URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
25. Februar 1999 (1)
„Niederlassungsfreiheit Freier Dienstleistungsverkehr Ärzte Medizinische
Fachgebiete Ausbildungszeiten Vergütung Unmittelbare Wirkung“
In der Rechtssache C-131/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag von der Pretura
circondariale Bologna (Italien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit
Annalisa Carbonari u. a.
gegen
Università degli Studi di Bologna,
Ministero della Sanità,
Ministero dell'Università e della Ricerca Scientifica,
Ministero del Tesoro
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie
82/76/EWG des Rates vom 26. Januar 1982 zur Änderung der Richtlinie
75/362/EWG für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse
und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur
Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts
auf freien Dienstleistungsverkehr sowie der Richtlinie 75/363/EWG zur
Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des
Arztes (ABl. L 43, S. 21)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J. C. Moitinho de Almeida in Wahrnehmung der
Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter C. Gulmann,
D. A. O. Edward (Berichterstatter), L. Sevón und M. Wathelet,
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Annalisa Carbonari u. a., vertreten durch die Rechtsanwälte Giuseppe
Lerro, Bologna, Roberto Mastroianni, Cosenza, und Paolo Piva, Venedig,
der italienischen Regierung, vertreten durch Professor Umberto Leanza,
Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico des Außenministeriums, als
Bevollmächtigten, Beistand: Avvocato dello Stato Oscar Fiumara,
der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado Luis Pérez
de Ayala Becerril, als Bevollmächtigten,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Enrico
Traversa und Berend Jan Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Annalisa Carbonari u. a.,
vertreten durch die Rechtsanwälte Paolo Piva und Giuseppe Lerro, der
italienischen Regierung, vertreten durch Oscar Fiumara, der spanischen Regierung,
vertreten durch Abogado del Estado Nuria Diaz Abad als Bevollmächtigte, und der
Kommission, vertreten durch Enrico Traversa, in der Sitzung vom 7. Mai 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juli
1998,
folgendes
Urteil
- 1.
- Die Pretura circondariale Bologna hat mit Beschluß vom 2. Dezember 1996, beim
Gerichtshof eingegangen am 1. April 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine
Frage nach der Auslegung der Richtlinie 82/76/EWG des Rates vom 26. Januar
1982 zur Änderung der Richtlinie 75/362/EWG für die gegenseitige Anerkennung
der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes
und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des
Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr sowie der
Richtlinie 75/363/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
für die Tätigkeiten des Arztes (ABl. L 43, S. 21) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Annalisa Carbonari und 121
anderen Klägern auf der einen und der Università degli Studi di Bologna
(Universität Bologna), dem Ministero della Sanità (Minister für das
Gesundheitswesen), dem Ministero dell'Università e della Ricerca Scientifica
(Minister für Hochschulen und wissenschaftliche Forschung) sowie dem Ministero
del Tesoro (Schatzminister) auf der anderen Seite, in dem es um den Anspruch von
Ärzten, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt befinden, auf eine
„angemessene Vergütung“ während ihrer Weiterbildungszeit geht.
Das Gemeinschaftsrecht
- 3.
- Die Richtlinie 75/362/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 (ABl. L 167, S. 1; im
folgenden: Anerkennungsrichtlinie) dient der gegenseitigen Anerkennung der
Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und
enthält Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des
Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr. Die
Richtlinie 75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 (ABl. L 167, S. 14; im
folgenden: Koordinierungsrichtlinie) dient der Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Arztes. Diese Richtlinien wurden
insbesondere durch die Richtlinie 82/76 geändert.
- 4.
- Die Anerkennungsrichtlinie unterscheidet drei Fallgruppen bei der Anerkennung
der fachärztlichen Diplome. Ist das betreffende Fachgebiet allen Mitgliedstaaten
gemeinsam, und ist es in der Liste des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie aufgeführt,
so erfolgt die Anerkennung automatisch (Artikel 4). Ist das Fachgebiet zwei oder
mehr Mitgliedstaaten gemeinsam, und ist es in Artikel 7 Absatz 2 aufgeführt, so
erfolgt die Anerkennung automatisch in diesen Mitgliedstaaten (Artikel 6).
