Language of document : ECLI:EU:C:2006:437

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 29. Juni 20061(1)

Rechtssache C‑36/05

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Königreich Spanien






1.        Mit der vorliegenden von der Kommission gegen Spanien nach Artikel 226 EG erhobenen Klage beantragt die Kommission die Feststellung, dass Spanien die Artikel 1 und 5 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (im Folgenden: Richtlinie) nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat(2).

 Die Richtlinie

2.        Durch die Richtlinie sollen Unterschiede hinsichtlich des Rechtsschutzes für urheberrechtlich geschützte Werke und Gegenstände der verwandten Schutzrechte(3) in den Mitgliedstaaten in Bezug auf das Vermieten und Verleihen beseitigt werden(4). Insbesondere schreibt sie den Mitgliedstaaten vor, Rechte in Bezug auf das Vermieten und Verleihen für bestimmte Gruppen von Rechtsinhabern vorzusehen.

3.        Die siebte Begründungserwägung der Richtlinie lautet:

„Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden.“

4.        Artikel 1 Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, das Recht vorzusehen, die Vermietung oder das Verleihen von Originalen und Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke Artikel 2 entsprechend zu erlauben oder zu verbieten.

5.        Artikel 1 Absatz 2 definiert „Vermietung“ als „die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung zu unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen“. Artikel 1 Absatz 3 definiert „Verleihen“ als „die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung, die nicht einem unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen dient und durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen vorgenommen wird“.

6.        Artikel 2 Absatz 1 bestimmt:

„Das ausschließliche Recht, die Vermietung und das Verleihen zu erlauben oder zu verbieten, steht zu:

–        dem Urheber in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke seines Werkes,

–        dem ausübenden Künstler in Bezug auf Aufzeichnungen seiner Darbietung,

–        dem Tonträgerhersteller in Bezug auf seine Tonträger und

–        dem Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke seines Films. Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet ‚Film‘ vertonte oder nicht vertonte Filmwerke, audiovisuelle Werke oder Laufbilder.“

7.     Artikel 5 sieht, soweit hier von Bedeutung, vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können hinsichtlich des öffentlichen Verleihwesens Ausnahmen von dem ausschließlichen Recht nach Artikel 1 vorsehen, sofern zumindest die Urheber eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten. Es steht den Mitgliedstaaten frei, diese Vergütung entsprechend ihren kulturpolitischen Zielsetzungen festzusetzen.

(3)      Die Mitgliedstaaten können bestimmte Kategorien von Einrichtungen von der Zahlung der Vergütung im Sinne de[s Absatzes] 1 ausnehmen.“

8.     Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten vor, die Richtlinie spätestens zum 1. Juli 1994 umzusetzen.

 Einschlägige nationale Rechtsvorschriften

9.        Bei der spanischen Regelung, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist, handelt es sich um die Neufassung des Gesetzes über geistiges Eigentum (Texto refundido de la Ley de Propiedad Intelectual, im Folgenden: LPI).

10.      Artikel 17 LPI räumt Urhebern ein ausschließliches Verwertungsrecht ein, das ein Verbreitungsrecht beinhaltet.

11.      Nach Artikel 19 Absatz 1 beinhaltet das Verbreitungsrecht das Verleihen.

12.      Artikel 19 Absatz 3 sieht vor:

„‚Vermietung‘ bedeutet die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung von Originalen und Vervielfältigungsstücken eines Werkes zu unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen.

Vom Begriff der Vermietung sind die Gebrauchsüberlassung zu Ausstellungszwecken, die öffentliche Wiedergabe über Tonträger oder audiovisuelle Aufnahmen, auch in Auszügen, und die Überlassung zur Benutzung an Ort und Stelle ausgenommen.“

13.      Unterabsätze 1 und 3 des Artikels 19 Absatz 4 sehen vor:

„‚Verleihen‘ bedeutet die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung von Originalen und Vervielfältigungsstücken eines Werkes, die nicht einem unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen dient und durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen vorgenommen wird.

