Language of document : ECLI:EU:T:2012:415

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

11. September 2012(*)

„Staatliche Beihilfen – Seekabotagesektor – Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers – Sozialpolitik der Mitgliedstaaten – Umstrukturierungsbeihilfe – Wirkungen eines Nichtigkeitsurteils“

In der Rechtssache T‑565/08

Corsica Ferries France SAS mit Sitz in Bastia (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Rodrigues und C. Bernard-Glanz,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Giolito und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, zunächst vertreten durch G. de Bergues und A.‑L. Vendrolini, dann durch G. de Bergues, N. Rouam und J. Rossi als Bevollmächtigte,

und

Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) SA, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Winckler und F.‑C. Laprévote,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2009/611/EG der Kommission vom 8. Juli 2008 über die Maßnahmen C 58/02 (ex N 118/02) Frankreichs zugunsten der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM) (ABl. 2009, L 225, S. 180)

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin I. Pelikánová sowie der Richter K. Jürimäe und M. van der Woude (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Betroffene Schifffahrtsunternehmen

1        Die Klägerin, die Corsica Ferries France SAS, ist ein Schifffahrtsunternehmen, das regelmäßige Schiffsverbindungen vom französischen Festland (Marseille, Toulon und Nizza) und von Italien nach Korsika anbietet.

2        Die Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) ist ein Schifffahrtsunternehmen, das regelmäßige Schiffsverbindungen vom französischen Festland (Marseille, Toulon und Nizza) nach Korsika und nach Nordafrika (Tunesien und Algerien) sowie Verbindungen nach Sardinien gewährleistet. Eines der wichtigsten Tochterunternehmen von SNCM, an dem sie 100 % der Anteile hält, ist die Compagnie méridionale de navigation (im Folgenden: CMN).

3        Im Jahr 2002 wurden die Anteile von SNCM zu 20 % von der Société nationale des chemins de fer und zu 80 % von der Compagnie générale maritime et financière (im Folgenden: CGMF) gehalten, an denen der französische Staat jeweils 100 % der Anteile hält. Bei ihrer Kapitalöffnung im Jahr 2006 brachten zwei Übernehmer, Butler Capital Partners (im Folgenden: BCP) und Veolia Transport (im Folgenden: VT), 38 % bzw. 28 % des Kapitals unter ihre Kontrolle, während die CGMF einen Anteil von 25 % behielt und 9 % des Kapitals den Arbeitnehmern vorbehalten blieben. BCP hat in der Zwischenzeit ihre Anteile an VT abgetreten.

 Verwaltungsverfahren

4        In ihrer Entscheidung 2002/149/EG vom 30. Oktober 2001 über die staatlichen Beihilfen Frankreichs zugunsten der Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) (ABl. 2002, L 50, S. 66, im Folgenden: Entscheidung von 2001) vertrat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Ansicht, dass eine SNCM für den Zeitraum zwischen 1991 und 2001 als Ausgleichszahlung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewährte Beihilfe in Höhe von 787 Mio. Euro nach Art. 86 Abs. 2 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Gegen diese Entscheidung wurde keine Nichtigkeitsklage vor dem Gericht erhoben.

5        Mit Schreiben vom 18. Februar 2002 meldete die Französische Republik bei der Kommission die geplante Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten von SNCM in Höhe von 76 Mio. Euro (im Folgenden: Plan von 2002) an.

6        Mit ihrer Entscheidung 2004/166/EG vom 9. Juli 2003 über die geplante Umstrukturierungsbeihilfe Frankreichs für die Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM) (ABl. 2004, L 61, S. 13, im Folgenden: Entscheidung von 2003) genehmigte die Kommission unter Auflagen zwei Tranchen der SNCM gewährten Beihilfe in Höhe von insgesamt 76 Mio. Euro, wovon die eine zu 66 Mio. Euro sofort und die andere in Höhe von maximal 10 Mio. Euro in Abhängigkeit vom Nettoergebnis der Veräußerungen, insbesondere der Schiffe von SNCM, ausbezahlt werden konnte.

7        Die Klägerin erhob am 13. Oktober 2003 vor dem Gericht eine Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung von 2003 (Rechtssache T‑349/03).

8        Mit ihrer Entscheidung 2005/36/EG vom 8. September 2004 zur Änderung der Entscheidung von 2003 (ABl. 2005, L 19 S. 70, im Folgenden: Entscheidung von 2004) änderte die Kommission eine der Auflagen des Art. 2 der Entscheidung von 2003. Es ging um die Auflage der maximalen Anzahl von elf Schiffen, die SNCM veräußern durfte. In der Entscheidung von 2004 genehmigte die Kommission den Ersatz eines dieser Schiffe, Aliso, durch ein anderes, Asco.

9        Mit Entscheidung vom 16. März 2005 genehmigte die Kommission auf der Grundlage der Entscheidung von 2003 die Auszahlung einer zweiten Umstrukturierungsbeihilfentranche in Höhe von 3 327 400 Euro (im Folgenden: Entscheidung von 2005).

10      Mit Urteil vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission (T‑349/03, Slg. 2005, II‑2197, im Folgenden: Urteil von 2005), erklärte das Gericht die Entscheidung von 2003 aufgrund einer hauptsächlich auf Fehler bei der Berechnung des Nettoertrags der Veräußerungen zurückzuführenden fehlerhaften Beurteilung des Minimalcharakters der Beihilfe für nichtig, wies jedoch sämtliche andere Klagegründe, die sich auf einen Begründungsmangel und einen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG sowie gegen die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 1999, C 288, S. 2, im Folgenden: Leitlinien) stützten, zurück.

11      In einem Schreiben vom 7. April 2006 forderten die französischen Behörden die Kommission auf, zu berücksichtigen, dass ein Teil der im Rahmen des Plans von 2002 gewährten Umstrukturierungsbeihilfe, nämlich 53,48 Mio. Euro, da es sich um eine Ausgleichszahlung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen handle, nicht als Maßnahme zu qualifizieren sei, die im Rahmen eines Umstrukturierungsplans erlassen worden sei, sondern als Maßnahme, die im Sinne des Urteils des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, Slg. 2003, I‑7747, im Folgenden: Urteil Altmark), keine Beihilfe oder eine vom Plan von 2002 unabhängige Maßnahme im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG darstellt.

12      Am 21. April 2006 wurde bei der Kommission gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24, S. 1) das Zusammenschlussvorhaben angemeldet, mit dem BCP und VT die gemeinsame Kontrolle über die SNCM erlangen sollten. Die Kommission genehmigte den Zusammenschluss am 29. Mai 2006 auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

13      Im Juni 2006 lieferten die französischen Behörden der Kommission mehrere Angaben zu den anlässlich der Überführung von SNCM in private Hand getätigten Finanzgeschäften.

14      Am 13. September 2006 beschloss die Kommission, wegen der neuen Maßnahmen zugunsten von SNCM das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten und auch den Plan von 2002 einzubeziehen (ABl. 2006, C 303, S. 53, im Folgenden: Entscheidung von 2006).

15      In ihrer Entscheidung 2009/611/EG vom 8. Juli 2008 über die Maßnahmen C 58/02 (ex N 118/02) Frankreichs zugunsten der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM) (ABl. 2009, L 225, S. 180, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Maßnahmen des Plans von 2002 rechtswidrige staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 88 Abs. 3 EG darstellten, aber nach Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien, und dass die Maßnahmen des Privatisierungsplans von 2006 (im Folgenden: Plan von 2006) keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten.

 Streitige Maßnahmen

16      Die angefochtene Entscheidung hat folgende Maßnahmen zum Gegenstand:

–        im Rahmen des Plans von 2002: die Kapitalzuführung der CGMF an die SNCM in Höhe von 76 Mio. Euro (davon 53,48 Mio. Euro für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und der Rest als Umstrukturierungsbeihilfen);

–        im Rahmen des Plans von 2006:

–        der negative Preis für den Verkauf von SNCM durch die CGMF von 158 Mio. Euro;

–        die Kapitalzuführung der CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro;

–        der Kontokorrentvorschuss der CGMF in Höhe von 38,5 Mio. Euro zugunsten der freigesetzten Beschäftigten von SNCM im Fall eines neuen Sozialplans.

 Angefochtene Entscheidung

17      In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission insbesondere in den Randnrn. 37 bis 54 fest, dass der Markt für Verbindungen nach Korsika beim Fahrgastverkehr durch saisonale Schwankungen und Konzentration gekennzeichnet sei. Die Wettbewerbsstruktur des Marktes habe sich seit dem Markteintritt der Klägerin im Jahr 1996 stark geändert. Seit 2000 seien SNCM und die Klägerin de facto ein Duopol, das mehr als 90 % der Marktanteile halte. Im Jahr 2007 habe die Klägerin SNCM deutlich überholt und in einem Markt mit regelmäßigem Wachstum von jährlich 4 % eine Million Fahrgäste mehr befördert. SNCM habe jedoch zusammen mit CMN das Quasi-Monopol beim Frachtverkehr gehalten.

18      In den Randnrn. 219 bis 225 der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission davon aus, dass sämtliche von SNCM über CGMF erhaltene Kapitalzuführungen aus staatlichen Mitteln finanziert worden seien, den Wettbewerb zu verfälschen drohten und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigten. Somit vertrat sie die Auffassung, dass drei der vier Voraussetzungen von Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt seien. Sie untersuchte dann für jede einzelne Maßnahme das Vorliegen eines selektiven wirtschaftlichen Vorteils und ihre etwaige Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt.

19      Hinsichtlich der im Jahr 2002 angemeldeten 76 Mio. Euro war sie in Randnr. 236 der angefochtenen Entscheidung der Ansicht, dass 53,48 Mio. als Ausgleichszahlung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen betrachtet werden könnten. Entsprechend Randnr. 320 des Urteils von 2005, siehe oben, Randnr. 10, bewertete sie diese Kapitalzuführung im Licht des Urteils Altmark, siehe oben, Randnr. 11, und kam in Randnr. 257 der angefochtenen Entscheidung zum Ergebnis, dass es sich tatsächlich um eine staatliche Beihilfe handele, die jedoch nach Art. 86 Abs. 2 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Die restlichen 22,52 Mio. Euro seien dann als Umstrukturierungsbeihilfe anzusehen.

20      In Bezug auf den Plan von 2006 wandte die Kommission sodann in den Randnrn. 267 bis 352 der angefochtenen Entscheidung den Test des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers (im Folgenden: Privatinvestortest) auf den fiktiven negativen Kaufpreis von 158 Mio. Euro an. Dazu beurteilte sie, ob ein fiktiver privater Kapitalgeber in der Situation von CGMF lieber das Kapital der CGMF um diesen Betrag aufgestockt oder die Liquidation der Gesellschaft vorgenommen und die Kosten getragen hätte. Es war also erforderlich, Mindestliquidationskosten zu schätzen.

21      In den Randnrn. 267 bis 280 der angefochtenen Entscheidung ging die Kommission davon aus, dass die Liquidationskosten zwangsläufig die Kosten eines Sozialplans umfassen müssten, d. h. die Kosten der zusätzlichen Abfindungen, die über gesetzliche und tarifvertragliche Verpflichtungen hinausgingen, um sich der Praxis heutiger großer Unternehmensgruppen anzupassen und nicht dem Image der Holding und ihres letzten Aktionärs zu schaden. Sie bewertete also mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigen die Kosten dieser zusätzlichen Abfindungen, indem sie einen Vergleich zu kurz davor in Frankreich von Unternehmensgruppen wie Michelin oder Yves Saint-Laurent umgesetzten Sozialplänen zog.

22      Die Kommission vertrat in Randnr. 350 der angefochtenen Entscheidung die Ansicht, dass der negative Kaufpreis das Ergebnis eines offenen, transparenten, bedingungslosen und nicht diskriminierenden Auswahlverfahrens sei und daher einen Marktpreis darstelle. Somit kam sie unter ihrer Annahme, dass sich die Liquidationskosten allein auf die Abfindungen beschränkten, in Randnr. 352 dieser Entscheidung zum Ergebnis, dass die Liquidationskosten höher seien als der negative Kaufpreis und dass die Kapitalzuführung von 158 Mio. Euro daher keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstelle.