Schließlich regelt Artikel 8, daß bei Fachgebieten, die weder in der Aufzählung des
Artikels 5 noch in derjenigen des Artikels 7 enthalten sind, der
Aufnahmemitgliedstaat von den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten verlangen
kann, daß sie die hierfür in seinem nationalen Recht vorgesehenen
Weiterbildungsvoraussetzungen erfüllen, wobei er jedoch von diesen
Staatsangehörigen zurückgelegte Weiterbildungszeiten, die durch einen von den
zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaats ausgestellten
Befähigungsnachweis belegt sind, berücksichtigt, wenn diese Zeiten denjenigen
entsprechen, die im Aufnahmemitgliedstaat für die betreffende Facharztausbildung
verlangt werden.
- 5.
- Die Koordinierungsrichtlinie sieht für die gegenseitige Anerkennung der Diplome,
Prüfungszeugnisse oder sonstigen fachärztlichen Befähigungsnachweise eine gewisse
Harmonisierung der Voraussetzungen für die Weiterbildung und den Zugang zu
den verschiedenen medizinischen Fachgebieten vor.
- 6.
- Nach der zweiten Begründungserwägung dieser Richtlinie sind zur Koordinierung
der Ausbildungsbedingungen für Fachärzte „bestimmte Mindestbedingungen für
den Zugang zur Weiterbildung, deren Mindestdauer, die Art ihrer Durchführung
und den Ort, an dem sie erfolgt, sowie für die Kontrolle der Weiterbildung“
festzulegen. In dem letzten Satz dieser Begründungserwägung heißt es weiter: „Die
genannten Bedingungen betreffen nur solche Fachgebiete, die allen Mitgliedstaaten
gemeinsam sind oder in zwei oder mehr Mitgliedstaaten bestehen.“
- 7.
- Artikel 2 Absatz 1 der Koordinierungsrichtlinie sieht in der durch Artikel 9 der
Richtlinie 82/76 geänderten Fassung insbesondere vor, daß die Weiterbildung, die
zum Erwerb eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen
Befähigungsnachweises eines Facharztes führt, die dort aufgeführten Bedingungen
erfüllen muß. Insbesondere wird unter Buchstabe c verlangt, daß die Weiterbildung
„als Vollzeitweiterbildung und unter der Aufsicht der zuständigen Behörden oder
Stellen gemäß Nummer 1 des Anhangs“ erfolgt.
- 8.
- Der durch Artikel 13 der Richtlinie 82/76 angefügte Anhang der
Koordinierungsrichtlinie, der die Überschrift „Merkmale der ärztlichen
Weiterbildung auf Voll- und Teilzeitbasis“ trägt, lautet:
„1. Ärztliche Weiterbildung auf Vollzeitbasis
Sie erfolgt an spezifischen Weiterbildungsstätten, die von den zuständigen
Behörden anerkannt sind.
Sie setzt die Beteiligung an sämtlichen ärztlichen Tätigkeiten in dem Bereich
voraus, in dem die Weiterbildung erfolgt, einschließlich des Bereitschaftsdienstes,
so daß der in der ärztlichen Weiterbildung befindliche Arzt dieser praktischen und
theoretischen Weiterbildung während der gesamten Dauer der Arbeitswoche und
während des gesamten Jahres gemäß den von den zuständigen Behörden
festgesetzten Modalitäten seine volle berufliche Tätigkeit widmet. Folglich werden
diese Stellen angemessen vergütet.
Diese Weiterbildung kann aus Gründen wie Wehrdienst, wissenschaftliche Aufträge,
Schwangerschaft oder Krankheit unterbrochen werden. Die Gesamtdauer der
Weiterbildung darf durch die Unterbrechung nicht verkürzt werden.
...“
- 9.
- Die Artikel 4 und 5 der Koordinierungsrichtlinie legen die Mindestdauer der
Weiterbildung zum Facharzt fest, die zum Erwerb der Diplome, Prüfungszeugnisse
und sonstigen Befähigungsnachweise im Sinne der Artikel 5 und 7 der
Anerkennungsrichtlinie führt, die allen Mitgliedstaaten bzw. zwei oder mehreren
von diesen gemeinsam sind.
- 10.
- Nach Artikel 16 der Richtlinie 82/76 müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen
Maßnahmen treffen, um der Richtlinie bis zum 31. Dezember 1982 nachzukommen,
und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis setzen.
- 11.
