manifestiert, dass ihr externer Berater versucht habe, die Erklärungen von Herrn M. in Richtung der Aussage zu lenken, dass sich das Eindringen in den europäischen Markt durch die japanischen Hersteller nach einer gewissen Zeit rentieren könne.

106    Bei der Befragung sei Herr M. nicht mehr bei ABB beschäftigt gewesen, was bedeute, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, im Interesse von ABB zu handeln. Ebenso sei der Umstand, dass Herr M. seine Erklärungen widerrufen habe, auf den ihm gegenüber ausgeübten Druck und nicht auf seinen Willen, genaue Angaben zu machen, zurückzuführen.

107    Außerdem handle es sich bei den Erklärungen, die Herr M. zum Bestehen der Übereinkunft gemacht habe, um einen „Beweis vom Hörensagen“ mit geringer Überzeugungskraft. Herr M. habe erklärt, dass er dem Abschluss der Übereinkunft nicht beigewohnt habe und die Übereinkunft in den Sitzungen, an denen er teilgenommen habe, nicht erwähnt worden sei. Somit beruhten diese Erklärungen auf der persönlichen Auffassung von Herrn M. im Hinblick auf das Bestehen eines Kartells. Hierzu macht die Klägerin geltend, dass man, wenn man von dem Bestehen der Übereinkunft ausgehe, aufgrund der angeblichen Bedeutung dieser Übereinkunft berechtigterweise erwarten könne, dass die Unternehmen, die einen Antrag nach der Kronzeugenregelung gestellt hätten, Beweismittel vorbrächten, die zum Zeitpunkt des streitigen Sachverhalts vorgelegen hätten.

108    Zum Inhalt der Erklärungen von Herrn M. trägt die Klägerin vor, dass dieser zwar erklärt habe, der Abschluss eines Abkommens über ausländische Märkte habe das Bestehen eines Abkommens über die Stammländer der verschiedenen Teilnehmer vorausgesetzt, doch habe er ebenfalls dargelegt, dass, auch wenn die japanischen Hersteller eventuell die Möglichkeit gehabt hätten, in den europäischen Markt einzudringen, derartige Anstrengungen nicht rentabel gewesen wären. Daraufhin habe der externe Berater von ABB am 4. Oktober 2005 eine neue Erklärung vorgelegt, welche die früheren Erklärungen von Herrn M. habe klarstellen sollen und in der das Bestehen einer Übereinkunft förmlich anerkannt worden sei. Diese beiden Beweismittel seien widersprüchlich und könnten daher nicht geltend gemacht werden.

109    Drittens seien die Erklärungen der Herren W. und P., die bei ABB beschäftigt seien, „vage Spekulationen“, die sich auf unsubstantiierte persönliche Meinungen stützten. So habe sich Herr W. bei der Beantwortung der Frage, warum die japanischen Hersteller es abgelehnt hätten, an Ausschreibungen für GIS in Europa teilzunehmen, nicht auf die Übereinkunft bezogen. In früheren Erklärungen habe er dagegen ausgesagt, dass „besonders schwere“ Hindernisse den Eintritt in den europäischen Markt erschwert hätten.

110    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

111    Vorab geht aus den Randnrn. 94 und 95 des vorliegenden Urteils hervor, dass Umstände, die von einem Unternehmen vorgetragen werden, das einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hat, nicht automatisch mit Vorsicht zu behandeln sind. Was den besonderen Fall der Zeugenaussagen betrifft, ist zwar möglich, dass auch die Mitarbeiter eines solchen Unternehmens, die gehalten sind, in dessen Interesse zu handeln, so viele belastende Umstände wie möglich anführen wollen, da sich ihre Mitarbeit im Rahmen des Verfahrens auch positiv auf ihre berufliche Zukunft auswirken kann. Ist dies der Fall, werden den fraglichen Mitarbeitern jedoch auch die möglichen negativen Folgen unrichtiger Angaben bewusst sein, die durch die Notwendigkeit ihrer Erhärtung deutlicher spürbar sind.

112    Was die freiwillige Mitarbeit von Herrn M. im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens betrifft, macht die Klägerin zu Recht geltend, dass ein ehemaliger Mitarbeiter grundsätzlich nicht mehr gehalten ist, im Interesse seines ehemaligen Arbeitgebers zu handeln. Das bedeutet jedoch auch, dass er grundsätzlich kein Interesse daran hat, in diesem Zusammenhang unrichtige Angaben zu machen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich Herr M. zum Zeitpunkt seiner Aussage bereits im Ruhestand befand. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass ihm aus einer fehlenden Mitarbeit im Verwaltungsverfahren Nachteile hätten entstehen können.

113    Außerdem lässt sich nicht sagen, dass die Angaben von ABB keine nachteiligen Folgen für diese hätten haben können. Soweit nämlich diese Angaben vor der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht wurden, konnten weder ABB noch ihre Mitarbeiter bzw. ihr ehemaliger Mitarbeiter sicher sein, welchen Umfang und welchen genauen Inhalt die Vorwürfe gegen ABB haben würden.

114    Was die verschiedenen Beweismittel betrifft, die die Klägerin angeführt hat, so nahm erstens ABB in ihrer Äußerung vom 11. März 2004, also noch bevor ihr der bedingte Geldbußenerlass gewährt wurde, ausdrücklich auf das Bestehen einer Übereinkunft Bezug, nach der die japanischen Gesellschaften keine Angebote für die europäischen Projekte und die europäischen Gesellschaften keine Angebote für die japanischen Projekte einreichen würden.

115    ABB erklärte zwar, Grundlage für die Übereinkunft sei der Umstand gewesen, dass die japanischen Hersteller von den europäischen Kunden nicht richtig akzeptiert worden seien und sich auf dem europäischen Markt bestimmten Hindernissen gegenübergesehen hätten. Aus ihrer Äußerung vom 11. März 2004 geht jedoch eindeutig hervor, dass ihrer Ansicht nach die beteiligten japanischen Unternehmen das Bestehen dieser Hindernisse nicht bloß feststellten, sondern sich gegenüber ihren europäischen Partnern dazu verpflichteten, nicht in den EWR-Markt einzudringen. Somit waren die Hindernisse für den Eintritt in den EWR-Markt ein Faktor, der zum Abschluss dieser Übereinkunft führte. Eine solche Feststellung ist auch nicht widersprüchlich, da es für einen Hersteller naheliegt, seinen Wettbewerbern im Rahmen einer Aufteilung von Märkten, wie sie die Kommission hier annimmt, die Märkte zu überlassen, auf denen seine Position schwach ist.

116    Ferner hat ABB zwar erklärt, dass mit den japanischen Herstellern keine explizite Vereinbarung zur Manipulation von Ausschreibungen, Festsetzung von Preisen und Aufteilung von Projekten im EWR getroffen worden sei. Aus dem Kontext ergibt sich jedoch, dass sich diese Erklärung auf die Aufteilung der nationalen Märkte zwischen den europäischen Herstellern oder die Aufteilung von GIS-Projekten im EWR bezieht. Somit steht sie nicht im Widerspruch zum Bestehen der allgemeinen Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den EWR-Markt einzudringen, was von ABB klar dargelegt wurde. Im Übrigen lässt sich in den Erklärungen von ABB keine Unstimmigkeit feststellen. Da sich die japanischen Unternehmen nämlich ABB zufolge verpflichtet hatten, nicht in den EWR-Markt einzudringen, wäre es für sie nicht sinnvoll gewesen, mit den europäischen Herstellern detaillierte Vereinbarungen über die Aufteilung von GIS-Projekten im EWR-Markt zu treffen.

117    Nach alledem ist festzustellen, dass die Erklärungen von ABB vom 11. März 2004 nicht mehrdeutig sind und Indizien für das Bestehen der Übereinkunft darstellen.

118    Zweitens griff der externe Berater von ABB zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Befragung von Herrn M. ein und suggerierte ihm, dass es für die japanischen Hersteller hätte rentabel sein können, in den europäischen Markt einzudringen, wovon Herr M. nicht überzeugt zu sein schien. Daher ist davon auszugehen, dass Herr M. Zweifel am wirtschaftlichen Interesse an einem solchen Schritt äußerte, was bei der Beurteilung des Inhalts seiner Aussage zu berücksichtigen ist. Die Klägerin legt jedoch nicht dar, in welchem Umfang dieses Eingreifen des externen Beraters die Glaubhaftigkeit der Aussage von Herrn M. in sonstiger Hinsicht berührt.

119    Darüber hinaus macht die Klägerin zu Recht geltend, dass die Aussage von Herrn M. nicht das Ergebnis gründlicher Überlegung zu sein scheint und dass sie auch nicht nach nochmaliger Überlegung und zusätzlichen Überprüfungen revidiert wurde. Die Aussage erfolgte nämlich mündlich, und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kommission Herrn M. zuvor schriftliche Fragen gestellt hätte oder er seine Erklärungen zur Übereinkunft und zu den Zutrittsschranken zum EWR-Markt nochmals überprüft und revidiert hätte.

120    Die Klägerin hat jedoch keine Umstände dargelegt, aus denen hervorginge, dass etwaige Änderungen der Erklärungen von Herrn M. daher rührten, dass auf ihn Druck ausgeübt worden war.

121    Das Vorbringen der Klägerin, die Aussage von Herrn M. sei nur ein „Beweis vom Hörensagen“, ist zurückzuweisen. Herr M. war nämlich im Kartell zwischen 1988 und 2002 einer der Vertreter von ABB, also fast während der gesamten Dauer seines Bestehens, während ABB selbst eine der Hauptakteurinnen war. Herr M. war somit ein unmittelbarer und besonders geeigneter Zeuge der von ihm dargelegten Umstände.

122    In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass Herr M. in seiner Aussage bestätigt hat, dass er dem Abschluss der Übereinkunft nicht beigewohnt habe. Dazu befragt, ob bei den Gesprächen, an denen er teilgenommen habe, das Thema der Übereinkunft angesprochen worden sei, hat Herr M. geantwortet, dass dies nicht erforderlich gewesen sei, da sich die Übereinkunft von selbst verstanden habe. Diese Umstände stellen jedoch den Beweiswert der Aussage von Herrn M. nicht in Frage. Zum einen kann ein andauernder Vorgang durchaus selbst dann durch einen Zeugen bewiesen werden, wenn dieser dem Beginn dieses Vorgangs nicht beigewohnt hat. Zum anderen hat Herr M. zwar erklärt, dass die Frage der Übereinkunft bei den Treffen, an denen er teilgenommen habe, nicht ausdrücklich erörtert worden sei, doch sei dies deshalb so gewesen, weil den Kartellmitgliedern diese Übereinkunft klar gewesen sei und sie sie akzeptiert und durchgeführt hätten, ohne dass eine ausdrückliche Erörterung erforderlich gewesen wäre.

123    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung einer Gruppe von Herstellern, nicht in den der anderen Gruppe vorbehaltenen Markt einzudringen, wie sie die Kommission den japanischen Herstellern vorwirft, auf einem einfachen und leicht durchführbaren Konzept beruht. Diese Durchführung erfordert grundsätzlich auch keine Interaktion zwischen den betreffenden Unternehmen. Eine solche Verpflichtung kann daher durchaus in Form einer nichtschriftlichen Vereinbarung bestehen, was im Übrigen die Gefahr ihrer Aufdeckung verringert. Insoweit geht aus den Randnrn. 170 bis 176 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass im vorliegenden Fall die am Kartell Beteiligten eine Reihe organisatorischer und technischer Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hätten, um seine Aufdeckung zu verhindern.

124    Was den Inhalt der Aussage von Herrn M. betrifft, hat er erklärt, dass zwischen den japanischen und den europäischen Herstellern vor dem GQ-Abkommen eine Vereinbarung über den gegenseitigen Schutz der angestammten Märkte bestanden habe, diese Vereinbarung eine notwendige Voraussetzung für den Abschluss der Vereinbarungen über andere Regionen gewesen sei und nach ihren Regeln die japanischen Hersteller nicht in den angestammten Markt der europäischen Hersteller eindringen würden, obwohl sie dazu technisch in der Lage gewesen seien. Herr M. erläuterte in diesem Zusammenhang auch den Melde- und Anrechnungsmechanismus sowie die Tatsache, dass die GIS-Projekte in den Stammländern nicht Gegenstand der Gespräche zwischen den beiden Herstellergruppen gewesen und nicht auf die Kontingente nach dem GQ-Abkommen angerechnet worden seien.