23      Was die Kapitalzuführung durch CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro anbelangt, ging die Kommission in den Randnrn. 356 bis 358 der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass aufgrund der wesentlichen und gleichzeitigen Zuführung der privaten Übernehmer der Beihilfecharakter von vornherein ausgeschlossen werden könne. Sie stellte daraufhin fest, dass die feste Rendite eine angemessene Vergütung für das angelegte Kapital darstelle und das Bestehen der Klausel über die Auflösung der Veräußerung den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht in Frage stelle. Sie kam in Randnr. 365 dieser Entscheidung zum Ergebnis, dass die Kapitalzuführung durch CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstelle.

24      Die Kommission wies sodann in den Randnrn. 372 bis 378 der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass die personenbezogenen Beihilfemaßnahmen in Höhe von 38 Mio. Euro, die auf ein Treuhandkonto eingezahlt worden seien, im Fall eines von den Übernehmern umgesetzten neuen Sozialplans durchgeführt würden und nicht der Umsetzung der im Plan von 2002 vorgesehenen Personalabbaupläne entsprechen könnten. Diese Beihilfen könnten nur an Personen ausgezahlt werden, deren Arbeitsvertrag mit SNCM zuvor gekündigt worden sei. Diese Maßnahmen stellten demnach keine Kosten dar, die auf der normalen Anwendung der Sozialgesetzgebung im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverträgen beruhten. Die Kommission kam zum Ergebnis, dass diese vom Staat als Träger öffentlicher Gewalt und nicht vom Staat als Anteilseigner gewährten personenbezogenen Beihilfen demnach unter die Sozialpolitik der Mitgliedstaaten fielen und deswegen keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten.

25      Zum Restbetrag von 22,52 Mio. Euro, der als Umstrukturierungsbeihilfe angemeldet wurde, d. h. der Differenz zwischen den im Rahmen des Plans von 2002 angemeldeten 76 Mio. Euro und den mit dem Gemeinsamen Markt nach Art. 86 Abs. 2 EG für vereinbar erachteten 53,48 Mio. Euro (siehe oben, Randnr. 19), vertrat die Kommission in Randnr. 381 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass er eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstelle. Sie beurteilte daraufhin die Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit den Leitlinien.

26      Die Kommission stellte in den Randnrn. 387 bis 401 der angefochtenen Entscheidung fest, dass SNCM im Jahr 2002 tatsächlich ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Ziff. 5 Buchst. a und Ziff. 6 der Leitlinien gewesen sei und dass der Plan von 2002 die Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens gemäß den Ziff. 31 bis 34 der Leitlinien gewährleisten könne.

27      Hinsichtlich der Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverfälschungen (Randnrn. 35 bis 39 der Leitlinien) vertrat die Kommission in Randnr. 404 der angefochtenen Entscheidung den Standpunkt, dass auf dem Markt der Seeverbindungen nach Korsika keine Überkapazitäten bestünden und daher kein Beitrag zu seiner Sanierung erforderlich sei. Des Weiteren führte sie in Randnr. 406 dieser Entscheidung aus, dass der angemeldete Umstrukturierungsplan einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Präsenz des Unternehmens auf dem Markt leiste. Das Kriterium der Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverfälschungen sei demnach auch erfüllt.

28      In den Randnrn. 410 bis 419 der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass sich der nach den Ziff. 40 f. der Leitlinien auf das Mindestmaß errechnete Beihilfebedarf am 9. Juli 2003 vorbehaltlich des Reinerlöses der in der Entscheidung von 2003 vorgesehenen Veräußerungen auf 19,75 Mio. Euro beschränkt habe. Dabei errechnete die Kommission zunächst den Liquiditätsbedarf von SNCM für ihren Umstrukturierungsplan. Die Kosten des Umstrukturierungsplans wurden von ihr mit 46 Mio. Euro veranschlagt. Dann subtrahierte sie sämtliche zwischen dem 18. Februar 2002 (Zeitpunkt der Anmeldung des Plans von 2002) und dem 9. Juli 2003 (Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung von 2003) durchgeführte Veräußerungen, d. h. 26,25 Mio. Euro, und kam so zu einem Betrag von 19,75 Mio. Euro.

29      Zu den Ausgleichsmaßnahmen stellte die Kommission fest, dass sämtliche in der Entscheidung von 2003 vorgesehene Auflagen betreffend Beschaffungen, Betrieb der Flotte, Veräußerungen von Vermögenswerten, Verbot, niedrigere Preise als die jedes ihrer Mitbewerber anzubieten (im Folgenden: Auflage des price leadership), und Einschränkung der Schiffsüberfahrten auf den Linien ab Korsika nahezu vollständig eingehalten worden seien. Da diese Auflagen eingehalten wurden und der angemeldete Beihilfebetrag deutlich unter dem im Jahr 2003 genehmigten Betrag lag, hielt es die Kommission nicht für angebracht, zusätzliche Auflagen vorzuschreiben. Somit vertrat die Kommission nach Berücksichtigung des Betrags der zusätzlichen, in der Entscheidung von 2003 vorgesehenen Veräußerungen in Randnr. 434 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass der mit 15,81 Mio. Euro veranschlagte endgültige Umstrukturierungsrestbetrag eine im Sinne von Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare staatliche Beihilfe darstelle.

30      Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet:

„Artikel 1

Die Ausgleichszahlung in Höhe von 53,48 Mio. EUR, die der französische Staat der SNCM im Zeitraum 1991–2001 für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gezahlt hat, stellt eine rechtswidrige staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag dar, ist jedoch nach Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Der negative Kaufpreis der SNCM von 158 Mio. EUR, die Übernahme von Sozialmaßnahmen gegenüber den Beschäftigten durch die CGMF in Höhe von 38,5 Mio. EUR und die gemeinsame und gleichzeitige Aufstockung des Kapitals der SNCM durch die CGMF um 8,75 Mio. EUR stellen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar. Die Umstrukturierungsbeihilfe in Höhe von 15,81 Mio. EUR, die Frankreich der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM) gewährt hat, stellt eine rechtswidrige staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag dar, ist jedoch nach Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Französische Republik gerichtet.“

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

31      Mit Klageschrift, die am 17. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

32      Mit Beschluss vom 27. April 2009 ist die Französische Republik als Streithelferin zugelassen worden.

33      Mit Beschluss vom 1. Juli 2009 ist SNCM als Streithelferin zugelassen worden.

34      Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

35      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

36      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

37      Die Kommission, die Französische Republik und SNCM beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

38      Die Klägerin stützt die vorliegende Nichtigkeitsklage im Wesentlichen auf sechs Klagegründe.

39      Mit dem ersten Klagegrund macht sie eine ihrer Ansicht nach zu weite Auslegung von Art. 287 EG geltend, die sich in einem Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung sowie einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz geäußert habe.

40      Der zweite, der dritte, der vierte, der fünfte und der sechste Klagegrund beruhen auf einem Verstoß gegen die Art. 87 EG und 88 EG sowie gegen die Leitlinien. Diese Klagegründe betreffen nacheinander die Kapitalzuführung in Höhe von 53,48 Mio. Euro als Ausgleichszahlung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die Veräußerung von SNCM zum negativen Preis von 158 Mio. Euro, die Kapitalzuführung der CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro, die personenbezogenen Beihilfemaßnahmen in Höhe von 38,5 Mio. Euro sowie den als Umstrukturierungsbeihilfe angemeldeten Restbetrag in Höhe von 22,52 Mio. Euro.

 Zum ersten Klagegrund: Begründungsmangel und Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

41      Die Klägerin macht mit diesem Klagegrund geltend, dass die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen an einem Begründungsmangel leide, da in der Fassung, die der Klägerin bekannt gegeben worden sei, die wichtigen Gesichtspunkte aus Gründen der Vertraulichkeit geheim gehalten worden seien. Hilfsweise ist sie der Auffassung, nicht ausreichend zu den sie betreffenden Angaben befragt worden zu sein.

42      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die durch Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an den Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 287 EG die Mitglieder sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe der Gemeinschaft verpflichtet, Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben. Ein Begründungsmangel kann jedoch nicht durch die in Art. 287 verankerte Pflicht, das Berufsgeheimnis zu wahren, gerechtfertigt werden. Die Pflicht, die Geschäftsgeheimnisse zu wahren, kann daher nicht so weit ausgelegt werden, dass sie dem Begründungserfordernis zulasten der Verteidigungsrechte der Mitgliedstaaten und der betroffenen Beteiligten den wesentlichen Inhalt entzieht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. März 1985, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, 296/82 und 318/82, Slg. 1985, 809, Randnr. 27). Insbesondere kann das Erfordernis, eine Entscheidung über staatliche Beihilfen zu begründen, nicht nur nach dem Interesse an Informationen bestimmt werden, das der Mitgliedstaat hat, an den diese Entscheidung gerichtet ist. Hat ein Mitgliedstaat von der Kommission nämlich das erhalten, was er beantragt hatte, d. h. die Genehmigung seines Beihilfevorhabens, so kann sein Interesse daran, dass eine begründete Entscheidung an ihn gerichtet wird, anders als das Interesse der Wettbewerber des Beihilfeempfängers, nur sehr gering sein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Juni 1998, British Airways u. a./Kommission, T‑371/94 und T‑394/94, Slg. 1998, II‑2405, Randnr. 92).

44      Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung die Darlegung eines Klagegrundes so klar und deutlich sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Unionsrichter die Wahrnehmung seiner richterlichen Kontrollaufgabe ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es demnach erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich ein Klagegrund stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend, deutlich und verständlich aus der Klageschrift selbst ergeben (Urteile des Gerichts vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, Slg. 1997, II‑2081, Randnr. 31, und vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnr. 208). Es geht auch aus einer Zusammenschau der Bestimmungen des Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung hervor, dass die Klageschrift den Streitgegenstand anzugeben und eine kurze, aber klare und deutliche Darstellung der Klagegründe zu enthalten hat.

45      Der vorliegende Klagegrund ist im Licht dieser Überlegungen zu prüfen.

46      Was zunächst die Begründungspflicht anbelangt, ist erstens zu berücksichtigen, dass die angefochtene Entscheidung nach den von 2001 bis 2005 ergangenen Entscheidungen und dem Urteil von 2005 erlassen wurde, siehe oben, Randnr. 10. Die angefochtene Entscheidung erging somit in einem Kontext, der der Klägerin wohlbekannt war (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Olsen/Kommission, T‑17/02, Slg. 2005, II‑2031, Randnr. 97).

47      Zweitens ist ausweislich der Klageschrift festzustellen, dass die Klägerin in der Lage gewesen ist, sich angemessen zu verteidigen. Außerdem ist die angefochtene Entscheidung ausreichend klar und deutlich, um dem Unionsrichter die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen.

48      Drittens ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Klägerin nicht mit hinreichender Deutlichkeit angibt, welche wichtigen Gesichtspunkte der angefochtenen Entscheidung geheim gehalten worden sein sollen. Die einzigen konkreten Anhaltspunkte bringt die Klägerin nämlich in Form von Anspielungen vor, ohne sich die Mühe zu geben, nachzuweisen, warum die Punkte im Hinblick auf die Begründungspflicht wichtig gewesen seien.

49      Somit ist die Rüge, mit der eine Verletzung der Begründungspflicht geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.

50      Was in zweiter Linie die geltend gemachte Verletzung der Verteidigungsrechte anbelangt, war die Kommission nicht verpflichtet, die Klägerin zu den sie betreffenden Angaben und Beurteilungen zu befragen. Die Beihilfe empfangenden Unternehmen oder ihre Wettbewerber werden nämlich im Verwaltungsverfahren ausschließlich als „Beteiligte“ angesehen. So weist die Rechtsprechung den Beteiligten im Wesentlichen die Rolle von Informationsquellen für die Kommission im Rahmen des nach Art. 88 Abs. 2 EG eingeleiteten Verwaltungsverfahrens zu. Daraus folgt, dass die Beteiligten einen Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er denjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist, keineswegs geltend machen können und lediglich über das Recht verfügen, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden (Urteile des Gerichts British Airways u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnrn. 59 f., und vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg. 2003, II‑435, Randnr. 125).

