Language of document : ECLI:EU:T:2012:242

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

22. Mai 2012(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Verwaltungsakten eines Kartellverfahrens – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen eines Dritten – Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses – Pflicht des betroffenen Organs zur konkreten und individuellen Prüfung des Inhalts der im Zugangsantrag bezeichneten Dokumente“

In der Rechtssache T‑344/08

EnBW Energie Baden-Württemberg AG mit Sitz in Karlsruhe (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Bach und A. Hahn,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Schweden, vertreten durch K. Petkovska, S. Johannesson und A. Falk als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch P. Costa de Oliveira, A. Antoniadis und O. Weber, dann durch A. Bouquet, P. Costa de Oliveira und A. Antoniadis als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Siemens AG mit Sitz in Berlin (Deutschland) und München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Brinker, C. Steinle und M. Holm-Hadulla,

und

ABB Ltd mit Sitz in Zürich (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: zunächst J. Lawrence, Solicitor, und E. Whiteford, Barrister, dann J. Lawrence und D. Howe, Solicitor,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung SG.E.3/MV/psi D(2008) 4931 der Kommission vom 16. Juni 2008, mit der der Zugang zur Verfahrensakte der Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen verwehrt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin), der Richterin K. Jürimäe und des Richters M. van der Woude,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, ist ein Energieversorgungsunternehmen, das nach eigener Ansicht von einem Kartell berührt ist, das von Herstellern gasisolierter Schaltanlagen (im Folgenden: GIS) betrieben und mit der Entscheidung K(2006) 6762 endg. der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) (im Folgenden: GIS-Entscheidung) geahndet wurde.

2        In der GIS-Entscheidung stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem GIS‑Markt beteiligt hätten, in dessen Rahmen sie die Ausschreibungen manipuliert, die Preise festgesetzt und die GIS-Projekte und -Märkte in Europa untereinander aufgeteilt hätten. Infolgedessen verhängte sie gegen die an dem Kartell beteiligten Unternehmen Geldbußen in einer Gesamthöhe von 750 Mio. Euro.

3        Am 9. November 2007 beantragte die Klägerin bei der Kommission auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) Zugang zu allen Dokumenten betreffend das Verfahren in der Sache COMP/F/38.899.

4        Im Anschluss an Gespräche mit der Kommission erklärte die Klägerin diesen Antrag und einen Zweitantrag vom 10. Dezember 2007 für gegenstandslos und stellte am 13. Dezember 2007 einen neuen Antrag auf Zugang zu den Dokumenten betreffend die in Rede stehende Sache. Mit Fax vom 11. Januar 2008 präzisierte die Klägerin ihren Antrag dahin, dass sie davon drei Dokumentenkategorien ausschließe, nämlich alle Dokumente, die sich ausschließlich auf die Struktur der beteiligten Unternehmen bezögen, alle Dokumente, die ausschließlich die Frage des richtigen Adressaten der GIS-Entscheidung beträfen, und alle Dokumente, die vollständig in japanischer Sprache verfasst seien.

5        Am 30. Januar 2008 lehnte die Kommission den Erstantrag der Klägerin in der geänderten Fassung vom 11. Januar 2008 ab.

6        Am 20. Februar 2008 stellte die Klägerin einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001.

7        Am 16. Juni 2008 lehnte die Kommission den Zweitantrag ab (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

8        In Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung teilte die Kommission die Dokumente der Akte zur Sache COMP/F/38.899 in folgende fünf Kategorien auf:

1.      Immunitäts-/Kronzeugendokumente, d. h. Erklärungen der betroffenen Unternehmen und alle Dokumente, die von ihnen im Rahmen des Immunitätsantrags oder des Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung eingereicht worden waren;

2.      Auskunftsersuchen und Erwiderungen der Parteien auf diese Ersuchen;

3.      Ermittlungsunterlagen, d. h. Dokumente, die bei den Nachprüfungen vor Ort in den Räumen der betroffenen Unternehmen sichergestellt worden waren;

4.      Mitteilung der Beschwerdepunkte und Erwiderungen der Parteien hierauf;

5.      interne Dokumente:

a)      sachverhaltsbezogene Dokumente, d. h. erstens Sachanmerkungen zu den aus den zusammengetragenen Beweisen zu ziehenden Schlussfolgerungen, zweitens Schriftwechsel mit anderen Wettbewerbsbehörden und drittens Konsultationen anderer in der Sache tätiger Dienststellen der Kommission;

b)      Verfahrensdokumente, d. h. Ermittlungsaufträge, Ermittlungsprotokolle, Ermittlungsberichte, Verzeichnisse der Ermittlungsunterlagen, Schriftstücke betreffend die Zustellung bestimmter Dokumente und Aktenvermerke.

9        Danach legte die Kommission in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung dar, dass jede einzelne dieser Kategorien unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 falle und dass die Dokumente der Kategorie 5a auch von der Ausnahme des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst würden.

10      In Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung erläuterte die Kommission dann, dass die Dokumente der Kategorien 1 bis 4 unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen.

11      In Punkt 5 der angefochtenen Entscheidung führte sie aus, dass sie keinen Hinweis auf das Vorliegen eines den Zugang zu den beantragten Dokumenten rechtfertigenden überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 erkennen könne.

12      Schließlich begründete sie in Punkt 6 der angefochtenen Entscheidung ihre Weigerung, teilweisen Zugang zu der Akte zu gewähren, damit, dass alle in der Akte enthaltenen Dokumente vollständig unter die in der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen fielen.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

13      Mit Klageschrift, die am 25. August 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

14      Mit am selben Tag eingereichtem besonderem Schriftsatz hat sie beantragt, dass über die Klage im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 76a § 1 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts entschieden wird. Die Kommission hat am 11. September 2008 ihre Stellungnahme zu diesem Antrag eingereicht. Mit Beschluss vom 1. Oktober 2008 hat das Gericht (Zweite Kammer) den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen.

15      Am 8. Dezember 2008 hat das Königreich Schweden beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Am 9. und 12. Dezember 2008 haben die Siemens AG und die ABB Ltd beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

16      Die Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts hat diesen Anträgen mit Beschlüssen vom 13. März 2009 stattgegeben.

17      Am 27. Mai 2009 haben das Königreich Schweden und Siemens ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht. Am 28. Mai 2009 hat ABB ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht.

18      Am 29. und 30. September 2009 haben die Klägerin und die Kommission zu den Streithilfeschriftsätzen Stellung genommen.

19      Am 18. November 2009 hat die Kommission auf eine prozessleitende Maßnahme des Gerichts hin ein Inhaltsverzeichnis der Akte zur Sache COMP/F/38.899 vorgelegt und für jedes darin aufgeführte Dokument unter Schwärzung der Angaben über seinen Inhalt angegeben, zu welcher der oben in Randnr. 8 genannten Kategorien es gehörte.

20      Mit Beschluss vom 26. April 2010 hat die Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten bis zur verfahrensbeendenden Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑399/07, Basell Polyolefine/Kommission, ausgesetzt. Nachdem jene Entscheidung durch Streichungsbeschluss vom 25. Januar 2011 erging, ist das Verfahren zu diesem Zeitpunkt wiederaufgenommen worden.

21      Infolge einer Änderung in der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts wurde die Berichterstatterin der Vierten Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

22      Auf prozessleitende Maßnahmen des Gerichts hin hat die Klägerin eine Kopie ihres Zweitantrags vom 20. Februar 2008 vorgelegt und die Kommission schriftliche Fragen beantwortet.

23      Die Klägerin beantragt, unterstützt durch das Königreich Schweden,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission ihr auch einen teilweisen Zugang zu den Dokumenten der Akte verweigert hat;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt, unterstützt durch Siemens und ABB,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

25      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe, nämlich erstens eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich sowie Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, zweitens eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 und drittens eine Verletzung von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001. Außerdem macht sie einen vierten Klagegrund geltend, mit dem im Wesentlichen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf den Umfang des Zugangsantrags gerügt wird.

A –  Zur Zulässigkeit der Rüge, die auf das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente gestützt wird

26      Das Königreich Schweden hat eine von der Klägerin nicht ausdrücklich erhobene Rüge vorgebracht, mit der beanstandet wird, die Kommission habe die Dokumente der Akte nicht konkret und individuell geprüft. Die Kommission hält diese Rüge für unzulässig, weil sie über den Klagegegenstand, wie er von der Klägerin festgelegt worden sei, hinausgehe.

27      Nach Art. 40 Abs. 4 der Satzung des Gerichtshofs, der nach Art. 53 der Satzung auf das Gericht anwendbar ist, können mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Ferner muss der Streithelfer nach Art. 116 § 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet. Nach der Rechtsprechung verwehren es diese Bestimmungen einem Streithelfer nicht, andere Argumente als die von ihm unterstützte Partei vorzubringen, sofern diese Argumente nicht den Rahmen des Rechtsstreits ändern und die Streithilfe weiterhin die Unterstützung der Anträge dieser Partei bezweckt (Urteile des Gerichtshofs vom 23. Februar 1961, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, 30/59, Slg. 1961, 1, 41, und vom 8. Januar 2002, Frankreich/Monsanto und Kommission, C‑248/99 P, Slg. 2002, I‑1, Randnr. 56; Urteil des Gerichts vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission, T‑119/02, Slg. 2003, II‑1433, Randnrn. 203 und 212).

28      Hier ist zu beachten, dass es sich bei der Verpflichtung eines Organs zur konkreten und individuellen Prüfung des Inhalts der Dokumente, die in einem auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag bezeichnet sind, um eine grundsätzliche Verpflichtung handelt, die unabhängig davon Anwendung findet, zu welchem Bereich die angeforderten Dokumente gehören, auch wenn dieser grundsätzliche Ansatz nicht bedeutet, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist (Urteil des Gerichts vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, Slg. 2005, II‑1121, im Folgenden: Urteil VKI, Randnrn. 74 und 75).

29      Demzufolge ist die Prüfung der Rüge, dass gegen diese Verpflichtung verstoßen worden sei, ein Schritt, der vor der Prüfung der Klagegründe, die auf die Verletzung der Bestimmungen des Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt werden, zu erfolgen hat. Das Gericht muss deshalb im Rahmen der Prüfung der Klagegründe, mit denen die Verletzung dieser Bestimmungen beanstandet wird, auf jeden Fall überprüfen, ob die Kommission entweder jedes der begehrten Dokumente konkret und individuell geprüft oder nachgewiesen hat, dass die verweigerten Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme erfasst wurden.

30      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Rüge des Fehlens einer konkreten und individuellen Prüfung vom Königreich Schweden im ersten Teil seines Streithilfeschriftsatzes ohne unmittelbaren Zusammenhang mit den von der Klägerin geltend gemachten Klagegründen vorgebracht worden ist, sie aber später im Rahmen der Ausführungen zum Klagegrund einer Verletzung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 wiederholt worden ist.

31      Demnach ist die Rüge des Fehlens einer konkreten und individuellen Prüfung der nicht zugänglich gemachten Dokumente, wie sie vom Königreich Schweden erhoben worden ist, zulässig.

B –  Zur Begründetheit

1.     Zum vierten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf den Umfang des Zugangsantrags

32      Aus Punkt 2 a. E. der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission davon ausging, dass die Dokumente der Kategorie 5b (vgl. oben, Randnr. 8) vom Zugangsantrag der Klägerin nicht erfasst würden, „[d]a diese Dokumente rein verfahrensrechtlicher Natur [seien] bzw. bekannte Fakten wiederg[ä]ben“. Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erstens erklärt, diese Erwägung habe darauf beruht, dass die Klägerin in ihrem Zweitantrag gegen die einschränkende Beschreibung des Umfangs des Zugangsantrags, wie sie in dem Bescheid über den Erstantrag vorgenommen worden sei, keine Einwände erhoben und die internen Dokumente nicht einmal erwähnt habe. Zweitens hat die Kommission auf einen Aktenvermerk vom 21. Januar 2008 über ein Telefongespräch verwiesen, das ein Beamter der Generaldirektion (GD) Wettbewerb am 9. Januar 2008 mit den Beiständen der Klägerin geführt habe. Ausweislich dieses Vermerks hätten die Beistände der Klägerin angegeben, dass ihr Zugangsantrag nur die Dokumente betreffe, die in einem Zusammenhang mit der den GIS‑Kartellbeteiligten zur Last gelegten Zuwiderhandlung stünden, nicht aber z. B. die internen Dokumente. Aufgrund dieser beiden Umstände zusammen habe die Kommission die Überzeugung gewonnen, dass die Dokumente der Kategorie 5b vom Zugangsantrag der Klägerin nicht erfasst würden.

