Language of document : ECLI:EU:C:2007:395

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

28. Juni 2007(*)

„Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2001/220/JI – Richtlinie 2004/80/EG – Begriff des Opfers im Strafverfahren – Juristische Person – Rückgabe von in einem Strafverfahren beschlagnahmten Gegenständen“

In der Rechtssache C‑467/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Ermittlungsrichter beim Tribunale di Milano (Italien) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2005, in dem Strafverfahren gegen

Giovanni Dell’Orto,

Beteiligte:

Saipem SpA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. Klučka, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Dell’Orto, vertreten durch M. Brusa, avvocato,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,

–        von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von N. Travers, BL,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, C. ten Dam und M. de Grave als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch E. O’Neill als Bevollmächtigte im Beistand von J. Turner, Barrister,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande, E. Righini und L. Visaggio als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. März 2007

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (ABl. L 82, S. 1, im Folgenden: Rahmenbeschluss) und der Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten (ABl. L 261, S. 15, im Folgenden: Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines auf ein endgültiges Strafurteil folgenden Strafvollstreckungsverfahrens, das bei dem die Aufgaben des Vollstreckungsrichters wahrnehmenden Ermittlungsrichter des Tribunale di Milano geführt wird und die Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände betrifft.

 Rechtlicher Rahmen

 Recht der Europäischen Union

 Der Rahmenbeschluss

3        Art. 1 des Rahmenbeschlusses bestimmt:

„Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Opfer‘: eine natürliche Person, die einen Schaden, insbesondere eine Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit, seelisches Leid oder einen wirtschaftlichen Verlust als direkte Folge von Handlungen oder Unterlassungen erlitten hat, die einen Verstoß gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats darstellen;

c)      ‚Strafverfahren‘: das strafrechtliche Verfahren im Sinne des geltenden einzelstaatlichen Rechts;

d)      ‚Verfahren‘: das Verfahren im weitesten Sinne, das abgesehen vom Strafverfahren alle Kontakte umfasst, die das Opfer als solches mit Behörden, öffentlichen Stellen oder Opferhilfe-Organisationen vor dem Strafverfahren, während des Strafverfahrens oder nach dem Strafverfahren unterhält;

…“

4        Art. 2 des Rahmenbeschlusses sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Strafrechtssystemen Opfern tatsächlich und angemessen Rechnung getragen wird. Sie bemühen sich weiterhin nach Kräften, um zu gewährleisten, dass das Opfer während des Verfahrens mit der gebührenden Achtung seiner persönlichen Würde behandelt wird, und erkennen die Rechte und berechtigten Interessen des Opfers insbesondere im Rahmen des Strafverfahrens an.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass besonders gefährdete Opfer eine ihrer Situation am besten entsprechende spezifische Behandlung erfahren.“

5        Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses lautet:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten ein angemessenes Schutzniveau für die Opfer und gegebenenfalls ihre Familien oder gleichgestellte Personen, insbesondere hinsichtlich ihrer persönlichen Sicherheit und des Schutzes ihrer Privatsphäre, wenn die zuständigen Behörden der Auffassung sind, dass die ernste Gefahr von Racheakten besteht oder schlüssige Beweise für eine schwere und absichtliche Störung der Privatsphäre vorliegen.“

6        In Art. 9 des Rahmenbeschlusses heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Opfer einer Straftat ein Recht darauf haben, innerhalb einer angemessenen Frist eine Entscheidung über die Entschädigung durch den Täter im Rahmen des Strafverfahrens zu erwirken, es sei denn, das einzelstaatliche Recht sieht in bestimmten Fällen vor, dass die Entschädigung in einem anderen Rahmen erfolgt.

(3)      Im Rahmen des Strafverfahrens sichergestelltes Eigentum des Opfers, das für eine Rückgabe in Frage kommt, wird diesem unverzüglich zurückgegeben, es sei denn, der Rückgabe stehen zwingende Gründe im Zusammenhang mit der Verfahrensführung entgegen.“

7        Nach Art. 17 dritter Gedankenstrich des Rahmenbeschlusses hatten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich waren, um den in den Randnrn. 3 bis 6 des vorliegenden Urteils zitierten Artikeln bis zum 22. März 2002 nachzukommen.

