Language of document : ECLI:EU:C:2013:145

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 7. März 2013(1)

Rechtssache C‑521/11

Amazon.com International Sales Inc.

Amazon EU Sàrl

Amazon.de GmbH

Amazon.com GmbH, in Liquidation

Amazon Logistik GmbH

gegen

Austro‑Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch‑musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Vervielfältigungsrecht – Ausnahmen und Beschränkungen – Ausnahme für Vervielfältigung zu privaten Zwecken – Gerechter Ausgleich – Möglichkeit der Erstattung der Abgabe für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung – Finanzierung von Einrichtungen für die Rechtsinhaber, die sozialen und kulturellen Zwecken dienen – Zahlung des gerechten Ausgleichs in anderen Mitgliedstaaten“






1.        Der Schutz des Urheberrechts ist ein extrem komplexes Rechtsgebiet, in dem es unterschiedliche Interessen gibt und in dem die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung zu einer grundlegenden Änderung der Art der geschützten Werke geführt hat und führen wird, wobei die Art und Weise ihrer Nutzung sowie die Wege ihrer Vermarktung ständig neue Herausforderungen für den Schutz der Rechte der Urheber der Werke und für den gerechten Ausgleich der betreffenden Interessen darstellen.

2.        Im Rahmen einer Strategie zur Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa hat der Gesetzgeber der Union versucht, bestimmte Aspekte des Urheberrechts u. a. durch Erlass der Richtlinie 2001/29/EG(2) zu harmonisieren, die Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofs (Österreich) ist. Die Richtlinie 2001/29 wurde ausdrücklich mit dem Ziel erlassen, einen harmonisierten Rechtsrahmen im Binnenmarkt zu schaffen, der den Wettbewerb vor Verzerrungen infolge der unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten schützt(3), sowie eine Anpassung an neue Formen der Verwertung und der Nutzung und an technische Entwicklungen zu ermöglichen(4).

3.        Als Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Rechtstraditionen und Auffassungen in den Mitgliedstaaten der Union(5) hat jedoch die Richtlinie 2001/29 verschiedene Aspekte der Regelung des Urheberrechts am Ende doch nicht harmonisiert, da sie zahlreiche Ausnahmeregelungen vorsieht und den Mitgliedstaaten beträchtliche Umsetzungsspielräume lässt, was so weit geht, dass sich die Frage stellt, ob der Unionsgesetzgeber entgegen seiner ausdrücklichen Zielsetzung nicht in Wirklichkeit auf eine Harmonisierung des Urheberrechts verzichtet hat(6).

4.        Unter diesen Umständen hat die Richtlinie zu einer Reihe von Umsetzungsproblemen geführt, für die das nationale Verfahren, in dem die hier dem Gerichtshof vorgelegten vier Vorlagefragen aufgeworfen werden, ein eindrucksvolles Beispiel darstellt. Das Verfahren betrifft nämlich einen Rechtsstreit zwischen einem internationalen Konzern, der Datenträger im Internet vertreibt, und einer Gesellschaft zur Verwertung der Urheberrechte wegen Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ gemäß der Richtlinie 2001/29 als Entschädigung für die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke. Die konkrete Anwendung des Begriffs „gerechter Ausgleich“ durch die Mitgliedstaaten stellt eine der schwierigsten Fragen der Richtlinie 2001/29 dar und bereitet auch weiterhin Schwierigkeiten bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen dieser und den verschiedenen nationalen Umsetzungsvorschriften. Der Gerichtshof hat sich bereits mit dieser Frage befasst und insoweit bestimmte richtungsweisende Grundsätze aufgestellt(7) und wird sich in naher Zukunft erneut mit dieser Frage zu befassen haben(8).

5.        Bevor jedoch im vorliegenden Fall, in dem der Gerichtshof aufgerufen ist, seine Rechtsprechung hinsichtlich des Begriffs des gerechten Ausgleichs zu ergänzen und bestimmte neue, sich in diesem Zusammenhang ergebende spezifische Fragen zu beantworten, die Vorlagefragen geprüft werden, komme ich nicht um die Feststellung umhin, dass sich die Antworten, die der Gerichtshof auf die einzelnen Fragen der nationalen Gerichte gegeben hat und geben wird, in den rechtlichen Kontext einfügen müssen, den die bestehenden Normen des Unionsrechts festlegen. Zwar geben in einem festgelegten rechtlichen Rahmen die Antworten des Gerichtshofs wichtige Hinweise für die konkrete Bestimmung der Formen, der Tragweite und der Modalitäten des Schutzes des Urheberrechts sowie für den Ausgleich der verschiedenen beteiligten Interessen, doch ist es gleichwohl Sache des Unionsgesetzgebers, einen entsprechenden normativen Kontext zu schaffen, der es auf der Grundlage auch politischer Entscheidungen ermöglicht, die Formen, Tragweite und Modalitäten sowie den genannten Ausgleich eindeutig festzulegen. Aus dieser Sicht ist die jüngste Initiative zu begrüßen, die die Europäische Kommission mit der Annahme eines Aktionsplans zur Modernisierung des Urheberrechts ergriffen hat(9).

6.        Die Prüfung bestimmter durch diese Rechtssache aufgeworfener Fragen wird eindeutig zeigen, dass zahlreiche Probleme bei der Umsetzung der Richtlinie 2001/29 aus dem unzureichenden Maß an Harmonisierung der Regelung des Urheberrechts der Union entstehen. Dies ist meines Erachtens ein Beleg dafür, dass zwar die Wahrung der oben genannten unterschiedlichen Rechtstraditionen und Auffassungen, die insoweit in den Mitgliedstaaten bestehen, wichtig ist, dass aber für die Ausarbeitung eines modernen Rechtsrahmens für ein Urheberrecht in Europa, das unter Berücksichtigung der unterschiedlichen beteiligten Interessen die Existenz eines wirklichen einheitlichen Binnenmarkts in diesem Sektor gewährleisten kann und Kreativität, Innovation und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle fördert, unbedingt auf ein Maß an Harmonisierung der nationalen Vorschriften hingearbeitet werden muss, das deutlich höher als das mit der Richtlinie 2001/29 erzielte ist.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

7.        Nach Art. 2 der Richtlinie 2001/29 verleihen die Mitgliedstaaten den Urhebern grundsätzlich das ausschließliche Recht, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung ihrer Werke auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

8.        Nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29 können die Mitgliedstaaten jedoch bestimmte Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf dieses Recht vorsehen. Insbesondere können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers an seinem Werk vorsehen „in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten“ (so genannte „Ausnahme für Privatkopien“)(10).

B –    Nationales Recht

9.        § 42 des Urheberrechtsgesetzes (im Folgenden: UrhG)(11) lautet wie folgt:

„(1) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf Papier oder einem ähnlichen Träger zum eigenen Gebrauch herstellen.

(2) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungstücke auf anderen als den in Abs. 1 genannten Trägern zum eigenen Gebrauch zu Zwecken der Forschung herstellen, soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.

(3) Jedermann darf von Werken, die im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse veröffentlicht werden, einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch herstellen, sofern es sich nur um eine analoge Nutzung handelt.

(4) Jede natürliche Person darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf anderen als den in Abs. 1 genannten Trägern zum privaten Gebrauch und weder für unmittelbare noch mittelbare kommerzielle Zwecke herstellen.

(5) Eine Vervielfältigung zum eigenen oder privaten Gebrauch liegt vorbehaltlich der Abs. 6 und 7 nicht vor, wenn sie zu dem Zweck vorgenommen wird, das Werk mit Hilfe des Vervielfältigungsstückes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zum eigenen oder privaten Gebrauch hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen nicht dazu verwendet werden, das Werk damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

…“

10.      § 42 Abs. 6 UrhG sieht zugunsten von Schulen und Universitäten unter bestimmten Voraussetzungen die so genannte Ausnahme zum eigenen Schulgebrauch vor. § 42 Abs. 7 UrhG sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme für Kopien vor, die von der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen hergestellt werden, die Werkstücke sammeln und damit keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen Zweck verfolgen (so genannte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Sammlungen).

11.      § 42 b UrhG bestimmt:

„(1) Ist von einem Werk, das durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden ist, seiner Art nach zu erwarten, dass es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger nach § 42 Abs. 2 bis 7 zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Leerkassettenvergütung), wenn Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt; als Trägermaterial gelten unbespielte Bild- oder Schallträger, die für solche Vervielfältigungen geeignet sind, oder andere Bild- oder Schallträger, die hierfür bestimmt sind.

(3) Folgende Personen haben die Vergütung zu leisten:

1.      die Leerkassetten- beziehungsweise Gerätevergütung derjenige, der das Trägermaterial beziehungsweise das Vervielfältigungsgerät von einer im In- oder im Ausland gelegenen Stelle aus als erster gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringt;

(5) Vergütungsansprüche nach den Abs. 1 und 2 können nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.

(6) Die Verwertungsgesellschaft hat die angemessene Vergütung zurückzuzahlen

1.       an denjenigen, der Trägermaterial oder ein Vervielfältigungsgerät vor der Veräußerung an den Letztverbraucher in das Ausland ausführt;

2.       an denjenigen, der Trägermaterial für eine Vervielfältigung auf Grund der Einwilligung des Berechtigten benutzt; Glaubhaftmachung genügt.“

12.      § 13 des Verwertungsgesellschaftengesetzes (im Folgenden: VerwGesG(12)) bestimmt:

„(1) Verwertungsgesellschaften können für ihre Bezugsberechtigten und deren Angehörige sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen schaffen.

(2) Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche auf Leerkassettenvergütung geltend machen, haben sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen zu schaffen und diesen 50 % der Gesamteinnahmen aus dieser Vergütung abzüglich der darauf entfallenden Verwaltungskosten zuzuführen. Die Verpflichtung zur Schaffung sozialer Einrichtungen gilt jedoch nicht für Verwertungsgesellschaften, deren Bezugsberechtigte ausschließlich Rundfunkunternehmer sind.“

II – Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

13.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Austro‑Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch‑musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH (im Folgenden: Austro‑Mechana), ist eine Verwertungsgesellschaft, die in Österreich aufgrund von Verträgen mit anderen ausländischen oder österreichischen Verwertungsgesellschaften die Rechte der Urheber und Leistungsschutzberechtigten wahrnimmt. Sie ist insbesondere berechtigt, in Österreich Ansprüche auf Zahlung der Leerkassettenvergütung nach § 42b Abs. 1 UrhG geltend zu machen.

14.      Die beklagten Gesellschaften, Amazon.com International Sales Inc., Amazon EU Sàrl, Amazon.de GmbH, Amazon.com GmbH in Liquidation und Amazon Logistik GmbH (im Folgenden: Gesellschaften des Amazon‑Konzerns), gehören sämtlich zu dem international tätigen Amazon‑Konzern, der u. a. Waren über das Internet vertreibt, darunter auch Ton- und Bilddatenträger nach der österreichischen Regelung.

