Language of document : ECLI:EU:C:2017:213

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. März 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III) – Art. 28 Abs. 2 – Inhaftnahme zum Zweck der Überstellung – Art. 2 Buchst. n – Erhebliche Fluchtgefahr – Objektive Kriterien – Fehlen einer Legaldefinition“

In der Rechtssache C‑528/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 24. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Oktober 2015, in dem Verfahren

Policie ČR, Krajské ředitelství policie Ústeckého kraje, odbor cizinecké policie

gegen

Salah Al Chodor,

Ajlin Al Chodor,

Ajvar Al Chodor

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Policie ČR, Krajské ředitelství policie Ústeckého kraje, odbor cizinecké policie, vertreten durch D. Franc,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und S. Šindelková als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki als Bevollmächtigte,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon als Bevollmächtigten im Beistand von M. Gray, Barrister,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande, M. Šimerdová und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. November 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31, im Folgenden: Dublin‑III-Verordnung), in Verbindung mit Art. 2 dieser Verordnung.

2        Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens über eine Kassationsbeschwerde der Policie ČR, Krajské ředitelství Ústeckého kraje, odbor cizinecké policie (Polizei der Tschechischen Republik, Regionalpolizeidirektion der Region Ústi nad Labem [Aussig], Referat Fremdenpolizei, im Folgenden: Fremdenpolizei), mit der sich die Fremdenpolizei gegen die Aufhebung ihrer Entscheidung, Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor zum Zweck ihrer Übergabe an Ungarn für einen Zeitraum von 30 Tagen in Haft zu nehmen, durch ein unterinstanzliches Gericht wendet.

 Rechtlicher Rahmen

 EMRK

3        Die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) sieht in Art. 5 („Recht auf Freiheit und Sicherheit“) vor:

„(1)      Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f)      rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. …“

 Unionsrecht

 Charta

4        Gemäß Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) hat „[j]eder Mensch … das Recht auf Freiheit und Sicherheit“.

5        In Art. 52 („Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze“) heißt es:

„(1)      Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

(3)      Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.

…“

 Dublin‑III-Verordnung

6        Der neunte Erwägungsgrund dieser Verordnung lautet:

„Angesichts der Bewertungsergebnisse in Bezug auf die Umsetzung der Instrumente der ersten Phase empfiehlt es sich in dieser Phase, die der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 [des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50, S. 1)] zugrunde liegenden Prinzipien zu bestätigen und angesichts der bisherigen Erfahrungen gleichzeitig die notwendigen Verbesserungen mit Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems und den auf der Grundlage dieses Systems gewährten Schutz der Antragsteller vorzunehmen. Da ein gut funktionierendes Dublin-System für das [Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)] von großer Bedeutung ist, sollten seine Grundlagen und seine Funktionsweise im Zuge des Aufbaus anderer Instrumente des GEAS und der Solidarität der Union überprüft werden. Es sollte ein umfassender ‚Eignungstest‘, d. h. eine faktengestützte Überprüfung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Dublin-Systems, einschließlich seiner Auswirkungen auf die Grundrechte[,] durchgeführt werden.“

7        Der 20. Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung sieht vor:

„Die Inhaftnahme von Antragstellern sollte nach dem Grundsatz erfolgen, wonach eine Person nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil sie um internationalen Schutz nachsucht. Die Haft sollte so kurz wie möglich dauern und den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen. Insbesondere muss die Inhaftnahme von Antragstellern im Einklang mit Artikel 31 der Genfer Konvention stehen. Die in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in Bezug auf eine in Haft genommene Person sollten vorrangig schnellstmöglich angewandt werden. Hinsichtlich der allgemeinen Garantien sowie der Bedingungen für die Inhaftnahme sollten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls die Bestimmungen der Richtlinie 2013/33/EU [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. 2013, L 180, S. 96)] auch auf Personen anwenden, die aufgrund dieser Verordnung in Haft genommen wurden.“

8        In Art. 2 („Definitionen“) der Dublin‑III-Verordnung heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

n)      ‚Fluchtgefahr‘ das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.“

9        In Art. 28 („Haft“) der Verordnung ist vorgesehen:

„(1)      Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2)      Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren … dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle[,] dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3)      Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

…“

 Richtlinie 2013/33

10      In Art. 8 der Richtlinie 2013/33 (im Folgenden: Aufnahmerichtlinie) heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie ein Antragsteller im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes [(ABl. 2013, L 180, S. 60)] ist.

