Language of document : ECLI:EU:C:2012:312

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

24. Mai 2012(*)

„Landwirtschaft – Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft – Verordnungen (EG) Nrn. 1257/1999 und 817/2004 – Agrarumweltbeihilfen für Produktionsverfahren – Kontrollen – Empfänger einer landwirtschaftlichen Beihilfe – Unmöglichmachen der Durchführung einer Vor‑Ort‑Kontrolle – Regelung eines Mitgliedstaats, die die Rückzahlung sämtlicher in einem Zeitraum von fünf Jahren bezogener Beihilfen vorsieht – Vereinbarkeit“

In der Rechtssache C‑188/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 12. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2011, in dem Verfahren

Peter Hehenberger

gegen

Republik Österreich

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský sowie der Richter E. Juhász und G. Arestis (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Hehenberger, vertreten durch Rechtsanwalt K. F. Lughofer,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, S. Schmid, G. Holley und D. Müller als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch I. K. Chalkias und A. E. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und B. Schima als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen (ABl. L 160, S. 80) in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1257/1999 (ABl. L 153, S. 30).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von Herrn Hehenberger, einem Landwirt, gegen die Republik Österreich über die Erstattung von Agrarumweltfördergeldern, die ihm von den österreichischen Behörden mehrere Jahre lang in Anwendung der Verordnung Nr. 1257/1999 gewährt wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In Kapitel VI („Agrarumweltmaßnahmen“) der Verordnung Nr. 1257/1999 bestimmt Art. 22:

„Die Beihilfen für landwirtschaftliche Produktionsverfahren, die auf den Schutz der Umwelt und die Erhaltung des ländlichen Lebensraums ausgerichtet sind (Agrarumweltmaßnahmen), tragen zur Verwirklichung der Ziele der Agrar- und Umweltpolitik der Gemeinschaft bei.

Ziel der Beihilfen ist es,

–        eine Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zu fördern, die mit dem Schutz und der Verbesserung der Umwelt, der Landschaft und ihrer Merkmale, der natürlichen Ressourcen, der Böden und der genetischen Vielfalt vereinbar ist;

–        eine umweltfreundliche Extensivierung der Landwirtschaft und eine Weidewirtschaft geringer Intensität zu fördern;

–        bedrohte, besonders wertvolle landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaften zu erhalten;

–        die Landschaft und historische Merkmale auf landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten;

–        die Umweltplanung in die landwirtschaftliche Praxis einzubeziehen.“

4        Art. 23 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Die Beihilfen werden Landwirten gewährt, die sich für mindestens fünf Jahre verpflichten, Agrarumweltmaßnahmen durchzuführen. Sofern erforderlich wird für bestimmte Arten von Verpflichtungen im Interesse ihrer Umweltwirkung ein längerer Zeitraum festgelegt.

(2)      Die Verpflichtungen bezüglich der Agrarumweltmaßnahmen gehen über die Anwendung der guten landwirtschaftlichen Praxis im üblichen Sinne hinaus.

Sie betreffen Dienstleistungen, die im Rahmen anderer Fördermaßnahmen wie Marktstützungsmaßnahmen und den Ausgleichszulagen nicht vorgesehen sind.“

5        Art. 24 der Verordnung lautet:

„(1)      Die Beihilfen für die Agrarumweltverpflichtungen werden jährlich gewährt und anhand folgender Kriterien berechnet:

–        Einkommensverluste,

–        zusätzliche Kosten infolge der eingegangenen Verpflichtung und

–        die Notwendigkeit, einen Anreiz zu bieten.

Die Kosten nichtproduktiver Investitionen, die zur Einhaltung der Verpflichtungen erforderlich sind, können bei der Berechnung der Höhe der jährlichen Beihilfe ebenfalls berücksichtigt werden.

(2)      Die für eine Gemeinschaftsbeihilfe in Betracht kommenden Höchstbeträge sind im Anhang festgesetzt. Diese Beträge richten sich nach der Fläche des Betriebs, für die die Agrarumweltverpflichtungen gelten.“

6        In Abschnitt 6 („Anträge, Kontrollen und Sanktionen“) des Kapitels II bestimmt Art. 67 der Verordnung Nr. 817/2004:

„(1)      Die Kontrollen der Erstanträge auf Inanspruchnahme einer Beihilferegelung und der folgenden Zahlungsanträge werden so durchgeführt, dass zuverlässig geprüft werden kann, ob die Beihilfevoraussetzungen erfüllt sind.