15.      Jedenfalls ab 2003 lieferten die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns aufgrund von Bestellungen über das Internet in arbeitsteiligem Zusammenwirken Ton- und Bilddatenträger, insbesondere CD- und DVD‑Rohlinge, Speicherkarten und MP3-Player nach Österreich.

16.      Austro‑Mechana hat die Gesellschaften des Amazon‑Konzern als Gesamtschuldner auf Zahlung der angemessenen Vergütung gemäß § 42b Abs. 1 UrhG für das in Österreich zwischen 2002 und 2004 in den Verkehr gebrachte Trägermaterial gerichtlich in Anspruch genommen. Für das erste Halbjahr 2004 macht sie einen Anspruch in Höhe von 1 856 275 Euro geltend. Für die Jahre 2002 und 2003 und die Zeit ab Juni 2004 beantragt Austro‑Mechana, die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns zu verpflichten, Rechnung darüber zu legen, welches Trägermaterial sie in Österreich in den Verkehr gebracht haben, wobei sie sich die Bezifferung des Zahlungsbegehrens für diesen Zeitraum vorbehält.

17.      Das Gericht erster Instanz hat dem Antrag auf Rechnungslegung mit Teilurteil stattgegeben und sich die Entscheidung über den Zahlungsantrag vorbehalten. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

18.      Nach Anfechtung des Berufungsurteils hat das vorlegende Gericht, der Oberste Gerichtshof, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt(13):

1.      Liegt ein „gerechter Ausgleich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn

a)      die Berechtigten im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 einen ausschließlich durch eine Verwertungsgesellschaft geltend zu machenden Anspruch auf eine angemessene Vergütung gegen denjenigen haben, der Trägermaterial, das zur Vervielfältigung ihrer Werke geeignet ist, im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt,

b)       dieser Anspruch nicht davon abhängt, ob das Inverkehrbringen an Zwischenhändler, an natürliche oder juristische Personen zur Nutzung für nicht private Zwecke oder an natürliche Personen zur Nutzung für private Zwecke erfolgt,

c)       wohl aber derjenige, der das Trägermaterial zur Vervielfältigung aufgrund einer Einwilligung des Berechtigten nutzt oder vor der Veräußerung an den Letztverbraucher wieder ausführt, gegen die Verwertungsgesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung hat?

2.       Wenn Frage 1 verneint wird:

2.1.       Läge ein „gerechter Ausgleich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vor, wenn der in Frage 1 a bezeichnete Anspruch nur bei einem Inverkehrbringen an natürliche Personen besteht, die das Trägermaterial zur Vervielfältigung für private Zwecke nutzen?

2.2.       Wenn Frage 2.1 bejaht wird: Ist bei einem Inverkehrbringen an natürliche Personen bis zur Bescheinigung des Gegenteils anzunehmen, dass sie das Trägermaterial zur Vervielfältigung für private Zwecke nutzen werden?

3.       Wenn Frage 1 oder Frage 2.1 bejaht wird:

Folgt aus Art. 5 der Richtlinie 2001/29 oder anderen Bestimmungen des Unionsrechts, dass der von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machende Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs nicht besteht, wenn die Verwertungsgesellschaft gesetzlich verpflichtet ist, die Hälfte des Erlöses nicht an die Bezugsberechtigten auszuzahlen, sondern sozialen und kulturellen Einrichtungen zu widmen?

4.       Wenn Frage 1 oder Frage 2.1 bejaht wird:

Steht Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 oder eine andere Bestimmung des Unionsrechts dem von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machenden Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs entgegen, wenn bereits in einem anderen Mitgliedstaat – wenngleich möglicherweise auf einer unionsrechtswidrigen Grundlage – eine angemessene Vergütung für das Inverkehrbringen des Trägermaterials gezahlt wurde?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

19.      Der Vorlagebeschluss ist bei der Kanzlei am 12. Oktober 2011 eingegangen. Die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns, Austro‑Mechana, die österreichische, die finnische, die französische und die polnische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 6. Dezember 2012 haben die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns, Austro‑Mechana, die österreichische und die polnische Regierung sowie die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Vorbemerkungen

20.      Die Vorabentscheidungsfragen des vorlegenden Gerichts betreffen sämtlich den Begriff „gerechter Ausgleich“ im Sinne der Richtlinie 2001/29(14).

21.      Wie sich aus § 42 Abs. 4 UrhG ergibt, hat die Republik Österreich in ihr nationales Recht die „Ausnahme für Privatkopien“ nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 übernommen. Der „gerechte Ausgleich“ für diese Ausnahme zugunsten der Urheber wird von § 42b Abs. 1 UrhG in der Form der „angemessenen Vergütung“ geregelt.

22.      Aus § 42b Abs. 1 UrhG geht jedoch hervor, dass in Österreich die Zahlung der angemessenen Vergütung zugunsten des Urhebers nicht nur im Fall der Vervielfältigung seines Werks durch eine natürliche Person zu privaten Zwecken nach § 42 Abs. 4 UrhG vorgesehen ist, sondern in allen Fällen der Vervielfältigung des Werks, die in § 42 Abs. 2 bis 7 UrhG genannt sind. Im österreichischen Recht entspricht daher die angemessene Vergütung nicht nur dem gerechten Ausgleich, den die natürliche Person für die Ausnahme für Privatkopien schuldet; sie wird vielmehr auch in anderen Fällen geschuldet, die das UrhG als Fälle des „eigenen Gebrauchs“ ansieht, die zu den anderen Ausnahmen nach § 42 UrhG gehören(15).

23.      Aufgrund dieser einleitenden Erwägungen, deren Bedeutung sich im Laufe der Untersuchung zeigen wird, gelange ich zu dem Schluss, dass sich die Vorlagefragen – mit Ausnahme der zweiten Vorlagefrage, die ausschließlich die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie betrifft – in ihrer Tragweite nicht nur auf die Ausnahme für Privatkopien erstrecken, sondern im Zusammenhang mit dem Begriff des gerechten Ausgleichs im Allgemeinen nach Maßgabe der Richtlinie 2001/29 zu sehen sind.

24.      Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch beiläufig darauf hinweisen, dass unter der Voraussetzung, dass die in der nationalen Regelung vorgesehenen Ausnahmen mit den Vorschriften der Richtlinie im Einklang stehen, ein System, das die Zahlung eines gerechten Ausgleichs auch bei anderen Ausnahmen als der „Ausnahme für Privatkopien“ vorsieht, nicht schon an sich gegen die Richtlinie 2001/29 verstößt(16). Das vorlegende Gericht hat jedoch gegebenenfalls, sofern es sich als erforderlich erweist, anhand der Kriterien des Unionsrechts(17) die Vereinbarkeit dieser Ausnahmen mit den Vorschriften der Richtlinie zu prüfen(18).

25.      Unter diesen Umständen ist es für eine angemessene Beantwortung der Vorlagefragen des vorlegenden Gerichts hilfreich, einige Grundsätze des Gerichtshofs darzustellen, die dieser zum Begriff des gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie 2001/29 aufgestellt hat.

B –    Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie 2001/29

26.      Wie bereits in Nr. 4 dargelegt, hatte der Gerichtshof wiederholt über den Begriff des gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie 2001/29 zu befinden. Aus der Rechtsprechung ergibt sich insbesondere, dass dieser Begriff ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts ist, der in sämtlichen Mitgliedstaaten, die die Ausnahme für Privatkopien eingeführt haben, einheitlich auszulegen ist. Diese Auslegung ist unabhängig von deren Befugnis, innerhalb der vom Unionsrecht, insbesondere von dieser Richtlinie, auferlegten Grenzen die Form, die Art und Weise der Finanzierung und Erhebung sowie die Höhe dieses gerechten Ausgleichs festzulegen(19).

27.      Die Konzeption und die Höhe des gerechten Ausgleichs stehen mit dem Schaden in Zusammenhang, der sich für den Urheber aus der Vervielfältigung seines geschützten Werks ergibt, wenn sie ohne seine Genehmigung für den privaten Gebrauch erfolgt. Unter diesem Blickwinkel ist der gerechte Ausgleich als eine Gegenleistung für den dem Urheber entstandenen Schaden zu sehen. Folglich muss er zwingend auf der Grundlage des Kriteriums des Schadens berechnet werden, der den Urhebern geschützter Werke durch die Einführung der Ausnahme für Privatkopien entstanden ist(20). Jedoch muss, wie aus dem 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 hervorgeht, ein „angemessener Ausgleich“ von Rechten und Interessen zwischen zum einen den Urhebern, die Anspruch auf Leistung des gerechten Ausgleichs haben, und zum anderen den Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden(21).

28.      Die Anfertigung einer Kopie durch eine zu privaten Zwecken handelnde natürliche Person ist eine Handlung, die einen Schaden für den Urheber des fraglichen Werks begründen kann. Grundsätzlich ist daher der Verursacher des Schadens des ausschließlichen Inhabers des Vervielfältigungsrechts, d. h. des Urhebers, verpflichtet, den an diese Vervielfältigung anknüpfenden Schaden wiedergutzumachen, indem er den Ausgleich finanziert, der an den betroffenen Rechtsinhaber gezahlt wird(22).

29.      Unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den Rechtsinhabern den ihnen zugefügten Nachteil zu vergüten, sowie des Umstands, dass sich dieser Nachteil, der sich aus jeder privaten Nutzung ergeben kann, einzeln betrachtet möglicherweise als geringfügig erweist und deshalb keine Zahlungsverpflichtung begründet(23), hat der Gerichtshof jedoch festgestellt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine „Abgabe für Privatkopien“ einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen oder diesen die Dienstleistung einer Vervielfältigung erbringen. Im Rahmen eines solchen Systems haben die über diese Anlagen verfügenden Personen die Abgabe für Privatkopien zu leisten(24).

30.      Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass, da diese Regelung es den Schuldnern ermöglicht, den Betrag der Abgabe für Privatkopien in den Preis für die Überlassung dieser Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung oder in den Preis für die Erbringung der Vervielfältigungsleistung einfließen zu lassen, die Belastung durch die Abgabe letztlich vom privaten Nutzer getragen wird, der diesen Preis zahlt und der tatsächlich als der „indirekte Schuldner“ des gerechten Ausgleichs anzusehen ist. Diese Regelung entspricht dem „angemessenen Ausgleich“, der zwischen den Rechten und Interessen der Urheber und denjenigen der Nutzer von Schutzgegenständen herbeizuführen ist(25).

31.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass somit ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf diese Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung und deren Verwendung zur Anfertigung von Privatkopien besteht. Folglich steht die unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf alle Arten von Anlagen, Geräten und Medien zur digitalen Vervielfältigung, einschließlich in dem Fall, dass diese von anderen als natürlichen Personen zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien erworben werden, nicht in Einklang mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29(26).