51      Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin die Möglichkeit, ihren Standpunkt zur Stichhaltigkeit und Relevanz der verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem streitigen Vorgang angemessen vorzubringen. Die dem Gericht zur Verfügung stehenden Anhaltspunkte in Bezug auf die Beteiligung der Klägerin im Verwaltungsverfahren deuten nämlich klar darauf hin, dass sie Gelegenheit hatte, sowohl zum Plan von 2002 als auch zum Plan von 2006 ihre Ansicht darzulegen, wie aus den Randnrn. 24, 131 bis 134 und 142 bis 159 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Die Klägerin hatte also die Möglichkeit, sich voll an dem Verfahren zu beteiligen, indem sie der Kommission mehrmals ihre schriftlichen Stellungnahmen zukommen ließ.

52      Daher ist die Rüge, mit der eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.

53      Was in dritter Linie die gerügte Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz anbelangt, ist zum einen zu beachten, dass die Rügen der Klägerin in Bezug auf die Verletzung der Begründungspflicht und die Verletzung der Verteidigungsrechte als unbegründet zurückgewiesen worden sind (siehe oben, Randnrn. 49 und 52). Zum anderen ist festzustellen, dass die Klägerin nichts Spezifisches zur Stützung ihrer Rüge vorgebracht hat. Daher ist die Rüge, mit der eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz geltend gemacht wird, ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

54      Demnach ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund, mit dem sinngemäß ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission geltend gemacht wird, der sich aus der Genehmigung der Kapitalzuführung von 53,48 Mio. Euro gemäß Art. 86 Abs. 2 EG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 EG ergebe

55      Die Klägerin bringt sinngemäß vor, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausgegangen sei, dass SNCM zu Recht eine Kapitalzuführung in Höhe von 53,48 Mio. Euro als Ausgleichszahlung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erhalten könne, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass die Kontinuität der Festlandsverbindungen durch das freie Spiel der Marktkräfte hätte gewährleistet werden können.

56      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht keine genaue Definition des in Art. 86 Abs. 2 EG enthaltenen Begriffs einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gibt. Im Gegenteil, aus der Rechtsprechung des Gerichts geht hervor, dass die Mitgliedstaaten über ein weites Ermessen bei der Definition dessen verfügen, was sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, und dass die Definition dieser Dienstleistungen durch einen Mitgliedstaat von der Kommission lediglich im Fall eines offenkundigen Fehlers in Frage gestellt werden kann. Doch die Handlungsbefugnis des Mitgliedstaats gemäß Art. 86 Abs. 2 EG und somit seine Befugnis, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu definieren, ist nicht unbegrenzt und kann nicht willkürlich mit dem alleinigen Ziel ausgeübt werden, einen bestimmten Sektor wie etwa den der Seekabotage der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu entziehen (Urteile des Gerichts Olsen/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 216, vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, Slg. 2008, II‑81, Randnrn. 165 bis 169, und vom 6. Oktober 2009, FAB/Kommission, T‑8/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 63).

57      Was insbesondere die Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse hinsichtlich Seeverbindungen betrifft, sieht Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7, im Folgenden: Kabotageverordnung) ausdrücklich die Möglichkeit vor, Verträge über einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu schließen, um ausreichende Liniendienste zu, von und zwischen Inseln zu gewährleisten, sofern keine Diskriminierung vorliegt. Der Gerichtshof hat nämlich in seinem Urteil vom 20. Februar 2001, Analir u. a. (C‑205/99, Slg. 2001, I‑1271, Randnr. 27), entschieden, dass es sich bei dem Ziel der Kontinuität der Festlandsverbindungen um ein legitimes öffentliches Interesse handelt.

58      Im vorliegenden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission, um Randnr. 320 des Urteils von 2005, siehe oben, Randnr. 10, zu befolgen, in den Randnrn. 226 bis 244 die Kapitalzuführung in Höhe von 53,48 Mio. Euro im Licht des Urteils Altmark, siehe oben, Randnr. 11, prüfte. Die Kommission stellte in Randnr. 244 der angefochtenen Entscheidung fest, dass diese Kapitalzuführung SNCM einen selektiven wirtschaftlichen Vorteil gewähre und daher eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstelle. Sie war dann in Randnr. 257 der angefochtenen Entscheidung der Auffassung, diese staatliche Beihilfe sei nach Art. 86 Abs. 2 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

59      Hinsichtlich des Vorliegens einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse beschränkte sich die Kommission darauf, in Randnr. 249 der angefochtenen Entscheidung kurz die Gründe zu nennen, weshalb sie annehme, dass die Verträge über einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag einer wirklichen Notwendigkeit einer öffentlichen Dienstleistung entsprächen. Es ist darauf hinzuweisen, dass Verträge über einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag, die zwischen den Auftrag gebenden öffentlichen Behörden und den Unternehmen geschlossen werden, Verträge sind, die Gemeinwohlverpflichtungen festlegen, mit denen der Grundsatz der Kontinuität der Festlandsverbindungen verwirklicht werden kann. SNCM war 1976 vom französischen Staat auserwählt worden, um die Kontinuität der Festlandsverbindungen für eine Dauer von 25 Jahren zu gewährleisten. Nach den neuen Gemeinschaftsregeln und infolge einer europäischen Ausschreibung erhielten SNCM und CMN gemeinsam den öffentlichen Dienstleistungsauftrag für die Verkehrsanbindung Korsikas für die Zeiträume von 2002 bis 2006 und anschließend von 2007 bis 2013. In der angefochtenen Entscheidung gab die Kommission zu bedenken, dass der Grundsatz der Kontinuität der Festlandsverbindungen eine Reaktion auf die Nachteile der Insellage darstelle, dass dieses legitime Ziel im vorliegenden Fall nicht durch das freie Spiel der Marktkräfte erreicht werden könne, und verwies schließlich auf ihre in der Entscheidung von 2001 dargelegte vertiefte Untersuchung des Wettbewerbs.

60      Da aus Randnr. 249 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass sich die Kommission darauf beschränkte, das Vorliegen einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse für den Zeitraum von 1991 bis 2001 knapp zu begründen und für ausführlichere Darlegungen auf die Entscheidung von 2001 zu verweisen, ist zu beurteilen, ob sie das Recht hatte, sich teilweise auf diese frühere Entscheidung zu berufen, um das Vorliegen einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in der angefochtenen Entscheidung zu rechtfertigen, oder ob sie im Gegenteil, wie die Klägerin vorbringt, verpflichtet war, diese Frage erneut gründlich zu prüfen.

61      Hierzu ist zunächst zu beachten, dass Punkt 7.2 der Entscheidung von 2001 überzeugend das Bestehen einer wirklichen Notwendigkeit einer öffentlichen Dienstleistung belegt. Die Frage, ob der Wettbewerb, insbesondere im Hinblick auf den Markteintritt der Klägerin im Jahr 1996, in der Lage war, die Erreichung des Ziels der Kontinuität der Festlandsverbindungen zu gewährleisten, wird in den Randnrn. 72 und 74 der Entscheidung von 2001 behandelt. Die Kommission untersuchte in Randnr. 72 der Entscheidung von 2001 insbesondere Strecke für Strecke die Entwicklung des Angebots der Klägerin zwischen Korsika und Frankreich im Zeitraum von 1996 bis 2001. Sie kam sodann in Randnr. 74 dieser Entscheidung zum Ergebnis, dass private Wirtschaftsteilnehmer nicht fähig seien, die Kontinuität der Festlandsverbindungen außerhalb eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags sowohl hinsichtlich der qualitativen als auch der quantitativen Kriterien, die von der Vertragsregelung, die ihrerseits wie auch der rechtliche Rahmen in den Randnrn. 18 bis 30 dieser Entscheidung beschrieben und kurz in den Randnrn. 73, 75 und 80 dieser Entscheidung wiederholt wird, vorgesehen sind, sicherzustellen. Die Entscheidung von 2001 untersucht im Detail das Verhältnis zwischen dem Wettbewerb und der Gemeinwohldienstleistung zumindest bis April 2001 (Randnr. 72) und war nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage seitens der Klägerin.

62      Zweitens ist festzustellen, dass das tatsächliche Vorliegen der Gemeinwohldienstleistung, die Gegenstand des Vertrags über den öffentlichen Dienstleistungsauftrag ist, von der Klägerin oder anderen Beteiligten im Lauf der verschiedenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vor den Unionsorganen, die auf die Entscheidung von 2001 folgten, nie in Frage gestellt wurde. Insbesondere richtete sich die von der Klägerin am 13. Oktober 2003 erhobene Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung von 2003 darauf, die durch die Kommission erfolgte Beurteilung eines Teils der Beihilfe als Ausgleichszahlung für eine Gemeinwohldienstleistung zu rügen, und nicht darauf, das Vorliegen einer Gemeinwohldienstleistung selbst in Frage zu stellen.

63      Drittens und letztens stellte die Klägerin auch in dem Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der angefochtenen Entscheidung führte, das Vorliegen einer Gemeinwohldienstleistung nicht in Abrede. Es geht nämlich aus Randnr. 146 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass dem Vorbringen der Klägerin zufolge keines der Altmark-Kriterien, siehe oben, Randnr. 11, mit Ausnahme des ersten, nämlich des Kriteriums in Bezug auf das Vorliegen einer tatsächlichen Gemeinwohldienstleistung, erfüllt ist.

64      Aus sämtlichen vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass sich die Kommission mangels neuer Umstände, die ihr von den Betroffenen insbesondere im Laufe des Verwaltungsverfahrens, das zur angefochtenen Entscheidung führte, zur Kenntnis gebracht worden wären, und angesichts der ihr zur Verfügung stehenden Anhaltspunkte für die Beurteilung mit Recht auf eine knappe Begründung und darauf beschränken konnte, auf die Entscheidung von 2001 zu verweisen, um das Vorliegen einer tatsächlichen Gemeinwohldienstleistung für den Zeitraum von 1991 bis 2001, im Übrigen ein im Verhältnis zur angefochtenen Entscheidung deutlich früherer Zeitraum, als erwiesen zu erachten.

65      Es ist demnach festzustellen, dass der Kommission im Rahmen ihrer eingeschränkten Kontrolle über die Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch die Mitgliedstaaten (Urteil BUPA u. a./Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 166) kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie die Auffassung vertrat, dass der Vertrag über den öffentlichen Dienstleistungsauftrag für den Zeitraum von 1991 bis 2001 einer wirklichen Notwendigkeit einer Gemeinwohldienstleistung entsprach.

66      Vorsorglich ist festzustellen, dass die Argumente der Klägerin, die hauptsächlich ihre damalige Marktpräsenz betreffen, an dieser Beurteilung nichts ändern können.

67      Zunächst kann der Umstand, dass die Klägerin bei der Verlängerung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Jahr 2001 bereits auf dem Markt präsent war, obwohl er erwiesen ist, das Ergebnis der Kommission nicht in Frage stellen. Es geht nämlich aus den Aktenstücken hervor, dass die Klägerin vor 1996 überhaupt nicht auf dem Markt vertreten war und erst im Jahr 2000 eine Strecke zwischen Toulon und Korsika eröffnete. Sie hielt nur 12 % der Marktanteile bei den in der Sommersaison 2000 zwischen Korsika und Frankreich angebotenen Plätzen. Ihre Marktanteile waren jedoch im raschen Wachstum begriffen, nämlich insbesondere um 30 % im Jahr 2001. Auch wenn also die Marktpräsenz der Klägerin anfing, sich in den beiden letzten Jahren des berücksichtigten Zeitraums stärker bemerkbar zu machen, insbesondere im Jahr 2001, kann dies nicht für sich genommen beweisen, dass die Marktkräfte einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer hätten ermöglichen können, die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags, wie sie im Rahmenvertrag festgelegt sind, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zu erfüllen. Die Klägerin bringt nämlich nichts Konkretes z. B. zu ihrer Fähigkeit, die Ziele in Bezug auf die Häufigkeit in der Nebensaison und in der Hauptsaison auf sämtlichen Strecken zu erreichen, zu Abfahrts- und Ankunftszeiten oder Schiffstyp, sowohl beim Fahrgastverkehr als auch beim Güterverkehr, sowie zu ihrer Fähigkeit, die zahlreichen Häfen Korsikas anzulaufen,vor.