(2)      In Fällen, in denen es erforderlich ist, dürfen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3)      Ein Antragsteller darf nur in Haft genommen werden,

f)      wenn dies mit Artikel 28 der [Dublin‑III-]Verordnung … in Einklang steht.

Haftgründe werden im einzelstaatlichen Recht geregelt.

…“

 Tschechisches Recht

11      § 129 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 326/1999 über den Aufenthalt von Ausländern im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik und zur Änderung einiger Gesetze (im Folgenden: Ausländeraufenthaltsgesetz) sah vor:

„Die Polizei nimmt einen Ausländer, der unberechtigt ins Hoheitsgebiet eingereist ist oder sich unberechtigt dort aufhält, zum Zweck seiner Überstellung gemäß einem internationalen Vertrag, der mit einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union vor dem 13. Januar 2009 geschlossen worden ist, oder einer unmittelbar anwendbaren Rechtsvorschrift der Europäischen Gemeinschaft so lange wie unbedingt erforderlich in Haft.“

12      Zum Zeitpunkt der Verkündung der Vorlageentscheidung war ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung dieses Artikels im Gange, das zur Ergänzung dieses Artikels um einen Abs. 4 mit dem nachstehenden Wortlaut führte:

„Die Polizei entscheidet nur dann, einen Ausländer zum Zweck seiner Überstellung in einen durch eine unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift der Europäischen Union gebundenen Staat in Haft zu nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht. Eine erhebliche Fluchtgefahr ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Ausländer unberechtigt im Hoheitsgebiet aufgehalten hat, sich bereits zuvor der Überstellung in einen durch eine unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift der Europäischen Union gebundenen Staat entzogen oder zu flüchten versucht hat oder seine Absicht zum Ausdruck gebracht hat, eine bestandskräftige Entscheidung über die Überstellung in einen durch eine unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift der Europäischen Union gebundenen Staat nicht zu beachten, oder eine solche Absicht aufgrund seines Handelns offensichtlich ist. Eine erhebliche Fluchtgefahr ist des Weiteren anzunehmen, wenn ein Ausländer, der in einen durch eine unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift der Europäischen Union gebundenen, nicht unmittelbar an die Tschechische Republik angrenzenden Staat überstellt werden wird, nicht rechtmäßig selbständig in diesen Staat reisen und keine Adresse eines Aufenthaltsorts im Hoheitsgebiet angeben kann.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

13      Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor, die irakische Staatsangehörige sind, begaben sich in die Tschechische Republik, wo sie am 7. Mai 2015 von der Polizei kontrolliert wurden. Da sie kein Dokument zum Nachweis ihrer Identität vorlegten, wurden sie von der Fremdenpolizei vernommen.

14      Bei ihrer Anhörung gaben sie an, sie seien kurdische Volkszugehörige, und ihr Dorf sei von Kämpfern der Terrororganisation Islamischer Staat besetzt worden. Sie seien über die Türkei nach Griechenland gelangt, von wo aus sie ihre Reise in einem Lastkraftwagen fortgesetzt hätten. In Ungarn seien sie von der Polizei festgenommen worden, und es seien ihnen Fingerabdrücke abgenommen worden. Herr Salah Al Chodor erklärte, er habe bei dieser Gelegenheit einige Dokumente unterschrieben. Am darauffolgenden Tag hätten die ungarischen Behörden sie zum Bahnhof gebracht und in ein Flüchtlingslager überführt. Sie hätten das Lager nach zwei Tagen verlassen, um zu Familienangehörigen in Deutschland zu reisen.

15      Nachdem die tschechische Fremdenpolizei Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor in der Tschechischen Republik festgenommen hatte, fragte sie die Eurodac-Datenbank ab und stellte fest, dass diese in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatten.

16      Die Fremdenpolizei war der Ansicht, dass erhebliche Fluchtgefahr bestehe, da Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor für die Zeit bis zu ihrer Überstellung nach Ungarn in der Tschechischen Republik weder im Besitz eines Aufenthaltstitels seien noch über eine Unterkunft verfügten. Außerdem hätten sie ungeachtet des ihnen insoweit auferlegten Verbots das Flüchtlingslager in Ungarn verlassen, um sich nach Deutschland zu begeben, ohne davor die Entscheidung über ihren Asylantrag abzuwarten. Die Fremdenpolizei nahm Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor daher gemäß § 129 Abs. 1 des Ausländeraufenthaltsgesetzes in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung bis zu ihrer Überstellung nach Ungarn für 30 Tage in Haft.