32.      Wenn dagegen die fraglichen Anlagen natürlichen Personen zu privaten Zwecken überlassen worden sind, ist es nicht erforderlich, nachzuweisen, dass diese mit Hilfe dieser Geräte tatsächlich Privatkopien angefertigt und somit dem Urheber des geschützten Werks tatsächlich einen Nachteil zugefügt haben. Bei diesen natürlichen Personen wird nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nämlich rechtmäßig vermutet, dass sie diese Überlassung vollständig ausschöpfen, d. h., es wird davon ausgegangen, dass sie sämtliche mit diesen Anlagen verbundenen Funktionen, einschließlich der Vervielfältigungsfunktion, nutzen. Daraus folgt, dass allein die technische Fähigkeit dieser Anlagen oder dieser Geräte, Kopien zu fertigen, ausreicht, um die Anwendung der Abgabe für Privatkopien zu rechtfertigen, sofern diese Anlagen oder Geräte natürlichen Personen als privaten Nutzern überlassen worden sind(27).

C –    Zur ersten Vorlagefrage

1.      Vorbemerkungen

33.      Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein gerechter Ausgleich im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vorliegt, wenn eine nationale Rechtsvorschrift eine Abgabe für Privatkopien in der Form einer angemessenen Vergütung vorsieht, die unterschiedslos nur von einer Verwertungsgesellschaft gegen denjenigen geltend gemacht werden kann, der Trägermaterial, das zur Vervielfältigung von Werken geeignet ist, im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt, diese nationale Regelung aber unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch auf Rückzahlung dieser angemessenen Vergütung für den Fall vorsieht, dass die Vergütung nicht geschuldet war.

34.      Dem vorlegenden Gericht zufolge scheint die österreichische Regelung, soweit sie die unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien vorsehe, dem Urteil Padawan(28) glatt zu widersprechen. Es bemerkt jedoch auch, dass die betreffende nationale Regelung insofern einen grundlegenden Unterschied zu der im Urteil Padawan relevanten Regelung aufweise, als jene die Möglichkeit einer Rückerstattung der genannten Abgabe vorsehe.

35.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass diese Möglichkeit von § 42b Abs. 6 UrhG ausdrücklich nur in zwei Fällen vorgesehen sei, nämlich im Fall der späteren Ausfuhr des Trägermaterials in das Ausland sowie im Fall der Vervielfältigung des Werks aufgrund der Einwilligung des Urhebers. Nach dem österreichischen Recht bestehe die Pflicht zur Zahlung der angemessenen Vergütung somit auch dann, wenn die Nutzung des Trägermaterials keine Verletzung des Urheberrechts darstelle(29). Das vorlegende Gericht bezieht sich insbesondere auf zwei Fallkonstellationen, nämlich zum einen auf die Fälle einer Vervielfältigung des Werks nach § 42 UrhG, die unter eine andere Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2001/29 fallen, für die jedoch die nationale Regelung gemäß der Richtlinie die Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ an den Urheber vorsieht(30), und zum anderen auf den Fall der Verwendung des Trägermaterials zur Speicherung von selbst „erzeugten“ Daten, ein Fall, der jedoch nach Ansicht des vorlegenden Gerichts demjenigen der Einwilligung des Urhebers zur Vervielfältigung des Werks gleichzustellen ist und damit analog zu einer Pflicht zur Rückerstattung der Abgabe führen muss(31).

36.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bleibt somit ein einziger Punkt, der Anlass zu Zweifeln an der Vereinbarkeit der Rückerstattungslösung des betreffenden österreichischen Rechts mit dem Unionsrecht gibt. Nach den Ausführungen des Gerichts gehört zu einem System, das auf der Möglichkeit einer nachträglichen Rückerstattung beruht, die Zahlung des gerechten Ausgleichs auch in dem Fall, dass Trägermaterial an unternehmerische Nutzer geliefert wird, die dieses offenkundig zu Zwecken nutzen, die nach dem System der Richtlinie und des nationalen Rechts nicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs führen dürfen; dadurch wird der Aufwand und das Risiko, die Rückerstattung durchzusetzen, auf Personen verlagert, die zur Zahlung des gerechten Ausgleichs nicht verpflichtet werden können. Das vorlegende Gericht hält es für möglich, dass eine solche Regelung als Ganzes mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist.

37.      Die erste Vorlagefrage untergliedert sich in drei Teile. Ich werde jede der drei Teilfragen näher untersuchen, was mir anschließend eine umfassende Beantwortung der ersten Vorlagefrage ermöglichen wird.

2.      Zur Vorlagefrage 1 a

38.      Im ersten Teil der ersten Vorlagefrage, der Frage 1 a, führt das vorlegende Gericht drei Merkmale der nationalen Regelung an, die für das Gericht Anlass zur Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Begriff des gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie 2001/29 sind.

39.      Erstens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die in Rede stehende nationale Regelung den gerechten Ausgleich in der Form der angemessenen Vergütung vorgesehen habe. Die angemessene Vergütung ist ein Begriff, der in der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums(32) enthalten ist. Nach der Rechtsprechung ist auch dieser Begriff ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts(33). Hierzu weise ich darauf hin, dass unter Berücksichtigung der Autonomie, die den Mitgliedstaaten innerhalb der vom Unionsrecht, insbesondere der Richtlinie 2001/29, gezogenen Grenzen bei der Festlegung der Form des „gerechten Ausgleichs“ zusteht(34), ein Mitgliedstaat nicht gehindert ist, den gerechten Ausgleich in der Form der „angemessenen Vergütung“ einzurichten, sofern das von ihm eingerichtete System die Voraussetzungen der Richtlinie 2001/29 erfüllt und die Merkmale eines gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie und der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufweist(35).

40.      Zweitens stellt der erste Teil der ersten Vorlagefrage darauf ab, dass nach der in Rede stehenden Regelung die angemessene Vergütung ausschließlich von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Eine solche Regelung verstößt jedoch meines Erachtens ebenfalls nicht schon an sich gegen die Richtlinie 2001/29. Aus der oben in Nr. 26 angeführten Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die Mitgliedstaaten innerhalb der vom Unionsrecht, insbesondere von der genannten Richtlinie, auferlegten Grenzen auch bei der Festlegung der Art und Weise der Erhebung des „gerechten Ausgleichs“ Autonomie genießen(36). Die Einschaltung von Verwertungsgesellschaften für die Erlöse aus den Urheberrechten ist in den Mitgliedstaaten stark verbreitet und hauptsächlich von praktischen Überlegungen bestimmt(37). Sieht daher eine nationale Rechtsvorschrift vor, dass der gerechte Ausgleich ausschließlich von einer Verwertungsgesellschaft erhoben wird, verstößt dies für sich genommen nicht gegen das Unionsrecht, sofern die Verwertungsgesellschaft für die verschiedenen Rechtsinhaber tatsächlich repräsentativ ist.

41.      Drittens befasst sich der erste Teil der ersten Vorlagefrage damit, dass nach der in Rede stehenden nationalen Regelung derjenige zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet ist, der Trägermaterial, das zur Vervielfältigung der Werke geeignet ist, im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass aus der vorstehend in den Nrn. 26 bis 32 wiedergegebenen Rechtsprechung hervorgeht, dass zwar nach den Feststellungen des Gerichtshofs der Schuldner des gerechten Ausgleichs derjenige ist, der dem Urheber den Nachteil durch Vervielfältigung seines Werks ohne Genehmigung zugefügt hat, und dass daher grundsätzlich dieser verpflichtet ist, dem Urheber den gerechten Ausgleich für den von ihm verursachten Schaden zu zahlen, dass jedoch die Mitgliedstaaten eine Regelung vorsehen können, durch die mit dem gerechten Ausgleich andere Personen belastet werden, insbesondere Personen, die das Trägermaterial den Nutzern zur Verfügung stellen und die dann den Betrag über den Preis für diese Überlassung abwälzen können. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich somit, dass der Umstand, dass mit dem gerechten Ausgleich Personen belastet werden, die verglichen mit den Verbrauchern auf einer höheren Ebene der Vertriebskette angesiedelt sind, für sich genommen nicht gegen das Unionsrecht verstößt.

3.      Zur Vorlagefrage 1 b

42.      Was den zweiten Teil der ersten Vorlagefrage, die Frage 1 b, betrifft, ist unter den Beteiligten unstreitig, dass, wie auch das vorlegende Gericht ausgeführt hat, die in Rede stehende Regelung – vorbehaltlich der bei der Prüfung des dritten Teils der ersten Vorlagefrage erörterten möglichen Rechtfertigung – gegen die Richtlinie in der Auslegung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verstößt, soweit sie die unterschiedslose Anwendung der Abgabe, d. h. die Zahlung des gerechten Ausgleichs für jede Nutzung des Trägermaterials, vorsieht, also auch, wenn das Trägermaterial zu eindeutig anderen Zwecken als der Vervielfältigung genutzt wird, für die die Zahlung des gerechten Ausgleichs geschuldet ist(38).

43.      In dem Vorabentscheidungsersuchen unterscheidet das vorlegende Gericht zwischen drei verschiedenen Kategorien von potenziellen Abnehmern, die das Trägermaterial von demjenigen entgegennehmen, der als Erster zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet ist, also von dem, der das Trägermaterial als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt. Ohne dass die Situation all derer, die als Abnehmer des Trägermaterials in Frage kommen, im Einzelnen untersucht werden müsste, sind meines Erachtens zwei Erwägungen von Bedeutung.

44.      Erstens normiert die in Rede stehende nationale Regelung, wie oben in Nr. 22 ausgeführt, die Pflicht zur Zahlung der angemessenen Vergütung nicht nur im Rahmen der Ausnahme für Privatkopien, die von einer natürlichen Person nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 hergestellt werden, sondern auch für andere Nutzungen zum „eigenen“ Gebrauch, die zu anderen Ausnahmen gemäß der österreichischen Regelung zählen. Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass diese anderen Ausnahmen auf Personen Anwendung finden, die keine natürlichen Personen sind, wie z. B. Bibliotheken oder Forschungseinrichtungen. Deshalb ist es möglich, dass Personen, die keine natürlichen Personen sind, zur Zahlung einer angemessenen Vergütung (die dem gerechten Ausgleich entspricht) verpflichtet sind, weil sie das Trägermaterial zu Zwecken nutzen, für die diese Zahlung zu leisten ist. Im Fall einer Regelung wie der hier in Frage stehenden ist der Umstand, dass die Person, die das Trägermaterial kauft, keine natürliche Person, sondern eine juristische Person ist, nicht geeignet, sie automatisch von der Pflicht zur Zahlung der angemessenen Vergütung zu befreien, und dies verstößt nicht zwangsläufig gegen das Unionsrecht.

45.      Zweitens bedeutet umgekehrt der Umstand, dass eine natürliche Person das Trägermaterial erwirbt, meines Erachtens nicht zwingend, dass diese Person das Trägermaterial für private Zwecke nutzt, so dass zwangsläufig die von der oben in Nr. 32 genannten Rechtsprechung vorgesehene Vermutung zu gelten hätte und die Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs entstünde. Die Frage wird eingehender im Rahmen der zweiten Vorlagefrage untersucht werden, doch halte ich es schon jetzt für wichtig, darauf hinzuweisen, dass es durchaus möglich ist, dass eine natürliche Person das Trägermaterial nicht als privater Verbraucher, sondern als Unternehmer oder Freiberufler erwirbt. Kann jedoch die natürliche Person nachweisen, dass sie das Trägermaterial zu offensichtlich anderen Zwecken als der Herstellung von Privatkopien (oder dem Gebrauch des Trägermaterials zu sonstigen, der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs unterliegenden Zwecken) erworben hat, darf sie meines Erachtens nicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet werden.

