Language of document : ECLI:EU:T:2003:272

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

16. Oktober 2003(1)

„Nichtigkeitsklage - Zugang zu Dokumenten - Beschluss 94/90 EGKS, EG, Euratom - Ablehnung - Urheberregel - Ermessensmissbrauch“

In der Rechtssache T-47/01

Co-Frutta Soc. coop. rl mit Sitz in Padua (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Viscardini, M. Paolin und S. Donà,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Stancanelli, P. Aalto und U. Wölker als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der in den Schreiben der Generaldirektion Landwirtschaft vom 31. Juli 2000 und des Generalsekretärs der Kommission vom 5. Dezember 2000 enthaltenen Entscheidung der Kommission, mit der der Zugang zu den Dokumenten, um die die Klägerin im Rahmen der Bananeneinfuhrregelung ersuchte, teilweise verwehrt wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas, der Richterin P. Lindh und des Richters J. D. Cooke,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2003

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht über den Zugang zu Dokumenten

1.
    Infolge der Erklärung Nr. 17 zum Recht auf Zugang zu Informationen, die der Schlussakte des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrages über die Europäische Union beigefügt ist, nahmen der Rat und die Kommission am 6. Dezember 1993 einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41, nachfolgend: Verhaltenskodex) an, in dem die Grundsätze für den Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten festgelegt sind.

2.
    Die Kommission erließ für ihren Bereich den Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58, nachfolgend: Beschluss 94/90), der den Verhaltenskodex umsetzt.

3.
    Der Verhaltenskodex bestimmt unter der Rubrik „Allgemeiner Grundsatz“:

„Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates.

Der Ausdruck .Dokument‘ bezeichnet unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz der Kommission oder des Rates befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen.“

4.
    Unter der Rubrik „Bearbeitung der Erstanträge“ bestimmt der Verhaltenskodex in Absatz 3 (nachfolgend: Urheberregel):

„Ist der Urheber des Dokuments, das sich im Besitz eines Organs befindet, eine natürliche oder juristische Person, ein Mitgliedstaat, ein anderes Gemeinschaftsorgan oder eine andere Gemeinschaftsinstitution oder eine sonstige einzelstaatliche oder internationale Organisation, so ist der Antrag direkt an den Urheber des Dokuments zu richten.“

5.
    Die Umstände, auf die sich ein Organ berufen kann, um die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten zu rechtfertigen, werden im Verhaltenskodex unter der Rubrik „Regelung der Ausnahmen“ wie folgt aufgezählt:

„Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in Bezug auf

...

-    den Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses;

...

-    die Wahrung der Vertraulichkeit, wenn dies von der natürlichen oder juristischen Person, die die Information zur Verfügung gestellt hat, beantragt wurde oder aufgrund der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der die Information bereitgestellt hat, erforderlich ist.

...“

6.
    Zur Behandlung von Anträgen auf Zugang zu Kommissionsdokumenten bestimmt Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 94/90:

„Der Antragsteller wird innerhalb einer Frist von einem Monat schriftlich vom Generaldirektor ... darüber unterrichtet, ob seinem Antrag stattgegeben wird oder ob die Absicht besteht, ihn abzulehnen. Im letzteren Falle wird dem Antragsteller außerdem mitgeteilt, dass er binnen eines Monats durch Einreichung eines Zweitantrags beim Generalsekretär der Kommission um Überprüfung dieses Standpunkts ersuchen kann und dass anderenfalls davon ausgegangen wird, dass er seinen Erstantrag zurückgezogen hat.“

7.
    Der Verhaltenskodex sieht ferner vor, dass, wenn „das betreffende Organ [beschließt], den Zugang zu einem Dokument nach einem Zweitantrag zu verweigern, ... dieser Beschluss, der binnen eines Monats nach Einreichung des Zweitantrags ergehen muss, dem Antragsteller so bald wie möglich schriftlich mitzuteilen [ist]; er ist ordnungsgemäß zu begründen und muss eine Angabe der möglichen Rechtsmittel enthalten: Klageerhebung bzw. Beschwerde beim Bürgerbeauftragten gemäß Artikel 173 [nach Änderung jetzt Artikel 230 EG] und 138e [jetzt Artikel 195 EG] des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“.

8.
    Der am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam hat das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten in Artikel 255 EG ausdrücklich anerkannt. Gemäß Artikel 255 Absatz 2 EG erließen das Parlament und der Rat die ab dem 3. Dezember 2001 geltende Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43, nachfolgend: Verordnung Nr. 1049/2001).

Die gemeinsame Marktorganisation für Bananen

9.
    Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1, nachfolgend: Verordnung Nr. 404/93) führte in ihrem Titel IV über die Regelung für den Handel mit dritten Ländern eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus Drittländern ein, die ab dem 1. Juli 1993 an die Stelle der unterschiedlichen nationalen Regelungen trat, die bis dahin galten.