Vom Begriff des Verleihens sind die in Absatz 3 Unterabsatz 2 genannten und die zwischen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, stattfindenden Vorgänge ausgenommen.“

14.      Das durch die Artikel 17 und 19 eingeräumte ausschließliche Verleihrecht unterliegt nach Artikel 37 Absatz 2 LPI folgender Ausnahme:

„… Museen, Archive, Bibliotheken, Zeitungsarchive, Phonotheken oder Cinematheken, die in öffentlicher Trägerschaft stehen oder zu gemeinnützigen Kultur-, Wissenschafts- oder Bildungskörperschaften ohne Gewinnerzielungsabsicht oder Lehranstalten des spanischen Bildungssystems gehören, [benötigen] keine Erlaubnis der Rechtsinhaber und müssen keine Vergütung für das von ihnen vorgenommene Verleihen leisten.“

 Würdigung

15.      Die Kommission trägt vor, Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie erlaube den Mitgliedstaaten, nur „bestimmte Kategorien“ von Einrichtungen von der Zahlung der Vergütung auszunehmen, die andernfalls durch Artikel 5 Absatz 1 als Gegenleistung für die Ausnahme von dem durch Artikel 1 eingeräumten ausschließlichen Verleihrecht garantiert werde. Artikel 37 Absatz 2 LPI befreie jedoch faktisch jedes Verleihen sowohl von dem Erfordernis, die Erlaubnis des Urhebers einzuholen, als auch von dem Erfordernis, dem Urheber eine Vergütung zu zahlen. Als Ergebnis dieser Ausnahme sei die Verpflichtung, Urheber für das ohne Erlaubnis erfolgte Verleihen ihrer Werke zu vergüten, nur anwendbar, wenn das verleihende Unternehmen entweder 1. eine private gewerbliche Einrichtung oder 2. eine private nicht gewerbliche Einrichtung, aber keine Kultur-, Wissenschafts- oder Bildungseinrichtung des Gemeinwohls sei. Diese beiden Kategorien erfassten jedoch einen so begrenzten Bereich, dass ihre praktische Wirkung vernünftigerweise bezweifelt werden dürfe. Im Hinblick auf die erste Kategorie erscheine es sehr unwahrscheinlich, dass eine gewerbliche Einrichtung unentgeltliches Verleihen anbiete. Da Verleihen „zu unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen“ im Sinne dieser Richtlinie unter die Definition von „Vermietung“ und nicht „Verleihen“ falle, sei es von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie nicht umfasst. Im Hinblick auf die zweite Kategorie erscheine es unwahrscheinlich, dass Museen, Archive, Bibliotheken, Zeitungsarchive, Phonotheken oder Cinematheken, die öffentliches Verleihen anböten, ohne gewerblich zu agieren, keine Kultur-, Wissenschafts- oder Bildungseinrichtungen des Gemeinwohls seien.

16.      Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass, auch wenn Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie den Mitgliedstaaten einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Bezeichnung der von der Vergütungspflicht ausgenommenen Kategorien von Einrichtungen lasse, er nicht dazu ermächtige, alle oder fast alle Einrichtungen von dieser Verpflichtung auszunehmen. Eine „Ausnahme“, die auf alle oder fast alle Einrichtungen anwendbar sei, die nach Artikel 5 Absatz 1 der Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung unterliegen, werde eine allgemeine Regel. Außerdem könne man in einer solchen Ausnahme nicht die Anwendung auf nur „bestimmte Kategorien von Einrichtungen“ sehen(5). Als Ausnahme müsse Artikel 5 Absatz 3 eng ausgelegt werden. Wenn die Mitgliedstaaten alle oder fast alle Einrichtungen, die andernfalls eine Vergütung zahlen müssten, ausnehmen könnten, wäre die Verpflichtung nach Artikel 5 Absatz 1 bedeutungslos.

17.      Ich bin der Ansicht, dass die Klage der Kommission begründet ist. Meines Erachtens ergibt sich eindeutig aus der Systematik und den Zielen der Richtlinie und dem Wortlaut des Artikels 5 Absatz 3, dass es einem Mitgliedstaat nicht freisteht, praktisch alle Kategorien von Einrichtungen auszunehmen, die andernfalls unter Artikel 5 Absatz 1 fallen würden.

18.      Wie die Kommission richtigerweise ausführt, besteht eines der Hauptziele der Richtlinie darin, ein angemessenes Einkommen für das schöpferische Arbeiten der Urheber sicherzustellen(6). Im Einklang mit diesem Ziel schreibt Artikel 5 Absatz 1 vor, dass die Urheber, wenn ein Mitgliedstaat eine Ausnahme von dem ausschließlichen Recht, das Verleihen ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten, vorgesehen hat, immer noch eine Vergütung für das Verleihen erhalten müssen. Damit spiegelt, auch wenn Artikel 5 Absatz 1 als eine Ausnahme beschrieben wird, diese Vorschrift in Wirklichkeit das mit der gesamten Richtlinie aufgestellte Haupterfordernis wider, nämlich das Erfordernis, dass Urheber eine Vergütung im Einklang mit den Artikeln 1 und 2 der Richtlinie erhalten müssen.

