Language of document : ECLI:EU:C:2010:528

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 16. September 2010(1)

Rechtssache C‑306/08

Europäische Kommission

gegen

Königreich Spanien

„Vertragsverletzungsverfahren – Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 93/37/EWG – Richtlinie 2004/18/EG – Öffentliche Bauaufträge – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Öffentliche Dienstleistungskonzession – Öffentliche Baukonzession – Erschließung – Raumordnungs- und Stadtentwicklungsvorschriften in der Autonomen Gemeinschaft Valencia“





1.        Mit der vorliegenden Vertragsverletzungsklage beantragt die Kommission, festzustellen, dass Spanien bei der Vergabe der Integrierten Aktionsprogramme (Programas de Actuación Integrada, im Folgenden: PAI), einer in der LRAU(2) und in der an deren Stelle getretenen LUV(3) geregelten Maßnahme zur Stadtentwicklung in der Autonomen Gemeinschaft Valencia, gegen seine Verpflichtungen aus den Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge 93/37/EWG(4) und 2004/18/EG(5) verstoßen hat.

2.        Diese Klage ermöglicht dem Gerichtshof, sich erneut mit der Handhabung von Stadtentwicklungsmaßnahmen im Rahmen der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu befassen und die Bedeutung der Begriffe „entgeltlich“ und „Baukonzession“ in den einschlägigen Vergaberichtlinien zu präzisieren.

3.        Anlass für die vorliegende Vertragsverletzungsklage war eine Vielzahl von Petitionen an das Europäische Parlament, in denen Beschwerde über verschiedene Aspekte der LRAU geführt wurde, u. a. wegen des Standorts der Erschließungsprojekte und deren Auswirkung auf die Umwelt, wegen der Enteignung des Grundeigentums ohne angemessene Entschädigung und wegen der Verpflichtung der Grundstückseigentümer zur Entrichtung von Abgaben für von ihnen nicht gewünschte oder nicht benötigte Infrastrukturanlagen.(6) Die Kommission untersuchte die verschiedenen Beanstandungen und gelangte zu der Auffassung, dass die einzige Möglichkeit darin bestehe, nach den Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vorzugehen, da sie entweder keine Zuständigkeit besitze(7) oder weil die rechtlichen Argumente nicht vollständig überzeugten(8). Da die Hauptvorwürfe der Petenten andere Bereiche als die Einhaltung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge betrafen(9), werden die vorliegende Klage der Kommission und das Ergebnis des Verfahrens kaum tröstlich für sie sein.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht(10)

1.      Richtlinie 93/37

4.        Die Richtlinie 93/37 findet Anwendung auf öffentliche Bauaufträge und öffentliche Baukonzessionen.

5.        Als öffentliche Bauaufträge gelten „die zwischen einem Unternehmer und einem … öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks … oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen“(11).

6.        Als öffentliche Baukonzessionen gelten „Verträge, die von den unter Buchstabe a) genannten Verträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Arbeiten ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“(12).

7.        In Art. 6 Abs. 6 ist ein allgemeines Diskriminierungsverbot normiert.

8.        Nach Art. 11 sind die Bekanntmachungen in vollem Umfang im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und in der Datenbank TED zu veröffentlichen.

9.        Art. 12 betrifft die Frist für den Eingang der Angebote. Danach beträgt die Frist bei den offenen Verfahren 52 Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der Bekanntmachung an.

10.      In Abschnitt IV Kapitel 2, d. h. in den Art. 24 bis 29, sind die Eignungskriterien geregelt. In Art. 24 sind die Fälle aufgezählt, in denen Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können, u. a. wenn sie sich im Konkursverfahren befinden oder mit rechtskräftigem Urteil aus Gründen bestraft worden sind, die ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellen. Die Art. 25 bis 29 betreffen die Nachweise, die von Unternehmern über ihre Eintragung im Berufsregister, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und ihre technische Leistungsfähigkeit verlangt werden können, und enthalten außerdem eine Regelung für diejenigen Mitgliedstaaten, die amtliche Listen der für öffentliche Bauarbeiten zugelassenen Unternehmer führen.

2.      Richtlinie 2004/18

11.      Bei der Richtlinie 2004/18 handelt es sich um eine Neufassung u. a. der Richtlinie 93/37. Sie gilt für alle öffentlichen Aufträge, die definiert sind als „zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie“(13).

12.      Öffentliche Bauaufträge sind definiert als „öffentliche Aufträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Planung und die Ausführung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang I genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen“(14).

13.      Des Weiteren sind öffentliche Dienstleistungsaufträge definiert als „öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind“(15).

14.      Ferner sind öffentliche Baukonzessionen definiert als „Verträge, die von öffentlichen Bauaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Bauleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“(16).

15.      Außerdem sind Dienstleistungskonzessionen definiert als „Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“(17); sie sind vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen(18).

16.      Die Richtlinie 2004/18 findet keine Anwendung auf öffentliche Dienstleistungsaufträge, die Erwerb oder Miete von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen oder Rechte daran ungeachtet der Finanzmodalitäten dieser Aufträge zum Gegenstand haben.(19)

17.      Nach Art. 2 behandeln die öffentlichen Auftraggeber alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.

18.      Art. 6 betrifft die Vertraulichkeit von technischen und Betriebsgeheimnissen sowie andere vertrauliche Aspekte von Angeboten und untersagt dem öffentlichen Auftraggeber die Weitergabe der ihm von den Wirtschaftsteilnehmern übermittelten und von diesen als vertraulich eingestuften Informationen.

19.      Gemäß Art. 24 geben die öffentlichen Auftraggeber in der Bekanntmachung an, ob Varianten zulässig sind, nennen gegebenenfalls in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen, die Varianten erfüllen müssen, und geben an, in welcher Art und Weise sie einzureichen sind. Die öffentlichen Auftraggeber berücksichtigen nur Varianten, die die von ihnen verlangten Mindestanforderungen erfüllen.

20.      In Art. 30 geht es um Fälle, die das Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung rechtfertigen. In der Vorschrift sind die Modalitäten für die Durchführung des Verhandlungsverfahrens aufgeführt.

21.      Art. 31 Abs. 4 Buchst. a regelt Fälle, die das Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung rechtfertigen, insbesondere wenn zusätzliche Bau- oder Dienstleistungen, die in dem der Vergabe zugrunde liegenden Entwurf nicht vorgesehen sind, zur Ausführung des Entwurfs erforderlich sind.

22.      In Art. 48 Abs. 2 sind die Möglichkeiten für den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsteilnehmers aufgeführt.

23.      Nach Art. 53 wendet der öffentliche Auftraggeber bei der Erteilung des Zuschlags folgende Kriterien an: das Kriterium des aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigsten Angebots (hierzu können verschiedene mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien gehören, u. a. Umwelteigenschaften, Qualität, Preis und Rentabilität) oder das Kriterium des niedrigsten Preises. Die Vorschrift enthält auch eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, wenn möglich anzugeben, wie die einzelnen Kriterien gewichtet werden, um das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln, oder die Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung anzugeben.

B –    Nationales Recht

1.      Rechtsvorschriften des Staates

24.      In Spanien fällt die Vergabe öffentlicher Aufträge in den legislativen Zuständigkeitsbereich des Staates. Die Zuständigkeit des Staates erstreckt sich auch auf Enteignung und das Eigentumsrecht. Auf der anderen Seite unterliegen Raumordnung und Flächennutzung in dem durch die Verfassung und die Rechtsvorschriften des Staates vorgegebenen Rahmen der Rechtssetzungsgewalt der Autonomen Gemeinschaften.(20) Die LRAU und die LUV wurden aufgrund der Zuständigkeiten der Autonomen Gemeinschaften für die Regelung der Raumordnung, Flächennutzung und Gebietserschließung erlassen.

25.      Die spanische Verfassung erkennt das Recht auf Privateigentum und das Erbrecht an, wobei jedoch die soziale Funktion dieser Rechte ihren Inhalt nach Maßgabe der Gesetze abgrenzt.(21) Danach hat jedermann das Recht auf eine angemessene Wohnung, die öffentlichen Gewalten fördern die notwendigen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts durch Regelung der Flächennutzung im Interesse der Allgemeinheit und zur Verhinderung der Spekulation, und die Gemeinschaft ist am Mehrwert von Grundstücken beteiligt, den die Stadtentwicklungsmaßnahmen der öffentlichen Einrichtungen erzeugen.(22)

26.      Die Rechtsvorschriften des spanischen Staates über Raumordnung und Flächennutzung sind nach Erlass der LRAU mehrfach geändert worden; die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind im TRLS(23) geregelt. Es ist zweckmäßig, einige Grundsätze dieser gesetzlichen Regelung zu erläutern, die auch den vorangegangenen Rechtsakten zugrunde lagen, die während des Vorverfahrens galten.