10.
    Im Rahmen dieser Regelung, die durch die Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 der Kommission vom 10. Juni 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen (ABl. L 142, S. 6) und ab dem 1. Januar 1999 durch die Verordnung (EG) Nr. 2362/98 der Kommission vom 28. Oktober 1998 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung ... Nr. 404/93 ... betreffend die Einfuhrregelung für Bananen in die Gemeinschaft (ABl. L 293, S. 32) durchgeführt wird, müssen die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten der Kommission jedes Jahr die Listen der bei ihnen eingetragenen Marktbeteiligten mit Daten über die von jedem Einzelnen in einem Bezugszeitraum vermarkteten Mengen, die von den Marktbeteiligten im laufenden Jahr beantragten Mengen und die tatsächlich vermarkteten Mengen unter Angabe der Nummern der verwendeten Lizenzen (siehe insbesondere Artikel 4 der Verordnung Nr. 1442/93 und Artikel 6 und 28 der Verordnung Nr. 2362/98) sowie bestimmte vierteljährliche statistische und wirtschaftliche Angaben, insbesondere über die Einfuhrlizenzen (siehe insbesondere Artikel 21 der Verordnung Nr. 1442/93 und Artikel 27 der Verordnung Nr. 2362/98), übermitteln.

11.
    Die Übermittlung der betreffenden Listen ermöglicht es der Kommission, die den zuständigen nationalen Stellen vorliegenden Daten zu überprüfen und, soweit erforderlich, die Listen an die anderen Mitgliedstaaten weiterzugeben, damit Falscherklärungen der Marktbeteiligten erkannt oder verhindert werden können. Auf der Grundlage der übermittelten Daten setzt die Kommission gegebenenfalls einen einheitlichen Berichtigungs- oder Anpassungskoeffizienten fest, der von den Mitgliedstaaten auf die Referenzmengen der Marktbeteiligten anzuwenden ist (siehe Artikel 4 der Verordnung Nr. 1442/93 und Artikel 6 und 28 der Verordnung Nr. 2362/98).

Sachverhalt

12.
    Die Klägerin ist eine italienische Genossenschaft von Bananenreifungsbetrieben, die in diesem Sektor seit etwa zwanzig Jahren tätig ist und Bananen aus der so genannten Dollarzone einführt. Sie bringt vor, sie habe aus der italienischen Presse erfahren, dass von März 1998 bis Juni 2000 Bananen auf der Grundlage falscher Einfuhrlizenzen auf betrügerische Art und Weise zu einem reduzierten Zollsatz in die Gemeinschaft eingeführt worden seien.

13.
    Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei von den genannten Einfuhren betroffen, da es durch die Verbringung zusätzlicher Mengen auf den Gemeinschaftsmarkt, die eine Überschreitung des Zollkontingents bedeutet hätten, zu groben Preisverfälschungen gekommen sei; der erlittene Schaden wäre noch größer, wenn sich herausstellen sollte, dass die Einfuhren nicht mit gefälschten Lizenzen, sondern mit Lizenzen erfolgt seien, die auf der Grundlage gefälschter oder falscher Referenzmengen ordnungsgemäß erteilt worden seien.

14.
    Um ihre Interessen zu schützen, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2000 an die Generaldirektion (GD) Landwirtschaft der Kommission auf der Grundlage des Verhaltenskodex Zugang zu folgenden Dokumenten:

1.    die Liste der traditionellen Marktbeteiligten mit für jeden Marktbeteiligten individualisierter Angabe der 1994-1996 eingeführten Bananenmenge und der jeweiligen vorläufigen Referenzmenge sowie die Nummern der verwendeten Lizenzen und Auszüge der entsprechenden Lizenzen,

2.    die Listen aller in der Gemeinschaft eingetragenen Marktbeteiligten für die Jahre 1998 und 1999 mit Angabe der von jedem Marktbeteiligten beantragten Einfuhrlizenzen und tatsächlich eingeführten Mengen,

3.    die Daten für die Jahre 1998 und 1999 und, soweit verfügbar, für das erste Quartal des laufenden Jahres 2000 über die Mengen der Bananen aus Ecuador, deren Einfuhr beantragt worden sei und die von den tatsächlich in der Gemeinschaft vermarkteten Mengen abwichen.

15.
    Mit Schreiben vom 31. Juli 2000 (nachfolgend: Schreiben der GD Landwirtschaft) übermittelte der stellvertretende Generaldirektor der GD Landwirtschaft der Klägerin Daten, die Nummer 3 des Antrags betrafen. Dagegen verweigerte er den Zugang zu den im Antrag unter 1 und 2 genannten Dokumenten unter Berufung auf den „Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses sowie die Wahrung der Vertraulichkeit, die von der natürlichen oder juristischen Person oder nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der die Information bereitgestellt hat, gefordert wird“. Außerdem berief er sich auf die im Verhaltenskodex vorgesehene Regelung der Ausnahmen, Artikel 287 EG und Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

16.
    Mit Schreiben vom 1. September 2000 stellte die Klägerin gemäß dem Verhaltenskodex beim Generalsekretariat der Kommission einen Zweitantrag auf Überprüfung dieses Standpunkts.

17.
    Mit Schreiben vom 5. Dezember 2000, bei der Klägerin eingegangen am 21. Dezember 2000, teilte der Generalsekretär der Klägerin mit, dass ihr die angefragten Dokumente nach der vom Verhaltenskodex vorgeschriebenen Urheberregel nicht übermittelt werden könnten (nachfolgend: Schreiben des Generalsekretärs). In diesem Schreiben heißt es:

„...