Je nach Art der Fördermaßnahme bestimmen die Mitgliedstaaten die für die Kontrollen erforderlichen Methoden und Mittel ebenso wie die zu kontrollierenden Personen.

Die Mitgliedstaaten greifen in allen geeigneten Fällen auf das mit der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 eingeführte Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem zurück.

(2)      Es werden Verwaltungskontrollen und Kontrollen vor Ort durchgeführt.“

7        Art. 69 der Verordnung Nr. 817/2004 sieht vor:

„Die Kontrollen vor Ort finden gemäß Titel III der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 statt. Sie erstrecken sich jährlich auf mindestens 5 % der Begünstigten, wobei alle in den Programmplanungsdokumenten aufgeführten unterschiedlichen Arten von Fördermaßnahmen zur ländlichen Entwicklung erfasst werden …

Die Kontrollen vor Ort sind entsprechend einer Risikoanalyse für jede Maßnahme der ländlichen Entwicklung über das Jahr zu verteilen. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass sich die Kontrollen vor Ort bei Investitionsförderungsmaßnahmen, die unter Titel II Kapitel I, VII, VIII und IX der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 fallen, nur auf die vor dem Abschluss stehenden Vorhaben erstrecken.

Alle Verpflichtungen und Auflagen für den Begünstigten, die zur Zeit des Kontrollbesuchs überprüft werden können, sind Gegenstand der Kontrolle.“

8        Art. 71 Abs. 2 der Verordnung Nr. 817/2004 lautet:

„Im Fall von zu Unrecht gezahlten Beträgen ist der Begünstigte einer Maßnahme zur Entwicklung des ländlichen Raums verpflichtet, die fraglichen Beträge gemäß Artikel 49 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 zurückzuzahlen.“

9        Art. 73 der Verordnung Nr. 817/2004 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

10      Unter Titel III („Kontrollen“) bestimmt Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 327, S. 11):

„(1)      Die Vor-Ort-Kontrollen werden unangekündigt durchgeführt. Sofern der Prüfungszweck nicht gefährdet wird, ist jedoch eine auf das strikte Minimum beschränkte Ankündigungsfrist zulässig. Die Ankündigung darf außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen nicht mehr als 48 Stunden im Voraus erfolgen.

(2)      Die in dieser Verordnung geregelten Vor-Ort-Kontrollen und andere gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Kontrollen werden, wenn sich dies anbietet, gleichzeitig durchgeführt.

(3)      Verhindert der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle, so sind die betreffenden Anträge abzulehnen.“

11      Die Verordnung Nr. 2419/2001 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. L 141, S. 18) aufgehoben. Nach der Verordnung Nr. 796/2004 gilt diese für Beihilfeanträge, die sich auf ab dem 1. Januar 2005 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen, und Bezugnahmen auf die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gelten als Bezugnahmen auf die Verordnung Nr. 796/2004.

12      Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 796/2004, der an die Stelle von Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2419/2001 getreten ist, lautet wie folgt:

„Die betreffenden Beihilfeanträge werden abgelehnt, falls der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich macht.“

 Nationales Recht

13      Gemäß der Verordnung Nr. 1257/1999 erließ der zuständige österreichische Minister die Sonderrichtlinie für das Österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL 2000) (im Folgenden: ÖPUL 2000). Die ÖPUL 2000 umfasst eine Reihe von Agrarumweltmaßnahmen im Sinne dieser Verordnung, unter denen der Förderungsnehmer bei seinem ersten Antrag auf Förderung wählen kann und für deren Durchführung in Österreich er eine von der von der Europäischen Union kofinanzierte Flächenbeihilfe erhält.

14      Die ÖPUL 2000, die zahlreiche Anlagen enthält, besteht aus einem Allgemeinen Teil, in dem u. a. gemeinsame Fördervoraussetzungen für die verschiedenen Zweige des Programms, die Abwicklung der Förderung und die Rückzahlung bei Nichteinhaltung der Förderbedingungen geregelt sind, und einem Maßnahmenteil mit den besonderen Voraussetzungen für die konkrete Förderung. Die ÖPUL 2000 ist nach österreichischem Recht kein abstrakt-generelles Regelwerk, sondern ihre Bestimmungen werden bei Vertragsschluss als Vertragsklauseln vereinbart.