19.      Artikel 5 Absatz 3 sieht eine wirkliche Ausnahme von diesem Erfordernis einer Vergütung in der Weise vor, dass er den Mitgliedstaaten erlaubt, „bestimmte Kategorien von Einrichtungen“ von der Zahlung der Vergütung auszunehmen. Eine solche Ausnahme ist eng auszulegen. Der Wortlaut des Artikels 5 Absatz 3 deutet stark darauf hin, dass nur eine begrenzte Zahl von Kategorien von Einrichtungen(7), die potenziell zur Zahlung einer Vergütung gemäß Artikel 5 Absatz 1 verpflichtet sind, von dieser Verpflichtung ausgenommen werden können. Dies ist nicht nur in der englischen Fassung der Richtlinie, sondern zumindest auch in den Fassungen in dänischer, niederländischer, französischer, deutscher, griechischer, italienischer, portugiesischer und spanischer Sprache der Fall, den Sprachen, in denen sie erlassen wurde(8).

20.      Es ist richtig, dass die Lage nicht eindeutig ist, da „bestimmte“ ebenso „einige, aber nicht alle“ wie auch „klar definierte“ bedeuten kann. Eine Rechtsvorschrift, die die Mitgliedstaaten dazu ermächtigt, Sondermaßnahmen einzuführen, um „‚bestimmte‘ Arten von Steuerhinterziehungen oder ‑umgehungen zu verhüten“, kann wohl kaum bedeuten, dass die Mitgliedstaaten nicht alle Arten von Steuerhinterziehungen verhüten dürfen(9).

21.      Der Gerichtshof hat jedoch bereits klargestellt, dass er Artikel 5 Absatz 3 einschränkend auslegt: „Wenn es … die in dem betreffenden Mitgliedstaat herrschenden Umstände nicht zulassen, eine sinnvolle Unterscheidung zwischen Kategorien von Einrichtungen zu treffen, so ist die Verpflichtung zur Zahlung der fraglichen Vergütung allen betroffenen Einrichtungen aufzuerlegen.“(10)

22.      Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass eine Ausnahme von einer Verpflichtung, durch die im Wesentlichen alle ausgenommen werden, die andernfalls verpflichtet wären, keine Ausnahme darstellt, sondern eine Aufhebung der zugrunde liegenden Verpflichtung. In der vorliegenden Rechtssache versucht Spanien nicht ernsthaft zu bestreiten, dass der Anwendungsbereich seiner Ausnahme sich tatsächlich mit den Kategorien von Einrichtungen deckt, die andernfalls zur Zahlung der Vergütung verpflichtet wären(11). Dagegen bringt es eine Reihe von Argumenten dafür vor, dass seine gesetzgeberische Entscheidung rechtswirksam sei.

23.      Spanien trägt zunächst vor, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die Ausnahme in Artikel 37 Absatz 2 LPI eine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt mit sich bringe. Tatsächlich habe die Kommission in ihrem Bericht zum Verleihrecht in der Europäischen Union 2002(12) festgestellt, dass sie zumindest derzeit keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür habe, dass sich der vergleichsweise geringe Harmonisierungsgrad des Verleihrechts, der durch die Richtlinie erreicht worden sei, in wesentlichem Umfang nachteilig auf die wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber oder die einwandfreie Verwirklichung des Binnenmarktes ausgewirkt hätte. Die Kommission habe auch nicht nachgewiesen, dass der Anwendungsbereich der Ausnahme der LPI in Spanien zu einem unzulänglichen Einkommen von Urhebern geführt habe, das sie von weiterem schöpferischen Arbeiten abgehalten habe.