125    Wie darüber hinaus oben in Randnr. 118 ausgeführt, war Herr M. nicht davon überzeugt, dass die japanischen Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse an einem Eindringen in den europäischen Markt für GIS-Projekte hatten. Ungeachtet des Standpunkts von Herrn M., der von Herrn P. geteilt wurde, steht allerdings fest, dass sich die japanischen Unternehmen sowohl nach der Aussage der vier Zeugen von ABB als auch nach der Aussage von ABB selbst verpflichtet hatten, nicht in den EWR-Markt einzudringen, obwohl sie dazu technisch in der Lage waren.

126    Zudem macht das mögliche Fehlen eines wirtschaftlichen Interesses der japanischen Hersteller an einem Eindringen in den EWR-Markt zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vereinbarung wie die Übereinkunft nicht überflüssig. Eine solche Vereinbarung kann nämlich zum einen das verbleibende Risiko eines zukünftigen Eindringens in die betreffenden Märkte bei einer Veränderung der Wettbewerbssituation ausschalten und so den beiden Herstellergruppen durch die Festigung ihrer jeweils privilegierten Stellung langfristige Sicherheit garantieren. Zum anderen kann sie die Grundlage gegenseitigen Vertrauens zwischen den beiden Gruppen bilden. Nach den Erklärungen von Herrn M. war dieses Vertrauen notwendig, um das Kartell weltweit durchführen zu können.

127    Nach alledem ist festzustellen, dass die Aussage von Herrn M. ein Indiz für das Bestehen der Übereinkunft darstellt.

128    Drittens hat, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, Herr Wi. erklärt, das Fernbleiben der japanischen Unternehmen vom europäischen Markt sei das Ergebnis eines Systems zum Schutz des japanischen und des europäischen Markts gewesen, weil keine der beiden Herstellergruppen ein Tätigwerden der jeweils anderen auf ihrem angestammten Markt gewollt habe. Ebenso hat Herr P. von sich aus auf eine Übereinkunft mit den japanischen Unternehmen Bezug genommen, nach der diese nicht auf dem europäischen Markt und die europäischen Unternehmen nicht auf dem japanischen Markt auftreten würden. Daher können die Aussagen der Herren Wi. und P. nicht als „vage Spekulationen“ angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um Beweismittel, die das Bestehen der Übereinkunft bestätigen.

129    Dieses Ergebnis gilt im Übrigen auch für die letzte Aussage von Herrn V.-A., die auf Initiative von ABB vorgelegt wurde. Befragt zum Bestehen einer etwaigen Vereinbarung zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern hat Herr V.‑A. auf eine Vereinbarung zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern hingewiesen, nach der sich die europäischen Unternehmen und die japanischen Unternehmen nicht gegenseitig „angreifen“ würden. Darüber hinaus hat Herr V.-A. erklärt, er habe an einem Gespräch zwischen den europäischen Unternehmen und dem Vertreter eines japanischen Unternehmens teilgenommen, das ausdrücklich die Einhaltung dieser Vereinbarung zum Gegenstand gehabt habe, weil es Versuche der japanischen Unternehmen gegeben habe, in den europäischen Markt einzudringen.

130    Nach alledem ist festzustellen, dass die von ABB vorgelegten Erklärungen und Zeugenaussagen zum Nachweis der Übereinkunft geeignet sind, da das Bestehen dieser Übereinkunft angeführt, und ihr wesentlicher Inhalt beschrieben wird und Angaben zu ihrer Dauer sowie zu ihren Beteiligten gemacht werden.

131    Darüber hinaus sind die von ABB gelieferten Beweismittel im Hinblick auf das Bestehen und den grundlegenden Inhalt der Übereinkunft schlüssig. Zwar gibt es eine Abweichung in Bezug auf das wirtschaftliche Interesse der japanischen Hersteller an einem Eindringen in den europäischen Markt, dieser Umstand ist jedoch im vorliegenden Fall, wie oben in Randnr. 125 ausgeführt, im Hinblick auf die Erklärungen zum Bestehen der Übereinkunft ohne Bedeutung.

132    Die Erklärungen von ABB wurden zudem im Namen eines Unternehmens abgegeben und beruhen, wie ihr Inhalt zeigt, auf internen Untersuchungen und Gesprächen mit Mitarbeitern dieses Unternehmens. Ihnen ist daher ein gewisser Beweiswert zuzuerkennen.

133    Die Erklärungen der vier genannten Zeugen sind ihrerseits glaubhaft, da sie von Zeugen stammen, die an den von ihnen beschriebenen Vorgängen unmittelbar beteiligt waren und die nach den Umständen des vorliegenden Falls keinen Grund hatten, unrichtige Angaben zu machen. Somit ist ihnen ein erhöhter Beweiswert zuzuerkennen.

134    Nach der oben in Randnr. 90 dargelegten Rechtsprechung muss der Inhalt der von ABB vorgelegten Erklärungen und Zeugenaussagen jedoch auf jeden Fall durch andere Umstände erhärtet werden.

 Zur Erhärtung der Angaben von ABB

–       Vorbringen der Parteien

135    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht genügend Umstände dargetan, die die von ABB vorgelegten Beweismittel bestätigten, und insbesondere kein Beweismittel angeführt, das zum Zeitpunkt des streitigen Sachverhalts vorgelegen habe.

136    Erstens sei die angebliche Kenntnis, die Fuji laut ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte von der Übereinkunft gehabt haben wolle, weder untermauert noch näher erläutert. Folglich handle es sich nur um eine einseitig aufgestellte Behauptung von Fuji. Ferner habe sich Fuji nicht näher dazu geäußert, ob sie die einzige Beteiligte der angeblichen Übereinkunft gewesen sei, ob es sich um eine Übereinkunft europäischer Hersteller gehandelt habe oder ob die japanischen Hersteller ebenfalls beteiligt gewesen seien. Zudem habe Fuji das Bestehen der Übereinkunft in ihrem Antrag nach der Kronzeugenregelung vom 11. Juli 2006 nicht erwähnt. Auch in den von Fuji vorgelegten fünf Aussagen ihrer Mitarbeiter sei die Übereinkunft nicht erwähnt worden.

137    Die späteren Erklärungen von Fuji, die das Bestehen der Übereinkunft angeblich bestätigten, und insbesondere ihre Erklärung vom 21. November 2006 seien der Klägerin nicht übermittelt worden und dürften daher keine Berücksichtigung finden.

138    Im Übrigen werde der geringe Beweiswert der Angaben von Fuji durch den Umstand bestätigt, dass die Kommission Fuji für die Übermittlung dieser Angaben keine günstigere Behandlung nach der Kronzeugenregelung gewährt habe.

139    Was zweitens die Feststellung betreffe, Alstom und Areva hätten das Vorliegen der Übereinkunft nicht bestritten und VA TECH sei dem nicht offen entgegengetreten, führe die Gleichstellung des Schweigens mit einem Eingeständnis zu einer Verletzung des Rechts, sich nicht selbst zu belasten, und zu einem Verstoß gegen die fundamentalen Beweisgrundsätze. Im Übrigen habe das Bestehen der Übereinkunft für die europäischen Hersteller vom praktischen Standpunkt betrachtet größtenteils keine Bedeutung gehabt, so dass ihr Schweigen vorhersehbar gewesen sei. Auf prozessualer Ebene macht die Klägerin geltend, dass sie die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Kommission nicht habe prüfen können, da sie zu den betreffenden Schriftsätzen keinen Zugang erhalten habe. Zudem habe VA TECH das Bestehen der Übereinkunft wirksam bestritten.

140    Drittens sei die bloße Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen mit den europäischen Herstellern im Rahmen des GQ-Abkommens in Hinblick auf das Bestehen der Übereinkunft nicht relevant.

141    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für nicht stichhaltig.

–       Würdigung durch das Gericht

142    Was erstens die Angaben von Fuji betrifft, geht aus den Randnrn. 51 bis 53 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Stellungnahmen, die der Klägerin nicht übermittelt wurden, und insbesondere die Stellungnahme von Fuji vom 21. November 2006 nicht als belastendes Beweismaterial geltend gemacht werden können. Folglich sind diese Stellungnahmen nicht geeignet, den Inhalt der von ABB vorgebrachten Beweismittel zu erhärten.

143    Dagegen erklärte Fuji in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, deren maßgebliche Passage der Klägerin übermittelt wurde, sie habe von der Übereinkunft gewusst, nach der die japanischen Hersteller nicht versuchen würden, in den europäischen Markt einzudringen, wobei für Fuji der Hauptgrund für das Fernbleiben vom EWR-Markt darin bestanden habe, dass sie in Europa kein bedeutender und ernsthafter GIS-Anbieter gewesen sei.

144    Zwar ist diese Erklärung ziemlich vage, da Fuji nur die Verpflichtung der japanischen Hersteller anführt, nicht in den europäischen Markt einzudringen. Fuji hat damit jedoch den wichtigsten Punkt der Angaben von ABB und des Vorwurfs der Kommission gegenüber den japanischen Herstellern erhärtet. Die betreffende Erklärung ist somit im vorliegenden Fall nicht unerheblich. Dies gilt umso mehr, als die begrenzten Kenntnisse von Fuji durch ihre untergeordnete Rolle innerhalb des Kartells und insbesondere durch die Tatsache erklärt werden können, dass Fuji nach Randnr. 150 der angefochtenen Entscheidung das einzige japanische Unternehmen war, das nicht Mitglied des insbesondere für die Koordinierung zwischen den beiden Herstellergruppen im Rahmen des GQ-Abkommens verantwortlichen Ausschusses der Gruppe der japanischen Hersteller war.

145    Zu den Mitarbeitern von Fuji ist festzustellen, dass das Vorliegen der Übereinkunft von ihnen nicht bestritten wurde, sondern sie zu dieser Frage lediglich geschwiegen haben. Daher stellt der Inhalt der Erklärungen der Mitarbeiter von Fuji den Beweiswert der Erklärung von Fuji in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht in Frage.

146    Was den Inhalt des Antrags nach der Kronzeugenregelung betrifft, geht aus Randnr. 21 der Kronzeugenregelung hervor, dass die betreffenden Beweismittel gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Beweiswert darstellen müssen, damit die Kommission eine Herabsetzung der Geldbuße gewähren kann. Daher ist es legitim, dass sich ein Unternehmen, das eine Geldbußenermäßigung erlangen möchte, in einem nach der Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestellten Antrag auf Geldbußenerlass auf die Umstände konzentriert, die seines Erachtens bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen wurden, um einen erheblichen Mehrwert beizutragen. Dies kann eine Erklärung dafür sein, warum das betreffende Unternehmen die Umstände nicht erwähnt, die seines Erachtens durch bereits zuvor übermittelte Beweisstücke zweifelsfrei nachgewiesen sind.

147    Ferner ist nach dem Wortlaut von Randnr. 21 der Kronzeugenregelung nicht auszuschließen, dass die Vorlage von Beweismitteln, denen zwar ein gewisser Beweiswert zukommt, die jedoch Tatsachen betreffen, die bereits durch andere Beweismittel nachgewiesen wurden, zu keiner Ermäßigung führt.

148    Zweitens geht aus dem Auszug der Niederschrift über die Anhörung von VA TECH hervor, dass diese das Bestehen der Übereinkunft im Rahmen der Anhörung ausdrücklich bestritten hat. Folglich ist das Vorbringen der Kommission, wonach dies nicht der Fall sei, sachlich unzutreffend.

149    Zum angeblich neutralen Standpunkt von Alstom und Areva macht die Kommission geltend, sie habe nicht von diesem Umstand auf das Bestehen der Übereinkunft geschlossen, sondern sich darauf beschränkt, diesen Standpunkt festzustellen. Diese Auffassung wird zwar durch den Wortlaut von Randnr. 125 der angefochtenen Entscheidung bestätigt, in der dem Standpunkt von Alstom, Areva und VA TECH im Gegensatz zu den Erklärungen von Fuji, die das Vorliegen der Übereinkunft bestätigen, keinerlei untermauernde Wirkung beigemessen wird; sie wird jedoch durch Randnr. 255 dieser Entscheidung in Frage gestellt, indem die Kommission auf die implizite Anerkennung des Bestehens der Übereinkunft durch bestimmte europäische Hersteller Bezug nimmt. Jedenfalls kann der neutrale Standpunkt von Alstom und Areva nicht als Beweis für das Bestehen der Übereinkunft angesehen werden. Da der Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens die Beweislast obliegt, ist das Nichtbestreiten einer Tatsache durch ein Unternehmen nämlich kein Beweis für ihr Vorliegen.