33      In der Klageschrift hat die Klägerin dieser Ausklammerung widersprochen und vorgebracht, sie habe an keiner Stelle zu erkennen gegeben, dass sie diese Dokumente von ihrem Antrag ausnehme; vielmehr habe sie die von ihrem Antrag ausgenommenen Dokumente in ihrem Fax vom 11. Januar 2008 ausdrücklich benannt.

34      Dazu ist erstens festzustellen, dass die Klägerin in ihrem Erstantrag vom 9. November 2007 Zugang zu allen Dokumenten der Akte über das GIS-Kartell ohne weitere Angaben oder Einschränkungen beantragte. Mit Fax vom 11. Januar 2008 beschränkte sie dann ihren Antrag, indem sie davon bestimmte ausdrücklich aufgezählte Gruppen von Dokumenten ausschloss, nämlich alle Dokumente, die sich ausschließlich auf die Struktur der beteiligten Unternehmen bezögen, alle Dokumente, die ausschließlich die Frage des richtigen Adressaten der GIS-Entscheidung beträfen, und alle Dokumente, die vollständig in japanischer Sprache verfasst seien. Diese nach dem Telefongespräch vom 9. Januar 2008 erfolgte ausdrückliche und schriftliche Einschränkung spricht somit nicht für die Behauptung der Kommission in Bezug auf eine angebliche, von der Klägerin in diesem Gespräch mündlich mitgeteilte Beschränkung.

35      Zweitens hat der Zweitantrag vom 20. Februar 2008, indem er auf den Zugang zu „sämtlichen im Besitz der … Kommission befindlichen Dokumenten betreffend das Verfahren … im Fall COMP/F/38.899“ mit Ausnahme der drei in dem Fax vom 11. Januar 2008 ausgenommenen Dokumentkategorien abzielt, genau den gleichen Umfang wie der Erstantrag in seiner Einschränkung durch dieses Fax. Daher hätte die Kommission ihr restriktives Verständnis des Umfangs des Zugangsantrags spätestens mit der Lektüre des Zweitantrags in Frage stellen müssen.

36      Drittens sind die Gründe, die die Kommission zur Rechtfertigung ihres restriktiven Verständnisses in der Sache vorbringt, dass nämlich die Dokumente der Kategorie 5b rein verfahrensrechtlicher Natur seien und nur bekannte Fakten wiedergäben, im Kontext der Verordnung Nr. 1049/2001 unerheblich. Das persönliche Interesse, das der Antragsteller mit seinem Zugangsantrag verfolgen mag, ist nämlich ein Kriterium, das der Verordnung Nr. 1049/2001 völlig fremd ist, so dass es der Kommission nicht zukommt, darüber zu urteilen oder Mutmaßungen anzustellen, und es ihr auch nicht zusteht, daraus Schlussfolgerungen für die Behandlung des Antrags zu ziehen.

37      Die Klägerin bringt daher zu Recht vor, dass dem restriktiven Verständnis des Umfangs ihres Zugangsantrags seitens der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler anhafte. Folglich ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit der Klägerin damit der Zugang zu den Dokumenten der Kategorie 5b verwehrt wird.

2.     Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich sowie Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001

38      Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil wird eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gerügt. Mit dem zweiten Teil wird eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 beanstandet. Mit dem dritten Teil wird eine Verletzung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemacht.

39      Die auf der Grundlage von Art. 255 Abs. 2 EG erlassene Verordnung Nr. 1049/2001 soll, wie ihrem vierten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 zu entnehmen ist, der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe gewähren. Nach dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung knüpft dieses Zugangsrecht an die demokratische Natur der Organe an. Außerdem ergibt sich aus der Verordnung Nr. 1049/2001, insbesondere ihrem elften Erwägungsgrund und Art. 4, der insoweit Ausnahmeregelungen vorsieht, dass das Zugangsrecht dennoch aus Gründen des öffentlichen oder privaten Interesses bestimmten Schranken unterliegt.

40      Um die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument, dessen Verbreitung beantragt wurde, zu rechtfertigen, genügt es grundsätzlich nicht, dass dieses Dokument in Zusammenhang mit einer in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 erwähnten Tätigkeit steht. Das betroffene Organ muss auch erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das durch eine Ausnahme nach diesem Artikel geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte (Urteile des Gerichtshofs vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, Slg. 2008, I‑4723, Randnr. 49, vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, Slg. 2010, I‑5885, im Folgenden: Urteil TGI, Randnr. 53, und vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, Slg. 2010, I‑8533, Randnr. 72).

41      Nach ständiger Rechtsprechung sind die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen vom Zugangsrecht, da sie vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, eng auszulegen und anzuwenden (Urteile des Gerichtshofs vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, Slg. 2007, I‑1233, Randnr. 63, vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission, C‑64/05 P, Slg. 2007, I‑11389, Randnr. 66, und Schweden und Turco/Rat, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 36).

42      Die drei Teile des ersten Klagegrundes der Klägerin sind im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

43      Da es, wie sich aus Randnr. 29 dieses Urteils ergibt, bei der Rüge des Fehlens einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente um eine übergreifende Frage geht, die alle drei Teile des ersten Klagegrundes gleichermaßen betrifft, ist zuerst diese Rüge zu untersuchen, bevor zu prüfen ist, ob die Kommission die verschiedenen Ausnahmen richtig angewandt hat, auf die die Verweigerung einer Verbreitung der begehrten Dokumente in der angefochtenen Entscheidung gestützt wird. Deshalb ist zunächst zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen erfüllt waren, die vorliegen müssen, damit die Kommission von einer solchen konkreten und individuellen Prüfung absehen kann.

a)     Zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Pflicht zur konkreten und individuellen Prüfung des Inhalts der begehrten Dokumente im vorliegenden Fall

44      Vorab ist festzustellen, dass die Rechtsprechung in verschiedenen Fallkonstellationen Ausnahmen von der Pflicht zur konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente zugelassen hat.

45      Es handelt sich, erstens, um die Fälle, in denen unter den Umständen der jeweiligen Sache offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder aber gerade zu gewähren ist. Das Gericht hat befunden, dass dem insbesondere so sein kann, wenn bestimmte Dokumente entweder offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder umgekehrt offenkundig in vollem Umfang einsehbar sind, oder aber von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft wurden (Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 75). Ein solch offenkundiger Fall ist auch vom Gerichtshof anerkannt worden, der befunden hat, dass es den Organen für die Erklärung, wie der Zugang zu den begehrten Dokumenten das durch eine Ausnahme gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützte Interesse berühren könnte, freisteht, sich auf allgemeine Annahmen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (Urteile Schweden und Turco/Rat, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 50, TGI, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 54 und 55, und Schweden u. a./API und Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 74). In diesem Zusammenhang sind im Übrigen die Begriffe „Kategorie von Dokumenten“ und „Dokumente gleicher Art“ in einem weiten Sinn und ohne Ansehung des Dokumentinhalts zu verstehen; dies ergibt sich aus dem Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt), in dem diese Begriffe so verwendet wurden, dass sie alle Dokumente der Akte eines Beihilfeverfahrens vor der Kommission umfassten, und dem Urteil Schweden u. a./API und Kommission (oben in Randnr. 40 angeführt), in dem der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangte, dass Dokumente allein deshalb zur gleichen Kategorie gehörten, weil sie von der Kommission als Partei verschiedener, zum Zeitpunkt des Erlasses der zugangsverweigernden Entscheidung anhängiger Klageverfahren verfasst worden waren.

46      Zweitens kann für Dokumente, die der gleichen Kategorie angehören, was u. a. der Fall ist, wenn sie die gleiche Art von Informationen enthalten, ein und dieselbe Rechtfertigung angewandt werden. Das Gericht hat dann zu prüfen, ob die geltend gemachte Ausnahme die Dokumente dieser Kategorie offenkundig und vollständig erfasst. Im Gegensatz zu den in der vorstehenden Randnummer genannten Fällen bezieht sich also das gemeinsame Merkmal der betreffenden Dokumente auf ihren Inhalt, weil das Organ, bei dem der Antrag gestellt wurde, seine Ablehnung der Verbreitung, die auf der Grundlage der verschiedenen in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen vom Zugangsrecht erfolgt, mit Bezug auf die in den begehrten Dokumenten enthaltenen Informationen rechtfertigen muss.

47      Drittens kommt eine Abweichung von der Pflicht zur individuellen und konkreten Prüfung der begehrten Dokumente ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Verwaltung durch die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente in besonderem Maß belastet würde, so dass damit die Grenzen dessen überschritten würden, was vernünftigerweise verlangt werden kann (vgl. Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Hier hat sich die Kommission in dem als „Vorbemerkungen“ betitelten Punkt 1 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich auf zwei dieser Fälle berufen, nämlich auf den ersten (vgl. oben, Randnr. 45), bei dem offenkundig sei, dass der Zugang verwehrt werden müsse, weil bestimmte Dokumente augenscheinlich in ihrer Gesamtheit unter eine Ausnahme fielen, und auf den zweiten (vgl. oben, Randnr. 46), bei dem das Organ die Gründe für die Ablehnung des Zugangs durch Verweis auf Gruppen von Dokumenten angeben könne, die die gleiche Art von Informationen enthielten.

49      Dazu ist sogleich festzustellen, dass dieser außerhalb der eigentlichen Prüfung des Antrags gegebene Hinweis auf die geltend gemachten Ausnahmefälle abstrakt und allgemein ist. Außerdem gibt die Kommission nicht an, für welche Dokumente diese beiden Ausnahmefälle gelten sollen, woraus zu schließen ist, dass sie für alle begehrten Dokumente gelten sollen. Die Kommission hat diese Auslegung in ihrer Klagebeantwortung damit bestätigt, dass „alle in der [angefochtenen] Entscheidung aufgeführten Kategorien von Dokumenten offenkundig und in ihrer Gesamtheit unter die … Ausnahmetatbestände von Art. 4 Abs. 2 (erster und dritter [Gedanken]strich) und [Art. 4 Abs.] 3 der [Verordnung Nr. 1049/2001 fallen]“.

50      Außerdem hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung geltend gemacht, dass die Klägerin „ihren Antrag trotz Hinweises der Dienststellen [der Kommission] auf den Umfang der Akte und den erforderlichen Arbeitsaufwand nicht im erforderlichen Maß spezifiziert“ habe. Soweit diese Bemerkung als Berufung auf den Ausnahmefall eines außergewöhnlichen Arbeitsaufwands, wie er oben in Randnr. 47 definiert worden ist, zu verstehen sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründung einer Entscheidung in dieser selbst enthalten sein muss und spätere Erläuterungen der Kommission, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, keine Berücksichtigung finden können (Urteile des Gerichts vom 2. Juli 1992, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, T‑61/89, Slg. 1992, II‑1931, Randnr. 131, vom 14. Mai 1998, Buchmann/Kommission, T‑295/94, Slg. 1998, II‑813, Randnr. 171, und vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, Slg. 1998, II‑3141, Randnr. 95).

51      In dem Schreiben vom 30. Januar 2008, mit dem der Erstantrag abgelehnt wurde, wird aber das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente nicht mit dem Arbeitsaufwand begründet, der durch eine solche Prüfung entstünde, sondern allein damit, dass alle begehrten Dokumente offenkundig in vollem Umfang unter die von der Kommission angeführten Ausnahmen fielen. Die angefochtene Entscheidung ihrerseits enthält keinerlei Erläuterung dazu. Erst in ihrer Klagebeantwortung hat die Kommission erstmals geltend gemacht, dass die von der Klägerin zugestandene Eingrenzung des Antrags in Anbetracht des Arbeitsaufwands, der durch eine konkrete und individuelle Prüfung verursacht würde, nicht ausreiche. Letzteres Argument ist daher kein Grund, der für den Erlass der angefochtenen Entscheidung ausschlaggebend war.

