Language of document : ECLI:EU:C:2015:143

Rechtssache C‑502/13

Europäische Kommission

gegen

Großherzogtum Luxemburg

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes – Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 5. März 2015

1.        Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befugnis der Mitgliedstaaten, auf bestimmte Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden – Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern – Unzulässigkeit

(Verordnung Nr. 282/2011 des Rates, Art. 7 Abs. 1; Richtlinie 2006/112 des Rates in der durch die Richtlinie 2010/88 geänderten Fassung, Art. 14 Abs. 1, Art. 96, 97, 98 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 99, 110 und 114 sowie Anhang III, Rn. 6 und 9)

2.        Vertragsverletzungsklage – Verstoß gegen die Verpflichtungen aus einer Richtlinie – Verteidigungsmittel – Infragestellung der Rechtmäßigkeit der Richtlinie – Unzulässigkeit – Grenzen – Inexistenter Rechtsakt

(Art. 258 AEUV, 259 AEUV, 263 AEUV und 265 AEUV)

3.        Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befugnis der Mitgliedstaaten, während einer Übergangszeit einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden – Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes von 3 % auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern – Unzulässigkeit

(Richtlinie 2006/112 des Rates in der durch die Richtlinie 2010/88 geänderten Fassung, Art. 98 Abs. 2 und Art. 110)

1.        Ein Mitgliedstaat, der auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern einen Mehrwertsteuersatz von 3 % anwendet, verstößt dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 96 bis 99, 110 und 114 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/88 geänderten Fassung in Verbindung mit den Anhängen II und III dieser Richtlinie und der Verordnung Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112.

Es ergibt sich nämlich aus Rn. 6 des Anhangs III der Richtlinie 2006/112, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf den Vorgang der Lieferung eines Buchs, das sich auf einem physischen Träger befindet, anzuwenden ist. Auch wenn ein elektronisches Buch einen physischen Träger wie z. B. einen Computer erfordert, um gelesen werden zu können, ist ein solcher Träger jedoch von der Lieferung elektronischer Bücher nicht erfasst. Ferner hat der Unionsgesetzgeber entschieden, wie sich aus Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie ergibt, die Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen auszuschließen. Die Lieferung von elektronischen Büchern stellt aber eine solche Dienstleistung dar, da sie nicht als eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie angesehen werden kann, da ein elektronisches Buch nicht als ein körperlicher Gegenstand angesehen werden kann. Auch fällt die Lieferung von elektronischen Büchern unter die Definition der elektronisch erbrachten Dienstleistungen in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 282/2011. Darüber hinaus fällt eine solche Lieferung auch nicht unter Nr. 9 des Anhangs III der Richtlinie 2006/112, die die Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie die diesen geschuldeten urheberrechtlichen Vergütungen betrifft.

Diese Auslegung wird auch nicht durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Frage gestellt, da er es nicht erlaubt, den Geltungsbereich eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auszuweiten, soweit es an einer eindeutigen Bestimmung fehlt. Nr. 6 von Anhang III der Richtlinie 2006/112 ist keine Bestimmung, die in eindeutiger Weise den Geltungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf die Lieferung von elektronischen Büchern erweitert. Vielmehr fällt eine solche Lieferung nicht unter diese Bestimmung.

(vgl. Rn. 35, 36, 40-43, 50, 51, 61, 71 und Tenor)

2.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 56, 57)

3.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 66, 67)