Nach nochmaliger Prüfung Ihres Antrags muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Ihnen diese Dokumente gemäß der Urheberregel, die im Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, der mit dem Beschluss [94/90/EGKS, EG, Euratom] der Kommission am 8. Februar 1994 angenommen wurde, vorgeschrieben ist, nicht übermittelt werden können; die Urheberregel sieht vor, dass wenn .der Urheber des Dokuments, das sich im Besitz eines Organs befindet, eine natürliche oder juristische Person, ein Mitgliedstaat, ein anderes Gemeinschaftsorgan oder eine andere Gemeinschaftsinstitution oder eine sonstige einzelstaatliche oder internationale Organisation [ist], ... der Antrag direkt an den Urheber des Dokuments zu richten [ist]‘.

Würde Ihrem Antrag stattgegeben, so würde Ihnen Zugang zu von den Mitgliedstaaten erfassten und verarbeiteten individuellen Daten über die Marktbeteiligten gewährt. Diese Daten, die Informationen über die Referenzmengen der Unternehmen, die Lizenzanträge und die von jedem Unternehmen tatsächlich eingeführten Mengen enthalten, sind der Kommission übermittelt worden, um eine einheitliche Anwendung der Einfuhrregelungen sicherzustellen und vor allem um Unregelmäßigkeiten, insbesondere betrügerische Erklärungen der Marktbeteiligten, zu erkennen oder zu verhindern, wie es in Artikel 4 Absatz 5 der [Verordnung Nr. 1442/93] und Artikel 6 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 2362/98] vorgesehen ist.

Ich stelle Ihnen daher anheim, sich unmittelbar an die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten zu wenden, um eine Abschrift der von Ihnen gewünschten Dokumente zu erhalten.“

Verfahren und Anträge der Parteien

18.
    Mit Klageschrift, die am 1. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

19.
    Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt. Mit Entscheidung vom 5. April 2001 hat das Gericht (Fünfte Kammer) diesen Antrag zurückgewiesen.

20.
    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 20. März 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

21.
    Die Klägerin beantragt,

-    die in den Schreiben der GD Landwirtschaft vom 31. Juli 2000 und des Generalsekretärs der Kommission vom 5. Dezember 2000 enthaltene Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären;

-    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22.
    Die Kommission beantragt,

-    den Antrag auf Nichtigerklärung der im Schreiben der GD Landwirtschaft vom 31. Juli 2000 enthaltenen Entscheidung für unzulässig zu erklären;

-    den Antrag auf Nichtigerklärung der im Schreiben des Generalsekretärs der Kommission vom 5. Dezember 2000 enthaltenen Entscheidung in vollem Umfang zurückzuweisen;

-    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

23.
    Die Kommission macht, ohne förmlich die Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, geltend, die Klage gegen die im Schreiben der GD Landwirtschaft enthaltene Entscheidung sei unzulässig, weil diese keine anfechtbare Handlung im Sinne des Artikels 230 EG darstelle.

24.
    Die Klägerin bringt vor, mit ihrer Klage werde nicht unabhängig voneinander die Nichtigerklärung des Schreibens der GD Landwirtschaft und des Schreibens des Generalsekretärs der Kommission beantragt, und räumt ein, dass allein die Nichtigerklärung der Entscheidung des Generalsekretärs beantragt werde, da dessen Schreiben das Verfahren beendet habe.

25.
    Da aber die Verfahrensabschnitte eine erste Entscheidung hervorgebracht hätten, die auf einer anderen Begründung beruhe als die des Generalsekretärs und mit dieser in Widerspruch stehe, sei es, weil darin ein Ermessensmissbrauch zum Ausdruck komme, nicht möglich gewesen, allein die Entscheidung des Generalsekretärs anzufechten und die Entscheidung der GD Landwirtschaft außer Acht zu lassen.

26.
    Außerdem liege es im Interesse der Klägerin, die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission in der Gestalt sämtlicher ergangener Bescheide zu beantragen, um zu vermeiden, dass die Kommission, falls das Gericht die aus dem Schreiben des Generalsekretärs folgende Entscheidung für nichtig erkläre, gestützt auf die vom Gemeinschaftsrichter nicht beanstandete Begründung der GD Landwirtschaft neuerlich einen ablehnenden Bescheid erlasse (siehe z. B. den Sachverhalt des Urteils des Gerichts vom 7. Dezember 1999 in der Rechtssache T-92/98, Interporc/Kommission, Slg. 1999, II-3521, Randnr. 54).

27.
    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, dass sich das Gericht auch dann, wenn die Klage gegen das Schreiben der GD Landwirtschaft für unzulässig erklärt werden sollte, aus Gründen der Verfahrensökonomie und Zweckmäßigkeit zu den in diesem Schreiben geltend gemachten Ablehnungsgründen äußern möge.

Würdigung durch das Gericht

28.
    Nach ständiger Rechtsprechung sind Handlungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist, nur solche Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen. Im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren, insbesondere zum Abschluss eines internen Verfahrens, ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei den Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs zum Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 10, und Urteil des Gerichts vom 22. Mai 1996 in der Rechtssache T-277/94, AITEC/Kommission, Slg. 1996, II-351, Randnr. 51).