- Die Anerkennungsrichtlinie, die Koordinierungsrichtlinie und die Richtlinie 82/76
wurden zeitlich nach dem dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt
durch die Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der
Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome,
Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (ABl. L 165, S. 1)
aufgehoben und ersetzt.
Das nationale Recht
- 12.
- Die Anerkennungs- und die Koordinierungsrichtlinie wurden durch das Gesetz
Nr. 217 vom 22. Mai 1978 (GURI Nr. 146 vom 29. Mai 1978) in das nationale
Recht der Italienischen Republik umgesetzt.
- 13.
- Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 7. Juli 1987 in der Rechtssache 49/86
(Kommission/Italien, Slg. 1987, 2995) festgestellt, daß die Italienische Republik
dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstoßen hat, daß sie
nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Vorschriften erlassen
hat, um der Richtlinie 82/76 nachzukommen.
- 14.
- Auf dieses Urteil hin wurde die Richtlinie 82/76 durch das Decreto legislativo Nr.
257 vom 8. August 1991 (GURI Nr. 191 vom 16. August 1991; im folgenden:
Gesetzesdekret Nr. 257) umgesetzt, das 15 Tage nach seiner Bekanntmachung in
Kraft trat.
- 15.
- Artikel 4 des Gesetzesdekrets Nr. 257 regelt die Rechte und Pflichten der Ärzte,
die an einer Weiterbildung zum Facharzt teilnehmen, und Artikel 6 setzt ein
Stipendium für sie aus.
- 16.
- Artikel 6 Absatz 1 des Gesetzesdekrets Nr. 257 lautet:
„Zu den Weiterbildungsschulen zugelassene Personen [erhalten] ... im
Zusammenhang mit einer Vollzeitanstellung zu ihrer Weiterbildung während der
gesamten Dauer des Kurses mit Ausnahme von Zeiten, während deren die
Weiterbildung zum Facharzt ausgesetzt wird, ein Stipendium, das für das Jahr 1991
auf 21 500 000 LIT festgesetzt wird. Dieser Betrag wird vom 1. Januar 1992 an
jährlich um den voraussichtlichen Inflationssatz erhöht und alle drei Jahre durch
Dekret des Ministers für das Gesundheitswesen ... nach Maßgabe der der Tabelle
entsprechenden Mindesterhöhung der Bezüge, die in den Arbeitsverträgen für das
ärztliche Personal im Dienst des nationalen Gesundheitsdienstes vorgesehen ist, neu
festgesetzt.“
- 17.
- Schließlich gelten die Bestimmungen des Gesetzesdekrets nach dessen Artikel 8
Absatz 2 vom Studienjahr 1991/92 an.
- 18.
- Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß diese Bestimmung so ausgelegt wird,
daß das durch das Gesetzesdekret Nr. 257 eingeführte Stipendium auch nach dem
Studienjahr 1991/92 nicht für vorher zugelassene Ärzte in der Weiterbildung zum
Facharzt gilt.
Der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens
- 19.
- Die Kläger des Ausgangsverfahrens trugen vor, sie seien Studienabsolventen der
Medizin. Sie hatten sich im Studienjahr 1990/91 an Weiterbildungsschulen der
medizinischen Fakultät der Universität Bologna für verschiedene Fachrichtungen
wie Kardiologie, Geburtshilfe, Neurologie, Psychiatrie, Kinderheilkunde, Urologie,
Augenheilkunde, Arbeitsmedizin usw. immatrikuliert.
- 20.
- Nachdem sie für das erwähnte Studienjahr keine Vergütung erhalten hatten,
erhoben sie am 30. Juli 1992 Klage bei der Pretura circondariale Bologna mit dem
Vortrag, sie hätten gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c in Verbindung mit
Nummer 1 des Anhangs der Koordinierungsrichtlinie in der durch die Richtlinie
82/76 geänderten Fassung während der Zeit ihrer Weiterbildung zum Facharzt
Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“.
- 21.
- Die Beklagten des Ausgangsverfahrens machten insbesondere geltend, den
erwähnten Richtlinien könne keine unmittelbare Wirkung beigemessen werden,
denn ihre Bestimmungen enthielten keine klaren, genauen und unbedingten
Verpflichtungen für den Staat in bezug auf die Vergütung von Ärzten in der
Weiterbildung zum Facharzt.
- 22.