15      Gemäß Punkt 1.4.4 der ÖPUL 2000, der auf Art. 23 der Verordnung Nr. 1257/1999 beruht, begründet der Förderungswerber mit der Erstantragstellung hinsichtlich der beantragten Maßnahmen die Verpflichtung, die einbezogenen Flächen für fünf Jahre gemäß den Förderungsvoraussetzungen zu bewirtschaften bzw. zu pflegen sowie alle sonstigen Fördervoraussetzungen für diesen Zeitraum zu erfüllen.

16      Punkt 1.9 der ÖPUL 2000 hat die Normierung eines Kontrollsystems zum Gegenstand, das die Prüforgane ermächtigt, alle Betriebsflächen zu betreten, wobei der Förderungswerber verpflichtet ist, die angeführten Kontrollmaßnahmen zuzulassen.

17      Gemäß Punkt 1.10 der ÖPUL 2000 ist der Förderungswerber verpflichtet, eine gewährte Förderung zurückzuzahlen, bzw. erlischt der Anspruch auf Auszahlung zugesicherter, aber noch nicht ausgezahlter Förderungen, wenn vorgesehene Verpflichtungen nicht eingehalten wurden, in der ÖPUL 2000 oder in der Verpflichtungserklärung enthaltene Bedingungen nicht erfüllt wurden oder den Kontrollbeauftragten oder -organen der Zutritt zu allen Betriebsflächen und Betriebsräumen nicht gewährt wurde. Nach diesem Punkt sind bei Nichteinhaltung der Fünfjahresverpflichtung die schon im Verpflichtungszeitraum erhaltenen Förderungsmittel rückzuerstatten.

 Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

18      Mit Antrag vom 11. September 2000 hatte Herr Hehenberger erstmals bei der österreichischen Zahlstelle, die im Namen und für Rechnung der Republik Österreich handelt, Agrarumweltfördergelder nach der ÖPUL 2000 beantragt.

19      Im Rahmen dieses Antrags hatte Herr Hehenberger eine Verpflichtungserklärung unterfertigt, der zufolge er gemäß Punkt 1.4.4 der ÖPUL 2000 ab 1. Januar 2001 während fünf Jahren bestimmte Agrarumweltmaßnahmen im Sinne der ÖPUL 2000 durchzuführen hatte. Durch die Unterfertigung dieser Erklärung, in der ausdrücklich auf die ÖPUL 2000 verwiesen wurde, hatte sich Herr Hehenberger auch zur Einhaltung der ÖPUL 2000 verpflichtet, die auf diese Weise Bestandteil der einzelnen mit der erwähnten Einrichtung geschlossenen Förderverträge wurde. Später wurde diese Fünfjahresverpflichtung um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2006 verlängert.

20      Auf der Grundlage dieser Verpflichtung und auf die jährlich von Herrn Hehenberger eingereichten Zahlungsanträge gewährte die österreichische Zahlstelle die betreffenden Agrarumweltfördergelder für die Jahre 2001–2005. Für die Fördergelder für das Jahr 2005 wurde der jährliche Antrag am 22. April 2005 eingereicht.

21      Am 12. September 2005 beabsichtigten die zuständigen Kontrollorgane, im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle gemäß Punkt 1.9 der ÖPUL 2000 Flächenvermessungen durchzuführen. Herr Hehenberger verwehrte jedoch den Zugang zu diesen Flächen und verhinderte damit die Durchführung dieser Kontrolle.

22      Mit Schreiben vom 9. Oktober 2006 teilte die österreichische Zahlstelle Herrn Hehenberger mit, dass ihm die Agrarumweltfördergelder gemäß der ÖPUL 2000 für das Jahr 2006 nicht ausgezahlt würden, da die Gewährung dieser Fördergelder für ein weiteres Jahr die Einhaltung der Fünfjahresverpflichtung gemäß der ÖPUL 2000 voraussetze.

23      Mit Schreiben vom 27. Februar 2007 erhob die österreichische Zahlstelle gegen Herrn Hehenberger den Vorwurf, die Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle am 12. September 2005 unmöglich gemacht zu haben. Sie forderte daher gemäß Punkt 1.10 der ÖPUL 2000 sämtliche Fördergelder zurück, die ihm nach der ÖPUL 2000 entsprechend dem vereinbarten Verpflichtungszeitraum für die Jahre 2001–2005 gewährt worden waren.

24      Daraufhin wandte sich Herr Hehenberger mit einer Klage beim vorlegenden Gericht gegen diese Rückforderung. Er machte im Wesentlichen geltend, dass die Sanktion, die in der Verpflichtung zur Rückzahlung von bereits über mehrere Jahre gewährten Förderungen bestehe, unverhältnismäßig sei. Die Republik Österreich beantragte, die Klage abzuweisen.