29.
    Im vorliegenden Kontext stellt die Entscheidung des Generalsekretärs der Kommission im Verfahren nach dem Beschluss 94/90 die endgültige Stellungnahme des Organs zum Antrag der Klägerin auf Zugang zu den Dokumenten dar.

30.
    Nach Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 94/90 in Verbindung mit den Bestimmungen des Verhaltenskodex über die Behandlung von Zweitanträgen war die im Schreiben der GD Landwirtschaft enthaltene Antwort nur eine erste Stellungnahme, die der Klägerin die Möglichkeit gab, den Generalsekretär der Kommission um Überprüfung dieses Standpunkts zu ersuchen. Denn nach Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 94/90 stellt die Antwort des Generaldirektors im Fall der Ablehnung einen anfänglichen Standpunkt dar, in dem die „Absicht“ zum Ausdruck kommt, den Antrag abzulehnen, und der Gegenstand eines Zweitantrags sein kann, mit dem um „Überprüfung dieses Standpunkts“ ersucht wird.

31.
    Allein die Maßnahme des Generalsekretärs der Kommission, die ihrer Art nach eine Entscheidung ist und die vorausgegangene Stellungnahme vollständig ersetzt, kann also Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen der Klägerin beeinträchtigen können, und somit Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 230 EG sein.

32.
    Im Übrigen hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass nur die Nichtigerklärung der Entscheidung des Generalsekretärs beantragt werden kann, weil das Verfahren mit dieser Stellungnahme abgeschlossen wurde.

33.
    Mithin ist die Klage unzulässig, soweit es um den Antrag auf Nichtigerklärung des Schreibens der GD Landwirtschaft vom 31. Juli 2000 geht, und das Gericht braucht sich deshalb nicht zur Begründung zu äußern, auf die sich die GD Landwirtschaft bei der anfänglichen Stellungnahme gestützt hat und die vom Generalsekretär nicht übernommen worden ist.

Zur Begründetheit

34.
    Das Vorbringen der Klägerin kann in zwei Klagegründe aufgeteilt werden, mit denen zum einen ein Verstoß gegen den von der Kommission mit dem Beschluss 94/90 angenommenen Verhaltenskodex und zum anderen Ermessensmissbrauch gerügt wird.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen den mit dem Beschluss 94/90 angenommenen Verhaltenskodex

35.
    Nach Ansicht der Klägerin ist die Urheberregel auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die angefragten Dokumente nicht von den nationalen Stellen, sondern von der Kommission erstellt worden seien. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass die Urheberregel selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass die angefragten Dokumente von den nationalen Stellen erstellt worden seien, nicht anwendbar sei, weil sie gemäß dem vom Verhaltenskodex vorgesehenen allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten eng ausgelegt werden müsse.

a) Zur Frage des Urhebers der fraglichen Dokumente

- Vorbringen der Parteien

36.
    Die Klägerin bringt vor, die Auffassung des Generalsekretärs, dass der Antrag Dokumente betreffe, deren Urheber nicht die Kommission, sondern die Mitgliedstaaten seien, treffe nicht zu, da der Antrag darauf gerichtet sei, die Listen der traditionellen Marktbeteiligten der Gemeinschaft insgesamt und nicht die Listen jedes einzelnen Mitgliedstaats zu erhalten.

37.
    Angesichts der grundlegenden Aufgaben, die der Kommission im Rahmen der Einfuhrregelung für Bananen übertragen worden seien, sei es, erstens, offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten bei der Erstellung der Listen der Marktbeteiligten und ihrer Referenzmengen keine autonome Rolle spielten, sondern der Kommission, der die Durchführung und Kontrolle der Regelung zukomme, nur zuarbeiteten.

38.
    Die Kommission könne, zweitens, diese Zuständigkeit für die Durchführung und Kontrolle nur wahrnehmen, wenn sie über eine autonome, von ihr selbst erstellte Liste verfüge, in der auf Gemeinschaftsebene alle von den Mitgliedstaaten gelieferten Daten über die traditionellen Marktbeteiligten der Gemeinschaft zusammengestellt würden. Diese Zusammenstellung von Daten sei eine Tätigkeit der Kommission und nicht der Mitgliedstaaten.

39.
    Wenn sich die Kommission darauf beschränke, die von den Mitgliedstaaten erstellten Daten nur entgegenzunehmen und sie ohne jede Änderung oder Fehlerberichtigung zusammenzufassen, verstoße sie gegen ihre Pflicht, tätig zu werden und von den Mitgliedstaaten übermittelte Zahlen von Amts wegen zu prüfen, und vertraue bei der Festsetzung des Anpassungskoeffizienten allein auf die Sorgfalt der nationalen Stellen. Da die Kommission nicht nur auf Fehler hinweise, sondern auch von Amts wegen tätig werde, könne man folglich selbst dann, wenn es keine Liste gemeinschaftlichen Ursprungs im eigentlichen Sinne gebe, berechtigterweise davon ausgehen, dass die Kommission die Urheberin der fraglichen Dokumente sei.