4.      Zur Vorlagefrage 1 c

46.      Was den dritten Teil der ersten Vorlagefrage angeht, die Frage 1 c, so liegt hier der Kern der Frage des vorlegenden Gerichts. Die Frage des Gerichts ist im Wesentlichen folgende: Kann eine Regelung der Rückerstattung des gerechten Ausgleichs an denjenigen, der nicht zur Zahlung des Ausgleichs verpflichtet ist, die Rechtswidrigkeit beseitigen, die sich aus der unterschiedslosen Anwendung der Abgabe ergibt, die dem gerechten Ausgleich entspricht?

47.      Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass, wie sich aus Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, das vorlegende Gericht im Vorlagebeschluss klargestellt hat, dass der Anwendungsbereich des Rückerstattungsanspruchs nach § 42b Abs. 6 UrhG nicht auf die beiden im Gesetz ausdrücklich genannten Fälle beschränkt ist, sondern sich auch auf bestimmte andere Fälle erstreckt. Dass sich der Anwendungsbereich der Rechtsvorschrift, die den Rückerstattungsanspruch regelt, auf die vom vorlegenden Gericht angeführten weiteren Fälle erstreckt, ist als ein feststehender Umstand anzusehen(39).

48.      Vorbehaltlich der noch folgenden Ausführungen über die Möglichkeit, sich von vornherein von der Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs zu befreien, kann meines Erachtens eine nationale Rechtsvorschrift, die eine Regelung für die Rückerstattung des gerechten Ausgleichs vorsieht, allerdings nur dann als eventuell mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden, wenn diese Regelung nicht nur für einzelne spezifische Fälle gilt, sondern allgemein für sämtliche Fälle, in denen die Zahlung des gerechten Ausgleichs nicht geschuldet ist, weil die Nutzung des Trägermaterials keine Handlung darstellt, die einen Schaden für den Urheber des Werks begründen kann(40).

49.      Die Zweifel des vorlegenden Gerichts, zu denen sich der Gerichtshof zu äußern hat, bestehen jedoch unabhängig von der Tragweite der Rückerstattungsregelung. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass eine Regelung, die auf einer unterschiedslosen Zahlung des gerechten Ausgleichs und auf einer späteren, allerdings allgemeinen Möglichkeit der Rückerstattung beruhe, die mit der Durchsetzung des Rückerstattungsanspruchs verbundenen Kosten und Risiken auf Personen verlagere, die selbst nicht verpflichtet seien, einen gerechten Ausgleich im Sinne der Richtlinie 2001/29 zu leisten. Diese Personen würden das Trägermaterial zwar für Zwecke nutzen, für die ein gerechter Ausgleich nicht zu leisten sei; sie müssten jedoch zunächst den gerechten Ausgleich zahlen und könnten erst anschließend die Rückerstattung mit dem damit einhergehenden Risiko und Aufwand durchsetzen.

50.      Hinsichtlich dieser Fragen tragen die Kommission wie auch die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns vor, dass die den Mitgliedstaaten verliehene Befugnis, die Form und die Art und Weise der Erhebung des gerechten Ausgleichs festzulegen, nicht so weit gehen dürfe, dass sie für eine Rückerstattungsregelung optieren könnten, die Personen Nachteile auferlege, die nicht unter den Begriff des „gerechten Ausgleichs“ fielen, dessen Definition in der Richtlinie 2001/29 erfolgt sei und nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle. Aus dieser Sicht werde die Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung, die die Erhebung des gerechten Ausgleichs auch dann vorsehe, wenn der von der Rechtsprechung verlangte Zusammenhang zwischen dem gerechten Ausgleich und der Verwendung des Trägermaterials nicht bestehe, durch die Möglichkeit, die Rückerstattung durchzusetzen, nicht aufgehoben.

51.      Aus den Akten geht jedoch hervor, dass in Österreich derjenige, der Trägermaterial als Erster gewerbsmäßig und entgeltlich in den Verkehr bringt, in den Genuss einer Art von „Vorabfreistellung“ von der Pflicht zur Zahlung der angemessenen Vergütung kommen kann, wenn er glaubhaft macht, dass er selbst oder seine Abnehmer das Trägermaterial nicht zu Zwecken verwenden, für die sie die angemessene Vergütung für den eigenen oder privaten Gebrauch zahlen müssten.

52.      Diese „Vorabfreistellung“ kann von Austro‑Mechana gewährt werden, wobei ein von Austro‑Mechana hierfür zur Verfügung gestelltes Formular verwendet wird; sie wird den Unternehmen erteilt, für die von Anfang an mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie keine vergütungspflichtigen Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke vornehmen werden. Nach den Ausführungen von Austro‑Mechana in der mündlichen Verhandlung ergibt sich die Grundlage für diese „Vorabfreistellung“ unmittelbar aus § 42b Abs. 1 UrhG, wonach der Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung nur entsteht, wenn „zu erwarten [ist]“, dass das Werk auf einem Trägermedium vervielfältigt wird. Ist dagegen vernünftigerweise zu erwarten, dass das Trägermedium für andere Zwecke als die Vervielfältigung eines Werks verwendet wird, kommt dieser Anspruch von Anfang an nicht zur Entstehung.

53.      Nach der Rechtsprechung ist der Gerichtshof befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem Gericht ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu entscheiden(41). Aus dieser Sicht wäre meines Erachtens eine Regelung mit der Richtlinie 2001/29 vereinbar, die zum einen die Möglichkeit der Vorabfreistellung von der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs für – natürliche oder juristische – Personen vorsieht, bei denen aufgrund objektiver Umstände – seien es auch nur Indizien – vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Trägermedien zu eindeutig anderen Zwecken als solchen erwerben, die der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs unterliegen(42), und die zum anderen die allgemeine Möglichkeit vorsieht, dass dieser gerechte Ausgleich nachträglich in allen Fällen erstattet wird, in denen der Nachweis erbracht wird, dass die Verwendung des Trägermaterials keine Handlung war, die einen Schaden für den Urheber des Werks begründen kann.

54.      Durch eine solche Regelung kann zum einen die Zahl der Fälle, in denen die eventuell mit der Zahlung des gerechten Ausgleichs verbundenen Risiken und Kosten auf nicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtete Personen verlagert werden, von vornherein auf ein Minimum gesenkt werden und zum anderen die Rückerstattung auch in dem Fall erreicht werden, in dem der gerechte Ausgleich rechtsgrundlos gezahlt wurde. Eine derartige Regelung ist meines Erachtens geeignet, sowohl einen wirksamen und konsequenten Schutz des Urheberrechts als auch einen angemessenen Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Betroffenen zu sichern(43).

55.      Das vorlegende Gericht hat ferner die tatsächlichen Auswirkungen und die Effektivität des Systems der Vorabfreistellung im Ausgangsfall zu prüfen. Zu diesem Zweck hat das vorlegende Gericht insbesondere eine Reihe von Gesichtspunkten zu prüfen, zu denen erstens die Frage gehört, ob sich die Grundlage für die Regelung der Vorabfreistellung, wie von Austro‑Mechana behauptet, tatsächlich aus dem österreichischen Gesetz ergibt, und zweitens, ob Austro‑Mechana aufgrund der in Rede stehenden Rechtsvorschrift objektiv verpflichtet ist, die „Befugnis zur Vorabfreistellung“ wahrzunehmen, oder ob diese Vorschrift ihr bei der Anwendung der betreffenden Befugnis einen gewissen Ermessensspielraum belässt. Letzterenfalls würden sich nämlich zweifellos Fragen ergeben, die die Unabhängigkeit von Austro‑Mechana betreffen, da Austro‑Mechana ein Privatunternehmen ist, das zwar gewisse öffentliche Interessen wahrnimmt, aber ein Interesse an der Entscheidung über die Gewährung der Freistellung hat.

56.      Sollte schließlich das vorlegende Gericht davon ausgehen, dass das System der Vorabfreistellung die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, stellt sich ferner die Frage, ob eine Regelung, die eine allgemeine Rückerstattungsmöglichkeit vorsieht, nicht dennoch als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann, auch wenn sie beinhaltet, dass die mit der Vorauszahlung des gerechten Ausgleichs verbundenen Kosten und Risiken nichtzahlungspflichtigen Personen aufgebürdet werden.

57.      Für die Feststellung, ob eine derartige Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, müsste unter Bezugnahme auf die besonderen Umstände des konkreten Falles eine Abwägung vorgenommen werden zwischen einerseits dem Recht der Urheber auf umfassenden Schutz der mit ihren Werken verbundenen Rechte, einem Recht, das seinen höchsten Ausdruck in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union findet, und andererseits dem Recht der das Trägermaterial vertreibenden Unternehmen, keinen Kosten ausgesetzt zu sein, die von ihnen nicht zu tragen sind, ein Recht, das mit der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta verbunden ist.

58.      Der Gerichtshof hat eigens in Bezug auf die Richtlinie 2001/29 festgestellt, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, bei ihrer Umsetzung darauf zu achten, dass sie sich auf eine Auslegung derselben stützen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit ihr auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinie stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts kollidiert(44).

59.      Hierzu weise ich noch darauf hin, dass der Umstand, dass mit der Zahlung des gerechten Ausgleichs Personen, die zu dieser Zahlung nicht verpflichtet sind, „vorübergehend“ unter der Bedingung belastet werden, dass sie die Zahlung nachträglich zurückverlangen können, aus der im Urteil Padawan dargestellten Regelung folgt. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich anerkannt, dass mit der Zahlung des gerechten Ausgleichs Personen belastet werden können, die nicht die eigentlichen Schuldner des gerechten Ausgleichs sind, ihn jedoch später über die nachfolgenden Erwerber zurückfordern werden(45).

D –    Zur zweiten Vorlagefrage

60.      Das vorlegende Gericht legt dem Gerichtshof die zweite Frage nur für den Fall vor, dass die erste Frage verneint wird. Das Gericht geht davon aus, dass, wenn die erste Frage zu verneinen wäre und es somit die in Rede stehende nationale Regelung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklären müsste, es für eine Entscheidung des Ausgangsverfahrens gleichwohl nach einer Auslegung der Rechtsvorschrift suchen müsste, die mit der Richtlinie 2001/29 vereinbar wäre. Ich stimme mit dieser Auffassung überein(46).