17      Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor klagten gegen die Entscheidung, mit der ihre Inhaftnahme angeordnet worden war. Der Krajský soud v Ústí nad Labem (Regionalgericht Ústí nad Labem [Aussig], Tschechische Republik) hob diese Entscheidung auf, weil er der Ansicht war, dass in den tschechischen Rechtsvorschriften keine objektiven Kriterien zur Beurteilung einer Fluchtgefahr im Sinne von Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung festgelegt seien. Dieses Gericht sah die Inhaftnahme daher als rechtswidrig an. Es stützte sich außerdem auf zwei von Gerichten anderer Mitgliedstaaten erlassene Urteile, die in dieselbe Richtung gingen, nämlich ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Deutschland) (Bundesgerichtshof, 26. Juni 2014, V ZB 31/14) und ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) (Verwaltungsgerichtshof, 19. Februar 2015, RO 2014/21/0075-5).

18      Infolge der Aufhebung der Entscheidung der Fremdenpolizei wurden Salah, Ajlin und Ajvar Al Chodor freigelassen. Sie verließen die Tschechische Republik mit unbekanntem Ziel.

19      Die Fremdenpolizei legte beim Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) eine Kassationsbeschwerde gegen das Urteil des Krajský soud v Ústí nad Labem (Regionalgericht Ústí nad Labem) ein. Nach ihrer Ansicht kann die bloße Tatsache, dass sich in den tschechischen Rechtsvorschriften keine objektiven Kriterien finden, um zu bestimmen, wann Fluchtgefahr besteht, noch nicht die Nichtanwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung rechtfertigen. Nach dieser Bestimmung sei die Fluchtgefahr im Licht dreier Voraussetzungen zu prüfen: Es sei eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Umstände des Anlassfalls vorzunehmen, Haft müsse verhältnismäßig sein und die Anwendung einer weniger einschneidenden Maßnahme müsse sich als unmöglich erweisen. Die Fremdenpolizei habe diese Voraussetzungen beachtet.

20      Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung in Verbindung mit ihrem Art. 2 Buchst. n und/oder § 129 Abs. 1 des Ausländeraufenthaltsgesetzes eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellen, wenn sich in den nationalen Rechtsvorschriften keine objektiven Kriterien finden, anhand deren sich bestimmen lässt, wann eine erhebliche Fluchtgefahr besteht.

21      Es hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Sprachfassungen von Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung voneinander abwichen. Gemäß der deutschen und der französischen Fassung dieser Bestimmung seien die objektiven Kriterien zur Beurteilung einer Fluchtgefahr gesetzlich festzulegen; in anderen Sprachfassungen heiße es, dass diese Kriterien „rechtlich“ festzulegen seien, so dass sich die Bedeutung der Worte „gesetzlich festgelegt“ nicht eindeutig aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ableiten lasse. Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Begriff „Gesetz“ in dem Sinne weit auslege, dass er nicht auf gesetzliche Vorschriften beschränkt sei, sondern auch andere Rechtsquellen einschließe (EGMR, 24. April 1990, Kruslin/Frankreich, CE:ECHR:1990:0424JUD001180185, § 29). Im Zusammenhang mit der Inhaftnahme illegal aufhältiger Personen ergebe sich aus dem Urteil des EGMR vom 9. Juli 2009, Mooren/Deutschland (CE:ECHR:2009:0709JUD001136403, §§ 76 und 90 bis 97), dass die Qualität der Rechtsgrundlage insbesondere im Hinblick auf ihre Klarheit, ihre Zugänglichkeit und ihre Vorhersehbarkeit zu beurteilen sei.

22      Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob die Anerkennung objektiver Kriterien, auf deren Grundlage Personen gemäß § 129 des Ausländeraufenthaltsgesetzes in Haft genommen werden könnten, in seiner ständigen Rechtsprechung dem Erfordernis einer „gesetzlichen“ Festlegung im Sinne von Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung genügen könne, soweit mit dieser Rechtsprechung eine ständige Verwaltungspraxis der Fremdenpolizei bestätigt werde, die sich durch das Fehlen willkürlicher Elemente, die Vorhersehbarkeit und eine individuelle Beurteilung eines jeden Einzelfalls auszeichne.

23      Unter diesen Umständen hat der Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Hat die bloße Tatsache, dass im Gesetz keine objektiven Kriterien für die Beurteilung, ob bei einem Ausländer eine erhebliche Fluchtgefahr (im Sinne von Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung) besteht, festgelegt worden sind, die Nichtanwendbarkeit des Instruments der Inhaftnahme nach Art. 28 Abs. 2 dieser Verordnung zur Folge?