52      Demgemäß ist dieses Argument als ins Leere gehend zurückzuweisen.

53      Zunächst einmal ist deshalb zu prüfen, ob die Kommission das Vorliegen der außergewöhnlichen Umstände, auf die sie sich in der angefochtenen Entscheidung für das Absehen von einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente berufen hat, rechtlich hinreichend dargetan hat. Der Vollständigkeit halber ist sodann auch die auf den Arbeitsaufwand gestützte Ausnahme zu prüfen, auf die sich die Kommission in der Klagebeantwortung berufen hat.

 Zur ersten in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Ausnahme, die darauf gestützt wird, dass der Zugang zu den begehrten Dokumenten auf der Grundlage einer allgemeinen Annahme offenkundig zu verwehren sei

54      Wie oben in Randnr. 41 ausgeführt, sind die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen vom Zugangsrecht, da sie vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, eng auszulegen und anzuwenden.

55      Allerdings ist auch entschieden worden, dass es dem betroffenen Organ freisteht, sich insoweit auf allgemeine Annahmen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (Urteile Schweden und Turco/Rat, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 50, TGI, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 54, und Schweden u. a./API und Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 74). In diesem Fall ist zu prüfen, ob allgemeine Erwägungen den Schluss zulassen, dass sich die Kommission auf die Annahme stützen durfte, dass die Verbreitung der fraglichen Dokumente die durch Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen beeinträchtigen würde, und zwar ohne dass sie verpflichtet gewesen wäre, eine konkrete Beurteilung des Inhalts der einzelnen Dokumente vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Schweden u. a./API und Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 76).

56      Im vorliegenden Fall kann aber entgegen der von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht für eine solche Annahme keine Analogie zu der Begründung des Gerichtshofs in der Rechtssache, in der das Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt) ergangen ist, gezogen werden. In jener Rechtssache, in der es um einen Antrag auf Zugang zu der Akte eines Beihilfeverfahrens ging, befand der Gerichtshof, dass sich eine allgemeine Annahme, nach der alle begehrten Dokumente von einer Ausnahme erfasst wurden, aus der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) und aus der Rechtsprechung zum Recht auf Einsicht in die Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission ergeben konnte, da die genannte Verordnung für andere Beteiligte als den für die Gewährung der Beihilfe verantwortlichen Mitgliedstaat kein Recht auf Zugang zu diesen Dokumenten vorsieht. Wären diese Beteiligten nämlich in der Lage, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu den Dokumenten der Akte zu erhalten, wäre das System der Kontrolle staatlicher Beihilfen gefährdet (Urteil TGI, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 55 bis 58).

57      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der Rechtssache, in der das Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt) ergangen ist, anders als im vorliegenden Fall die endgültige Entscheidung zum Abschluss des Verfahrens, dessen Akte Gegenstand des Zugangsantrags war, zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung über den Aktenzugang noch nicht erlassen hatte. Außerdem geht die Begründung des Gerichtshofs im Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt) gerade dahin, dass die Bestimmungen über den Zugang zu den Dokumenten des betreffenden Verfahrens nicht durch den Rückgriff auf die Verordnung Nr. 1049/2001 unterlaufen werden dürfen. Die Regelung über den Zugang zur Akte eines besonderen Verfahrens, sei es beihilferechtlicher oder kartellrechtlicher Art, gilt aber nur für die Dauer des betreffenden Verfahrens. Folglich kann die Begründung des Gerichtshofs im Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt) nicht auf eine Situation übertragen werden, in der das Organ wie im vorliegenden Fall bereits eine endgültige Entscheidung erlassen hat, mit der die Akte, zu der Zugang beantragt ist, geschlossen wurde.

58      Zum anderen müsste sich hier in Analogie zu der Rechtssache, in der das Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt) ergangen ist, eine allgemeine Annahme, dass die Dokumente in der Akte eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens nicht verbreitet werden dürfen, aus der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) in ihrer geänderten Fassung und aus der Rechtsprechung zum Recht auf Einsicht in die Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission ergeben.

59      Genau wie die Verordnung Nr. 659/1999 auf dem Gebiet der Beihilfen sieht zwar die Verordnung Nr. 1/2003 für andere als die Verfahrensparteien kein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Verwaltungsakte der Kommission im Rahmen von Kartellverfahren vor. Nach Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003 ist jedoch im allgemeineren Kontext der Sicherstellung der Verteidigungsrechte den Unternehmen, um die es in dem Verfahren geht, Aktenzugang zu gewähren. Die in diesem Rahmen gewährte Akteneinsicht kann sich nicht auf interne Dokumente des Organs, auf Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen und auf sonstige vertrauliche Informationen erstrecken (Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 1015, und vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg. 2007, II‑947, Randnr. 45).

60      Die den Zugang zu Dokumenten betreffenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 sind durch die Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18) präzisiert worden, die auch ein Zugangsrecht für einen Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung seiner Beschwerde vorsieht. Insoweit bestimmen die Art. 8 Abs. 2 und 15 Abs. 4 der Verordnung Nr. 773/2004, dass Unterlagen, die ein Beschwerdeführer oder ein betroffenes Unternehmen erlangt hat, nur für Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zur Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG verwendet werden dürfen.

61      Daraus folgt, dass zwar die Unternehmen, gegen die sich ein Kartellverfahren richtet, und die Beschwerdeführer, deren Beschwerden von der Kommission nicht stattgegeben wurde, über das Recht verfügen, bestimmte Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission einzusehen, dieses Recht aber bestimmten Einschränkungen unterliegt, die selbst von Fall zu Fall zu beurteilen sind. Auch nach der Begründung des Gerichtshofs im Urteil TGI (oben in Randnr. 40 angeführt), wonach bei der Auslegung der Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 Aktenzugangsbeschränkungen im Rahmen besonderer Verfahren wie der Beihilfeverfahren und der Wettbewerbsverfahren zu berücksichtigen sind, erlaubte eine solche Berücksichtigung daher nicht die Annahme, dass, weil andernfalls die Fähigkeit der Kommission zur Bekämpfung von Kartellen beeinträchtigt würde, die Gesamtheit der in ihren Akten auf diesem Gebiet enthaltenen Dokumente automatisch von einer der Ausnahmen des Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst wäre.

62      Die Kommission konnte daher nicht ohne konkrete Analyse jedes einzelnen Dokuments annehmen, dass alle begehrten Dokumente offenkundig unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen.

63      Folglich durfte sie nicht unter Berufung auf die erste Ausnahmefallgruppe von einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente absehen.

 Zur zweiten in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Ausnahme, die auf eine Prüfung der Dokumente nach Kategorien gestützt wird

64      Eingangs ist klarzustellen, dass, wie oben in Randnr. 46 ausgeführt, für Dokumente, die der gleichen Kategorie angehören, etwa wenn sie die gleiche Art von Informationen enthalten, ein und dieselbe Rechtfertigung angewandt werden kann. Es ist jedoch Sache des Gerichts, zu überprüfen, ob die geltend gemachte Ausnahme die Dokumente dieser Kategorie offenkundig und vollständig erfasst.

65      Im vorliegenden Fall stützt sich die Kommission für ihre Begründung nach Dokumentgruppen, wie aus dem oben in Randnr. 48 genannten Abschnitt der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, auf Randnr. 73 des Urteils VKI (oben in Randnr. 28 angeführt). Das Gericht hat jedoch dort betont, dass es die Prüfung jedes einzelnen Dokuments jedenfalls für die – nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 zwingende – Prüfung eines etwaigen teilweisen Zugangs zu den begehrten Dokumenten für erforderlich hielt (Urteil VKI, Randnr. 73). Daher kann das Organ nur dann von einer individuellen Prüfung der Dokumente einer Kategorie absehen, wenn diese Dokumente offenkundig und in vollem Umfang unter eine Ausnahme vom Zugangsrecht fallen.

66      Außerdem müssen die von dem betreffenden Organ gebildeten Dokumentkategorien nach Maßgabe der in den Dokumenten enthaltenen Informationen definiert werden, und diese Definition entspricht nicht unbedingt den Dokumenttypen. Beispielsweise kann es sein, dass die Antwort eines Unternehmens auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen enthält, deren Verbreitung aufgrund einer der Ausnahmen des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 abgelehnt werden muss, während die Antwort eines anderen Unternehmens, obwohl es sich um den gleichen Dokumenttyp handelt, Informationen enthält, die einen solchen Schutz nicht erfordern. Die Ablehnung der Verbreitung einer ganzen Gruppe von Dokumenten kann somit insbesondere dann Gegenstand ein und derselben Rechtfertigung sein, wenn die Dokumente einer Kategorie die gleiche Art von Informationen enthalten. Dann erleichtert oder vereinfacht eine Rechtfertigung nach Dokumentgruppen nämlich die Aufgabe der Kommission bei der Prüfung des Antrags und der Begründung ihrer Entscheidung.

67      Demnach ist eine Prüfung nach Kategorien nur dann rechtmäßig, wenn sie für die Behandlung des Zugangsantrags zweckdienlich ist. Die Definition der Dokumentkategorien muss deshalb anhand von Kriterien erfolgen, die es der Kommission erlauben, auf alle Dokumente einer Kategorie eine gemeinsame Argumentation anzuwenden. Im vorliegenden Fall müssten somit die Dokumente ein und derselben Kategorie gemeinsame Merkmale aufweisen, die für die Entscheidung über ihre etwaige Verbreitung relevant sind. Die auf eine Kategorie angewandte Argumentation müsste sich also zwangsläufig von den Argumentationen hinsichtlich der anderen Kategorien unterscheiden. Könnte nämlich ein und dieselbe Argumentation auf zwei verschiedene Kategorien angewandt werden, würde es sich für die Zwecke der Prüfung des Zugangsantrags in Wirklichkeit um ein und dieselbe Kategorie handeln. Eine Aufteilung in Kategorien wäre dann künstlich und unzweckmäßig.

68      Vorliegend war aber zum einen die Einordnung der begehrten Dokumente in Kategorien, wie sie von der Kommission vorgenommen wurde (vgl. oben, Randnr. 8), größtenteils nicht zweckdienlich für den Erlass der angefochtenen Entscheidung. Wie nachstehend in den Randnrn. 70 bis 85 zu den Ausnahmen zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten und zum Schutz der geschäftlichen Interessen auszuführen sein wird, erleichterte oder vereinfachte diese Einordnung insbesondere nicht die Aufgabe der Kommission in Bezug auf die Prüfung des Antrags und die Begründung ihrer Entscheidung, da die Kategorisierung unabhängig von den in den fraglichen Dokumenten enthaltenen Informationen nach Dokumenttypen erfolgte.

69      Zum anderen fielen, wie unten in den Randnrn. 86 bis 91 zu der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses der Kommission noch erläutert wird, die Dokumente, für die sich die Kommission auf diese Ausnahme berufen hat, entgegen dem oben in den Randnrn. 64 und 65 formulierten Erfordernis nicht offenkundig und in vollem Umfang unter diese Ausnahme.

–       Zur Prüfung der Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung

70      Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung ist in zwei Teile gegliedert. Punkt 3.1 mit dem Titel „Laufende Untersuchung“ betrifft die Rechtfertigung der Zugangsverweigerung mit dem Schutz des Zwecks der laufenden Untersuchung. In Punkt 3.2 mit dem Titel „Schutz der Ermittlungsunterlagen über die konkrete Untersuchung hinaus“ führt die Kommission zunächst aus, dass natürliche und juristische Personen, die im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 1/2003 freiwillig oder zwangsweise Informationen preisgäben, mit Recht darauf vertrauen dürften, dass sie die betreffenden Unterlagen nicht verbreite und dass diese nur für die Zwecke des wettbewerbsrechtlichen Verfahrens einschließlich der Überprüfung durch den Unionsrichter verwendet würden. Die Kommission verweist auch auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003, nach denen Informationen, die unter das Berufsgeheimnis fielen und von ihr nach dieser Verordnung eingeholt werden könnten, nicht verbreitet werden dürften. Sie ist der Ansicht, dass die Kooperationsbereitschaft der betroffenen Unternehmen, wenn sie deren Vertrauen durch die Verbreitung der begehrten Dokumente enttäusche, so nachlassen würde, dass sie ihren Auftrag zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte. Schließlich weist sie ausdrücklich darauf hin, dass „[d]ie vorstehende Begründung … für die fünf unter Punkt 2 [der angefochtenen Entscheidung] genannten Arten von Dokumenten [gilt]“.