24.      Ich stimme der Kommission darin zu, dass sie zum Beweis des geltend gemachten Verstoßes nicht beweisen muss, dass die Ausnahme nach Artikel 37 Absatz 2 LPI entweder Urhebern ein angemessenes Einkommen vorenthält oder den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrt. Vertragsverletzungsverfahren beruhen auf der objektiven Feststellung des Verstoßes gegen die Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat obliegen(13). Der Nachweis eines tatsächlichen Schadens ist nicht erforderlich. Die in Artikel 5 Absatz 1 festgelegte Verpflichtung, eine Vergütung zu zahlen, gilt immer, unabhängig davon, ob sie in einem bestimmten Fall notwendig ist, um dem Urheber ein „angemessenes Einkommen“ zu garantieren, und ohne Rücksicht auf die speziellen Auswirkungen auf den Wettbewerb, die sich aus dem Fehlen einer Vergütung in einem bestimmten Fall ergeben könnten(14). Ebenso verlangt die Ausnahme des Artikels 5 Absatz 3 immer, dass die Ausnahme von der Vergütungspflicht auf „bestimmte Einrichtungen“ begrenzt ist, unabhängig davon, ob sie in einem bestimmten Fall notwendig ist, um dem Urheber ein „angemessenes Einkommen“ zu garantieren, und ohne Rücksicht auf die speziellen Auswirkungen auf den Wettbewerb, die sich aus dem Fehlen einer Vergütung in einem bestimmten Fall ergeben könnten.

25.      Außerdem scheint Spanien anzunehmen, dass das Erfordernis einer Vergütung auf irgendeine Weise außer Acht gelassen werden könnte, wenn nachgewiesen würde, dass die Urheber schon ein ausreichendes Einkommen beziehen, so dass der Mangel an Vergütung sie nicht davon abhalte, weiter schöpferisch zu arbeiten. Dieses Argument beruht jedoch auf einem falschen Verständnis der Natur und des Zieles des öffentlichen Verleihrechts. Zwar trifft es zu, dass die Urheber bereits ein Einkommen aus ihren Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechten bezogen haben werden, dieses Einkommen wird aber Bücher, die verliehen und nicht verkauft wurden, nicht widerspiegeln(15). Richtig ist natürlich, dass nicht jeder, der Bücher in einer öffentlichen Bücherei ausleiht (oder sie an Ort und Stelle einsieht), wenn es diese Möglichkeit nicht gäbe, jedes ausgeliehene Buch kaufen würde; es gibt jedoch ein allgemeines Muster(16). Auf jeden Fall stellt die Richtlinie eine klare Grundsatzentscheidung dafür dar, sowohl ein ausschließliches Verleihrecht als auch einen Anspruch auf Vergütung einzuräumen, wenn die Mitgliedstaaten eine Ausnahme von diesem Recht festgelegt haben.

26.      Zweitens macht Spanien geltend, dass die Kommission den Anwendungsbereich der Ausnahme des Artikels 37 Absatz 2 LPI missverstanden habe, die sich nicht darauf beziehe, ob das Verleihen gewerblich betrieben werde oder nicht, sondern darauf, ob die verleihende Einrichtung zu einer nicht gewerblichen Kultur-, Wissenschafts- oder Bildungseinrichtung des Gemeinwohls gehöre. Spanien behauptet, dass es möglich sei, dass bestimmte öffentliche Verleiheinrichtungen nicht von der Verpflichtung, die Vergütung zu zahlen, ausgenommen seien, und dass sich eine private gewerbliche Einrichtung finden lasse, in deren Eigentum eine nicht gewerbliche Verleiheinrichtung stehe.

27.      Ich stimme der Kommission wiederum darin zu, dass das Bestehen einer Vergütungspflicht nicht von der vom Verleiher gewählten Rechtsform abhängen sollte. In jedem Fall erbringt Spanien keinen Beweis, der seine Behauptungen stützen würde.

28.      Schließlich bezieht sich Spanien auf die Feststellung der Kommission in ihrem Bericht des Jahres 2002(17), dass „Artikel 5 den Kompromiss wider[spiegelt], der zwischen der Einhaltung von Binnenmarktanforderungen einerseits und der Berücksichtigung unterschiedlicher Traditionen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich andererseits gefunden wurde“. Nach Ansicht Spaniens folgt daraus, dass die nach Artikel 5 Absatz 3 erlaubten Ausnahmen so weit reichen wie nötig, um die kulturelle Tradition zu erhalten oder zu stärken. Die weit reichende Freiheit der Mitgliedstaaten könne dazu führen, dass sie nur eine sehr eingeschränkte oder symbolische Vergütung oder überhaupt keine anerkennten. Die Kommission selbst habe in ihrem Bericht festgestellt: „Unter bestimmten Bedingungen wird den Mitgliedstaaten [in Artikel 5] gestattet, das ausschließliche Recht durch ein Vergütungsrecht zu ersetzen oder sogar überhaupt keine Vergütung vorzusehen.“(18) Im vorliegenden Fall behauptet Spanien, dass die Verwirklichung kultureller Zielsetzungen dem Ziel, Urhebern ein angemessenes Einkommen zu garantieren, vorgehe. Der spanische Gesetzgeber habe berücksichtigt, dass die Nutzung öffentlicher Bibliotheken in Spanien weit unter dem EU-Durchschnitt liege.