 Zur Vorlagefrage

24      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 2 Buchst. n in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten aufgrund dieser Bestimmungen verpflichtet sind, im einzelstaatlichen Gesetzesrecht die objektiven Kriterien festzulegen, auf denen die Gründe beruhen, die zu der Annahme Anlass geben, dass sich eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (im Folgenden: Antragsteller) und gegen die ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte, und ob das Fehlen dieser Kriterien im einzelstaatlichen Gesetzesrecht die Nichtanwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 dieser Verordnung zur Folge hat.

25      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Dublin‑III-Verordnung es gemäß ihrem Art. 28 Abs. 2 ermöglicht, zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, Antragsteller in Haft zu nehmen, und zwar nach einer Einzelfallprüfung und nur in dem Fall, dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Nach Art. 2 Buchst. n dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Fluchtgefahr“ das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich der Betreffende einem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

26      Die Fremdenpolizei und die tschechische Regierung machen einleitend geltend, dass eine Verordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar gelte und dass es folglich keiner vorherigen Umsetzung in das innerstaatliche Recht bedürfe. Dementsprechend werde der nationale Gesetzgeber durch Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung nicht verpflichtet, solche objektiven Kriterien für das Vorliegen von Fluchtgefahr in einem nationalen Gesetz festzuschreiben.

27      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Verordnungen nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach Art. 288 AEUV und aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen haben, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären. Allerdings kann es vorkommen, dass manche Bestimmungen einer Verordnung zu ihrer Durchführung des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2011, Vlaamse Dierenartsenvereniging und Janssens, C‑42/10, C‑45/10 und C‑57/10, EU:C:2011:253, Rn. 47 und 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Dies trifft auf Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung zu, der ausdrücklich verlangt, dass die objektiven Kriterien für das Vorliegen von Fluchtgefahr „gesetzlich festgelegt“ werden. Da diese Kriterien weder in der genannten Verordnung noch in einem anderen Unionsrechtsakt festgelegt wurden, ist es im Zusammenhang mit dieser Verordnung Sache des einzelstaatlichen Rechts, sie aufzustellen. Bestätigt wird dieser Befund zudem durch eine Zusammenschau von Art. 8 Abs. 3 Buchst. f der Aufnahmerichtlinie, wonach ein Antragsteller gemäß Art. 28 der Dublin‑III-Verordnung in Haft genommen werden kann, und dem letzten Unterabsatz dieses Art. 8 Abs. 3, der klarstellt, dass die Haftgründe im einzelstaatlichen Recht geregelt werden. Ferner heißt es im 20. Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich der allgemeinen Garantien im Bereich der Inhaftnahme sowie der Bedingungen für die Inhaftnahme gegebenenfalls die Bestimmungen der Aufnahmerichtlinie, die in ihrem oben genannten Art. 8 gerade unmittelbar auf das einzelstaatliche Recht verweist, auch auf Personen anwenden sollten, die aufgrund der Verordnung in Haft genommen wurden. Daraus folgt, dass Kriterien, wie sie in Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung aufgeführt sind, einer Durchführung im einzelstaatlichen Recht eines jeden Mitgliedstaats bedürfen.

29      Sodann ist zu bestimmen, ob der Begriff „gesetzlich“ im Sinne von Art. 2 Buchst. n dieser Verordnung dahin zu verstehen ist, dass er eine gefestigte Rechtsprechung umfasst, mit der gegebenenfalls eine ständige Verwaltungspraxis bestätigt wird.

30      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt wird (Urteil vom 26. Mai 2016, Envirotec Denmark, C‑550/14, EU:C:2016:354, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Was den Wortlaut von Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung angeht, lässt sich mit einer Analyse des Ausdrucks „gesetzlich festgelegt“ allein anhand seines Wortlauts nicht bestimmen, ob eine ständige Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis davon umfasst sein kann. In den verschiedenen Sprachfassungen dieser Verordnung hat der dem Begriff „gesetzlich“ entsprechende Begriff nämlich eine unterschiedliche Bedeutung. So kommen die Begriffe, die z. B. in der englischen, der polnischen und der slowakischen Sprachfassung verwendet werden, dem Begriff „rechtlich“ nahe, dessen Bedeutung weiter sein kann als die des Begriffs „gesetzlich“. In gewissen anderen Sprachfassungen, z. B. in der bulgarischen, der spanischen, der tschechischen, der deutschen und der französischen Sprachfassung, hat dieser Begriff eine engere Bedeutung.