27.      Gemäß dem TRLS stellen Raumordnung und Stadtentwicklung nichtgewerbliche öffentliche Dienstleistungen dar, mit denen die Flächennutzung im Allgemeininteresse geregelt sowie die sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte und Pflichten im Hinblick auf die mit der Flächennutzung verbundenen Ziele festgelegt werden sollen. Die Festlegung dieser Ziele für die einzelnen Grundstücke begründet nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen einen Entschädigungsanspruch. Die Raumordnungs- und Flächennutzungsvorschriften müssen gewährleisten, dass die öffentlichen Einrichtungen die Flächenerschließung in allen ihren Phasen von der Inbesitznahme über die Erstellung von Infrastrukturanlagen, der Bautätigkeit bis hin zur Flächennutzung durch alle Personen des öffentlichen oder privaten Rechts regeln und kontrollieren. Darüber hinaus ist die Gemeinschaft an dem durch die Maßnahmen der öffentlichen Einrichtungen erzeugten Mehrwert zu beteiligen.(24)

28.      Privatpersonen, Grundstückseigentümer und andere können im Rahmen der Gewerbefreiheit Stadtentwicklungsarbeiten ausführen, soweit diese nicht von der zuständigen Behörde durchgeführt werden. Die Genehmigung zur Ausführung solcher Arbeiten wird in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren erteilt, das der Gemeinschaft eine angemessene Beteiligung an dem Mehrwert ermöglicht, der durch die Stadtentwicklungsmaßnahme erzeugt wird.(25)

29.      Maßnahmen zur Förderung der Stadtentwicklung können folgende Pflichten begründen: 1. Übertragung der für Straßen, Grünflächen und andere Gemeinschaftsbereiche reservierten freien Flächen sowie in bestimmten Grenzen, die den durch die Maßnahme geschaffenen Baumöglichkeiten entsprechen, der für öffentliche Zwecke reservierten Gebiete an die Gebietskörperschaft, 2. Finanzierung und Ausführung aller Stadtentwicklungsarbeiten entsprechend der Maßnahme sowie Erstellung der erforderlichen Infrastrukturanlagen und 3. Übertragung der Infrastrukturanlagen und Bauwerke nebst begleitenden Gebieten an die zuständige Behörde.(26)

2.      Rechtsvorschriften der Autonomen Gemeinschaft

a)      Begriff des PAI

30.      Gemäß der LRAU und der LUV kann sich Stadtentwicklung(27) in der Autonomen Gemeinschaft Valencia im Wege einer Regelung für isolierte Aktionen (Actuaciones Aisladas) (im Fall eines einzelnen Grundstücks) oder einer Regelung für integrierte Aktionen (Actuaciones Integradas) (falls mindestens zwei Grundstücke betroffen sind und Bauland an ein Versorgungsnetz angeschlossen werden muss) vollziehen.(28)

31.      Integrierte Aktionen sind stets öffentlich(29) und können unmittelbar oder mittelbar durchgeführt werden. Eine Gebietskörperschaft, die betreffende Gebiete im Wege integrierter Aktionen erschließen will, hat die Wahl zwischen diesen beiden Durchführungsverfahren.(30) Entscheidet sie sich für das unmittelbare Durchführungsverfahren, werden die Bauarbeiten und Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln finanziert(31) und vom öffentlichen Auftraggeber selbst verwaltet.(32) Entscheidet sich die Gebietskörperschaft für das mittelbare Durchführungsverfahren, wählt sie einen Erschließungsträger aus, dem die Grundstückseigentümer die Erschließungskosten anteilig entsprechend den Grundstücken, die sie in das Projekt einbringen, zu erstatten haben.

b)      PAI‑Verfahren

32.      Eine Möglichkeit zur Umsetzung einer integrierten Aktion ist die Durchführung des PAI‑Verfahrens.(33) Sowohl nach der LRAU als auch nach der LUV umfasst das PAI‑Verfahren vier Phasen: Einleitung, Auswahl, Flurbereinigung und Bereitstellung von Infrastruktur.(34)

33.      Die Einleitung des PAI‑Verfahrens kann durch die Gebietskörperschaft oder auf Antrag jeder anderen Person unabhängig davon erfolgen, ob sie Eigentümer eines betroffenen Grundstücks ist.(35) Sofern im Rahmen des allgemeinen Plans für die städtische Raumordnung noch kein detaillierter Erschließungsplan aufgestellt worden ist, bedarf dieser der Genehmigung durch die Gebietskörperschaft.(36) Im Rahmen des PAI erfolgt eine endgültige Auswahl der nach dem geltenden Plan zulässigen Flächennutzungsmöglichkeiten.

34.      Nach der LRAU wird das PAI‑Verfahren eingeleitet, wenn die Veröffentlichung einer technischen Alternative zu einem PAI beantragt wird.(37) Dieses Dokument enthält Angaben über die zu erschließende Fläche, über die im Rahmen des PAI umzusetzenden Detail- oder Strukturpläne sowie einen Vorschlag für die Flächennutzung und die Integration in die Umgebung.(38) Die Gebietskörperschaft kann den Antrag entweder ablehnen oder die Angaben in den gemeindlichen Anzeigern(39) mit oder ohne Stellungnahmen(40) veröffentlichen. Im Zuge der öffentlichen Anhörung kann jedermann Stellungnahmen oder alternative technische Angebote abgeben. Zu diesem Zeitpunkt können auch finanzielle Angebote eingereicht werden.(41) Durch die finanziellen Angebote werden die rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen des PAI festgelegt.(42) Anschließend genehmigt die Gebietskörperschaft das PAI durch Auswahl eines technischen Angebots und eines finanziellen Angebots (die nicht unbedingt von ein und derselben Person stammen müssen).(43) Die LRAU sieht außerdem ein vereinfachtes Verfahren vor, bei dem das erste technische Angebot, das vom Initiator des PAI vorgelegt wird, nicht von der Gebietskörperschaft genehmigt, sondern lediglich von einem Notar beurkundet werden muss.(44)

35.      Gemäß der LUV wird das PAI von der Person eingeleitet, die eines der in der LUV aufgezählten Dokumente einreicht.(45) Diese Dokumente werden Bestandteil der Verdingungsunterlagen für die Vergabe des PAI(46), anhand deren alle nachfolgenden Angebote beurteilt werden(47). Bei Eingang der Unterlagen entscheidet der öffentliche Auftraggeber, ob er das unmittelbare oder das mittelbare Durchführungsverfahren anwenden will.(48) Entscheidet er sich für das mittelbare Durchführungsverfahren, werden die in den Dokumenten enthaltenen Spezifikationen in der eingereichten Form genehmigt(49), und zwar entweder konkludent(50) oder ausdrücklich, und das Verfahren für die Vergabe des PAI beginnt mit der Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU und in den regionalen Anzeigern.(51) Wenn das PAI zu einer Änderung der Strukturentwicklung führt, ist die Genehmigung des PAI durch den öffentlichen Auftraggeber nur wirksam, wenn die endgültige Genehmigung der Regionalregierung erteilt wird.(52)

c)      Zweck des PAI

36.      Das PAI dient der Bestimmung des Umfangs der integrierten Aktion durch Festlegung der durchzuführenden Arbeiten, der Fristen sowie der technischen und wirtschaftlichen Grundlagen für die Durchführung der Aktion.(53) Ziel ist die Erschließung von mindestens zwei Grundstücken durch Umwandlung in Bauland und Anschluss an vorhandene Versorgungsnetze.(54)

37.      Sowohl nach der LRAU als auch nach der LUV muss ein PAI Folgendes erreichen(55):

–        Anschluss der neuen (erschlossenen) Baugrundstücke an ein Netz von Infrastruktur-, Kommunikations- und vorhandenen öffentlichen Versorgungseinrichtungen;

–        Erstellung neuer Infrastrukturanlagen und öffentlicher Flächen;

–        vollständige Erschließung der Fläche und Ausführung der erforderlichen ergänzenden öffentlichen Bauarbeiten;

–        Beschaffung von Grundstücken für das PAI;

–        Erlangung von Erschließungsrechten;

–        Beschaffung der Finanzmittel zur Durchführung des PAI.

38.      Neben diesen Verpflichtungen sehen die Vorschriften der Autonomen Gemeinschaft vor, dass Folgendes im Wege eines PAI erreicht werden kann:(56)

–        Vorteile für die Gebietskörperschaft(57),

–        Ausführung sonstiger Bauarbeiten,

–        sozialer Wohnungsbau.

d)      Zuständigkeitsverteilung im Rahmen des PAI

39.      Die Gebietskörperschaft kontrolliert und beaufsichtigt das PAI‑Verfahren. Bei mittelbaren Aktionen ist sie für die Auswahl des Erschließungsträgers(58) sowie für die Genehmigung des PAI zuständig und macht erforderlichenfalls Änderungsvorschläge(59). Nach Abschluss des PAI gehen die Bauwerke drei Monate, nachdem sie der örtlichen Verwaltungsbehörde förmlich angeboten worden sind, ohne dass diese sich dazu geäußert hat, bzw. ab Öffnung für die Allgemeinheit auf die Gebietskörperschaft über.(60) Nach der Übertragung übernimmt die örtliche Verwaltungsbehörde die Instandhaltungspflichten. Der öffentliche Auftraggeber kann vereinbaren, dass er statt der Grundstücke einen Geldbetrag in Höhe des ihm zustehenden Erschließungsgewinns von 10 % erhält.(61)

40.      Bei unmittelbaren Aktionen ist die Gebietskörperschaft selbst der Erschließungsträger, bei mittelbaren Aktionen wird dieser dagegen von der Gebietskörperschaft in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren ausgewählt. Der Erschließungsträger gilt nach den Rechtsvorschriften der Autonomen Gemeinschaft als für die Entwicklung und Durchführung des PAI verantwortlicher öffentlicher Vertreter.(62)

41.      Der Erschließungsträger ist für die Erstellung der technischen Dokumente nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen, für die Erarbeitung und Durchführung der Flächenzuweisung(63) sowie für die Auswahl eines Subunternehmers zur Ausführung der Bauarbeiten verantwortlich(64). Der Erschließungsträger ist die Person, deren finanzielles Angebot als Ergebnis des PAI‑Verfahrens gebilligt worden ist; er ist für die Umsetzung des gebilligten technischen Angebots verantwortlich, das nicht unbedingt sein eigenes zu sein braucht. Nach der LUV ist der Erschließungsträger verpflichtet, die vom PAI erfassten öffentlichen Bauaufträge entsprechend den öffentlichen Vergabevorschriften an einen Subunternehmer zu vergeben, es sei denn, bestimmte Höchstbeträge werden nicht überschritten, es ist nur ein einzelner Grundstückseigentümer betroffen oder alle betroffenen Grundstückseigentümer stimmen zu, dass der Erschließungsträger die Bauarbeiten selbst ausführen darf. Als Gegenleistung erhält der Erschließungsträger von den Grundstückseigentümern einen Teil des Baulands und/oder einen Barbetrag.(65)

42.      Der Grundstückseigentümer hat die Wahl zwischen Enteignung oder Teilnahme am PAI. Entscheidet er sich für die Enteignung, erhält er einen Geldbetrag, der anhand des ursprünglichen Werts des betreffenden Grundstücks berechnet wird.(66) In diesem Fall ist die Gebietskörperschaft für die Enteignung zuständig, während der Erschließungsträger zur Zahlung des Entschädigungsbetrags verpflichtet ist.(67) Entscheidet sich der Grundstückseigentümer für die Teilnahme am PAI, ist er zur Übernahme eines Teils der Erschließungskosten verpflichtet, indem er dem Erschließungsträger entweder einen Teil seines Grundstücks überlässt oder unmittelbar einen Geldbetrag an ihn zahlt.(68) Als Gegenleistung erhält er Bauland.