150    Drittens ist, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, der bloße Umstand, dass die Klägerin an den Sitzungen im Rahmen des GQ-Abkommens teilnahm, kein Beweis für das Bestehen der Übereinkunft. Die maßgebliche Frage lautet nämlich, ob die Übereinkunft, wie die Kommission behauptet, von den verschiedenen Teilnehmern gleichzeitig mit dem GQ-Abkommen und in Verbindung mit diesem durchgeführt wurde.

151    Viertens geht aus Randnr. 127 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass Alstom während des Treffens vom 10. Juli 2002, bei dem die Anpassung der Arbeitsmethoden des Kartells besprochen wurde, da sich Siemens und Hitachi wieder an ihm beteiligten, den Vorschlag machte, dass die europäischen Hersteller in Europa und die japanischen Hersteller in Japan bleiben und nicht versuchen sollten, in den europäischen Markt einzudringen. In der genannten Randnummer wird auch festgestellt, dass der Vertreter von Hitachi beim anschließenden Treffen am 15. Juli 2002 darauf hingewiesen habe, dass sein Unternehmen diesen Vorschlag ablehne, und dass daraufhin die europäischen Hersteller Europa einschließlich Mittel- und Osteuropa zu ihrem Markt erklärt hätten. Des Weiteren hätten sie ihre Absicht bekundet, ihre in Westeuropa verlangten Preise zu halten, und erklärt, dass diese Frage noch einmal behandelt werden solle, was aber nicht geschehen sei.

152    Auf den ersten Blick deutet diese Zusammenfassung der Treffen vom 10. und 15. Juli 2002, die auf Angaben von Hitachi beruht, darauf hin, dass Alstom den Abschluss einer neuen Vereinbarung vorschlug, die von Hitachi abgelehnt und nicht weiter erörtert wurde, was bedeuten würde, dass es zumindest ab Juli 2002 keine Vereinbarung über das Verhalten der japanischen Hersteller auf dem EWR-Markt gab.

153    Jedoch zeigt die Zusammenfassung des Treffens vom 15. Juli 2002 zum einen, dass Hitachi nicht die Idee einer Marktaufteilung an sich ablehnte, sondern nur den konkreten Vorschlag von Alstom. Zum anderen wies Hitachi in dieser Zusammenfassung darauf hin, dass die Forderungen der europäischen Hersteller Mittel- und Osteuropa einschlossen, woraus abgeleitet werden kann, dass sich der Widerstand von Hitachi auf diesen speziellen Aspekt, nicht aber auf die Situation in Westeuropa bezog.

154    Außerdem stellt der Vorschlag, der von Alstom eingebracht wurde, die Argumentation in Frage, welche die Klägerin im Hinblick auf die Wettbewerbslage auf dem EWR-Markt angeführt hat. Wenn die japanischen Hersteller, wie von der Klägerin behauptet, wegen unüberwindlicher Zutrittsschranken nicht als ernsthafte Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen worden wären, wäre nämlich eine Vereinbarung über diesen Markt in der Tat überflüssig gewesen. In diesem Fall hätten die europäischen Hersteller, denen dieser Umstand dank ihrer privilegierten Stellung in Europa bewusst gewesen wäre, keinen Grund gehabt, eine solche Vereinbarung vorzuschlagen. Aus der von Hitachi vorgelegten Zusammenfassung ergibt sich aber, dass der Vorschlag von Alstom den EWR-Markt sowie den mittel- und osteuropäischen Markt betraf.

155    Unter diesen Umständen ist die Auslegung zugrunde zu legen, nach der Alstom bei dem Treffen vom 10. Juli 2002 die Ausdehnung der von der Kommission behaupteten Übereinkunft auf die Länder Mittel- und Osteuropas vorschlug.

156    Fünftens ist der Inhalt des EQ-Abkommens, wie in Randnr. 131 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, in gewisser Hinsicht im Hinblick auf das Vorliegen einer Übereinkunft relevant.

157    Punkt 4 des Abschnitts „E (E-Members)“ des Anhangs 2 des EQ-Abkommens bestimmt nämlich, dass die europäischen Hersteller „über die Meldung der europäischen Projekte an [die Gruppe der japanischen Hersteller] entscheiden“. Aus dem Kontext von Anhang 2 geht hervor, dass die Übermittlung der Informationen vor der Zuteilung der betreffenden GIS-Projekte stattfinden musste.

158    Dieser Umstand widerlegt in gewisser Hinsicht das Vorbringen der Klägerin, da er darauf hindeutet, dass nach Ansicht der europäischen Hersteller die japanischen Hersteller am Prozess der Zuteilung zumindest bestimmter GIS-Projekte im EWR interessiert sein konnten und daher potenzielle Wettbewerber in Bezug auf solche Projekte waren.

159    Jedoch beweist nichts im EQ-Abkommen und auch kein anderer von der Kommission angeführter Umstand, dass der betreffende Mechanismus von den europäischen Herstellern durchgeführt wurde oder die japanischen Hersteller von seinem Bestehen wussten. Unter diesen Umständen ist das EQ-Abkommen nur ein Indiz dafür, wie die japanischen Unternehmen von den europäischen Unternehmen wahrgenommen wurden.

160    Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist zum einen festzustellen, dass die Erklärung, die Fuji in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte abgab, die von ABB gelieferten Angaben zum Bestehen der Übereinkunft tendenziell erhärtet, auch wenn ihr Beweiswert eingeschränkt ist. Ebenso ist der Vorschlag, den Alstom auf dem Treffen vom 10. Juli 2002 machte, ein Beweis dafür, dass die Übereinkunft zum Zeitpunkt des Vorschlags existierte. Außerdem ist der Inhalt des EQ-Abkommens nur ein Indiz dafür, dass, wie die Kommission vorbringt, die japanischen Hersteller bei der Durchführung bestimmter GIS-Projekte im EWR als ernsthafte Wettbewerber angesehen wurden.

161    Zum anderen sind weder der Standpunkt, den VA TECH zum Bestehen der Übereinkunft einnahm, noch der Standpunkt von Alstom oder Areva, noch die bloße Teilnahme der Klägerin an den Treffen im Rahmen des GQ-Abkommens geeignet, die Angaben zu erhärten, die ABB zum Bestehen der Übereinkunft geliefert hat.

 Zum Melde- und Anrechnungsmechanismus

–       Vorbringen der Parteien

162    Die Klägerin macht erstens geltend, das Vorbringen der Kommission zum Melde- und Anrechnungsmechanismus stütze sich auf die Behauptung, dass die japanischen Hersteller als potenzielle Wettbewerber auf dem EWR-Markt für GIS-Projekte wahrgenommen worden seien. Diese Behauptung werde durch die ausdrückliche Erklärung von VA TECH, wonach es den europäischen Herstellern nahezu unmöglich gewesen sei, ihre Produkte in Japan anzubieten, und dies umgekehrt ebenso für die japanischen Hersteller in Europa gegolten habe, sowie durch die Aussage von Herrn M., wonach ein Eindringen in den europäischen Markt für die japanischen Unternehmen nicht rentabel gewesen sei, in Frage gestellt. Folglich beruhten die Behauptungen über die Meldung und Anrechnung auf einer offensichtlich unzutreffenden tatsächlichen Prämisse. Überdies handle es sich in diesem Zusammenhang beim Vorbringen der Kommission, wonach das Bestehen des Anrechnungsmechanismus das Fehlen von Hindernissen für den Eintritt in den europäischen Markt und folglich das Bestehen der Übereinkunft belege, um einen Zirkelschluss.

163    Zweitens seien die Behauptungen, die die Kommission im Zusammenhang mit dem Melde- und Anrechnungsmechanismus aufgestellt habe, nicht rechtlich hinreichend bewiesen. Das Vorbringen der Kommission stütze sich auf den Umstand, dass die japanischen Hersteller systematisch über GIS-Projekte in den europäischen Ländern – mit Ausnahme der Stammländer – informiert worden seien, um ihre Anrechnung auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent kontrollieren zu können. Die Beweismittel, die die Kommission neben den Erklärungen von ABB vorgebracht habe, belegten jedoch weder den systematischen Charakter der Meldung noch das Vorliegen einer Unterscheidung zwischen Stammländern und sonstigen europäischen Ländern.

164    Hierzu macht die Klägerin zunächst geltend, dass sie am EQ-Abkommen nicht beteiligt gewesen sei und dieses Abkommen daher nur als einseitige Entscheidung der europäischen Hersteller angesehen werden könne. Im Übrigen sehe Anhang 2 des EQ-Abkommens keine systematische Meldung an die japanischen Hersteller vor, sondern schließe eine solche vielmehr aus, da sie den europäischen Herstellern freistelle, eine etwaige Meldung europäischer Projekte zu beschließen. Ferner sehe das Dokument keine Anrechnung europäischer Projekte auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent vor.

165    Darüber hinaus handle es sich bei der von ABB übermittelten Liste von GIS-Projekten um ein Dokument, das ABB zusammengestellt habe und das den anderen Kartellmitgliedern nicht zugesandt worden sei. Folglich sei diese Liste kein Beweis für die systematische Meldung von GIS-Projekten in Europa an japanische Unternehmen.

166    Schließlich enthalte der Auszug des Antrags von Hitachi auf Anwendung der Kronzeugenregelung, wonach Siemens regelmäßig ein Rundschreiben mit einer tabellarischen Übersicht der den europäischen und japanischen Unternehmen zugeteilten GIS-Projekte verschickt habe, keine näheren Angaben dazu, ob die fraglichen Schreiben GIS-Projekte in Europa betroffen hätten, und der Kontext dieser Erklärung lege nahe, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Was die Erklärung in der Antwort von Hitachi auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte betreffe, wonach die Meldung vorgenommen worden sei, um eine Anrechnung zu ermöglichen, so sei diese Erklärung von keinem anderen japanischen Hersteller untermauert worden; vielmehr hätten ihr sowohl die Klägerin als auch Fuji ausdrücklich widersprochen und Fuji habe vorgetragen, dass Informationen zur Aufteilung von GIS-Projekten in Europa den japanischen Herstellern nicht systematisch übermittelt worden seien.

167    Drittens sei der von der Kommission beschriebene Melde- und Anrechnungsmechanismus kompliziert und nicht automatisch anzuwenden. Unter diesen Umständen sei es unwahrscheinlich, dass er nicht im GQ-Abkommen oder einem anderen Dokument, das zum Zeitpunkt des streitigen Sachverhalts existiert habe, erwähnt werde.

168    Viertens sei, selbst wenn man annehme, dass bestimmte europäische Projekte auf das im GQ-Abkommen vorgesehene gemeinsame „europäische“ Kontingent angerechnet worden seien, dieser Umstand kein Hinweis auf eine Zuwiderhandlung der Klägerin. Die Anrechnung habe nur außerhalb des EWR-Gebiets eine Wirkung entfalten können, da sie dazu geführt habe, dass den japanischen Herstellern mehr Projekte außerhalb dieses Gebiets zugestanden hätten. Dieser Umstand sei jedoch nicht mit einem Verstoß gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens gleichzusetzen.

169    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

170    Zunächst stützt sich das Vorbringen der Kommission zum Melde- und Anrechnungsmechanismus nicht ausschließlich auf die These, dass die japanischen Hersteller als ernsthafte Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen worden seien. Die Kommission ist nämlich der Ansicht, dass sie positive Beweise für das Bestehen dieses Mechanismus erhalten habe. Vor diesem Hintergrund ist der Beweiswert der von der Kommission vorgebrachten Umstände zu untersuchen, damit überprüft werden kann, ob sie das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus rechtlich hinreichend beweisen, auch wenn es von einigen betroffenen Unternehmen bestritten wurde.

171    Herr M. hat das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus in seiner Aussage ausdrücklich bestätigt. Er hat auch erklärt, dass sich dieser Mechanismus nicht auf die GIS-Projekte in den Stammländern, d. h. in Japan und bestimmten europäischen Ländern, bezogen habe. Dagegen hat er nicht vorgetragen, dass das Bestehen oder die Relevanz dieses Mechanismus durch den Umstand in Frage gestellt werde, dass die japanischen Unternehmen seiner Ansicht nach kein wirtschaftliches Interesse an einem Eindringen in den EWR-Markt gehabt hätten.

172    Auch in den Erklärungen von ABB wurde das Bestehen eines Mechanismus zur Anrechnung des Werts von GIS-Projekten im EWR auf das im GQ-Abkommen festgeschriebene weltweite Kontingent bestätigt.

