Language of document : ECLI:EU:T:2011:106

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

24. März 2011 (*)

„Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Beteiligung an der Zuwiderhandlung – Begründungspflicht – Geldbußen – Maßgeblicher Umsatz – Mildernde Umstände“

In der Rechtssache T‑375/06

Viega GmbH & Co. KG mit Sitz in Attendorn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte J. Burrichter, T. Mäger und F. Bulst, dann Rechtsanwälte J. Burrichter, T. Mäger und M. Röhrig,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Nijenhuis und V. Bottka als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,

Beklagte,

betreffend eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 4180 endg. der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen) sowie hilfsweise auf Herabsetzung der gegen die Klägerin mit der Entscheidung verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2010

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Mit der Entscheidung K(2006) 4180 endg. vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen) (Zusammenfassung im ABl. 2007, L 283, S. 63, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich während unterschiedlicher Zeiträume zwischen dem 31. Dezember 1988 und dem 1. April 2004 an einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen auf dem Markt für Rohrverbindungen (Fittings) aus Kupfer und Kupferlegierungen, die das gesamte EWR-Gebiet abdeckten, beteiligt hätten. Die Zuwiderhandlung habe in der Festsetzung der Preise, der Vereinbarung von Preislisten, Preisnachlässen und Rückvergütungen sowie von Mechanismen zur Durchführung von Preiserhöhungen, in der Aufteilung der nationalen Märkte und der Kunden, im Austausch anderer geschäftlicher Informationen sowie in der Teilnahme an regelmäßigen Treffen und im Unterhalten anderer Kontakte, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern, bestanden.

2        Die Klägerin, die Viega GmbH & Co. KG, eine Herstellerin von Kupferfittings, ist eine der Adressatinnen der angefochtenen Entscheidung.

3        Am 9. Januar 2001 informierte die Mueller Industries Inc., eine andere Herstellerin von Kupferfittings, die Kommission über das Bestehen eines Kartells in der Fitting-Branche und in anderen verwandten Branchen auf dem Kupferrohrmarkt und erklärte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) (114. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4        Am 22. und 23. März 2001 führte die Kommission im Zuge ihrer Ermittlungen zu Kupferrohren und ‑fittings in den Betriebsstätten mehrerer Unternehmen unangekündigte Nachprüfungen nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) durch (119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5        Im Anschluss an diese ersten Nachprüfungen teilte die Kommission im April 2001 ihre Ermittlungen zu Kupferrohre in drei verschiedene Verfahren auf, nämlich das Verfahren in der Sache COMP/E‑1/38.069 (Kupfer-Installationsrohre), das Verfahren in der Sache COMP/F‑1/38.121 (Rohrverbindungen) und das Verfahren in der Sache COMP/E‑1/38.240 (Industrierohre) (120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6        Am 24. und 25. April 2001 führte die Kommission weitere unangekündigte Nachprüfungen in den Betriebsstätten der Delta plc durch, einer Gesellschaft an der Spitze eines internationalen Maschinenbaukonzerns, zu dessen Bereich „Engineering“ mehrere Fitting-Hersteller gehörten. Diese Nachprüfungen betrafen ausschließlich Fittings (121. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7        Ab Februar/März 2002 sandte die Kommission an die betroffenen Unternehmen mehrere Auskunftsverlangen zunächst nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 und später nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) (122. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

8        Im September 2003 beantragte die IMI plc die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996. Diesem Antrag folgten die Anträge der Delta-Gruppe (März 2004) und der FRA.BO SpA (Juli 2004). Der letzte Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung wurde im Mai 2005 von der Advanced Fluid Connections plc gestellt (Erwägungsgründe 115 bis 118 der angefochtenen Entscheidung).

9        Am 22. September 2005 leitete die Kommission in der Sache COMP/F‑1/38.121 (Rohrverbindungen) ein Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung ein und nahm eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie u. a. der Klägerin zusandte (Erwägungsgründe 123 und 124 der angefochtenen Entscheidung).

10      Am 20. September 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

11      In Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Klägerin vom 12. Dezember 1991 bis zum 22. März 2001 gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR‑Abkommens verstoßen habe.

12      Für diese Zuwiderhandlung setzte die Kommission gegen die Klägerin in Art. 2 Buchst. j der angefochtenen Entscheidung eine Geldbuße von 54,29 Millionen Euro fest.

13      Bei der Festsetzung der Höhe der dem jeweiligen Unternehmen auferlegten Geldbuße wandte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Methode an, die die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), vorsehen.