- Die Pretura circondariale Bologna ist der Ansicht, daß die Entscheidung des
Rechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der
Richtlinie 82/76, abhänge, und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die Bestimmung der Richtlinie 82/76/EWG, nach der die Weiterbildung zum
Facharzt „angemessen vergütet“ wird, in Ermangelung des Erlasses besonderer
Bestimmungen durch die Italienische Republik innerhalb der vorgesehenen Frist
so auszulegen, daß sie unmittelbare Wirkung zugunsten der in der Ausbildung zum
Facharzt befindlichen Ärzte gegenüber den Behörden der Italienischen Republik
entfaltet, und verleiht sie den in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen
Ärzten einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung im Zusammenhang mit
der gesamten Weiterbildungstätigkeit in den vom Staat mit dieser Weiterbildung
beauftragten Stellen, mit der entsprechenden Verpflichtung für diese Behörden,
einschließlich der Universität Bologna, diese Vergütung zu gewähren?
- 23.
- Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in Ermangelung von
fristgerecht getroffenen Umsetzungsmaßnahmen Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c
und Nummer 1 des Anhangs der Koordinierungsrichtlinie in der Fassung der
Richtlinie 82/76, wonach die Zeiten der Weiterbildung zum Facharzt angemessen
zu vergüten sind, von ihrem Inhalt her unbedingt und so klar sind, daß in der
Weiterbildung zum Facharzt befindliche Ärzte diese Verpflichtung gegenüber den
Verwaltungsbehörden eines Mitgliedstaats vor den nationalen Gerichten geltend
machen können.
- 24.
- Erstens ist der Geltungsbereich des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe c und der
Nummer 1 des Anhangs der Koordinierungsrichtlinie in der durch die Richtlinie
82/76 geänderten Fassung zu prüfen, um zu bestimmen, für welche Fachgebiete ein
Anspruch auf eine angemessene Vergütung während der Zeit der Weiterbildung
zum Facharzt in Betracht kommt.
- 25.
- Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, selbst wenn einige der in Rede
stehenden Fachgebiete in der Anerkennungsrichtlinie nicht als allen Mitgliedstaaten
oder zwei oder mehr von ihnen gemeinsam aufgeführt seien, folge aus dem
Grundsatz der Gleichbehandlung gleicher oder gleichartiger Sachverhalte und aus
dem Grundsatz der Anerkennung der Weiterbildung zum Facharzt, daß dies nichts
an der Verpflichtung ändern könne, eine angemessene Vergütung der gleichen Art,
wie sie in der Gemeinschaftsregelung vorgesehen sei, zu zahlen.
- 26.
- Die spanische Regierung und die Kommission sind hingegen unter Berufung auf
das Urteil vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-277/93
(Kommission/Spanien, Slg. 1994, I-5515) der Ansicht, daß der Anspruch auf eine
Vergütung während der Zeit der Weiterbildung ausschließlich für die in den
Artikeln 5 und 7 der Anerkennungsrichtlinie aufgeführten Fachgebiete bestehe.
- 27.
- Hierzu genügt die Feststellung, daß der Gerichtshof bereits in dem Urteil
Kommission/Spanien in Randnummer 20 entschieden hat, daß „die in Artikel 2
Absatz 1 Buchstabe c der Koordinierungsrichtlinie vorgesehene Verpflichtung zur
Vergütung der Ausbildungszeiten in den medizinischen Fachgebieten nur für die
medizinischen Fachgebiete [gilt], die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind oder in
zwei oder mehr Mitgliedstaaten bestehen und die in den Artikeln 5 oder 7 der
Anerkennungsrichtlinie aufgeführt sind“.
- 28.
- Da in diesen Bestimmungen für die betreffenden Weiterbildungsgänge zum
Facharzt sowohl die in den Mitgliedstaaten geltenden Bezeichnungen als auch die
zuständigen Behörden angegeben sind, ist es Sache des vorlegenden Gerichts,
festzulegen, welche der Kläger des Ausgangsverfahrens zur Gruppe der Ärzte
gehören, die sich in einem der Weiterbildungsgänge zum Facharzt befinden, für die
nach der Koordinierungsrichtlinie in der durch die Richtlinie 82/76 geänderten
Fassung ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung während der Zeit der
Weiterbildung in Betracht kommt.