173    Im Hinblick auf das EQ-Abkommen wurde oben in Randnr. 157 festgestellt, dass Punkt 4 des Abschnitts „E (E-Members)“ seines Anhangs 2 die etwaige Übermittlung von Informationen vor der Zuteilung der betreffenden GIS-Projekte regelte. Dagegen betrifft diese Bestimmung nicht die Weiterverfolgung bereits zugeteilter Projekte. Der Inhalt dieser Bestimmung ist daher zwar ein Indiz dafür, dass die japanischen Hersteller hinsichtlich der Durchführung bestimmter GIS-Projekte im EWR als ernsthafte Wettbewerber angesehen wurden, die von ihr vorgesehenen Maßnahmen sind jedoch nicht Teil des Melde- und Anrechnungsmechanismus, wie er von der Kommission behauptet wird. Anhang 2 des EQ-Abkommens ist daher für den Nachweis dieses Mechanismus nicht einschlägig.

174    Wie die Klägerin außerdem zu Recht geltend macht, geht aus der von ABB übermittelten Projektliste nicht hervor, dass GIS-Projekte im EWR den japanischen Herstellern regelmäßig gemeldet wurden. Daher ist diese Liste ebenfalls kein Beweis für den Melde- und Anrechnungsmechanismus.

175    Zu den Angaben von Hitachi ist anzumerken, dass sich die Erklärung, Siemens habe regelmäßig Tabellen in Umlauf gebracht, in denen ein Teil der den einzelnen Kartellmitgliedern zugeteilten GIS-Projekte schematisch dargestellt worden sei, in Verbindung mit den der Erklärung unmittelbar vorangehenden Sätzen auf GIS-Projekte außerhalb des EWR bezieht. Diese Erklärung ist daher für den Nachweis des von der Kommission angeführten Melde- und Anrechnungsmechanismus für GIS-Projekte im EWR ebenfalls nicht relevant.

176    In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hat Hitachi hingegen erklärt, dass die europäischen Hersteller, bevor Hitachi ihre Beteiligung am Kartell 1999 aussetzte, den japanischen Herstellern die Einzelheiten über GIS-Projekte mitgeteilt hätten, die sie in Europa durchführen wollten, damit diese Projekte bei der Ermittlung des nach dem GQ-Abkommen den beiden Herstellergruppen jeweils zugeteilten Kontingents an GIS-Projekten außerhalb des EWR hätten berücksichtigt werden können.

177    Diese Erklärung bestätigt ausdrücklich das Bestehen des von der Kommission angeführten Melde- und Anrechnungsmechanismus bis 1999. Darüber hinaus ist sie aus zwei Gründen sehr beweiskräftig. Zum einen widerspricht diese Erklärung den Interessen von Hitachi, da sie eine Verbindung zwischen den Kartellaktivitäten innerhalb des EWR und den japanischen Herstellern impliziert; sie stellt daher ein belastendes Beweismittel dar. Zum anderen zeigt die betreffende Passage in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass Hitachi die Schlüsse, die aus dieser Erklärung gezogen werden konnten, nicht bewusst waren.

178    Wie im Übrigen oben in Randnr. 55 festgestellt, hat Hitachi den sachlichen Inhalt der Erklärungen, die sie zum Melde- und Anrechnungsmechanismus abgegeben hat, in ihrer zusätzlichen Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht widerrufen.

179    Fuji wiederum hat in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass die Angaben über die Aufteilung der GIS-Projekte in den vom Anwendungsbereich des GQ-Abkommens ausgenommenen europäischen Ländern den japanischen Herstellern nicht systematisch übermittelt worden seien und Fuji daher über das Funktionieren des EQ-Abkommens nicht auf dem Laufenden gewesen sei. Das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus ist auch von der Klägerin bestritten worden, wie u. a. aus dem Auszug der Niederschrift über ihre Anhörung hervorgeht.

180    Es ist jedoch zum einen festzustellen, dass die Stellungnahmen von Fuji und der Klägerin ihren Interessen nicht zuwiderlaufen, da sie darauf gerichtet sind, das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens zu bestreiten. Folglich haben sie einen geringeren Beweiswert als die relevanten Angaben von ABB und Hitachi.

181    Zum anderen kann die oben in Randnr. 144 angeführte untergeordnete Rolle, die Fuji innerhalb des Kartells zukam, die Tatsache erklären, dass Fuji nicht an jedem von der europäischen Herstellergruppe ausgehenden Informationsaustausch beteiligt war. Durch diesen Umstand wird auch die Verlässlichkeit der Erklärungen von Fuji hierzu im Vergleich zu den Angaben von ABB und Hitachi, die Mitglieder der Ausschüsse ihrer jeweiligen Gruppe waren und aus diesem Grund stärker in die einzelnen Aktivitäten des behaupteten Kartells eingebunden wurden, in Frage gestellt.

182    Darüber hinaus erforderte der Melde- und Anrechnungsmechanismus zwar bestimmte Durchführungsmaßnahmen, diese waren jedoch nicht besonders kompliziert, da sie im Wesentlichen aus der Übermittlung bestimmter Angaben durch die europäische Gruppe an die japanische Gruppe bestanden, die außerdem parallel zur Übermittlung von Angaben nach dem GQ-Abkommen zu den GIS-Projekten außerhalb des EWR erfolgte. Folglich ist nicht ersichtlich, dass diese Durchführungsmaßnahmen schriftliche Regeln erfordert hätten, insbesondere da die Beteiligten einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung ein Interesse daran haben, die Gefahr der Aufdeckung des Kartells zu verringern.

183    Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus durch die Angaben von ABB, so wie sie durch die Erklärungen von Hitachi in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhärtet wurden, rechtlich hinreichend nachgewiesen ist.

184    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin folgt aus den in der vorstehenden Randnummer angeführten Umständen nicht, dass der Melde- und Anrechnungsmechanismus gelegentlich und nach freiem Ermessen durchgeführt wurde. In den Erklärungen von ABB und Hitachi und der Aussage von Herrn M. wird dieses Thema zwar nicht ausdrücklich angesprochen, doch geht aus den in diesen Schriftstücken verwendeten Formulierungen eindeutig hervor, dass die Meldung ein regelmäßiger Vorgang war, der für alle Beteiligten und alle betreffenden Projekte galt. Wie oben in Randnr. 181 ausgeführt, sind die Erklärungen von Fuji hierzu weniger verlässlich als die Angaben von ABB und Hitachi. Außerdem ist bereits oben in Randnr. 173 festgestellt worden, dass Anhang 2 des EQ-Abkommens nicht die Meldung und Anrechnung betrifft, wie sie die Kommission behauptet, und daher insoweit nicht relevant ist.

185    Was den Zeitraum der Durchführung des Melde- und Anrechnungsmechanismus anbelangt, beziehen sich die Erklärungen von ABB nicht auf einen besonderen Zeitraum und können daher ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass sie sich auf die gesamte Zuwiderhandlung beziehen. Die Erklärungen von Herrn M. beziehen sich auf den Zeitraum, in dem er an den Kartellaktivitäten beteiligt war, d. h. zwischen 1988 und Juni 2002. Soweit jedoch oben in Randnr. 90 festgestellt worden ist, dass die Angaben von ABB durch andere Beweise erhärtet werden müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die Erklärungen von Hitachi den Zeitraum betreffen, der vor dem Zeitpunkt liegt, in dem sie ihre Beteiligung am Kartell im Jahr 1999 unterbrach. Daher ist das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus für den letztgenannten Zeitraum als nachgewiesen anzusehen.

186    Was die Erheblichkeit des Melde- und Anrechnungsmechanismus für den Nachweis der Übereinkunft betrifft, ist dieser als gewichtiges Indiz dafür anzusehen, dass die japanischen Hersteller von den europäischen Herstellern als ernsthafte Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen wurden. Wäre nämlich für die japanischen Hersteller ein Eindringen in den europäischen Markt aufgrund von Zutrittsschranken tatsächlich unmöglich gewesen, hätten die europäischen Hersteller keinen Grund gehabt, die Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR zu melden und, a fortiori, diese auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen anzurechnen, da diese Anrechnung darauf hinauslief, ihnen einen Teil der GIS-Projekte in den vom GQ-Abkommen erfassten Gebieten zu nehmen. Das Bestehen eines solchen Melde- und Anrechnungsmechanismus bedeutet daher, dass die japanischen Hersteller in den europäischen Markt hätten eindringen können. Wenn sie dies nicht taten, so deshalb, weil sie sich dazu verpflichtet hatten, um im Gegenzug einen größeren Anteil an den GIS-Projekten außerhalb des EWR zu erhalten. Der fragliche Mechanismus stellt daher das Bindeglied zwischen den Kartellaktivitäten innerhalb des EWR und den japanischen Unternehmen und somit einen mittelbaren Nachweis für das Bestehen der Übereinkunft dar.

187    Die Frage, ob der Melde- und Anrechnungsmechanismus Auswirkungen auf den EWR-Markt hatte, ist im vorliegenden Fall nicht von Interesse. Wie oben in Randnr. 97 ausgeführt, beruht der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin erhobene Vorwurf auf der mittelbar durch das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus nachgewiesenen Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den EWR-Markt einzudringen. Hingegen ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, dass dieser Mechanismus nach Ansicht der Kommission eine selbständige Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens darstellt.

188    Ferner ist der Nachweis, dass der Melde- und Anrechnungsmechanismus nicht die GIS-Projekte in den europäischen Stammländern betraf, nicht erforderlich, um diesen Mechanismus aufgrund der oben in Randnr. 186 angeführten Erwägungen als ein relevantes Indiz für das Bestehen der Übereinkunft anzusehen. Es bleibt daher ohne Folgen, dass die entsprechende Aussage von Herrn M. möglicherweise nicht erhärtet worden ist.

189    Nach alledem ist durch die Erklärungen von ABB und Hitachi und die Aussage von Herrn M. nachgewiesen, dass von 1988 bis zur Unterbrechung der Kartellbeteiligung von Hitachi im Jahr 1999 der Gruppe der japanischen Hersteller regelmäßig bestimmte GIS-Projekte im EWR nach ihrer Zuteilung gemeldet und auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen angerechnet wurden. Darüber hinaus stellt der fragliche Mechanismus einen mittelbaren Beweis für das Bestehen der von der Kommission angeführten Übereinkunft dar.

 Zu den Angaben, die das Bestehen der Übereinkunft widerlegen sollen

–       Vorbringen der Parteien

190    Die Klägerin macht erstens geltend, aus der Akte gehe hervor, dass Hitachi bei dem Treffen am 15. Juli 2002 den von Alstom unterbreiteten Vorschlag, eine Übereinkunft zu treffen, abgelehnt habe.

191    Zweitens sei das Bestehen der Übereinkunft nicht nur von der Klägerin, sondern auch von Hitachi, Melco, VA TECH und Siemens bestritten worden. Insbesondere habe Siemens die Erklärung von Herrn T., einem an den Kartellaktivitäten beteiligten Mitarbeiter, vorgelegt, wonach es keine Vereinbarung über die gegenseitige Vorbehaltung des japanischen bzw. europäischen Markts gegeben habe. In der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission diesen Umstand jedoch außer Acht gelassen und sich stattdessen auf die widersprüchlichen Angaben von ABB gestützt.

192    Darüber hinaus habe das Bestehen der Übereinkunft für die europäischen Hersteller, die das Bestehen eines europäischen Kartells eingeräumt hätten, größtenteils keine Bedeutung gehabt. Vor diesem Hintergrund sei ihr Schweigen vorhersehbar gewesen, da sie ein Interesse daran gehabt hätten, möglichst wenige Tatsachen zu bestreiten, um den Erfolg ihrer Anträge nach der Kronzeugenregelung nicht zu gefährden.

193    Drittens wirft die Klägerin der Kommission vor, dass sie das Abkommen „General Rules for GE Agreement“ (im Folgenden: GE-Abkommen) nicht berücksichtigt habe, das die europäischen Hersteller am 17. März 1987 geschlossen hätten, um die GIS-Projekte in Europa unter sich aufzuteilen.

194    Das Bestehen eines Abkommens über GIS-Projekte in Europa, das dem GQ-Abkommen vorausgegangen sei, stehe erstens im Widerspruch zur Behauptung der Kommission, wonach die Übereinkunft die europäischen Hersteller bei der Organisation des Kartells für die genannten Projekte unterstützt habe. Zweitens werde auch die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, die weltweite Zuteilung von GIS-Projekten habe mit der Zuteilung des japanischen Markts an die japanischen Hersteller und des europäischen Markts an die europäischen Hersteller begonnen, durch das Bestehen des GE-Abkommens in Frage gestellt. Die Absprache habe vielmehr bereits begonnen, als die europäischen Hersteller den europäischen Markt unter sich aufgeteilt hätten. Drittens hätten die europäischen Hersteller, da sie ein Kartell über GIS-Projekte in Europa durchgeführt hätten, kein Interesse daran gehabt, mit japanischen Unternehmen, die nicht als ernsthafte Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen worden seien, diese Projekte zu teilen oder die Übereinkunft abzuschließen.