43.      Der Grundstückseigentümer hat folgende Kosten im Verhältnis zu der von ihm in das Projekt eingebrachten Grundstücksfläche zu tragen(69):

–        Kosten der Erschließungsleistungen und der Haftungsfreistellungserklärungen hinsichtlich des zur Erreichung der PAI‑Ziele erforderlichen Investitionskapitals;

–        Gewinn, den der Erschließungsträger durch das PAI erzielt (begrenzt auf 10 % gemäß der LUV, jedoch unbegrenzt gemäß der LRAU);

–        zugehörige Verwaltungskosten.

II – Das Vorverfahren

44.      Mit Mahnschreiben vom 21. März 2005 teilte die Kommission Spanien mit, dass ihrer Meinung nach verschiedene Bestimmungen der LRAU über die Zuweisung von PAI gegen die Richtlinie 93/37 verstoßen. In Beantwortung des Mahnschreibens bestritten die spanischen Behörden, dass es sich beim PAI um einen öffentlichen Auftrag im Sinne der Richtlinie handele, und verwiesen auf den geplanten Erlass eines neuen Gesetzes, nämlich der LUV.

45.      Nach einem Schriftwechsel zwischen der Kommission und den spanischen Behörden hielt die Kommission die Antworten Spaniens für nicht zufriedenstellend und forderte den Mitgliedstaat mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 15. Dezember 2005 auf, innerhalb von drei Wochen, d. h. bis zum 6. Januar 2006, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Konformität der LRAU mit der Richtlinie 93/37 sicherzustellen.

46.      In der mit Gründen versehenen Stellungnahme heißt es, die Vergabe von PAI gemäß der LRAU verstoße gegen (1) die Richtlinie 93/37 „und insbesondere die Art. 1 und 11 bis 13 (hilfsweise Art. 3 und 15) sowie deren Abschnitt IV Kapitel 2“, (2) die Richtlinie 92/50(70) „und insbesondere die Art. 1, 15 bis 19 und Abschnitt VI Kapitel 2“ sowie (3) „die Art. 43 bis 55 des Vertrags und vom Gerichtshof aufgestellte allgemeine Grundsätze“.

47.      In seiner Antwort vom 26. Januar 2006 teilte Spanien mit, dass die LRAU durch die am 1. Februar 2006 in Kraft tretende LUV ersetzt werde.

48.      Im Anschluss an einen weiteren Schriftwechsel übersandte die Kommission angesichts der anhaltenden Vertragsverletzung und der abgelaufenen Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/18 am 10. April 2006 ein weiteres Mahnschreiben.

49.      Mit weiterer mit Gründen versehener Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 teilte die Kommission Spanien mit, dass ihrer Meinung nach (1) die Zuweisung von PAI nach Maßgabe der LUV gegen die Richtlinie 2004/18 und „bestimmte aus dem EG-Vertrag hergeleitete allgemeine Grundsätze des Unionsrechts“ verstoße und (2) die Zuweisung von PAI nach Maßgabe der LRAU (im Zeitraum 21. März 2005 bis 31. Januar 2006) gegen Art. 2, Art. 6, Art. 24, Art. 30, Art. 31 Abs. 4 Buchst. a, Art. 36, Art. 48 Abs. 2 und Art. 53 der Richtlinie 2004/18, gegen „den aus dem EG-Vertrag und aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hergeleiteten Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie die Art. 10 EG und 49 EG“, hilfsweise gegen Titel III der Richtlinie 2004/18 über Baukonzessionen, verstoße.

50.      Da die Kommission die Antwort Spaniens auf die weitere mit Gründen versehene Stellungnahme nicht für zufriedenstellend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben, mit der sie beantragt, festzustellen, dass Spanien (1) bei der Vergabe der PAI gemäß der LRAU „gegen seine Verpflichtungen aus der [Richtlinie 93/37], insbesondere aus deren Art. 1, 6 Abs. 6, 11 und 12 sowie deren Abschnitt IV Kapitel 2 (Art. 24 bis 29) verstoßen hat“, und (2) bei der Vergabe der PAI gemäß der LUV (durchgeführt durch das Dekret der Region Valencia 67/2006 vom 12. Mai 2006 zur Billigung der Verordnung über die territoriale und städtebauliche Ordnung und Verwaltung(71)) gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2, 6, 24, 30, 31 Abs. 4 Buchst. a, 48 Abs. 2 und 53 Abs. 2 der [Richtlinie 2004/18] verstoßen hat“.

III – Tragweite der Rechtssache

51.      Im Vorverfahren und auch in ihren beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätzen hat die Kommission eine Vielzahl von Fragen angesprochen, die über das durch die Klageanträge begrenzte Vertragsverletzungsverfahren hinausgehen. Es ist daher wichtig, den Gegenstand des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens präzise herauszuarbeiten.

52.      Auch wenn die Kommission unmittelbar durchgeführte PAI nicht ausdrücklich von den Klageanträgen ausgenommen hat, ist das vorliegende Vertragsverletzungsverfahren doch dahin zu verstehen, dass es lediglich mittelbar durchgeführte PAI betrifft, da die Rügen die Modalitäten bei der Auswahl der Erschließungsträger betreffen und sich damit logischerweise nur auf das mittelbare Durchführungsverfahren beziehen können.(72) Der Gerichtshof hat daher zu prüfen, ob diese Ausgestaltung unter die einschlägigen Richtlinien fällt und gegebenenfalls gegen diese verstößt.

53.      Falls die Auftragsvergabe an den Erschließungsträger als von den Richtlinien nicht erfasst angesehen wird, sollte der Gerichtshof meines Erachtens nicht prüfen, ob die mittelbar durchgeführten PAI gegen den Vertrag verstoßen, da die Kommission nicht beantragt hat, das PAI für mit dem Vertrag oder mit bestimmten allgemeinen Grundsätzen unvereinbar zu erklären.(73) Sie hat zwar eine mögliche Unvereinbarkeit mit dem Vertrag und mit den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden allgemeinen Grundsätzen in den mit Gründen versehenen Stellungnahmen, nicht aber vor dem Gerichtshof gerügt.

54.      Selbstverständlich steht es der Kommission frei, den Gegenstand des beim Gerichtshof anhängig gemachten Verfahrens zu begrenzen. Wenn die Kommission so vorgeht, ist es dem Gerichtshof jedoch verwehrt, über Fragen zu entscheiden, die außerhalb des von der Kommission festgesetzten Umfangs des Vertragsverletzungsverfahrens liegen.(74) Der Gerichtshof hat den Grundsatz ne eat iudex ultra petita partium zu beachten. Eine sorgfältige Lektüre des Klageantrags der Kommission ist im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren besonders wichtig, weil das Vorverfahren verhältnismäßig lang und kompliziert war, die Gerichtsakten umfangreich sind und das Vorbringen der Beteiligten mehr Probleme betrifft, als im Klageantrag angesprochen werden.

55.      Da die Kommission lediglich die Frage der Vereinbarkeit der LRAU mit der Richtlinie 93/37 und der LUV mit der Richtlinie 2004/18 aufwirft, ist eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der LRAU mit der Richtlinie 92/50(75) ebenso wie eine Entscheidung über die Vereinbarkeit mit dem Vertrag im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren ultra vires.

56.      Außerdem ist zu beachten, dass der erste, die LRAU und die Richtlinie 93/37 betreffende Klageantrag offen formuliert ist, während der zweite, die LUV und die Richtlinie 2004/18 betreffende Klageantrag eine abschließende Aufzählung enthält. Im Rahmen des zweiten Klageantrags kann der Gerichtshof die gerügte Vertragsverletzung daher lediglich unter dem Gesichtspunkt der ausdrücklich genannten Artikel der Richtlinie 2004/18 prüfen.

IV – Zulässigkeit

57.      Spanien macht geltend, dass die erste Rüge im Wesentlichen aus zwei Gründen unzulässig sei: (1) Die Kommission habe das Vertragsverletzungsverfahren trotz Kenntnis des Umstands eingeleitet, dass die Richtlinie 93/37 in Kürze außer Kraft treten und durch die Richtlinie 2004/18 ersetzt werden würde, die zum Zeitpunkt der Übermittlung des Mahnschreibens bereits bekannt gemacht worden sei. Da das Gesetz der Autonomen Gemeinschaft zwei Jahre vor Klageerhebung aufgehoben worden sei, bestehe kein Rechtsschutzinteresse an einer Prüfung. (2) Die Kommission habe mehr als zehn Jahre lang Zeit gehabt, um das Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, und habe sich erst kurz vor Außerkrafttreten der Richtlinie 93/37 dazu entschlossen.