71      Auch die Analyse der Punkte der angefochtenen Entscheidung, die den verschiedenen Dokumentkategorien gewidmet sind, zeigt, dass im Kern die Argumentation der Kommission für jede der Kategorien 1, 2, 4 und 5a weitgehend dieselbe ist.

72      Die Kommission hat sich nämlich für jede dieser Kategorien im Wesentlichen auf die Erwägung gestützt, dass durch die Verbreitung der Dokumente die Informationen, die von den Unternehmen, die die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragt hätten, und von den Adressaten von Auskunftsverlangen erteilt worden seien, an die Öffentlichkeit gelangten, was die Erhebung von Schadensersatzklagen gegen die Unternehmen, die kooperiert oder Auskunftsverlangen beantwortet hätten, erleichtern und infolgedessen künftige Kronzeugenanwärter und künftige Adressaten von Auskunftsverlangen davon abhalten würde, mit ihr zu kooperieren. Eine solche Schwächung ihres Kronzeugenprogramms und ihrer Ermittlungen würde sie an der wirksamen Erfüllung ihres Auftrags hindern, die Wahrung des Wettbewerbsrechts der Union zu sichern.

73      Genauer hat die Kommission zu Kategorie 1 darauf hingewiesen, dass die Anwaltschaft ihre Handhabung der Kronzeugenregelung sehr genau beobachte, so dass ihre in einem Fall ergriffenen Maßnahmen Auswirkungen auf künftige Fälle haben könnten. Zu Kategorie 2 hat sie hervorgehoben, dass die Adressaten von nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ergehenden Auskunftsverlangen ihre Antworten auf das absolute Minimum beschränken oder auf Verzögerungstaktiken zurückgreifen könnten und sie damit zwingen würden, förmliche Beschlüsse zu erlassen, um sich Informationen zu beschaffen. Für die Kategorie 4 hat die Kommission das berechtigte Vertrauen der mit ihr kooperierenden Unternehmen darauf betont, dass die von ihnen gelieferten Informationen nur in den Grenzen der Verordnung Nr. 1/2003 verbreitet würden. In Bezug auf die Kategorie 5a hat sich die Kommission auf den sehr allgemeinen Hinweis beschränkt, dass die Verbreitung dieser Dokumente, „wie bereits bei den Dokumentenkategorien [1 bis 4] erklärt“, den Zweck der Untersuchungstätigkeiten gefährden würde, ohne insoweit eigenständige, auf den spezifischen Inhalt der unter diese Kategorie fallenden Dokumente abstellende Argumente anzuführen.

74      Angesichts der Ausführungen, mit denen die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten der Kategorien 1, 2, 4 und 5a rechtfertigt, gibt es somit keinen wirklichen inhaltlichen Unterschied zwischen den jeweiligen Dokumenten dieser Kategorien, so dass die Aufteilung in Kategorien im Rahmen der angefochtenen Entscheidung keinen sinnvollen Zweck erfüllt.

75      Die Kommission hat zwar auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass, auch wenn sich ihre Ablehnung der Verbreitung auf wenige wesentliche Rechtsgrundsätze zurückführen lasse, die in der angefochtenen Entscheidung gegebenen Erläuterungen doch zeigten, dass sie den Eigenheiten der unter die verschiedenen Kategorien fallenden Dokumente Rechnung getragen habe. Es ist jedoch festzustellen, dass die oben in Randnr. 73 zusammengefassten Gründe, die für die Kategorien 1, 2, 4 und 5a angeführt wurden, weitgehend austauschbar sind und für jede der Dokumentkategorien gleichermaßen gelten können.

76      Die von der Kommission vorgenommene Aufteilung in Kategorien war somit hinsichtlich der Kategorien 1, 2, 4 und 5a künstlich. Sie entsprach keinen wirklichen Unterschieden in Bezug auf den Inhalt der unter die verschiedenen Kategorien fallenden Dokumente. Daher lagen die oben in Randnr. 64 genannten Voraussetzungen für ein Absehen von einer konkreten und individuellen Prüfung der einzelnen Dokumente durch die Kommission nicht vor, so dass die Kommission jedes der in diesen Kategorien aufgeführten Dokumente individuell prüfen musste.

77      Für die Kategorie 3 dagegen, die die bei den Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der betroffenen Unternehmen sichergestellten Dokumente betrifft, beruft sich die Kommission spezifisch auf das berechtigte Vertrauen der Unternehmen darauf, dass die Dokumente, die sie sich in Ausübung ihrer Befugnisse beschafft habe, nicht öffentlich gemacht, sondern ausschließlich für die Zwecke des wettbewerbsrechtlichen Verfahrens verwendet würden. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Dokumente der Kategorie 3 von den Dokumenten der anderen Kategorien durch die Umstände unterscheiden, unter denen sie in die Hände der Kommission gelangt sind, d. h. dadurch, dass sie nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 1/2003 gegen den Willen der fraglichen Unternehmen bei unangekündigten Nachprüfungen der Kommission zusammengetragen wurden, während alle anderen Dokumente, soweit sie nicht von der Kommission selbst stammen, von den Unternehmen entweder freiwillig überlassen wurden oder, sofern die Unternehmen zur Erteilung von Auskünften rechtlich verpflichtet waren, nach reiflicher Überlegung und gegebenenfalls nach Einholung rechtlicher Beratung herausgegeben werden konnten. In Anbetracht dieses Zwangselements bei der Herausgabe der Dokumente der Kategorie 3 unterschied sich das Vertrauen, das bei den betreffenden Unternehmen gegebenenfalls darauf entstehen konnte, dass die sichergestellten Dokumente ausschließlich im Rahmen der von der Kommission nach Art. 81 EG geführten Ermittlung verwendet würden, seiner Natur nach von dem von der Kommission für die Dokumente der Kategorie 4 geltend gemachten Vertrauen, das die Unternehmen angeblich darauf hätten haben dürfen, dass die freiwillig überlassenen Dokumente nicht verbreitet würden, was auch dann gilt, wenn das Vertrauen in beiden Fällen an Art. 28 der Verordnung Nr. 1/2003 anknüpfen könnte. Die Gründe, die die Kommission für die Dokumente der Kategorie 3 angegeben hat, beruhen deshalb auf besonderen Kriterien, die bei der Entscheidung über die etwaige Verbreitung der in Rede stehenden Dokumente zu berücksichtigen sind.

78      Daraus folgt, dass die Kategorie 3 die einzige von der Kommission definierte Dokumentkategorie war, die im Hinblick auf die Argumentation in der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der Prüfung des Zugangsantrags zweckdienlich war. Diese Schlussfolgerung kann jedoch nicht der Prüfung vorgreifen, ob die Gründe, auf die die Kommission die Ablehnung einer Verbreitung der Dokumente dieser Kategorie gestützt hat, stichhaltig sind.

79      Folglich durfte die Kommission in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung, der die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten betrifft, nicht von einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente der Kategorien 1, 2, 4 und 5a absehen.

–       Zur Prüfung der Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen in Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung

80      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem der Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen gewidmeten Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung zwar feststellt, dass der Zugang zu den Dokumenten der Kategorien 1 bis 4 auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu verwehren sei, aber nicht die Dokumente der Kategorie 5 nennt. Es ist also davon auszugehen, dass sie sich für letztere Dokumente nicht auf diese Ausnahme beruft.

81      Außerdem baut die Argumentation der Kommission in Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung nicht auf den Dokumentkategorien auf, wie sie in Punkt 2 dieser Entscheidung definiert wurden. Sie unterscheidet nämlich mit den „von den betreffenden Unternehmen stammenden Dokumenten“ und den „Dokumenten der Kommission“ zwei Gruppen von Dokumenten.

82      Diese Unterscheidung ist aber wie die Aufteilung in Kategorien für die Zwecke der Anwendung der Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten (vgl. oben, Randnrn. 70 bis 76) künstlich, da die Argumentation, mit der die Ablehnung der Verbreitung gerechtfertigt wird, für beide Dokumentgruppen tatsächlich die gleiche ist.

83      So erläutert die Kommission zunächst, dass die von den betreffenden Unternehmen stammenden Dokumente „sensible Geschäftsinformationen unterschiedlicher Art“ und „detaillierte Daten über die Geschäftstätigkeit und das Marktverhalten“ der betreffenden Unternehmen enthielten und dies Informationen seien, die diese Unternehmen berechtigterweise vor dem Zugriff daran interessierter Dritter schützen wollten, und fährt dann fort, dass „[d]ie oben genannte Begründung bezüglich der von den betreffenden Unternehmen stammenden Dokumente … gleichermaßen auch auf Dokumente der Kommission zu[trifft]“.

84      Unter dem Vorwand einer Analyse nach Dokumentgruppen ist die Argumentation der Kommission somit allgemein und findet auf alle Dokumente der Kategorien 1 bis 4 Anwendung, was gegen ihre Verpflichtung nach der oben in Randnr. 40 angeführten Rechtsprechung verstößt, zu erläutern, inwiefern der Zugang zu jedem Dokument, dessen Verbreitung beantragt worden ist, den Schutz der geschäftlichen Interessen konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte.

85      Folglich war die Kommission nicht berechtigt, in Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung, der die Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen betrifft, von einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente der Kategorien 1 bis 4 abzusehen.

–       Zur Prüfung der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses der Kommission in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung

86      Wie oben in Randnr. 9 ausgeführt, hat die Kommission die Ausnahme des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Schutz ihres Entscheidungsprozesses allein für die Dokumente der Kategorie 5a in Anspruch genommen.

87      Nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 wird „[d]er Zugang zu einem Dokument mit Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs … auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, verweigert, wenn die Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“.

88      Erstens ergibt sich implizit aus Punkt 3.2.5 der angefochtenen Entscheidung und ausdrücklich aus der Antwort der Kommission vom 9. November 2011 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts, dass nach Ansicht der Kommission alle Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung enthalten.

89      Zweitens kann, wie oben in den Randnrn. 64 und 65 ausgeführt, das Organ nur dann von einer individuellen Prüfung dieser Dokumente absehen, wenn die Dokumente einer Kategorie offenkundig und in vollem Umfang unter eine Ausnahme vom Zugangsrecht fallen.

90      Vorliegend spricht aber nichts für die Annahme, dass alle Dokumente der Kategorie 5a offenkundig und in vollem Umfang unter die genannte Ausnahme fallen. Im Gegenteil spricht in Anbetracht der Art der Dokumente in den drei Unterkategorien der Kategorie 5a, wie diese von der Kommission in Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung definiert und in ihrer Antwort vom 9. November 2011 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts präzisiert wurden, alles dafür, dass eine Vielzahl dieser Dokumente Stellen enthält, die keine Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 darstellen. Das gilt namentlich für die Titel dieser Dokumente, ihre Einleitungen und die Begleitschreiben anlässlich ihrer Übermittlung an die verschiedenen Adressaten.

91      Daher ist festzustellen, dass die Kommission nicht berechtigt war, in dem der Ausnahme zum Schutz ihres Entscheidungsprozesses gewidmeten Abschnitt von Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung von einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente der Kategorie 5a abzusehen, wobei in diesem Stadium nicht geprüft zu werden braucht, ob sie rechtlich hinreichend dargetan hat, dass alle Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthielten.

92      Die Kommission durfte sich also für das Absehen von einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente nur hinsichtlich der Dokumente der Kategorie 3 auf eine Prüfung nach Gruppen berufen.

 Zu der in der Klagebeantwortung der Kommission geltend gemachten Ausnahme, die auf einen außergewöhnlichen und nicht vertretbaren Arbeitsaufwand gestützt wird

93      Wie oben in den Randnrn. 50 bis 52 dargelegt, kann das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente mit dieser Ausnahme nicht gerechtfertigt werden, weil in der angefochtenen Entscheidung davon keine Rede ist. Eine Prüfung der Begründetheit dieses Vorbringens der Vollständigkeit halber erscheint jedoch angebracht.