14      Was zunächst die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung anbelangt, stufte die Kommission diese aufgrund ihrer Art und ihrer räumlichen Reichweite als besonders schwerwiegend ein (755. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

15      Da die Kommission ferner davon ausging, dass zwischen den betroffenen Unternehmen erhebliche Unterschiede bestünden, wandte sie eine differenzierte Behandlung an und stellte insoweit auf ihre – anhand ihrer Marktanteile bestimmte – relative Bedeutung auf dem betreffenden Markt ab. Auf dieser Grundlage teilte sie die betroffenen Unternehmen in sechs Gruppen ein (758. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16      Die Klägerin wurde in die erste Gruppe eingeordnet, für die der Ausgangsbetrag mit 60 Millionen Euro festgesetzt wurde (765. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17      Aufgrund der Dauer der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung (neun Jahre und drei Monate) erhöhte die Kommission die Geldbuße um 90 % (775. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was zur Folge hatte, dass der Grundbetrag der Geldbuße mit 114 Millionen Euro festgesetzt wurde (777. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

18      Die Kommission berücksichtigte keine erschwerenden oder mildernden Umstände zu Gunsten oder zu Lasten der Klägerin.

19      In Anwendung der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 für Geldbußen geltenden Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes setzte die Kommission den Grundbetrag der der Klägerin auferlegten Geldbuße auf 54,29 Millionen Euro herab (831. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

20      Mit Klageschrift, die am 14. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

21      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen, was diese innerhalb der gesetzten Frist getan hat.

22      Die Parteien haben in der Sitzung vom 20. Januar 2010 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

23      Die Klägerin beantragt,

–        Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die Kommission darin festgestellt hat, dass sie gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen verstoßen habe;

–        Art. 2 Buchst. j der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihr die Kommission eine Geldbuße von 54,29 Millionen Euro auferlegt hat;

–        hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße angemessen herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

25      Die Klägerin macht vier Klagegründe geltend, nämlich einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 durch fehlerhafte Berechnung des maßgeblichen Umsatzes, einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 253 EG durch unrichtige Feststellung ihrer Beteiligung am Kartell, hilfsweise durch unrichtige Bestimmung der Dauer dieser Beteiligung, einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 253 EG durch unrichtige Feststellung des räumlichen Umfangs ihrer Beteiligung am Kartell und einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 durch Nichtberücksichtigung mildernder Umstände.

26      Da mit dem zweiten und dem dritten Klagegrund die Beteiligung der Klägerin am Kartell in Frage gestellt wird und mit dem ersten und dem letzten Klagegrund eine Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße erreicht werden soll, sind zunächst der zweite und der dritte Klagegrund zu prüfen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 253 EG durch unrichtige Feststellung der Beteiligung der Klägerin am Kartell, hilfsweise der Dauer dieser Beteiligung

 Vorbringen der Parteien

27      Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission zu Unrecht ihre Beteiligung am Kartell festgestellt oder jedenfalls die Dauer der Zuwiderhandlung, soweit sie betroffen sei, nicht nachgewiesen habe.

28      Die Klägerin räumt grundsätzlich ein, während des streitigen Zeitraums Kontakte (in Form von bilateralen Kontakten und von Treffen) mit ihren Wettbewerbern unterhalten zu haben, ist aber der Auffassung, dass die Beweise, auf die sich die Kommission gestützt habe, nicht hinreichend belastbar seien, um ihre Beteiligung am Kartell darzutun. Es gehe um ihre Teilnahme an den Treffen vom 30. April und 14. Juli 1999 sowie vom 22. August, 6. November und 1. Dezember 2000 und um einen Kontakt mit der Comap SA am 2. März 2001 in Madrid.

29      Sie bestreitet auch nicht, dass sie in der Zeit vom 12. Dezember 1991 bis 17. September 1998 Telefon- und Faxkontakte mit Mueller Industries gehabt habe. Diese Kontakte hätten jedoch kein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt. Zudem habe zwischen Mueller Industries und ihr kein Wettbewerbsverhältnis bestanden.

30      Hingegen habe sie nicht an den Treffen vom 23. November 1998 und 29. Juli 1999 sowie vom 15. Februar und 17. November 2000 teilgenommen. Ebensowenig habe sie an einem Treffen am 2. März 2001 in Madrid teilgenommen, und sie habe am 12. und 13. März 2001 auch keinen Kontakt zu Wettbewerbern gehabt.