- 29.
- Zweitens macht die italienische Regierung geltend, daß in der Weiterbildung zum
Facharzt befindliche Ärzte nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die vom
nationalen Gesetzgeber festzulegen seien, die Vollzeitweiterbildung entsprechend
den Vorgaben der Koordinierungsrichtlinie absolvieren und so die angemessene
Vergütung erhalten könnten.
- 30.
- Die spanische Regierung ist der Ansicht, daß der Vergütungsanspruch kein
Merkmal der in der Koordinierungsrichtlinie zum Zweck der Koordinierung der
verschiedenen Systeme vorgesehenen Weiterbildung sei. Dieser Anspruch sei nur
eine Folge der Merkmale dieser Weiterbildung. Daher hänge er zum einen davon
ab, daß die nationalen Behörden ausdrücklich tätig würden und ein der
Koordinierungsrichtlinie entsprechendes Weiterbildungssystem einführten, und zum
anderen von der Voraussetzung, daß die Fachärzte eine Vollzeitweiterbildung im
Sinne des Anhangs dieser Richtlinie absolvierten.
- 31.
- Der Vertreter der italienischen Regierung hat in der mündlichen Verhandlung
erklärt, seit dem Studienjahr 1991/92 erfolge die Weiterbildung zum Facharzt in
Italien gemäß den Bestimmungen der Anerkennungs- und der
Koordinierungsrichtlinie sowie der Richtlinie 82/76.
- 32.
- Für die Studienjahre vor dem Jahr 1991/92 hat der Vertreter der italienischen
Regierung darauf hingewiesen, daß die in der Weiterbildung zum Facharzt
befindlichen Ärzte damals nicht zur Einhaltung der Vollzeitregel verpflichtet
gewesen seien.
- 33.
- Nummer 1 des Anhangs der Koordinierungsrichtlinie in der durch die Richtlinie
82/76 geänderten Fassung verlangt deutlich und unbedingt die Beteiligung an
sämtlichen ärztlichen Tätigkeiten in dem Bereich, in dem die Weiterbildung erfolgt,
einschließlich des Bereitschaftsdienstes, so daß der in der ärztlichen Weiterbildung
befindliche Arzt dieser praktischen und theoretischen Weiterbildung während der
gesamten Dauer der Arbeitswoche und während des gesamten Jahres seine volle
berufliche Tätigkeit widmet.
- 34.
- Zwar heißt es dort, daß die Modalitäten von den zuständigen Behörden festgelegt
werden, doch sind die in dieser Nummer aufgeführten Voraussetzungen für die
Weiterbildung auf Vollzeitbasis hinreichend genau, um es dem vorlegenden Gericht
zu ermöglichen, zu bestimmen, welche der Kläger des Ausgangsverfahrens zur
Gruppe der in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen Ärzte gehören, die in
der Zeit vor dem Studienjahr 1991/92 die Voraussetzungen für die
Vollzeitweiterbildung zum Facharzt im Sinne der Koordinierungsrichtlinie und der
Richtlinie 82/76 erfüllten.
- 35.
- Drittens machen die Kläger des Ausgangsverfahrens geltend, daß das nationale
Gericht in bezug auf den Inhalt der Verpflichtung zur Vergütung der Zeiten der
Weiterbildung zum Facharzt die vor oder nach dem Erlaß der Richtlinie 82/76
geltende nationale Regelung berücksichtigen könne, um Geist und Buchstaben
dieser Richtlinie nachzukommen. Im Gesetzesdekret Nr. 257 seien der Inhalt des
Anspruchs der in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen Ärzte auf eine
angemessene Vergütung und die Behörde, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses zur
Zahlung dieser Vergütung verpflichtet sei, genau bezeichnet.
- 36.
- Nach Ansicht der italienischen und der spanischen Regierung sind die in Rede
stehenden Bestimmungen nicht hinreichend genau und unbedingt. Sie könnten
daher Ärzten, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt befänden, in
Ermangelung von Umsetzungsmaßnahmen nicht unmittelbar einen Anspruch auf
eine angemessene Vergütung verleihen.
- 37.