68      Zweitens ist festzustellen, wie die Klägerin betont, dass der öffentliche Dienstleistungsauftrag auf den Strecken ab Nizza und Toulon zugunsten eines Systems von Sozialvergünstigungen für bestimmte Kategorien von Fahrgästen, darunter die Einwohner Korsikas, und zugunsten von Verpflichtungen betreffend die Häufigkeit der Verbindungen für sämtliche Wirtschaftsteilnehmer aufgekündigt wurde. Diese Systeme von Sozialvergünstigungen wurden von der Kommission als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Art. 86 Abs. 2 EG angesehen. Doch entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist zwar unbestritten, dass ihr fortschreitender Marktvorstoß eine Verstärkung des Wettbewerbs zeigt, im Übrigen das erklärte Ziel der Union seit dem Erlass der Kabotage-Verordnung, aber dies ändert nichts am Gemeinwohlcharakter des öffentlichen Dienstleistungsauftrags während des berücksichtigten Zeitraums, umso mehr, als klar aus Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das System von Sozialvergünstigungen erst im Jahr 2002 geschaffen wurde, d. h. nach diesem Zeitraum.

69      Der Übergang zur Sozialvergünstigung deutet nämlich eher auf eine gute Verwaltung der Beihilfe gewährenden Behörde hin als auf eine ungerechtfertigte Beihilfe, die bezweckt, SNCM „zu retten“, wie die Klägerin vorbringt. Durch progressive Einschränkung der an SNCM gezahlten Ausgleichszahlungen begrenzte das Office des transports de la Corse (im Folgenden: OTC) die Kosten für den Verbraucher und passte die Ausgleichszahlung an, wie es Art. 86 Abs. 2 EG verlangt. Das OTC reagierte also auf die Notwendigkeit, die Entwicklung der Marktkräfte zu berücksichtigen, und handelte mit Sorgfalt, als es ab 2000 begann, über eine Änderung des Systems nachzudenken. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass schon allein das Vorhandensein einer Sozialvergünstigung an sich bereits die wirkliche Notwendigkeit einer Gemeinwohldienstleistung zeigt. Der Umstand, dass der Umfang dieser Gemeinwohldienstleistung durch das OTC eingeschränkt wurde, kann daran nichts ändern.

70      Drittens und abschließend genügt zum Vorbringen der Klägerin, wonach die Entscheidung des Tribunal administratif de Bastia (Verwaltungsgericht Bastia, Frankreich) vom 5. Juli 2001, mit dem der Stoßzeitenbetrieb in der Sommersaison eingestellt wurde, zeige, dass eine tatsächliche Gemeinwohldienstleistung nicht vorliege, die Feststellung, dass diese Entscheidung vom französischen Conseil d’État am 24. Oktober 2001 aufgehoben wurde, wie SNCM anmerkt. Schließlich ist zum Urteil der Cour administrative d’appel de Marseille (Oberverwaltungsgericht Marseille, Frankreich) vom 7. November 2011, das von der Klägerin während der mündlichen Verhandlung angeführt worden ist, festzustellen, dass dieses den jüngsten Zeitraum des öffentlichen Dienstleistungsauftrags von 2007 bis 2013 betrifft. Schließlich können die Untersuchungen über das Bestehen einer wirklichen Notwendigkeit für eine Gemeinwohldienstleistung in diesem Zeitraum keinen Nachweis erbringen, der die Beurteilung der Kommission für den Zeitraum von 1996 bis 2001 in Frage stellen könnte, insbesondere im Hinblick auf die besonders schnelle Entwicklung des Wettbewerbs auf dem betroffenen Markt.

71      Demnach ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Genehmigung der Veräußerung von SNCM zu einem negativen Preis von 158 Mio. Euro als Maßnahme, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellt

72      Die Klägerin stützt ihren dritten Klagegrund auf sechs Rügen, die sich darauf richten, die Anwendung des Privatinvestortests auf den negativen Kaufpreis von 158 Mio. Euro durch die Kommission zu beanstanden. Erstens habe die Kommission einen falschen Zusammenhang zwischen den sozialen Unruhen im Jahr 2005 und der erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Liquidation von SNCM hergestellt. Zweitens sei der Test der Vergleichbarkeit mit kürzlichen Sozialplänen nicht ausreichend gerechtfertigt. Drittens könnten zusätzliche Abfindungen nicht in die Mindestliquidationskosten einbezogen werden. Viertens hätte die wirtschaftliche Auswirkung der Klausel über die Auflösung der Veräußerung untersucht werden müssen. Fünftens entspreche die Nichtberücksichtigung der Haftung des französischen Staates in der derzeitigen Lage von SNCM durch die Kommission nicht ihrer Entscheidungspraxis. Sechstens sei die Gleichbehandlung zwischen CGMF und den Übernehmern nicht gewährleistet.

73      Nach Ansicht des Gerichts ist die Prüfung des dritten Klagegrundes mit der dritten Rüge zu beginnen.

74      Im Rahmen dieser dritten Rüge bringt die Klägerin vor, die Kommission habe im Hinblick auf die Rechtsprechung keine über die rein gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen hinausgehenden zusätzlichen Abfindungen in die Berechnung der hypothetischen Kosten der Liquidation von SNCM einbeziehen können, da das Verhalten eines privaten Kapitalgebers, das von langfristigen Rentabilitätsaussichten geleitet ist, nicht von einem solchen Ansatz geprägt sei. Auf die schriftliche Anfrage des Gerichts hat die Klägerin die Tragweite ihrer Rüge klargestellt, indem sie zum einen geltend gemacht hat, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission in Randnr. 270 der angefochtenen Entscheidung der Schutz des Images von CGMF, deren einziger Vermögenswert SNCM war, keinen ausreichenden Grund darstellen könne, um die Gewährung von zusätzlichen Abfindungen zu rechtfertigen. Zum anderen bezwecke die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen in Wirklichkeit, dem Auftreten von sozialen Unruhen im Fall der Liquidation von SNCM entgegenzusteuern, was auf die Ziele des Staates als Träger öffentlicher Gewalt und nicht auf das Verhalten eines privaten Kapitalgebers zurückzuführen sei.

75      Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission zum Zweck der Beurteilung, ob SNCM ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG zuteilwurde, in den Randnrn. 259 bis 352 den negativen Kaufpreis von 158 Mio. Euro mit hypothetischen Kosten einer Liquidation der Gesellschaft verglich. Nach Ansicht der Kommission beschränkten sich die Mindestliquidationskosten im vorliegenden Fall auf die zusätzlichen Abfindungen (Randnr. 306 der angefochtenen Entscheidung). Diese seien heutzutage im Fall der Liquidation einer Tochtergesellschaft oder der Schließung eines Standorts eine faktische Verpflichtung für große Unternehmensgruppen geworden. Im vorliegenden Fall sei die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen angesichts der häufigen sozialen Unruhen innerhalb von SNCM besonders notwendig, um das Image von CGMF und des französischen Staates zu schützen (Randnrn. 270 f. der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission kam daher zum Ergebnis, dass der negative Kaufpreis von 158 Mio. Euro kein Element einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG enthalte, weil der Betrag der zusätzlichen Abfindungen über den Kapitalaufstockungskosten liege.

76      Hierbei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand an Unternehmen, in welcher Form auch immer, eine staatliche Beihilfe darstellen können (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2002, HAMSA/Kommission, T‑152/99, Slg. 2002, II‑3049, Randnr. 125 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Dennoch ist auch darauf hinzuweisen, dass der EG-Vertrag gemäß seinem Art. 295 die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lässt. So steht es den Mitgliedstaaten frei, wirtschaftliche Tätigkeiten unmittelbar oder mittelbar in gleicher Weise wie Privatunternehmen aufzunehmen. Diese Gleichbehandlung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bringt mit sich, dass die Mitgliedstaaten in wirtschaftliche Tätigkeiten investieren können und dass die Mittel, die der Staat einem Unternehmen direkt oder indirekt zu normalen Marktbedingungen zur Verfügung stellt, nicht als staatliche Beihilfen anzusehen sind (Urteile des Gerichtshofs vom 21. März 1990, Belgien/Kommission, C‑142/87, Slg. 1990, I‑959, Randnr. 29, und vom 21. März 1991, Italien/Kommission, C‑303/88, Slg. 1991, I‑1433, Randnr. 20; Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996, Air France/Kommission, T‑358/94, Slg. 1996, II‑2109, Randnr. 70).

78      Zur Klärung der Frage, ob die Privatisierung von SNCM für einen negativen Kaufpreis von 158 Mio. Euro Elemente staatlicher Beihilfe enthält, ist also zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber unter ähnlichen Umständen hätte veranlasst werden können, im Rahmen des Verkaufs des betreffenden Unternehmens Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren, oder ob er sich für die Liquidation des Unternehmens entschieden hätte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, Slg. 2002, I‑4397, Randnr. 70, und vom 28. Januar 2003, Deutschland/Kommission, C‑334/99, Slg. 2003, I‑1139, Randnr. 133).

79      Im Hinblick auf die Anwendung des Privatinvestortests ist zu unterscheiden zwischen den Verpflichtungen, die der Staat als Unternehmen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, zu übernehmen hat, und den Verpflichtungen, die ihm als Träger der öffentlichen Gewalt obliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. September 1994, Spanien/Kommission, C‑278/92 bis C‑280/92, Slg. 1994, I‑4103, Randnr. 22, und Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnr. 134). Wenn nämlich die Kapitalanlage seitens des Staates im Rahmen der Ausübung der öffentlichen Gewalt erfolgt, kann das Verhalten des Staates niemals mit dem eines privaten marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers oder Kapitalgebers verglichen werden (Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 2008, Ryanair/Kommission, T‑196/04, Slg. 2008, II‑3643, Randnr. 85).

80      Bei dieser Unterscheidung zwischen einerseits den wirtschaftlichen Tätigkeiten und andererseits den Eingriffen der öffentlichen Gewalt ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Verhalten des privaten Kapitalgebers, das mit dem des öffentlichen Kapitalgebers zu vergleichen ist, nicht zwangsläufig um das Verhalten eines gewöhnlichen Kapitalgebers handeln muss, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt. Es hat sich dabei wenigstens um das Verhalten einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe zu handeln, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt (Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 1991, Italien/Kommission, C‑305/89, Slg. 1991, I‑1603, Randnr. 20).

81      Außerdem wandeln sich sowohl der Inhalt der innerstaatlichen arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen als auch die Praxis der sozialen Beziehungen innerhalb von großen Unternehmensgruppen im Laufe der Zeit und weichen innerhalb der Union voneinander ab. Es ist daher erforderlich, dass die Kontrolle der staatlichen Beihilfen die Entwicklung dieser Usancen sowohl in Bezug auf Kapitalanlagen seitens privater Unternehmen als auch in Bezug auf Kapitalanlagen seitens des Staates gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung und ohne seine praktische Wirksamkeit zu beeinträchtigen, widerspiegelt.

82      Es ist auch klarzustellen, dass ein umsichtiger privater Kapitalgeber in einer sozialen Marktwirtschaft zum einen nicht seine Verantwortung gegenüber sämtlichen Interessenträgern des Unternehmens und zum anderen nicht die Veränderung des Kontexts von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, in dem er seine Entwicklung vorantreibt, ausblenden kann. Was aufgrund der sozialen Verantwortung und des unternehmerischen Kontexts auf dem Spiel steht, kann nämlich einen erheblichen Einfluss auf die konkreten Entscheidungen und strategischen Ausrichtungen eines umsichtigen privaten Unternehmers haben. Die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit des Verhaltens eines umsichtigen privaten Unternehmers kann daher nicht ohne Berücksichtigung solcher Überlegungen beurteilt werden.