 Die Richtlinie

8        Art. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass in den Fällen, in denen eine vorsätzliche Gewalttat in einem anderen als dem Mitgliedstaat begangen wurde, in dem die Entschädigung beantragende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, diese berechtigt ist, den Antrag bei einer Behörde oder einer anderen Stelle in letzterem Mitgliedstaat zu stellen.“

9        Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Die Entschädigung wird von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats gezahlt, in dessen Hoheitsgebiet die Straftat begangen wurde.“

10      Art. 12 der Richtlinie lautet:

„(1)      Die in dieser Richtlinie festgelegten Vorschriften über den Zugang zur Entschädigung in grenzüberschreitenden Fällen stützen sich auf die Regelungen der Mitgliedstaaten für die Entschädigung der Opfer von in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet vorsätzlich begangenen Gewalttaten.

(2) Alle Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass in ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine Regelung für die Entschädigung der Opfer von in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet vorsätzlich begangenen Gewalttaten vorgesehen ist, die eine gerechte und angemessene Entschädigung der Opfer gewährleistet.“

11      Art. 17 der Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran,

a)      günstigere Bestimmungen zugunsten der Opfer von Straftaten oder sonstiger von Straftaten betroffener Personen einzuführen oder beizubehalten;

b)      vorbehaltlich der von den Mitgliedstaaten zu diesem Zweck festgelegten Bedingungen Bestimmungen für die Entschädigung der Opfer von außerhalb ihres Hoheitsgebiets begangenen Straftaten oder sonstiger durch eine solche Straftat betroffener Personen einzuführen oder beizubehalten;

sofern diese Bestimmungen mit dieser Richtlinie vereinbar sind.“

12      Art. 18 Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten erlassen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 1. Januar 2006 nachzukommen; hiervon ausgenommen ist Artikel 12 Absatz 2, dem bis zum 1. Juli 2005 nachzukommen ist. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(2)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Vorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, nur auf Antragsteller Anwendung finden, deren Schädigung aus Straftaten resultiert, die nach dem 30. Juni 2005 begangen wurden.“

 Nationales Recht

13      In Art. 263 des italienischen Codice di procedura penale (Strafprozessordnung, im Folgenden: CPP) in der durch das Gesetz Nr. 134 vom 12. Juni 2003 geänderten Fassung heißt es:

„1.      Besteht kein Zweifel bezüglich der Zugehörigkeit der beschlagnahmten Gegenstände, so ordnet das Gericht mit Beschluss deren Rückgabe an.

3.      Besteht über das Eigentum an den beschlagnahmten Gegenständen Streit, so verweist das Gericht diesen unter Aufrechterhaltung der Beschlagnahme zur Entscheidung an das örtlich zuständige Zivilgericht erster Instanz.

6.      Ist das Urteil nicht mehr anfechtbar, so veranlasst der Vollstreckungsrichter die Rückgabe.“

14      Art. 444 CPP sieht vor:

„1.      Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft können beantragen, dass das Gericht eine nach Art und Maß angezeigte Ersatz- oder Geldstrafe, um bis zu einem Drittel herabgesetzt, oder Freiheitsstrafe verhängt, wenn diese unter Berücksichtigung der Umstände und um bis zu einem Drittel herabgesetzt allein oder in Verbindung mit einer Geldstrafe nicht mehr als fünf Jahre beträgt.

2.      Stimmt auch der Beteiligte zu, der den Antrag nicht gestellt hat, und ist kein Freispruch … zu verkünden, so verhängt das Gericht, wenn es die rechtliche Bewertung des Sachverhalts sowie die Anwendung und den Vergleich der von den Beteiligten dargelegten Umstände für zutreffend und die angegebene Strafe für angemessen hält, auf der Grundlage der Verfahrensakten mit Urteil diese Strafe und weist im Tenor darauf hin, dass die Beteiligten dies beantragt haben. Ist Privatklage erhoben worden, so trifft das Gericht keine Entscheidung über den betreffenden Antrag; …

…“

15      Art. 665 Abs. 1 CPP lautet:

„Ist gesetzlich nichts anderes bestimmt, so beschließt über die Vollstreckung einer Entscheidung der Richter, der diese erlassen hat.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16      Laut Vorlageentscheidung wurde gegen Herrn Dell’Orto und andere beim Tribunale di Milano ein Strafverfahren wegen der Begehung von Straftaten in Form von wahrheitswidrigen Mitteilungen über Gesellschaften (Fälschung von Buchführungsunterlagen) u. a. zum Zweck der Begehung von Straftaten der Unterschlagung in schwerem Fall und der unrechtmäßigen Finanzierung politischer Parteien eingeleitet. Zu den von diesen Taten betroffenen Personen gehören mehrere Gesellschaften des italienischen ENI‑Konzerns, darunter die Saipem SpA (im Folgenden: Saipem), die in dem Strafverfahren Privatklage erhob.