29.      Meiner Ansicht nach wäre jedoch die durch Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie auferlegte Verpflichtung, Urhebern eine Vergütung zu zahlen, bedeutungslos, wenn, entsprechend dem zweiten Satz, die Mitgliedstaaten die Vergütung mit null ansetzen könnten. Der zweite Satz des Artikels 5 Absatz 1 erlaubt Mitgliedstaaten, die Höhe der Vergütung, die durch den ersten Satz vorgeschrieben wird, „unter Berücksichtigung“ ihrer kulturpolitischen Zielsetzungen abzuändern. Er ermächtigt sie jedoch nicht, eine „Null“-Vergütung festzusetzen. Der Begriff der Vergütung beinhaltet, dass die von Urhebern eingenommenen Zahlungen eine angemessene Entschädigung ihrer schöpferischen Bemühungen darstellen müssen.

30.      Ebenso wäre es, wenn die Mitgliedstaaten eine Vergütung von null für alle Kategorien von Verleiheinrichtungen festsetzen könnten, sinnlos gewesen, in Artikel 5 Absatz 3 festzulegen, dass sie nur „bestimmte“ Einrichtungen von der Verpflichtung, eine Vergütung zu zahlen, ausnehmen dürfen. Obwohl Artikel 5 Absatz 3 den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum lässt, liegt dieses Ermessen darin, die Kategorien von Einrichtungen, die ausgenommen werden sollen, zu bezeichnen. Wie bereits oben erläutert, können diese Kategorien nicht alle Einrichtungen umfassen, die potenziell zur Zahlung verpflichtet wären.

31.      Im Hinblick auf den Hinweis im Bericht der Kommission von 2002, dass die Mitgliedstaaten „sogar überhaupt keine Vergütung [vorsehen]“ dürfen, wird aus dem Zusammenhang dieser Feststellung klar, dass sie genau auf die den Mitgliedstaaten durch Artikel 5 Absatz 3 eingeräumte Möglichkeit verweist, „bestimmte Kategorien von Einrichtungen von der Zahlung der Vergütung … aus[zu]nehmen“. Die auf diese Weise ausgenommenen Kategorien von Einrichtungen werden (definitionsgemäß) überhaupt keine Vergütung zahlen. Die vorliegende Frage ist jedoch, wie die Ausnahmeregelung des Artikels 5 Absatz 3 auszulegen ist. Ich sehe daher in der Feststellung im Bericht der Kommission keine Stütze für das Argument Spaniens. Sie ist vielmehr im Zusammenhang mit den Kommentaren der Kommission zu Artikel 5 Absatz 3 in Randnummer 3.4 des Berichts zu sehen(19). In jedem Fall, selbst wenn die Feststellung der Kommission im vorliegenden Fall Licht auf die Streitfrage vor dem Gerichtshof zu werfen scheint, wäre sie nicht mehr als ein Ausdruck dessen, wie die Vorschrift nach Ansicht der Kommission auszulegen ist. Die Feststellung als solche ist für den Gerichtshof nicht bindend.

 Ergebnis

32.      Deshalb bin ich der Ansicht, der Gerichtshof sollte

1.      entscheiden, dass das Königreich Spanien gegen seine Verpflichtungen nach den Artikeln 1 und 5 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums verstoßen hat;

2.      dem Königreich Spanien die Kosten auferlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – ABl. 1992, L 346, S. 61.


3 – Im Rahmen des EG-Rechts umfasst das Urheberrecht („droit d’auteur“) die Schriftstellern, Komponisten, Künstlern usw. eingeräumten ausschließlichen Rechte, während die verwandten Rechte („droits voisins“) die entsprechenden Rechte erfassen, die ausführenden Personen (Musikern, Schauspielern usw.) und Unternehmern (Verlegern, Filmproduzenten usw.) eingeräumt werden. Im Interesse der Kürze werde ich mich jedoch nur auf „urheberrechtlich geschützte Werke“ beziehen und nicht auf den in der Richtlinie verwendeten schwerfälligeren Begriff, nämlich „urheberrechtlich geschützte Werke und Gegenstände der verwandten Schutzrechte“, da es in der vorliegenden Rechtssache auf die Unterscheidung nicht ankommt.