83      Daher kann die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen durch einen privaten Kapitalgeber grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls eine legitime und zweckdienliche Praxis sein, um einen friedlicheren sozialen Dialog zu fördern und das Image einer Gesellschaft oder einer Unternehmensgruppe aufrechtzuerhalten. Die Kosten für die zusätzlichen Abfindungen vermischen sich nämlich nicht mit den Kosten der sozialen Absicherung, die zwangsläufig der Staat im Fall der Liquidation einer Gesellschaft zu tragen hätte. Kraft des Grundsatzes der Gleichbehandlung (siehe oben, Randnr. 75) steht auch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offen, zusätzliche Abfindungen im Fall der Liquidation eines öffentlichen Unternehmens zu zahlen, auch wenn ihre Verpflichtungen a priori nicht das rein gesetzliche und tarifvertragliche Minimum überschreiten dürfen.

84      Doch die Tragung dieser zusätzlichen Kosten aufgrund legitimer Überlegungen darf kein ausschließlich soziales oder gar politisches Ziel verfolgen, da sie sonst den Rahmen des Privatinvestortests sprengt, wie er oben in den Randnrn. 76 bis 82 skizziert wurde. Fehlt jegliche, wenn auch nur langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit, ist die Tragung von Kosten, die über die rein gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen hinausgehen, somit als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG anzusehen.

85      Hierbei ist zu erläutern, dass der Schutz des Images eines Mitgliedstaats als globaler Investor in der Marktwirtschaft abgesehen von besonderen Umständen und ohne eine besonders überzeugende Begründung keine ausreichende Rechtfertigung darstellen kann, um die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit der Tragung von zusätzlichen Kosten wie etwa zusätzlichen Abfindungen zu belegen. Erlaubte man der Kommission, knapp auf das Image eines Mitgliedstaats als globaler Akteur zu verweisen, um das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG zu untermauern, könnte dies nämlich zum einen die Wettbewerbsbedingungen auf dem Gemeinsamen Markt zugunsten der Unternehmen verzerren, die in Mitgliedstaaten tätig sind, wo der öffentliche wirtschaftliche Sektor vergleichsweise stärker entwickelt ist oder in denen sich der soziale Dialog besonders verschlechtert hat, und zum anderen die praktische Wirksamkeit der Gemeinschaftsregeln im Bereich der staatlichen Beihilfen ungebührlich vermindern.

86      Es ist auch zu beachten, dass es im Zusammenhang mit dem Privatinvestortest der Kommission obliegt, im Rahmen ihres weiten Ermessensspielraums u. a. in geografischer und sektorspezifischer Hinsicht die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Staates festzulegen, im Verhältnis zu denen die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit des Verhaltens dieses Staates zu beurteilen ist.

87      Denn ohne hinreichend genaue Festlegung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeiten kann die Kommission nicht in der Lage sein, zum einen die als Bezugsgröße herangezogenen privaten Kapitalgeber festzulegen und somit das Vorhandensein einer ausreichend gefestigten Praxis unter diesen Kapitalgebern anhand von objektiven und überprüfbaren Anhaltspunkten zu bestimmen. Zum anderen ist die Bestimmung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeiten bei Fehlen eines solchen Vergleichsmaßstabs auch nötig, um das Bestehen einer hinreichenden und ausreichend sicheren Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Mitgliedstaat aus dem fraglichen Verhalten einen mittelbaren, wenn auch nur langfristigen materiellen Nutzen zieht.

88      Zu Art und Umfang der gerichtlichen Kontrolle ist schließlich erstens darauf hinzuweisen, dass der Begriff der staatlichen Beihilfe, wie er im Vertrag definiert ist, ein Rechtsbegriff und anhand objektiver Kriterien auszulegen ist. Deshalb hat der Unionsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG fällt, grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits und des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen (Urteile des Gerichtshofs vom 16. Mai 2000, Frankreich/Ladbroke Racing und Kommission, C‑83/98 P, Slg. 2000, I‑3271, Randnr. 25, und vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, Slg. 2008, I‑10515, Randnr. 111). Der Unionsrichter muss u. a. nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Stichhaltigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, Slg. 2010, I‑7763, Randnr. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Im Licht dieser Grundsätze ist die dritte Rüge des dritten Klagegrundes zu prüfen.

90      Hierzu ist vorweg festzustellen, dass die Kommission die wirtschaftlichen Tätigkeiten des französischen Staates, für die eventuell die Notwendigkeit des Imageschutzes bestehen könnte, nicht eindeutig festgelegt hat.

91      Es geht nämlich aus den Randnrn. 270 f. der angefochtenen Entscheidung hervor, dass es darum geht, das Image der „Holding und ihres letzten Aktionärs“, d. h. der CGMF und des französischen Staates, zu schützen. Dazu ist, wie die Klägerin zu Recht betont hat, zu beachten, dass CGMF keinen anderen Vermögenswert im Seeverkehrssektor hat. Das auf dem Schutz des Images beruhende Argument konnte sie demnach jedenfalls nicht betreffen.

92      Weiter hat die Kommission auf schriftliche Anfrage des Gerichts vorgebracht, dass es sich bei dem Image, das es wert sei, geschützt zu werden, in Wirklichkeit um das Image des französischen Staates als globaler Investor in der Marktwirtschaft handle. Schließlich hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung nochmals ihren Standpunkt geändert, indem sie mehrmals klargestellt hat, dass sich das auf dem Schutz des Images beruhende Argument eigentlich auf den französischen Staat als Investor im Transportsektor beziehe. Die Französische Republik hingegen hat auf den französischen Staat als globaler Investor in der Marktwirtschaft verwiesen.

93      Es ist daher festzustellen, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend die wirtschaftlichen Tätigkeiten des französischen Staates festgelegt hat, im Verhältnis zu denen die wirtschaftliche Vernünftigkeit der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Maßnahmen zu beurteilen gewesen sei (vgl. oben, Randnrn. 86 f.).

94      In Ermangelung einer solchen Festlegung ist es dem Gericht grundsätzlich unmöglich, die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit des negativen Veräußerungspreises von SNCM nachzuprüfen, den der französische Staat angeboten hat, um die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen im Fall der Liquidation zu vermeiden (vgl. oben, Randnrn. 86 f.). Nur in dieser Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Kommission ein Rechtsfehler unterlaufen ist.

95      Außerdem ist unabhängig von der Festlegung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeiten zunächst festzustellen, dass die Kommission nicht genügend objektive und überprüfbare Anhaltspunkte vorgebracht hat, die belegen könnten, dass die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen unter ähnlichen Umständen eine gefestigte Praxis bei privaten Unternehmern sei.

96      Denn es ist erstens festzustellen, dass die Kommission diese Frage in der angefochtenen Entscheidung anders als in Fn. 135 nicht ansprach. In den Randnrn. 267 f. der angefochtenen Entscheidung beschränkte sich die Kommission auf die Behauptung, dass die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen ebenso wie andere Maßnahmen, etwa Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche, eine gängige Praxis bei den großen Unternehmensgruppen geworden sei, ohne jedoch den geringsten Nachweis dafür zu erbringen. Wie die Kommission in Randnr. 267 der angefochtenen Entscheidung ausführt, ist es nämlich zwar erwiesen, dass großen Unternehmensgruppen die sozialen Folgen der Schließung eines Produktionsstandorts nicht gleichgültig sein können, dies kann jedoch nicht ohne weiteren Nachweis bedeuten, dass die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen eine ständige Praxis bei den großen Unternehmensgruppen im Fall der Liquidation einer Tochtergesellschaft ist.

97      In Randnr. 272 und in Fn. 135 der angefochtenen Entscheidung behauptete die Kommission erneut, dass die Nichteinbeziehung von zusätzlichen Abfindungen in die hypothetischen Kosten der Liquidation darauf hinausliefe, die tatsächliche soziale Situation, mit der die großen Unternehmensgruppen konfrontiert sind, außer Acht zu lassen, und beschränkte sich darauf, zur Belegung dieser Aussage auf ihre Entscheidung 92/266/EWG vom 27. November 1991 betreffend die Rekonversionstätigkeiten der französischen staatlichen Industrieunternehmen (ohne Stahl, Kohle und Compagnie Générale Maritime) nach Artikel 92 bis 94 EWG-Vertrag (ABl. 1992, L 138, S. 24) und auf die anschließend angeführten Sozialpläne zu verweisen. Hierzu reicht die Feststellung, dass zum einen eine Entscheidung aus dem Jahr 1991 das Bestehen einer hinreichend gefestigten sozialen Praxis zum Zeitpunkt der Privatisierung im Jahr 2006 nicht nachzuweisen vermag und dass zum anderen auch der bloße Verweis auf eine beschränkte Anzahl von Sozialplänen das Bestehen einer hinreichend gefestigten Praxis in Fällen, die mit dem vorliegenden vergleichbar sind, nicht belegen kann. Dies gilt umso mehr, als sich diese Sozialpläne auf Umstrukturierungs- und nicht auf Liquidationsvorgänge, wie die Kommission während der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, in Sektoren beziehen, die a priori nichts mit Transportinfrastrukturen gemein haben, wie etwa in der Kosmetik (Yves Saint-Laurent Haute Couture) oder im Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor (Danone).

98      Zweitens ist zu beachten, dass die einzigen Tatsachen, die von der Kommission in den Randnrn. 274 bis 277 der angefochtenen Entscheidung vorgebracht wurden, im Wesentlichen dazu dienten, eine Schätzung der Kosten dieser Abfindungen pro Arbeitnehmer vorzunehmen, und nicht dazu, das Bestehen einer hinreichend gefestigten Praxis zu untermauern, wie die Kommission in Randnr. 41 der Gegenerwiderung bestätigt hat. Hierzu kann überdies darauf hingewiesen werden, dass die vorgebrachten Schätzungen je nach betroffenen Unternehmen und Sektoren beträchtlich abweichen.

99      Drittens haben weder die Kommission noch die Streithelferinnen einen Nachweis für das Bestehen einer Praxis der Zahlung von zusätzlichen Abfindungen vorgebracht, sei es in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts oder in der mündlichen Verhandlung. Die Kommission hat diese Frage nämlich überhaupt nicht angesprochen, während die Französische Republik nur ein einziges privates Unternehmen im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie genannt hat, das die Einführung solcher zusätzlicher Abfindungen ins Auge zu fassen scheint.

100    In Anbetracht der Randnrn. 96 bis 99 (siehe oben) ist davon auszugehen, dass die Kommission nicht in der Lage gewesen ist, nachzuweisen, dass die Zahlung von zusätzlichen Abfindungen eine ausreichend gefestigte Praxis bei privaten Unternehmen sei.

101    Zweitens ist festzustellen, dass die Kommission auch nicht genügend objektive und überprüfbare Anhaltspunkte vorgebracht hat, die mangels gefestigter Praxis bei privaten Kapitalgebern belegen könnten, dass das Verhalten des französischen Staates im vorliegenden Fall durch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daraus einen mittelbaren, wenn auch nur langfristigen materiellen Vorteil zu ziehen, begründet gewesen sei (siehe oben, Randnrn. 86 f.).

102    Es ist nämlich noch einmal festzustellen, dass diese Frage im wesentlichen Kern in der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise angesprochen wurde. Die Kommission beschränkte sich in den Randnrn. 270 f. der angefochtenen Entscheidung darauf, zu behaupten, dass sich die sozialen Spannungen innerhalb des Unternehmens, die sich ihrer Ansicht nach durch den sozialen Konflikt im Jahr 2004 gezeigt hätten, im Fall der Liquidation von SNCM in sozialen Unruhen entladen würden, die dem Ansehen der Muttergesellschaft und ihres letzten Aktionärs schaden könnten. Die Kommission brachte somit in der angefochtenen Entscheidung keinen Anhaltspunkt vor, der die konkrete Art des erlittenen Schadens erklären und insbesondere klarstellen könnte, gegenüber welchen Interessenträgern (Benutzer, Kunden, Lieferanten oder auch Personal) das Image der CGMF und des französischen Staates verschlechtert würde. Außerdem findet sich in der angefochtenen Entscheidung kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kommission versucht hätte, den erlittenen Schaden zu quantifizieren, obwohl dieser Schaden notwendigerweise mit den geschätzten Kosten der zusätzlichen Abfindungen, für die er die Rechtfertigung darstellt, verglichen werden muss.