61.      Da ich aufgrund der vorstehenden Erwägungen nun aber zu dem Ergebnis komme, dass die erste Frage bejaht werden kann, braucht, sofern der Gerichtshof dieser Auffassung folgen sollte, die zweite Frage nicht beantwortet zu werden. Nur für den Fall, dass der Gerichtshof einen von meiner Auffassung abweichenden Ansatz vertreten und die erste Vorlagefrage verneinen sollte, führe ich daher wie folgt aus:

62.      Die zweite Vorlagefrage untergliedert sich in zwei Teile. Mit dem ersten Teil (Frage 2.1) möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob ein gerechter Ausgleich im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vorliegt, wenn der Anspruch auf angemessene Vergütung nach der in Rede stehenden nationalen Regelung nur bei einem Inverkehrbringen des Trägermaterials an natürliche Personen besteht, die es für private Zwecke nutzen. Wie von allen Beteiligten, die Erklärungen zur zweiten Frage abgegeben haben, dargelegt worden ist, ist diese Frage zu bejahen. Insoweit genügt der Hinweis, dass sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 ergibt, dass, wenn das Trägermaterial an natürliche Personen in Verkehr gebracht wird, die es für private Zwecke nutzen, die Pflicht zur Erhebung des gerechten Ausgleichs besteht.

63.      Der zweite Teil der zweiten Vorlagefrage (Frage 2.2), der nur zu beantworten ist, wenn der erste Teil bejaht wird, ist dagegen von größerem Interesse. Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob bei einem Inverkehrbringen des Trägermaterials an natürliche Personen bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen ist, dass sie das Trägermaterial für private Zwecke nutzen werden.

64.      Wie sich aus Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, hat der Gerichtshof in dem mehrfach angeführten Urteil Padawan bereits festgestellt, dass, wenn das Trägermaterial natürlichen Personen zu privaten Zwecken überlassen worden ist, vermutet werden kann, dass diese es zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke nutzen. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob diese Vermutung dahin gehend erweitert werden kann, dass, wenn das Trägermaterial natürlichen Personen überlassen worden ist, vermutet werden kann, dass sie es für private Zwecke nutzen (und damit aufgrund der in Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge genannten Vermutung vermutet werden kann, dass sie es zur Vervielfältigung geschützter Werke nutzen).

65.      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Ratio der vom Gerichtshof in den Randnrn. 54 bis 56 des Urteils Padawan anerkannten Vermutung in dem Umstand liegt, dass im konkreten Einzelfall praktisch nicht festgestellt werden kann, ob die natürlichen Personen das erworbene Trägermaterial zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke für private Zwecke nutzen und infolgedessen eine Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs entsteht. Wegen dieser Unmöglichkeit hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn eine natürliche Person das Trägermaterial für private Zwecke erwirbt, vermutet werden kann, dass sie es zur Vervielfältigung geschützter Werke nutzt. Vor diesem Hintergrund meine ich, dass die Vermutung im konkreten Fall ihren Sinne verlöre, wenn nicht bis zum Beweis des Gegenteils vermutet werden könnte, dass eine natürliche Person, die Trägermaterial erwirbt, dieses für private Zwecke nutzen wird. Wäre dies nämlich nicht der Fall, bliebe es bei einem Erwerb von Trägermaterial durch eine natürliche Person ungewiss, zu welchem Zweck sie es nutzen wird und ob somit eine Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleich besteht(47).

66.      In Anbetracht der oben angeführten Ratio ist meines Erachtens der zweite Teil der zweiten Vorlagefrage zu bejahen. Wie bereits in Nr. 45 dieser Schlussanträge ausgeführt, muss jedoch in jedem Fall die Vermutung, dass bei einem Erwerb des Trägermaterials durch eine natürliche Person der Gebrauch des Trägermaterials für private Zwecke erfolgt, widerleglich sein. Die natürliche Person oder die Person, die zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet ist, muss daher die Möglichkeit haben, im Hinblick auf eine eventuelle Vorabfreistellung von der Zahlung des gerechten Ausgleichs oder auf eine eventuelle Rückerstattung dieses Ausgleichs nachzuweisen, dass die natürliche Person das Trägermaterial zu offensichtlich anderen Zwecken als der Herstellung von Privatkopien oder dem Gebrauch des Trägermaterials zu sonstigen, der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs unterliegenden Zwecken erworben hat. In diesem Fall besteht selbstverständlich keine Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs.

E –    Zur dritten Vorlagefrage

1.      Allgemeine Bemerkungen und Zulässigkeit

67.      Mit der dritten Vorlagefrage, die der Gerichtshof zu beantworten hat, wenn die erste Frage oder die Frage 2.1 zu bejahen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob aus Art. 5 der Richtlinie 2001/29 oder anderen Bestimmungen des Unionsrechts folgt, dass der von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machende Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs nicht besteht, wenn die Verwertungsgesellschaft gesetzlich verpflichtet ist, die Hälfte des Erlöses nicht an die Bezugsberechtigten auszuzahlen, sondern sozialen und kulturellen Einrichtungen zu widmen.

68.      Das vorlegende Gericht fragt sich insbesondere, ob die Verpflichtung der Verwertungsgesellschaften nach § 13 VerwGesG, sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen für die Inhaber der Urheberrechte zu schaffen und diesen 50 % der Einnahmen aus der „Leerkassettenvergütung“ zuzuführen, das österreichische System der angemessenen Vergütung unvereinbar mit dem Begriff des gerechten Ausgleichs nach der Richtlinie 2001/29 machen kann. Das vorlegende Gericht hat insoweit unter zwei Gesichtspunkten Bedenken. Zum einen müssten sich die Urheber damit begnügen, dass nur die Hälfte des durch die Nutzung ihrer Werke entstandenen Schadens in Geld abgegolten werde. Zum anderen verweist das vorlegende Gericht auf eine mögliche faktische Ungleichbehandlung der österreichischen und der ausländischen Urheber im Hinblick auf die Möglichkeit, die oben genannten sozialen und kulturellen Einrichtungen zu nutzen.

69.      Bezüglich dieser Vorlagefrage sind vorab zunächst einige Fragen zu klären, die ihre Zulässigkeit betreffen.

70.      Erstens ist meines Erachtens der von der österreichischen Regierung erhobene Einwand zurückzuweisen, die Vorabentscheidungsfrage sei unzulässig, weil sie, wie das vorlegende Gericht selbst ausführe, keine Auswirkungen auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens habe. Nach ständiger Rechtsprechung darf in Anbetracht der Vermutung, die für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, der Gerichtshof die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(48). Aus dem Vorlagebeschluss geht aber ausdrücklich hervor, dass das vorlegende Gericht nicht ausschließt, dass eine etwaige Unvereinbarkeit der nationalen Regelung mit der Richtlinie 2001/29, die nach der Antwort des Gerichtshofs auf die dritte Frage festgestellt werden würde, die Abweisung der Klage im Ausgangsverfahren zur Folge haben kann. Das vorlegende Gericht geht somit offensichtlich davon aus, dass die Frage für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens relevant sein kann. Die Frage ist somit als zulässig anzusehen.

71.      Zweitens ist die dritte Frage dagegen insoweit für unzulässig zu erklären, als sie sich unterschiedslos auf irgendwelche „anderen Bestimmungen des Unionsrechts“ bezieht. Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Frage, die von zu allgemeiner Art ist, nicht sinnvoll beantwortet werden kann(49). Darüber hinaus ist es nach ständiger Rechtsprechung in einem Vorabentscheidungsverfahren unerlässlich, dass das nationale Gericht zum einen die genauen Gründe angibt, aus denen es die Auslegung bestimmter Vorschriften des Gemeinschaftsrechts für fraglich und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs zu diesen Vorschriften für erforderlich hält, und zum anderen ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Unionsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt(50). Hieraus folgt, dass ein allgemeiner und nicht näher begründeter Verweis auf irgendwelche „anderen Bestimmungen des Unionsrechts“, wie er in der dritten Vorlagefrage enthalten ist, nicht als zulässig angesehen werden kann. Diese Auslegung wird im Übrigen bestätigt durch den Wortlaut des in die neue Verfahrensordnung des Gerichtshofs eingeführten Art. 94 Buchst. c, wonach das Vorabentscheidungsersuchen eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt, enthalten muss.

72.      Der Gerichtshof hat folglich ausschließlich über die Gesichtspunkte der Vorlagefrage zu befinden, die die Richtlinie 2001/29 betreffen und im Vorlagebeschluss aufgeführt sind. Der Gerichtshof hat dagegen nicht über verschiedene Argumente der Beteiligten zu befinden, sofern das nationale Gericht insoweit gar keine Fragen gestellt hat(51).

2.      Zur materiellen Prüfung der dritten Vorlagefrage

73.      Was die materielle Prüfung dieser Vorlagefrage betrifft, möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob der eventuelle Verstoß einer nationalen Regelung, nach der die Hälfte des gerechten Ausgleichs nicht unmittelbar an die Urheber, sondern an für diese tätig werdende soziale und kulturelle Einrichtungen zu zahlen ist, gegen die Richtlinie 2001/29 den Schuldner von der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs befreien kann.

74.      Hierzu bemerke ich vorab, dass aus den vom Gerichtshof entwickelten Grundsätzen, die in den Nrn. 27 und 28 der vorliegenden Schlussanträge angeführt sind, hervorgeht, dass der Begriff des gerechten Ausgleichs als der Ersatz des dem Urheber aus der Vervielfältigung seines geschützten Werks ohne Genehmigung entstandenen Schadens definiert wird. Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass aus der Formulierung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 hervorgeht, dass nach dem Unionsrecht der Anspruch des Urhebers auf gerechten Ausgleich unverzichtbar ist. Der Urheber muss daher unbedingt die Zahlung dieses Ausgleichs erhalten(52). Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass die von der genannten Vorschrift vorgesehene Ausnahme eng auszulegen ist und somit nicht über den ausdrücklichen Regelungsinhalt der fraglichen Bestimmung hinaus erweitert werden kann und dass sie daher nicht auf die Vergütungsansprüche des Urhebers angewandt werden kann(53). Darüber hinaus unterliegen die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung einer Ergebnispflicht zur Erhebung des gerechten Ausgleichs, der den Inhabern der verletzten Rechte den im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats entstandenen Schaden ersetzen soll(54).

75.      Eine logische Folge dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist meines Erachtens, dass der – unverzichtbare und unbedingte – Anspruch auf Leistung des gerechten Ausgleichs wirksam sein muss. Eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts, die die Wahrnehmung dieses Anspruchs beschränkt, indem sie den Einzug auch nur eines Teils des Ausgleichs den Bezugsberechtigten vorenthält, ist deshalb mit dem Unionsrecht meiner Ansicht nach nicht vereinbar(55).

76.      Weder in den Vorschriften der Union noch in der Rechtsprechung finde ich jedoch einen Hinweis für die Annahme, dass die Mitgliedstaaten den Urhebern den gerechten Ausgleich insgesamt in Geld auszuzahlen haben oder sie gehindert sind, eine Regelung zu schaffen, nach der ein Teil dieses Ausgleichs in Form eines mittelbaren Ausgleichs geleistet wird. Sieht eine nationale Regelung Formen mittelbaren Ausgleichs für die Urheber vor, widerspricht dies meines Erachtens nicht schon an sich der Definition des gerechten Ausgleichs. Ebenso bin ich der Ansicht, dass es dem Begriff des gerechten Ausgleichs nicht schon an sich zuwiderläuft, wenn ein Teil des Ausgleichs in einer kollektiven Form für sämtliche Urheber erfolgen kann(56).