195    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

196    Erstens ist. wie bereits oben in Randnr. 155 festgestellt worden ist, davon auszugehen, dass Alstom bei dem Treffen vom 10. Juli 2002 die Ausdehnung der von der Kommission behaupteten Übereinkunft auf die Länder Mittel‑ und Osteuropas vorschlug. Dieser Umstand erhärtet das Bestehen der „Übereinkunft“.

197    Zweitens hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie feststellte, dass den Erklärungen und Aussagen von ABB, den Erklärungen von Fuji zum Bestehen der Übereinkunft und den Erklärungen von Hitachi zur Meldung und Anrechnung höherer Beweiswert beizumessen sei als dem Bestreiten des Bestehens der Übereinkunft durch die Klägerin, Hitachi, Melco, VA TECH und Siemens.

198    Im Unterschied zur ersten Gruppe von Beweisstücken widerspricht nämlich das Vorbringen der Letztgenannten nicht deren Interessen, da es darauf abzielt, das Vorliegen jeder Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die Aussage von Herrn T., bei der dieser sich darauf beschränkt hat, die Entstehung des GQ-Abkommens darzulegen, das Bestehen der Übereinkunft zu bestreiten und auf die Zutrittsschranken sowohl zum EWR-Markt als auch zum japanischen Markt hinzuweisen. Insbesondere zur Übereinkunft enthält die Aussage von Herrn T. im Vergleich zu den Angaben der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte nichts Neues.

199    Außerdem ist nicht anzunehmen, dass die europäischen Unternehmen einschließlich Siemens kein Interesse daran gehabt hätten, das Bestehen der Übereinkunft zu bestreiten, da diese von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als Kartellabsprache zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern über den EWR-Markt angesehen wurde und daher eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens darstellte. Eine solche Feststellung war jedoch für die europäischen Hersteller nachteilig, zumindest potenziell, wenn nämlich die übrigen gegen sie von der Kommission erhobenen Vorwürfe nicht hätten rechtlich hinreichend nachgewiesen werden können.

200    Drittens basiert die Argumentation, die die Klägerin zum GE-Abkommen vorträgt, auf der Prämisse, dass das GE-Abkommen unabhängig vom GQ-Abkommen und der Übereinkunft unterzeichnet und durchgeführt wurde. Das GE-Abkommen ist unstreitig vor dem GQ- und dem EQ-Abkommen geschlossen worden. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht mit den anderen Bestandteilen des von der Kommission behaupteten weltweiten Kartells verbunden war.

201    Das GE-Abkommen sollte nämlich ursprünglich nach seinem Art. 15 eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten des GQ-Abkommens sein und, sollte dieses nicht in Kraft treten, nach dem 31. Dezember 1988 neu verhandelt werden. Somit sahen die Parteien des GE-Abkommens bei seinem Abschluss bereits die Errichtung des weltweiten Kartells und seiner einzelnen Bestandteile, zu denen nach dem Vorbringen der Kommission auch die Übereinkunft gehörte, voraus. Dies wird durch die Aussage von Herrn M. erhärtet, wonach das weltweite Kartell mehrere Jahre vor dem Abschluss des GQ-Abkommens Gegenstand komplexer Verhandlungen gewesen sei.

202    Laut Herrn M. bestand außerdem die gegenseitige Verpflichtung der beiden Herstellergruppen, nicht in die angestammten Märkte der jeweils anderen Gruppe einzudringen, die den wesentlichen Inhalt der von der Kommission angeführten Übereinkunft ausmacht, schon vor dem Abschluss des GQ-Abkommens. Diese Verpflichtung konnte daher von den europäischen Herstellern beim Abschluss des GE-Abkommens berücksichtigt werden.

203    Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass das GE-Abkommen das Bestehen der von der Kommission angeführten Übereinkunft in Frage stellt.

 Gesamtwürdigung

204    Aus der oben in den Randnrn. 111 bis 189 durchgeführten Prüfung geht zunächst hervor, dass in den Erklärungen von ABB und den Aussagen ihrer Mitarbeiter sowie ihres ehemaligen Mitarbeiters das Bestehen einer Übereinkunft beschrieben wird, nach der die europäischen und die japanischen Hersteller sich gegenseitig verpflichteten, nicht in die angestammten Märkte der jeweils anderen Gruppe einzudringen. Diese Äußerungen ermöglichen auch die Ermittlung der Parteien dieser Übereinkunft sowie den Schluss, dass die Übereinkunft zwar wahrscheinlich vor, aber spätestens gleichzeitig mit dem GQ-Abkommen geschlossen wurde.

205    Sodann wird das Bestehen dieser gegenseitigen Übereinkunft durch den Vorschlag erhärtet, den Alstom beim Treffen vom 10. Juli 2002 gemacht hatte. Auch die Erklärungen von Fuji untermauern das Bestehen der Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den europäischen Markt einzudringen.

206    Nach den Erklärungen und der Aussage von ABB, erhärtet durch die Erklärungen von Hitachi, haben schließlich die japanischen Hersteller zumindest für den Zeitraum 1988 bis 1999 die regelmäßige Meldung der Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR und ihre Anrechnung auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen akzeptiert. Ferner sahen die europäischen Hersteller in Punkt 4 des Teils „E (E-Members)“ des Anhangs 2 des EQ-Abkommens die Möglichkeit vor, den japanischen Herstellern die Einzelheiten zu bestimmten GIS-Projekten im EWR vor ihrer Zuteilung mitzuteilen. Diese beiden Umstände deuten darauf hin, dass die japanischen Hersteller hinsichtlich der Durchführung bestimmter GIS-Projekte im EWR als ernsthafte Wettbewerber angesehen wurden, sich jedoch verpflichteten, nicht in den europäischen Markt einzudringen, um im Gegenzug einen größeren Anteil an den GIS-Projekten in anderen Regionen zu erhalten. Sie stellen daher mittelbare Beweise für das Bestehen des gegenseitigen Übereinkommens zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern dar.

207    Die von der Kommission geltend gemachten Umstände stützen daher ihr oben in Randnr. 96 zusammengefasstes Vorbringen zum Bestehen der Übereinkunft. Dagegen können die Umstände, die von der Klägerin geltend gemacht werden und oben in den Randnrn. 196 bis 203 gewürdigt wurden, dieses Vorbringen nicht in Frage stellen. Somit ist festzustellen, dass das Bestehen der Übereinkunft rechtlich hinreichend nachgewiesen ist.

208    Dieses Ergebnis impliziert, dass die Rügen der Klägerin, die Kommission habe den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt und ihre Zuständigkeit überschritten, zurückzuweisen sind, wie dies oben in Randnr. 101 dargelegt worden ist.

209    Da die Kommission nicht allein aus dem Marktverhalten der fraglichen Unternehmen auf das Vorliegen der vorgeworfenen Zuwiderhandlung geschlossen hat, reicht es nicht aus, wenn die Klägerin für den Sachverhalt eine andere plausible Erklärung als die Kommission vorträgt. Daher ist die alternative Erklärung der Klägerin für das Vorliegen dieser Zuwiderhandlung nicht relevant.

210    Demgemäß ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

211    Darüber hinaus geht aus den vorstehenden Erwägungen hervor, dass die Kommission das Bestehen der Übereinkunft feststellen konnte, ohne die Stellungnahme von Fuji vom 21. November 2006 als Belastungsmaterial zu berücksichtigen. Daher sind im Einklang mit den Ausführungen oben in Randnr. 53 der zweite Teil des dritten Klagegrundes, mit dem eine Verletzung des Rechts auf Aktenzugang geltend gemacht wird, und folglich der dritte Klagegrund insgesamt im Ergebnis zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: fehlender Nachweis des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung durch die Kommission

212    Im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliege, die das GQ-Abkommen, die Übereinkunft und die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen der europäischen Hersteller im EWR umfasse. Im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, dass die Kommission weder das Bestehen des Kartells zwischen September 1999 und dem 25. März 2002 noch die Beteiligung der Klägerin an dem Kartell in diesem Zeitraum nachgewiesen habe.

213     Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

 Zum ersten Teil: Nachweis einer einheitlichen Zuwiderhandlung

–       Vorbringen der Parteien

214    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe, selbst wenn man annehme, dass sie das Bestehen der Übereinkunft angemessen nachgewiesen habe, nicht belegt, dass sich die Klägerin an der Aufteilung der Projekte, den Angebotsabsprachen, Preisfestsetzungen und sonstigen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die innerhalb des EWR von den europäischen Herstellern beschlossen worden seien, habe beteiligen wollen. Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich die europäischen Hersteller bemüht hätten, die Aktivitäten des im EQ-Abkommen geregelten europäischen Kartells vor den japanischen Herstellern zu verheimlichen, und dass sie sogar ein detailliertes Nichtoffenlegungsabkommen ausgearbeitet hätten.

215    Folglich seien die Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung vorliegen müssten, damit ein Unternehmen für alle Bestandteile einer Zuwiderhandlung und insbesondere in der vorliegenden Rechtssache für das Verhalten der europäischen Hersteller haftbar gemacht werden könne, nicht erfüllt. Die Klägerin habe niemals an Sitzungen zu den Aktivitäten des Kartells im EWR teilgenommen. Ferner habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Klägerin durch ihr Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele habe beitragen wollen. Allein die Möglichkeit für die Kommission, auf das Bestehen eines abgesprochenen Verhaltens innerhalb des EWR zu schließen, reiche insoweit nicht aus.

216    Außerdem sei die Kommission nicht für die Verfolgung und Ahndung von Vereinbarungen zuständig, die − wie z. B. das GQ-Abkommen − keine Beschränkung des Wettbewerbs im EWR bezweckten oder bewirkten.

217    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

218    Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG ergeben sich notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, die zwar alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, deren Beteiligung aber insbesondere in Abhängigkeit von den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung des einzelnen Unternehmens auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung verschiedene Formen aufweisen kann. Jedoch kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die gesamte Zuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das zwar von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt wurde, aber dieselbe wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung hat, nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnrn. 79 f.). Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens.

219    So ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die unter den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG fallen und die einen Beitrag zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit leisten sollten, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hatte, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und wenn es bereit war, das daraus erwachsende Risiko einzugehen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 218 angeführt, Randnr. 83). Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens.

220    Im vorliegenden Fall waren, wie die Prüfung des ersten Klagegrundes ergeben hat, die japanischen Unternehmen − darunter die Klägerin − neben den europäischen Unternehmen an der Übereinkunft beteiligt, die eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens über den europäischen Markt für GIS-Projekte war. Folglich fiel es in die Zuständigkeit der Kommission, die Beteiligung der Klägerin an dieser Vereinbarung zu verfolgen und zu sanktionieren. Im Übrigen impliziert das Bestehen der Übereinkunft, dass die japanischen Unternehmen darüber Bescheid wussten, dass die GIS-Projekte im EWR den europäischen Herstellern vorbehalten waren.

221    Insoweit ist der Umstand, dass die Klägerin nicht an konkreten Kartellmaßnahmen im EWR beteiligt war, nicht relevant. Angesichts der Natur ihrer Verpflichtung aus der Übereinkunft wäre ihre Beteiligung an diesen Handlungen nicht sinnvoll gewesen. Die japanischen Hersteller hatten nämlich kein Interesse daran, bei der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR, zu deren Ablehnung sie sich verpflichtet hatten, tätig zu werden. Ihr einziges Interesse hätte darin bestanden, den Wert der betreffenden Projekte zu kennen und zu wissen, wem sie zugeteilt wurden, um die Anrechnung auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen verfolgen zu können. Zumindest im Zeitraum zwischen 1988 und 1999 wurden diese Informationen den japanischen Herstellern aber über den Meldemechanismus mitgeteilt.

222    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die passive Rolle der japanischen Hersteller nicht auf ihre freie Entscheidung, sondern auf die Form ihrer Beteiligung am Abkommen über den Markt im EWR zurückzuführen war. Diese Beteiligung war jedoch eine Vorbedingung dafür, dass die GIS-Projekte im EWR entweder nach dem Grundsatz des Schutzes der Stammländer oder nach dem GE-Abkommen unter den europäischen Herstellern aufgeteilt werden konnten.