31      Die Kommission entgegnet, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten ihre Teilnahme an drei Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter, nämlich den Treffen vom 6. November und 1. Dezember 2000 sowie vom 2. März 2001, eingeräumt habe. Daher könne die Klägerin nach der Rechtsprechung ihre Teilnahme an diesen Treffen im Verfahren vor dem Gericht grundsätzlich nicht mehr bestreiten. Jedenfalls belegten die Beweise und die übereinstimmenden Erklärungen von Delta, IMI und Mueller Industries die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung vom 12. Dezember 1991 bis 22. März 2001.

 Würdigung durch das Gericht

32      Für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG muss die Kommission eindeutige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung begangen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20). Hat das Gericht Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugute kommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung handelt, mit der eine Geldbuße verhängt wurde (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 215).

33      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im Übrigen ist es üblich, dass die mit wettbewerbswidrigen Vereinbarungen verbundenen Tätigkeiten insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke – wie Protokolle über Zusammenkünfte – findet, die eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich folglich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss daher das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnrn. 55 bis 57, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg. 2007, I‑729, Randnr. 51).

35      Hierbei kommt Erklärungen, die im Rahmen der Kronzeugenregelung abgegeben werden, besondere Bedeutung zu. Diese im Namen von Unternehmen abgegebenen Erklärungen haben einen nicht unwesentlichen Beweiswert, da sie mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnrn. 205 und 211, und Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 103). Allerdings kann eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird (vgl. Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 219 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Auch die Dauer der Zuwiderhandlung hat die Kommission nachzuweisen. Hierfür gelten die vorstehend genannten Grundsätze (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnrn. 94 bis 96).

37      Im vorliegenden Fall hat die Kommission eine einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung festgestellt. Die gerügte Zuwiderhandlung bestand in der über mehrere Jahre andauernden regelmäßigen Organisation von Kontakten zwischen zwei oder mehr konkurrierenden Herstellern mit dem Ziel der Festlegung unzulässiger Praktiken zur künstlichen Regulierung des Markts für Fittings, insbesondere auf der Ebene der Preise.

38      In der angefochtenen Entscheidung ist von einer Beteiligung der Klägerin am Kartell im Zeitraum vom 12. Dezember 1991 bis 22. März 2001 die Rede.

39      In Anbetracht der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe sind drei Fragen zu prüfen. Die erste Frage betrifft ihre Beteiligung am Kartell als solche. Bei der zweiten geht es um die Dauer dieser Beteiligung. Die dritte Frage schließlich, die im Rahmen des dritten Klagegrundes geprüft werden wird, betrifft den räumlichen Umfang der Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung.

40      Was erstens die Beteiligung der Klägerin an dem streitigen Kartell betrifft, ist festzustellen, dass diese in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten erklärt hat, an Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter teilgenommen zu haben, nämlich an den Treffen vom 6. November und 1. Dezember 2000 sowie dem vom 2. März 2001. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Kommission den Sachverhalt, wenn ihn das beschuldigte Unternehmen nicht ausdrücklich einräumt, noch nachweisen, wobei es dem Unternehmen freisteht, zu gegebener Zeit und insbesondere im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens alle ihm zweckdienlich erscheinenden Verteidigungsmittel vorzubringen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101, Randnr. 37). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung kann dies nicht gelten, wenn das betreffende Unternehmen den Sachverhalt einräumt. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass damit nicht die Möglichkeit für ein von der Kommission mit einer Sanktion belegtes Unternehmen, Klage zu erheben, beschränkt werden soll, sondern klargestellt werden soll, in welchem Umfang eine gerichtliche Anfechtung möglich ist, um eine Verlagerung der Feststellung des Sachverhalts der fraglichen Zuwiderhandlung von der Kommission auf das Gericht zu verhindern, das im Rahmen einer Klage nach Art. 230 EG ja dafür zuständig ist, die Entscheidung, mit der die Sanktion verhängt wird, auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung abzuändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Randnrn. 79 bis 85 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten bestritten, an anderen Treffen als den drei genannten teilgenommen zu haben, und jedenfalls versucht, ihre Rolle innerhalb des Kartells als klein darzustellen. Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung betont, dass sie nie eingeräumt habe, sich durch ihr Verhalten an einer wettbewerbswidrigen Absprache über Pressfittings beteiligt zu haben, und zwar weder am 6. November oder 1. Dezember 2000 noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt. Die Klägerin ist daher nicht gehindert, dieses Argument vor dem Gericht geltend zu machen, da sie den Sachverhalt nicht tatsächlich eingeräumt hat im Sinne der angeführten Rechtsprechung.