77.      Eine Regelung, die bestimmen würde, dass die Auszahlung des gerechten Ausgleichs insgesamt in Form eines mittelbaren oder kollektiven Ausgleichs erfolgt, liefe sicherlich Gefahr, gegen das dem Begriff des gerechten Ausgleichs zugrunde liegende Erfordernis der Effektivität zu verstoßen. Die Frage ist jedoch, welchen Umfang ein mittelbarer Ausgleich haben kann, damit die Effektivität des gerechten Ausgleichs sichergestellt ist.

78.      Die Formen und Modalitäten der Verteilung des gerechten Ausgleichs durch die Einrichtungen, die die Zahlungen entgegennehmen, sind im Unionsrecht nicht speziell geregelt, so dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Festlegung über ein gewisses Ermessen in den vom Unionsrecht gezogenen Grenzen verfügen. Es ist jedoch nicht Sache des Gerichtshofs, sich bei der Festsetzung der Formen und Modalitäten an die Stelle der Mitgliedstaaten zu setzen, wenn die Richtlinie 2001/29 diesen insoweit kein anderes Kriterium(57) als das der Effektivität des gerechten Ausgleichs vorgibt.

79.      Was speziell die Tätigkeiten der nach der in Rede stehenden nationalen Regelung geschaffenen und finanzierten Einrichtungen angeht, können Sozialleistungen für die Urheber generell sowie für ihre Familien zweifellos Arten eines mittelbarem Ausgleichs darstellen, die mit dem Begriff des gerechten Ausgleichs und dem Zweck der Richtlinie 2001/29 in Einklang stehen(58). Ähnliche Erwägungen gelten auch für die kulturpolitischen Tätigkeiten, die nicht nur allgemein der Erhaltung und Entwicklung der Kultur im Einklang mit den Zielen des AEUV(59) und des Urheberrechtsschutzes(60), sondern auch unmittelbar den Urhebern selbst in Form einer mehr oder weniger spezifischen Förderung ihrer Werke zugutekommen.

80.      Was die eventuelle Ungleichbehandlung österreichischer und ausländischer Urheber in Bezug auf eventuelle Formen von mittelbarem Ausgleich angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob eine solche Ungleichbehandlung im konkreten Fall vorliegt. Haben jedoch unterschiedslos alle Urheber, österreichische wie ausländische, Zugang zu den sozialen Leistungen und stellen die kulturellen Leistungen eine effektive Form des mittelbaren Ausgleichs dar, der unterschiedslos, wenn auch nicht unbedingt in gleichem Maße, sowohl den nationalen Urhebern als auch den ausländischen Urhebern zugutekommen kann, liegt keine Ungleichbehandlung vor, die die nationale Regelung unvereinbar mit dem Unionsrecht machen könnte.

81.      Um speziell auf die Frage des vorlegenden Gerichts einzugehen, weise ich noch darauf hin, dass, wenn die Frage hinsichtlich der Verteilung des gerechten Ausgleichs dahin gehend zu beantworten wäre, dass der Schuldner von seiner Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs befreit ist, das Ergebnis hiervon wäre, dass der Schaden, der den Urhebern in Bezug auf die verkauften Trägermedien konkret entstanden ist, überhaupt nicht ersetzt würde. Ein solches Ergebnis ist meines Erachtens schon für sich allein nicht mit dem Unionsrecht vereinbar und somit unzulässig(61).

82.      Nach alledem bin ich daher der Auffassung, dass im Rahmen einer nationalen Regelung, nach der die gesamten Erlöse aus der Leistung des gerechten Ausgleichs für die Urheber bestimmt sind, und zwar zur Hälfte in der Form des unmittelbaren Ausgleichs und zur anderen Hälfte in der Form des mittelbaren Ausgleichs, die Vorlagefrage, mit der festgestellt werden soll, ob der Schuldner von seiner Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs befreit ist, verneint werden muss. Im Übrigen ist es Sache des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob und in welchem Umfang die Anwendung der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung tatsächlich einen mittelbaren Ausgleich für die Urheber beinhaltet(62).

F –    Zur vierten Vorlagefrage

83.      Mit der vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 oder eine andere Bestimmung des Unionsrechts dem Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs entgegensteht, wenn bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine entsprechende Vergütung für das Inverkehrbringen des Trägermaterials gezahlt wurde.

84.      Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass dieser Frage die Ausführungen der Gesellschaften des Amazon‑Konzerns, der Beklagten des Ausgangsverfahrens, zugrunde liegen, wonach diese für einen Teil des in Österreich vermarkteten Trägermaterials bereits in Deutschland einen Betrag als gerechten Ausgleich entrichtet hätten. Die Gesellschaften machen demzufolge geltend, dass es sich um eine rechtswidrige doppelte Leistung des gerechten Ausgleichs handele und sie daher nicht verpflichtet seien, diese Leistung in Österreich zu erbringen(63).

85.      Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass gemäß den Erwägungen in den Nrn. 71 und 72 der vorliegenden Schlussanträge auch die vierte Frage insoweit für unzulässig zu erklären ist, als sie sich allgemein auf irgendwelche „anderen Bestimmungen des Unionsrechts“ bezieht. Auch in Bezug auf diese Frage kann der Gerichtshof ausschließlich über die Gesichtspunkte der Vorlagefrage befinden, die im Vorlagebeschluss aufgeführt sind, und darf nicht über Argumente befinden, die die Beteiligten nicht aber das vorlegende Gericht vorgebracht haben.

86.      Zur Begründetheit ist meines Erachtens festzustellen, dass die doppelte Leistung des gerechten Ausgleichs für dasselbe Trägermaterial grundsätzlich unzulässig ist. Aus der oben in den Nrn. 27 und 28 dargestellten und in den vorliegenden Schlussanträgen mehrfach angeführten Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass der gerechte Ausgleich der Ersatz für den Schaden ist, der dem Urheber infolge der nicht genehmigten Vervielfältigung des Werks entstanden ist. Die logische Folgerung aus diesem Verständnis vom gerechten Ausgleich aber ist meines Erachtens, dass in Bezug auf die Nutzung des einzelnen Trägermediums die Entschädigung für die ausgleichspflichtige Vervielfältigung grundsätzlich nur einmal zu erfolgen hat. Es gibt keinen Grund, der die doppelte Zahlung des gerechten Ausgleichs rechtfertigen würde. Die Auffassung der polnischen Regierung, wonach das den Mitgliedstaaten belassene Ermessen mangels Harmonisierung der Regelung des gerechten Ausgleichs der Erhebung einer zweiten Zahlung des gerechten Ausgleichs für dasselbe Trägermaterial nicht entgegenstehe, ist daher nicht vertretbar(64).

87.      Ich weise jedoch, wie im Übrigen schon das vorlegende Gericht, darauf hin, dass der Gerichtshof anerkannt hat, dass zulasten des Mitgliedstaats, in dem der Schaden eingetreten ist, eine Ergebnispflicht besteht, den gerechten Ausgleich zu erheben, um den dem Urheber aus der Nutzung des Werks entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass ein Mitgliedstaat, wenn er die Ausnahme für Privatkopien in seinem nationalen Recht eingeführt hat, und wenn die Endnutzer, die zum privaten Gebrauch die Vervielfältigung eines geschützten Werks vornehmen, in seinem Hoheitsgebiet wohnen, verpflichtet ist, entsprechend seiner territorialen Zuständigkeit eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz des den Inhabern der verletzten Rechte im Hoheitsgebiet dieses Staates entstandenen Schadens zu gewährleisten(65).

88.      Der Gerichtshof hat ferner zum einen entschieden, dass angenommen werden kann, dass der zu ersetzende Schaden im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats entstanden ist, in dem die Endnutzer wohnen, die die Vervielfältigung des Werks vornehmen und daher den Schaden verursachen(66), und zum anderen, dass der Umstand, dass der gewerbliche Verkäufer der Vervielfältigungsmedien in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Käufer wohnen, ohne Einfluss auf diese Ergebnispflicht zulasten der Mitgliedstaaten ist(67).

89.      Im vorliegenden Fall steht fest, dass, da die Trägermedien von den Endnutzern in Österreich erworben wurden, der durch die Leistung des gerechten Ausgleichs zu ersetzende Schaden in Österreich entstanden ist. Nach der oben angeführten Rechtsprechung besteht somit eine Pflicht der österreichischen Behörden, die wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz des den Urhebern in Österreich entstandenen Schadens zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang kann der Schuldner des gerechten Ausgleichs nicht geltend machen, dass er sich von der Pflicht zur Zahlung dieses Ausgleichs in Österreich befreien kann, weil er ihn in einem anderen Mitgliedstaat, in dem der die Zahlung des Ausgleichs rechtfertigende Schaden des Urhebers nicht entstanden ist, bereits entrichtet hat. In einem Fall, in dem eine solche Zahlung in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich erfolgt ist, ist es Sache des Schuldners, in dem betreffenden Mitgliedstaat unter Zuhilfenahme der in dieser Rechtsordnung zur Verfügung stehenden Mittel die Erstattung des betreffenden Betrags zu betreiben.

90.      Die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns machen geltend, sie könnten in Deutschland die Zahlung des gerechten Ausgleichs, die für bestimmte in Österreich später in Verkehr gebrachte Trägermedien bereits geleistet worden seien, nicht zurückverlangen. Der Mitgliedstaat, in dem die nicht geschuldete Zahlung erfolgte, hat jedoch denen, die nicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet sind, eine angemessene Möglichkeit zu gewährleisten, die nicht geschuldeten Leistungen eines gerechten Ausgleichs, gegebenenfalls im Wege der Klage vor den nationalen Gerichten, erstattet zu erlangen.

91.      Sollte im vorliegenden Fall tatsächlich eine doppelte Zahlung des gerechten Ausgleichs erfolgt sein, wäre dies sicherlich eine zu missbilligende Konsequenz der unzureichenden Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf eine fehlende Harmonisierung der Regelung des gerechten Ausgleichs zurückzuführen ist. Es wird Aufgabe des Unionsgesetzgebers sein, tätig zu werden und das Maß an Harmonierung der nationalen Rechtsvorschriften zu erhöhen, um in Zukunft das Entstehen derartiger Situationen zu verhindern(68).

