Language of document : ECLI:EU:C:2007:292

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

M. POIARES MADURO

vom 23. Mai 20071(1)

Rechtssache C‑438/05

The International Transport Workers’ Federation

und

The Finnish Seamen’s Union

gegen

Viking Line ABP

und

OÜ Viking Line Eesti

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [England & Wales] [Civil Division])






1.        Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) hat in einem Berufungsverfahren gegen eine Entscheidung des High Court of Justice (Commercial Court) eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die den Gerichtshof mit einer Problematik konfrontieren, die rechtlich sehr verwickelt und gesellschaftspolitisch äußerst heikel ist. Manchmal sind Antworten auf komplizierte Fragen einfach zu geben. Das ist hier nicht der Fall. Kurz gefasst stellt sich die Situation, die Anlass zur vorliegenden Rechtssache gab, wie folgt dar. Ein finnisches Unternehmen im Fährverkehr zwischen Helsinki und Tallinn wollte seine Niederlassung nach Estland verlegen, um sich das niedrigere Lohnniveau zunutze zu machen und seine Dienstleistungen von dort aus anzubieten. Eine finnische Gewerkschaft, die von einem internationalen Gewerkschaftsverband unterstützt wurde, versuchte, dies zu verhindern, und drohte mit Streiks und Boykott, sollte die Gesellschaft verlagert werden, ohne ihr derzeitiges Lohnniveau beizubehalten. Die durch diese Konfrontation aufgeworfenen Rechtsprobleme betreffen die horizontale Wirkung der Vertragsbestimmungen über den freien Verkehr und das Verhältnis zwischen sozialen Rechten und den Verkehrsfreiheiten.

I –    Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

 Die Parteien

2.        Viking Line ABP (im Folgenden: Viking Line) ist ein finnischer Betreiber von Passagierfähren. OÜ Viking Line Eesti ist ihre estnische Tochtergesellschaft. Viking Line gehört die Rosella, ein Schiff, das unter finnischer Flagge auf der Tallinn‑Helsinki‑Route zwischen Estland und Finnland verkehrt. Die Besatzung der Rosella ist Mitglied der Finnish Seamen’s Union (im Folgenden: FSU).

3.        Die FSU mit Sitz in Helsinki ist eine nationale Gewerkschaft, die Seeleute vertritt. Sie hat ungefähr 10 000 Mitglieder, zu denen die Besatzung der Rosella gehört. Die FSU ist finnisches Mitglied der International Transport Workers’ Federation (Internationale Transportarbeiter‑Föderation, im Folgenden: ITF).

4.        Die ITF ist ein internationaler Verband von 600 Transportarbeitergewerkschaften in 140 Ländern. Eines der Hauptanliegen der ITF besteht in ihrer „Billigflaggen“-Politik. Im Verfahren vor dem Commercial Court führte der Präsident der ITF Folgendes aus: „Die Hauptziele der Billigflaggen‑Kampagne bestehen darin, erstens Billigflaggen zu beseitigen und eine echte Verbindung zwischen der Flagge des Schiffes und der Staatsangehörigkeit des Eigners zu schaffen und zweitens die Arbeitsbedingungen der Seeleute auf unter Billigflagge fahrenden Schiffen zu schützen und zu verbessern.“ Dem Dokument über die Billigflaggen‑Politik zufolge ist davon auszugehen, dass ein Schiff unter einer Billigflagge fährt, wenn „[das wirtschaftliche Eigentum] und die Kontrolle des Schiffes außerhalb des Landes liegt, unter dessen Flagge das betreffende Schiff registriert ist“. Weiter heißt es dort, dass die Gewerkschaften im Land des wirtschaftlichen Eigentümers das Recht haben, Vereinbarungen in Bezug auf die dort in wirtschaftlichem Eigentum stehenden Schiffe zu treffen. Die Billigflaggen‑Kampagne wird mit Boykott und anderen Solidaritätsmaßnahmen durchgeführt.

 Sachverhalt

5.        Die Rosella machte Verluste, da sie auf der Route zwischen Tallinn und Helsinki in Wettbewerb mit Schiffen unter estnischer Flagge stand. Estnische Besatzungen erhalten einen geringeren Lohn als finnische Besatzungen. Solange die Rosella unter finnischer Fahne fährt, ist Viking Line nach finnischem Recht und nach einem Tarifvertrag verpflichtet, der Besatzung finnische Löhne zu zahlen.

6.        Im Oktober 2003 versuchte Viking Line, die Rosella umzuflaggen und in Estland registrieren zu lassen, um dann einen Tarifvertrag mit einer estnischen Gewerkschaft zu schließen. Diese Absicht teilte das Unternehmen der Besatzung und der FSU mit. Die FSU setzte Viking Line darüber in Kenntnis, dass sie mit dem Vorhaben, die Rosella umzuflaggen, nicht einverstanden sei.

7.        Mit E‑Mail vom 4. November 2003 bat die FSU die ITF, sämtliche angeschlossenen Gewerkschaften über die Angelegenheit zu informieren und sie anzuweisen, mit Viking Line nicht zu verhandeln. Am 6. November 2003 leistete die ITF dieser Bitte Folge und übersandte ihren Mitgliedern in Umsetzung der Billigflaggen‑Politik ein Rundschreiben. In dem Rundschreiben hieß es, dass die Rosella hinsichtlich des wirtschaftlichen Eigentums noch in Finnland zu verorten sei und dass das Recht zur Verhandlungsführung daher bei der FSU verbleibe. In dem Rundschreiben wurden die angeschlossenen Gewerkschaften dazu aufgerufen, mit Viking Line keine Verhandlungen aufzunehmen. Die angeschlossenen Gewerkschaften sollten in Befolgung des Grundsatzes der Solidarität diesem Rundschreiben nicht zuwiderhandeln. Eine Zuwiderhandlung konnte zu Sanktionen führen – schlimmstenfalls zum Ausschluss aus der ITF(2). Das Rundschreiben machte daher für Viking Line praktisch jede Möglichkeit zunichte, unter Umgehung der FSU unmittelbar mit einer estnischen Gewerkschaft zu verhandeln.

8.        Außerdem machte die FSU geltend, dass die Vereinbarung über die Besatzung der Rosella am 17. November 2003 ablaufe und dass die Gewerkschaft folglich nicht mehr durch die Friedenspflicht gebunden sei. Die FSU teilte mit, dass sie beabsichtige, am 2. Dezember 2003 Arbeitskampfmaßnahmen in Bezug auf die Rosella einzuleiten. Die Gewerkschaft forderte, dass die Besatzung um acht Mann aufgestockt werde und dass Viking Line entweder von ihrem Umflaggungsvorhaben Abstand nehmen oder, sollte es dazu kommen, die Besatzung zu den Bedingungen des finnischen Arbeitsrechts beschäftigen solle. Viking Line begehrte vor dem Työtuomioistuin in Helsinki die Feststellung, dass die Vereinbarung über die Besatzung weiterhin in Kraft bleibe, und beantragte beim Käräjäoikeus in Helsinki eine einstweilige Verfügung zum Verbot des Streiks. Vor keinem dieser Gerichte konnte Viking Line aber rechtzeitig angehört werden.

9.        Am 2. Dezember 2003 fand sich Viking Line angesichts der Streikdrohung zu einer gütlichen Beilegung des Streits bereit. Das Unternehmen gab der Forderung nach zusätzlicher Besatzung nach und erklärte, es werde mit dem Umflaggen nicht vor dem 28. Februar 2005 beginnen. Außerdem erklärte das Unternehmen, es werde die Verfahren vor dem Työtuomioistuin und dem Käräjäoikeus nicht weiter verfolgen.

10.      Die ITF zog ihr Rundschreiben niemals zurück, und der Aufruf an die angeschlossenen Gewerkschaften, mit Viking Line keine Verhandlungen aufzunehmen, blieb wirksam. Unterdessen machte die Rosella weiter Verluste. Viking Line wollte weiterhin das Schiff umflaggen und in Estland registrieren lassen und beabsichtigte, dies nach Ende der neuen Vereinbarung über die Besatzung am 28. Februar 2005 zu tun.

11.      Da das Unternehmen damit rechnete, dass ein erneuter Versuch, die Rosella umzuflaggen, wieder kollektive Maßnahmen seitens ITF und FSU auslösen werde, erhob Viking Line am 18. August 2004 beim Commercial Court in London eine Feststellungs- und Unterlassungsklage, mit der sie von der ITF verlangte, das Rundschreiben zurückzuziehen, und von der FSU, in Zusammenhang mit dem Umflaggen der Rosella die Viking Line zustehenden Verkehrsfreiheiten nicht zu beeinträchtigen. Während die Klage anhängig war, wurde die Vereinbarung über die Besatzung für die Rosella bis Februar 2008 verlängert. Somit verlor das Datum des 28. Februar 2005 seine kritische Bedeutung; die Rosella arbeitete jedoch weiterhin mit Verlusten, was daraus resultierte, dass die Arbeitsbedingungen für Viking Line weniger günstig waren als estnische Arbeitsbedingungen. Eine Klärung der Lage blieb daher wichtig. Mit Urteil vom 16. Juni 2005 gab der Commercial Court den Anträgen statt, nachdem sich Viking Line verpflichtet hatte, keine Arbeitnehmer infolge des Umflaggens zu entlassen.