25      Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts steht fest, dass Herr Hehenberger den Zugang zu den betreffenden Flächen verweigert und damit die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle verhindert hat. Daher wäre – so das Gericht – das Klagebegehren nach der ÖPUL 2000 und den auf deren Grundlage zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens geschlossenen Förderverträgen abzuweisen, wenn die Republik Österreich unter den Umständen des vorliegenden Falles die gewährten Förderungen zurückfordern dürfe.

26      Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel in Bezug auf die Auslegung der Verordnung Nr. 1257/1999 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 817/2004. Insbesondere stelle sich die Frage, ob die in Punkt 1.10 der ÖPUL 2000 vorgesehene sehr invasive Sanktion mit den Zielsetzungen der Verordnung Nr. 1257/1999 vereinbar sei, die primär auf die Erhaltung von landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsflächen, die Konservierung des ländlichen Raumes und eine funktionierende Kultivierung desselben gerichtet seien.

27      Unter diesen Umständen hat das Landesgericht für Zivilsachen Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht die Verordnung Nr. 1257/1999 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 817/2004 einer Regelung des Förderungsgebers entgegen, nach der im Fall des Unmöglichmachens der Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle (Flächenvermessung) sämtliche der im Rahmen einer Agrarumweltmaßnahme im Verpflichtungszeitraum bereits gewährten Fördergelder vom Förderungsnehmer zurückzuerstatten sind, auch wenn diese bereits für mehrere Jahre zuerkannt und ausbezahlt wurden?

 Zur Vorlagefrage

28      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1257/1999 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 817/2004 einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der im Fall der Verhinderung der Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle der betreffenden Flächen durch den beihilfebegünstigten Landwirt sämtliche der ihm im Rahmen einer Agrarumweltmaßnahme im Verpflichtungszeitraum bereits gewährten Beihilfen zurückzuerstatten sind, auch wenn diese Beihilfen bereits für mehrere Jahre ausbezahlt wurden.

29      Zunächst ist festzustellen, dass weder die Verordnung Nr. 1257/1999 noch die Verordnung Nr. 1817/2004 eine ausdrückliche Bestimmung enthalten, die einer solchen nationalen Regelung entgegenstünde.

30      Die Art. 22 bis 24 der Verordnung Nr. 1257/1999 legen die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von Beihilfen für landwirtschaftliche Produktionsverfahren, die insbesondere auf die Erhaltung des ländlichen Lebensraums ausgerichtet sind, fest. Wie sich aus ihnen ergibt, sind Agrarumweltmaßnahmen dadurch gekennzeichnet, dass sich die betreffenden Landwirte für fünf Jahre verpflichten, eine umweltfreundliche Landwirtschaft zu betreiben. Im Gegenzug zu den Agrarumweltverpflichtungen wird von den Staaten jährlich nach Maßgabe der erlittenen Einkommensverluste oder der daraus entstehenden zusätzlichen Kosten eine Beihilfe gewährt (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009, JK Otsa Talu, C‑241/07, Slg. 2009, I‑4323, Randnr. 36).

31      Was das Kontrollsystem für diese mehrjährige Beihilfe für landwirtschaftliche Produktionsverfahren betrifft, so sieht Art. 67 der Verordnung Nr. 817/2004 vor, dass die Kontrollen der Erstanträge auf Inanspruchnahme der Regelung und der folgenden Zahlungsanträge so durchzuführen sind, dass zuverlässig geprüft werden kann, ob die Beihilfevoraussetzungen erfüllt sind. Außerdem stellt Art. 69 dieser Verordnung klar, dass alle Verpflichtungen und Auflagen für den Begünstigten, die zur Zeit des Kontrollbesuchs überprüft werden können, Gegenstand der Kontrolle vor Ort sind.

32      Art. 69 bestimmt ferner, dass die Kontrollen vor Ort gemäß Titel III der Verordnung Nr. 2419/2001 stattfinden. Unter diesem Titel „Kontrollen“ stellt Art. 17 Abs. 3, der durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 796/2004 mit im Wesentlichen gleichem Regelungsgehalt wie Art. 17 Abs. 3 ersetzt worden ist, klar, welche rechtlichen Folgen mit einer Verhinderung der Durchführung der Kontrollen vor Ort verbunden sind. So ist dort ausdrücklich vorgesehen, dass die betreffenden Beihilfeanträge abgelehnt werden, falls der Landwirt oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle verhindert.