40.
    Die Kommission bringt vor, die Berufung auf die Urheberregel sei zu Recht erfolgt; diese Regel sei in vollem Umfang anwendbar, da die von der Klägerin in Nummer 1 ihres Antrags vom 27. Juni 2000 angefragten Daten Dokumente seien, die von den Mitgliedstaaten erstellt worden seien. Was die in Nummer 2 des Antrags auf Zugang genannten Dokumente angehe, so gebe es keine Dokumente, die die angefragten Daten mit dem von der Klägerin gewünschten Grad an Genauigkeit lieferten, und selbst wenn es sie gäbe, sei jedenfalls die Urheberregel ebenfalls anwendbar, da sie ein von den Mitgliedstaaten erstelltes Dokument seien.

- Würdigung durch das Gericht

41.
    Die Klägerin beanstandet die Anwendung der Urheberregel auf den vorliegenden Fall, da die Listen, zu denen der Zugang beantragt worden sei, nicht von den Mitgliedstaaten, sondern von der Kommission erstellt worden seien.

42.
    Es stellt sich also die Frage, ob die von der Klägerin angefragten Dokumente von der Kommission oder von den Mitgliedstaaten erstellt wurden. Dabei ist zwischen den Dokumenten, die in den Nummern 1 und 2 des Antrags der Klägerin in ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 genannt werden, zu unterscheiden.

43.
    Was, erstens, die erste Serie von Dokumenten angeht, zu denen der Zugang beantragt wurde, also „die Liste der traditionellen Marktbeteiligten mit für jeden Marktbeteiligten individualisierter Angabe der 1994-1996 eingeführten Bananenmenge und der jeweiligen vorläufigen Referenzmenge sowie die Nummern der verwendeten Lizenzen und Auszüge der entsprechenden Lizenzen“, so entsprechen die angefragten Dokumente denjenigen, die die Mitgliedstaaten nach den Artikeln 6 Absatz 2 und 28 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2362/98 erstellen und der Kommission übermitteln müssen. Es handelt sich somit um Dokumente, deren Urheber die Mitgliedstaaten sind.

44.
    Was, zweitens, die zweite Serie angefragter Dokumente anbelangt, also „die Listen aller in der Gemeinschaft eingetragenen Marktbeteiligten für die Jahre 1998 und 1999 mit Angabe der von jedem Marktbeteiligten beantragten Einfuhrlizenzen und tatsächlich eingeführten Mengen“, so hat die Kommission im Verfahren vor dem Gericht geltend gemacht, dass ihr keine solchen Dokumente vorlägen, da kein Dokument der Mitgliedstaaten die betreffenden Daten mit dem von der Klägerin gewünschten Grad an Genauigkeit, d. h. mit individuellen Angaben für jeden einzelnen Marktbeteiligten, liefere, und dass es sich jedenfalls um von den Mitgliedstaaten erstellte Dokumente handele.

45.
    Das Gericht stellt allerdings fest, dass es im zweiten Absatz des Schreibens des Generalsekretärs heißt, dass „[d]iese Daten, die Informationen über die Referenzmengen der Unternehmen, die Lizenzanträge und die von jedem Unternehmen tatsächlich eingeführten Mengen enthalten, ... der Kommission übermittelt worden [sind], um eine einheitliche Anwendung der Einfuhrregelungen sicherzustellen und vor allem um Unregelmäßigkeiten ... zu erkennen oder zu verhindern“. Da die Kommission in der streitigen Entscheidung also die Existenz der im Antrag der Klägerin unter Nummer 2 angefragten Dokumente nicht bestritten hat, kann sie in diesem Stadium des Verfahrens nicht rechtswirksam geltend machen, dass es solche Dokumente nicht gebe.

46.
    Nach Artikel 28 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 2362/98 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission für das Jahr 1999 die Listen aller eingetragenen Marktbeteiligten mit Angabe der individuell beantragten vorläufigen Mengen und nach Artikel 27 Buchstabe c dieser Verordnung vierteljährliche Daten über die Gesamtmengen der von allen Marktbeteiligten eingeführten Bananen. Für das Jahr 1998 ergibt sich aus Artikel 4 Absätze 4 und 5 und Artikel 21 der Verordnung Nr. 1442/93, dass die Mitgliedstaaten der Kommission die Listen aller eingetragenen Marktbeteiligten und auf nationaler Ebene vierteljährlich und nach Gruppen von Marktbeteiligten erhobene allgemeine Daten über die Mengen der erteilten Einfuhrlizenzen und der verwendeten Lizenzen übermitteln. Deshalb betrifft auch die zweite Serie der von der Klägerin nachgefragten Dokumente von den Mitgliedstaaten erstellte Dokumente.