41      Hinsichtlich dieser drei Treffen geht jedenfalls aus den handschriftlichen Notizen vom Herrn P. (IMI), in denen als Gegenstand „Germany“ [Deutschland] genannt wird, und der Erklärung von IMI vom 17. Dezember 2003, die durch einen E-Mail-Verkehr vom 8. November 2000 zwischen zwei Arbeitnehmern von FRA.BO, durch handschriftliche Notizen von Herrn P. vom 17. November 2000 und durch eine Erklärung von Mueller Industries untermauert werden, hervor, dass die Klägerin beim Treffen vom 6. November 2000 damit einverstanden war, die Preiserhöhung, die am 17. November 2000 erfolgen und am 2. Januar 2001 in Kraft treten sollte, durchzuführen, was sie am 10. November 2000 mit dem Versand eines Rundschreibens an die Kunden auch getan hat. Dem Vorbringen der Klägerin, wonach erstens dieses Treffen für eine Preisabsprache ungeeignet gewesen sei, weil zu diesem Zeitpunkt die interne Festlegung der Preise bereits abgeschlossen gewesen sei, und zweitens der Druckauftrag für die neue Preisliste bereits am 31. Oktober 2000 erteilt worden sei, kann nicht gefolgt werden. Denn die Tatsache, dass ein Unternehmen bereits eine neue Preisliste erstellt hat, bevor die Käufer davon in Kenntnis gesetzt worden sind, schließt nicht aus, dass diese Liste anschließend die Preisliste für alle am Kartell Beteiligten wird.

42      Auf dem Treffen vom 1. Dezember 2000, bei dem es um den Stand der Umsetzung der am 6. November 2000 vereinbarten Preiserhöhung ging, diskutierten die Teilnehmer ebenfalls eine für Europa geltende Preisliste. Insoweit geht aus den handschriftlichen Notizen, die Herr P. während des Treffens anfertigte, hervor, dass die Klägerin vorschlug, ihre für Deutschland geltende Preisliste zu einer gemeinsamen europäischen Preisliste zu machen, was die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten eingeräumt hat. In der Klageschrift hat die Klägerin allerdings einen anderen Standpunkt vertreten. Danach sei der in den betreffenden Notizen von Herrn P. verwendete Ausdruck „List prepared“ [vorbereitete Liste] so zu erklären, dass die Klägerin ihre Preisliste für Deutschland bereits fertiggestellt habe, und der Ausdruck „Viega proposal“ [Vorschlag Viegas] könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei der für Europa geltenden Preisliste um einen Plan der IBP Ltd, einer Tochter von Advanced Fluid Connections, gehandelt habe. Aus dem in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils genannten Grund schließt aber die Tatsache, dass ein Unternehmen seine Preisliste für Deutschland bereits fertiggestellt hatte, nicht aus, dass diese Liste anschließend die gemeinsame europäische Preisliste wird. Zudem kann dieser Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Klägerin an einem Treffen mit einem wettbewerbswidrigen Zweck teilgenommen hat.

43      Was das Treffen angeht, das am 2. März 2001 in Madrid stattfand und bei dem um eine Preiserhöhung von 7 % ging, bestreitet die Klägerin, daran teilgenommen zu haben, räumt aber ein, an diesem Tag in Madrid mit Comap gesprochen zu haben. Hierzu ist festzustellen, dass die handschriftlichen Notizen von Herrn Hi. (IMI) und die E-Mail von Herrn Ha. (IBP) konkrete Angaben zu den von der Klägerin in Spanien und Osteuropa praktizierten Preisen, zum Zeitpunkt der Anwendung der neuen Preisliste der Klägerin (Mitte März) und zu den Rabatten für bestimmte Kunden enthielten. Auch wenn Marktteilnehmern die Preisliste der Klägerin für Polen bereits bekannt war („Viegener will apply their list [which is on the market] 15.3.2001 [said to have a maximum discount of -63 %] Are now complaining that they are the only ones!” [Viegener werden ihre (auf dem Markt befindliche) Liste ab 15.3.2001 anwenden (angeblich mit einem maximalen Preisnachlass von 63 %) Beschweren sich jetzt, dass sie die Einzigen sind!]), war dies hinsichtlich der für Spanien geltenden Preisliste nicht der Fall („Comap will announce 7 % [cu & red brass] on 15th Mar[ch], Viega on 22nd & IPB and us [IMI] on 29th. Clean by 1.5.01. OL will contact Frabo[,] Streamline & SHK“ [Comap wird 7 % (Kupfer & Rotguss) am 15. März ankündigen, Viega am 22. & IBP und wir (IMI) am 29. Vollständige Umsetzung zum 1.5.01. OL wird Frabo, Streamline & SHK kontaktieren]). Es ist daher anzunehmen, dass bei diesem Treffen, bei einem früheren Treffen oder über Comap sehr wohl ein Kontakt zwischen der Klägerin und ihren Wettbewerbern hinsichtlich der von ihr praktizierten Preise stattgefunden hat.

