Language of document : ECLI:EU:C:2011:812

Rechtssache C‑125/10

Merck Sharp & Dohme Corp., vormals Merck & Co. Inc.

gegen

Deutsches Patent- und Markenamt

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundespatentgerichts)

„Geistiges und gewerbliches Eigentum – Patente – Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 – Art. 13 – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Möglichkeit, dieses Zertifikat zu erteilen, wenn der Zeitraum zwischen dem Tag der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union kürzer als fünf Jahre ist – Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 – Art. 36 – Verlängerung der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats“

Leitsätze des Urteils

Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Gewerbliches und kommerzielles Eigentum – Patentrecht – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Laufzeit des Zertifikats

(Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 1901/2006, Art. 36; Verordnung des Rates Nr. 1768/92, Art. 13)

Art. 13 der Verordnung Nr. 1768/92 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel in der durch die Verordnung Nr. 1901/2006 über Kinderarzneimittel geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 36 der Verordnung Nr. 1901/2006 ist dahin auszulegen, dass für Arzneimittel ein ergänzendes Schutzzertifikat ausgestellt werden kann, wenn der Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union kürzer ist als fünf Jahre. In diesem Fall beginnt die in der Verordnung Nr. 1901/2006 vorgesehene Frist für die Verlängerung für pädiatrische Zwecke ab dem Zeitpunkt zu laufen, der dadurch bestimmt wird, dass vom Zeitpunkt des Ablaufs des Patents die Differenz zwischen fünf Jahren und dem Zeitraum, der zwischen der Einreichung der Patentanmeldung und der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen vergangen ist, abgezogen wird.

Wäre die Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats mit der Begründung zurückzuweisen, dass die in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 vorgesehene Berechnung zu einer negativen Laufzeit oder einer Null-Laufzeit führt, könnte der Inhaber des Grundpatents selbst dann keine Verlängerung des durch dieses Patent verliehenen Schutzes erwirken, wenn er sämtliche Forschungsarbeiten gemäß dem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept im Sinne von Art. 36 der Verordnung Nr. 1901/2006 durchgeführt hat. Eine solche Zurückweisung wäre geeignet, die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1901/2006 zu beeinträchtigen, und könnte dazu führen, die Erreichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele, nämlich des Ziels eines Ausgleichs für den Aufwand, der getätigt wurde, um die pädiatrischen Wirkungen des betreffenden Arzneimittels zu bewerten, zu gefährden.

Daher ergibt sich aus der Zusammenschau der Verordnungen Nrn. 1768/92 und 1901/2006, dass das ergänzende Schutzzertifikat zusammen mit der Verlängerung zu pädiatrischen Zwecken dem Inhaber eines Grundpatents ein ausschließliches Recht von höchstens 15 Jahren und sechs Monaten Dauer, gerechnet vom Zeitpunkt der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des fraglichen Arzneimittels in der Union, verleiht.

Aus dieser Höchstlaufzeit ergibt sich, dass eine Verlängerung zu pädiatrischen Zwecken von Nutzen ist, wenn die negative Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats sechs Monate nicht übersteigt. Mit anderen Worten, das Ziel der Verordnung Nr. 1901/2006 ist erreicht, wenn der Inhaber eines Grundpatents seine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des fraglichen Arzneimittels in der Union innerhalb eines Zeitraums zwischen viereinhalb und fünf Jahren seit der Anmeldung des Grundpatents erwirkt hat. Mithin kann ein Zertifikat erteilt werden, wenn zwischen der Anmeldung des Grundpatents und dem Zeitpunkt der Erteilung einer solchen Genehmigung weniger als fünf Jahre verstrichen sind.

Folglich darf die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats nicht allein deshalb versagt werden, weil die nach der in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 vorgesehenen Berechnungsmethode bestimmte Laufzeit nicht positiv ist.

Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt die sechsmonatige Verlängerung zu pädiatrischen Zwecken einsetzen muss, kann in dem Fall, in dem der Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des fraglichen Arzneimittels in der Union kürzer ist als fünf Jahre, der Anfangszeitpunkt dieser Verlängerung nicht nach Maßgabe des Ablaufzeitpunkts des Grundpatents festgelegt werden, so dass die Laufzeit dieses Zertifikats als gleich null anzusehen wäre. Ein solches Ergebnis widerspräche nämlich der in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 vorgesehenen Berechnungsmethode, da nach dieser Bestimmung die Laufzeit des Zertifikats dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren. Ist die Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats negativ, kann diese daher nicht auf null gerundet werden. Die in der Verordnung Nr. 1901/2006 vorgesehene Frist der Verlängerung für pädiatrische Zwecke beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, der dadurch bestimmt wird, dass vom Zeitpunkt des Ablaufs des Patents die Differenz zwischen fünf Jahren und dem Zeitraum, der zwischen der Einreichung der Patentanmeldung und der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen vergangen ist, abgezogen wird.

(Randnrn. 37-42, 45 und Tenor)