103    In ihrer schriftlichen Beantwortung der Fragen des Gerichts hat die Kommission vorgebracht, dass die sozialen Unruhen wahrscheinlich in den vom Staat beherrschten und im Umfeld von SNCM tätigen Unternehmen wie etwa dem Hafen von Marseille stattfinden würden und auch sektorunabhängig in sämtlichen öffentlichen Unternehmen auftreten könnten, insbesondere im Verkehrssektor. Es sei somit das Image des Staates als Arbeitgeber, dem geschadet werde. Folglich würde die Liquidation von SNCM ohne Zahlung von Abfindungen nach Auffassung der Kommission wahrscheinlich Anlass zu solchen Solidarstreiks im öffentlichen Dienst geben, wie sie in einigen privaten Unternehmen aufgetreten seien. Die Französische Republik hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Imageverlust ihrer Ansicht nach als Imageverlust in den Augen ihrer sämtlichen Handelspartner und von deren privaten Kunden aufzufassen sei. Die Kommission hat außerdem die erhöhte Gefahr von Gewalt und Sachbeschädigungen in den Raum gestellt.

104    Abgesehen davon, dass diese Begründung zu spät vorgebracht worden ist, geht das Gericht jedenfalls davon aus, dass die in den schriftlichen Antworten und in der mündlichen Verhandlung dargelegten Anhaltspunkte keine hinreichend überzeugende Begründung darstellen können, um die Einbeziehung der zusätzlichen Abfindungen in die hypothetischen Liquidationskosten von SNCM zu rechtfertigen.

105    Denn erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nichts vorgebracht hat, was im vorliegenden Fall das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Entstehens der sozialen Kosten, die die Zahlung zusätzlicher Abfindungen rechtfertigen würde, belegen kann. Diese Gefahr wurde von der Kommission in keiner Weise untersucht, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat. Die Kommission hat sich im Wesentlichen auf die Behauptung beschränkt, dass die Gefahr von Generalstreiks bestehe, ohne – abgesehen von der Erläuterung, dass sie sämtliche öffentliche Unternehmen insbesondere im Verkehrssektor betreffen könnten – irgendeine Angabe zu ihrem Ausmaß zu machen. Konkret hat sich die Kommission z. B. darauf beschränkt, die möglichen Folgen für die Handelstätigkeiten des Staates im Fall der Sperrung des Hafens von Marseille, so geschehen bei den sozialen Unruhen im März 2011, zu erwähnen. Sie hat auch drei Beispiele für Sperrungen von Produktionsstätten angeführt, die in Frankreich und in Belgien im Laufe der letzten 15 Jahre eingetreten seien. Daher kann zwar das Bestehen von sozialen Spannungen innerhalb von SNCM als hinreichend erwiesen angesehen werden, wie z. B. aus Randnr. 271 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, die angeführten Punkte können aber im vorliegenden Fall nicht das Bestehen einer realen Gefahr von Solidarstreiks in anderen unmittelbar oder mittelbar vom französischen Staat beherrschten Unternehmen zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung belegen.

106    Zweitens ist zu betonen, dass die von der Kommission unterlassene Bemühung, die unmittelbaren sozialen Kosten zu quantifizieren, umso verfänglicher ist, als diese Kosten erheblich sein müssten, um ihre Begründung zu rechtfertigen. Denn die Kosten der zusätzlichen Abfindungen sind per definitionem höher als 158 Mio. Euro, dem negativen Veräußerungspreis von SNCM. Damit die zusätzlichen Abfindungen gerechtfertigt sein können, müssen ihre Kosten unter den mittelbaren sozialen Kosten wie etwa den Kosten der Solidarstreiks liegen. Daher muss die Höhe der mittelbaren sozialen Kosten, falls sie tatsächlich entstehen, besonders ausgeprägt sein, um die Begründung der Kommission rechtfertigen zu können.

107    Drittens ist angesichts der von der Kommission vorgebrachten Gesichtspunkte zu beachten, dass kein Aktenstück den Schluss zulässt, dass die Gewährung von zusätzlichen Abfindungen an die Beschäftigten von SNCM geeignet gewesen wäre, das Auftreten von sozialen Unruhen im Fall der Liquidation der Gesellschaft zu verhindern, was die Kommission während der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat. Die Kommission versäumte es nämlich nicht nur, die Wahrscheinlichkeit des Entstehens der oben erwähnten mittelbaren sozialen Kosten zu untersuchen, sondern untersuchte auch nicht die Gefahr, dass sie entstehen, obwohl zusätzliche Abfindungen ausgezahlt würden. In diesem letzteren Fall hätten also die geltend gemachten mittelbaren sozialen Kosten, die die Rechtfertigung für diese Abfindungen darstellten, trotz der Gewährung von zusätzlichen Abfindungen vom französischen Staat getragen werden müssen.

108    Die Kommission hat demnach nichts vorgebracht, was rechtlich hinreichend belegen könnte, inwieweit die Einbeziehung der erheblichen Kosten der zusätzlichen Abfindungen, die im Übrigen bis zu zehnmal höher sein können als die rein gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen, wie aus Randnr. 277 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, im vorliegenden Fall durch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründet gewesen sei, dass der französische Staat daraus einen mittelbaren, wenn auch nur langfristigen materiellen Nutzen zieht. Es ist zwar unmöglich, die Gefahr von bestimmten sozialen Folgen in anderen öffentlichen Unternehmen im Fall einer Liquidation von SNCM ohne Zahlung von zusätzlichen Abfindungen auszuräumen, aber das Ausmaß der betroffenen mittelbaren sozialen Kosten sowie die Wahrscheinlichkeit, dass sie anfallen, ist von der Kommission in keiner Weise untersucht worden, auch nicht in ihren schriftlichen Antworten an das Gericht. Daher ist davon auszugehen, dass die langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit des Verhaltens des französischen Staates nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen worden ist.

109    Angesichts der Randnrn. 72 bis 108 (siehe oben) ist der dritten Rüge der Klägerin stattzugeben. Daher ist dem dritten Klagegrund insgesamt stattzugeben, ohne dass es erforderlich wäre, auf die erste, die zweite, die vierte, die fünfte und die sechste Rüge einzugehen. Die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung werden in den Randnrn. 155 ff. weiter unten untersucht.

 Zum vierten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, der sich aus der Genehmigung der Kapitalzuführung durch CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro als Maßnahme, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellt, ergebe

110    Die Klägerin bringt zwei Rügen zur Stützung dieses Klagegrundes vor, mit denen sie zum einen eine falsche Anwendung des Kriteriums der Gleichzeitigkeit der Kapitalzuführungen der privaten Übernehmer und von CGMF und zum anderen die Nichteinhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend macht.

111    Aus Randnr. 72 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die gemeinsame und gleichzeitige Zeichnung junger Aktien mit einem Gesamtbetrag von 35 Mio. Euro durch die Übernehmer und CGMF (Letztere zu 25 %) in Teil III der Vereinbarung vorgesehen war. Diese Zeichnung sollte nach der Kapitalaufstockung in Höhe von 142,5 Mio. Euro und der Veräußerung von 75 % der Anteile an die Übernehmer für einen symbolischen Betrag erfolgen.

112    In Randnr. 354 der angefochtenen Entscheidung ging die Kommission zunächst davon aus, dass die öffentliche Kapitalzuführung keine Beihilfe darstelle, wenn private Investitionen wesentlichen Ausmaßes gleichzeitig erfolgten. Sie nahm daher an, dass sie sich, ohne eine Untersuchung der Erträge vorzunehmen, auf die Untersuchung der Gleichzeitigkeit der Kapitalzuführungen, da diese Zuführungen wesentlich waren, beschränken konnte, um den Schluss ziehen zu können, dass keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG vorliege. Da das Kriterium der Gleichzeitigkeit erfüllt war, kam sie in Randnr. 360 der angefochtenen Entscheidung zum Ergebnis, dass SNCM durch die Kapitalzuführung des französischen Staates in Höhe von 8,75 Mio. Euro kein wirtschaftlicher Vorteil gewährt werde und diese Kapitalzuführung daher keine Beihilfe sei.

113    Daraufhin untersuchte die Kommission – erst nachdem sie festgestellt hatte, dass keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG vorliege – in den Randnrn. 361 bis 363 der angefochtenen Entscheidung die Frage, ob der feste Ertrag der Beteiligung von CGMF für einen hypothetischen privaten Kapitalgeber annehmbar gewesen wäre. Sie vertrat dann den Standpunkt, dass der feste Ertrag, da er CGMF jegliches Risiko der Erfüllung des Geschäftsplans ersparte, eine angemessene langfristige Kapitalrendite darstelle. Außerdem kam der Sachverständige der Kommission zum Ergebnis, dass diese Kapitalzuführung unter Risikoaspekten fast mit einer Schuldverschreibung des französischen Privatsektors vergleichbar sei.

114    Schließlich ergibt sich aus Randnr. 364 der angefochtenen Entscheidung, dass die Klausel über die Auflösung der Veräußerung (siehe oben, Randnr. 23) im Zusammenhang mit der Frage der Erträge nicht angesprochen wurde, da sich die Kommission auf die Behauptung beschränkte, dass diese die Gleichbehandlung der CGMF und der privaten Übernehmer nicht in Frage stellen könne.

115    Hierzu ist schon oben in den Randnrn. 76 f. darauf hingewiesen worden, dass zur Bestimmung, ob eine öffentliche Kapitalzuweisung Elemente einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG enthält, zu beurteilen ist, ob ein privater Kapitalgeber unter vergleichbaren Umständen diese Kapitalzuführung vorgenommen hätte. Falls einem Unternehmen unmittelbar oder mittelbar durch den Staat zu normalen Marktbedingungen Mittel zur Verfügung gestellt wurden, können diese wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor nicht als staatliche Beihilfen qualifiziert werden. Daher ist davon auszugehen, dass eine Kapitalzufuhr aus öffentlichen Mitteln dem Kriterium des privaten Kapitalgebers genügt und keine staatliche Beihilfe darstellt, u. a., wenn sie mit einer wesentlichen Kapitalzufuhr eines privaten Investors einhergeht, die unter vergleichbaren Bedingungen erfolgt (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T‑296/97, Slg. 2000, II‑3871, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur Gleichzeitigkeit

116    Was die Gleichzeitigkeit der Kapitalzuführungen der privaten und öffentlichen Kapitalgeber anbelangt, vertritt die Klägerin den Standpunkt, dass das Kriterium der Gleichzeitigkeit für sämtliche Kapitalzuführungen nicht eingehalten worden sei, weil nicht der gesamte Betrag von 35 Mio. Euro zum selben Zeitpunkt freigegeben worden sei, während es die Kommission als ausreichend erachtete, dass die Bedingungen ähnlich waren.

117    Insoweit ist zu beachten, dass die Gleichzeitigkeit der Kapitalzuführungen der privaten und öffentlichen Kapitalgeber allenfalls ein Hinweis ist, der für das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG sprechen kann. Es geht nämlich aus Art. 81 des Urteils Alitalia/Kommission, siehe oben, Randnr. 115, das von der Kommission in Fn. 168 der angefochtenen Entscheidung angeführt wird, hervor, dass diese Kapitalzufuhren unter vergleichbaren Bedingungen erfolgt sein müssen. Da das Ziel des Privatinvestortests darin besteht, das Verhalten des Staates mit dem eines hypothetischen privaten Kapitalgebers zu vergleichen, lässt sich nicht leugnen, dass das Vorhandensein von Kapitalgebern, die bereit sind, in wesentlichem Ausmaß und gleichzeitig zu investieren, die erfolgreiche Vornahme eines solchen Tests erleichtern kann. Es sind jedoch sämtliche in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht relevante Angaben zu berücksichtigen, um die Rechtmäßigkeit der betreffenden Kapitalzuführungen im Hinblick auf die Gemeinschaftsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu beurteilen. Der zeitliche Aspekt ist somit natürlich wichtig, aber die Gleichzeitigkeit kann nicht von vornherein als allein ausreichend erachtet werden.