94      Die Kommission hat in Randnr. 103 ihrer Klagebeantwortung geltend gemacht, dass sie die Klägerin auf den Umfang der Akte und den durch ihren Antrag entstehenden Arbeitsaufwand hingewiesen habe, ohne dass die Klägerin jedoch den Antrag hinreichend präzisiert habe. Gleichzeitig hat sie auf die Rechtsprechung des Gerichts verwiesen, wonach unter außergewöhnlichen Umständen der mit der konkreten und individuellen Prüfung einer Vielzahl von Dokumenten verbundene Arbeitsaufwand es rechtfertigen könne, mit dem Antragsteller nach einer „angemessenen Lösung“ zu suchen, um einen Ausgleich zwischen seinen Interessen und den Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu finden (Urteile des Gerichts vom 19. Juli 1999, Hautala/Rat, T‑14/98, Slg. 1999, II‑2489, Randnr. 86, und VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnrn. 101 bis 103).

95      Im vorliegenden Fall kann sich aber die Kommission jedenfalls nicht auf diese Rechtsprechung berufen, um das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente in der angefochtenen Entscheidung zu rechtfertigen.

96      Erstens ergibt sich aus der Akte, dass die Klägerin entgegen der Behauptung der Kommission dem Vorschlag, ihren Zugangsantrag einzugrenzen, Folge geleistet hat. Ihrer Klageschrift liegt nämlich ein Fax vom 11. Januar 2008 bei, in dem sie auf ein Telefongespräch mit der Kommission vom Vortag reagiert. In diesem Fax schränkt die Klägerin, „um den Arbeitsaufwand auf Seiten der Generaldirektion Wettbewerb möglichst gering zu halten“, ihren Zugangsantrag ein, indem sie auf drei Kategorien von Dokumenten verzichtet, nämlich alle Dokumente, die sich ausschließlich auf die Struktur der beteiligten Unternehmen bezögen, alle Dokumente, die ausschließlich die Frage des richtigen Adressaten der GIS-Entscheidung beträfen, und alle Dokumente, die vollständig in japanischer Sprache verfasst seien.

97      In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, wonach ein E‑Mail-Wechsel vom Januar 2008 zeige, dass die Klägerin trotz mehrmaliger und mit E‑Mail vom 22. Januar 2008 wiederholter Aufforderungen seitens der Kommission ihren Zugangsantrag nicht präzisiert habe. Der fragliche Schriftwechsel beginnt nämlich mit einer E‑Mail vom 18. Januar 2008, in der die Klägerin ihr Bedauern darüber zum Ausdruck bringt, dass die Kommission ihren Erstantrag vom 13. Dezember 2007 nicht innerhalb der in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Frist von 15 Arbeitstagen beantwortet habe. Aus der Antwort der Kommission vom 22. Januar 2008 (10.24 Uhr) und aus der Erwiderung der Klägerin vom selben Tag (11.51 Uhr) ergibt sich, dass die Kommission in diesem Stadium das Fax der Klägerin vom 11. Januar 2008, in dem diese ihren Erstantrag eingeschränkt hatte, nicht berücksichtigt hatte, obwohl der Klägerin ein Sendebericht über die ordnungsgemäße Übermittlung dieses Fax vorlag. Der Austausch endet mit einer weiteren E‑Mail der Kommission vom 22. Januar 2008 (16.57 Uhr), in der die Kooperationsbereitschaft der Klägerin und der Eingang der Einschränkung des Zugangsantrags vermerkt werden.

98      Wenn daher die Kommission die Klägerin im Lauf dieses E‑Mail-Wechsels an ihre Zusage zur Eingrenzung ihres Antrags erinnert hat, so lag dies daran, dass die Kommission, wie sie selbst in der den Schriftwechsel beendenden E‑Mail eingeräumt hat, ein früheres Fax, in dem eine solche Eingrenzung vorgenommen worden war, nicht berücksichtigt hatte. Unter diesen Umständen kann die Kommission nicht geltend machen, dass die Klägerin auf ihre Aufforderung vom 22. Januar 2008, den Antrag zu präzisieren, nicht reagiert habe.

99      Außerdem ist die Einschränkung des Zugangsantrags in Punkt 1 des Schreibens der Kommission vom 30. Januar 2008, mit dem der Erstantrag zurückgewiesen wurde, vermerkt, ohne dass geltend gemacht würde, dass sie im Hinblick auf die Verringerung des Arbeitsaufwands der Kommission nicht ausreiche.

100    Zweitens hat die Kommission nichts vorgebracht, das geeignet wäre, darzutun, dass der durch eine konkrete und individuelle Prüfung der begehrten Dokumente verursachte Arbeitsumfang so außergewöhnlich gewesen wäre, dass er die Ablehnung einer solchen Prüfung gerechtfertigt hätte. Insoweit trägt nach der Rechtsprechung des Gerichts das Organ, das sich auf eine Ausnahme aufgrund der Unvertretbarkeit der durch den Antrag bedingten Arbeit beruft, die Beweislast für den Arbeitsumfang, da das Recht auf Zugang zu den Dokumenten im Besitz der Organe einen Grundsatz darstellt (Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 113).

101    Die Berücksichtigung des für die Bearbeitung eines Antrags erforderlichen Arbeitsaufwands spielt für die Bemessung des Umfangs des Zugangsrechts grundsätzlich keine Rolle, denn die Verordnung Nr. 1049/2001 hat, da nach ihren Art. 7 Abs. 3 und 8 Abs. 2 die Fristen für die Bearbeitung der Erst- und der Zweitanträge in Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, verlängert werden können, ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, dass ein Zugangsantrag eine sehr große Zahl von Dokumenten betreffen kann (Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnrn. 108 und 110).

102    Im Übrigen hängt der für die Prüfung eines Antrags erforderliche Arbeitsaufwand nicht nur von der Zahl und dem Umfang der im Antrag bezeichneten Dokumente ab, sondern auch von ihrer Art. Die Notwendigkeit, sehr viele Dokumente konkret und individuell zu prüfen, sagt daher als solche nichts über den für die Bearbeitung eines Zugangsantrags erforderlichen Arbeitsaufwand aus, da dieser auch von der erforderlichen Prüfungstiefe abhängt (Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 111).

103    Eine Abweichung von dieser Prüfungspflicht kommt folglich ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Verwaltung durch die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente in besonderem Maß belastet würde, so dass damit die Grenzen dessen überschritten würden, was vernünftigerweise verlangt werden kann (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 7. Februar 2002, Kuijer/Rat, T‑211/00, Slg. 2002, II‑485, Randnr. 57, und Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 112).

104    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Vorfeld des Verfahrens vor dem Gericht aber weder nachgewiesen noch überhaupt geltend gemacht, dass solche außergewöhnlichen Umstände vorlägen. Zwar hat sie in der Einleitung der angefochtenen Entscheidung ein Schreiben vom 10. April 2008 erwähnt, in dem sie der Klägerin mitgeteilt habe, dass sie angesichts des Umfangs der Akte, die über 1 900 Dokumente umfasse, nicht in der Lage sei, den Zugangsantrag innerhalb der in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Frist zu bearbeiten. Demnach hat sie gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 die Frist zur Bescheidung des Zweitantrags verlängert. Sie hat jedoch in diesem Stadium nicht geltend gemacht, dass es wegen des Umfangs des verursachten Arbeitsaufwands unmöglich sei, die Dokumente konkret und individuell zu prüfen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass sie selbst diesen Arbeitsaufwand nicht für unvertretbar hielt.

105    Drittens muss das Organ, wenn es den Nachweis erbracht hat, dass der durch die konkrete und individuelle Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente bedingte Verwaltungsaufwand nicht zu vertreten ist, versuchen, sich mit dem Antragsteller zu beraten, um zum einen zu erfahren oder sich näher erläutern zu lassen, welches Interesse er am Zugang zu den betreffenden Dokumenten hat, und zum anderen konkret zu überlegen, welche Optionen für ein weniger beanspruchendes Vorgehen als die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente bestehen. Da das Recht auf Zugang zu den Dokumenten die Grundregel darstellt, ist das Organ in diesem Zusammenhang aber verpflichtet, der Lösung den Vorzug zu geben, die für das Zugangsrecht des Antragstellers so günstig wie möglich ist, ohne selbst einen Aufwand zu verursachen, der die Grenzen dessen überschreiten würde, was vernünftigerweise verlangt werden kann (Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 114).

106    Das Organ kann daher von einer konkreten und individuellen Prüfung nur absehen, nachdem es tatsächlich alle anderen in Betracht kommenden Optionen untersucht und in seiner Entscheidung eingehend erläutert hat, aus welchen Gründen auch diese verschiedenen Optionen einen unvertretbaren Arbeitsaufwand bedeuten (Urteil VKI, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 115).

107    Vorliegend geht aber aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Kommission konkret, genau und eingehend die übrigen in Frage kommenden Optionen zur Beschränkung ihres Arbeitsaufwands und die Gründe geprüft hätte, die es ihr erlauben konnten, von jeder konkreten und individuellen Prüfung abzusehen, statt gegebenenfalls eine für das Zugangsrecht der Klägerin weniger einschneidende Maßnahme zu treffen. Insbesondere ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung nicht, dass die Kommission den Arbeitsaufwand beurteilt hätte, der mit der individuellen und konkreten Identifizierung und Prüfung der wenigen Dokumente verbunden gewesen wäre, die am ehesten geeignet wären, den Interessen der Klägerin sofort und gegebenenfalls zunächst teilweise zu dienen.

108    Folglich hat die Kommission nicht die im Urteil VKI aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, unter denen sie von einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente aufgrund des durch eine solche Prüfung verursachten Arbeitsaufwands absehen kann.

109    Nach alledem durfte die Kommission eine Prüfung nach Kategorien allein in Bezug auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten und nur für die Dokumente der Kategorie 3, d. h. die bei den Nachprüfungen erlangten Dokumente (vgl. oben, Randnr. 77), vornehmen. Insoweit durfte sie also von einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente absehen. Diese Feststellung greift jedoch nicht der nachstehend in den Randnrn. 113 ff. zu prüfenden Frage vor, ob sie die Verweigerung des Zugangs zu diesen Dokumenten zu Recht auf diese Ausnahme stützen konnte.

110    Für alle anderen begehrten Dokumente und für alle anderen von ihr geltend gemachten Ausnahmen war sie dagegen zu einer konkreten und individuellen Prüfung verpflichtet. Da sie eine solche Prüfung nicht vorgenommen hat, ist die angefochtene Entscheidung folglich wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zu einer konkreten und individuellen Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente rechtswidrig,

–        soweit sie die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 auf die Dokumente der Kategorien 1, 2, 4 und 5a betrifft,

–        soweit sie die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 auf die Dokumente der Kategorien 1 bis 4 betrifft und

–        soweit sie die Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 auf die Dokumente der Kategorie 5a betrifft.

111    Die angefochtene Entscheidung ist daher für nichtig zu erklären, soweit damit der Zugang zu den Dokumenten der Kategorien 1, 2, 4 und 5a verwehrt wurde.

112    Was die nicht unter die Kategorie 3 fallenden Dokumente anbelangt, erfolgt die nachstehende Prüfung der Begründetheit der in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Ausnahmen vom Zugangsrecht deshalb nur ergänzend.

b)     Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

113    Die Klägerin ist, unterstützt durch das Königreich Schweden, der Ansicht, dass die Verbreitung der Dokumente, zu denen sie Zugang begehre, weder eine Gefährdung laufender Untersuchungen noch eine Gefährdung zukünftiger Untersuchungen zur Folge habe. Die Untersuchung in der Sache COMP/F/38.899 hält sie für durch die GIS-Entscheidung abgeschlossen. Eine etwaige Wiederaufnahme nach einer Nichtigerklärung durch den Unionsrichter stelle ein neues Verfahren dar. In Bezug auf zukünftige Untersuchungen laufe die Argumentation der Kommission darauf hinaus, einen neuen Ausnahmegrund zu schaffen, der im Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 keine Stütze finde und dem Zugangsrecht jede praktische Wirksamkeit nehme.