12.      Am 30. Juni 2005 legten die ITF und die FSU gegen das Urteil Berufung zum Court of Appeal (Civil Division) ein. Mit Beschluss vom 3. November 2005 legte der Court of Appeal dem Gerichtshof eine lange Reihe sorgfältig formulierter Fragen zur Vorabentscheidung vor(3). Ich hoffe, den Streitstoff nicht übermäßig zu vereinfachen, wenn ich diese Fragen zur Straffung auf die drei vermutlich zentralen Punkte verdichte.

13.      Zunächst geht es darum, ob entsprechend dem Urteil Albany(4) kollektive Maßnahmen wie die hier in Rede stehenden aufgrund der Sozialpolitik der Gemeinschaft außerhalb des Geltungsbereichs von Art. 43 EG und von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86(5) des Rates liegen.

14.      Zweitens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob diese Bestimmungen „insofern horizontale Direktwirkung [haben], als sie einem Privatunternehmen Rechte verleihen, auf die es sich gegenüber einer … Gewerkschaft oder einem Gewerkschaftsverband in Bezug auf kollektive Maßnahmen dieser Gewerkschaft oder dieses Gewerkschaftsverbands berufen kann“.

15.      Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob unter den fraglichen Umständen Maßnahmen wie die in Rede stehenden die Verkehrsfreiheiten beschränken und, wenn dies der Fall ist, ob sie objektiv gerechtfertigt, geeignet und verhältnismäßig sind sowie „einen gerechten Ausgleich zwischen dem sozialen Grundrecht, kollektive Maßnahmen zu ergreifen, und der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit [schaffen]“. In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht auch die Frage auf, ob die in Rede stehenden Maßnahmen als unmittelbar, mittelbar oder nicht diskriminierend angesehen werden müssen und inwieweit dies die Beurteilung nach den einschlägigen Bestimmungen über den freien Verkehr beeinflussen würde.

II – Würdigung

A –    Vorbemerkungen

16.      Die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen beziehen sich auf Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4055/86 und auf Art. 43 EG.

17.      Die Verordnung Nr. 4055/86 regelt den freien Dienstleistungsverkehr in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern. Aufgrund der Verordnung „sind … sämtliche Vorschriften des … Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr“ auf den Seeverkehr zwischen Mitgliedstaaten anwendbar(6). Art. 1 Abs. 1 der Verordnung bestimmt: „Der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten … gilt für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Dienstleistungsnehmers.“ Im Wesentlichen bringt diese Bestimmung auf dem Gebiet der Seeschifffahrt den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs zum Ausdruck, wie er in Art. 49 EG garantiert wird(7).

18.      In der vorliegenden Rechtssache geht es allerdings in erster Linie um die in Art. 43 EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit. Wenn Viking Line die Rosella umflaggt, würde dies auf eine Ausübung der Niederlassungsfreiheit hinauslaufen. Wie der Gerichtshof im Urteil Factortame u. a. entschieden hat, liegt in der Registrierung eines Schiffes, das „zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit [eingesetzt wird] …, die eine feste Einrichtung in dem betreffenden Staat voraussetzt“, eine Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 43 EG(8).

19.      Viking Line beabsichtigt hier also zunächst, ihre Niederlassungsfreiheit auszuüben, um sodann von ihrem Recht auf freien Dienstleistungsverkehr Gebrauch zu machen. Umgekehrt versuchen die ITF und die FSU, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch Viking Line bestimmten Bedingungen zu unterwerfen, und haben mit einem Boykott gegen die Erbringung von Dienstleistungen durch Viking Line im Personenfährverkehr gedroht, sollte das Unternehmen beschließen, die Rosella umzuflaggen, ohne die aufgestellten Bedingungen einzuhalten.

B –    Die Anwendung der Bestimmungen über den freien Verkehr auf Arbeitskampfmaßnahmen

20.      Nach Ansicht der FSU und der ITF liegen kollektive Maßnahmen einer Gewerkschaft oder eines Gewerkschaftsverbands, die Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft fördern, außerhalb des Geltungsbereichs von Art. 43 EG und der Verordnung Nr. 4055/86. Die Anwendung der Bestimmungen über den freien Verkehr würde das Recht der Arbeitnehmer untergraben, Tarifverhandlungen zu führen und Streiks mit dem Ziel, den Abschluss eines Tarifvertrags zu erreichen, durchzuführen. Die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht seien als Grundrechte in zahlreichen internationalen Rechtsakten geschützt. Darüber hinaus sei das Streikrecht im Zusammenhang mit Tarifverhandlungen in den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten verbürgt und stelle daher einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar. Sie stützen sich entsprechend auf die Argumentation des Gerichtshofs im Urteil Albany(9) und machen geltend, dass Art. 43 EG und die Verordnung Nr. 4055/86 auf dem Gebiet der Arbeitskämpfe, in das der vorliegende Rechtsstreit falle, den Sozialvorschriften in Titel XI des Vertrags zufolge tatsächlich nicht zur Anwendung kommen könnten.

21.      Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht im Wesentlichen wissen, ob diese Ansicht zutrifft. Meiner Meinung nach ist dies nicht der Fall.

22.      FSU und ITF gehen nämlich davon aus, dass die Anwendung der Bestimmungen über den freien Verkehr im Zusammenhang mit kollektiven Maßnahmen einer Gewerkschaft oder eines Gewerkschaftsverbands die Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft untergraben und den grundrechtlichen Charakter der Vereinigungsfreiheit und des Streikrechts negieren würden. Dies trifft indes nicht zu.

23.      Die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr sind keineswegs mit dem Schutz der Grundrechte oder mit der Erreichung der Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft unvereinbar. Weder die Vorschriften des Vertrags über den freien Verkehr noch die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht sind absolut. Darüber hinaus findet sich im Vertrag kein Hinweis darauf, dass die Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft immer gegenüber dem Ziel eines ordnungsgemäß funktionierenden Gemeinsamen Markts den Vorrang haben müssten. Im Gegenteil: Dass die Politikziele Eingang in den Vertrag gefunden haben, bedeutet, dass die Gemeinschaft beabsichtigt, diese beiden Politiken in Einklang zu bringen. Die Tatsache, dass sich eine Beschränkung des freien Verkehrs daraus ergibt, dass ein Grundrecht ausgeübt wird oder dass Maßnahmen ergriffen werden, die unter die Bestimmungen der Sozialpolitik fallen, macht die Vorschriften über den freien Verkehr daher noch nicht unanwendbar.

24.      Dieses Ergebnis lässt sich auf die Rechtsprechung stützen. Im Urteil Schmidberger gestattete die österreichische Regierung eine den freien Warenverkehr beschränkende Demonstration; sie war der Auffassung, dass ein Verbot der Demonstration gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit verstoßen hätte(10). Im Urteil Omega sah sich der Gerichtshof einer Maßnahme gegenüber, die den Schutz der Menschenwürde bezweckte, aber auch die Dienstleistungsfreiheit beschränkte(11). In beiden Fällen erkannte der Gerichtshof an, dass Grundrechte auf dem Spiel standen, die als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten waren(12). Doch in keiner dieser Rechtssachen vertrat der Gerichtshof die Meinung, dass infolgedessen die in Rede stehenden Beschränkungen nicht unter die Vorschriften über den freien Verkehr fielen. Vielmehr stellte er fest, dass die Beschränkungen des freien Verkehrs, wiewohl die genannten Vorschriften anwendbar blieben, nicht über das hinausgingen, was berechtigterweise als zum Schutz der auf dem Spiel stehenden Grundrechte erforderlich angesehen werden konnte(13).

25.      Ebenso hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass das Allgemeininteresse an der Sozialpolitik bestimmte Beschränkungen des freien Verkehrs rechtfertigen kann, solange diese Beschränkungen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen(14). Der Gerichtshof hat jedoch niemals eingeräumt, dass derartige Beschränkungen schlechthin aus dem Geltungsbereich der Bestimmungen über den freien Verkehr herausfielen. Maßnahmen zum Schutz der Umwelt(15), der Verbraucher(16), der Medienvielfalt(17) und der öffentlichen Gesundheit(18), um nur einige Beispiele aus der Rechtsprechung herauszugreifen, fielen in der Tat nach der Auffassung des Gerichtshofs allesamt in den Geltungsbereich der Vorschriften über den freien Verkehr. Es wäre sicherlich eigenartig, den Schluss zu ziehen, dass im Interesse der Sozialpolitik vorgenommene Maßnahmen im Gegensatz hierzu über eine Prüfung anhand der Vorschriften über den freien Verkehr erhaben wären.

26.      Schließlich überzeugt mich die vermeintliche Analogie zum Urteil Albany(19) nicht. In diesem Urteil ging es um einen Tarifvertrag zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zur Schaffung eines Rentenfonds für einen bestimmten Wirtschaftszweig mit Pflichtmitgliedschaft. Der Gerichtshof war der Auffassung, dass der fragliche Vertrag nach Art und Zweck außerhalb des Geltungsbereichs von Art. 81 EG liege. Die Tatsache allerdings, dass eine Vereinbarung oder eine Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs der Wettbewerbsvorschriften liegt, bedeutet nicht zwingend, dass sie auch außerhalb des Geltungsbereichs der Vorschriften über den freien Verkehr liegt. Im Gegenteil: Die Entscheidungen in den Rechtssachen Wouters(20) und Meca‑Medina(21) zeigen, dass eine Vereinbarung oder eine Tätigkeit zwar von dem einen Vorschriftenkomplex erfasst werden kann, gleichzeitig aber außerhalb des Geltungsbereichs des anderen liegt(22).