17      Der Vorlageentscheidung zufolge veruntreuten Herr Dell’Orto und die übrigen Angeklagten hohe Geldbeträge der Gesellschaften zur Vergütung von Scheinberatungen für mit einem der Mittäter strukturell verbundene Offshore-Firmen und eigneten sich auf diese Weise einen Teil der Beträge zu. Im Einzelnen habe sich Herr Dell’Orto einen Saipem gehörenden Betrag von 1 064 069,78 Euro zugeeignet, den die italienischen Gerichtsbehörden während des Strafverfahrens beschlagnahmt hätten. Eine solche Sicherungsmaßnahme diene hauptsächlich und speziell dazu, die Erfüllung zivilrechtlicher Ansprüche zu gewährleisten, die aus der Straftat erwüchsen.

18      Das Strafverfahren endete damit, dass der Ermittlungsrichter beim Tribunale di Milano mit Urteil vom 4. Mai 1999, das am 5. Juni 1999 rechtskräftig wurde, gemäß Art. 444 CPP, also im Wege des Aushandelns („patteggiamento“), eine Strafe verhängte. Herr Dell’Orto wurde zu einer Freiheitsstrafe und einer Geldbuße verurteilt, die auf Bewährung ausgesetzt wurden. In Bezug auf den beschlagnahmten Betrag wurde nichts vorgesehen.

19      Aufgrund eines Beschlusses desselben Richters vom 3. Dezember 1999 wurde Saipem der angegebene Betrag erstattet. Dieser Beschluss wurde mit Urteil der Corte suprema di cassazione vom 8. November 2001 aufgehoben. Die Corte stellte insbesondere fest, dass das Strafgericht nicht befugt sei, die Erstattung an Saipem anzuordnen, da im Urteil vom 4. Mai 1999 nichts in Bezug auf den beschlagnahmten Betrag vorgesehen sei.

20      Auf das Urteil vom 8. November 2001 hin beantragte Herr Dell’Orto beim Ermittlungsrichter, Saipem die Rückzahlung des Betrags aufzugeben, da dieser bis zu einer Entscheidung über seine etwaige Erstattung erneut beschlagnahmt werden könne. Nach Ansicht von Herrn Dell’Orto ist es gemäß Art. 263 Abs. 3 CPP Sache des Zivilgerichts, diese Entscheidung zu treffen, denn es handele sich um einen Streit über das Eigentum an dem Betrag.

21      Mit Beschluss vom 18. Juli 2003 ordnete der Ermittlungsrichter beim Tribunale di Milano die Übermittlung der Verfahrensakten an das Zivilgericht an und wies den Antrag von Herrn Dell’Orto im Übrigen zurück.

22      Mit Urteil vom 21. April 2005 hob die Corte suprema di cassazione diesen Beschluss auf und verwies die Sache an denselben Richter zurück. Im Urteil hieß es, auch wenn ein Streit über das Eigentum an den beschlagnahmten Gegenständen nach Art. 263 Abs. 3 CPP in einem Zwischenverfahren vom Zivilgericht entschieden werde, bleibe das Strafgericht bis zur Entscheidung dieses Streits dafür zuständig, Maßnahmen in Bezug auf die Verwahrung der Gegenstände zu treffen; es sei deshalb Sache des Ermittlungsrichters beim Tribunale di Milano, „die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen …, damit der inzwischen an Saipem erstattete Betrag wieder konkret beschlagnahmt wird“.

23      Um dem zweiten Urteil der Corte suprema di cassazione nachzukommen, wurde das Verfahren beim vorlegenden Gericht daher wiedereröffnet.

24      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann im Ausgangsverfahren kein „Streit über das Eigentum“ an den beschlagnahmten Beträgen bestehen, der die Einleitung eines Zwischenverfahrens beim Zivilgericht rechtfertigen könne. Die beschlagnahmten Gelder seien ein rechtsgrundlos erlangter Gegenstand, der Saipem nach Art. 2037 des italienischen Zivilgesetzbuchs zurückzugeben sei, und die Prüfung der Verfahrensakten ergebe, dass Herr Dell’Orto das Eigentum von Saipem an den Beträgen zu keinem Zeitpunkt bestritten habe.