223    Ferner deuten die Erklärungen von ABB und die Aussage von Herrn M. darauf hin, dass zwar die Übereinkunft im GQ-Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt war, jedoch seiner Durchführung zugrunde lag, da durch sie das für das Funktionieren des weltweiten Kartells erforderliche Vertrauen geschaffen werden konnte. Die Verbindung zwischen der Übereinkunft und dem GQ-Abkommen wird durch die Aussage von Herrn V.-A. bestätigt, der zufolge bei einem Treffen gemäß dem GQ-Abkommen zwischen den europäischen Unternehmen und einem Vertreter der japanischen Unternehmen die Notwendigkeit der Einhaltung der Übereinkunft erörtert wurde.

224    Sodann stellt der Melde- und Anrechnungsmechanismus ein Bindeglied zwischen den Kartellaktivitäten der europäischen Unternehmen innerhalb des EWR und dem weltweiten Kartell nach dem GQ-Abkommen dar. Über diesen Mechanismus wurden nämlich die Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR im Rahmen der Zuteilung der Projekte in anderen Regionen nach dem GQ-Abkommen berücksichtigt. Das Bestehen des betreffenden Mechanismus ist durch die Erklärungen und Zeugenaussagen von ABB und die Erklärungen von Hitachi belegt.

225    Insoweit folgt aus den von den Klägerinnen angeführten Umständen nicht, dass das Geheimhaltungsabkommen zwischen den europäischen Herstellern tatsächlich geschlossen wurde, und erst recht nicht, dass der Informationsaustausch zwischen den beiden Herstellergruppen dadurch beeinträchtigt wurde.

226    Ferner ist aufgrund der regelmäßigen Meldungen der Ergebnisse der Ausschreibungen für bestimmte GIS-Projekte im EWR, die zumindest von 1988 bis 1999 erfolgten, davon auszugehen, dass die japanischen Unternehmen vernünftigerweise annehmen konnten, dass die Zuteilung der GIS-Projekte innerhalb des EWR unter den europäischen Herstellern das Ergebnis eines wettbewerbswidrigen Verhaltens war. Dass einer Herstellergruppe mehrere Jahre lang ohne ersichtlichen Grund regelmäßig die Ergebnisse der Ausschreibungen mitgeteilt werden, an denen die Mitglieder einer anderen Herstellergruppe desselben Industriezweigs teilgenommen haben, geht nämlich über ein normales Wettbewerbsverhalten hinaus. Die Meldungen hätten somit Zweifel hinsichtlich der Bedingungen wecken müssen, unter denen die betreffenden GIS-Projekte vergeben wurden. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Ergebnissen einer Ausschreibung nicht zwingend um öffentliche Daten handelt, insbesondere, wenn es um Ausschreibungen privater Unternehmen und Einzelheiten des angenommenen Angebots geht.

227    Die Kommission hat hierzu in Randnr. 277 der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass eine eventuelle spätere Unterbrechung der Meldungen an der Kenntnis der japanischen Unternehmen von der Wettbewerbswidrigkeit der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR, die sie aufgrund des Meldemechanismus zwischen 1988 und 1999 gehabt hätten, nichts hätte ändern können. Dies gilt auch für TM T & D. Sie führte nämlich die GIS-Geschäfte ihrer Anteilsinhaber fort, die beide am Kartell beteiligt waren. Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass sie in Bezug auf die Zuteilung von GIS-Projekten im EWR über dasselbe Wissen verfügte wie diese Anteilsinhaber.

228    Außerdem wurden die Übereinkunft, das weltweite Kartell nach dem GQ-Abkommen und die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR nebeneinander durchgeführt, sie betrafen dieselben Produkte, und es waren an ihnen dieselben europäischen Hersteller sowie, was die Übereinkunft und das GQ-Abkommen betrifft, dieselben japanischen Hersteller beteiligt. Die verschiedenen Maßnahmen hatten zudem ein und denselben Zweck, nämlich die Einführung eines Systems zur Aufteilung des Weltmarkts für GIS-Projekte und die Aufteilung dieser Projekte unter den verschiedenen Beteiligten.

229    Nach alledem ist somit festzustellen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie feststellte, dass die Übereinkunft, das weltweite Kartell nach dem GQ-Abkommen und die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellten, mit der ein gemeinsamer Zweck verfolgt wurde. Folglich ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Nachweis einer fortgesetzten Zuwiderhandlung und einer fortgesetzten Beteiligung der Klägerin an dieser Zuwiderhandlung

–       Vorbringen der Parteien

230    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Klägerin in dem Zeitraum, in dem die anderen Unternehmen nicht am GQ-Abkommen teilgenommen hätten, d. h. zwischen September 1999 und dem 25. März 2002, am GQ-Abkommen beteiligt gewesen sei.

231    Zunächst sei das Kartell in diesem Zeitraum wegen des Fernbleibens insbesondere von Siemens „zerfallen“, und die Treffen gemäß dem GQ-Abkommen hätten sich zu einem mehr oder weniger informellen Diskussionsforum entwickelt, das keine wettbewerbswidrigen Ziele oder Auswirkungen gehabt habe.

232    Sodann habe die Klägerin im betreffenden Zeitraum nicht am GQ-Abkommen teilgenommen. Dieser Umstand werde durch die Erklärung von Areva bestätigt, wonach es 2002 notwendig gewesen sei, TM T & D für Gespräche zum GIS-Markt zu kontaktieren, was impliziere, dass TM T & D nicht an den laufenden Gesprächen beteiligt gewesen sei. Darüber hinaus sei die Erklärung von ABB zur Fortsetzung des Kartells zwischen September 1999 und März 2002 widersprüchlich, da ABB gleichzeitig sowohl behaupte, dass die Klägerin die Geschäfte des Kartells fortgeführt habe, als auch, dass TM T & D sich später zum gleichen Zeitpunkt wie u. a. Siemens wieder dem Kartell angeschlossen habe. Zudem sei die Erklärung von ABB nicht erhärtet worden und stamme von einem Unternehmen, das einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt habe.

233    Schließlich verweise die Kommission, wenn sie auf das Kartell im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitraum Bezug nehme, auf das GQ-Abkommen und eventuell die Vereinbarungen zwischen den europäischen Unternehmen, jedoch nicht auf die Übereinkunft.

234    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

–       Würdigung durch das Gericht

235    Nach der Rechtsprechung bedeutet bei einem Streit über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung das Erfordernis der Rechtssicherheit, auf die die Wirtschaftsteilnehmer Anspruch haben, dass die Kommission, der die Beweislast für die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen obliegt, Beweismaterial beibringen muss, mit dem sie rechtlich hinreichend das Vorliegen eines Sachverhalts belegen kann, der eine Zuwiderhandlung darstellt. Für die behauptete Dauer der Zuwiderhandlung verlangt dieser Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die Kommission, soweit es an Beweismaterial fehlt, mit dem die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, zumindest Beweismaterial beibringt, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist (Urteile des Gerichts vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T‑43/92, Slg. 1994, II‑441, Randnr. 79, vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 188, und vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnrn. 114 und 153).

236    Auch wenn der Beweis für die Existenz einer fortgesetzten Zuwiderhandlung für bestimmte Zeiträume nicht erbracht wurde, kann davon ausgegangen werden, dass die Zuwiderhandlung während eines längeren Gesamtzeitraums fortbestand, sofern eine solche Feststellung auf objektiven und übereinstimmenden Indizien beruht. Im Rahmen einer Zuwiderhandlung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, bleibt die Tatsache, dass sich das Kartell während verschiedener Zeitabschnitte manifestiert, die durch mehr oder weniger lange Zwischenräume voneinander getrennt sein können, ohne Einfluss auf den Bestand dieses Kartells, sofern mit den verschiedenen Maßnahmen, die Teil dieser Zuwiderhandlung sind, im Rahmen einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung das gleiche Ziel verfolgt wird (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Technische Unie/Kommission, C‑113/04 P, Slg. 2006, I‑8831, Randnr. 169).

237    Was die Fortsetzung des Kartells zwischen September 1999 und März 2002 betrifft, ist vorab festzustellen, dass es naturgemäß schwierig ist, einen Nachweis für die fortgesetzte Einhaltung der Übereinkunft zu erbringen, da sich die japanischen Unternehmen im Rahmen der Übereinkunft nicht zu einer positiven Handlung, sondern zu einem Unterlassen verpflichtet hatten.

238    Erstens geht jedoch aus der Aussage von Herrn M. hervor, dass sowohl das GQ-Abkommen als auch die Übereinkunft bis zur Beendigung seiner Einbindung in das Kartell im Juni 2002 unter Beteiligung der japanischen Unternehmen mit Ausnahme von Hitachi weiter durchgeführt wurden, auch wenn die Durchführung mangels Teilnahme von Hitachi und Siemens weniger Wirkung entfaltete. Dies ergibt sich auch aus den Erklärungen von ABB.

239    Zweitens hat Fuji in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass die japanischen Unternehmen bis September 2000, dem Zeitpunkt, an dem Fuji das Kartell verlassen haben will, an der Zuwiderhandlung, einschließlich der Übereinkunft, beteiligt waren.

240    Drittens ist oben in Randnr. 155 festgestellt worden, dass Alstom bei dem Treffen vom 10. Juli 2002 die Ausdehnung der Übereinkunft auf die Länder Mittel- und Osteuropas vorschlug. Dieser Umstand impliziert, dass die Übereinkunft sowohl zum Zeitpunkt des Treffens als auch während eines gewissen Zeitraums vor dem Treffen existierte.

241    Viertens ist das dauerhafte Fernbleiben japanischer Hersteller vom europäischen Markt für GIS-Projekte während des betreffenden Zeitraums ebenfalls ein Indiz, das darauf hindeutet, dass die Übereinkunft weiter durchgeführt wurde.

242    Fünftens ist der Beweis der fortgesetzten Durchführung des GQ-Abkommens zwischen September 1999 und März 2002 ein relevantes Indiz dafür, dass auch die Übereinkunft während des genannten Zeitraums durchgeführt wurde, da im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes festgestellt worden ist, dass die Kommission keinen Fehler beging, als sie das Bestehen einer einheitlichen Zuwiderhandlung, die u. a. die Übereinkunft und das GQ-Abkommen beinhaltet, feststellte. Da es sich um eine einzige Zuwiderhandlung handelte, ist es nämlich plausibel, dass die Nichtfortsetzung der Übereinkunft die Funktionsweise des GQ-Abkommens beeinträchtigt hätte.

243    Die Klägerin hat jedoch die Feststellungen in den Randnrn. 191 bis 196 der angefochtenen Entscheidung nicht beanstandet, wonach ABB, Alstom und Melco im Dezember 2000 und im Januar 2001 eine Reihe von Faxen betreffend die Zuteilung von Projekten nach dem GQ-Abkommen austauschten.

244    Darüber hinaus hat die Klägerin in Bezug auf die in Randnr. 197 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Treffen nach dem GQ-Abkommen bestätigt, dass sie an den Treffen am 18. Mai, 13. Juli und 14. September 2000 teilgenommen habe. Dagegen hat sie bestritten, dass die anderen aufgeführten Treffen stattgefunden haben.

245    Schließlich bestreitet die Klägerin nicht, dass die in Randnr. 198 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten GIS-Projekte nach dem GQ-Abkommen zugeteilt wurden, und sie trägt keine Umstände vor, die darauf schließen lassen, dass sie von den Ergebnissen der Zuteilungen Abstand nahm oder sich nicht daran hielt. Diese Zuteilungen implizieren jedoch, dass das Kartell zwischen dem 27. August 1998 als dem Zeitpunkt, zu dem das Abkommen über das in Randnr. 198 Buchst. h der angefochtenen Entscheidung angeführte Projekt abgeschlossen wurde, und dem 12. Oktober 2001 als dem Zeitpunkt, zu dem das Abkommen über das in Randnr. 198 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung angeführte Projekt abgeschlossen wurde, aktiv war oder zumindest Wirkungen entfaltete. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 81 EG anwendbar ist, wenn die Wirkungen eines Kartells weiter angehalten haben, ohne dass es förmlich beendet worden ist (Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, ICI/Kommission, T‑13/89, Slg. 1992, II‑1021, Randnr. 254, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Acerinox/Kommission, T‑48/98, Slg. 2001, II‑3859, Randnr. 63). Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens.