114    Die Kommission macht, unterstützt durch die Streithelferinnen ABB und Siemens, geltend, die Notwendigkeit, den Zweck des Verfahrens in der Sache COMP/F/38.899 zu schützen, bestehe fort, bis die GIS-Entscheidung bestandskräftig sei. Außerdem erstrecke sich der Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 allgemein auf den Schutz ihres fortlaufenden Auftrags zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und insbesondere auf den Schutz ihres Kronzeugenprogramms. Eine Verbreitung der von den Unternehmen im Rahmen eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung übermittelten Dokumente sei aber geeignet, die Unternehmen in der Zukunft von einer freiwilligen Kooperation mit ihr abzuhalten.

115    Im vorliegenden Fall hat die Kommission der Klägerin unter Berufung insbesondere auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten vorgesehene Ausnahme vom Zugangsrecht die Übermittlung von Dokumenten eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens verwehrt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die begehrten Dokumente eine „Untersuchungstätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung betreffen. Die Klägerin macht jedoch geltend, die Untersuchungstätigkeiten der Kommission seien abgeschlossen, und die Ausnahme zu ihrem Schutz sei deshalb nicht mehr anwendbar.

116    Dazu ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass mit der Ausnahme gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, nicht die Untersuchungstätigkeiten als solche geschützt werden sollen, sondern deren Zweck, der im Fall eines Verfahrens in Wettbewerbssachen darin besteht, zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen Art. 81 EG begangen worden ist, und gegebenenfalls Sanktionen gegen die verantwortlichen Unternehmen zu verhängen. Aus diesem Grund können die zu den verschiedenen Untersuchungshandlungen gehörenden Aktenstücke, solange dieser Zweck nicht erreicht worden ist, auch dann noch unter die fragliche Ausnahme fallen, wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion abgeschlossen ist, aus der das Dokument, zu dem Zugang begehrt wird, hervorgegangen ist (Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, API/Kommission, T‑36/04, Slg. 2007, II‑3201, Randnr. 133; vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, Slg. 2006, II‑2023, Randnr. 110, und – zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 – vom 13. September 2000, Denkavit Nederland/Kommission, T‑20/99, Slg. 2000, II‑3011, Randnr. 48).

117    Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung war es hier aber schon fast 17 Monate her, dass die Kommission die GIS‑Entscheidung erlassen hatte, mit der die den beteiligten Unternehmen von ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlungen festgestellt wurden und die somit das Verfahren COMP/F/38.899 abschloss. Es lässt sich daher nicht bestreiten, dass zu diesem Zeitpunkt keine auf den Nachweis der fraglichen Zuwiderhandlungen gerichtete Untersuchungstätigkeit mehr im Gang war, die durch die Verbreitung der begehrten Dokumente hätte gefährdet werden können.

118    Zwar ist richtig, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung Klagen gegen die GIS‑Entscheidung beim Gericht anhängig waren, so dass bei deren Nichtigerklärung das Verfahren hätte wiederaufgenommen werden können. Daran hat sich mit der Verkündung der Urteile in den betreffenden Rechtssachen nichts geändert, da derzeit mehrere Rechtsmittel gegen diese Urteile beim Gerichtshof anhängig sind.

119    Die Untersuchungstätigkeiten in einer konkreten Sache sind jedoch mit dem Erlass der endgültigen Entscheidung ungeachtet einer etwaigen späteren Nichtigerklärung dieser Entscheidung durch die Gerichte als abgeschlossen zu betrachten, weil in diesem Moment das betreffende Organ selbst das Verfahren für abgeschlossen gehalten hat.

120    Die Annahme, dass die verschiedenen Dokumente, die einen Bezug zu Untersuchungstätigkeiten aufweisen, so lange unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen, bis das betreffende Verfahren vollständig abgeschlossen ist, und dies selbst dann, wenn beim Gericht eine Klage erhoben ist, die möglicherweise zur Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Kommission führt, liefe nämlich darauf hinaus, den Zugang zu diesen Dokumenten von unvorhersehbaren Ereignissen abhängig zu machen, d. h. vom Ausgang des gerichtlichen Verfahrens und den Konsequenzen, die die Kommission daraus gegebenenfalls zieht. Jedenfalls würde es sich um zukünftige und ungewisse Ereignisse handeln, die von den Entschlüssen der Gesellschaften, die Adressaten der Entscheidung zur Ahndung eines Kartells sind, und von den Entscheidungen der verschiedenen betroffenen Stellen abhängen.

121    Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Organe zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren (Urteil API/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 140; vgl. in diesem Sinne Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 112).

122    Daher war die Verbreitung der begehrten Dokumente nicht geeignet, den Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten in Bezug auf das GIS-Kartellverfahren vor der Kommission zu beeinträchtigen.

123    Als Zweites ist festzustellen, dass daran auch das Vorbringen der Kommission nichts zu ändern vermag, wonach der Begriff des „Zwecks von Untersuchungstätigkeiten“ eine allgemeinere Tragweite dergestalt habe, dass er die gesamte Politik der Kommission im Bereich der Kartellbekämpfung und ‑prävention umfasse.

124    Die Kommission ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Begriff „Untersuchungen“ im Kartellrecht nicht auf das einer Untersagungsentscheidung vorausgehende Verfahren beschränkt werden könne, sondern als Bestandteil ihres regulären und fortlaufenden Auftrags zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union zu verstehen sei. Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 habe daher über den Abschluss eines bestimmten Verfahrens hinaus Geltung. Ferner macht die Kommission unter Verweis auf ihre Abhängigkeit von der Kooperation der betroffenen Unternehmen im Kartellverfahren geltend, dass ohne eine Vertraulichkeit der ihr von den Unternehmen vorgelegten Dokumente der Anreiz für die Unternehmen zur Abgabe von Kronzeugenerklärungen geringer wäre und sie sich auch bei der Mitteilung anderer Informationen, insbesondere im Rahmen von Auskunftsverlangen und Nachprüfungen, auf ein Mindestmaß beschränken würden. Der Schutz der Vertraulichkeit sei somit eine Voraussetzung für die wirksame Verfolgung von Wettbewerbsverstößen und dadurch wesentlicher Bestandteil der Wettbewerbspolitik der Kommission.

125    Würde man der von der Kommission vorgeschlagenen Auslegung zustimmen, liefe dies jedoch darauf hinaus, ihr zu gestatten, ihre gesamte Tätigkeit in Wettbewerbssachen ohne zeitliche Beschränkung durch den bloßen Verweis auf eine mögliche zukünftige Beeinträchtigung ihres Kronzeugenprogramms der Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 zu entziehen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die von der Kommission für ihr Kronzeugenprogramm befürchteten Folgen von mehreren ungewissen Faktoren abhängen, nämlich u. a. der Verwendung der erlangten Dokumente seitens der durch ein Kartell Geschädigten, dem Grad des Erfolgs etwaiger von ihnen erhobener Schadensersatzklagen, den ihnen von den nationalen Gerichten zugesprochenen Beträgen und den künftigen Reaktionen der an Kartellen beteiligten Unternehmen.

126    Eine derart weite Auslegung des Begriffs der Untersuchungstätigkeiten ist nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass die Ausnahmen des Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 wegen des Ziels dieser Verordnung eng auszulegen und anzuwenden sind, das nach ihrem vierten Erwägungsgrund darin besteht, „dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit [zu] verschaffen“ (vgl. die oben in Randnr. 41 angeführte Rechtsprechung).

127    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 keinerlei Anhaltspunkte dafür enthält, dass die Wettbewerbspolitik der Union im Rahmen der Anwendung dieser Verordnung anders zu behandeln wäre als andere Politiken der Union. Es besteht also kein Grund, den Begriff des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten im Rahmen der Wettbewerbspolitik anders auszulegen als in Bezug auf andere Politiken der Union.

128    Außerdem ist zu beachten, dass das Kronzeugenprogramm, dessen Wirksamkeit die Kommission schützen möchte, nicht das einzige Mittel ist, um zu gewährleisten, dass die Wettbewerbsregeln der Union eingehalten werden. Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten können nämlich wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union beitragen (Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Courage und Crehan, C‑453/99, Slg. 2001, I‑6297, Randnr. 27).

129    Nach alledem war die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerhaft der Ansicht, dass die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelte Ausnahme vom Zugangsrecht zu den Dokumenten im vorliegenden Fall anwendbar sei. Sie durfte somit insbesondere den Zugang zu den Dokumenten der Kategorie 3 nicht unter Berufung auf diese Ausnahme verwehren.

130    Der erste Teil des ersten Klagegrundes greift somit für die Dokumente der Kategorien 1, 2, 3, 4 und 5a durch.

c)     Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

131    Die Klägerin macht, unterstützt durch das Königreich Schweden, erstens im Wesentlichen geltend, dass die Angaben in den Dokumenten der begehrten Akte wegen ihres Alters die Geschäftsinteressen der betroffenen Unternehmen nicht mehr gefährden könnten. Zweitens hält sie das Interesse der Kartellmitglieder an der Geheimhaltung der Dokumente der Akte für nicht objektiv schützenswert. Drittens komme den Kartellmitgliedern kein berechtigtes Vertrauen auf die Nichtverbreitung der fraglichen Dokumente zugute.

132    Die Kommission bringt, unterstützt durch ABB und Siemens, im Wesentlichen vor, der Begriff des Schutzes geschäftlicher Interessen sei weit auszulegen. Eine Prüfung der Vertraulichkeit habe bereits im Rahmen des Aktenzugangs der von der wettbewerbsrechtlichen Untersuchung Betroffenen stattgefunden, so dass eine erneute konkrete und umfassende Prüfung entbehrlich sei. Außerdem könne die Sensibilität der Geschäftsdaten nicht allein anhand ihres Alters beurteilt werden. Im Übrigen sei in der Verordnung Nr. 1/2003, in der die gegen ein an einem Kartell beteiligtes Unternehmen verhängbaren öffentlich-rechtlichen Sanktionen abschließend geregelt würden, eine Aufhebung der Rechte in Bezug auf den Schutz der geschäftlichen Interessen dieser Unternehmen nicht vorgesehen.

133    Nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

134    Der Begriff der geschäftlichen Interessen ist in der Rechtsprechung zwar nicht definiert worden, doch hat das Gericht klargestellt, dass nicht jede Information über eine Gesellschaft und ihre Geschäftsbeziehungen unter den Schutz fallen kann, der den geschäftlichen Interessen nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zukommt, da andernfalls die Geltung des allgemeinen Grundsatzes, der Öffentlichkeit einen größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Organe zu gewähren, vereitelt würde (Urteil des Gerichts vom 30. Januar 2008, Terezakis/Kommission, T‑380/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 93).

135    Somit ist zu prüfen, ob die Kommission fehlerhaft zu der Ansicht gelangt ist, dass die Dokumente der Kategorien 1 bis 4 unter den Begriff der geschäftlichen Interessen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen.

136    Die Klägerin bestreitet nicht generell, dass die begehrten Dokumente Informationen enthalten können, die die Geschäftsbeziehungen der am GIS-Kartell beteiligten Unternehmen, die Preise ihrer Erzeugnisse, ihre Kostenstruktur, ihre Marktanteile oder Ähnliches betreffen.

137    Zum ersten, das Alter der Informationen betreffenden Argument der Klägerin ist jedoch festzustellen, dass die Kommission selbst in Ziff. 23 ihrer Mitteilung über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG], Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2005, C 325, S. 7, im Folgenden: Mitteilung über die Regeln für die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen) die Ansicht geäußert hat, dass „Informationen, die ihren geschäftlichen Wert verloren haben, beispielsweise weil sie veraltet sind, … nicht länger als vertraulich betrachtet werden [können]“, und sie „[g]enerell … davon aus[geht], dass Informationen über Umsatz, Absatz, Marktanteile der Betroffenen und ähnliche Angaben, die älter als fünf Jahre sind, nicht länger vertraulich behandelt werden müssen“.