V –    Ergebnis

92.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die ihm vom Obersten Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.      Ein gerechter Ausgleich im Sinne der Richtlinie 2001/29 liegt vor, wenn

a)      die Berechtigten im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 einen ausschließlich durch eine Verwertungsgesellschaft geltend zu machenden Anspruch auf eine angemessene Vergütung unterschiedslos gegen denjenigen haben, der Trägermaterial, das zur Vervielfältigung ihrer Werke geeignet ist, im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt, sofern die Verwertungsgesellschaft für die verschiedenen Rechtsinhaber tatsächlich repräsentativ ist, und

b)      die innerstaatliche Regelung zum einen die Möglichkeit der Vorabfreistellung von der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs für – natürliche oder juristische – Personen vorsieht, bei denen aufgrund objektiver Umstände – seien es auch nur Indizien – vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Trägermedien zu eindeutig anderen Zwecken als solchen erwerben, die der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs unterliegen, und zum anderen die allgemeine Möglichkeit vorsieht, dass dieser gerechte Ausgleich nachträglich in allen Fällen erstattet wird, in denen der Nachweis erbracht wird, dass die Verwendung des Trägermaterials keine Handlung war, die einen Schaden für den Urheber des Werks begründen kann.

2.      Angesichts der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage halte ich es nicht für erforderlich, die zweite Vorlagefrage zu beantworten. Sollte der Gerichtshof eine Antwort für erforderlich erachten, schlage ich vor, wie folgt zu antworten:

2.1.      Ein gerechter Ausgleich im Sinne der Richtlinie 2001/29 liegt vor, wenn der Anspruch auf eine angemessene Vergütung nur bei einem Inverkehrbringen an natürliche Personen besteht, die das Trägermaterial zur Vervielfältigung für private Zwecke nutzen, und

2.2.      bei einem Inverkehrbringen an natürliche Personen ist bis zur Bescheinigung des Gegenteils anzunehmen, dass sie das Trägermaterial zur Vervielfältigung für private Zwecke nutzen werden; es muss möglich sein, im Hinblick auf eine eventuelle Vorabfreistellung von der Zahlung des gerechten Ausgleichs oder auf eine eventuelle Rückerstattung dieses Ausgleichs nachzuweisen, dass die natürliche Person das Trägermaterial zu offensichtlich anderen Zwecken als der Herstellung von Privatkopien oder dem Gebrauch des Trägermaterials zu sonstigen, der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs unterliegenden Zwecken erworben hat.

3.      Aus der Richtlinie 2001/29 folgt nicht, dass der Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs nicht besteht, wenn eine innerstaatliche Rechtsvorschrift vorsieht, dass die gesamten Erlöse aus der Leistung des gerechten Ausgleichs für die Urheber bestimmt sind, und zwar zur Hälfte in der Form des unmittelbaren Ausgleichs und zur anderen Hälfte in der Form des mittelbaren Ausgleichs. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob und in welchem Umfang die Anwendung der nationalen Regelung tatsächlich einen mittelbaren Ausgleich ohne unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Urhebergruppen beinhaltet.

4.      Ist der zu ersetzende Schaden im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entstanden, stehen die Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 dem Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs in diesem Mitgliedstaat auch dann nicht entgegen, wenn bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine entsprechende Vergütung für das Inverkehrbringen des Trägermaterials gezahlt wurde. Der Mitgliedstaat, in dem die nicht geschuldete Zahlung erfolgte, hat jedoch denen, die nicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs verpflichtet sind, eine angemessene Möglichkeit zu gewährleisten, die nicht geschuldeten Leistungen eines gerechten Ausgleichs, gegebenenfalls im Wege der Klage vor den nationalen Gerichten, erstattet zu erlangen.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2–      Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10). Vgl. insbesondere den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie.


3 –      Vgl. den ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 sowie Urteile vom 12. September 2006, Laserdisken (C‑479/04, Slg. 2006, I‑8089, Randnrn. 26 und 31 bis 34), und vom 21. Oktober 2010, Padawan (C‑467/08, Slg. 2010, I‑10055, Randnr. 35).


4 –      Vgl. Erwägungsgründe 5, 6, 7, 39 und 47 der Richtlinie 2001/29 sowie Nr. 29 der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 24. Januar 2013 in der Rechtssache VG Wort, Fujitsu Technology Solutions, Hewlett‑Packard (verbundene Rechtssachen C‑457/11 bis C‑460/11).


5 –      Wegen weiterer Ausführungen und Hinweise hierzu vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 11. Mai 2010 in der Rechtssache Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Nrn. 41 bis 44).


6 –      Vgl. dazu die Ausführungen der Generalanwältin Sharpston in den Nrn. 28 und 30 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache VG Wort u. a. (oben in Fn. 4 angeführt).


7 –      Vgl. insbesondere Urteile Padawan (oben in Fn. 3 angeführt), vom 16. Juni 2011, Stichting de Thuiskopie (C‑462/09, Slg. 2011, I‑5331), und vom 9. Februar 2012, Luksan (C‑277/10).


8 –      Abgesehen von der vorliegenden Rechtssache und den Rechtssachen VG Wort u. a. (oben in Fn. 4 angeführt) wird der Gerichtshof in naher Zukunft über Vorlagefragen bezüglich des gerechten Ausgleichs im Sinne der Richtlinie 2001/29 in den Rechtssachen ACI Adam BV (C‑435/12) und Copydan Båndkopi (C‑463/12) zu entscheiden haben.


9–      Vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 5. Dezember 2012 (Memo/12/950). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gerade die Frage des gerechten Ausgleichs, die Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, von der Kommission als eine der schwierigeren Fragen des Urheberrechts bezeichnet wurde, für die ein sofortiger Handlungsbedarf bestehe.


10 –      Darüber hinaus knüpft Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29 die Einführung der Ausnahme für Privatkopien ebenso wie die der in den Abs. 1 bis 4 des genannten Artikels vorgesehenen anderen Ausnahmen und Beschränkungen an drei Voraussetzungen, nämlich erstens, daran, dass diese Ausnahmen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, zweitens, dass die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigt wird, und drittens, dass die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.


11 –      Urheberrechtsgesetz vom 9. April 1936 (BGBl. Nr. 111/1936) in der später geänderten Fassung. Die gegenwärtig geltenden Fassungen der §§ 42 und 42b UrhG wurden 2003 durch die Urheberrechtsgesetz‑Novelle 2003 (BGBl. I Nr. 32/2003) geändert, die zur Umsetzung der Richtlinie 2001/29 in das österreichische Recht erlassen wurde.


12 –      Gesetz vom 13. Januar 2006 (BGBl. I Nr. 9/2006).


13 –      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das bei ihm anhängige Verfahren zwar nur die Frage betreffe, ob eine Pflicht zur Rechnungslegung zum Zweck der Bezifferung des Zahlungsantrags bestehe, diese Frage jedoch eng mit der Frage verbunden sei, ob ein Anspruch auf Zahlung der angemessenen Vergütung gemäß der österreichischen Rechtsvorschrift bestehe.


14 –      Der Begriff „gerechter Ausgleich“ wird in verschiedenen Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 verwendet. Abgesehen von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie, auf den sich das vorlegende Gericht in seinen Vorlagefragen bezieht, wird der gerechte Ausgleich zugunsten der Rechtsinhaber ausdrücklich auch in Bezug auf die Ausnahmen nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und e sowie in mehreren Erwägungsgründen der Richtlinie angeführt.


15 –      Es handelt sich insbesondere um die Fälle des eigenen Gebrauchs für Zwecke der Forschung, der journalistischen Berichterstattung, des Unterrichts in Schulen und Universitäten sowie zu Zwecken des öffentlichen Verleihwesens. Vgl. § 42 Abs. 2, 3, 6 und 7 UrhG.


16 –      Aus dem 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 ergibt sich nämlich, dass die Mitgliedstaaten einen gerechten Ausgleich für die Rechtsinhaber auch in den Fällen vorsehen können, in denen sie die fakultativen Bestimmungen über die Ausnahmen oder Beschränkungen, die einen derartigen Ausgleich nicht vorschreiben, anwenden.


17 –      Bezüglich der Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit der Richtlinie 2001/29 verweise ich auf die Erwägungen der Generalanwältin Sharpston in den Nrn. 37 und 38 der Schlussanträge in der Rechtssache VG Wort u. a. (oben in Fn. 4 angeführt).


18 –      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Ausnahmen nach § 42 Abs. 2, 3, 6 und 7 UrhG zwar bestimmten Ausnahmen nach Art. 5 der Richtlinie 2001/29 ähneln (vgl. insbesondere Art. 5 Abs. 2 Buchst. c und Abs. 3 Buchst. a und c), jedoch nicht genau mit ihnen übereinstimmen. Da sie jedoch alle voraussetzen, dass die Nutzung des Werks zu den angegebenen Zwecken „zum eigenen Gebrauch“ erfolgt, ist der Anwendungsbereich dieser Ausnahmen offensichtlich enger als der der in der Richtline vorgesehenen Ausnahmen.


19–      Vgl. Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 33 und 37).


20 –      Vgl. Urteile Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 40 und 42) und Stichting de Thuiskopie (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 24). Vgl. hierzu 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, aus dem hervorgeht, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände eines jeden Falles der sich aus der Nutzung des Schutzgegenstands für die Inhaber des Urheberrechts ergebende Schaden als brauchbares Kriterium für die Ausnahmen oder Beschränkungen herangezogen werden kann, für die ein gerechter Ausgleich vorgesehen ist, und somit nicht nur für den Fall der Ausnahme für Privatkopien.


21 –      Vgl. Urteile Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 43) und Stichting de Thuiskopie (oben in Randnr. 7 angeführt, Randnr. 25).


22 –      Vgl. Urteile Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 44 und 45) und Stichting de Thuiskopie (oben in Randnr. 7 angeführt, Randnr. 26).


23–      Vgl. 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29.


24 –      Vgl. Urteile Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 46) und Stichting de Thuiskopie (oben in Randnr. 7 angeführt, Randnr. 27).


25 –      Vgl. Urteile Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 48 und 49) und Stichting de Thuiskopie (oben in Randnr. 7 angeführt, Randnr. 28).


26–      Vgl. Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 52 und 53).


27–      Vgl. Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 54 bis 56).


28 –      Vgl. insbesondere Randnr. 53 des Urteils und oben, Nr. 31.


29 –      Das vorlegende Gericht führt auch den Fall an, dass eine unzulässige Vervielfältigung unter Verletzung des Urheberrechts erfolgt, für die nach Auffassung des Gerichts ein Anspruch auf Rückerstattung des gerechten Ausgleichs offensichtlich nicht bestehen kann. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, aus Art. 5 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie lasse sich nicht herleiten, dass die Vorschrift der Zahlung eines gerechten Ausgleichs für diese Art rechtswidrigen Handelns entgegenstehe. Meines Erachtens braucht für die vorliegende Rechtssache nicht über das Verhältnis zwischen rechtswidrigen Kopien und gerechtem Ausgleich entschieden zu werden. Mit dieser Frage wird sich der Gerichtshof in den Rechtssachen ACI Adam BV und Copydan Båndkopi (oben in Fn. 8 angeführt) befassen. Keine Grundlage sehe ich indessen für das Vorbringen der Gesellschaften des Amazon‑Konzerns, mit dem geltend gemacht wird, die in Frage stehende nationale Regelung sei rechtwidrig, weil aufgrund dieser Vorschrift ein gerechter Ausgleich für den Schaden verlangt werden könne, der dem Urheber durch die rechtswidrige Herstellung von Vervielfältigungsstücken eines Werks entstanden sei.