25      Das vorlegende Gericht vertritt die Ansicht, es sei in Wirklichkeit aus einem rein verfahrensrechtlichen Grund daran gehindert, selbst die Erstattung der Beträge an Saipem anzuordnen; die Frage betreffe die Befugnis des Vollstreckungsrichters, nach dem gemäß Art. 444 CPP ergangenen Strafzumessungsurteil eine Entscheidung über eine solche Erstattung der beschlagnahmten Beträge zu treffen. Nach der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione, wie sie sich insbesondere aus dem Urteil vom 8. November 2001 ergebe, sei der Vollstreckungsrichter nicht befugt, im Anschluss an ein Urteil, das gemäß Art. 444 CPP ergangen sei – der hierzu nichts vorsehe –, über die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände an das Opfer zu entscheiden.

26      In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht, ob die in den Art. 2 und 9 des Rahmenbeschlusses aufgestellten Grundsätze anwendbar seien.

27      Fraglich sei insbesondere, ob der persönliche Anwendungsbereich dieser Artikel des Rahmenbeschlusses eröffnet sei, wenn das Opfer keine natürliche, sondern eine juristische Person sei.

28      Nach seinem Art. 1 Buchst. a gelte der Rahmenbeschluss für „natürliche Personen“, die einen Schaden erlitten hätten. Es lasse sich jedoch fragen, ob der Rahmenbeschluss unter Berücksichtigung der Art. 12 und 17 der Richtlinie dahin ausgelegt werden könne, dass er auch für andere Personen gelte, die Opfer einer Straftat seien, insbesondere juristische Personen. In diesem Fall wäre der in Art. 9 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses aufgestellte Grundsatz, dass im Rahmen des Strafverfahrens sichergestelltes Eigentum des Opfers diesem unverzüglich zurückgegeben werde, im Ausgangsverfahren anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino, C‑105/03, Slg. 2005, I‑5285) ergebe sich daraus die Verpflichtung für das nationale Gericht, die Bestimmungen des CPP über den Umfang der Entscheidungsbefugnisse des Vollstreckungsrichters in der Frage der Rückgabe von während des Strafverfahrens beschlagnahmten Gegenständen so weit wie möglich im Einklang mit Art. 9 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses auszulegen, der ein vereinfachtes Verfahren zulasse, damit die Ziele der Regelung über die Opferentschädigung erreicht würden.

29      Das vorlegende Gericht führt weiter aus, der Gerichtshof habe in Bezug auf Formen des Strafklageverbrauchs, die mit dem Strafklageverbrauch durch ein „ausgehandeltes“ Urteil im Sinne von Art. 444 CPP vergleichbar seien, entschieden, dass sie als endgültiges Urteil anzusehen seien, mit dem das Strafverfahren abgeschlossen werde (Urteil vom 11. Februar 2003, Gözütok und Brügge, C‑187/01 und C‑385/01, Slg. 2003, I‑1345).

30      Da im Ausgangsverfahren der Streit über die Erstattung der beschlagnahmten Beträge auf den Abschluss des Strafverfahrens durch das Urteil vom 4. Mai 1999 folge, stelle sich zudem die Frage, ob die in den Art. 2 und 9 des Rahmenbeschlusses aufgestellten Grundsätze in dem besonderen Kontext eines Strafvollstreckungsverfahrens nach Abschluss des eigentlichen Strafverfahrens anwendbar seien.

31      Vor diesem Hintergrund hat der Ermittlungsrichter beim Tribunale di Milano das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Bestimmungen der Art. 2 und 9 des Rahmenbeschlusses kraft Art. 1 ff. der Richtlinie oder anderer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts allgemein in einem Strafverfahren auf sonstige von einer Straftat betroffene Personen anwendbar?

2.      Sind die Bestimmungen der Art. 2 und 9 des Rahmenbeschlusses kraft Art. 1 ff. der Richtlinie oder anderer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in einem auf das endgültige Strafurteil folgenden Strafvollstreckungsverfahren (und damit auch auf das Urteil über die Vollstreckung der Strafe gemäß Art. 444 CPP) auf sonstige von einer Straftat betroffene Personen anwendbar?

 Vorlagefragen

 Zulässigkeit

32      Mehrere Regierungen, die im vorliegenden Verfahren Erklärungen eingereicht haben, bezweifeln die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens.