47.
    Was die Frage der Zusammenstellung dieser nationalen Daten in einer einzigen Datenbank angeht - deren Existenz die Kommission für die erste Serie von Dokumenten, zu denen der Zugang beantragt wurde, eingeräumt hat -, ist darauf hinzuweisen, dass nach den Artikeln 6 und 28 der Verordnung Nr. 2362/98 und nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 1442/93 allein die nationalen Stellen für die Festsetzung und Berichtigung der Referenzmengen jedes Marktbeteiligten gemäß dem von der Kommission allgemein festgesetzten Anpassungskoeffizienten verantwortlich sind, da das Organ nicht befugt ist, die mitgeteilten nationalen Daten selbst zu ändern (siehe in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Januar 2002 in der Rechtssache T-160/98, Van Parys und Pacific Fruit Company/Kommission, Slg. 2002, II-233, Randnr. 65). Die Kommission stellt nur die Daten zusammen, um ganz einfach den Abgleich und die Überprüfung von Doppelbuchungen von Daten zu erleichtern, darf aber selbst keine Änderungen, Berichtigungen oder sonstige Eingriffe vornehmen, da die angebrachten Änderungen oder Berichtigungen dieser Daten bei den nationalen Stellen beantragt werden müssen. Die von der Kommission vorgenommene Zusammenstellung der Daten, die von den Mitgliedstaaten betreffend die erste - und, ihr Vorliegen unterstellt, die zweite - Serie der nachgefragten Dokumente übermittelt wurden, genügt daher nicht, den Mitgliedstaaten ihre Eigenschaft als Urheber dieser Dokumente im Sinne des Beschlusses 94/90 zu nehmen. Somit durfte die Kommission davon ausgehen, dass allein die zuständigen nationalen Stellen der Mitgliedstaaten die Urheber der Dokumente waren, zu denen die Klägerin Zugang beantragt hat.

48.
    Nach alledem ist die Rüge betreffend die Urheber der im Antrag der Klägerin auf Zugang unter 1 und 2 genannten Dokumente zurückzuweisen.

b) Zur Frage der engen Auslegung der Urheberregel dahin, dass sie für Dokumente, die dem gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess zugrunde liegen, nicht gälte

- Vorbringen der Parteien

49.
    Die Klägerin bringt vor, dass die Urheberregel, wenn man die Mitgliedstaaten für die Urheber der angefragten Dokumente halte, im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da sie eng ausgelegt werden müsse, so dass sie bei Anträgen auf Zugang zu Dokumenten Dritter, die die Kommission dem gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess zugrunde lege, nicht geltend gemacht werden könne.

50.
    Zunächst garantiere der allgemeine Grundsatz des Verhaltenskodex den Zugang zu den „im Besitz“ der Kommission „befindlichen“ Dokumenten; die Verweigerung des Zugangs zu den von Dritten erlangten, in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten durch die Kommission stehe nicht im Einklang mit diesem Grundsatz.

51.
    Sodann müssten nach ständiger Rechtsprechung (Urteile des Gerichts vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313, und vom 19. Juli 1999 in der Rechtssache T-188/97, Rothmans/Kommission, Slg. 1999, II-2463) alle Ausnahmen oder Einschränkungen des Rechts auf Zugang eng ausgelegt werden, um den Grundsatz der Transparenz des Entscheidungsprozesses sicherzustellen. Im Licht dieser Rechtsprechung müsse die Kommission den Zugang zu allen Dokumenten gestatten, die sich in ihrem Besitz befänden und auf die sie ihre Entscheidung gestützt habe, was insbesondere dann gelte, wenn diese Dokumente von Marktbeteiligten angefragt würden, deren Interessen durch eine Entscheidung der Kommission verletzt sein könnten. Dies sei hier der Fall, da die Kommission den Anpassungskoeffizienten für die von den Mitgliedstaaten festgesetzten vorläufigen Mengen auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten gelieferten Daten festgesetzt habe, was die Klägerin durch die Herabsetzung ihrer Referenzmenge betroffen habe.

52.
    Eine weite Auslegung der Urheberregel, die diese Art von Dokumenten vom Anwendungsbereich des Verhaltenskodex ausnehmen würde, sei somit rechtswidrig.

53.
    Außerdem habe das Gericht zwar die Rechtmäßigkeit der Urheberregel anerkannt, aber darauf hingewiesen, dass sie gerade dann eng ausgelegt werden müsse, wenn bei ihrer Anwendung Zweifel hinsichtlich des Urhebers der Handlung auftreten könnten (Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 70). Dieser Grundsatz gelte hier, weil die fraglichen Dokumente das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit der Kommission mit den Mitgliedstaaten seien und es sich als unmöglich erweise, festzustellen, wer tatsächlich ihr Urheber sei. Im vorgenannten Urteil habe das Gericht die Verweigerung des Zugangs zu „internen Übersichten“ der Kommission, die in einem mit dem Bananensektor vergleichbaren Umfeld auf der Grundlage von Daten der Mitgliedstaaten erstellt worden seien, für nichtig erklärt.

54.
    Ferner hält die Klägerin es für abwegig, dass sie die Daten, auf die sie Anspruch habe, bei den 15 Mitgliedstaaten erhalten könne. Sie führt dazu in ihrer Erwiderung aus, dass sie sich an die Mitgliedstaaten gewandt und bis jetzt praktisch nur ablehnende Bescheide verschiedener Art erhalten habe, die insbesondere auf Formfragen oder nationale Vertraulichkeitsvorschriften gestützt seien.

55.
    Schließlich gehe aus der neuen Verordnung Nr. 1049/2001, die zur Durchführung von Artikel 255 EG erlassen worden sei, hervor, dass die Urheberregel einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten, die dem Entscheidungsprozess zugrunde lägen, selbst dann nicht entgegengehalten werden könne, wenn sie von Dritten stammten, da Artikel 2 Absatz 3 dieser Verordnung den Zugang zu „alle[n] Dokumente[n] eines Organs, das heißt Dokumente[n] aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden“, vorsehe. Die Berufung auf diese neue Regelung sei, auch wenn sie nicht sofort gelte, im vorliegenden Fall möglich, um die Urheberregel in dem Sinne eng auszulegen, dass die Organe, wenn sie als Gesetzgeber im weitesten Sinne tätig würden, den weitestmöglichen Zugang zu den Dokumenten gestatten müssten, die „von ihnen erstellt wurden oder bei ihnen eingegangen“ seien.