58.      Diese Einwände können recht kurz verworfen werden. Nach ständiger Rechtsprechung braucht die Kommission kein spezifisches Rechtsschutzinteresse an der Klageerhebung nachzuweisen, und sie kann die Klage zu jedem ihr angemessen erscheinenden Zeitpunkt erheben.(76)

59.      Des Weiteren ist nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde.(77) Der Erlass von Gesetzen, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften nach Ablauf dieser Frist kann in der Regel nicht berücksichtigt werden.

60.      Die Frage, ob Spanien die hier beanstandete Vertragsverletzung begangen hat, ist also anhand der Rechtsvorschriften zu entscheiden, die am 6. Januar 2006 in Kraft waren, d. h. am Tag des Ablaufs der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 15. Dezember 2005 gesetzt worden war. An diesem Tag befanden sich sowohl die LRAU als auch die Richtlinie 93/37 in Kraft, auch wenn beide kurz danach außer Kraft treten sollten.(78)

61.      Zu seiner Verteidigung führt Spanien jedoch noch einen weiteren interessanten Gesichtspunkt an, nämlich die ungewöhnlich knappe und über die Weihnachtszeit laufende Frist von drei Wochen, innerhalb deren es auf die erste mit Gründen versehene Stellungnahme zu antworten hatte.(79)

62.      Die Kommission ist in der Tat verpflichtet, in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme eine angemessene Frist zu setzen.(80) Die Angemessenheit ist dabei unter Berücksichtigung sämtlicher für den Einzelfall maßgeblichen Umstände zu beurteilen.(81) Kürzere Fristen können gelegentlich zulässig sein, wenn einer Vertragsverletzung schnell begegnet werden muss. Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren hat die Kommission eine solche Dringlichkeit nicht dargetan.

63.      Der Zeitraum von drei Wochen(82) erscheint mir als Frist nicht angemessen. Die Kommission kann von Spanien nicht erwartet haben, die LRAU in dieser Zeit an die Richtlinie 93/37 anzupassen oder die Vergabe neuer PAI gemäß der LRAU einzustellen, was erforderlich gewesen wäre, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen. Die einzige plausible Erklärung für eine von der Kommission derart knapp bemessene Frist für Abhilfemaßnahmen scheint mir vielmehr darin zu bestehen, dass die Kommission erkannte, dass sowohl die Richtlinie 93/37 als auch die LRAU bald außer Kraft treten würden, und dass sie diese Bestimmungen noch rechtzeitig mit dem Vertragsverletzungsverfahren erfassen wollte.

64.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können sehr kurze Fristen unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, etwa wenn der betroffene Mitgliedstaat die von der Kommission erhobenen Vorwürfe schon vor Einleitung des vorprozessualen Verfahrens kennt.(83) Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren war Spanien der Standpunkt der Kommission schon fast neun Monate lang, nämlich seit dem Mahnschreiben vom 21. März 2005, bekannt gewesen.

65.      Im Übrigen scheint die kurze Frist keine negativen Folgen für Spanien gehabt zu haben. Der Mitgliedstaat beantwortete die mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 26. Januar 2006, und die Kommission berücksichtigte dieses Verteidigungsvorbringen, obwohl es nach Ablauf der Frist erfolgte, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angegeben war. Außerdem hatte Spanien Gelegenheit, mit einem Schreiben vom 17. März 2006 weitere Erklärungen abzugeben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Klage in solchen Fällen, wenn sich keine negativen Folgen ergeben haben, trotz der festgestellten Unangemessenheit der Fristen zulässig.(84)

66.      Die Klage ist daher in vollem Umfang zulässig.

V –    Zur Frage, ob die einschlägigen Vergaberichtlinien auf die PAI Anwendung finden 

A –    Flächennutzungsvereinbarungen und Vergabe öffentlicher Aufträge

67.      Vor Prüfung der rechtlichen Einordnung der PAI im Hinblick auf die Richtlinie 2004/18 ist auf den besonderen Charakter der PAI als öffentlich-private Partnerschaften hinzuweisen, die den öffentlichen Einrichtungen die effiziente Erfüllung ihrer Pflichten ermöglichen sollen. Die PAI erreichen dies, indem sie die Förderung privater Erschließungstätigkeit mit der Verpflichtung verknüpfen, im Rahmen dieser Tätigkeit öffentliche Infrastrukturanlagen bereitzustellen.(85)

68.      Die Regelung der Flächennutzung und Stadtplanung fällt weitgehend in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. In den Mitgliedstaaten sind Planfeststellung und Raumordnung, Flächennutzung und Stadtentwicklung in der Regel dem öffentlichen Sektor vorbehalten. Vielfach können allerdings Grundstückseigentümer, Immobilieninvestoren und Bauunternehmen an der Erschließung von Gebieten, für die keine detaillierten Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden sind, interessiert sein, um mit dem Land verbundene potenzielle Baurechte verwerten zu können. In solchen Fällen können auch die öffentlichen Einrichtungen profitieren, da sie nicht ihre eigenen knappen Finanz- und Verwaltungsressourcen einzusetzen brauchen. Dies hat zur Entstehung verschiedener Formen von Kooperationsabsprachen (im Folgenden: Flächennutzungsvereinbarungen) zwischen der örtlichen Verwaltung und privaten Wirtschaftsteilnehmern geführt.

69.      Das Ziel der Flächennutzungsvereinbarungen besteht darin, in einem bestimmten ausgewiesenen Gebiet Bautätigkeiten zu ermöglichen. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung gehen Gebietskörperschaften Garantien hinsichtlich der Ausübung ihrer öffentlichen Planungshoheit (etwa eine Zusage, Baurechte in einer bestimmten Weise festzulegen) als Gegenleistung für Verpflichtungen seitens des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers ein. Mit anderen Worten: Die Aufstellung eines detaillierten Plans mit konkretem Inhalt hinsichtlich Umfang, Ort und geplanter Nutzung von Baurechten erfolgt im Austausch(86) gegen eine Verpflichtung zur Finanzierung und Erstellung der in dem detaillierten Plan festgelegten Infrastrukturanlagen und möglicherweise auch von Gebäuden, die für öffentliche Zwecke wie öffentliche Dienstleistungsbetriebe oder Sozialwohnungen benötigt werden.

70.      Die PAI sind ein Beispiel für solche Flächennutzungsvereinbarungen. Problematisch ist in diesem Fall allerdings das zugrunde liegende Prinzip, dass die Initiative von einer Privatperson ausgeht.(87) Ziel der LRAU und der LUV war es, die Stagnation der Urbanisierung (und damit die Stagnation der Erstellung der mit solchen Projekten in Spanien verbundenen öffentlichen Infrastrukturanlagen) durch Verlagerung des Schwergewichts auf private Initiativen in Form des Tätigwerdens von Erschließungsträgern zu überwinden, das sich sowohl vom Tätigwerden der Grundstückseigentümer als auch vom Tätigwerden der öffentlichen Verwaltung unterscheidet. Die PAI stellen daher im Wesentlichen ein System zur Auswahl einer Flächennutzungsalternative(88) wie auch dafür dar, dies durch den Erschließungsträger auf dem effizientesten Weg ausführen zu lassen.

71.      Wie die Kommission hervorgehoben hat, führt dies im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge und insbesondere im Hinblick auf die Ausführung damit verbundener öffentlicher Bauaufträge zu einer ihrem Wesen nach diskriminierenden Regelung, da der private Initiator im Vergleich zu den nachfolgenden Bietern eine privilegierte Stellung einnimmt.(89)

72.      Aus diesem Grund lässt sich die PAI‑Regelung nur sehr schwer in das Regelwerk über die Vergabe öffentlicher Aufträge einordnen.

73.      Bei der Prüfung, welche Fälle sich in dieses Regelwerk einordnen lassen, hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bisher einen verhältnismäßig weiten Ansatz zugunsten der Anwendung der Vergabevorschriften verfolgt.(90) Dies hat eine Diskussion über die Frage ausgelöst, ob Flächennutzungsvereinbarungen als öffentliche Aufträge, genauer gesagt als öffentliche Bauaufträge, eingestuft werden müssen oder sollten, da sie häufig unmittelbar oder mittelbar die Ausführung öffentlicher Bauaufträge durch den Erschließungsträger oder die Grundstückseigentümer zum Gegenstand haben.(91) Als besonders problematisch hat sich die Frage der Entgeltlichkeit erwiesen, genauer gesagt die Frage, ob die Zuteilung neuer Baurechte durch die Gebietskörperschaft als finanzielle Gegenleistung für die Infrastrukturanlagen angesehen werden kann, die der Erschließungsträger für die Gebietskörperschaft erstellen muss.(92)

74.      Unlängst ist der Gerichtshof im Urteil Helmut Müller(93) der von der Kommission in jener Rechtssache befürworteten funktionalen Lösung jedoch nicht gefolgt, die möglicherweise dazu geführt hätte, dass die herkömmlicherweise den Gebietskörperschaften vorbehaltenen Befugnisse und Tätigkeiten im Bereich des Planungs- und Baurechts in erheblichem Umfang den Bestimmungen über öffentliche Bauaufträge unterworfen werden. Dem Gerichtshof zufolge wird mit den Regeln über die Vergabe öffentlicher Aufträge die Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts auf die Vergabe von Aufträgen auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts bezweckt.(94) Die bloße Ausübung von städtebaulichen Regelungszuständigkeiten im Hinblick auf die Verwirklichung des allgemeinen Interesses ist weder auf den Erhalt einer vertraglichen Leistung noch auf die Befriedigung des unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des öffentlichen Auftraggebers gerichtet, wie es die Richtlinie 2004/18 vorgibt.(95)

75.      „Öffentlicher Bauauftrag“ ist ein eigenständiger und objektiver Begriff des Unionsrechts.(96) Meines Erachtens sollte der Gerichtshof jedoch eine gewisse Zurückhaltung üben, wenn die weite Auslegung eines unionsrechtlichen Begriffs in der Praxis dazu zu führen scheint, dass ein einzelstaatliches Instrument seine Daseinsberechtigung verliert oder ein detaillierter Rechtsakt der Union auf Sachverhalte anwendbar wird, die der Unionsgesetzgeber im Rechtssetzungsverfahren nicht im Blick gehabt hat.