32      Wenn die verschiedenen Sprachfassungen voneinander abweichen, kann die Bedeutung der betreffenden Vorschrift jedoch nicht auf der Grundlage einer ausschließlich am Wortlaut orientierten Auslegung beurteilt werden, sondern muss nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung beurteilt werden, deren Teil die Vorschrift ist (Urteil vom 26. Mai 2016, Envirotec Denmark, C‑550/14, EU:C:2016:354, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Zur allgemeinen Systematik, in die sich Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung einfügt, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass durch die Verordnung laut ihrem neunten Erwägungsgrund unter Bestätigung der ihr zugrunde liegenden Prinzipien angesichts der bisherigen Erfahrungen die notwendigen Verbesserungen nicht nur im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems, sondern auch im Hinblick auf den Schutz der Antragsteller, der insbesondere durch den ihnen gewährten gerichtlichen Rechtsschutz sichergestellt wird, vorgenommen werden sollen (Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash, C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 52).

34      Dieses hohe Schutzniveau für die Antragsteller, das mit der Dublin‑III-Verordnung bezweckt wird, ist auch, wie sich aus Art. 28 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. n dieser Verordnung ergibt, in Bezug auf deren Inhaftnahme vorgesehen. Wie sich dem 20. Erwägungsgrund der Verordnung entnehmen lässt, unterwirft ihr Art. 28 die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Inhaftnahme nämlich erheblichen Beschränkungen. So nehmen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 der Verordnung eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie um internationalen Schutz nachgesucht hat. Nach Abs. 2 dieses Artikels ist zudem eine Inhaftnahme zur Sicherstellung von Überstellungsverfahren im Einklang mit dieser Verordnung nur dann möglich, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, deren Beurteilung auf einer Einzelfallprüfung beruhen muss. Des Weiteren muss Haft verhältnismäßig sein und ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Ferner muss die Haft gemäß Abs. 3 dieses Artikels so kurz wie möglich sein. Schließlich schreibt Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung vor, dass die Feststellung, dass Fluchtgefahr besteht, auf objektiven Kriterien beruhen muss, die gesetzlich festzulegen und auf den jeweiligen Einzelfall anzuwenden sind.

35      Außerdem ist festzustellen, dass die Dublin‑III-Verordnung Garantien in Bezug auf die Inhaftnahme mit sich bringt, die über die der Verordnung Nr. 343/2003, die mit der Dublin‑III-Verordnung neu gefasst wurde, hinausgehen. Die Verordnung Nr. 343/2003 enthielt nämlich keine Bestimmung über die Inhaftnahme. Anhand dieser Entwicklung wird auch die erhöhte Aufmerksamkeit deutlich, die der Unionsgesetzgeber dem Schutz von Antragstellern zumisst, wie sie sich auch aus dem Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash (C‑63/15, EU:C:2016:409), ergibt.

36      Was das mit Art. 2 Buchst. n in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung verfolgte Ziel angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen, indem sie es zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren im Einklang mit dieser Verordnung gestatten, dass ein Antragsteller in Haft genommen wird, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, eine Einschränkung der Ausübung des in Art. 6 der Charta verankerten Grundrechts auf Freiheit vorsehen (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 49).

37      Hierzu ergibt sich aus Art. 52 Abs. 1 der Charta, dass jede Einschränkung der Ausübung dieses Rechts gesetzlich vorgesehen sein, dessen Wesensgehalt achten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Art. 52 Abs. 3 der Charta legt fest, dass die Rechte der Charta, soweit sie den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in dieser Konvention verliehen wird, wobei aber klargestellt wird, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewähren kann. Bei der Auslegung von Art. 6 der Charta ist somit Art. 5 EMRK als Mindestschutzstandard zu berücksichtigen.

38      Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zufolge muss jede Freiheitsentziehung rechtmäßig sein, und zwar nicht nur insofern, als sie eine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht haben muss, sondern die Rechtmäßigkeit betrifft auch die Qualität des Gesetzes und setzt voraus, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die eine Freiheitsentziehung gestattet, hinreichend zugänglich, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbar ist, um jede Gefahr von Willkür zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne EGMR, 21. Oktober 2013, Del Río Prada/Spanien, CE:ECHR:2013:1021JUD004275009, § 125).