27.      Darüber hinaus scheint dem Urteil Albany das Anliegen zugrunde gelegen zu haben, einen möglichen Widerspruch im Vertrag aufzulösen. Der Vertrag fördert den sozialen Dialog, der zum Abschluss von Tarifverträgen über Arbeitsbedingungen und Löhne führt. Dieses Ziel würde jedoch ernstlich untergraben, wenn der Vertrag gleichzeitig derartige Vereinbarungen wegen der ihnen innewohnenden Wirkung auf den Wettbewerb verböte(23). Daher müssen Tarifverträge in den Genuss „einer beschränkten Freistellung … vom Wettbewerbsrecht“(24) kommen. Im Gegensatz hierzu werfen die Vertragsbestimmungen über den freien Verkehr keine derartige Gefahr eines Widerspruchs auf, da sie, wie ich oben aufgezeigt habe, mit den Zielen der Sozialpolitik vereinbart werden können(25).

28.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die erste vom nationalen Gericht vorgelegte Frage zu antworten: Kollektive Maßnahmen einer Gewerkschaft oder eines Gewerkschaftsverbands, die darauf abzielen, die Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft zu fördern, sind nicht schon deswegen von der Anwendung von Art. 43 EG und der Verordnung Nr. 4055/86 freigestellt.

C –    Die horizontale Anwendung der Bestimmungen über den freien Verkehr

29.      Die zweite vom nationalen Gericht vorgelegte Frage bezieht sich auf die horizontale Wirkung von Art. 43 EG und Art. 49 EG(26). FSU und ITF machen geltend, dass für sie aus diesen Bestimmungen keine Verpflichtungen resultierten, da sich diese Bestimmungen gegen staatliche Maßnahmen richteten. Sie weisen darauf hin, dass sowohl FSU als auch ITF juristische Personen des Privatrechts ohne Normsetzungsbefugnisse seien. Viking Line trägt demgegenüber vor, dass es ihr möglich sein müsse, sich auf die fraglichen Bestimmungen zu berufen, insbesondere, weil Gewerkschaften die Fähigkeit hätten, in den freien Verkehr einzugreifen.

30.      Ich werde das Problem in vier Schritten prüfen. Zunächst werde ich als meinen Ausgangspunkt erläutern, dass die fraglichen Vorschriften Verpflichtungen für private Wirtschaftsteilnehmer erzeugen können. Zweitens werde ich versuchen, klarzustellen, auf welche Art privater Maßnahmen die Vorschriften über den freien Verkehr Anwendung finden. Drittens werde ich ein häufig übersehenes und dennoch wichtiges Problem ansprechen: Wie kann die horizontale Wirkung der Bestimmungen über den freien Verkehr mit dem nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Modus des Schutzes der Privatautonomie und der Lösung von Konflikten zwischen privaten Wirtschaftsteilnehmern in Einklang gebracht werden? Schließlich werde ich nach diesen eher allgemeinen Ausführungen eine Antwort auf die Frage vorschlagen, ob sich ein Unternehmen auf Art. 43 EG und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4055/86 in einem Gerichtsverfahren gegen eine Gewerkschaft oder einen Gewerkschaftsverband berufen kann.

 Schaffen die Bestimmungen über den freien Verkehr Verpflichtungen für private Wirtschaftsteilnehmer?

31.      Der Vertrag sieht keine ausdrückliche Regelung der Frage der horizontalen Wirkungen der Art. 43 EG und 49 EG vor. Daher müssen Stellung und Funktion dieser Bestimmungen im System des Vertrags in Betracht gezogen werden.

32.      Zusammen mit den Wettbewerbsbestimmungen bilden die Vorschriften über den freien Verkehr einen Teil eines zusammenhängenden Normenkomplexes, dessen Zweck in Art. 3 EG beschrieben wird(27). Dieser Zweck besteht darin, zwischen den Mitgliedstaaten den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr unter fairen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten(28).

33.      Die Vorschriften über den freien Verkehr und die Wettbewerbsregelungen erreichen dieses Ziel hauptsächlich dadurch, dass sie den Marktteilnehmern Rechte gewähren. Im Wesentlichen schützen sie die Marktteilnehmer, indem sie es ihnen ermöglichen, gegen bestimmte Hindernisse vorzugehen, die es ihnen verwehren, auf dem Gemeinsamen Markt unter gleichen Bedingungen miteinander in Wettbewerb zu treten(29). Dass eine derartige Möglichkeit besteht, ist das entscheidende Element, wenn es darum geht, in der Gemeinschaft als Ganzem Kosteneffizienz herzustellen. Ohne die Vorschriften über den freien Verkehr und die Wettbewerbsbestimmungen wäre es unmöglich, das grundlegende Ziel der Gemeinschaft – einen funktionierenden Gemeinsamen Markt – zu erreichen.

34.      Die Behörden der Mitgliedstaaten befinden sich im Allgemeinen in einer Lage, die es ihnen ermöglicht, in das Funktionieren des Gemeinsamen Markts durch Beschränkungen der Tätigkeiten der Marktteilnehmer einzugreifen. Gleiches kann in Bezug auf manche Unternehmen gesagt werden, die aufeinander abgestimmt vorgehen oder in einem beträchtlichen Teil des Gemeinsamen Markts eine beherrschende Stellung innehaben. Es ist daher nicht überraschend, dass der Vertrag den Marktteilnehmern Rechte verleiht, die gegenüber den Behörden der Mitgliedstaaten und gegenüber solchen Unternehmen geltend gemacht werden können. In Bezug auf Letztere spielen die Wettbewerbsbestimmungen die primäre Rolle; hinsichtlich der Behörden der Mitgliedstaaten stehen die Vorschriften über den freien Verkehr im Vordergrund(30). Zur wirkungsvollen Sicherstellung der Rechte der Marktteilnehmer haben die Wettbewerbsvorschriften horizontale Wirkung(31), während die Vorschriften über den freien Verkehr vertikale Wirkung haben(32).

35.      Hieraus lässt sich aber nicht im Umkehrschluss folgern, dass der Vertrag horizontale Wirkungen der Bestimmungen über den freien Verkehr ausschlösse. Im Gegenteil: Eine derartige horizontale Wirkung wäre eine logische Folge aus dem Vertrag, wo immer dies erforderlich wäre, um den Marktbeteiligten in der Gemeinschaft gleiche Voraussetzungen für den Zugang zu einem bestimmten Teil des Gemeinsamen Markts zu ermöglichen.

36.      Im Kern geht es also um folgende Frage: Impliziert der Vertrag, dass die Bestimmungen über den freien Verkehr, damit das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes sichergestellt wird, die Rechte der Marktbeteiligten schützen, indem sie nicht nur die Befugnisse der Behörden der Mitgliedstaaten beschränken, sondern auch die Autonomie Dritter?

37.      Einige Kommentatoren haben vorgeschlagen, diese Frage strikt zu verneinen – ihr Hauptargument war dabei, dass die Wettbewerbsvorschriften ausreichten, um Übergriffen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Markts seitens nichtstaatlicher Akteure zu begegnen(33). Andere hingegen haben darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit von Privaten – d. h. eine Tätigkeit, die letztlich nicht vom Staat ausgeht und auf die die Wettbewerbsvorschriften nicht anwendbar sind – durchaus das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Markts behindern könne und es daher falsch wäre, eine solche Tätigkeit kategorisch von der Anwendbarkeit der Vorschriften über den freien Verkehr auszunehmen(34).

38.      Die letztgenannte Ansicht scheint mir der Realität näherzukommen. Sie ist auch durch die Rechtsprechung bestätigt worden. Der Gerichtshof hat insbesondere in seinen Urteilen Kommission/Frankreich(35) und Schmidberger(36) anerkannt, dass die Vorschriften über den freien Verkehr die Autonomie Einzelner beschränken können. Beiden Urteilen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Tätigkeit von Privaten die Ziele der Vorschriften über den freien Verkehr gefährden kann. Folglich hat der Gerichtshof entschieden, dass es Privaten nicht erlaubt werden kann, es bei ihren Handlungen an der angemessenen Rücksicht auf Rechte fehlen zu lassen, die andere Private aus den Vorschriften über den freien Verkehr herleiten. In der Rechtssache Kommission/Frankreich führte der Ausbruch gewalttätiger Protestaktionen französischer Landwirte dazu, anderen die Freiheit zu nehmen, Früchte und Gemüse aus anderen Mitgliedstaaten zu verkaufen oder zu importieren. In der Rechtssache Schmidberger war die Behinderung des freien Warenverkehrs nicht annähernd so ernst. Doch im Kern wog der Gerichtshof das Recht auf freie Meinungsäußerung einer Gruppe von Demonstranten gegen das Recht eines Transportunternehmens ab, unbehindert Waren von einem Mitgliedstaat in den anderen zu befördern, und wandte somit den fundamentalen Grundsatz des freien Warenverkehrs auf horizontaler Ebene an.