30 –      Vgl. 36. Erwägungsgrund der Richtlinie, wiedergegeben in Fn. 16.


31 –      Das vorlegende Gericht ist nämlich der Ansicht, dass, wer das Trägermaterial verwende, um selbst erzeugte Daten zu speichern, sich nicht schlechter stehen könne als derjenige, der das Trägermaterial dazu verwende, Daten Dritter mit deren Zustimmung zu vervielfältigen.


32–      ABl. L 376, S. 28. Diese Richtlinie hat die Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61) aufgehoben.


33 –      Urteil vom 6. Februar 2003, SENA (C‑245/00, Slg. 2003, I‑1251, Randnrn. 22 und 24).


34 –      Vgl. Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 37) und oben, Nr. 26.


35 –      Dies ist sogar ausdrücklich im 38. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 vorgesehen, der die Möglichkeit vorsieht, dass „Vergütungsregelungen“ eingeführt oder beibehalten werden, die einen gerechten Ausgleich herstellen sollen. Aus der Rechtsprechung ergibt sich ferner, dass der Begriff „Vergütung“ denselben Zweck verfolgt wie der Begriff „Ausgleich“, also die Einführung einer Entschädigung für die Urheber zum Ausgleich eines ihnen entstandenen Schadens. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Juni 2011, VEWA (C‑271/10, Slg. 2011, I‑5815, Randnr. 29), und Luksan (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 34).


36–      Vgl. Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 37).


37 –      Sie ermöglicht nämlich ein System, das die Erhebung und Verteilung dieser Einnahmen grundsätzlich sowohl für die Rechtsinhaber als auch für die zur Zahlung Verpflichteten vereinfacht.


38 –      Vgl. oben, Nrn. 31 und 34; vgl. Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 53).


39 –      Nach ständiger Rechtsprechung obliegt die Auslegung nationaler Vorschriften im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Systems der richterlichen Zusammenarbeit den Gerichten der Mitgliedstaaten und nicht dem Gerichtshof. Vgl. z. B. Urteil vom 15. November 2007, International Mail Spain (C‑162/06, Slg. 2007, I‑9911, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


40–      Vgl. oben, Nr. 28.


41 –      Aus der umfangreichen Rechtsprechung hierzu vgl. Urteil vom 16. Februar 2012, Varzim Sol (C‑25/11, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


42 –      Was das Vorbringen der Gesellschaften des Amazon-Konzerns angeht, wonach die Möglichkeit einer „Vorabfreistellung“ im Vorlagebeschluss nicht angesprochen werde, so ergibt sich sowohl aus den Akten als auch aus der Erörterung in der mündlichen Verhandlung, dass die Wirkungen des gesetzlich vorgesehenen Rückerstattungssystems, auf das sich der dritte Teil der ersten Vorlagefrage bezieht, in der Praxis durch das Vorhandensein der Möglichkeit einer Vorabfreistellung stark eingeschränkt sind. Das Vorhandensein dieser Möglichkeit – ein Umstand, der aus den Akten eindeutig hervorgeht – ist daher meines Erachtens ein rechtlicher und tatsächlicher Umstand, der bei der Prüfung durch den Gerichtshof nicht außer Acht gelassen werden darf.


43–      Vgl. Erwägungsgründe 9 und 31 der Richtlinie 2001/29.


44 –      Vgl. Urteile vom 29. Januar 2008, Promusicae (C‑275/06, Slg. 2008, I- 271, Randnr. 68), und jüngst zu anderen Richtlinien vom 19. April 2012, Bonnier Audio u. a. (C‑461/10, Randnr. 56).


45 – Urteil Padawan (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 46). Eine solche Belastung könnte der Sache nach als „Preis“ für einen effektiven Schutz des Urheberrechts angesehen werden.


46 –      Die Gesellschaften des Amazon‑Konzerns widersprechen der Auffassung des vorlegenden Gerichts mit der Begründung, sie verstoße gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Der Gerichtshof hat jedoch ausdrücklich festgestellt, dass in Anbetracht der dem Mitgliedstaat obliegenden Ergebnispflicht, den geschädigten Urhebern die tatsächliche Zahlung eines gerechten Ausgleichs als Ersatz des in ihrem Hoheitsgebiet entstandenen Schadens zu gewährleisten (siehe unten, Nrn. 74 a. E. und 87), „es Sache der … Gerichte [ist], sich um eine Auslegung des nationalen Rechts zu bemühen, die im Einklang mit dieser Ergebnispflicht steht und die Erhebung dieses Ausgleichs bei dem Verkäufer gewährleistet, der zur Einfuhr dieser Träger dadurch beigetragen hat, dass er sie den Endnutzern zur Verfügung stellt“ (vgl. Urteil Stichting de Thuiskopie, oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 39). Die Auffassung des vorlegenden Gerichts ist somit nicht zu beanstanden; sie entspricht vielmehr in vollem Umfang der Rechtsprechung des Gerichtshofs.


47 –      Außer in dem wenig wahrscheinlichen Fall, dass die natürliche Person vor dem Erwerb planmäßig erklärt, welchen Gebrauch sie von dem Trägermaterial machen wird. De lege ferenda ist nicht ausgeschlossen, dass Methoden Anwendung finden könnten, durch die eine natürliche Person zur Abgabe einer solchen Erklärung verpflichtet werden könnte, so dass auf die Vermutung nicht zurückgegriffen werden müsste. Außerdem könnte die Anwendung der Vermutung zukünftig durch die Entwicklung oder den Ausbau technischer Methoden des Vertriebs der Werke an Bedeutung verlieren. Solche Erwägungen gehen jedoch meines Erachtens über den Kontext der vorliegenden Rechtssache hinaus, der innerhalb des bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Rahmens liegt.


48 –      Zur umfangreichen Rechtsprechung in diesem Sinne vgl. jüngst die Urteile vom 28. Februar 2012, Inter‑Environnement Wallonie und Terre wallonne ASBL (C‑41/11, Randnr. 35), und vom 29. März 2012, SAG ELV Slovensko u. a. (C‑599/10, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49 –      Urteil vom 28. März 1979, Beneventi (222/78, Slg. 1979, 1163, Randnr. 20).


50 –      Beschluss vom 3. Mai 2012, Ciampaglia (C‑185/12, Randnr. 5 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Urteil vom 27. November 2012, Pringle (C‑370/12, Randnr. 84).


51 –      Urteile vom 11. Oktober 1990, Nespoli und Crippa (C‑196/89, Slg. 1990, I‑3647, Randnr. 23), und vom 16. September 1999, WWF u. a. (C‑435/97, Slg. 1999, I‑5613, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


52–      Vgl. Urteil Luksan (oben in Fn. 7 angeführt, Randnrn. 100, 105 und 108). Hervorhebung nur hier.


53–      Vgl. Urteil Luksan (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 101).


54 –      Urteile Stichting de Thuiskopie (oben in Fn. 7 angeführt, Randnrn. 34 und 36), und Luksan (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 106). Siehe hierzu insbesondere unten, Nr. 87.


55 –      Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Generalanwältin Trstenjak in den Nrn. 168 bis 177 ihrer Schlussanträge vom 6. September 2011 in der Rechtssache Luksan (oben in Fn. 7 angeführt).


56 –      Was den etwaigen Einwand betrifft, eine solche Regelung berücksichtige nicht ausreichend den individuellen Zusammenhang zwischen dem Schaden, der dem einzelnen Urheber entstanden sei, und dem ihm zustehenden Ausgleich, so kann hierauf entgegnet werden, dass, wie von der Kommission ausgeführt, eine Vergütungsregelung für Privatkopien eine notwendigerweise ungenaue Regelung ist, da, wie in Nr. 65 dieser Schlussanträge dargelegt, im Augenblick der praktischen Anwendung nicht festgestellt werden kann, welches Werk von welchem Nutzer mit Hilfe welchen Trägermediums vervielfältigt wurde.


57 –      Vgl. entsprechend Urteil VEWA (oben in Fn. 35 angeführt, Randnr. 35), zu den Kriterien für die Festlegung des Betrags der den Urhebern im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldeten Vergütung nach der Richtlinie 92/100 (oben in Fn. 32 angeführt).


58 –      Bezeichnend scheint mit insoweit der Hinweis im elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 auf den Umstand zu sein, dass eines der Ziele einer rigorosen und wirksamen Regelung zum Schutz der Urheberrechte die Wahrung der Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler ist.


59 – Vgl. Art. 167 Abs. 1 AEUV.


60 –      Vgl. z. B. Erwägungsgründe 9 und 11 der Richtlinie 2001/29 sowie dritter Erwägungsgrund und Art. 6 der Richtlinie 2006/115.


61 –      Dass die Erhebung des gerechten Ausgleichs im konkreten Fall tatsächlich gewährleistet sein muss, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig hervor (vgl. Randnr. 39 des Urteils Stichting de Thuiskopie, oben in Fn. 7 angeführt).


62 –      Sollte das vorlegende Gericht tatsächlich feststellen, dass Teile der Erlöse aus der Leistung des gerechten Ausgleichs nicht als mittelbare Ausgleichsleistungen zugunsten der Urheber verwendet werden, ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht die Klageforderungen gegebenenfalls teilweise abweisen kann.


63 –      In seinem Beschluss weist das vorlegende Gericht jedoch darauf hin, dass streitig ist, ob in Deutschland für Material, das später in Österreich in Verkehr gebracht wurde, tatsächlich bereits Zahlungen eines gerechten Ausgleichs geleistet wurden. Das Erstgericht konnte eine solche Zahlung nicht feststellen und das Berufungsgericht ließ diese Frage offen, da es sie für die Entscheidung des Rechtsstreits für irrelevant hielt.


64 –      Dieses Argument scheint mir ein Beispiel dafür zu sein, wie mangels Harmonisierung der Regelung des gerechten Ausgleichs höchst unterschiedliche und miteinander nicht vereinbare Auffassungen auf nationaler Ebene vertreten werden können.


65 –      Urteile Stichting de Thuiskopie (oben in Fn. 7 angeführt, Randnrn. 34 und 36), und Luksan (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 106). Diese grundsätzliche Feststellung hängt meines Erachtens nicht davon ab, ob in dem fraglichen Fall der gerechte Ausgleich bereits gezahlt wurde. Das von den Gesellschaften des Amazon‑Konzerns vorgebrachte Argument, dass diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil der gerechte Ausgleich bereits in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt worden sei, ist daher nicht relevant.


66–      Urteil Stichting de Thuiskopie (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 35).


67–      Urteil Stichting de Thuiskopie (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 41).


68 –      Unter diesem Blickwinkel sind meines Erachtens angesichts des späteren Urteils des Gerichtshofs die Ausführungen des Generalanwalts Jääskinen in Nr. 55 seiner Schlussanträge vom 10. März 2011 in der Rechtssache Stichting de Thuiskopie (oben in Fn. 7 angeführt) zu verstehen.