246    Im Licht dieser Umstände kann dem Vorbringen der Klägerin, während des betreffenden Zeitraums seien die Treffen gemäß dem GQ-Abkommen zu einem Diskussionsforum geworden, das keine wettbewerbswidrigen Ziele oder Auswirkungen gehabt habe, unabhängig von der Frage, ob dieses Vorbringen im Verwaltungsverfahren erfolgt ist, nicht gefolgt werden. Dies gilt umso mehr, als das Vorbringen durch keine anderen Beweise als die nicht erhärteten Erklärungen von Melco untermauert wird.

247    Folglich beziehen sich die Beweise, die die Kommission für die Durchführung der Übereinkunft und des GQ-Abkommens zwischen September 1999 und März 2002 anführt, auf Fakten, die zeitlich ausreichend nahe beieinander liegen. Dies bedeutet, dass der Nachweis für eine fortgesetzte Zuwiderhandlung im Hinblick auf den betreffenden Zeitraum erbracht wurde.

248    Darüber hinaus betreffen die oben in den Randnrn. 238 bis 245 angeführten Umstände sowohl die Durchführung der Übereinkunft und des GQ-Abkommens im Allgemeinen als auch die persönliche Beteiligung der Klägerin an den fraglichen Abkommen. Im Übrigen wird die Klägerin im Rahmen bestimmter Projekte, die in der in Randnr. 198 der angefochtenen Entscheidung angeführten Liste, deren Inhalt die Klägerin nicht bestritten hat, erwähnt werden, als Sekretariat der Gruppe der japanischen Hersteller bezeichnet. Dieser Umstand impliziert jedoch, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Zuteilung der betreffenden Projekte aktiv am GQ-Abkommen beteiligt war.

249    In diesem Zusammenhang lassen sich die Verweise auf die Notwendigkeit, TM T & D im Rahmen der Verhandlungen, die 2002 stattfanden, zu kontaktieren, und auf den Umstand, dass sie sich 2002 wieder dem Kartell anschloss, dadurch erklären, dass sich das Gemeinschaftsunternehmen von Toshiba und Melco in diesem Zeitraum in der Gründungsphase befand, um anschließend die GIS-Geschäfte ihrer Anteilsinhaber fortzuführen. Da jedoch TM T & D ein neues Konstrukt darstellte, das die maßgeblichen Aktivitäten der zwei Kartellmitglieder vereinte, mussten die Änderungen, die das System des Kartells vorsah, logischerweise mit ihr erörtert werden.

250    Im Hinblick auf das Vorbringen, dass ein Unternehmen, das einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt habe, ein Interesse daran habe, dass seine derzeitigen und ehemaligen Mitarbeiter das wettbewerbswidrige Verhalten der anderen vom Kartell betroffenen Unternehmen überbewerteten, wird auf die Randnrn. 94, 95, 111 und 112 des vorliegenden Urteils verwiesen.

251    Aus alledem ergibt sich, dass die Beteiligung der Klägerin an dem Kartell zwischen September 1999 und März 2002 anhand von Umständen belegt wurde, die zeitlich ausreichend nahe beieinander liegen.

252    Folglich ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und somit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

253    Da keiner der Klagegründe, auf die die Klägerin ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerin betreffen, gestützt hat, durchgreift, ist der Antrag zurückzuweisen.

2.     Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder erhebliche Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

254    Im Rahmen des vierten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die gegen sie verhängte Geldbuße diskriminierend und unangemessen hoch sei. Dieser Klagegrund besteht aus sechs Teilen. Der erste Teil stützt sich auf einen Fehler bei der Beurteilung der relativen Schwere der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung. Der zweite Teil stützt sich auf einen Fehler bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung. Mit dem dritten Teil wird ein Verstoß gegen die Begründungspflicht im Hinblick auf die Berechnung der Geldbuße geltend gemacht. Der vierte Teil stützt sich auf einen Fehler bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags. Mit dem fünften Teil wird geltend gemacht, dass die Geldbuße, die auf die von TM T & D begangene Zuwiderhandlung entfalle, unangemessen hoch sei. Der sechste Teil stützt sich auf einen Fehler bei der Beurteilung der mildernden Umstände.

255    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

 Zum ersten Teil: Fehler bei der Beurteilung der relativen Schwere der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

256    Die Klägerin trägt vor, das Verhältnis der gegen die europäischen und der gegen die japanischen Hersteller verhängten Geldbußen entspreche dem Verhältnis der im GQ-Abkommen festgelegten Kontingente. Folglich sei ihr eine Geldbuße aufgrund ihres Verhaltens im Rahmen des GQ-Abkommens auferlegt worden. Ein solches Vorgehen sei jedoch falsch und diskriminierend. Zum einen habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass die relative Schwere der Beteiligung der Klägerin am Kartell gering sei, da sie nur an der Übereinkunft beteiligt gewesen sei, während die europäischen Hersteller sowohl an der Übereinkunft als auch an den Kartellaktivitäten zu GIS-Projekten im EWR teilgenommen hätten. Zum anderen habe die Kommission ihre Zuständigkeit überschritten, als sie die Klägerin für ein Verhalten außerhalb des EWR mit einer Sanktion belegt.

257    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

 Würdigung durch das Gericht

258    Wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen wurde, ist nach der Rechtsprechung die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 218 angeführt, Randnr. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt oder aber bei seiner Beteiligung eine weniger bedeutende Rolle gespielt hat, ist somit bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 218 angeführt, Randnr. 90).

259    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung nicht die Beteiligung ihrer Adressaten am GQ-Abkommen ahndet, das nicht das Gebiet des EWR betraf. Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellt nämlich klar fest, dass der Verstoß gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens den GIS-Sektor im EWR betrifft. Das Argument der Klägerin, die Kommission habe ihre Zuständigkeit überschritten, ist unter diesen Umständen zurückzuweisen.

260    Wie sich im Übrigen aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergeben hat, waren die japanischen Hersteller in anderer Weise als die europäischen Hersteller an den auf den EWR abzielenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt. Die japanischen Hersteller verpflichteten sich nämlich im Rahmen der Übereinkunft, nicht in den EWR-Markt einzudringen, und ihre Beteiligung bestand daher in einer Unterlassung. Die europäischen Unternehmen hingegen teilten die verschiedenen GIS-Projekte auf diesem Markt durch aktives kollusives Handeln untereinander auf.

261    In Bezug auf die Schwere dieser beiden Arten von Verhalten besteht jedoch kein wesentlicher Unterschied. Wie nämlich oben in Randnr. 221 festgestellt, ist die Tatsache, dass die Klägerin an der Zuteilung von GIS-Projekten im EWR nicht beteiligt war, angesichts der Art ihrer Verpflichtung nach der Übereinkunft nicht relevant, da ihre Einbeziehung nicht von Nutzen gewesen wäre. Der Umstand, auf den sich die Klägerin beruft, war daher nicht das Ergebnis ihrer Entscheidung, sondern nur die Folge der Art ihrer Beteiligung am Abkommen über den EWR-Markt. Diese Beteiligung war jedoch eine Vorbedingung dafür, dass die Aufteilung der GIS-Projekte im EWR unter den europäischen Herstellern nach den dafür vereinbarten Regeln erfolgen konnte.

262    Daher ist festzustellen, dass die Schwere des Verhaltens der japanischen Unternehmen mit der des Verhaltens der europäischen Unternehmen vergleichbar ist. Folglich ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Fehler bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

263    Die Klägerin verweist auf ihr oben in den Randnrn. 230 bis 233 angeführtes Vorbringen zur Aussetzung der Kartellaktivitäten und zu ihrer Beteiligung an den Kartellaktivitäten zwischen September 1999 und März 2002 und macht geltend, dass die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen sei.

264    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

 Würdigung durch das Gericht

265    Im Rahmen des vorliegenden Teils beschränkt sich die Klägerin darauf, das Vorbringen zu wiederholen, das bereits im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes geprüft worden ist. Aus den Randnrn. 235 bis 252 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass dieses Vorbringen nicht den Schluss zulässt, dass die Kommission einen Fehler beging, als sie feststellte, dass das Kartell zwischen September 1999 und dem 25. März 2002 fortgesetzt worden sei, und als sie die Dauer der Kartellbeteiligung der Klägerin bestimmte.

266    Unter diesen Umständen ist der vorliegende Teil zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil: Verstoß gegen die Begründungspflicht im Hinblick auf die Berechnung der Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

267    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe nicht angemessen dargelegt, nach welcher Berechnungsmethode sie die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße bestimmt habe. In diesem Zusammenhang führt sie die Schwierigkeiten an, die ihr die Bestimmung des an die Kommission zu zahlenden Betrags bereitet habe, und trägt vor, dass ihr Standpunkt durch die Auffassung sachkundiger Wirtschaftsexperten bestätigt werde. Folglich habe die Kommission gegen die Begründungspflicht verstoßen.

268    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

 Würdigung durch das Gericht

269    Die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung muss die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die getroffene Maßnahme entnehmen können, damit sie ihre Rechte wahrnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 18. September 2003, Volkswagen/Kommission, C‑338/00 P, Slg. 2003, I‑9189, Randnr. 124). Zwar ist die Kommission nach Art. 253 EG gehalten, die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtfertigung der Entscheidung abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen zu erwähnen, die sie dazu veranlasst haben, diese Entscheidung zu erlassen, doch verlangt diese Vorschrift nicht, dass sie sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Fragen thematisiert, die im Lauf des Verwaltungsverfahrens behandelt worden sind (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und 63/82, Slg. 1984, 19, Randnr. 22; vom 11. Juli 1989, Belasco u. a./Kommission, 246/86, Slg. 1989, 2117, Randnr. 55, und vom 18. September 2003, Volkswagen/Kommission, Randnr. 127). Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink‘s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die vorstehend angeführte Rechtsprechung gilt entsprechend für die Entscheidungen der Kommission, mit denen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 53 Abs. 1 des EWR‑Abkommens festgestellt wird.

270    In der vorliegenden Rechtssache lassen sich die Methode, welche die Kommission für die Berechnung der Geldbuße angewandt hat, sowie die verschiedenen Stufen der Berechnung den Gesichtspunkten entnehmen, die in den Randnrn. 471 bis 552 der angefochtenen Entscheidung dargelegt sind.

271    Im Übrigen kann das Vorbringen, das die Klägerin zur Begründung der Berechnung der Geldbuße geltend macht, nicht Gegenstand einer näheren Prüfung sein, da sich die Klägerin auf die Behauptung beschränkt hat, die Bestimmung des an die Kommission zu zahlenden Betrags habe ihr Schwierigkeiten bereitet, ohne dass sie sich jedoch näher zur Art und Weise dieser Schwierigkeiten und zur Berechnungsstufe, in der diese Schwierigkeiten aufgetreten sein sollen, geäußert hat, und da sie die Stellungnahmen der Wirtschaftsexperten, die sie konsultiert haben will, nicht vorgelegt hat.

272    Folglich ist der dritte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil: Fehler bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags

 Vorbringen der Parteien

273    Die Klägerin macht geltend, der Ausgangsbetrag der Geldbuße sei willkürlich und diskriminierend.

274    Als Erstes habe die Kommission die verhängten Geldbußen auf der Grundlage von Umsätzen berechnet, die sowohl separate GIS als auch GIS-basierte Umspannwerke betroffen hätten. Dieser Ansatz sei jedoch für die japanischen Hersteller nachteilig, da die GIS-Projekte im Nahen Osten und in Asien, die im Allgemeinen von den japanischen Herstellern durchgeführt würden, häufig schlüsselfertige Umspannwerke beinhalteten und folglich Waren und Dienstleistungen umfassten, die keine GIS seien. Daher seien die Umsätze der japanischen Hersteller tendenziell höher als die Umsätze der europäischen Hersteller.

275    Als Zweites habe sich die Kommission auf die Umsätze des Jahres 2003 als dem letzten vollen Jahr der Zuwiderhandlung gestützt, um die Marktanteile der europäischen Unternehmen zu bestimmen, während sie für die japanischen Hersteller die Umsätze des Jahres 2001 zugrunde gelegt habe, ohne dafür überzeugende Gründe anzuführen. Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission für alle Beteiligten des Kartells die Umsätze des Jahres 2003 zugrunde legen und die Umsätze der beiden Gemeinschaftsunternehmen, bei denen sich die GIS-Geschäfte der vier japanischen Hersteller damals konzentriert hätten, halbieren müssen. Die Klägerin macht geltend, dass ein solches Vorgehen in vollem Einklang mit der Behandlung der europäischen Hersteller sowie der Entscheidungspraxis der Kommission gestanden hätte.