- Die Kommission macht geltend, zwar sähen diese Bestimmungen eine eindeutige
und genaue Verpflichtung vor, deren Inhalt in der Zahlung eines Geldbetrags als
Vergütung der in den von den zuständigen nationalen Behörden hierzu
zugelassenen Universitätszentren oder Universitätskliniken erbrachten
unselbständigen Arbeitsleistungen bestehe, doch habe der
Gemeinschaftsgesetzgeber stillschweigend den zuständigen Einrichtungen der
Mitgliedstaaten oder den nationalen Tarifpartnern die Festsetzung der Vergütungen
übertragen, die dem Umfang und der Qualität der Tätigkeiten der in der
Weiterbildung zum Facharzt befindlichen Ärzte „angemessen“ seien, so daß
insoweit die Voraussetzung der Unbedingtheit nicht erfüllt sei.
- 38.
- Unstreitig dient die Anerkennungsrichtlinie insbesondere der gegenseitigen
Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise
des Facharztes; um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, diese gegenseitige
Anerkennung mit dem Ziel vorzunehmen, für alle Berufsangehörigen der
Mitgliedstaaten eine etwa gleiche Ausgangsbasis innerhalb der Gemeinschaft zu
schaffen, sieht die Koordinierungsrichtlinie eine gewisse Harmonisierung der
Bedingungen für die Weiterbildung auf den verschiedenen ärztlichen Fachgebieten
und den Zugang zu ihnen vor.
- 39.
- Zu den Mindestnormen für die Weiterbildung zu Fachärzten gehören insbesondere
die Bestimmungen, die die Mindestdauer der Facharztweiterbildung betreffen, die
Art ihrer Durchführung, den Ort, an dem sie erfolgt, ihre Kontrolle und das
Erfordernis der Zahlung einer angemessenen Vergütung.
- 40.
- Was die Einhaltung der Mindestnormen für die Weiterbildung angeht, hat der
Gemeinschaftsgesetzgeber dadurch, daß er auf der Mindestdauer der
Facharztweiterbildung sowie darauf bestanden hat, daß diese auf Vollzeitbasis
erfolgt, die Ansicht zum Ausdruck gebracht, daß das Niveau der Weiterbildung zum
Facharzt nicht durch die parallele private Ausübung einer entgeltlichen
Berufstätigkeit beeinträchtigt werden darf. Daher sieht die Richtlinie 82/76 die
Verpflichtung zur Vergütung der Zeiten der Weiterbildung zu Fachärzten vor.
- 41.
- Die letztgenannte Verpflichtung ist somit vollständig an die Einhaltung der
Bedingungen der Weiterbildung zum Facharzt geknüpft, die es den Mitgliedstaaten
erlauben, gemäß der Anerkennungsrichtlinie die Diplome, Prüfungszeugnisse und
sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes gegenseitig anzuerkennen.
- 42.
- Aus der Regelung der gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse
und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes ergibt sich somit, daß der
Mitgliedstaat, in dem die Weiterbildung zum Facharzt stattfindet, gewährleisten
muß, daß diese alle in der Koordinierungsrichtlinie und der Richtlinie 82/76
vorgesehenen Bedingungen erfüllt und daß Ärzte, die sich in der Weiterbildung
zum Facharzt befinden, eine Vergütung erhalten.
- 43.
- Ist dies nicht gewährleistet, so können sich die Behörden der anderen
Mitgliedstaaten nicht mehr auf die Gleichwertigkeit der Regelung des betreffenden
Mitgliedstaats in bezug auf die Weiterbildung zu Fachärzten verlassen, so daß der
Zweck der Anerkennungs- und der Koordinierungsrichtlinie sowie der Richtlinie
82/76 beeinträchtigt wird. Macht ein Mitgliedstaat die Verleihung der Diplome,
Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes nicht von
den Weiterbildungsbedingungen abhängig, die in der Koordinierungsrichtlinie der
Richtlinie 82/76 vorgesehen sind, so gehören im übrigen die Fachärzte, die eine
solche Weiterbildung absolviert haben, nicht zur Gruppe der Ärzte, die die
Regelung der gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und
sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes im Sinne der Anerkennungs- und
Koordinierungsrichtlinie sowie der Richtlinie 82/76 in Anspruch nehmen können.
- 44.