76.      Im vorliegenden Fall hätte die Einstufung der PAI als öffentliche Bauaufträge die praktische Konsequenz, von privaten Initiativen im Bereich der Raumordnung und Erschließung abzuhalten, da die PAI, sofern diese als den Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegend angesehen werden, wohl dem zentralen Anliegen des Vergabeverfahrens für öffentliche Aufträge, nämlich der Gleichbehandlung aller Teilnehmer, zuwiderlaufen. Planungsrechtlich bliebe dann als einzige Möglichkeit das klassische Modell, dass die öffentlichen Stellen alle Raumordnungs- und Flächennutzungspläne erstellen und beschließen sowie deren Durchführung und Umsetzung aus öffentlichen Haushaltsmitteln selbst finanzieren und vornehmen.

77.      Bei der Prüfung, ob im vorliegenden Fall Fragen der Vergabe öffentlicher Aufträge berührt sind, d. h. bei der Prüfung, ob die hier in Rede stehenden Regelungen von den fraglichen Richtlinien erfasst werden, sollte der Gerichtshof deshalb darauf achten, dass der Sinn bestimmter in den Vergaberichtlinien genannter Kriterien nicht überdehnt wird, nur um die Regelung in den Anwendungsbereich des Vergabeverfahrens für öffentliche Aufträge einordnen zu können. Eine solche Lösung käme dem Bett des Prokrustes gleich.(97)

B –    Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinien

78.      Unstreitig handelt es sich im vorliegenden Fall bei den Gemeinden, die die PAI vergeben, um öffentliche Auftraggeber, bei den Erschließungsträgern um Wirtschaftsteilnehmer und bei den Vereinbarungen um den Abschluss eines schriftlichen Vertrags zwischen ihnen im Sinne der Richtlinien 93/37 und 2004/18. Außerdem betrifft das von der Kommission eingeleitete Verfahren ausschließlich PAI, deren Wert über den in den Richtlinien 93/37 und 2004/18 festgelegten Schwellenwerten liegt.

79.      Streitig ist hingegen, ob der Vertrag entgeltlich im Sinne der Richtlinie 2004/18 ist.

1.      Zur Frage der Entgeltleistung seitens des öffentlichen Auftraggebers

80.      Angesichts der Zielsetzung der Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge, nämlich die Öffnung der nationalen Märkte im Bereich des Beschaffungswesens für den Wettbewerb und die Vermeidung von Hemmnissen bei der Wahrnehmung der im Vertrag anerkannten Grundfreiheiten, hat der Gerichtshof den Begriff der Entgeltlichkeit weit ausgelegt.(98)

81.      Obwohl der Begriff der Entgeltlichkeit somit nicht nur Gegenleistungen in Geld umfasst(99), stellt sich doch die Frage, ob das Entgelt vom öffentlichen Auftraggeber selbst geleistet werden muss, oder ob es nicht ausreicht, dass es überhaupt – gleichviel von wem – geleistet wird. Die letztgenannte Auffassung hätte zur Folge, dass die Bestimmungen über öffentliche Bauaufträge auch dann Anwendung finden, wenn eine Privatperson öffentliche Bauarbeiten auf ihrem eigenen Grundstück im Einvernehmen mit dem öffentlichen Auftraggeber und mit dessen Genehmigung ohne entsprechenden eigenen wirtschaftlichen Vorteil und ohne eine rechtliche Verpflichtung seitens des öffentlichen Auftraggebers zur Ausführung der Bauarbeiten finanziert und ausführt.(100)

82.      In der Rechtssache Ordine degli Architetti u. a. hat der Gerichtshof, obwohl in jenem Fall die Erschließungskosten vom Bauträger – der gleichzeitig auch der Eigentümer des Lands war – zu tragen waren, das Vorliegen eines entgeltlichen Vertrags deshalb bejaht, weil die Gemeinde zur Erstellung der Erschließungsanlagen verpflichtet war.

83.      Meines Erachtens lässt sich jener Fall vom vorliegenden Fall abgrenzen. Durch Verzicht auf die Erschließungsgebühren, die normalerweise in derartigen Fällen anfallen, entstand dem öffentlichen Auftraggeber ein wirtschaftlicher Nachteil.

84.      Im Urteil Parking Brixen war der Gerichtshof der Auffassung, dass ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag eine Gegenleistung voraussetze, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt werde.(101) Der Gerichtshof gelangte somit zu dem Ergebnis, dass es sich bei der fraglichen Dienstleistung (Betrieb eines öffentlichen gebührenpflichtigen Parkplatzes) nicht um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handele, weil die Bezahlung nicht durch die betreffende öffentliche Stelle erfolge, sondern aus den Beträgen, die Dritte für die Benutzung des betreffenden Parkplatzes entrichten.(102)

85.      In der Rechtssache Helmut Müller hat Generalanwalt Mengozzi unlängst die Auffassung vertreten, dem Begriff des entgeltlichen Vertrags liege die Vorstellung zugrunde, dass ein Austausch von Leistungen stattfinde zwischen dem öffentlichen Auftraggeber, der einen Preis bezahle, und dem Auftragnehmer, der Arbeiten oder Werke realisieren solle. Die synallagmatische Natur des öffentlichen Auftrags liege somit auf der Hand.(103)

86.      Ich schließe mich dieser Ansicht an. Meines Erachtens setzt ein entgeltlicher Vertrag voraus, dass der öffentliche Auftraggeber den wirtschaftlichen Nachteil entweder positiv in Form einer Zahlungspflicht gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer oder negativ in Form des Ausfalls ansonsten fälliger Einnahmen oder Mittel trägt.

87.      Die bloße Berechtigung des öffentlichen Auftraggebers, von einem Dritten die Bezahlung der Arbeiten oder Dienstleistungen zu verlangen, kann entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht ausreichen, weil kein synallagmatisches Verhältnis im Sinne eines Leistungsaustauschs mit realem wirtschaftlichem Wert zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem die Arbeiten ausführenden oder die Dienstleistungen erbringenden Wirtschaftsteilnehmer vorliegt.

88.      Hierfür spricht auch, dass mit den Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge u. a. sichergestellt werden soll, dass es bei Ausgaben der öffentlichen Auftraggeber auf öffentlichen Märkten nicht zu Wettbewerbsverfälschungen kommt.(104) Wenn der öffentliche Auftraggeber keine öffentlichen Mittel aufwendet, besteht folglich auch nicht die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung im Sinne der Richtlinien 93/37 und 2004/18.(105)

89.      Aus dem Entgeltlichkeitserfordernis ergibt sich daher, dass der öffentliche Auftraggeber entweder unmittelbar oder mittelbar eigene Mittel aufwenden muss.(106) Eine unmittelbare Finanzierung liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber die fraglichen Bauarbeiten oder Dienstleistungen aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Eine mittelbare Finanzierung liegt vor, wenn dem öffentlichen Auftraggeber aufgrund der Art und Weise der Finanzierung der Bauarbeiten oder Dienstleistungen ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht.

90.      Im vorliegenden Fall muss beim mittelbaren PAI‑Verfahren der Erschließungsträger die Erschließungskosten tragen, kann dann aber von den Grundstückseigentümern die Erstattung dieser Kosten verlangen. Somit ist es der Grundstückseigentümer, der die für die Erschließung erforderlichen öffentlichen Bauarbeiten bezahlt.

91.      Da das Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist, können im Ergebnis die Richtlinien 93/37 und 2004/18 nur dann auf die regionalen Rechtsvorschriften Anwendung finden, wenn die PAI als öffentliche Baukonzessionen eingestuft werden können, da öffentliche Dienstleistungskonzessionen vom Geltungsbereich der Richtlinien ausgenommen sind.(107)

2.      Zur Frage des Vorliegens einer öffentlichen Baukonzession

92.      Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren wird ausgiebig darüber diskutiert, ob Hauptzweck der PAI die Erbringung einer Dienstleistung oder die Ausführung öffentlicher Bauarbeiten ist, da unstreitig beide Komponenten vorhanden sind.(108) Wir brauchen dieser Frage jedoch nicht nachzugehen, da hier meiner Meinung nach keine öffentlichen Baukonzessionen vorliegen und das Vertragsverletzungsverfahren keine öffentlichen Dienstleistungskonzessionen betrifft.

93.      Öffentliche Baukonzessionen sind Verträge, die von öffentlichen Bauaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Bauleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.(109) Im vorliegenden Fall hat der Erschließungsträger (der insoweit dem Konzessionär entspricht) kein Recht zur Nutzung des entstandenen Bauwerks.