39.      Es sei darauf hingewiesen, dass die Rechtssache Schmidberger eine gegen den Staat gerichtete Klage einer Partei des Privatrechts betraf. Ein derartiges Verfahren ist vielen, wenn nicht allen nationalen Rechtssystemen gemeinsam, in denen eine Bestimmung von Verfassungsrang nicht als selbständiger Klagegrund in einem zivilrechtlichen Verfahren geltend gemacht werden kann. Hierin besteht eine alternative Möglichkeit, die horizontale Wirkung von Rechten mit Verfassungsrang herzustellen, indem nämlich aus diesen Rechten eine Verpflichtung des Staates hergeleitet wird, in Situationen zu intervenieren, in denen Rechte mit Verfassungsrang eines Privatrechtssubjekts durch einen Dritten bedroht werden(37). Eine hieraus folgende und ebenfalls gebräuchliche Art, Rechten mit Verfassungsrang auf horizontaler Ebene normative Kraft zu verleihen, besteht darin, sie für die Gerichte als verbindlich zu erachten, wenn diese über einen Rechtsstreit zwischen Privaten befinden. Ob das Gericht eine vertragliche Klausel auslegt, über eine Schadensersatzklage befindet oder über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entscheidet: Es muss als ein staatliches Organ eine Entscheidung fällen, die den verfassungsmäßigen Rechten der Parteien Rechnung trägt(38). Diese Abgrenzung subjektiver Rechte Einzelner voneinander ist unter der Bezeichnung „mittelbare Drittwirkung“ oder mittelbare horizontale Wirkung bekannt. Hieraus ergibt sich, dass staatsgerichtete Normen mit Verfassungsrang auf Rechtsvorschriften ausstrahlen, die für die Rechtsbeziehungen zwischen Personen des Privatrechts gelten, wodurch veranschaulicht wird, dass „der Staat als Dritter an jedem Verfahren zwischen Privatrechtssubjekten beteiligt ist, und zwar in Gestalt des Rechts und des Richters, der Recht spricht“(39).

40.      Hinsichtlich der Abgrenzung der jeweiligen Rechtssphären voneinander mag die mittelbare horizontale Wirkung sich von der unmittelbaren horizontalen Wirkung ihrer Form nach unterscheiden; in der Sache besteht allerdings kein Unterschied(40). Dies erklärt, weshalb es vom Urteil Defrenne heißt, es habe die „horizontale Direktwirkung“ von Art. 141 EG anerkannt, obwohl der Gerichtshof die horizontale Wirkung dieser Bestimmung als eine Verpflichtung der nationalen Gerichte aufgefasst hat(41). Dies erklärt auch, warum das Argument, das die Kommission in der Sitzung vorgebracht hat und wonach der Gerichtshof die horizontale Direktwirkung nicht anerkennen solle, weil die Vorschriften über den freien Verkehr und die Ausnahmen hiervon nicht auf Private zugeschnitten seien, bereits durch die Rechtsprechung widerlegt ist. Hätte die Rechtssache Schmidberger als privatrechtlicher Rechtsstreit zwischen dem Transportunternehmen und den Demonstranten entschieden werden müssen, hätte der Gerichtshof immer noch das Recht auf freien Verkehr des Unternehmens gegen das Demonstrationsrecht der Demonstranten abwägen müssen(42). In der Tat hätte die vorliegende Rechtssache theoretisch dem Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens gegen die finnischen Behörden vorgelegt werden können, weil diese nicht gegen die kollektiven Maßnahmen vorgegangen sind, die gegen Viking Line gerichtet waren. Am Wesensgehalt des Problems hätte das nichts geändert: Auch dann wäre es um die Frage gegangen, wie das Recht von Viking Line auf freien Verkehr mit der Vereinigungsfreiheit und dem Streikrecht von FSU und ITF in Einklang zu bringen wäre(43).

 Auf welche Art von Tätigkeiten privater Akteure finden die Vorschriften über den freien Verkehr Anwendung?

41.      Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vorschriften über den freien Verkehr immer in Verfahren gegen Private ins Spiel gebracht werden können. Aus der normativen und sozioökonomischen Macht, die staatlichen Behörden eigen ist, folgt, dass diese Behörden definitionsgemäß ein beträchtliches Potenzial haben, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Markts zu stören. Verschärft wird dies noch durch die Tatsache, dass die Aktionen staatlicher Stellen, ungeachtet dessen, ob sie, formal gesehen, allgemeiner Art sind, niemals wirklich für sich allein stehen. Sie zeichnen sich durch breitere politische Entscheidungen aus und haben daher eine Auswirkung auf jeden, der seine Verkehrsfreiheiten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs ausüben möchte. Darüber hinaus ist es – im Vergleich zu privaten Wirtschaftsteilnehmern – weniger wahrscheinlich, dass staatliche Behörden ihr Vorgehen in Abhängigkeit von kaufmännischen Anreizen anpassen, die das normale Funktionieren des Markts sicherstellen(44). Daher gelten die Vorschriften über den freien Verkehr für jedes Tätigwerden und jedes Untätigsein des Staates, das die Ausübung der Verkehrsfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen kann(45).

42.      Demgegenüber haben private Akteure vielfach einfach nicht genug Einflussmöglichkeiten, um Dritte erfolgreich daran zu hindern, ihre Verkehrsfreiheiten auszuüben. Wenn ein einzelner Kaufmann sich weigert, Waren aus anderen Mitgliedstaaten zu erwerben, könnte dies nicht das Funktionieren des Gemeinsamen Markts stören. Denn die Lieferanten aus anderen Mitgliedstaaten hätten immer noch die Möglichkeit, ihre Waren auf alternativen Absatzwegen zu vermarkten. Darüber hinaus würde der Kaufmann aller Wahrscheinlichkeit nach unter dem Wettbewerb seitens anderer Einzelhändler leiden, die weniger Skrupel haben würden, ausländische Waren zu kaufen, und die demzufolge womöglich den Kunden niedrigere Preise und eine größere Auswahl anbieten könnten. Diese Aussicht allein würde wahrscheinlich für ein derartiges Verhalten angemessen abschreckend wirken. Somit würde der Markt „die Sache regeln“. Unter derartigen Umständen besteht kein Grund für ein Eingreifen des Gemeinschaftsrechts.

43.      Das bedeutet, dass die Vorschriften über den freien Verkehr unmittelbar für jede Tätigkeit von Privaten gelten, die Dritte effektiv davon abhalten kann, ihre Verkehrsfreiheiten auszuüben. Doch wie soll bestimmt werden, ob dies der Fall ist? Eine einfache Antwort auf diese Frage scheint es nicht zu geben. In seiner Rechtsprechung ist der Gerichtshof vorsichtig vorgegangen und hat in bestimmten Fällen die unmittelbare horizontale Anwendung der Vorschriften über den freien Verkehr anerkannt.

44.      In einigen dieser Fälle ging es um Rechte des geistigen Eigentums(46). Inhaber derartiger Rechte haben ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran, ihre Befugnisse so auszuüben, wie sie es wünschen(47). Dennoch sind diese Interessen gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs abzuwägen(48). Sonst könnten diese Rechteinhaber „die nationalen Märkte [abriegeln] und auf diese Weise den Handel zwischen den Mitgliedstaaten … beschränken“(49).

45.      In ähnlicher Form hat der Gerichtshof die Vorschriften über den freien Verkehr auf nationale und internationale Berufssportverbände angewandt(50). Der Grund hierfür ist leicht einzusehen. Die fraglichen Verbände haben einen bestimmenden Einfluss auf die Organisation der professionell betriebenen Sportarten als eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit. Sie können Regelwerke aufstellen, die für nahezu jedermann effektiv verbindlich sind, der diese Tätigkeit ausüben möchte. Wie der Gerichtshof im Urteil Deliège feststellte, wäre „[d]ie Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten … gefährdet, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse ersetzt werden könnte, die nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen im Rahmen ihrer rechtlichen Autonomie setzen könnten“(51).

46.      Die Anwendung der Bestimmungen über den freien Verkehr auf die Tätigkeiten privater Akteure ist besonders im Bereich der Arbeitsbedingungen und des Zugangs zur Beschäftigung bedeutsam(52). Dies hat der Gerichtshof in seinem Urteil Angonese anerkannt, als er Art. 39 EG auf eine Privatbank in Bozen anwandte(53). Herr Angonese wollte an einer Stellenausschreibung dieser Bank teilnehmen. Voraussetzung hierfür war jedoch der Besitz einer Bescheinigung über die Zweisprachigkeit, die von den Behörden der Provinz Bozen ausgestellt wurde und nur innerhalb dieser Provinz erhältlich war. Diese Voraussetzung entsprach Anforderungen, die früher für den Zugang zum öffentlichen Dienst galten, und knüpfte insofern an eine feststehende Praxis an. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil feststellte, erhielten in Bozen wohnhafte Personen üblicherweise diese Bescheinigung routinemäßig für Anstellungszwecke und betrachteten sie nahezu als „zwangsläufigen Schritt in einer normalen Ausbildung“(54). Obwohl Herr Angonese diese Bescheinigung nicht besaß, war er perfekt zweisprachig und besaß andere Zeugnisse, die dies belegten. Dennoch wurde ihm die Teilnahme an der Ausschreibung verweigert.

47.      Arbeitnehmer können ihre beruflichen Qualifikationen nicht so einfach ändern oder eine alternative Beschäftigung finden, wie Kaufleute ihre Produktpalette ändern oder alternative Wege für deren Vermarktung finden können. Beschäftigungsbedingungen wie diejenigen, die im Urteil Angonese in Rede standen, sind daher für das Funktionieren des Gemeinsamen Markts auch dann schädlich, wenn ihre Erfüllung von einer Privatbank als Teil einer gefestigten regionalen Praxis gefordert wird. Die Möglichkeit, dass wirtschaftliche Anreize derartigen diskriminierenden Anstellungspraktiken auf lange Sicht entgegenwirken werden, hilft dem Einzelnen, der heute Arbeit sucht, wenig. Der Ausspruch, dass „der Markt sich länger der Vernunft widersetzen kann, als einem das Geld reicht“(55), leuchtet auf dem Gebiet der Arbeitnehmerfreizügigkeit ein.