- In diesem Zusammenhang verpflichten Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c und
Nummer 1 des Anhangs der Koordinierungsrichtlinie in der durch die Richtlinie
82/76 geänderten Fassung die Mitgliedstaaten, bei Ärzten, die die Regelung der
gegenseitigen Anerkennung in Anspruch nehmen können, die Zeiten der
Weiterbildung zum Facharzt zu vergüten, soweit diese in den Geltungsbereich der
Richtlinie fallen. Diese Verpflichtung ist als solche unbedingt und hinreichend
genau.
- 45.
- Jedoch steht fest, daß die Koordinierungsrichtlinie und die Richtlinie 82/76 keine
gemeinschaftsrechtliche Definition des Begriffes der angemessenen Vergütung oder
der Methoden zur Festsetzung dieser Vergütung enthalten. Solche Definitionen
fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die auf diesem Gebiet
besondere Durchführungsmaßnahmen erlassen müssen.
- 46.
- Was schließlich die Frage angeht, welche Einrichtung zur Zahlung der
angemessenen Vergütung verpflichtet ist, so legt, wie die Kommission ausführt,
weder die Koordinierungsrichtlinie noch die Richtlinie 82/76 fest, wer die
Vergütung der Zeiten der Weiterbildung zum Facharzt schuldet; die
Mitgliedstaaten verfügen daher insoweit über ein weites Ermessen.
- 47.
- Somit sind Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c und Nummer 1 des Anhangs der
Koordinierungsrichtlinie in der Fassung der Richtlinie 82/76 in dieser Hinsicht nicht
unbedingt. Sie ermöglichen es nämlich dem nationalen Gericht nicht, festzustellen,
wer zur Zahlung der angemessenen Vergütung verpflichtet ist und wie hoch diese
sein muß.
- 48.
- Nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 10. April 1984 in derRechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 26) obliegen
die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in
dieser Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der
Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser
Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen,
allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten und damit im Rahmen
ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Nach ebenfalls ständiger
Rechtsprechung hat ein nationales Gericht bei der Anwendung des nationalen
Rechts und insbesondere von Rechtsvorschriften, die wie im Ausgangsverfahren
gerade zur Umsetzung der Richtlinie erlassen wurden, dieses Recht soweit wie
möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auszulegen, um das
mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189
Absatz 3 EG-Vertrag nachzukommen (Urteile vom 13. November 1990 in der
Rechtssache C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Randnr. 8, und vom 16.
Dezember 1993 in der Rechtssache C-334/92, Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911,
Randnr. 20).
- 49.
- Daher ist es Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, inwieweit sich das
gesamte Recht und insbesondere für die Zeit nach ihrem Inkrafttreten die
Bestimmungen eines zur Umsetzung der Richtlinie 82/76 erlassenen Gesetzes ab
Inkrafttreten dieser Bestimmungen anhand des Wortlauts und des Zweckes dieser
Richtlinie auslegen lassen, damit das in dieser Richtlinie festgelegte Ergebnis
erreicht wird.
- 50.
- Im vorliegenden Ausgangsverfahren ist es daher Sache des vorlegenden Gerichts,
im Rahmen der vorstehenden Erwägungen zu beurteilen, ob sich anhand des
gesamten nationalen Rechts bestimmen läßt, wie hoch die angemessene Vergütung
ist und welche Einrichtung zur Zahlung dieser Vergütung verpflichtet ist.
- 51.
- Die italienische Regierung und die Kommission haben ferner untersucht, ob der
italienische Staat für eventuelle Schäden aufgrund der Verletzung seiner
Verpflichtungen aus der Richtlinie 82/76 haftet.
- 52.
- Da hierzu keine Frage vorgelegt worden ist, genügt der Hinweis darauf, daß wie
der Gerichtshof mehrfach entschieden hat das Gemeinschaftsrecht für den Fall,
daß das von der Richtlinie vorgeschriebene Ziel nicht im Wege der Auslegung
erreicht werden kann, die Mitgliedstaaten zum Ersatz der den Bürgern durch die
Nichtumsetzung einer Richtlinie verursachten Schäden verpflichtet, sofern folgende
drei Voraussetzungen vorliegen: Ziel der Richtlinie muß die Verleihung von
Rechten an Bürger sein, der Inhalt dieser Rechte muß auf der Grundlage der
Richtlinie bestimmt werden können, und zwischen dem Verstoß gegen die dem
Staat auferlegte Verpflichtung und dem entstandenen Schaden muß ein
Kausalzusammenhang bestehen (vgl. insbesondere Urteile vom 14. Juli 1994 in der
Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 27, und vom 8.
Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94,
Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnrn. 21 und 23).
- 53.
- In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof im Urteil vom 10. Juli 1997 in den
Rechtssachen C-94/95 und C-95/95 (Bonifaci u. a. und Berto u. a., Slg. 1997, I-3969)
für Recht erkannt, daß die Nachteile, die sich aus der verspäteten Umsetzung
ergeben, durch die rückwirkende und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur
Durchführung einer Richtlinie behoben werden können, sofern die Richtlinie
ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts,
darüber zu wachen, daß der den Betroffenen entstandene Schaden angemessen
wiedergutgemacht wird. Eine rückwirkende, ordnungsgemäße und vollständige
Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie genügt hierfür,
sofern die Begünstigten nicht dartun, daß ihnen zusätzliche Einbußen dadurch
entstanden sind, daß sie nicht rechtzeitig in den Genuß der durch die Richtlinie
garantierten finanziellen Vergünstigungen gelangen konnten; für diese Einbußen
wären sie ebenfalls zu entschädigen.
- 54.
- Daher ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, daß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe
c und Nummer 1 des Anhangs der Koordinierungsrichtlinie in der Fassung der
Richtlinie 82/76 wie folgt auszulegen sind:
Die Verpflichtung, für die Zeiten der Weiterbildung zum Facharzt eine
angemessene Vergütung zu gewähren, gilt nur für ärztliche Fachgebiete, die
allen Mitgliedstaaten bzw. zwei oder mehr von ihnen gemeinsam und in den
Artikeln 5 oder 7 der Anerkennungsrichtlinie aufgeführt sind.
Diese Verpflichtung ist unbedingt und hinreichend genau, soweit sie
vorschreibt, daß ein Facharzt die in der Anerkennungsrichtlinie vorgesehene
Regelung der gegenseitigen Anerkennung nur dann in Anspruch nehmen
kann, wenn seine Weiterbildung auf Vollzeitbasis erfolgt und vergütet wird.
Diese Verpflichtung erlaubt jedoch als solche dem nationalen Gericht nicht
die Feststellung, wer als Schuldner zur Zahlung der angemessenen
Vergütung verpflichtet ist und wie hoch diese sein muß.
Das nationale Gericht muß jedoch vor dem Erlaß einer Richtlinie wie danach
geltende Bestimmungen des nationalen Rechts bei ihrer Anwendung soweit wie
möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auslegen.
Kosten
Die Auslagen der italienischen und der spanischen Regierung sowie der
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof
Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm von der Pretura circondariale Bologna mit Beschluß vom 2. Dezember
1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c und Nummer 1 des Anhangs der Richtlinie
75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Arztes in der Fassung der
Richtlinie 82/76/EWG des Rates vom 26. Januar 1982 zur Änderung der Richtlinie
75/362/EWG für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und
sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur Erleichterung
der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien
Dienstleistungsverkehr sowie der Richtlinie 75/363 sind wie folgt auszulegen:
Die Verpflichtung, für die Zeiten der Weiterbildung zum Facharzt eine
angemessene Vergütung zu gewähren, gilt nur für ärztliche Fachgebiete, die
allen Mitgliedstaaten bzw. zwei oder mehr von ihnen gemeinsam und in den
Artikeln 5 oder 7 der Anerkennungsrichtlinie aufgeführt sind.
Diese Verpflichtung ist unbedingt und hinreichend genau, soweit sie
vorschreibt, daß ein Facharzt die in der Anerkennungsrichtlinie vorgesehene
Regelung der gegenseitigen Anerkennung nur dann in Anspruch nehmen
kann, wenn seine Weiterbildung auf Vollzeitbasis erfolgt und vergütet wird.
Diese Verpflichtung erlaubt jedoch als solche dem nationalen Gericht nicht
die Feststellung, wer als Schuldner zur Zahlung der angemessenen
Vergütung verpflichtet ist und wie hoch diese sein muß.
Das nationale Gericht muß jedoch vor dem Erlaß einer Richtlinie wie danach
geltende Bestimmungen des nationalen Rechts bei ihrer Anwendung soweit wie
möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auslegen.
Moitinho de AlmeidaGulmann
Edward
Sevón Wathelet
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Februar 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
J.-P. Puissochet