138    Diese Mitteilung der Kommission kann zwar das Gericht bei seiner Auslegung der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht binden. In ihrer Ziff. 2 wird nämlich klargestellt, dass sich das Recht auf Akteneinsicht, wie es in dieser Mitteilung definiert ist, vom allgemeinen Recht auf Zugang zu Dokumenten gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 unterscheidet, das anderen Bedingungen und Ausnahmeregelungen unterliegt. Außerdem betrifft Ziff. 23 der Mitteilung über die Regeln für die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen den Begriff der Vertraulichkeit und nicht den der geschäftlichen Interessen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001. Folglich ist der Begriff der geschäftlichen Interessen allein im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1049/2001 auszulegen. Gleichwohl kann besagte Ziff. 23 einen Hinweis auf den Inhalt geben, der diesem letzten Begriff nach Ansicht der Kommission beizumessen ist.

139    Da nämlich die Kommission für die Auslegung des Begriffs der Vertraulichkeit auf den Begriff des geschäftlichen Werts zurückgegriffen hat, der wiederum nah am Begriff der geschäftlichen Interessen liegt, kann dem entnommen werden, dass ihrer Ansicht nach der Grad an Vertraulichkeit eines Dokuments oder einer Information von der Bedeutung der nachteiligen Folgen abhängt, die die betroffene Gesellschaft bei einer Verbreitung dieses Dokuments oder dieser Information zu befürchten hätte. Daher gibt Ziff. 23 der Mitteilung über die Regeln für die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen einen Hinweis auf die Interessengewichtung, die nach eigener Ansicht der Kommission in Situationen vorzunehmen ist, in denen Informationen über die Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft an andere Wirtschaftsteilnehmer verbreitet werden können, deren Interessen, wie es hier gerade der Fall ist, gegensätzlich zu denen der fraglichen Gesellschaft sein können. Insoweit schwächen sich die nachteiligen Folgen, die sich aus der Verbreitung einer wirtschaftlich sensiblen Information ergeben können, mit zunehmendem Alter der Information ab (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 15. November 1990, Rhône-Poulenc u. a./Kommission, T‑1/89 bis T‑4/89 und T‑6/89 bis T‑15/89, Slg. 1990, II-637, Randnr. 23, und vom 19. Juni 1996, NMH Stahlwerke u. a./Kommission, T‑134/94, T‑136/94 bis T‑138/94, T‑141/94, T‑145/94, T‑147/94, T‑148/94, T‑151/94, T‑156/94 und T‑157/94, Slg. 1996, II‑537, Randnrn. 24 und 32).

140    Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung am 16. Juni 2008 waren aber die meisten wirtschaftlich sensiblen Informationen in den begehrten Dokumenten schon weit mehr als fünf Jahre alt. Da das GIS-Kartell vom 15. April 1988 bis zum 11. Mai 2004 aktiv war, waren nämlich, wie die Klägerin hervorhebt, bei Erlass der angefochtenen Entscheidung allein die Informationen über die Jahre 2003 und 2004 noch keine fünf Jahre alt.

141    Die Kommission macht geltend, dass die oben in Randnr. 139 angeführte Rechtsprechung des Gerichts den Begriff des Geschäftsgeheimnisses und nicht den deutlich weiteren Begriff der geschäftlichen Interessen betreffe und dass die in Ziff. 23 der Mitteilung über die Regeln für die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen genannte Fünfjahresgrenze keine zwingende Regel, sondern allenfalls eine Faustregel sei. Sie führt zudem Beispiele aus der Rechtsprechung an, in denen Angaben noch nach diesem Zeitraum als schutzwürdig angesehen worden seien.

142    Dazu ist festzustellen, dass es, wie die Kommission zu Recht ausführt, nicht darum gehen kann, eine starre Regel anzuwenden, nach der bei jeder Information über Tatsachen eines bestimmten Alters davon ausgegangen werden müsste, dass sie die geschäftlichen Interessen der Gesellschaft, auf die sie sich bezieht, nicht mehr beeinträchtigt. Wie jedoch bereits oben in Randnr. 139 dargelegt, erhöht der Umstand, dass die fraglichen Informationen ein gewisses Alter erlangt haben, die Wahrscheinlichkeit, dass die geschäftlichen Interessen der betroffenen Gesellschaften nicht mehr in einem Maß berührt werden, das die Anwendung einer Ausnahme von dem in der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Ausdruck kommenden Transparenzgrundsatz rechtfertigt. Deshalb und unter Berücksichtigung dessen, dass hier die Informationen über die Geschäftstätigkeiten der betroffenen Unternehmen einen Zeitraum von 16 Jahren abdeckten (von 1988 bis 2004), war die Kommission jedenfalls zu einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente im Hinblick auf die Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen verpflichtet und durfte sich nicht auf pauschale, alle Dokumente der Kategorien 1 bis 4 erfassende Beurteilungen beschränken. Da sie eine solche Prüfung nicht vorgenommen hat, hat sie nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die Verbreitung der begehrten Dokumente dem Schutz der geschäftlichen Interessen bestimmter juristischer Personen geschadet hätte.

143    In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, wonach eine erneute konkrete und umfassende Prüfung der verschiedenen Dokumente entbehrlich gewesen sei, weil die in der Akte der Sache COMP/F/38.899 enthaltenen vertraulichen Informationen bereits im Rahmen der Veröffentlichung der nicht vertraulichen Fassung der GIS-Entscheidung und im Rahmen der Gewährung des Zugangs zur Akte im damaligen Verfahren auf ihre Schutzwürdigkeit hin überprüft worden seien.

144    Erstens werden nämlich mit diesem Vorbringen verschiedene Bestimmungen über die Vertraulichkeit geschützter Informationen miteinander vermengt, die aber für die Beurteilung der Notwendigkeit eines Schutzes der Informationen und für die Herstellung eines Ausgleichs zwischen den für und gegen die Zugangsgewährung sprechenden Interessen die Anwendung unterschiedlicher Kriterien bedingen. Die Kommission selbst hat Letzteres in der oben in Randnr. 138 angeführten Ziff. 2 der Mitteilung über die Regeln für die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen anerkannt.

145    Beispielsweise gehört der Zugang zu bestimmten Aktenstücken, der den Unternehmen, an die die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, nach Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zukommt, zur Ausübung ihrer Verteidigungsrechte, und die in diesem Rahmen erlangten Dokumente dürfen, wie oben in Randnr. 60 ausgeführt, nur für Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zur Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG verwendet werden. So führen die Verteidigungsrechte als spezifische und zu den Grundrechten der betroffenen Unternehmen gehörende Rechte nur zu spezifischen Zwecken zu einem Zugang zu spezifischen Dokumenten, von denen nur die internen Dokumente des Organs, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen und sonstige vertrauliche Informationen ausgenommen sind. Im Gegensatz dazu führt das Zugangsrecht der Öffentlichkeit nach der Verordnung Nr. 1049/2001 als allgemeines Recht potenziell und ohne Beschränkung in Bezug auf die Verwendung der erlangten Dokumente zu einem Zugang zu allen im Besitz der Organe befindlichen Dokumenten, wobei dieser Zugang aus einer Reihe von Gründen verwehrt werden kann, die in Art. 4 dieser Verordnung aufgezählt sind. In Anbetracht dieser Unterschiede kann die Kommission dadurch, dass sie bereits im Kontext der aufgrund der Verteidigungsrechte zustehenden Akteneinsicht geprüft hat, in welchem Maß sie Zugang zu den in der Akte der Sache COMP/F/38.899 enthaltenen Informationen gewähren konnte, oder im Rahmen der nicht vertraulichen Fassung der GIS-Entscheidung beurteilt hat, in welchem Maß diese Informationen zu veröffentlichen waren, nicht einer erneuten Prüfung dieser Fragen im Licht der besonderen Voraussetzungen für das Zugangsrecht nach der Verordnung Nr. 1049/2001 enthoben sein.

146    Zweitens ergibt sich aus den oben in den Randnrn. 139 bis 142 gemachten Ausführungen, dass die Notwendigkeit des durch die geschäftlichen Interessen gerechtfertigten Schutzes der in der Akte der Sache COMP/F/38.899 enthaltenen Informationen durch bloßen Zeitablauf nach und nach abnehmen kann. Allein das Verstreichen von mehr als zwei Jahren zwischen der im April 2006 nach Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gewährten Akteneinsicht und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung am 16. Juni 2008 genügte somit für eine Verpflichtung der Kommission zur erneuten Prüfung der Geheimhaltungserfordernisse zum Schutz der geschäftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen.

147    Schließlich ist festzustellen, dass die Interessen der am Kartell beteiligten Unternehmen – namentlich die der Streithelferinnen ABB und Siemens – an der Nichtverbreitung der begehrten Dokumente nicht als geschäftliche Interessen im eigentlichen Wortsinn einzustufen sind. Unter Berücksichtigung insbesondere des Alters der meisten in der fraglichen Akte enthaltenen Informationen scheint nämlich das Interesse, das die Unternehmen an der Nichtverbreitung der begehrten Dokumente haben könnten, nicht in der Sorge zu liegen, ihre Wettbewerbsstellung auf dem GIS-Markt, auf dem sie tätig sind, zu erhalten, sondern eher in der Absicht, Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten zu entgehen.

148    Selbst wenn aber einer Gesellschaft dadurch, dass sie Schadensersatzklagen ausgesetzt ist, zweifellos hohe Kosten entstehen können – sei es auch nur in Form von Anwaltskosten und auch dann, wenn solche Klagen am Ende als unbegründet abgewiesen werden sollten –, so ändert dies nichts daran, dass das Interesse einer an einem Kartell beteiligten Gesellschaft an der Vermeidung solcher Klagen nicht als geschäftliches Interesse eingestuft werden kann und jedenfalls nicht schutzwürdig ist, wenn man insbesondere das Recht eines jeden berücksichtigt, Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm etwa durch ein Verhalten entstanden ist, das geeignet war, den Wettbewerb zu beschränken oder zu verfälschen (Urteile des Gerichtshofs Courage und Crehan, oben in Randnr. 128 angeführt, Randnrn. 24 und 26, und vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, Slg. 2006, I‑6619, Randnrn. 59 und 61).

149    Nach alledem hat die Kommission nicht rechtlich hinreichend dargetan, dass durch den Zugang zu den begehrten Dokumenten die Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen der an dem Kartell beteiligten Unternehmen bestünde.

150    Der zweite Teil des ersten Klagegrundes greift somit durch.

d)     Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001

151    Die Klägerin macht einen Rechtsfehler der Kommission geltend, der darin liege, dass diese, indem sie die Dokumente der Kategorie 5a in Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 pauschal vom Zugangsrecht ausgenommen habe, insbesondere den Zugang zu Dokumenten verwehrt habe, die keine Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung enthielten. Darüber hinaus habe die Kommission nicht dargelegt, inwieweit das Einsehen dieser Dokumente durch die Klägerin den Entscheidungsprozess der Kommission ernstlich beeinträchtigen würde, wie es diese Bestimmung verlange. Nach dem Erlass der GIS-Entscheidung sei es nämlich nicht mehr denkbar, dass die Verbreitung der internen Dokumente Versuchen der Beeinflussung der Untersuchungsergebnisse Vorschub leisten könne.

152    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 klar danach differenziert, ob ein Verfahren abgeschlossen ist oder nicht. So fällt zum einen nach Unterabs. 1 dieser Bestimmung jedes Dokument in den Anwendungsbereich der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat. Zum anderen sieht Unterabs. 2 dieser Bestimmung vor, dass die fragliche Ausnahme, nachdem der Beschluss gefasst worden ist, lediglich diejenigen Dokumente erfasst, die Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs enthalten.

153    Nur für einen Teil der Dokumente zum internen Gebrauch, nämlich für diejenigen, die Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs enthalten, ermöglicht daher Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, die Zugangsverweigerung, wenn die Verbreitung der genannten Dokumente den Entscheidungsprozess dieses Organs ernstlich beeinträchtigen würde.

154    Daraus folgt, dass sich nach Ansicht des Unionsgesetzgebers nach Fassung des Beschlusses die Anforderungen an den Schutz des Entscheidungsprozesses als weniger vordringlich darstellen, so dass die Verbreitung jeglicher anderer als der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgeführten Dokumente diesen Prozess niemals beeinträchtigen kann und die Verweigerung der Verbreitung solcher Dokumente nicht statthaft ist, selbst wenn ihre Verbreitung den Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigt hätte, wäre sie vor Fassung des fraglichen Beschlusses geschehen (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, Slg. 2011, I‑6237, Randnrn. 78 bis 80).