276    Als Drittes habe die Kommission die Klägerin unzutreffenderweise in dieselbe Gruppe wie Alstom und Areva eingeordnet. Lege man bei der Berechnung des Ausgangsbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße die Umsätze des Jahres 2003 zugrunde, sei die Differenz zu den Marktanteilen von Alstom oder Areva größer als die Differenz zu den Marktanteilen der Unternehmen der nächstniedrigeren Gruppe, weshalb die Klägerin der Auffassung ist, dass sie der niedrigeren Gruppe hätte zugeordnet werden müssen.

277    Zur ersten Rüge macht die Kommission geltend, der bloße Umstand, dass die Berücksichtigung bestimmter Waren zu einem höheren Umsatz führe, sei kein Beweis für eine Diskriminierung.

278    Zur zweiten Rüge trägt sie vor, sie habe das Jahr 2001 als Referenzjahr gewählt, weil dies das Geschäftsjahr sei, das der Gründung von TM T & D, des Gemeinschaftsunternehmens der Klägerin und Melco, vorangegangen sei. Die Muttergesellschaften hätten sich während des größten Teils der Dauer des Kartells individuell an diesem beteiligt, was bedeute, dass es angemessener sei, die Ausgangsbeträge auf der Grundlage ihrer jeweiligen Umsätze zu bestimmen, um u. a. die unterschiedlichen Marktanteile zu berücksichtigen, die sie bei der Gründung von TM T & D jeweils gehabt hätten.

279    Drittens könne der Rüge in Bezug auf die Gruppenzuordnung der Klägerin nur dann stattgegeben werden, wenn auch der Rüge hinsichtlich der Wahl des Referenzjahrs stattgegeben werde. Dies sei jedoch nicht der Fall.

 Würdigung durch das Gericht

280    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, damit sie die Unternehmen dazu anhalten kann, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 216 und die dort angeführte Rechtsprechung).

281    Die Kommission setzt den Geldbußenbetrag anhand der Schwere und gegebenenfalls der Dauer der Zuwiderhandlung fest. Die Schwere der Zuwiderhandlung ist anhand von Kriterien wie den besonderen Umständen der Sache, ihrem Kontext und der Abschreckungswirkung der Geldbußen zu ermitteln. Objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Markts und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung sind einzubeziehen. Bei der Analyse sind auch die relative Bedeutung und der Marktanteil der verantwortlichen Unternehmen sowie ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 89 bis 91).

282    Jedoch muss die Kommission in jedem Einzelfall, wenn sie die Festsetzung von Geldbußen nach dem Wettbewerbsrecht beschließt, die allgemeinen Rechtsgrundsätze einhalten, zu denen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Gemeinschaftsgerichte gehören (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T‑59/02, Slg. 2006, II‑3627, Randnr. 315). Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. das Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 309 und die dort angeführte Rechtsprechung).

283    Der relevante Zeitraum muss so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen so weit wie möglich miteinander vergleichbar sind, wenn es erforderlich ist, auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen zurückzugreifen, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 122).

284    In der vorliegenden Rechtssache geht aus den Randnrn. 480 bis 490 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission bei der Ermittlung der Ausgangsbeträge entschieden hatte, im Einklang mit Nr. 1 Teil A der Leitlinien bei der Behandlung der Teilnehmer des Kartells zu differenzieren, je nachdem, inwieweit der jeweilige Teilnehmer in der Lage war, den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Zu diesem Zweck unterteilte die Kommission die verschiedenen Unternehmen in fünf Gruppen, die sich nach der relativen Bedeutung ihrer durch GIS-Verkäufe erzielten weltweiten Umsätze bestimmten. In diesem Zusammenhang war die Kommission der Auffassung, dass die nur auf den EWR-Markt bezogenen Umsätze kein zuverlässiges Bewertungskriterium darstellten, da sich die Übereinkunft darauf gerichtet habe, das Fernbleiben der japanischen Hersteller auf diesem Markt sicherzustellen.

285    Was die Waren betrifft, die bei der Bestimmung der Umsätze der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen sind, ist im Einklang mit der oben in Randnr. 281 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass die Kommission u. a. den Umfang des betroffenen Markts berücksichtigen muss. In der vorliegenden Rechtssache betraf das Kartell jedoch, wie in Randnr. 9 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, sowohl separate GIS als auch Umspannwerke, die GIS beinhalteten. Folglich beging die Kommission keinen Fehler, als sie den Ausgangsbetrag der Geldbußen der betroffenen Unternehmen anhand der mit diesen Waren erzielten Umsätze berechnete. Daher kann dem entsprechenden Vorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden.

286    Was die Wahl des Referenzjahrs betrifft, geht aus den Randnrn. 481, 482 und 484 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die Kommission bei der Ermittlung der weltweiten Umsätze im Hinblick auf die Klägerin, Fuji, Hitachi und Melco auf das Jahr 2001 gestützt hat, während sie im Hinblick auf die europäischen Hersteller das Jahr 2003, d. h. das letzte volle Jahr der Zuwiderhandlung, zugrunde legte. Ebenso basiert die Berechnung des Ausgangsbetrags der Geldbußen, die gegen die Klägerin, Fuji, Hitachi und Melco für den Zeitraum ihrer Kartellbeteiligung in der Eigenschaft als Einzelunternehmen verhängt wurden, auf ihren im Jahr 2001 erzielten Umsätzen, während die Berechnung des Ausgangsbetrags der gegen die europäischen Hersteller verhängten Geldbußen auf deren Umsätzen im Jahr 2003 beruht.

287    Folglich hat die Kommission die japanischen Hersteller, zu denen die Klägerin zählt, und die europäischen Hersteller bei der Wahl des Referenzjahrs nicht gleichbehandelt. Daher ist nach der oben in Randnr. 282 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob es für diese differenzierte Behandlung eine objektive Rechtfertigung gibt.

288    Hierzu stellte die Kommission in Randnr. 482 der angefochtenen Entscheidung fest, die Zugrundelegung des Jahres 2001 in Bezug auf die Klägerin sei dadurch gerechtfertigt, dass diese während des größten Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung als Einzelunternehmen und nicht über das Gemeinschaftsunternehmen TM T & D, das die GIS-Geschäfte von der Klägerin und Melco im Jahr 2002 übernommen habe, am Kartell beteiligt gewesen sei.

289    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie bezweckt habe, die ungleiche Wettbewerbsstellung der beiden Anteilsinhaber von TM T & D zum Zeitpunkt der Gründung von TM T & D zu berücksichtigen, die darauf zurückzuführen gewesen sei, dass Melco einen erheblich größeren Anteil am weltweiten GIS-Markt gehalten habe als die Klägerin. Indem die Kommission das letzte vollständige Jahr, in dem die Klägerin und Melco als Einzelunternehmen am Kartell beteiligt gewesen seien, nämlich das Jahr 2001, zugrunde gelegt habe, habe sie diese Ungleichheit bei der Ermittlung der Geldbeträge berücksichtigen können, was nach der Methode, die den von TM T & D im Jahr 2003 erzielten Umsatz zwischen den beiden Anteilsinhabern entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen aufteile, nicht möglich sei.

290    Das von der Kommission angeführte Ziel ist zulässig, da auf diese Weise verglichen werden kann, inwieweit die Anteilsinhaber eines Gemeinschaftsunternehmens während des Zeitraums vor Gründung des Gemeinschaftsunternehmens in der Lage waren, den Wettbewerb zu beeinträchtigen.

291    In der vorliegenden Rechtssache hätte die Kommission jedoch offensichtlich andere Methoden verwenden können, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen, ohne die japanischen und die europäischen Hersteller bei der Wahl des Referenzjahrs unterschiedlich zu behandeln. Beispielsweise hätte sich die Kommission bei der Ermittlung der Geldbußen, die gegen die Klägerin und Melco für den Zeitraum vor der Gründung von TM T & D verhängt wurden, auf den Ausgangsbetrag der gegen TM T & D verhängten Geldbuße stützen können, der auf der Grundlage der im Jahr 2003 erzielten Umsätze zu berechnen wäre und zwischen der Klägerin und Melco entsprechend dem Verhältnis der GIS-Umsätze, die sie im letzten Jahr vor der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens − d. h. im Jahr 2001 − erzielten, aufzuteilen wäre.

292    In der vorliegenden Rechtssache ist die ungleiche Behandlung der Klägerin somit nicht durch die Absicht der Kommission gerechtfertigt, im Rahmen der Ermittlung der Geldbußen die relative Position der Klägerin bzw. von Melco wahrheitsgetreu abzubilden.

293    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzte, als sie das Jahr 2001 als Referenzjahr für die Ermittlung der weltweiten Umsätze der japanischen Hersteller und für die Berechnung der Geldbuße, die gegen die Klägerin wegen ihrer individuellen Beteiligung am Kartell verhängt wurde, zugrunde legte.

294    Unmittelbare Folge dieses Verstoßes ist die Fehlerhaftigkeit der Berechnung der Geldbuße, die gegen die Klägerin in Art. 2 Buchst. i der angefochtenen Entscheidung wegen ihrer Kartellbeteiligung als Einzelunternehmen verhängt wurde. Mittelbar wirkt sich der Verstoß über die Ermittlung der weltweiten Umsätze und Marktanteile auf die Berechnung der Geldbuße aus, die gegen die Klägerin in Art. 2 Buchst. h der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf den Zeitraum des Bestehens von TM T & D verhängt wurde.

295    Daher ist dem vorliegenden Teil zu folgen, und demgemäß ist Art. 2 Buchst. h und i der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären. Dagegen ist Art. 1 der angefochtenen Entscheidung weder für nichtig zu erklären noch abzuändern, da ihn die Wahl des Referenzjahrs nicht betrifft.

296    Darüber hinaus sind der fünfte und der sechste Teil des vierten Klagegrundes nicht zu prüfen. Denn selbst wenn diesen Teilen gefolgt würde, könnte dies nicht zu einer Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen, die über die Feststellung in der vorstehenden Randnummer hinausgeht.

297    Schließlich kann das Gericht die Berechnung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße nicht selbst vornehmen, da die festgestellte Rechtswidrigkeit die Wahl der Berechnungsgrundlage betrifft. Folglich ist es in der vorliegenden Rechtssache nicht angezeigt, dass das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausübt und Art. 2 Buchst. h und i der angefochtenen Entscheidung abändert.

 Kosten

298    Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

299    Da der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen wurde, ist die Klägerin mit ihren Anträgen zu einem erheblichen Teil unterlegen, auch wenn sie mit einem anderen Teil ihrer Anträge erfolgreich war.

300    Unter diesen Umständen sind der Klägerin drei Viertel der den Parteien im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten und der Kommission ein Viertel dieser Kosten aufzuerlegen.

301    Im Übrigen sind nach ständiger Rechtsprechung die durch die Stellung einer Bürgschaft zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung der Entscheidung entstandenen Kosten keine Aufwendungen für das Verfahren im Sinne von Art. 91 Buchst. b der Verfahrensordnung (vgl. Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 92 angeführt, Randnr. 5133 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist der Antrag der Klägerin, die Kommission zur Tragung dieser Kosten zu verurteilen, zurückzuweisen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 2 Buchst. h und i der Entscheidung K(2006) 6762 endg. der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) wird für nichtig erklärt, soweit er die Toshiba Corp. betrifft.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Toshiba trägt drei Viertel der den Parteien im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten.

4.      Die Europäische Kommission trägt ein Viertel der den Parteien im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.  Klägerin

2.  Erzeugnisse

3.  Verwaltungsverfahren

4.  Angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerin betreffen

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin

Zum ersten Teil: unzureichende Identifizierung der Zuwiderhandlung im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Teil: Verfälschung von Akteninhalten

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum ersten Klagegrund: rechtlich unzureichender Nachweis des Vorliegens einer „Übereinkunft“ durch die Kommission

Zu den Angaben von ABB

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zur Erhärtung der Angaben von ABB

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum Melde- und Anrechnungsmechanismus

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zu den Angaben, die das Bestehen der Übereinkunft widerlegen sollen

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Gesamtwürdigung

Zum zweiten Klagegrund: fehlender Nachweis des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung durch die Kommission

Zum ersten Teil: Nachweis einer einheitlichen Zuwiderhandlung

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: Nachweis einer fortgesetzten Zuwiderhandlung und einer fortgesetzten Beteiligung der Klägerin an dieser Zuwiderhandlung

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

2.  Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder erhebliche Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

Zum ersten Teil: Fehler bei der Beurteilung der relativen Schwere der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: Fehler bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Teil: Verstoß gegen die Begründungspflicht im Hinblick auf die Berechnung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Teil: Fehler bei der Bestimmung des Grundbetrags

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.