33      Hierzu ist zu bemerken, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Juni 2011, Omejc (C‑536/09, Slg. 2011, I‑5367), Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 796/2004 auszulegen hatte. In Randnr. 27 dieses Urteils hat der Gerichtshof die Bedeutung der Kontrollen hervorgehoben und entschieden, dass die Verhinderung ihrer Durchführung erhebliche rechtliche Folgen, wie die Ablehnung der betreffenden Beihilfeanträge, nach sich ziehen muss.

34      Diese Ablehnung ist die rechtliche Folge der Unmöglichkeit, zuverlässig zu prüfen, ob die Beihilfevoraussetzungen erfüllt sind, wie dies Art. 67 der Verordnung Nr. 817/2004 verlangt. Bei Agrarumweltbeihilfen, die durch eine mehrjährige Verpflichtung gekennzeichnet sind, gelten diese Beihilfevoraussetzungen nicht nur für das Jahr, in dem eine Kontrolle vor Ort stattgefunden hat, sondern während des gesamten Verpflichtungszeitraums, für den diese Beihilfen gewährt worden sind, so dass, wie dies Art. 69 dieser Verordnung vorschreibt, alle Verpflichtungen Gegenstand der mit diesen Beihilfen verbundenen Kontrollen vor Ort sind. Ein Verhalten des Landwirts, das die Durchführung solcher Kontrollen unmöglich macht, verhindert somit die Prüfung, ob diese Voraussetzungen während des gesamten Verpflichtungszeitraumes erfüllt worden sind.

35      Somit sind bei Agrarumweltmaßnahmen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, die betreffenden Anträge auf Agrarumweltbeihilfen gemäß Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2419/2000 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 796/2004 abzulehnen, wenn die Durchführung einer Kontrolle vor Ort durch den Empfänger von Agrarumweltbeihilfen verhindert wird, so dass nicht geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Beihilfen während des gesamten Verpflichtungszeitraumes erfüllt worden sind. Zu den betreffenden Anträgen im Sinne dieser Bestimmungen gehören somit sämtliche Anträge, die sich auf die erwähnten Fördervoraussetzungen beziehen, die während der gesamten Laufzeit des Agrarumweltprojekts, für die sich der Beihilfeempfänger verpflichtet hat, zu beachten sind und auf die sich die Kontrolle vor Ort bezieht.

36      Daher ist, wie sich aus Art. 71 Nr. 2 der Verordnung Nr. 817/2004 ergibt, der Förderungsnehmer verpflichtet, sämtliche bereits gezahlten Beträge von Agrarumweltbeihilfen zurückzuzahlen.

37      Ferner ist klarzustellen, dass in den Fällen, in denen der Unionsgesetzgeber Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe festlegt, der Ausschluss, den die Nichtbeachtung einer dieser Voraussetzungen mit sich bringt, keine Sanktion, sondern die bloße Folge der Nichtbeachtung der gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 2004, Toeters und Verberk, C‑171/03, Slg. 2004, I‑10945, Randnr. 47, sowie vom 24. Mai 2007, Maatschap Schonewille-Prins, C‑45/05, Slg. 2007, I‑3997, Randnr. 47). Die Ablehnung eines Beihilfeantrags, die darauf beruht, dass durch ein Verhalten des Landwirts, durch das die Durchführung einer Kontrolle vor Ort verhindert worden ist, es unmöglich war, die Voraussetzungen für die Förderung zu prüfen, kann daher ebenso wenig als Sanktion betrachtet werden und infolgedessen auch nicht dem Art. 73 der Verordnung Nr. 817/2004 unterliegen.

38      Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1257/1999 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 817/2004 der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der im Fall der Verhinderung der Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle der betreffenden Flächen durch den beihilfebegünstigten Landwirt sämtliche der ihm im Rahmen einer Agrarumweltmaßnahme im Verpflichtungszeitraum bereits gewährten Beihilfen zurückzuerstatten sind, auch wenn diese Beihilfen bereits für mehrere Jahre ausbezahlt wurden.

 Kosten

39      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

Die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1257/1999 steht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der im Fall der Verhinderung der Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle der betreffenden Flächen durch den beihilfebegünstigten Landwirt sämtliche der ihm im Rahmen einer Agrarumweltmaßnahme im Verpflichtungszeitraum bereits gewährten Beihilfen zurückzuerstatten sind, auch wenn diese bereits für mehrere Jahre ausbezahlt wurden.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.