44      Sodann ist hinsichtlich der anderen Treffen, für die die Klägerin ihre Teilnahme nicht bestreitet (vgl. Randnr. 28 des vorliegenden Urteils), zu bemerken, dass die Klägerin einräumt, am Treffen vom 30. April 1999 teilgenommen zu haben, aber in Abrede stellt, dort über die Frage der Preise auf dem Fittingmarkt gesprochen zu haben, da Zweck dieses Treffens der Kauf von Pressfittings gewesen sei, was wettbewerbsrechtlich nicht untersagt sein könne. Aus den handschriftlichen Notizen, die Herr P. (IMI) während dieses Treffens gemacht hatte, und der Erklärung von IMI vom 17. Dezember 2003 geht jedoch hervor, dass die Klägerin auf diesem Treffen über Preise gesprochen hat.

45      In den genannten handschriftlichen Notizen heißt es:

„1.      Viegener expressed the view that prices were likely to fall further from the current discount multi of 0.70 in Germany.

6.       Spanish

1.       need market share HGK to discuss later

2.       increase prices

7.       Meeting IBP next week on Pressfittings prices

9.       is discussing Viegener’s price strategy – they would provide large additional rebates to customers who took the full range of their fittings (i.e. press and end feed).

10.       have contact with SHK – no knowledge of price list

(3 % lower when compared to V - 42 %)

11.       M[ar]k[e]t share 10/15 % for pressfitting“

[1.      Viegener äußerte die Ansicht, dass die Preise eher noch unter den derzeitigen Rabatt-Multi von 0,70 in Deutschland fallen würden.

6.       Spanier

1.       benötigen Marktanteil mit HGK später erörtern

2.       erhöhen Preise

7.       Treffen IBP nächste Woche zu Pressfittingpreisen

9.       erörtert Viegeners Preisstrategie – Gewährung hoher zusätzlicher Rabatte an Kunden, die die gesamte Fittingpalette (also Press- und Lötfittings) abgenommen haben.

10.       stehen im Kontakt mit SHK – keine Kenntnis von der Preisliste

(3 % niedriger im Vergleich zu V - 42 %)

11.       Marktanteil von Pressfittings 10/15 %]

46      Der Erklärung von IMI vom 17. Dezember 2003 zufolge bezieht sich Nr. 6 der handschriftlichen Notizen von Herrn P. auf eine Bemerkung der Klägerin zu Spanien, mit der zum einen zum Ausdruck gebracht werde, dass diese dort einen Marktanteil erlangen oder behalten und die Preise erhöhen müsse, und zum anderen der Vorschlag gemacht werde, diesen Punkt später mit Herrn K. zu erörtern. Nr. 9 dieser Notizen betreffe die Strategie der Klägerin in Bezug auf die Preise für Pressfittings und die Tatsache, dass die Klägerin Kunden, die ihre gesamte Fittingpalette (d. h. Press- und Lötfittings) abnähmen, hohe zusätzliche Preisnachlässe gewähre. Nr. 11 der handschriftlichen Notizen schließlich gebe die Einschätzung der Klägerin hinsichtlich des Marktanteils von Pressfittings am Gesamtmarkt für Fittings wieder.

47      Die handschriftlichen Notizen, die Herr P. während des Treffens vom 30. April 1999 gemacht hat, weisen eher auf ein Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter hin als auf ein Treffen, bei dem es lediglich um die Möglichkeit ging, von der Klägerin Pressfittings zu erwerben, an der nach Angaben der Klägerin vor allem IMI interessiert war. Dass zudem – wie die Klägerin eingeräumt hat – Auskünfte, wie technische Angaben zu ihrer Preisstruktur, erteilt wurden, untermauert die Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich des wettbewerbswidrigen Charakters dieses Treffens.