4 – Erste Begründungserwägung.


5 – Die Kommission zitiert das Urteil in der Rechtssache C‑433/02 (Kommission/Belgien, Slg. 2003, I‑12191, Randnr. 20).


6 – Vgl. die siebte Begründungserwägung, wiedergegeben oben unter Nr. 3.


7 – Anscheinend wurde Artikel 5 Absatz 3 mit Rücksicht auf zwei Mitgliedstaaten eingefügt, die in der Lage sein wollten, Bibliotheken in Bildungseinrichtungen und öffentliche Bibliotheken von den Zahlungen für das öffentliche Verleihrecht auszunehmen: vgl. J. Reinbothe und S. von Lewinski, The EC Directive on Rental and Lending Rights and on Piracy, 1993, S. 82.


8 – „certain categories“, „bepaalde categorieën“, „visse kategorier“, „certaines catégories“, „bestimmte Kategorien“, „ορισμένες κατηγορίες“, „alcune categorie“, „determinadas categorias“ und „determinadas categorías“.


9 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache C‑144/94 (Italittica, Slg. 1995, I‑3653, Nr. 17).


10 – Kommission/Belgien, zitiert in Fußnote 5, Randnr. 20.


11 – Zugegebenermaßen behauptet Spanien (ohne Beweise zu erbringen) in seiner Gegenerwiderung, dass private Gesellschaften häufig öffentliche Leihbüchereien einrichteten und dass nichts die Einrichtungen, in deren Eigentum sie stünden, davon abhalte, Urheber, die Zahlung forderten, zu vergüten. Später wird jedoch erklärt, dass Privatinitiativen in Spanien nicht wesentlich zur Schaffung von der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen des Gemeinwohls beigetragen hätten, so dass öffentliche Stellen diese Lücke füllen müssten.


12 – Bericht der Kommission vom 12. September 2002 an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss zum Verleihrecht in der Europäischen Union, KOM(2002) 502 endg., Randnr. 5.1.


13 – Vgl. u. a. das Urteil in der Rechtssache C‑140/00 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2002, I‑10379, Randnr. 34 und die dort zitierte Rechtsprechung).


14 – Vgl. meine Schlussanträge vom 4. April 2006 in den Rechtssachen C‑53/05 und 61/05 (Kommission/Portugal, Slg. 2006, I‑0000, Nrn. 46 und 47) hinsichtlich einer Erläuterung der möglichen Auswirkung des Versäumnisses, ein öffentliches Verleihrecht vorzusehen, auf den Binnenmarkt.


15 – Ich verwende das Beispiel Bücher; natürlich kann das öffentliche Verleihrecht auch für Tonträger und Videogramme gelten, die Aufnahmen von Darbietungen oder Vervielfältigungsstücke von Filmen oder anderen audiovisuellen Werken darstellen (auch wenn Videogramme vielleicht häufiger vermietet als verliehen werden).


16 – Vgl. weiter Absatz 44 der Begründung des ursprünglichen Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zum Vermietrecht, Verleihrecht und zu bestimmten verwandten Schutzrechten vom 24. Januar 1991, KOM(90) 586 endg., dargestellt in Nr. 46 meiner Schlussanträge in Kommission/Portugal, zitiert in Fußnote 14. Vgl. auch den Bericht der Kommission 2002, zitiert in Fußnote 12, Abschnitt 2.


17 – Zitiert in Fußnote 12, Randnr. 3.3.


18 – Ebenda.


19 – „Zwar wird durch Artikel 5 den Mitgliedstaaten ein hohes Maß an Flexibilität bei der Abweichung vom ausschließlichen Verleihrecht eingeräumt, doch ist zumindest für Urheber eine Vergütung vorzusehen. Die Mitgliedstaaten können die Höhe der Vergütung festlegen, sie hat jedoch den der Richtlinie zugrunde liegenden Zielen und dem Urheberrechtsschutz generell zu entsprechen. Die Mitgliedstaaten können bestimmte, jedoch nicht alle Einrichtungen im Sinne des Artikels 5 Absatz 3 von der Zahlung der Vergütung befreien.“