33      Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs ergibt sich die Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens daraus, dass es auf Art. 234 EG gestützt sei, die erbetene Auslegung aber den Rahmenbeschluss betreffe, d. h. einen nach Titel VI des EU-Vertrags erlassenen Rechtsakt. In einem solchen Fall sei das Ersuchen ausschließlich auf Art. 35 Abs. 1 EU zu stützen, während Art. 234 EG nicht anwendbar sei. Irland trägt vor, da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 35 EU erfüllt seien, sollte die zu Unrecht erfolgte Berufung auf Art. 234 EG als Grundlage des Ersuchens den Gerichtshof nicht daran hindern, die Fragen des vorlegenden Gerichts zu beantworten.

34      Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 46 Buchst. b EU die Bestimmungen des EG-Vertrags und des EAG-Vertrags betreffend die Zuständigkeit des Gerichtshofs und die Ausübung dieser Zuständigkeit, zu denen Art. 234 EG gehört, nach Maßgabe von Art. 35 EU für die Bestimmungen des Titels VI des EU-Vertrags gelten. Entgegen der Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs folgt daraus, dass die Regelung des Art. 234 EG auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Vorabentscheidung nach Art. 35 EU unter den dort genannten Voraussetzungen Anwendung findet (vgl. in diesem Sinne Urteil Pupino, Randnrn. 19 und 28).

35      Es steht fest, dass die Italienische Republik mit Wirkung vom 1. Mai 1999, dem Tag des Inkrafttretens des Vertrags von Amsterdam, eine Erklärung abgegeben hat, mit der sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Entscheidungen über die Gültigkeit und die Auslegung der in Art. 35 EU genannten Rechtsakte gemäß Art. 35 Abs. 3 Buchst. b EU anerkannt hat. Es steht ebenfalls fest, dass der auf den Art. 31 EU und 34 EU beruhende Rahmenbeschluss zu den in Art. 35 Abs. 1 EU genannten Rechtsakten gehört, über die der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung entscheiden kann (Urteil Pupino, Randnrn. 20 und 22), und es wird nicht bestritten, dass der Ermittlungsrichter beim Tribunale di Milano in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren als mitgliedstaatliches Gericht im Sinne von Art. 35 EU anzusehen ist.

36      Abgesehen davon, dass die Vorlagefragen auch die Auslegung einer nach dem EG-Vertrag erlassenen Richtlinie betreffen, kann daher der Umstand allein, dass die Vorlageentscheidung Art. 35 EU nicht erwähnt, sondern sich auf Art. 234 EG bezieht, nicht zur Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens führen. Das gilt umso mehr, als der EU-Vertrag weder ausdrücklich noch stillschweigend die Form vorschreibt, in der das nationale Gericht sein Ersuchen um Vorabentscheidung vorlegen muss (vgl. entsprechend, zu Art. 234 EG, Urteil vom 6. April 1962, De Geus, 13/61, Slg. 1962, 99, 110).

37      Die niederländische Regierung bezweifelt die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens deshalb, weil der tatsächliche und rechtliche Rahmen in der Vorlageentscheidung nicht hinreichend festgelegt sei. Daraus folge insbesondere, dass der Nutzen der vorgelegten Fragen nicht deutlich werde, da mangels genauerer Erläuterungen zum anwendbaren nationalen Recht nicht feststellbar sei, ob sich, wie das vorlegende Gericht geltend mache, eine Frage danach stelle, wie dieses Recht im Einklang mit dem Rahmenbeschluss auszulegen sei, der überdies keine unmittelbare Wirkung habe.

38      Nach Auffassung der österreichischen Regierung hindert das italienische Recht das vorlegende Gericht daran, im Rahmen des Ausgangsverfahrens über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden; die Vorlagefragen seien deshalb hypothetischer Natur.

39      Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 35 EU ebenso wie Art. 234 EG die Befassung des Gerichtshofs mit einem Vorabentscheidungsersuchen von der Voraussetzung abhängig macht, dass das nationale Gericht „eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält“, so dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Zulässigkeit der nach Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen grundsätzlich auf Ersuchen um Vorabentscheidung durch den Gerichtshof nach Art. 35 EU übertragbar ist (Urteil Pupino, Randnr. 29).