48      In Bezug auf das Treffen vom 14. Juli 1999, an dem die Klägerin ebenfalls teilnahm, leugnet diese nicht ihr Einverständnis mit dem statistischen System, das einer der Tagesordnungspunkt dieses Treffens war; ein solches unter Aufsicht eines Rechtsanwalts stehendes System sei nämlich wettbewerbsrechtlich unbedenklich gewesen und dementsprechend von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht beanstandet worden. Hingegen habe sich die Klägerin auf die Kundenkategorisierung nicht eingelassen; die in den handschriftlichen Notizen von Herrn P. enthaltene Formulierung „principle agreed“ [grundsätzlich Übereinstimmung] genüge nicht, um daraus die Schlussfolgerung abzuleiten, dass sie sich auf dieses Kategorisierungssystem eingelassen habe. Insoweit ist davon auszugehen, dass – unabhängig von der Frage, ob sich die Klägerin auf die Kundenkategorisierung eingelassen hat – aus ihren Erklärungen hervorgeht, dass während dieses Treffens sehr wohl ein Thema mit wettbewerbswidrigem Inhalt besprochen wurde. Im Übrigen ist es unerheblich, dass die Klägerin bestreitet, sich auf die Kundenkategorisierung eingelassen zu haben, da ein an einem einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Kartell Beteiligter nicht an allen Einzelsachverhalten, die den Tatbestand dieses Kartells erfüllen, beteiligt sein muss, um einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG für schuldig befunden zu werden.

49      Zum Treffen vom 22. August 2000 ist zu bemerken, dass an diesem Tag zwar keine Absprache getroffen wurde; aus einer Notiz von Herrn B. (IMI) geht jedoch hervor, dass außer über die historischen Preise auch über die damals für den deutschen Markt geltenden Preise gesprochen wurde.

50      In Bezug auf die Treffen, bei denen die Klägerin ihre Teilnahme bestreitet (vgl. Randnr. 30 des vorliegenden Urteils), ist festzustellen, dass aus zwei Notizen von Herrn P. (IMI) hervorgeht, dass die Klägerin das Ziel dieses Treffens, insbesondere was die Einführung einer neuen Preisliste betrifft, befürwortete und vorab über dessen Einzelheiten informiert worden war.

51      Bezüglich des Treffens vom 15. Dezember 2000 ergeben sich dessen wettbewerbswidriger Charakter und die Teilnahme der Klägerin aus der Erklärung von IMI vom 17. Dezember 2003 und den handschriftlichen Notizen von Herrn P. (IMI), in denen es heißt:

„Germany – End feed

1. Good atmosphere

2. Commitment to current increase

3. Agreed to move again 15.4.00

8 – 10 %

red-brass. /. copper

4. Viegener a little nervous – be sure about first increase

5. Comap chaired meeting (Krainberg)

6. Viegener did not want to talk export“

[Deutschland – Lötfittings

1. gute Stimmung

2. Verpflichtung auf die aktuelle Preiserhöhung

3. Vereinbarung des nächsten Schritts zum 15.4.00

8 – 10 %

Rotguss. /. Kupfer

4. Viegener leicht nervös – sicher hinsichtlich der ersten Erhöhung sein

5. Comap leitete das Treffen (Krainberg)

6. Viegener wollte Export nicht erörtern]

52      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn ein Unternehmen an Treffen zwischen Unternehmen, mit denen ein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt wird, teilnimmt – auch ohne sich aktiv daran zu beteiligen – und sich nicht offen von deren Inhalt distanziert, womit es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, der Nachweis als erbracht angesehen werden kann, dass das Unternehmen an dem aus diesen Treffen resultierenden Kartell beteiligt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 232, vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnr. 98, und vom 6. April 1995, Tréfileurope/Kommission, T‑141/89, Slg. 1995, II‑791, Randnrn. 85 und 86).

53      Selbst wenn die Klägerin nicht an allen Treffen, wie den Treffen vom 29. Juli 1999, vom 17. November 2000 und vom 12. oder 13. März 2001, teilgenommen hat – obwohl Indizien für das Gegenteil sprechen –, ist daher nach alledem rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass sie am Kartell beteiligt war. Hierfür sprechen auch die Erklärungen anderer Beteiligter wie Mueller Industries, Delta und FRA.BO. Zudem wirkt sich der Umstand, mit welcher Regelmäßigkeit ein Unternehmen an den Zusammenkünften teilnimmt, nicht auf seine Beteiligung an der Zuwiderhandlung als solche, sondern allenfalls auf den Grad dieser Beteiligung aus. Dass sich ein Unternehmen nicht an allen ein Kartell begründenden Einzelheiten beteiligt oder, soweit es an ihnen beteiligt war, eine untergeordnete Rolle gespielt hat, ist nämlich für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 86).