48.      Aus alledem folgt, dass die Bestimmungen über den freien Verkehr für die Tätigkeiten privater Akteure gelten, die aufgrund ihrer allgemeinen Wirkung auf die Inhaber der Verkehrsfreiheiten geeignet sind, für diese Personen Beschränkungen bei der Ausübung dieser Freiheiten dadurch aufzustellen, dass ein Hindernis geschaffen wird, das die Betreffenden nicht in zumutbarer Weise umgehen können.

 Die horizontale Wirkung der Bestimmungen über den freien Verkehr in Bezug auf die Privatautonomie, wie diese nach innerstaatlichem Recht geschützt wird

49.      Selbstverständlich bedeutet die Feststellung, dass bestimmte Privatrechtssubjekte den Vorschriften über den freien Verkehr unterliegen, nicht das Ende ihrer Privatautonomie. Ebenso wenig bedeutet dies zwangsläufig, dass auf sie exakt die gleichen Maßstäbe wie auf Mitgliedstaaten anzuwenden sind. Der Gerichtshof kann unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe anlegen, abhängig vom Ursprung und der Schwere des der Ausübung der Verkehrsfreiheit entgegenstehenden Hindernisses und der Bedeutung sowie der Stichhaltigkeit hiermit konkurrierender Belange der Privatautonomie. Mit anderen Worten: Privaten mag oft noch erlaubt werden, was Behörden nicht mehr erlaubt ist(56).

50.      Der Gerichtshof hat auch anerkannt, dass die Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum verfügen, wenn es darum geht, Hindernisse für den freien Verkehr abzuwenden, die sich aus dem Vorgehen privater Akteure ergeben(57). Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt: „Es ist … nicht Sache der Gemeinschaftsorgane, sich an die Stelle der Mitgliedstaaten zu setzen und ihnen vorzuschreiben, welche Maßnahmen sie erlassen und tatsächlich anwenden müssen, um [die Ausübung der Verkehrsfreiheiten] zu gewährleisten“(58). Daher bieten die Bestimmungen über den freien Verkehr nicht immer eine spezifische Lösung für jeden Fall, sondern ziehen lediglich bestimmte Grenzen, in deren Rahmen ein Konflikt zwischen zwei Privatrechtssubjekten gelöst werden kann(59).

51.      Dies hat eine wichtige Folge: Selbst in Fällen, die in ihren Geltungsbereich fallen, treten die Bestimmungen über den freien Verkehr nicht an die Stelle des innerstaatlichen Rechts, das den einschlägigen normativen Rahmen für die Beurteilung von Streitigkeiten zwischen privaten Akteuren bildet. Vielmehr bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, das Verhalten Privater zu regeln, solange sie dabei die Grenzen beachten, die ihnen das Gemeinschaftsrecht setzt.

52.      Dieses Ausmaß an mitgliedstaatlicher Freiheit hat prozessuale Folgen. Wenn auch die zivilverfahrensrechtlichen Vorschriften der nationalen Rechtssysteme unterschiedlich sind, gibt es doch das gemeinsame Merkmal, dass die Verfahrensbeteiligten zuvörderst dafür verantwortlich sind, den Inhalt und den Umfang ihres Rechtsstreits einzugrenzen. Würde man diesen Parteien gestatten, ein nationales Gericht lediglich unter Bezugnahme auf die anwendbaren Vorschriften des Vertrags über den freien Verkehr anzurufen, bestünde die Gefahr, dass die anwendbaren nationalen Vorschriften außer Betracht blieben. Um dies zu verhindern, können die Mitgliedstaaten gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie fordern, dass sich ein gegen ein Privatrechtssubjekt wegen Verstoßes gegen die Verkehrsfreiheit eingeleitetes Verfahren im Rahmen des nationalen Regelwerks bewegt und sich auf einen nach innerstaatlichem Recht klagbaren Anspruch stützt – beispielsweise wegen unerlaubter Handlung oder Vertragsverletzung.

53.      Bei der Entscheidung eines solchen bei ihm anhängig gemachten Rechtsstreits ist das nationale Gericht gehalten, sein innerstaatliches Recht in einer Weise anzuwenden, die mit den Vorschriften des Vertrags über den freien Verkehr in Einklang steht(60). Ist das nicht möglich und besteht ein Widerspruch zwischen innerstaatlichem Recht und den Vorschriften über den freien Verkehr, so haben Letztere den Vorrang(61). Ist kein Rechtsbehelf verfügbar, weil das innerstaatliche Recht keinen klagbaren Anspruch vorsieht, über den eine Verletzung der Verkehrsfreiheiten gerügt werden könnte, so kann gemäß dem Effektivitätsgrundsatz die Klage unmittelbar auf die einschlägige Bestimmung des Vertrags gestützt werden(62).

54.      Das nationale Recht, das auf den Wertentscheidungen des innerstaatlichen Rechtssystems beruht, behält somit seinen gebührenden Platz im rechtlichen Rahmen, der für Streitigkeiten zwischen Privatrechtssubjekten gilt.

 Würdigung des vorliegenden Falls

55.      Aus dem Sachverhalt, wie er im Vorlagebeschluss wiedergegeben wird, ergibt sich, dass die praktische Auswirkung der abgestimmten Aktionen von FSU und ITF – insbesondere soweit sie Verhandlungen mit Gewerkschaften in Estland verhindern, die der ITF angehören – darin besteht, dass es von der Zustimmung der FSU abhängig gemacht wird, ob Viking Line ihre Niederlassungsfreiheit ausüben kann. Insgesamt sind die Maßnahmen von FSU und ITF geeignet, effektiv die Ausübung der Niederlassungsfreiheit eines Unternehmens wie Viking zu beschränken.

56.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die zweite vom nationalen Gericht vorgelegte Frage zu antworten: Art. 43 EG und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4055/86 haben in einem nationalen Gerichtsverfahren zwischen einem Unternehmen und einer Gewerkschaft oder einem Gewerkschaftsverband unter Umständen wie denen, die im Ausgangsverfahren in Rede stehen, horizontale Wirkung.

D –    Abwägung der Niederlassungsfreiheit und des Rechts auf kollektive Maßnahmen

57.      Viking Line möchte aus einleuchtenden geschäftlichen Gründen vor allem ihre Niederlassungsfreiheit ausüben. Der Vertrag schützt diese Freiheit, weil die Möglichkeit, dass eine Gesellschaft ihren Standort in einen Mitgliedstaat verlagern kann, in dem sie mit geringeren laufenden Kosten arbeiten kann, eine tragende Rolle auf der Ebene des effektiven innergemeinschaftlichen Handels spielt. Wäre Gesellschaften lediglich erlaubt, die Produktivitätsquellen eines bestimmten Landes oder einer bestimmten Gegend auszuschöpfen, würde dies die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region ebenso wie die der Regionen behindern, in denen die erforderlichen Mittel besser erhältlich sind. Die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit ist daher ein Mittel zur Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands in allen Mitgliedstaaten(63).

58.      Doch während die Niederlassungsfreiheit, insgesamt gesehen, Gewinne bringt, hat sie auch oft insbesondere für die Arbeitnehmer der Gesellschaften, die einen Beschluss zur Standortverlagerung getroffen haben, schmerzhafte Folgen. Die Verwirklichung des wirtschaftlichen Fortschritts durch den innergemeinschaftlichen Handel bringt unweigerlich für Arbeitnehmer überall in der Gemeinschaft die Gefahr mit sich, geänderte Arbeitsbedingungen akzeptieren zu müssen oder sogar ihre Stelle einzubüßen. Gerade diese Gefahr, soweit sie sich für die Mannschaft der Rosella konkretisierte, war der Auslöser der Maßnahmen von FSU und ITF.

59.      Obwohl der Vertrag den Gemeinsamen Markt errichtet, steht er den Arbeitnehmern, die durch die negativen Züge dieses Markts Nachteile erleiden, nicht gleichgültig gegenüber. Im Gegenteil: Die europäische Wirtschaftsordnung ist fest in einen Gesellschaftsvertrag eingebettet; Arbeitnehmer überall in Europa müssen die wiederkehrenden negativen Folgen akzeptieren, die der Schaffung des Gemeinsamen Markts mit zunehmendem Wohlstand innewohnen, doch im Gegenzug muss sich die Gesellschaft zu einer allgemeinen Verbesserung ihrer Lebens- und Beschäftigungsbedingungen und zur Leistung wirtschaftlicher Unterstützung gegenüber solchen Arbeitnehmern verpflichten, die in der Folge des Spiels der Kräfte des Marktes in Schwierigkeiten geraten sind(64). Wie die Präambel zeigt, ist dieser Gesellschaftsvertrag Bestandteil des Vertrags.