40      Folglich kann die Vermutung der Erheblichkeit der von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen nur in Ausnahmefällen ausgeräumt werden, und zwar dann, wenn die erbetene Auslegung der in diesen Fragen erwähnten Bestimmungen des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind. Abgesehen von solchen Fällen ist der Gerichtshof grundsätzlich verpflichtet, über die ihm vorgelegten Fragen nach der Auslegung von Rechtsakten im Sinne von Art. 35 Abs. 1 EU zu entscheiden (Urteil Pupino, Randnr. 30).

41      Um zu einer dem nationalen Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, muss außerdem dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegen oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutern, auf denen diese Fragen beruhen. Insoweit ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Bestimmungen des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften sieht (vgl. u. a., zu Art. 234 EG, Urteil vom 19. April 2007, Asemfo, C‑295/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 32 und 33).

42      Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs Erklärungen abzugeben (vgl. u. a. Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld, C‑303/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 20).

43      Wie aus den Randnrn. 16 bis 30 des vorliegenden Urteils hervorgeht, werden in der Vorlageentscheidung der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt und die unmittelbar einschlägigen Bestimmungen des anwendbaren nationalen Rechts dargestellt sowie die Gründe, aus denen das vorlegende Gericht um Auslegung des Rahmenbeschlusses ersucht, und der Zusammenhang zwischen diesem Beschluss und den im betreffenden Bereich anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften erläutert.

44      Anders als die österreichische Regierung meint, ist nicht offensichtlich, dass im Ausgangsverfahren eine rahmenbeschlusskonforme Auslegung des nationalen Rechts unmöglich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Pupino, Randnr. 48).

45      Unter diesen Umständen ist nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung der in den Vorlagefragen erwähnten Bestimmungen des Rahmenbeschlusses in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, dass das Problem hypothetischer Natur ist oder dass der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der Fragen erforderlich sind.

46      Schließlich reichen die Angaben in der Vorlageentscheidung auch aus, um zu gewährleisten, dass die Beteiligten des Ausgangsverfahrens, die Mitgliedstaaten, der Rat der Europäischen Union und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs Erklärungen abgeben können, wovon im Übrigen die von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens eingereichten Erklärungen zeugen.

47      Im schriftlichen Abschnitt des Verfahrens vor dem Gerichtshof ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Rahmenbeschluss in zeitlicher Hinsicht auf Umstände anwendbar ist, die wie im Ausgangsverfahren deutlich vor dem Erlass dieses Beschlusses am 15. März 2001 liegen, für dessen Art. 9 die Umsetzungsfrist zudem erst am 22. März 2002 ablief.

48      Nach ständiger Rechtsprechung sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar, während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten (vgl. u. a. Urteil vom 9. März 2006, Beemsterboer Coldstore Services, C‑293/04, Slg. 2006, I‑2263, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Die Kernfrage des Ausgangsverfahrens, nämlich die der gerichtlichen Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Rückgabe von während des Strafverfahrens beschlagnahmten Gegenständen an das Opfer, betrifft den Bereich der Verfahrensvorschriften. Es gibt daher kein auf den zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes bezogenes Hindernis, das es ausschlösse, im Ausgangsverfahren die einschlägigen Bestimmungen des Rahmenbeschlusses zu berücksichtigen, um das anwendbare nationale Recht im Einklang mit diesem Beschluss auszulegen.

50      Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.

 Vorlagefragen

51      Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Rahmenbeschluss dahin auszulegen ist, dass in einem Strafverfahren und spezieller in einem auf ein endgültiges Strafurteil folgenden Strafvollstreckungsverfahren wie dem Ausgangsverfahren der Opferbegriff des Rahmenbeschlusses juristische Personen umfasst, die einen Schaden als direkte Folge von Handlungen oder Unterlassungen erlitten haben, die einen Verstoß gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats darstellen.

52      Opfer im Sinne des Rahmenbeschlusses ist nach dessen Art. 1 Buchst. a eine „natürliche“ Person, die einen Schaden, insbesondere eine Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit, seelisches Leid oder einen wirtschaftlichen Verlust als direkte Folge von Handlungen oder Unterlassungen erlitten hat, die einen Verstoß gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats darstellen.

53      Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Rahmenbeschluss nur natürliche Personen erfasst, die einen Schaden als direkte Folge eines Verhaltens erlitten haben, das gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats verstößt.