54      Was zweitens die Dauer der Beteiligung der Klägerin am Kartell und speziell die Frage betrifft, ob sie zwischen dem 12. Dezember 1991 und dem 17. September 1998 daran beteiligt war, hat die Klägerin eingeräumt, dass sie in diesem Zeitraum Kontakte zu Mueller Industries hatte. Nach Ansicht der Klägerin standen diese Kontakte jedoch im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht.

55      Daher sind die von der Kommission angeführten Beweise zu prüfen, und zwar insbesondere

–        ein Telefax vom 13. Dezember 1991 (Erwägungsgrund 202 der angefochtenen Entscheidung);

–        ein Telefax vom 12. Mai 1993 (Erwägungsgrund 217 der angefochtenen Entscheidung);

–        ein Telefax vom 19. September 1994 (Erwägungsgrund 231 der angefochtenen Entscheidung);

–        ein Telefax vom 25. November 1994 (Erwägungsgrund 232 der angefochtenen Entscheidung);

–        ein Telefax vom 31. August 1996;

–        ein Telefax vom 9. September 1996 (Erwägungsgrund 257 der angefochtenen Entscheidung);

–        ein Auszug aus der Erklärung von Mueller Industries vom 8. Februar 2002;

–        ein Auszug aus der Erklärung von Mueller Industries vom 19. Oktober 2001 und der Agenda von Herrn G. (Mueller Industries) betreffend ein Telefongespräch vom 17. September 1998 zwischen Herrn G. und Herrn M. (Erwägungsgrund 316 der angefochtenen Entscheidung);

–        der Geschäftsbericht von IMI vom Januar 1998 (Erwägungsgrund 295 der angefochtenen Entscheidung).

56      Zunächst ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, wonach die Kontakte zwischen Mueller Industries und ihr kein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt hätten, weil die beiden Unternehmen nicht auf denselben Märkten tätig gewesen seien, nicht überzeugend ist. Denn erstens stellen beide die gleichen Erzeugnisse her und sind somit zumindest potenzielle Konkurrenten. Zweitens war Müller Industries über die Firma Hermann Schmidt auf dem deutschen Markt vertreten. Schließlich waren für die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die von Mueller Industries erhaltenen Informationen einer der Gesichtspunkte, die vor der Entscheidung, ob sie sich auf den Markt im Vereinigten Königreich begeben sollte, zu berücksichtigen waren.

57      Was sodann die von der Kommission angeführten Beweise betrifft, so mögen diese, einzeln betrachtet, einer unterschiedlichen Auslegung zugänglich sein, zusammen betrachtet belegen sie aber die Beteiligung der Klägerin am Kartell schon ab 1991, und zwar bis zum Jahr 2001.

58      Aus dem Telefax vom 13. Dezember 1991, das Mueller Industries im Anschluss an einen Telefonkontakt vom Vortag an die Klägerin gesandt hatte, geht hervor, dass es sich um einen Austausch von Informationen über die Preise handelt. In diesem Telefax führte Mueller Industries nämlich aus:

„I have received a fax copy of the new ‚B‘ list but a copy of your list by mail would also be welcome when it is printed. I am already studying the implications for us and considering the action to be taken.“ [Ich habe eine Kopie der neuen Liste ‚B‘ per Telefax erhalten, wäre Ihnen aber verbunden, wenn Sie eine Kopie Ihrer Liste per Post senden würden, sobald sie gedruckt ist. Ich bin bereits dabei, die Auswirkungen für uns zu analysieren und über die zu ergreifenden Maßnahmen nachzudenken.]

59      Im Telefax vom 12. Mai 1993, das die Angabe „UK Prices – in strict confidence“ [Preise Vereinigtes Königreich – streng vertraulich zu behandeln] enthält, geht es um die Preise eines Händlers von Mueller Industries und die im Vereinigten Königreich gewährten Preisnachlässe. Ebenso wurde mit Telefax vom 19. September 1994 eine neue Preisliste eines anderen Wettbewerbers ausgetauscht. Auch wenn diese Liste, wie die Klägerin behauptet, bereits im Großhandel verfügbar war, ändert dies nichts daran, dass Mueller Industries und die Klägerin somit regelmäßig Informationen über die Preise ausgetauscht haben.