155    Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass die Kommission ihre Ablehnung nur auf Unterabs. 2 und nicht auf Unterabs. 1 von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt hat.

156    Als Zweites ist festzustellen, dass die Kommission hinsichtlich der Frage, ob sie rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass alle Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthielten, auf eine schriftliche Frage des Gerichts vorgetragen hat, dieser Begriff umfasse erstens alle Dokumente, die eine Einschätzung oder Beurteilung seitens der Kommissionsbeamten oder ‑dienststellen enthielten oder begehrten, zweitens alle Dokumente, die der Vorbereitung der Kommissionsentscheidung dienten, und drittens alle Dokumente, die eine Beteiligung anderer Dienststellen am Verfahren sicherstellten. Ihrer Ansicht nach entsprechen alle von ihr in ihrer Antwort vom 9. November 2011 über die jeweiligen Seitenzahlen in der Akte der Sache COMP/F/38.899 identifizierten Dokumente der Kategorie 5a der vorstehenden Definition.

157    Die Kommission stützt sich hierbei darauf, wie bestimmte Dokumente, deren Herausgabe bei ihr im Rahmen anderer Fälle beantragt worden war, durch den Unionsrichter eingestuft wurden. So ergebe sich aus dem Urteil Schweden/MyTravel und Kommission (oben in Randnr. 154 angeführt) und dem Urteil des Gerichts vom 9. September 2008, MyTravel/Kommission (T‑403/05, Slg. 2008, II‑2027), dass die Unionsgerichte eine Mitteilung der GD „Wettbewerb“ an den Beratenden Ausschuss, einen Aktenvermerk sowie einen Bericht zu den Auswirkungen eines Urteils und die diesen Bericht vorbereitenden Dokumente als interne Dokumente, die Stellungnahmen enthielten, im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 eingestuft hätten. Auch sei das Gericht in seinem Urteil vom 9. Juni 2010, Éditions Jacob/Kommission (T‑237/05, Slg. 2010, II‑2245), der Auffassung gewesen, dass ein Vermerk der GD „Wettbewerb“ an den Juristischen Dienst der Kommission mit der Bitte um Stellungnahme zur Anwendung einer Rechtsvorschrift und ein Vermerk mit einer Zusammenfassung des Sachstands für das für den Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied Stellungnahmen dieser Art enthalten hätten.

158    Dazu ist festzustellen, dass die Kommission mit der Berufung auf Beurteilungen bestimmter Einzeldokumente durch die Unionsgerichte versucht, durch Verallgemeinerungen und Analogien den Begriff der Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 demjenigen des von einem Organ für den internen Gebrauch erstellten Dokuments im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung anzugleichen. Die Anerkennung einer solchen weiten Definition des Begriffs der Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen würde also letztlich die praktische Wirksamkeit der beiden Unterabsätze von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 teilweise beseitigen, dessen Systematik jedoch insbesondere auf dem in der oben in Randnr. 154 angeführten Rechtsprechung herausgestellten Grundsatz beruht, dass nach der Beschlussfassung durch das betreffende Organ eine Zugangsverweigerung nur hinsichtlich eines Teils der für den internen Gebrauch bestimmten Dokumente möglich ist.

159    Die Kommission hat daher nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass sämtliche Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthielten.

160    Auch wenn die von der Kommission im Verfahren vor dem Gericht vorgebrachten Erklärungen, wie sie oben in Randnr. 156 wiedergegeben worden sind, geeignet sein mögen, die Annahme, dass zahlreiche Dokumente der Kategorie 5a solche Stellungnahmen enthalten, plausibel erscheinen zu lassen, ist außerdem festzustellen, dass diese Erklärungen – und insbesondere die vertrauliche Fassung des Dokumentenverzeichnisses der Akte der Sache COMP/F/38.899 sowie die Identifizierung der zu den drei Unterkategorien der Kategorie 5a gehörenden Dokumente über die jeweiligen Seitenzahlen – von ihr in der angefochtenen Entscheidung nicht angeführt wurden und somit nicht als tragender Grund für deren Erlass angesehen werden können. Für die Zwecke der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist daher im Ergebnis davon auszugehen, dass die Kommission nicht für alle Dokumente der Kategorie 5a die Eigenschaft als Stellungnahme im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 nachgewiesen hat.

161    Demzufolge ist die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft, soweit die Kommission der Ansicht war, dass sämtliche Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthielten.

162    Als Drittes ist zur Argumentation, mit der die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Zugangsverweigerung auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 begründet, darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung dieser Ausnahme den Nachweis voraussetzt, dass der Zugang zu den begehrten Dokumenten geeignet war, den Schutz des Entscheidungsprozesses der Kommission konkret und tatsächlich zu beeinträchtigen, und dass die Gefahr der Beeinträchtigung wahrscheinlich und nicht rein hypothetisch war (vgl. Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 2008, Muñiz/Kommission, T‑144/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

163    Darüber hinaus fällt die Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses nur dann unter die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, wenn sie ernstlich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Verbreitung der betreffenden Dokumente wesentlich auf den Entscheidungsprozess auswirkt. Die Beurteilung der Ernstlichkeit hängt jedoch von der Gesamtheit der Fallumstände ab, u. a. von den negativen Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess, die vom Organ im Hinblick auf die Verbreitung der betreffenden Dokumente geltend gemacht werden (Urteil Muñiz/Kommission, oben in Randnr. 162 angeführt, Randnr. 75).

164    Im vorliegenden Fall wird in der angefochtenen Entscheidung betont, dass der Entscheidungsprozess der Kommission die Aufrechterhaltung einer Atmosphäre des Vertrauens und der offenen Diskussion erfordere, damit die Dienststellen der Kommission Gelegenheit hätten, ihre Standpunkte, insbesondere zu sensiblen Problemen wie Kartellsachen, frei zu äußern. Dies sei eine wesentliche Voraussetzung für die Fähigkeit des Organs, seinen Auftrag zu erfüllen. Die Veröffentlichung interner, vorläufiger Standpunkte zu einer Kartelluntersuchung würde diese Fähigkeit beeinträchtigen und könnte die vorhandenen Spielräume im Hinblick auf eine erneute Abwägung dieser Standpunkte einengen.

165    Die Kommission fügt hinzu, dass sie, wenn die GIS-Entscheidung auf die Klagen der am GIS-Kartell Beteiligten hin für nichtig erklärt werden sollte, ihre Untersuchung in dieser Sache fortführen müsste. Die Verbreitung interner Dokumente könnte dann Versuchen Vorschub leisten, die Ergebnisse der Untersuchung zu beeinflussen, und würde damit den Entscheidungsprozess der Kommission ernsthaft untergraben.

166    Diese Rechtfertigungen sind allgemein und abstrakt gehalten und werden nicht durch Argumente ergänzt, die genauere Ausführungen zum Inhalt der fraglichen Dokumente enthalten. Derartige Erwägungen können daher für jegliche Dokumente der gleichen Art geltend gemacht werden. Sie können deshalb nicht ausreichen, um im vorliegenden Fall die Verweigerung des Zugangs zu den begehrten Dokumenten zu rechtfertigen, da andernfalls der Grundsatz der engen Auslegung der Ausnahmeregelungen des Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 und insbesondere der Ausnahme des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Verordnung verletzt wäre. Insoweit ist vor allem zu betonen, dass die Kommission in keiner Weise präzisiert hat, in welcher Weise Dritte versuchen könnten, „die Ergebnisse der Untersuchung zu beeinflussen“, falls diese wiederaufgenommen würde.

167    Im Übrigen ist konkret zu der angesprochenen Hypothese, dass die Kommission bei einer Nichtigerklärung der GIS-Entscheidung einen neuen Beschluss fassen müsste, festzustellen, dass die Kommission versucht, den vorliegenden Sachverhalt, der, wie oben in den Randnrn. 117 bis 119 dargelegt, durch den bereits erfolgten Erlass einer Entscheidung gekennzeichnet ist, einem Sachverhalt anzunähern oder gar gleichzustellen, in dem noch keine Entscheidung ergangen ist. Unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 152 bis 154 angeführten Rechtsprechung, die besonderen Nachdruck auf die spürbar strengeren Voraussetzungen für eine Zugangsverweigerung nach Fassung eines Beschlusses legt, ist aber jede Vermengung zwischen den Tatbestandsvoraussetzungen der beiden Unterabsätze des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu vermeiden.

168    Demnach ist die Kommission, soweit die Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthalten, irrig davon ausgegangen, dass die Verbreitung der Dokumente ihren Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigen würde.

169    Folglich ist die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft, soweit sie auf die Ausnahme des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt wird.

170    Der dritte Teil des ersten Klagegrundes greift somit durch.

171    Nach alledem ist erstens gemäß den oben in Randnr. 37 getroffenen Feststellungen dem Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf den Umfang des Zugangsantrags geltend gemacht wird, im Hinblick auf die Dokumente der Kategorie 5b stattzugeben, und die angefochtene Entscheidung ist demzufolge für nichtig zu erklären, soweit damit der Zugang zu diesen Dokumenten verwehrt wird.

172    Zweitens ist gemäß den oben in den Randnrn. 110 und 111 getroffenen Feststellungen der Rüge des Fehlens einer konkreten und individuellen Prüfung der begehrten Dokumente stattzugeben, außer, was allein die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 betrifft, in Bezug auf die Dokumente der Kategorie 3.

173    Drittens ist gemäß den oben in den Randnrn. 129 und 130 getroffenen Feststellungen dem ersten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemacht wird, in Bezug auf die Dokumente der Kategorien 1, 2, 3, 4 und 5a stattzugeben, da die Kommission irrig angenommen hat, dass die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten im vorliegenden Fall anwendbar sei.

174    Viertens ist gemäß den oben in den Randnrn. 149 und 150 getroffenen Feststellungen dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemacht wird, stattzugeben, da die Kommission irrig angenommen hat, dass die Verbreitung der Dokumente der Kategorien 1 bis 4 die geschäftlichen Interessen der am GIS-Kartell beteiligten Unternehmen beeinträchtige.

175    Fünftens ist gemäß den oben in den Randnrn. 161 und 168 bis 170 getroffenen Feststellungen dem dritten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem eine Verletzung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemacht wird, stattzugeben, da die Kommission irrig angenommen hat, dass sämtliche Dokumente der Kategorie 5a Stellungnahmen im Sinne dieser Bestimmung enthielten und dass die Verbreitung dieser Dokumente ihren Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigen würde.

176    Die angefochtene Entscheidung ist daher insgesamt für nichtig zu erklären, ohne dass der zweite und der dritte Klagegrund geprüft zu werden brauchten.

 Kosten

177    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

178    Das Königreich Schweden, ABB und Siemens tragen nach Art. 87 § 4 Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung SG.E.3/MV/psi D(2008) 4931 der Kommission vom 16. Juni 2008, mit der der Zugang zur Verfahrensakte der Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen verwehrt wurde, wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der EnBW Energie Baden-Württemberg AG.

3.      Das Königreich Schweden, die ABB Ltd und die Siemens AG tragen ihre eigenen Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Mai 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

A –  Zur Zulässigkeit der Rüge, die auf das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente gestützt wird

B –  Zur Begründetheit

1.  Zum vierten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf den Umfang des Zugangsantrags

2.  Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich sowie Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001

a)  Zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Pflicht zur konkreten und individuellen Prüfung des Inhalts der begehrten Dokumente im vorliegenden Fall

Zur ersten in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Ausnahme, die darauf gestützt wird, dass der Zugang zu den begehrten Dokumenten auf der Grundlage einer allgemeinen Annahme offenkundig zu verwehren sei

Zur zweiten in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Ausnahme, die auf eine Prüfung der Dokumente nach Kategorien gestützt wird

–  Zur Prüfung der Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung

–  Zur Prüfung der Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen in Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung

–  Zur Prüfung der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses der Kommission in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung

Zu der in der Klagebeantwortung der Kommission geltend gemachten Ausnahme, die auf einen außergewöhnlichen und nicht vertretbaren Arbeitsaufwand gestützt wird

b)  Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

c)  Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

d)  Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.