94.      Bei den PAI gehen alle vertraglich festgelegten durch öffentliche Bauarbeiten erstellten Werke (d. h. Straßen und Gehwege, Parkplätze, Straßenschilder, Wasser-, Gas- und Stromversorgungsnetze, Kanalisation sowie Grünflächen einschließlich Parkanlagen und Bäume) nach der Fertigstellung in das Eigentum des öffentlichen Auftraggebers über.(110) Diese Werke (Straßen, Parks, öffentliche Gebäude) können dann unentgeltlich oder gegen Entrichtung eines Entgelts benutzt werden, das vom öffentlichen Auftraggeber oder der mit der Verwaltung und Instandhaltung der Bauten betrauten Stelle festgesetzt wird. Die Erschließungsträger erhalten kein Recht zur Nutzung dieser öffentlichen Bauwerke, weil sie keine Möglichkeit haben, in solchen Fällen Entgelte von den Nutzern der Bauten zu verlangen. Sie erhalten vielmehr von den Grundstückseigentümern eine Vergütung in bar oder in Form von Baugelände. Der Erhalt von Baugelände kann jedoch nicht als Nutzung der öffentlichen Bauwerke bezeichnet werden, da die Werkleistung nach Maßgabe der PAI in der Herstellung von Infrastrukturanlagen und der erforderlichen Anschlüsse an vorhandene Versorgungsnetze besteht.(111) Diese Baugrundstücke sind Eigentum des Erschließungsträgers. Selbstverständlich kann er sie nutzen, aber die Nutzung erfolgt in seiner Eigenschaft als Eigentümer und nicht als Konzessionär.

95.      Es besteht also kein Recht zur Nutzung der aufgrund der PAI erstellten Bauwerke, so dass der Vertrag selbst dann keine öffentliche Baukonzession darstellen kann, wenn als sein Hauptzweck die Ausführung von Bauarbeiten festgestellt würde.

96.      Wollte man den Hauptzweck der PAI in der Erbringung einer Dienstleistung sehen, stellt sich die Frage, ob der Erschließungsträger ein Recht zur Nutzung seiner eigenen Dienstleistung hat.(112) Die Antwort auf diese Frage ist für die Entscheidung über die vorliegende Vertragsverletzungsklage jedoch unerheblich, weil bei Annahme einer Dienstleistungskonzession die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien, die die Kommission in ihren Klageanträgen angeführt hat, nicht zur Anwendung kämen.

97.      Selbst wenn man jedoch annimmt, dass das Eigentum an dem Land, das der Erschließungsträger erhält, als Einräumung eines Nutzungsrechts anzusehen ist (was meines Erachtens nicht zutrifft), wird dieses Recht auf unbestimmte Zeit verliehen, so dass die vom Gerichtshof in den Urteilen Helmut Müller und pressetext Nachrichtenagentur angeführten Merkmale einer Konzession nicht vorliegen.(113)

98.      Meines Erachtens finden daher die Richtlinien 93/37 und 2004/18 auf den Sachverhalt im vorliegenden Fall keine Anwendung, so dass die Klage der Kommission abzuweisen ist.

VI – Ergebnis

99.      Ich schlage vor, die Klage abzuweisen und die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Ley 6/1994, de 15 de noviembre, Reguladora de la Actividad Urbanística de la Comunidad Valenciana (Gesetz 6/1994 vom 15. November 1994 zur Regelung von Entwicklungstätigkeiten in der Gemeinschaft Valencia; im Folgenden: LRAU).


3 – Die LRAU wurde mit Wirkung von 1. Februar 2006 durch die Ley 16/2005, de 30 de diciembre, Urbanística Valenciana (Gesetz 16/2005 vom 30. Dezember 2005, Entwicklungsgesetz Valencia; im Folgenden: LUV), ersetzt.


4 – Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. L 328, S. 1) und die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung.


5 – Die Richtlinie 93/37 wurde mit Wirkung vom 31. Januar 2006 durch die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) ersetzt.


6 – Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments, Mitteilung an die Mitglieder vom 25. Januar 2007, CM\650375DE, PE341.524/REVII (im Folgenden: Parlamentsbericht).


7 – Beispielsweise in der Frage der Angemessenheit der Enteignung oder der Verpflichtung der Grundstückseigentümer, sich an Infrastrukturkosten zu beteiligen, da diese Bereiche in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nach Art. 295 EG fielen (Parlamentsbericht, S. 7 und 14).


8 – Beispielsweise in der Frage der Umweltschädigung, da die Kommission zu dem Ergebnis kam, dass die spanischen Behörden für sämtliche allgemeinen Pläne eine Umweltverträglichkeitsprüfung vornähmen, wie dies durch die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) vorgeschrieben sei (Parlamentsbericht, S. 7 und 12 bis 14).


9 – Europäisches Parlament, „Bericht über den angeblichen Missbrauch des valencianischen Gesetzes über Grundeigentum oder Ley reguladora de la actividad urbanística (LRAU – Landerschließungsgesetz) und dessen Auswirkungen auf EU-Bürger“, Berichterstatterin: Janelly Fourou, A6-0382/2005, Erwägungsgrund I, S. 5 (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A6-2005-0382+0+DOC+WORD+V0//DE&language=DE).


10 – Da die vorliegende Vertragsverletzungsklage vor Inkrafttreten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2008, C 115, S. 47) erhoben worden ist, wurden durchweg die Bezeichnungen der Artikel des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2002, C 325, S. 33) beibehalten.


11 – Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37.


12 – Art. 1 Buchst. d der Richtlinie 93/37.


13 – Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18.


14 – Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18.


15 – Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18.


16 – Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18.


17 – Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18.


18 – Art. 17 der Richtlinie 2004/18. Diese Vorschrift gilt unbeschadet des Art. 3, in dem besondere oder ausschließliche Rechte zur Ausführung einer Tätigkeit des öffentlichen Dienstleistungsbereichs geregelt sind. Art. 3 ist im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig.


19 – Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2004/18.


20 – Art. 148 Abs. 1 der spanischen Verfassung von 1978.


21 – Art. 33 der spanischen Verfassung von 1978.


22 – Art. 47 der spanischen Verfassung von 1978.


23 – Real Decreto Legislativo 2/2008 por el que se aprueba el texto refundido de la lay del suelo (Königliches Gesetzesdekret 2/2008 zur Genehmigung der Konsolidierten Fassung des Flächennutzungsgesetzes; im Folgenden: TRLS), BOE Nr. 154 vom 26. Juni 2008.


24 – Art. 3 TRLS.


25 – Art. 6 Buchst. a TRLS.


26 – Art. 16 TRLS.


27 – Diese umfasst die Aufstellung eines allgemeinen Plans für die städtische Raumordnung (Plan General de Ordenación Urbana), in dem das gesamte Stadtgebiet in drei Kategorien von Grundstücken eingeteilt wird: bestehende Stadtgrundstücke, Grundstücke für die zukünftige Erschließung sowie nichterschließbare Grundstücke oder ländliche Flächen. Im Rahmen der Stadtentwicklung werden Grundstücke von der zweiten in die erste Kategorie umgestuft. Vgl. Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., „Lessons from Valencia: Separating infrastructure provision from land ownership“, Town and Planning Review 2007, Heft. 78(1), S. 61 f. Stadtentwicklung bringt den Übergang von der zweiten zur ersten Kategorie mit sich. Unter dem Begriff Urbanisierung (urbanización) sind Bauplanung, Flurbereinigung, technische Arbeiten und die Bereitstellung von Infrastruktur zu verstehen (ebd., S. 62).


28 – Art. 6 Abs. 2 LRAU, Art. 14 und 15 LUV.


29 – Art. 7 Abs. 2 LRAU, Art. 3 und Art. 117 Abs. 4 LUV.


30 – Art. 7 Abs. 2 LRAU, Art. 130 Abs. 3 LUV.


31 – Auch in diesem Fall tragen die Grundstückseigentümer die wirtschaftliche Last in Form besonderer Erschließungsabgaben.


32 – Art. 7 LRAU, Art. 117 Abs. 4 LUV.


33 – In Art. 12 LRAU sind verschiedene Arten von Stadtentwicklungsplänen aufgezählt. Die PAI sind in Art. 12 Buchst. g LRAU aufgeführt.


34 – Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., a. a. O. (Fn. 27), S. 67.


35 – Art. 44 LRAU, Art. 118 und 130 LUV.


36 – Art. 29 LRAU, Art. 151 LUV.


37 – Art. 45 Abs. 1 und Art. 32 LRAU.


38 – Art. 125 Abs. 2 LUV, der Art. 32 LRAU entspricht. In Art. 126 LUV findet sich ein Katalog der Angaben, die in dem technischen Angebot enthalten sein müssen.


39 – Jedes in der Region Valencia herausgegebene allgemeine Informationsblatt oder das Diario Oficial de la Generalidad Valenciana (Amtsblatt der Autonomen Gemeinschaft Valencia).


40 – Art. 45 Abs. 2 LRAU.


41 – Art. 46 LRAU.


42 – Art. 125 Abs. 3 LUV, der Art. 32 LRAU entspricht. In Art. 127 LUV findet sich ein Katalog der Angaben, die in dem finanziellen Angebot enthalten sein müssen. Durch die finanziellen Angebote werden z. B. die Erschließungskosten, der Koeffizient zur Ermittlung des Verhältnisses zwischen Grundstücken vor der Erschließung und dem Umfang der den Grundstückseigentümern zuzuerkennenden Baurechte sowie die Finanzierungsmodalitäten für das PAI festgelegt.


43 – Art. 47 Abs. 1 LRAU.


44 – Art. 48 LRAU.