60.      Die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf kollektive Maßnahmen sind wesentliche Mittel für die Arbeitnehmer, sich Gehör zu verschaffen und Regierungen und Arbeitgeber dazu anzuhalten, ihren Teil des Gesellschaftsvertrags zu erfüllen. Sie ermöglichen es, Nachdruck darauf zu legen, dass die Standortverlagerung, während sie letztlich für die Gesellschaft gewinnträchtig ist, für die betroffenen Arbeitnehmer Kosten mit sich bringt und dass diese Kosten nicht allein von diesen Arbeitnehmern getragen werden sollten. Daher haben die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf kollektive Maßnahmen in der Rechtsordnung der Gemeinschaft einen fundamentalen Stellenwert, wie dies in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erneut bestätigt wird(65). Die Schlüsselfrage, die der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegt, ist aber, wozu kollektive Maßnahmen eingesetzt werden und wie weit sie gehen dürfen. Hier wird eine bedeutende Herausforderung für die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten angesprochen, nämlich die, sich derjenigen Arbeitnehmer anzunehmen, die infolge des Funktionierens des Gemeinsamen Markts zu Schaden kommen, während gleichzeitig die insgesamt erwirtschafteten Gewinne aus dem innergemeinschaftlichen Handel gesichert werden müssen.

61.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die von ITF und FSU in Aussicht gestellten Maßnahmen „einen gerechten Ausgleich zwischen dem sozialen Grundrecht, kollektive Maßnahmen zu ergreifen, und der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit [schaffen]“. Nachdem diese Frage nunmehr in ihren weiteren Bezugsrahmen eingeordnet worden ist, können Form und Zweck der in Rede stehenden kollektiven Maßnahmen näher geprüft werden.

62.      Eine zwischen Gewerkschaften abgestimmte Politik kollektiver Maßnahmen ist normalerweise ein legitimes Mittel zum Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Seeleute. Doch kollektive Maßnahmen, die eine Abschottung des Arbeitsmarkts bewirken und das Anheuern von Seeleuten aus bestimmten Mitgliedstaaten behindern, um die Arbeitsplätze der Seeleute in anderen Mitgliedstaaten zu schützen, würden ins Herz des Diskriminierungsverbots treffen, auf das sich der Gemeinsame Markt gründet.

63.      Um festzustellen, ob die Politik der koordinierten kollektiven Maßnahmen, die hier in Rede steht, zu einer Abschottung des Arbeitsmarkts unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot führt, ist es sinnvoll, zwischen zwei Arten kollektiver Maßnahmen zu unterscheiden, um die es im vorliegenden Fall gehen kann: kollektive Maßnahmen, um Viking Line zu bewegen, die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen der derzeitigen Mannschaft beizubehalten, und kollektive Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen von Seeleuten überall in der Gemeinschaft.

 Kollektive Maßnahmen im Interesse der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen der derzeitigen Mannschaft

64.      Ein erster Grund für kollektive Maßnahmen von ITF und FSU mag darin bestehen, negative Folgen abzumildern, die sich aus dem Umflaggen der Rosella für deren derzeitige Mannschaft ergeben. Koordinierte kollektive Maßnahmen können demgemäß beispielsweise dazu dienen, die Löhne und Arbeitsbedingungen sicherzustellen, Entlassungen zu verhindern oder eine angemessene Entschädigung zu erhalten.

65.      In Anbetracht des Ermessensspielraums, den das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten lässt, ist es Sache der nationalen Gerichte, anhand des geltenden innerstaatlichen Rechts über die Ausübung des Rechts auf kollektive Maßnahmen festzustellen, ob die fraglichen Maßnahmen über das hinausgehen, was nach innerstaatlichem Recht zum Schutz der Interessen der derzeitigen Mannschaft rechtmäßig ist. Hierbei müssen die nationalen Gerichte allerdings nach Gemeinschaftsrecht garantieren, dass Fälle, in denen es um Unternehmensverlagerungen innerhalb der Gemeinschaft geht, nicht ungünstiger behandelt werden als Standortverlagerungen im Inland.

66.      Somit schließt das Gemeinschaftsrecht es grundsätzlich nicht aus, dass Gewerkschaften zum Schutz der Arbeitnehmer eines Unternehmens, das eine Standortverlagerung in einen anderen Mitgliedstaat erwägt, kollektive Maßnahmen einleiten, die sich beschränkend auf die Niederlassungsfreiheit dieses Unternehmens auswirken.

67.      Kollektive Maßnahmen, durch die ein Unternehmen dazu gebracht werden soll, seine derzeitigen Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen beizubehalten, sind jedoch nicht mit kollektiven Maßnahmen zu verwechseln, die ein Unternehmen, wenn es seinen Standort erst einmal ins Ausland verlagert hat, davon abhalten sollen, seine Dienstleistungen anzubieten. Die erste Art kollektiver Maßnahmen ist ein gangbarer Weg, wie Arbeitnehmer ihre Rechte schützen können, und entspricht dem, was gewöhnlich auch geschähe, wenn die Standortverlagerung innerhalb eines Mitgliedstaats ablaufen würde. Dies lässt sich jedoch nicht von solchen kollektiven Maßnahmen sagen, die lediglich darauf abzielen, ein Unternehmen, das seinen Standort verlagert hat, davon abzuhalten, rechtmäßig seine Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat zu erbringen, in dem es zuvor ansässig war.

68.      Ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen durch kollektive Maßnahmen von der rechtmäßigen Erbringung seiner Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat abzuhalten oder abzuhalten zu drohen, ist im Wesentlichen die Art von Handelsschranken, die der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich(66) als mit dem Vertrag nicht vereinbar bezeichnet hat, weil sie gänzlich die Zielrichtung des Gemeinsamen Markts negierten. Darüber hinaus bestünde, wenn derartige Maßnahmen erlaubt wären, die Gefahr einer Atmosphäre endloser zwischen den sozialen Gruppen verschiedener Mitgliedstaaten inszenierter wechselseitiger Vergeltungsmaßnahmen, die den Gemeinsamen Markt und den ihm zugrunde liegenden Geist der Solidarität ernstlich bedrohen würde.

69.      Entgegen dem, was ITF und FSU vortragen, tut die Rechtsprechung des Gerichtshofs über entsandte Arbeitnehmer dieser Feststellung nicht im Geringsten Abbruch. Im spezifischen Kontext der Arbeitnehmerentsendung hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Bestimmungen über den freien Verkehr Mitgliedstaaten nicht davon abhalten, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften über Arbeitsbedingungen und Mindestlöhne auf entsandte Arbeitnehmer anzuwenden, die in ihrem Hoheitsgebiet vorübergehend tätig sind(67). Die Mitgliedstaaten sind befugt, ihre nationalen Maßstäbe des Arbeitnehmerschutzes auf entsandte Arbeitnehmer anzuwenden, soweit dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um entsandten Arbeitnehmern und Arbeitnehmern des Aufnahmemitgliedstaats ein gleichwertiges Schutzniveau zu gewährleisten(68). Jedoch leitet sich diese Tendenz der Rechtsprechung hauptsächlich aus der Sorge um Gleichbehandlung und sozialen Zusammenhalt auf der Ebene der Arbeitnehmer her. Der Zweck der Rechtsprechung über die Arbeitnehmerentsendung besteht nicht darin, es zu gestatten, dass inländische Arbeitsbedingungen und Löhne in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen aufgezwungen werden – auch wenn diese Rechtsprechung in einem gewissen Maß hierzu führen mag –, sondern darin, zu gewährleisten, dass vorübergehend im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats tätige Arbeitnehmer ein ihren Kollegen im Aufnahmemitgliedstaat, an deren Seite sie oft ihre Arbeit verrichten müssen, gleichwertiges Niveau an Arbeitnehmerschutz genießen. Darum geht es in der vorliegenden Rechtssache schlicht nicht.

 Kollektive Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen von Seeleuten überall in der Gemeinschaft

70.      Die FSU kann natürlich zusammen mit der ITF und anderen Gewerkschaften aufeinander abgestimmte kollektive Maßnahmen ergreifen, um die Beschäftigungsbedingungen der Seeleute überall in der Gemeinschaft zu verbessern. Eine Politik, die darauf abzielt, die nationalen Gewerkschaften miteinander zu koordinieren, so dass ein bestimmtes Niveau der Rechte der Seeleute gefördert wird, steht mit dem Recht der Gewerkschaften auf kollektive Maßnahmen in Einklang. Grundsätzlich besteht hierin eine angemessene Methode, ein Gegengewicht gegenüber den Maßnahmen der Unternehmen zu schaffen, die versuchen, ihre Arbeitskosten dadurch zu senken, dass sie von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen. Hierbei darf man nicht übersehen, dass Arbeitnehmer weniger mobil sind als das Kapital oder Unternehmen. Wenn Arbeitnehmer nicht mit ihren Füßen abstimmen können, müssen sie dies im Rahmen der Koalitionsfreiheit tun. Die Anerkennung ihres Rechts, auf europäischer Ebene kollektive Maßnahmen zu ergreifen, setzt somit einfach auf europäischer Ebene die Logik der nationalen kollektiven Maßnahmen fort. Ebenso wie das Recht zu kollektiven Maßnahmen auf nationaler Ebene Grenzen kennt, gibt es jedoch auch solche Grenzen auf europäischer Ebene.

71.      Eine Politik aufeinander abgestimmter kollektiver Maßnahmen könnte leicht im Sinne einer Diskriminierung missbraucht werden, wenn sie auf der Grundlage einer allen nationalen Gewerkschaften obliegenden Verpflichtung betrieben würde, die kollektiven Maßnahmen einer ihrer Schwestergewerkschaften zu unterstützen. Dies würde jede nationale Gewerkschaft in die Lage versetzen, den Beistand anderer Gewerkschaften einzufordern, um Standortverlagerung in einen anderen Mitgliedstaat von der Bedingung abhängig zu machen, dass das von ihr bevorzugte Niveau des Arbeitnehmerschutzes auch dann eingehalten wird, wenn die Standortverlagerung einmal stattgefunden hat. Letztlich wäre daher eine derartige Politik geeignet, die Schlagkraft einiger nationaler Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen auf Kosten der Interessen von anderen zu schützen und den Arbeitsmarkt unter Verstoß gegen die Vorschriften über den freien Verkehr abzuschotten.