56.
    Die Kommission erwidert, dass sie die Urheberregel in der angefochtenen Entscheidung richtig ausgelegt habe und die Regel in dieser Anwendung im Rahmen der geltenden Gemeinschaftsrechtsordnung unbestreitbar rechtmäßig sei.

- Würdigung durch das Gericht

57.
    Nach der Rechtsprechung muss die Urheberregel, die das im Beschluss 94/90 vorgesehene Zugangsrecht einschränkt, eng ausgelegt und angewandt werden, damit das Zugangsrecht nicht eingeschränkt wird (siehe in diesem Sinne Urteil Rothmans/Kommission, Randnr. 55, und Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2001 in der Rechtssache T-191/99, Petrie u. a./Kommission, Slg. 2001, II-3677, Randnr. 66).

58.
    Gleichwohl kann der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt werden, dass die Urheberregel, da sie eng ausgelegt werden müsse, auf Fälle wie den vorliegenden, in denen die angefragten Dokumente dem Entscheidungsprozess der Kommission zugrunde lägen, nicht anwendbar sei.

59.
    Der Verhaltenskodex hat, erstens, mit der Urheberregel gleichzeitig mit dem allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten eine absolute Ausnahme für Dokumente, deren Urheber ein Dritter ist, aufgestellt, ohne Einschränkungen davon vorzusehen.

60.
    Eine Auslegung, wie sie die Klägerin vorschlägt, führte, zweitens, dazu, der Urheberregel jede praktische Wirksamkeit zu nehmen, da fast alle im Besitz der Kommission befindlichen Dokumente von Dritten dem Entscheidungsprozess der Kommission zugrunde liegen oder damit zusammenhängen. Da diese Regel nach dem Verhaltenskodex uneingeschränkt gilt, ist sie somit dahin auszulegen, dass sie auf alle Dokumente Dritter, zu denen der Zugang beantragt ist, in vollem Umfang anwendbar ist, ohne dass verschiedene Anwendbarkeitsstufen danach festgelegt werden könnten, ob diese Dokumente die betroffenen Wirtschaftsbeteiligten möglicherweise beeinträchtigen oder wie die Kommission sie in ihrem Entscheidungsprozess verwendet.

61.
    Der von der Rechtsprechung aufgestellte Maßstab der engen Auslegung und Anwendung der Urheberregel, auf den sich die Klägerin beruft, ist, drittens, insbesondere dann geboten, wenn Zweifel bestehen, wer Urheber des angefragten Dokuments ist. Denn wie das Gericht ausgeführt hat, ist die Urheberregel gerade, wenn zweifelhaft ist, wer Urheber der Handlung ist, eng auszulegen und anzuwenden (Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 70, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 2003 in der Rechtssache C-41/00 P, Interporc/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht). Wie aber vorstehend ausgeführt, bestehen hieran im vorliegenden Fall keine Zweifel, da allein die Mitgliedstaaten die Urheber der fraglichen Dokumente sind. Die Berufung auf diese Rechtsprechung greift im vorliegenden Fall also nicht durch.

62.
    Was weiter das Vorbringen der Klägerin anbelangt, das Gericht habe im Urteil Interporc/Kommission die Verweigerung des Zugangs zu internen Übersichten der Kommission in einem mit dem Bananensektor vergleichbaren Umfeld für nichtig erklärt, genügt der Hinweis, dass das Gericht in jener Rechtssache die Entscheidung der Kommission, mit der der Zugang zu den internen Übersichten abgelehnt wurde, die von der GD VI auf der Grundlage von Erklärungen von Mitgliedstaaten und Drittstaaten erstellt worden waren, für nichtig erklärt hat, weil die betreffenden Dokumente allein von der Kommission stammten und diese in Bezug auf die Dokumente die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses geltend machte. Hier sind aber die Dokumente, zu denen die Klägerin Zugang beantragt hat, wie festgestellt, keine internen Analyseübersichten über nationale Daten oder von der Kommission nach Überprüfung oder Berichtigung dieser Daten erstellte Listen, sondern nur eine Zusammenstellung von Ausgangsdokumenten, die von den Mitgliedstaaten erstellt und übermittelt wurden. Da sich die beiden Rechtssachen nicht gleichen, greift die Berufung der Klägerin auf das Urteil Interporc/Kommission also nicht durch.

63.
    Nach alledem ist die von der Klägerin vertretene enge Auslegung dahin, dass die Urheberregel für Dokumente Dritter, die dem gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess zugrunde liegen, nicht gelten soll, abzulehnen.

64.
    Der Vollständigkeit halber ist zum Vorbringen der Klägerin, dass es ihr nicht möglich sei, bei den Mitgliedstaaten Zugang zu den angefragten Dokumenten zu bekommen, darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission zu Recht ausführt, diese Schwierigkeiten keinerlei Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben. Die Haltung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die beantragten Informationen, die der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung und den Einschränkungen gemäß den insoweit geltenden nationalen Rechtsvorschriften unterliegt, ändert nämlich nichts daran, dass die Kommission die vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgesehene Urheberregel ordnungsgemäß angewandt hat.