45 – Art. 130 LUV. Die einzureichenden Unterlagen sind in Art. 131 Abs. 2 LUV aufgeführt.


46 – Art. 131 Abs. 2 LUV.


47 – Art. 135 LUV.


48 – Art. 130 Abs. 3 LUV.


49 – Art. 131 Abs. 2 LUV.


50 – Durch Schweigen der Verwaltung: Art. 130 Abs. 5 LUV.


51 – Art. 132 Abs. 2 LUV.


52 – Art. 137 Abs. 5 LUV.


53 – Art. 29 Abs. 2 LRAU, Art. 117 LUV.


54 – Art. 6 Abs. 3 LRAU, Art. 14 LUV.


55 – Art. 30 LRAU, Art. 124 Abs. 1 LUV.


56 – Art. 30 Abs. 2 LRAU, Art. 124 Abs. 2 LUV.


57 – Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., a. a. O. (Fn. 27), S. 67, zufolge kann dies die Errichtung öffentlicher Gebäude (z. B. Schwimmbäder und Sportanlagen) umfassen. Die Kosten hierfür dürfen nicht in die Urbanisierungskosten eingerechnet werden und müssen aus der Gewinnmarge des Erschließungsträgers bezahlt werden.


58 – Art. 47 LRAU.


59 – Art. 47 LRAU, Art. 137 LUV.


60 – Art. 188 Abs. 2 LUV.


61 – Art. 23 LUV.


62 – Art. 29 Abs. 6 LRAU, Art. 119 LUV.


63 – Hierzu teilt der Erschließungsträger nach Maßgabe des LUV die gesamte Erschließungsfläche auf und weist sie den Grundstückseigentümern und der Gemeinde nach Abschluss der Arbeiten neu zu, so dass die Grundstückseigentümer Bauland in dem Verhältnis (verglichen mit anderen Grundstückseigentümern) erhalten, in dem sie durch Einbringung von Grundstücken oder durch die Einbringung von Grundstücken und Einzahlung eines Geldbetrags zu der Erschließung beigetragen haben.


64 – Art. 119 LUV.


65 – Art. 71 LRAU.


66 – Art. 29 Abs. 9 Buchst. C LRAU, Art. 28 Abs. 2, Art. 32 und Art. 162 Abs. 3 LUV.


67 – Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., a. a. O. (Fn. 27), S. 68.


68 – Art. 29 Abs. 9 Buchst. B LRAU, Art. 162 LUV.


69 – Art. 67 LRAU, Art. 168 LUV – Erschließungs- und andere erforderliche Arbeiten, Gebäudesanierung, Erarbeitung und Verwaltung technischer Projekte, Verwaltungskosten, Gutachterhonorare für technische Berichte usw.


70 – Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1).


71 – Mir scheint, dass sich der Text des Dekrets 67/2006 nicht in den Gerichtsakten befindet.


72 – Der Gerichtshof kann aus der Formulierung der Klageschrift herleiten, dass ein bestimmter Klageantrag gestellt wird. Vgl. Urteile vom 10. Dezember 1957, ALMA/Hohe Behörde (8/56, Slg. 1957, 191, 202), und vom 1. Juli 1964, Degreef/Kommission (80/63, Slg. 1964, 839, 870 f.).


73 – Urteil vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland (C‑112/05, Slg. 2007, I‑8995).


74 – Der Gerichtshof ist an den in der Klageschrift angegebenen Streitgegenstand gebunden (Urteil vom 25. September 1979, Kommission/Frankreich, 232/78, Slg. 1979, 2729, Randnr. 3). Der Gerichtshof muss den Streitgegenstand präzise anhand der Klageschrift bestimmen können (Urteile vom 27. Februar 1980, Kommission/Frankreich, 168/78, Slg. 1980, 347, Randnrn. 17 bis 25, und vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich, 270/83, Slg. 1986, 273, Randnrn. 7 bis 10).


75 – In Fn. 70 angeführt.


76 – Urteile vom 10. April 2003, Kommission/Deutschland (C‑20/01 und C‑28/01, Slg. 2003, I‑3609, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 2. Juni 2005, Kommission/Griechenland (C‑394/02, Slg. 2005, I‑4713, Randnr. 16).


77 – Urteile vom 10. April 2003, Kommission/Frankreich (C‑114/02, Slg. 2003, I‑3783, Randnr. 9), und vom 14. Juli 2005, Kommission/Deutschland (C‑433/03, Slg. 2005, I‑6985, Randnr. 32).


78 – Die Richtlinie 2004/18 wurde am 31. März 2004 erlassen. Die Frist für ihre Umsetzung lief am 31. Januar 2006 ab, und am selben Tag wurde auch die Richtlinie 93/37 aufgehoben. Die am 22. Dezember 2005 vom Parlament der Autonomen Gemeinschaft Valencia erlassene LUV trat ebenfalls am 31. Januar 2006 in Kraft.


79 – Dem in den Gerichtsakten befindlichen Exemplar der LUV zufolge sollte das Gesetz am 12. Januar 2006 in Kraft treten. In den Gerichtsakten finden sich keine Angaben dazu, wann und weshalb dieser Zeitpunkt auf den 31. Januar 2006 verschoben wurde.


80 – Urteil vom 2. Februar 1988, Kommission/Belgien (293/85, Slg. 1988, 305, Randnr. 14).


81 – Ebd., Randnr. 14.


82 – Interessanterweise hieß es in dem bis Februar 2005 gültigen „Manuel of Procedures“ (einem internen Dokument) der Kommission, dass zu Urlaubszeiten, einschließlich Weihnachten, Fristen um einen Monat verlängert werden sollten. Diese inoffizielle Regelung wurde offenbar in dem im Februar 2005 herausgegebenen neuen „Manual of Procedures“ der Kommission gestrichen. Vgl. Eberhard, G., und Riedl, E., in Mayer (Hrsg.), Kommentar zum EU‑ und EG-Vertrag, EGV Art. 226, Randnrn. 42 und 52.


83 – Urteil Kommission/Belgien, in Fn. 80 angeführt, Randnr. 14.


84 – Urteil vom 31. Januar 1984, Kommission/Irland (74/82, Slg. 1984, 317, Randnrn. 12 f.).


85 – Zur Frage, inwieweit private Initiativen zur kostengünstigen Erbringung öffentlicher Dienstleistungen beitragen können, vgl. Bovis, C., EC Public Procurement: Case Law and Regulation, Oxford University Press, 2006 (Neuauflage 2009), Kapitel 10: „Public Procurement and Public-Private Partnerships“. Zur Frage, inwieweit private Initiativen zur Überwindung der Stagnation der Erschließungstätigkeit in Valencia beigetragen haben, vgl. Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., in Fn. 27 angeführt.


86 – Allerdings werden in vielen Rechtssystemen Baurechte nicht als Rechte verstanden, die durch die Planungsentscheidung der öffentlichen Stellen entstehen, sondern als in irgendeiner Form bereits bestehende dingliche Rechte der Eigentümer unerschlossener Grundstücke, selbst wenn diese Rechte vor Aufstellung eines detaillierten Plans nicht ausgeübt werden können. Hiervon scheint auch das spanische Recht auszugehen (Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., a. a. O. [Fn. 27], S. 61 f.). Häufig sind außerdem die zulässigen Inhalte eines detaillierten Plans in öffentlich-rechtlichen Vorschriften geregelt, so dass den Möglichkeiten der örtlichen Verwaltung, sich zur Aufstellung eines bestimmten Plans im Austausch gegen Verpflichtungen eines privaten Unternehmens zu verpflichten, rechtlich Grenzen gesetzt sind.


87 – Ein PAI kann zwar theoretisch sowohl von der Gebietskörperschaft als auch von der Privatperson eingeleitet werden, dieses LRAU-Modell, bei dem dem Erschließungsträger eine zentrale Rolle zukommt, wurde in den 1990er Jahren jedoch mit dem Ziel eingeführt, die Zahl der privaten Initiativen bei Urbanisierungsprojekten zu erhöhen. Näheres hierzu bei Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., a. a. O. (Fn. 27), S. 65.


88 – Spanien hat ausgeführt, dass es bei der Annahme einer PAI‑Initiative z. B. darum gehen kann, zwischen der Errichtung eines Einkaufszentrums oder eines Wohngebiets zu wählen.


89 – Mit der LUV wurde allerdings eine Differenzierung zwischen dem Erschließungsträger und dem die öffentlichen Bauarbeiten ausführenden Bauunternehmer eingeführt, da der Erschließungsträger – von einigen Ausnahmen abgesehen – verpflichtet ist, den Bauunternehmer nach den EU-Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu bestellen.


90 – Urteil vom 12. Juli 2001, Ordine degli Architetti u. a. (C‑399/98, Slg. 2001, I‑5409), und im Anschluss daran in den Urteilen vom 21. Februar 2008, Kommission/Italien (C‑412/04, Slg. 2008, I‑619, Randnrn. 70 bis 75), vom 20. Oktober 2005, Kommission/Frankreich (C‑264/03, Slg. 2005, I‑8831, Randnr. 56 bis 58), und vom 18. Januar 2007, Auroux u. a. (C‑220/05, Slg. 2007, I‑385).


91 – Zum Diskussionsstand vgl. Hakkola, E., Hankintalainsäädäntö ja maankäyttösopimukset, „Public procurement legislation and land-use agreements“, Lakimies 5/2007, S. 723 bis 745, und Paradissis, J., „Planning agreements and EC public procurement law“, Journal of Planning & Environment Law, 2003, S. 666 bis 677.


92 – Hakkola, E., a. a. O. (Fn. 91), S. 741; Paradissis, J., a. a. O. (Fn. 91), S. 669 bis 672.