118    Da die Gleichzeitigkeit folglich nur als Hinweis zu beurteilen ist, der für das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs.1 EG sprechen kann, darf sie nach vernünftigem Ermessen nicht streng beurteilt werden. Im vorliegenden Fall konnte die Kommission aufgrund der Tatsache, dass das erste Viertel jeder Beteiligung genau zum selben Zeitpunkt freigegeben wurde und dass für die restlichen drei Viertel dieselben nationalen Vorschriften gelten, mit gutem Recht annehmen, dass dieses Kriterium der Gleichzeitigkeit erfüllt war oder zumindest, dass die Untersuchung des zeitlichen Aspekts einen Beweis für das Vorhandensein von vergleichbaren Bedingungen bei den privaten und den öffentlichen Investitionen lieferte.

119    Damit ist die erste Rüge des vierten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zur Gleichbehandlung

120    Nach Ansicht der Klägerin stellt die Ungleichheit zwischen CGMF und den privaten Übernehmern hinsichtlich der Erträge, die insbesondere auf das Vorhandensein der Klausel über die Auflösung der Veräußerung zurückzuführen sei, die Vergleichbarkeit der Investitionsbedingungen für die privaten Übernehmer und CGMF in Frage, was das Ergebnis der Kommission in Bezug auf die Gleichbehandlung unrechtmäßig mache.

121    Aufgrund der oben in Randnr. 115 genannten Grundsätze ist zu beurteilen, ob die etwaigen Unterschiede zwischen den Erträgen der jeweiligen Kapitalzuführungen der privaten Übernehmer und von CGMF geeignet sind, die Stichhaltigkeit der Untersuchung der Kommission, die zum Ergebnis kommt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung eingehalten wurde, in Frage zu stellen.

122    Insoweit ist, wie oben in den Randnrn. 117 f. erwähnt, zu beachten, dass im vorliegenden Fall die Gleichzeitigkeit der öffentlichen und privaten Investitionen allenfalls einen relevanten Anhaltspunkt bei der Beurteilung des Beihilfecharakters einer öffentlichen Kapitalzuführung darstellen konnte. Folglich ist die Darstellung der Kommission in Randnr. 354 der angefochtenen Entscheidung, das Gemeinschaftsgericht habe ihren Untersuchungsrahmen bestätigt, verfehlt. Außerdem stellt Ziff. 3.2. iii der Mitteilung zur Anwendung der Artikel 92 und 93 EG-Vertrag auf Beteiligungen der öffentlichen Hand am Kapital von Unternehmen (Bulletin EG 9/1984), auf die sich die Kommission in Fn. 167 bezieht, keine Vermutung des Nichtvorliegens einer Beihilfe im Fall einer bedeutenden und gleichzeitigen privaten Investition auf. Daher kann die Gleichzeitigkeit, wie die Kommission in ihren schriftlichen Antworten auf Fragen des Gerichts eingeräumt hat, für sich allein genommen sogar bei bedeutenden privaten Investitionen nicht für die Schlussfolgerung ausreichen, dass keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG vorliege, ohne die anderen relevanten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

123    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Frage des festen Ertrags und die Frage der Auswirkung der Klausel über die Auflösung der Veräußerung zu all den relevanten Gesichtspunkten gehören, die von der Kommission hätten untersucht werden müssen, um zum Ergebnis kommen zu können, dass die Investitionsbedingungen für die privaten Übernehmer und CGMF vergleichbar gewesen seien und somit der Grundsatz der Gleichbehandlung eingehalten worden sei.

124    Zunächst ist nämlich zum einen festzustellen, dass die Rentabilität der Kapitalzuführung der privaten Übernehmer nicht durch die Vereinbarung festgelegt ist. Zum anderen soll die Kapitalzuführung von CGMF nach der angefochtenen Entscheidung wie eine Schuldverschreibung mit fester Verzinsung funktionieren. Diese feste Verzinsung ist jedoch insoweit nicht gewährleistet, als der feste Ertrag im Fall der Inanspruchnahme der Klausel über die Auflösung der Veräußerung infolge der Nichtverlängerung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder infolge einer Entscheidung der Kommission oder des Gemeinschaftsrichters, die wesentliche Auswirkungen auf den Unternehmenswert hat, nicht mehr ausgezahlt wird. Im Hinblick auf diese Punkte konnte die Kommission nicht ohne eine vertiefte Untersuchung der Auswirkung der Ertragsunterschiede der Beteiligungen von CGMF und der privaten Übernehmer im Rahmen der Prüfung der Gleichbehandlung auskommen.

125    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Investition in Höhe von 8,75 Mio. Euro in das Kapital von SNCM nicht als klassische Portfolioinvestition angesehen werden kann, ohne den Privatisierungskontext des Unternehmens auszublenden. Diese Kapitalzuführung erfolgt nämlich im Rahmen einer umfassenden Verkaufsvereinbarung, die aus einer einzigen Verhandlung hervorging, bei der die Kapitalzuführungen der Übernehmer die Gegenleistung für umfangreiche, vielfältige Verpflichtungen des französischen Staates sind.

126    Drittens vertritt die Kommission zur Klausel über die Auflösung der Veräußerung den Standpunkt, dass diese die Gleichbehandlung der privaten und öffentlichen Investitionen insoweit nicht in Frage stellen könne, als ihre Bewertung bereits im Rahmen der Veräußerung des Unternehmens zu einem negativen Verkaufspreis berücksichtigt worden sei.

127    Ohne dass es erforderlich wäre, zu entscheiden, ob die Bewertung der Klausel über die Auflösung der Veräußerung von der Kommission richtig berücksichtigt worden ist, genügt die Feststellung, dass ihre wirtschaftliche Auswirkung und somit ihre Auswirkung auf die Gleichbehandlung der gleichzeitigen Investoren in keiner Weise in der angefochtenen Entscheidung beurteilt wurden. Randnr. 364 dieser Entscheidung beschränkt sich auf die Feststellung, dass sie die Gleichbehandlung der gleichzeitigen Investoren nicht in Frage stellen könne, enthält aber keine Untersuchung wirtschaftlicher Natur. Es ergibt sich aber aus den Aktenstücken, dass die Klausel über die Auflösung der Veräußerung wahrscheinlich einen wesentlichen wirtschaftlichen Wert hat, worauf die Klägerin und die STIM d’Orbigny als beteiligte Dritte, die während des förmlichen Prüfverfahrens Stellungnahmen abgegeben hatten, im Verwaltungsverfahren klar hingewiesen haben, wie aus den Randnrn. 155, 158 und 163 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht.

128    Es ist nämlich erstens zu beachten, dass die Klausel über die Auflösung der Veräußerung bei Nichtverlängerung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder bei einer Entscheidung der Kommission oder des Gemeinschaftsrichters, die Auswirkungen auf den Unternehmenswert hat, in Anspruch genommen werden kann. Diese beiden Ereignisse sind schon allein geeignet, die aufgestockte SNCM in Schwierigkeiten zu bringen, da sie im einen Fall einen Großteil ihres Umsatzes verlieren würde und im anderen Fall Gegenstand eines Verfahrens zur Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe in Bezug auf sämtliche Kapitalzuführungen von CGMF oder Teile davon würde. In dieser für das Unternehmen misslichen Lage würde die Inanspruchnahme der Klausel über die Auflösung der Veräußerung zum einen die Verpflichtung nach sich ziehen, sämtliche Kapitalzuführungen der Übernehmer zurückzuerstatten. Zum anderen würde CGMF dann wieder 100 % der Anteile von SNCM halten und somit zu 100 % für die Kosten einer möglichen zukünftigen Liquidation haftbar sein, während sich aber die Gefahr der Liquidation wesentlich erhöht hat.

129    Zweitens haben die Kommission und die Französische Republik im schriftlichen Verfahren und während des mündlichen Verfahrens nicht bestritten, dass die Klausel über die Auflösung der Veräußerung einen realen wirtschaftlichen Wert habe, da sie ja vorgebracht haben, dass ihre Bewertung künstlich in die Transaktion einbezogen worden sei. Überdies hat die Französische Republik in ihrem Streithilfeschriftsatz darauf hingewiesen, dass eines der Konkurrenzangebote, das keine Klausel über die Auflösung der Veräußerung enthielt, eine sehr viel höhere Kapitalaufstockung vom französischen Staat als Gegenleistung verlangt habe. Die Kommission und die Französische Republik haben nicht bestritten, dass die Klausel über die Auflösung der Veräußerung einen realen Geldwert hat.

130    In Anbetracht der Randnrn. 126 bis 129 (siehe oben) ist im Ergebnis festzustellen, dass die Klausel über die Auflösung der Veräußerung zumindest jeden Unsicherheitsfaktor für die privaten Übernehmer im Fall des Eintretens eines der auslösenden Faktoren beseitigen kann und dass diese Klausel folglich einen realen Geldwert hat. Diese Klausel kann daher die jeweilige Risikoskala für die Kapitalzuführungen der privaten Übernehmer und von CGMF verändern und somit die Vergleichbarkeit der Investitionsbedingungen in Frage stellen. Auf jeden Fall konnte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht darauf verzichten, eine vertiefte Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Klausel über die Auflösung der Veräußerung vorzunehmen.

131    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission es versäumt hat, sämtliche relevante Gesichtspunkte, insbesondere die Erträge, in ihre Beurteilung der Vergleichbarkeit der Investitionsbedingungen für die gleichzeitigen Kapitalzuführungen einfließen zu lassen. Insoweit unterlief der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler. Die zweite Rüge ist daher als begründet anzusehen. Daher ist dem vierten Klagegrund teilweise stattzugeben. Die Auswirkungen dieses Fehlers auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung werden in den Randnrn. 155 ff. geprüft.

 Zum fünften Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, der sich aus der Genehmigung der personenbezogenen Beihilfemaßnahmen in Höhe von 38,5 Mio. Euro als Maßnahmen, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen, ergebe

132    Zur Stützung des fünften Klagegrundes bringt die Klägerin im Wesentlichen drei Rügen vor. Erstens sei die Untersuchung der Kommission nicht vereinbar mit Ziff. 3.2.7 hinsichtlich „Beihilfen zur Deckung der Sozialkosten von Umstrukturierungen“ der Leitlinien, da der Gegenstand dieser Beihilfen nicht klar festgelegt sei. Zweitens müssten diese personenbezogenen Beihilfen, da SNCM aufgrund einer Betriebsvereinbarung allein über die Höhe des den Arbeitnehmern gewährten Betrags entscheide, als Beihilfen im Sinne von Randnr. 59 der Leitlinien angesehen werden. Diese Maßnahme bringe SNCM in eine günstige Wettbewerbssituation, was den Tatbestand eines selektiven wirtschaftlichen Vorteils und somit einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG erfülle. Drittens sei das Treuhandkonto, auf dem die Mittel für die personenbezogenen Beihilfen lägen, nicht verzinst. Es befolge demnach nicht die Leitlinien, da der Beihilfebedarf nicht auf das Minimum beschränkt werde.

133    Die Kommission ist sinngemäß der Auffassung, dass diese Rügen ins Leere gingen, da die Klägerin die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gemäß den Leitlinien und nicht den Beihilfecharakter im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG beanstande. Materiell-rechtlich geht sie davon aus, dass diese personenbezogenen Beihilfemaßnahmen unter die Sozialpolitik der Mitgliedstaaten fallen.

134    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG und ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG und der Leitlinien verwechselt. Da es nicht Sache des Gerichts ist, über die Vereinbarkeit einer Beihilfe zu entscheiden, die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt wurde, sind die erste und die dritte Rüge des fünften Klagegrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen.