65.
    Schließlich ist auch dem Vorbringen der Klägerin nicht zu folgen, dass nach der Verordnung Nr. 1049/2001 eine enge Auslegung der Urheberregel vertreten werden könne, die zu deren Unanwendbarkeit auf den vorliegenden Fall führe. Denn da diese Verordnung am 3. Juni 2001 in Kraft getreten ist und erst seit dem 3. Dezember 2001 gilt, musste die am 5. Dezember 2000 erlassene angefochtene Entscheidung offenkundig nur mit der Regelung gemäß dem Beschluss 94/90 in Einklang stehen.

66.
    Daher hat die Kommission, da der Verhaltenskodex die einzige materiellrechtliche Bestimmung war, die in dem Zeitpunkt, in dem sie die streitige Entscheidung erlassen hat, auf den vorliegenden Fall anwendbar war, nicht rechtswidrig gehandelt, als sie die Urheberregel im Einklang mit den zur maßgeblichen Zeit geltenden Rechtsvorschriften ausgelegt und angewandt hat.

67.
    Der erste Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den mit dem Beschluss 94/90 angenommenen Verhaltenskodex gerügt wird, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Ermessensmissbrauch

Vorbringen der Parteien

68.
    Nach Ansicht der Klägerin dient die Ablehnung des Zugangs zu den Dokumenten anderen Zwecken als angegeben.

69.
    Die einander widersprechenden Begründungen, die die Kommission in ihren Schreiben gegeben habe, seien, erstens, ein klares Indiz für einen Ermessensmissbrauch.

70.
    Was den wahren Zweck der Ablehnung anbelange, so diene, zweitens, die Ablehnung durch den Generalsekretär, verbunden mit der Aufforderung, sich an die einzelnen Mitgliedstaaten zu wenden, um die Liste der Marktbeteiligten der Gemeinschaft zu erhalten, wohl dazu, die Befugnis zu leugnen, die der Rat der Kommission im Bereich der Verwaltung und Kontrolle des Gemeinschaftsmarktes für Bananen übertragen habe, um sich von einer etwaigen Haftung freizuhalten und diese auf andere zu verlagern. Die Kommission versuche mit ihrer Entscheidung, der Klägerin die Möglichkeit zu nehmen, die Zu- und Verteilung von Einfuhrlizenzen für Bananen sowie die tatsächliche Verwendung der Lizenzen nachzuprüfen und damit ihren Entscheidungsprozess zu kontrollieren.

71.
    Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen, da er jeder Grundlage entbehre. Insbesondere diene das Schreiben des Generalsekretärs allein dem Zweck, den Zweitantrag der Klägerin zu bescheiden, ohne dass die Befugnisse der Kommission in Bezug auf die Einfuhrregelung für Bananen in irgendeiner Weise verkannt werden sollten.

Würdigung durch das Gericht

72.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Rechtshandlung nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der EG-Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juni 1997 in der Rechtssache C-285/94, Italien/Kommission, Slg. 1997, I-3519, Randnr. 52, und Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 68).

73.
    Zum Vorbringen der Klägerin, dass der Widerspruch zwischen den beiden Begründungen, die ihrem Antrag entgegengehalten worden seien, ein klares Indiz für einen Ermessensmissbrauch darstelle, ist hier nochmals darauf hinzuweisen, dass die Regelung gemäß dem Verhaltenskodex und dem Beschluss 94/90 die Verweigerung des Zugangs zu angefragten Dokumenten einem zweistufigen Antragsverfahren unterstellt, in dem allein die bestätigende Entscheidung des Generalsekretärs die endgültige Stellungnahme des Organs darstellt. Daher können voneinander abweichende Begründungen der Kommission in einem solchen Verfahren nicht als Indiz für einen Ermessensmissbrauch angesehen werden, weil das nach den betreffenden Bestimmungen vorgesehene Überprüfungsverfahren es dem Generalsekretär gerade gestatten soll, die Frage von neuem zu prüfen, ohne an frühere Stellungnahmen der zuständigen Dienste gebunden zu sein. Dürfte der Generalsekretär seine Entscheidung nicht auf eine andere Begründung als der zuständige Dienst stützen, so verlöre dieses Verfahren, wie die Kommission zu Recht vorbringt, jeden Sinn.

74.
    Außerdem hat die Klägerin ihre Behauptung, dass die Kommission mit ihrer Ablehnung andere als die in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Zwecke verfolge, durch nichts bewiesen.

75.
    Daher ist festzustellen, dass die Klägerin keine objektiven, schlüssigen und übereinstimmenden Indizien dafür geliefert hat, dass die Kommission ihr Ermessen missbraucht hätte.

76.
    Somit ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

77.
    Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Beklagten ihre eigenen Kosten und die Kosten der Beklagten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Der Antrag auf Nichtigerklärung der im Schreiben der Generaldirektion Landwirtschaft vom 31. Juli 2000 enthaltenen Entscheidung wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.    Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

3.    Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

García-Valdecasas
Lindh
Cooke

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Oktober 2003.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

R. García-Valdecasas


1: Verfahrenssprache: Italienisch.