93 – Urteil vom 25. März 2010 (C‑451/08, Slg. 2010, I‑0000).


94 – Ebd., Randnr. 46.


95 – Ebd., Randnr. 57.


96 – Der Gerichtshof hat die einschlägigen Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge auf verschiedene Raumordnungsregelungen angewendet, sofern festgestellt werden kann, dass sie die objektiven Tatbestandsmerkmale der Richtlinie erfüllen (in Fn. 90 angeführte Urteile Ordine degli Architetti u. a., Auroux u. a. sowie Kommission/Frankreich). In seiner früheren Rechtsprechung hatte er entschieden, dass es auf die von den Behörden verfolgten Ziele nicht ankomme (in Fn. 90 angeführte Urteile Ordine degli Architetti u. a. sowie Kommission/Italien, Randnr. 70), und stattdessen darauf abgestellt, ob die Kriterien für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags erfüllt sind.


97 – In der griechischen Mythologie war Prokrustes ein Übeltäter und Wegelagerer aus Attika, der Reisende überfiel und sie dann entweder streckte oder ihnen die Beine abhackte, damit sie in ein eisernes Bett passten.


98 – Zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18; Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Auroux u. a., Urteil in Fn. 90 angeführt, Nr. 57.


99 – Darum ging es in der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Tatbestandsmerkmal „entgeltlich“.


100 – So verhält es sich in den in Art. 120 Abs. 7 LUV geregelten Fällen, in denen eine Befreiung von der Verpflichtung zur Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens für die Auswahl des Bauunternehmers, der die von dem PAI umfassten Bauarbeiten ausführen soll, vorgesehen ist, wenn nur ein Grundstückseigentümer betroffen ist oder wenn sich alle betroffenen Grundstückseigentümer und der Erschließungsträger entsprechend einigen.


101 – Urteil vom 13. Oktober 2005 (C‑458/03, Slg. 2005, I‑8585, Randnr. 39).


102 – Ebd., Randnr. 40.


103 – Schlussanträge von Generalanwalt Mengozzi in der Rechtssache Helmut Müller, Urteil in Fn. 93 angeführt, Nr. 77.


104 – Dies lässt sich aus der im zweiten Erwägungsgrund angesprochenen allgemeinen Zielsetzung der Verhinderung von Wettbewerbsverfälschungen herleiten. Vgl. auch Bovis, C., a. a. o (Fn. 85), S. 14 bis 22.


105 – Dieser Sachverhalt entspricht Fällen, in denen die Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen deshalb keine Anwendung finden, weil der durch die betreffenden nationalen Regelungen geschaffene Vorteil aus privaten Mitteln finanziert wird und diesem Vorteil daher keine Belastung der öffentlichen Ressourcen gegenübersteht. Vgl. z. B. Urteile vom 17. März 1993, Sloman Neptun (C‑72/91 und C‑73/91, Slg. 1993, I‑887, Randnr. 19 und 21), und vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnrn. 59 bis 61).


106 – Im Urteil vom 18. November 2004, Kommission/Deutschland (C‑126/03, Slg. 2004, I‑11197, Randnr. 20), hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Verwendung öffentlicher Mittel kein konstitutives Element für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags im Sinne der Art. 8 und 11 der Richtlinie 92/50 (oben in Fn. 70 angeführt) ist. In jenem Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag an eine andere öffentliche Stelle (Stadt München) vergeben, und es ging um die Frage, ob es zulässig war, dass die Stadt München bereits im Voraus ein privates Unternehmen mit der Erbringung einer auf dem vorerwähnten Dienstleistungsauftrag beruhenden Dienstleistung beauftragt hatte, ohne ein Ausschreibungsverfahren nach Maßgabe der einschlägigen Richtlinie durchzuführen. In jenem Fall lag offensichtlich ein wirtschaftlicher Austausch zwischen der Stadt München und dem privaten Unternehmen vor, wenngleich dieser natürlich aus den „privaten“ Einnahmen der Stadt finanziert wurde, die sie aus dem an sie vergebenen öffentlichen Dienstleistungsauftrag erzielt hat. Ich glaube nicht, dass der Gerichtshof sagen wollte, dass die Entgeltlichkeit kein wesentliches Merkmal eines öffentlichen Auftrags ist oder dass das Entgelt nicht unmittelbar oder mittelbar aus den Mitteln des öffentlichen Auftraggebers stammen muss. Zweck der Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge ist ja gerade die Schaffung wettbewerbsoffener, transparenter und nichtdiskriminierender Bedingungen beim wirtschaftlichen Austausch zwischen öffentlichen Stellen und Unternehmen, nicht jedoch die Regelung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Unternehmen, die einander Liefer- oder Dienstleistungsaufträge erteilen.


107 – Die Richtlinie 93/37 gilt nur für Bauarbeiten, und die Richtlinie 2004/18 ist nach ihrem Art. 17 nicht auf Dienstleistungskonzessionen anwendbar. Art. 17 gilt unbeschadet Art. 3 der Richtlinie 2004/18, der jedoch im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist.


108 – Im vorliegenden Fall hängt die Antwort nach dem Hauptzweck des Auftrags davon ab, ob man das Schwergewicht auf die Struktur der Erschließungskosten oder auf den durch die PAI erzielten Erschließungsnutzen legt. Aus den verstreuten Angaben in den Gerichtsakten ergibt sich, dass im Rahmen der Erschließungskosten die Komponente der öffentlichen Bauarbeiten die Dienstleistungskomponente deutlich überwiegt. Spanien hebt jedoch den Dienstleistungscharakter der PAI im Hinblick auf Immobilieninvestitionen hervor und verweist insoweit darauf, dass die öffentlichen Bauarbeiten nur Nebenergebnis des mit den PAI verfolgten übergeordneten Zwecks seien, der darin bestehe, Grundstücke für private Bautätigkeiten bebaubar zu machen. Wirtschaftlich gesehen müsse daher das einzelne PAI Vermögenswerte für die Grundstückseigentümer in einer Höhe schaffen, die die Kosten der öffentlichen Bauarbeiten und die sonstigen Erschließungskosten, einschließlich der Vergütung des Erschließungsträgers, übersteige. Bei den beiden bei Muñoz Gielen, D., und Korthals Altes, W., a. a. O. (Fn. 27), S. 69, dargestellten PAI betrugen die Erschließungskosten 89 Euro bzw. 54 Euro pro Quadratmeter Bauland und der Marktwert des erschlossenen Baugeländes 512 Euro bzw. rund 500 Euro pro Quadratmeter Bauland. Dies mag dafür sprechen, dass der wirtschaftliche und rechtliche Zweck der PAI in der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung des Erschließungsträgers an die Grundstückseigentümer und nicht in der Ausführung öffentlicher Bauarbeiten für den öffentlichen Auftraggeber besteht.


109 – Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18; Art. 1 Buchst. d der Richtlinie 93/37.


110 – Nach Art. 16 TRLS müssen die Grundstückseigentümer das für Straßen, Grünflächen und andere Gemeinschaftsbereiche benötigte Gelände und außerdem zwischen 5 % und 15 % Prozent ihrer Grundstücke für öffentliche Zwecke an die zuständigen Behörden abtreten. Diese Vorschrift wird durch Art. 23 LUV umgesetzt, in dem die Verpflichtung der Grundstückseigentümer zur unentgeltlichen Überlassung von Gelände für öffentliche Zwecke im Rahmen der Erschließung geregelt ist. (Es ist daran zu erinnern, dass die Baugrundstücke, die die Grundstückseigentümer erhalten, sich nicht unbedingt auf dem Gelände befinden, das ihnen vor dem PAI gehört hat.) Nach Art. 180 Abs. 2 LUV umfasst die Zwangsneugliederung (reparcelación forzosa) die Übertragung dieses Geländes an die betreffende Gebietskörperschaft. Art. 188 Abs. 2 LUV regelt den Zeitpunkt, zu dem die Urbanisierungsbauwerke und die Pflicht zu ihrer Unterhaltung als auf die Verwaltung übergegangen gelten. Aus alldem ergibt sich, dass die PAI, wollte man sie als öffentliche Dienstleistungsaufträge einstufen, vom Geltungsbereich der Richtlinie 2004/18 ausgenommen wären, da sie den Erwerb von Land und anderem unbeweglichem Vermögen betreffen.


111 – Nach Art. 11 LUV sind Baugrundstücke (solares) Grundstücke, die mindestens wie folgt erschlossen sind: i) Zugangsmöglichkeit über eine oder mehrere öffentliche Straßen, ii) Trinkwasser- und Stromanschluss mit einer Kapazität, die für den zu erwartenden Verbrauch ausreicht, iii) Kanalisationsnetz, iv) Zugang für Fußgänger über gepflasterte und beleuchtete Straßen. Darüber hinaus müssen Baugrundstücke über die notwendigen Leitungen an die öffentlichen Versorgungsunternehmen in der Umgebung angeschlossen sein.


112 – Nach Auffassung Spaniens sind die PAI als Dienstleistungskonzessionen einzustufen, wenn der Erschließungsträger das Recht zur Erbringung und Nutzung einer öffentlichen Dienstleistung erhält.


113 – Dem Gerichtshof zufolge könnte die Erteilung einer unbefristeten Konzession auf lange Sicht den Wettbewerb beeinträchtigen und liefe damit dem zentralen Anliegen der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge zuwider. Vgl. Urteile vom 19. Juni 2008, pressetext Nachrichtenagentur (C‑454/06, Slg. 2008, I‑4401, Randnr. 74), und Helmut Müller (in Fn. 93 angeführt, Randnr. 79).