39      Ferner ist im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorzuheben, dass das Ziel der Freiheitsgarantien, wie sie sowohl in Art. 6 der Charta als auch in Art. 5 EMRK verbürgt sind, insbesondere darin besteht, den Einzelnen vor Willkür zu schützen. Die Vereinbarkeit der Durchführung einer freiheitsentziehenden Maßnahme mit diesem Ziel setzt daher u. a. voraus, dass sie frei von Elementen bösen Glaubens oder der Täuschung seitens der Behörden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 81).

40      Daraus folgt, dass bei der Inhaftnahme von Antragstellern, die einen schwerwiegenden Eingriff in deren Recht auf Freiheit darstellt, strenge Garantien, nämlich Bestehen einer Rechtsgrundlage, Klarheit, Vorhersehbarkeit, Zugänglichkeit und Schutz vor Willkür, einzuhalten sind.

41      Zur ersten dieser Garantien ist festzustellen, dass die Beschränkung der Ausübung des Rechts auf Freiheit im vorliegenden Fall auf Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung, bei der es sich um einen Gesetzgebungsakt der Union handelt, gestützt ist. Die letztgenannte Bestimmung wiederum verweist für die Festlegung der objektiven Kriterien für das Vorliegen von Fluchtgefahr auf das einzelstaatliche Recht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eine Vorschrift beschaffen sein muss, um den anderen Garantien, nämlich der Klarheit, der Vorhersehbarkeit, der Zugänglichkeit und dem Schutz vor Willkür, zu genügen.

42      Wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist es insoweit wichtig, dass die betreffenden Behörden das ihnen gemäß Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. n der Dublin‑III-Verordnung eingeräumte Ermessen bei der Einzelfallbeurteilung in Bezug auf das Vorliegen von Fluchtgefahr innerhalb bestimmter im Voraus abgesteckter Grenzen ausüben. Es ist somit unabdingbar, dass die Kriterien für das Vorliegen einer solchen Gefahr, die den Grund für eine Inhaftnahme darstellt, in einem zwingenden, in seiner Anwendung vorhersehbaren Rechtsakt klar festgelegt werden.

43      In Anbetracht des Ziels der betreffenden Vorschriften und im Licht des hohen Schutzniveaus, das sich aus ihrem Kontext ergibt, kann nur eine Vorschrift mit allgemeiner Geltung den Anforderungen der Klarheit, der Vorhersehbarkeit, der Zugänglichkeit und insbesondere des Schutzes vor Willkür genügen.

44      Der Erlass von Vorschriften mit allgemeiner Geltung bietet nämlich die erforderlichen Garantien, da ein solcher Text den Spielraum der Behörden bei der Beurteilung der Umstände eines jeden konkreten Falles in zwingender und im Voraus erkennbarer Weise absteckt. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 81 und 82 seiner Schlussanträge dargelegt hat, eignen sich Kriterien, die in einer zwingenden Vorschrift festgelegt werden, zudem am besten für eine externe Kontrolle des Ermessens dieser Behörden, um den Antragstellern Schutz vor willkürlichen Freiheitsentziehungen zu bieten.

45      Somit ist Art. 2 Buchst. n in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen, dass die objektiven Kriterien, auf denen die Gründe beruhen, die zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller dem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte, in einer zwingenden Vorschrift mit allgemeiner Geltung festzulegen sind. Eine gefestigte Rechtsprechung – wie in der Ausgangsrechtssache –, mit der eine ständige Praxis der Fremdenpolizei bestätigt wird, genügt jedenfalls nicht.

46      Sind die genannten Kriterien – wie in der Ausgangsrechtssache – nicht in einer solchen Vorschrift enthalten, ist die Inhaftnahme für rechtswidrig zu erklären, was die Nichtanwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung zur Folge hat.

47      Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. n in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten aufgrund dieser Bestimmungen verpflichtet sind, in einer zwingenden Vorschrift mit allgemeiner Geltung die objektiven Kriterien festzulegen, auf denen die Gründe beruhen, die zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Das Fehlen einer solchen Vorschrift hat die Nichtanwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 dieser Verordnung zur Folge.

 Kosten

48      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Buchst. n in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten aufgrund dieser Bestimmungen verpflichtet sind, in einer zwingenden Vorschrift mit allgemeiner Geltung die objektiven Kriterien festzulegen, auf denen die Gründe beruhen, die zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Das Fehlen einer solchen Vorschrift hat die Nichtanwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 dieser Verordnung zur Folge.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Tschechisch.