135    Hingegen ist die zweite Rüge so auszulegen, dass sie unmittelbar die Feststellung der Kommission, dass keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG vorliege, in Frage stellt. Es ist demnach zu untersuchen, ob diese personenbezogenen Beihilfen wirtschaftlich vorteilhaft sind.

136    Dabei reicht nach ständiger Rechtsprechung der bloße Umstand, dass eine Maßnahme ein soziales Ziel verfolgt, nicht aus, um sie von vornherein von der Einordnung als Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG auszunehmen. Art. 87 Abs. 1 EG unterscheidet nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen. Der Begriff der Beihilfe umfasst Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 15. März 1994, Banco Exterior de España, C‑387/92, Slg. 1994, I‑877, Randnr. 13, vom 26. September 1996, Frankreich/Kommission, C‑241/94, Slg. 1996, I‑4551, Randnr. 21, vom 29. April 2004, Niederlande/Kommission, C‑159/01, Slg. 2004, I‑4461, Randnr. 51, und vom 3. März 2005, Heiser, C‑172/03, Slg. 2005, I‑1627, Randnr. 46).

137    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Begriff der Beihilfe nicht zwangsläufig impliziert, dass eine gesetzliche Verpflichtung abgenommen wird, sondern eher, dass Belastungen vermindert werden, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Frankreich/Kommission [Urteil des Gerichtshofs vom 26. September 1996, oben in Randnr. 136 angeführt], Slg. 1996, I‑4553, Nr. 43). Die Definition, was eine Belastung aus der laufenden Betriebsführung des Unternehmens ist, kann sich daher naturgemäß nicht auf gesetzliche und tarifvertragliche Verpflichtungen beschränken. Ebenso kann der Umstand, dass die unmittelbaren Empfänger der personenbezogenen Beihilfe Arbeitnehmer sind, nicht als Nachweis dafür ausreichen, dass keine Beihilfe zugunsten ihres Arbeitgebers vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23. Februar 1961, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, 30/59, Slg. 1961, 3).

138    Um zu untersuchen, ob diese personenbezogenen Beihilfen eine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen, ist demnach zu ermitteln, ob SNCM einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt, der sie von Kosten entlastet, die sie normalerweise aus ihren Eigenmitteln hätte bestreiten müssen, und somit die Marktkräfte daran hindert, ihre normalen Wirkungen zu zeitigen.

139    Aus Randnr. 70 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass der von CGMF gewährte Kontokorrentvorschuss in Höhe von 38,5 Mio. Euro zugunsten der entlassenen Beschäftigten von SNCM den Zweck hat, die zusätzlichen Abfindungen eines etwaigen von den Übernehmern umgesetzten Personalabbauplans zu finanzieren. Dieser Kontokorrentvorschuss dient nämlich dazu, „[den Anteil] der Kosten, die bei freiwilligen Abgängen oder Kündigungen von Arbeitsverträgen … zusätzlich zu den Beträgen aller Art, die vom Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen zu zahlen wären, gezahlt würden“ zu finanzieren (Art. II.2 der Vereinbarung vom 16. Mai 2006, in Fn. 66 der angefochtenen Entscheidung angeführt).

140    Die Kommission wies in den Randnrn. 366 bis 370 der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil vorliege, wenn eine öffentliche Kapitalzuführung das Unternehmen von Kosten seiner laufenden Betriebsführung entlaste. Sie nahm im vorliegenden Fall an, dass Kosten der laufenden Betriebsführung sämtliche Kosten seien, die auf die Anwendung der Sozialgesetzgebung und der in einem Sektor geltenden Tarifverträge zurückzuführen seien. Da diese personenbezogenen Beihilfen nicht die Finanzierung von gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen bezweckten, dienten sie somit nicht dazu, Kosten der laufenden Betriebsführung des Unternehmens zu finanzieren.

141    Nach Randnr. 372 der angefochtenen Entscheidung kann mit diesen personenbezogenen Beihilfen keine Erleichterung des Abbaus von Personal bezweckt oder bewirkt werden, da das Treuhandkonto nur für Beschäftigte herangezogen werden kann, die zum Zeitpunkt des neuen Sozialplans das Unternehmen bereits verlassen haben werden. Diese personenbezogenen Beihilfen seien somit eine sozialpolitische Maßnahme, da der französische Staat dabei als Träger öffentlicher Gewalt und nicht als Anteilseigner auftrete. Die Kommission stellte in Randnr. 375 der angefochtenen Entscheidung klar, dass diese Maßnahme nicht die Finanzierung des ursprünglich im Plan von 2002 vorgesehenen Personalabbaus bezwecke.

142    Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

143    Erstens geht aus der oben in den Randnrn. 136 f. angeführten Rechtsprechung entgegen den Behauptungen der Kommission in Randnr. 371 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass der Umstand, dass sich die fragliche Maßnahme nicht aus rein gesetzlichen und tarifvertraglichen Verpflichtungen ableitet, nicht von vornherein den Beihilfecharakter im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG ausschließen kann.

144    Zweitens ist das Bestehen des Treuhandkontos geeignet, einen Anreiz für die Beschäftigten von SNCM zu schaffen, das Unternehmen zu verlassen oder es zumindest ohne Verhandlungen über ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen zu verlassen, insbesondere im Hinblick auf die etwaige Gewährung von zusätzlichen Abfindungen im Sinne von Randnr. 268 der angefochtenen Entscheidung, alles Dinge, die einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für SNCM mit sich bringen.

145    Die Tatsache, dass dieses Treuhandkonto mit den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften vor der Privatisierung im Zuge des sozialen Konflikts im Jahr 2005 verhandelt wurde, wie aus den schriftlichen Antworten der Kommission hervorgeht, ist nicht für sich genommen geeignet, den Beihilfecharakter der betroffenen Maßnahmen in Frage zu stellen. Denn der Vorteil kommt, unabhängig davon, ob er vor oder nach der Privatisierung gewährt wurde, weiterhin SNCM zugute. Außerdem legt schon der Umstand, dass diese personenbezogenen Beihilfen Teil der Verkaufsvereinbarung selbst sind, nahe, dass sie einen Vorteil mit sich bringen. Es ist daher anzunehmen, dass die Parteien darauf zurückgegriffen haben, weil sie daraus einen gewissen Nutzen ziehen konnten.

146    Daher sind die Erklärungen der Kommission, insbesondere die in Randnr. 372 der angefochtenen Entscheidung, weder überzeugend noch auch nur verständlich.

147    Im Hinblick auf die Randnrn. 142 bis 146 (siehe oben) ist festzustellen, dass der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie die personenbezogenen Beihilfemaßnahmen in Höhe von 38,5 Mio. Euro als Maßnahmen einstufte, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen. Daher ist dem fünften Klagegrund stattzugeben. Die Auswirkungen dieses Fehlers auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung werden unten in den Randnrn. 155 ff. untersucht.

 Zum sechsten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, der sich aus der Genehmigung des Umstrukturierungsrestbetrags nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG und den Leitlinien ergebe

148    Erstens ist festzustellen, dass dieser sechste Klagegrund den Umstrukturierungsrestbetrag in Höhe eines endgültigen Betrags von 15,81 Mio. Euro betrifft, der nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG und den Leitlinien für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde.

149    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Untersuchung dieses Umstrukturierungsrestbetrags durch die Kommission in den Randnrn. 366 bis 434 der angefochtenen Entscheidung auf der Prämisse beruhte, dass der Plan von 2006 frei von Elementen einer staatlichen Beihilfe war.

150    Hierzu ist nämlich zu beachten, dass es in der Entscheidung von 2006 ausdrücklich heißt, dass die Beihilfeelemente der Umstrukturierungsbeihilfe im Plan von 2006 zusammen mit der Umstrukturierungsbeihilfe des Plans von 2002 zu untersuchen seien, wie aus den Randnrn. 6, 7, 25 und 129 hervorgeht. Die Kommission wies zudem in Randnr. 161 der Entscheidung von 2006 darauf hin, dass sie nicht ausschließen könne, die zusätzliche Kapitalzuführung in Höhe von 158 Mio. Euro ganz oder teilweise als staatliche Beihilfe anzusehen. Sie führte somit zu Recht aus, dass diese Maßnahme, sollte sie eine Beihilfe darstellen, demnach „ensemble avec l’aide à la restructuration globale dont il conviendrait alors d’examiner la compatibilité“ (zusammen mit der gesamten Umstrukturierungsbeihilfe, deren Vereinbarkeit dann zu prüfen wäre) zu beurteilen sei.

151    Aus der angefochtenen Entscheidung geht jedoch hervor, dass der Plan von 2006 laut Kommission keine neuen Beihilfeelemente enthielt, da sie annahm, dass der negative Kaufpreis von 158 Mio. Euro, die gemeinsame und gleichzeitige Kapitalzuführung durch CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro und die personenbezogenen Beihilfen in Höhe von 38,5 Mio. Euro keine Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten.

152    Aus der Prüfung des dritten, des vierten und des fünften Klagegrundes ergibt sich, dass die Kommission einen Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler begangen hat, die geeignet sind, die Prämisse, dass der Plan von 2006 frei von Beihilfeelementen sei, in Frage zu stellen.

153    Vor diesem Hintergrund stellt das Gericht fest, dass die Untersuchung der Kommission in Bezug auf den Umstrukturierungsrestbetrag nicht wirksam untermauert ist. Daher ist dem sechsten Klagegrund stattzugeben, ohne dass es erforderlich wäre, das Vorbringen der Klägerin zu prüfen.

154    Nunmehr sind die Auswirkungen der Beurteilungsfehler der Kommission auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu behandeln.

 Zu den Auswirkungen der offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung

155    Aus den Randnrn. 94, 109, 131 und 147 (siehe oben) ergibt sich, dass die Kommission einen Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler begangen hat, was ihre Untersuchungen des negativen Kaufpreises von 158 Mio. Euro, der gemeinsamen und gleichzeitigen Kapitalzuführung durch CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro und der personenbezogenen Beihilfen in Höhe von 38,5 Mio. Euro anbelangt. Daher ist Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären.

156    Aus den Randnrn. 148 bis 152 (siehe oben) ergibt sich, dass die Untersuchung des Umstrukturierungsrestbetrags in Höhe eines endgültigen Betrags von 15,81 Mio. Euro durch die Kommission auf einer falschen Prämisse beruhte. Daher ist Art. 1 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären.

 Kosten

157    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

158    Die Französische Republik und SNCM tragen nach Art. 87 § 4 Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Abs. 2 und 3 der Entscheidung 2009/611/EG der Kommission vom 8. Juli 2008 über die Maßnahmen C 58/02 (ex N 118/02) Frankreichs zugunsten der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM) wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten der Klägerin sowie ihre eigenen Kosten.

3.      Die Französische Republik und SNCM tragen ihre eigenen Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. September 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Betroffene Schifffahrtsunternehmen

Verwaltungsverfahren

Streitige Maßnahmen

Angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Beteiligten

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund: Begründungsmangel und Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

Zum zweiten Klagegrund, mit dem sinngemäß ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission geltend gemacht wird, der sich aus der Genehmigung der Kapitalzuführung von 53,48 Mio. Euro gemäß Art. 86 Abs. 2 EG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 EG ergebe

Zum dritten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Genehmigung der Veräußerung von SNCM zu einem negativen Preis von 158 Mio. Euro als Maßnahme, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellt

Zum vierten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, der sich aus der Genehmigung der Kapitalzuführung durch CGMF in Höhe von 8,75 Mio. Euro als Maßnahme, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellt, ergebe

Zur Gleichzeitigkeit

Zur Gleichbehandlung

Zum fünften Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, der sich aus der Genehmigung der personenbezogenen Beihilfemaßnahmen in Höhe von 38,5 Mio. Euro als Maßnahmen, die keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen, ergebe

Zum sechsten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, der sich aus der Genehmigung des Umstrukturierungsrestbetrags nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG und den Leitlinien ergebe

Zu den Auswirkungen der offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.