72.      Blieben demgegenüber die anderen Gewerkschaften letztlich frei, sich zu entscheiden, ob sie sich in einer bestimmten Situation an kollektiven Maßnahmen beteiligen wollen oder nicht, bestünde die Gefahr eines diskriminierenden Missbrauchs einer koordinierten Politik nicht. Ob dies auf die Umstände des vorliegenden Falles zutrifft, muss das vorlegende Gericht entscheiden.

III – Ergebnis

73.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Court of Appeal vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Kollektive Maßnahmen einer Gewerkschaft oder eines Gewerkschaftsverbands, die darauf abzielen, die Ziele der Sozialpolitik der Gemeinschaft zu fördern, sind nicht schon deswegen von der Anwendung von Art. 43 EG und der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern freigestellt.

2.      Art. 43 EG und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4055/86 haben in einem nationalen Gerichtsverfahren zwischen einem Unternehmen und einer Gewerkschaft oder einem Gewerkschaftsverband unter Umständen wie denen, die im Ausgangsverfahren in Rede stehen, horizontale Wirkung.

3.      Art. 43 EG verbietet einer Gewerkschaft oder einem Gewerkschaftsverband nicht, zum Schutz der Arbeitnehmer eines Unternehmens, das eine Standortverlagerung in einen anderen Mitgliedstaat erwägt, kollektive Maßnahmen einzuleiten, die sich beschränkend auf die Niederlassungsfreiheit dieses Unternehmens auswirken. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob solche Maßnahmen im Licht des geltenden innerstaatlichen Rechts über die Ausübung des Rechts auf kollektive Maßnahmen rechtmäßig sind, wobei vorauszusetzen ist, dass Fälle innergemeinschaftlicher Standortverlagerungen nicht ungünstiger als Standortverlagerungen im Inland behandelt werden.

4.      Art. 43 EG steht einer aufeinander abgestimmten Politik von kollektiven Maßnahmen einer Gewerkschaft und eines Gewerkschaftsverbands entgegen, die dadurch, dass sie die Niederlassungsfreiheit beschränkt, eine Abschottung des Arbeitsmarkts und eine Behinderung bei der Einstellung von Arbeitnehmern aus bestimmten Mitgliedstaaten zum Schutz der Arbeitsplätze von Arbeitnehmern in anderen Mitgliedstaaten zur Folge hat.


1 – Originalsprache: Portugiesisch.


2 – Artikel III der ITF‑Satzungen in der die auf dem 40. Kongress in Vancouver (Kanada) (14.8.2002–21.8.2002) beschlossenen Änderungen enthaltenden Fassung.


3 – ABl. 2006, C 60, S. 16.


4 – Urteil vom 21. September 1999, Albany (C‑67/96, Slg. 1999, I‑5751).


5 – Verordnung Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1).


6 – Urteil vom 5. Oktober 1994, Kommission/Frankreich (C‑381/93, Slg. 1994, I‑5145, Randnr. 13).


7 – Urteil vom 17. Mai 1994, Corsica Ferries (C‑18/93, Slg. 1994, I‑1783).


8 – Urteil vom 25. Juli 1991 (C‑221/89, Slg. 1991, I‑3905, Randnr. 22).


9 – Angeführt in Fn. 4.


10 – Urteil vom 12. Juni 2003, Schmidberger (C‑112/00, Slg. 2003, I‑5659).


11 – Urteil vom 14. Oktober 2004, Omega (C‑36/02, Slg. 2004, I‑9609).


12 – Urteile Schmidberger, angeführt in Fn. 10, Randnrn. 71 bis 72 und 76, und Omega, angeführt in Fn. 11, Randnr. 34. Zum Schutz der Menschenwürde als Grundrecht nach dem Gemeinschaftsrecht vgl. die Schlussanträge von Generalanwältin Stix‑Hackl in der Rechtssache Omega, Nrn. 82 bis 91.


13 – Urteile Schmidberger, angeführt in Fn. 10, Randnr. 93, und Omega, angeführt in Fn. 11, Randnrn. 38 bis 40.


14 – Vgl. z. B. Urteile vom 24. Januar 2002, Portugaia Construções (C‑164/99, Slg. 2002, I‑787, Randnr. 22), und vom 25. Oktober 2001, Finalarte u. a. (C‑49/98, C‑50/98, C‑52/98 bis C‑54/98 und C‑68/98 bis C‑71/98, Slg. 2001, I‑7831, Randnrn. 33 und 49).


15 – Urteil vom 20. September 1988, Kommission/Dänemark (302/86, Slg. 1988, 4607).


16 – Urteil vom 11. Dezember 1980, Fietje (27/80, Slg. 1980, 3839).


17 – Urteil vom 26. Juni 1997, Familiapress (C‑368/95, Slg. 1997, I‑3689).


18 – Urteil vom 2. Dezember 2004, Kommission/Niederlande (C‑41/02, Slg. 2004, I‑11375, Randnr. 42).


19 – Angeführt in Fn. 4. Vgl. auch Urteile vom 21. September 1999, Brentjens’ (C‑115/97 bis C‑117/97, Slg. 1999, I‑6025) und Drijvende Bokken (C‑219/97, Slg. 1999, I‑6121).


20 – Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, Slg. 2002, I‑1577).


21 – Urteil vom 18. Juli 2006, Meca‑Medina und Majcen/Kommission (C‑519/04 P, Slg. 2006, I‑6991).


22 – Siehe ebenso meine Schlussanträge in der Rechtssache C‑205/03 P (FENIN/Kommission, Slg. 2006, I‑6295, Nr. 51).


23 – Albany, angeführt in Fn. 4, Randnr. 59.


24 – Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Albany, Nrn. 179 und 183. Vgl. auch Urteil vom 21. September 2000, Van der Woude (C‑222/98, Slg. 2000, I‑7111, Randnrn. 23 bis 27), und Urteil des EFTA‑Gerichtshofs vom 22. März 2002, Landsorganisasjonen/Norwegen (E‑8/00, EFTA Court Report 2002, 114, Randnrn. 35 und 36).


25 – Vgl. Nrn. 23 und 25 oben.


26 – Wie ich oben in Nr. 17 ausführte, kann Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4055/86 für die vorliegende Analyse mit Art. 49 EG gleichgestellt werden.


27 – Urteil vom 10. Januar 1985, Leclerc u. a. (229/83, Slg. 1985, 1, Randnr. 9).


28 – Vgl. Art. 3 Buchst. a, Buchst. c und Buchst. g EG und z. B. Urteil vom 13. Juli 1966, Italien/Rat und Kommission (32/65, Slg. 1966, 458), sowie Schlussanträge von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache B & Q (C‑145/88, Slg. 1989, 3851, Nr. 22).


29 – Vgl. meine Schlussanträge in Rechtssache Marks & Spencer (C‑446/03, Slg. 2005, I‑10837, Nrn. 37 bis 40).


30 – Urteile des Gerichtshofs vom 5. April 1984, Van de Haar und Kaveka de Meern (177/82 und 178/82, Slg. 1984, 1797, Randnrn. 11 bis 12), und vom 27. September 1988, Bayer und Hennecke (65/86, Slg. 1988, 5249, Randnr. 11).


31 – Urteil vom 30. Januar 1974, BRT (127/73, Slg. 1974, 51). Vgl. z. B. auch Urteil vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, Slg. 2001, I‑6297).


32 – Vgl. z. B. Urteile vom 22. März 1977, Iannelli (74/76, Slg. 1977, 557, Randnr. 13), vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, Slg. 1974, 1337, Randnrn. 4 bis 8), vom 7. Juli 1976, Watson (118/75, Slg. 1976, 1185, Randnrn. 12), und vom 14. Dezember 1995, Sanz de Lera u. a. (C‑163/94, C‑165/94 und C‑250/94, Slg. 1995, I‑4821, Randnr. 41).


33 – Marenco, G., „Competition between national economies and competition between businesses – a response to Judge Pescatore“, Fordham International Law Journal, Nr. 10 (1987), S. 420. Diese Auffassung scheint auch den obiter dicta der Urteile vom 1. Oktober 1987, Vereniging van Vlaamse Reisbureaus (311/85, Slg. 1987, 3801, Randnr. 30), und vom 6. Juni 2002, Sapod Audic (C‑159/00, Slg. 2002, I‑5031, Randnr. 74), zugrunde gelegen zu haben.


34 – Pescatore, P., „Public and Private Aspects of European Community Law“, Fordham International Law Journal, Nr. 10 (1987), S. 373, insbesondere S. 378 bis 379; Baquero Cruz, J., „Free movement and private autonomy“, European Law Review, 1999, S. 603 bis 620; Waelbroeck, M., „Les rapports entre les règles sur la libre circulation des marchandises et les règles de concurrence applicables aux entreprises dans la CEE“, Du droit international au droit de l’intégration, Nomos, Baden‑Baden, 1987, S. 781 bis 803.


35 – Urteil vom 9. Dezember 1997, Kommission/Frankreich (C‑265/95, Slg. 1997, I‑6959).


36 – Angeführt in Fn. 10.