54      Eine Auslegung des Rahmenbeschlusses dahin, dass er auch „juristische“ Personen erfasst, die wie die Privatklägerin im Ausgangsverfahren geltend machen, sie hätten einen Schaden als direkte Folge einer Straftat erlitten, verstieße gegen den Wortlaut seines Art. 1 Buchst. a.

55      Hinzu kommt, dass keine der übrigen Bestimmungen des Rahmenbeschlusses einen Hinweis darauf enthält, dass der Gesetzgeber der Europäischen Union beabsichtigt hätte, den Opferbegriff für die Zwecke der Anwendung dieses Beschlusses auf juristische Personen zu erstrecken. Ganz im Gegenteil bestätigen mehrere Bestimmungen des Beschlusses, dass der Gesetzgeber ausschließlich natürliche Personen erfassen wollte, die Opfer eines aus einer Straftat resultierenden Schadens sind.

56      Neben Art. 1 Buchst. a des Rahmenbeschlusses, der als Schäden die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit sowie seelisches Leid nennt, sind in diesem Zusammenhang Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses, wonach die Mitgliedstaaten gewährleisten müssen, dass das Opfer mit der gebührenden Achtung seiner persönlichen Würde behandelt wird, Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, wonach besonders gefährdete Opfer eine spezifische Behandlung erfahren müssen, und Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zu erwähnen, wonach die Mitgliedstaaten ein angemessenes Schutzniveau für die Familien der Opfer oder gleichgestellte Personen gewährleisten müssen.

57      Die Richtlinie steht dieser Auslegung nicht entgegen. Der Rahmenbeschluss und die Richtlinie regeln unterschiedliche Materien. Mit der Richtlinie wird ein System der Zusammenarbeit eingeführt, damit Opfer von Straftaten in grenzüberschreitenden Fällen leichter Zugang zur Entschädigung erhalten. Sie soll sicherstellen, dass das Opfer im Fall einer vorsätzlichen Gewalttat, die in einem anderen als dem Mitgliedstaat begangen wurde, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vom erstgenannten Staat entschädigt wird. Der Rahmenbeschluss dagegen dient der Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, soweit es um den Schutz der Interessen des Opfers im Rahmen des Strafverfahrens geht. Er soll sicherstellen, dass der Täter das Opfer entschädigt.

58      Selbst wenn angenommen würde, dass die Bestimmungen einer auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassenen Richtlinie irgendeine Auswirkung auf die Auslegung der Bestimmungen eines auf den EU-Vertrag gestützten Rahmenbeschlusses haben können und der Opferbegriff der Richtlinie sich dahin auslegen lässt, dass er juristische Personen erfasst, stehen die Richtlinie und der Rahmenbeschluss somit auf keinen Fall in einem Verhältnis zueinander, das eine einheitliche Auslegung des Begriffs erforderlich macht.

59      Ein Fall wie derjenige, um den es im Ausgangsverfahren geht, fällt außerdem nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie. Wie aus Randnr. 57 des vorliegenden Urteils hervorgeht, sieht die Richtlinie eine Entschädigung nur für den Fall einer vorsätzlichen Gewalttat vor, die in einem anderen als dem Mitgliedstaat begangen wurde, in dem das Opfer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, während das Ausgangsverfahren Straftaten der Fälschung von Buchführungsunterlagen, der Unterschlagung in schwerem Fall und der unrechtmäßigen Finanzierung politischer Parteien betrifft, die im Wesentlichen in dem Mitgliedstaat begangen wurden, in dem das Opfer seinen Sitz hat.

60      Auf die vorgelegten Fragen ist deshalb zu antworten, dass der Rahmenbeschluss dahin auszulegen ist, dass in einem Strafverfahren und spezieller in einem auf ein endgültiges Strafurteil folgenden Strafvollstreckungsverfahren wie dem Ausgangsverfahren der Opferbegriff des Rahmenbeschlusses nicht juristische Personen umfasst, die einen Schaden als direkte Folge von Handlungen oder Unterlassungen erlitten haben, die einen Verstoß gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats darstellen.

 Kosten

61      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Der Rahmenbeschluss 2001/220/JI des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren ist dahin auszulegen, dass in einem Strafverfahren und spezieller in einem auf ein endgültiges Strafurteil folgenden Strafvollstreckungsverfahren wie dem Ausgangsverfahren der Opferbegriff des Rahmenbeschlusses nicht juristische Personen umfasst, die einen Schaden als direkte Folge von Handlungen oder Unterlassungen erlitten haben, die einen Verstoß gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats darstellen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.