37 – Vgl. z. B. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10. April 2007, Evans/Vereinigtes Königreich, § 75, und vom 26. März 1985, X & Y/Niederlande, §§ 23 bis 27. Zur horizontalen Wirkung der Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vgl. Spielmann, D., L’effet potentiel de la Convention européenne des droits de l’homme entre personnes privées, Bruylant, Brüssel 1995; Besson, S., „Comment humaniser le droit privé sans commodifier les droits de l’homme“, Droit civil et Convention européenne des droits de l’homme, Schulthess, Zürich 2006, S. 1 bis 51.


38 – Ein Beispiel für ein Urteil, in dem der Gerichtshof auf diese Weise eine horizontale Wirkung herausarbeitete, ist das Urteil vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, Slg. 1976, 455, Randnrn. 35 bis 37 und 40). Vgl. auch Urteil vom 22. Januar 1981, Dansk Supermarked (58/80, Slg. 1981, 181, Randnr. 12). Zahlreiche Beispiele finden sich in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte, aus der ich beliebig lediglich einige herausgreifen möchte. Vereinigtes Königreich: House of Lords, Campbell/Mirror Group Newspapers, Weekly Law Reports ([2005] 1 W.L.R. 3394), Randnrn. 17 und 18 (Lord Nicholls), Queen’s Bench Division, A/B, 2003, Q.B. 195; Deutschland: BVerfGE 7, 198 (Lüth), BVerfGE 81, 242 (Handelsvertreter), BVerfGE 89, 214 (Bürgschaft) und BVerfG, BvR 12/92, vom 6. Februar 2001 (Ehevertrag); Niederlande: Hoge Raad, Urteil vom 15. April 1994, Valkenhorst, NJ 1994, 608; Tschechische Republik: I. ÚS 326/99 (vgl. Bulletin der Verfassungsrechtsprechung, 2000, S. 240); Zypern: The Ship „Panayia Myrtidiotissa“/Sidiropoulou u. a., (1993) 1. J.S.C 991. Zwei klassische Beispiele aus den Vereinigten Staaten sind die Entscheidungen des U. S. Supreme Court (USSC) in den Rechtssachen Shelley/Kraemer, 334 U.S. 1 (1948), und New York Times Co./Sullivan, 376 U.S. 254 (1964).


39 – Shapiro, M., und Stone Sweet, A., On Law, Politics & Judicialization, Oxford University Press, Oxford, 2002, S. 35. Vgl. auch Sunstein, C., „State Action is Always Present“, 3 Chicago Journal of International Law 465 (2002). Vgl. ebenso in Fn. 38 angeführtes Urteil Defrenne, Randnr. 35.


40 – Alexy, R., A theory of constitutional rights, Oxford University Press, Oxford 2002, S. 363, Kumm, M., „Who is Afraid of the Total Constitution? Constitutional Rights as Principles and the Constitutionalization of Private Law“, German Law Journal, Vol. 7, Nr. 4 (2006), S. 341 bis 369, insbesondere S. 352, Tushnet, M., „The issue of state action/horizontal effect in comparative constitutional law“, International Journal of Constitutional Law, Vol. 1, Nr. 1 (2003), S. 79 bis 98, insbesondere S. 98, Sunstein, angeführt in Fn. 39, S. 467 bis 468.


41 – Urteil Defrenne, angeführt in Fn. 38, Randnrn. 35 bis 37 und 40.


42 – Im Ergebnis ebenso: Kumm, M., und Ferreres Comella, V., „What is so special about constitutional rights in private litigation? A comparative analysis of the function of state action requirements and indirect horizontal effect“, The Constitution in Private Relations, Eleven International Publishing, Utrecht 2005, S. 241 bis 286, insbesondere S. 253.


43 – Daher die Bemerkung, „dass die Drittwirkung letzten Endes immer eine unmittelbare sein wird“ (Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, Beck, München 1960, S. 378).


44 – Für eine eingehendere Erörterung dieses Punktes vgl. Nr. 25 meiner Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen C‑463/04 und C‑464/04 (Federconsumatori u. a.), die derzeit beim Gerichtshof anhängig sind.


45 – Vgl. auch meine Schlussanträge in der in Fn. 29 angeführten Rechtssache Marks & Spencer, Nrn. 37 bis 40.


46 – Vgl. z. B. Urteile vom 31. Oktober 1974, Centrafarm (15/74, Slg. 1974, 1147, Randnrn. 11 und 12), Centrafarm (16/74, Slg. 1974, 1183, Randnrn. 11 und 12), und vom 22. Juni 1976, Terrapin (119/75, Slg. 1976, 1039).


47 – Vgl. z. B. die beiden in Fn. 46 angeführten Urteile Centrafarm, jeweils Randnr. 9, sowie Urteile vom 17. Oktober 1990, HAG GF (C‑10/89, Slg. 1990, I‑3711, Randnrn. 13 und 14), und vom 17. Mai 1988, Warner Brothers u. a. (158/86, Slg. 1988, 2605).


48 – Vgl. z. B. Urteil HAG GF, angeführt in Fn. 47, Randnrn. 15 bis 20, und Urteil vom 22. Juni 1994, IHT Internationale Heiztechnik und Danziger (C‑9/93, Slg. 1994, I‑2789, Randnrn. 41 bis 60).


49 – Urteil Centrafarm, angeführt in Fn. 46, Randnr. 12.


50 – Urteile vom 12. Dezember 1974, Walrave und Koch (36/74, Slg. 1974, 1405), vom 14. Juli 1976, Donà (13/76, Slg. 1976, 1333), vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, Slg. 1995, I‑4921), vom 11. April 2000, Deliège (C‑51/96 und C‑191/97, Slg. 2000, I‑2549), Meca‑Medina und Majcen/Kommission, angeführt in Fn. 21, und vom 13. April 2000, Lehtonen und Castors Braine (C‑176/96, Slg. 2000, I‑2681).


51 – Urteile Deliège, angeführt in Fn. 50, Randnr. 47, Meca‑Medina und Majcen/Kommission, angeführt in Fn. 21, Randnr. 24, und Lehtonen und Castors Braine, angeführt in Fn. 50, Randnr. 35.


52 – Urteil vom 8. Mai 2003, Deutscher Handballbund (C‑438/00, Slg. 2003, I‑4135, Randnr. 32), bestätigt durch Urteil vom 12. April 2005, Simutenkov (C‑265/03, Slg. 2005, I‑2579, Randnr. 33).


53 – Urteil vom 6. Juni 2000, Angonese (C‑281/98, Slg. 2000, I‑4139). Vgl. Ragnemalm, H., „Fundamental freedoms and private action: a new horizon for EU citizens?“, EG‑domstolen inifrån, Jure Förlag AB, 2006, S. 177.


54 – Randnr. 7 des Urteils Angonese.


55 – John Maynard Keynes zugeschrieben.


56 – Kumm, angeführt in Fn. 40, S. 352 und S. 362 bis 364. Im Ergebnis ebenso: Sunstein, angeführt in Fn. 39.


57 – Schmidberger, angeführt in Fn. 10, Randnrn. 82, 89 und 93.


58 – Kommission/Frankreich, angeführt in Fn. 35, Randnr. 34.


59 – Es gibt aber Konstellationen, in denen das Gemeinschaftsrecht wenig oder keinen Spielraum lässt, wie etwa in der Rechtssache Angonese (in der es um eine offenkundige Diskriminierung ohne den geringsten Hinweis auf einen vernünftigen Grund ging).


60 – Defrenne, angeführt in Fn. 38, Randnrn. 24 bis 26.


61 – Urteile vom 15. Juli 1964, Costa (6/64, Slg. 1964, 1253), und vom 9. März 1978, Simmenthal (106/77, Slg. 1978, 629).


62 – Vgl. entsprechend Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du Pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, Slg. 1996, I‑1029, Randnr. 22), vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, Slg. 1991, I‑5357), und das in Fn. 31 angeführte Urteil Courage.


63 – Vgl. z. B. Corden, M. W., „The Normative Theory of International Trade“, The Handbook of International Economics, Band 1, Elsevier, Amsterdam 1984, S. 63 bis 130, Kenen, P., The International Economy, Cambridge University Press, Cambridge 2000, und Molle, The Economics of European Integration: Theory, Practice and Policy, Ashgate, Aldershot 2006.


64 – Vgl. mit ähnlichen Ausführungen Elwell, C. K., Foreign Outsourcing: Economic Implications and Policy Responses, CRS Report for Congress, 2005, einsehbar unter http://ec.europa.eu/employment_social/restructuring/facts_en.htm.


65 – Art. 12 und 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Vgl. auch Nr. 48 meiner Schlussanträge in der derzeit beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache Ordre des barreaux francophones et germanophones u. a. (C‑305/05).


66 – Angeführt in Fn. 35.


67 – Vgl. z. B. Urteile vom 23. November 1999, Arblade u. a. (C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453, Randnrn. 41 bis 42), vom 15. März 2001, Mazzoleni und ISA (C‑165/98, Slg. 2001, I‑2189, Randnr. 29), und vom 12. Oktober 2004, Wolff & Müller (C‑60/03, Slg. 2004, I‑9553, Randnr. 36).


68 – Urteile vom 21. September 2006, Kommission/Österreich (C‑168/04, Slg. 2006, I‑9041, Randnr. 47), Arblade u. a., angeführt in Fn. 67, Randnr. 53, Finalarte u. a., angeführt in Fn. 14, Randnr. 41, und Mazzoleni und ISA, angeführt in Fn. 67, Randnr. 35.