60      Der Faxkontakt vom 25. November 1994 zwischen Mueller Industries und der Klägerin betrifft ebenfalls vertrauliche Preisinformationen. In diesem Telefax führte Mueller Industries aus:

„I am providing the following information as a favour in return for the help you give me from time to time. … When you have a chance a confirmation of the 1995 German pricelist would be of value to me.“ [Ich übermittle Ihnen die nachfolgende Information als Gefälligkeit für die mir gelegentlich gelegentlich gewährte Hilfe Ihrerseits. … Wenn es Ihnen möglich wäre, wäre eine Bestätigung der deutschen Preisliste für 1995 für mich von Bedeutung.]

61      Anschließend bat Herr G. (Mueller Industries) mit Telefax vom 31. August 1996 Herrn M. (einen Mitarbeiter der Klägerin) zum einen um Informationen zu „ersten Gerüchten“ über eine neue Liste „B“ und um eine Kopie des die „Serie 5000“ betreffenden Abschnitts und zum anderen um dessen Meinung zu den „Multis“ (Multiplikatoren), die Anwendung finden sollten. Die Antworten finden sich im Telefax vom 9. September 1996.

62      Außerdem geht aus der Erklärung von Mueller Industries vom 8. Februar 2002 hervor, dass dieses Unternehmen regelmäßig über Preisänderungen in Deutschland informiert wurde. Diese Erklärung wird, was die Beteiligung der Klägerin am Kartell betrifft, durch die Erklärung von Herrn P. (IMI) gestützt. Nach dessen Angaben nahm die Klägerin ab 1991 an den „deutschen Treffen“ teil.

63      Im Geschäftsbericht von IMI vom Januar 1998 schließlich heißt es, dass IBP, Comap und IMI Woeste eine Preiserhöhung angekündigt hätten und die Klägerin und die anderen in diesem Bericht erwähnten Wettbewerber ihre Preiserhöhung in der ersten Februarwoche 1998 ankündigen würden, was voraussetzt, dass zu diesem Thema ein Kontakt zwischen Wettbewerbern stattgefunden hatte.

64      Eine Gesamtwürdigung dieser Beweismittel ergibt daher, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin seit dem 12. Dezember 1991 am Kartell beteiligt war.

65      Demnach ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum hilfsweise geltend gemachten dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 253 EG durch unrichtige Feststellung des räumlichen Umfangs der Beteiligung der Klägerin am Kartell

 Vorbringen der Parteien

66      Die Klägerin vertritt hilfsweise die Ansicht, auch wenn sie sich nachweislich am Kartell beteiligt haben sollte, sei nicht erwiesen, dass sie daran auf gesamteuropäischer Ebene teilgenommen habe. Zudem werde in der angefochtenen Entscheidung nicht deutlich, worauf die Kommission ihre Auffassung stütze. Die Kommission erwähne geschäftliche Aktivitäten der Klägerin nur für Deutschland, Spanien und die Niederlande und erhebe nur betreffend Deutschland und Spanien konkrete Vorwürfe.

67      Bei aufmerksamer Lektüre der Kommissionsakte einschließlich der Erklärungen von Herrn P. (IMI) zeige sich keine Verbindung zu einem gesamteuropäischen Kartell. Auch wenn Herr P. erklärt habe, dass alle „mittelgroßen Akteure“ zu irgendeinem Zeitpunkt an Treffen teilgenommen hätten, die das Verhalten auf nationaler Ebene betroffen hätten, gehe aus seiner Antwort auf die Frage, ob die „mittelgroßen Akteure“ von der Existenz eines „gesamteuropäischen Kartells“ Kenntnis gehabt hätten, hervor, dass sie seines Erachtens keine genaue Kenntnis von der Form oder Organisation des Kartells gehabt hätten. Außerdem sei in der von IMI übermittelten Liste, die die Namen der Vertreter der Kartellbeteiligten für die jeweiligen Gebiete auf europäischer Ebene enthalte, nur Herr V. als Vertreter auf nationaler Ebene genannt, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Unternehmen aber kein Vertreter auf europäischer Ebene.

68      Schließlich sei „bezeichnend“, dass IMI, die ein Hauptakteur des gesamteuropäischen Kartells gewesen sei, nur vortrage, eine „gelegentliche Einbindung“ der Klägerin in „paneuropäische Kartellaktivitäten“ zu vermuten; darüber hinaus zeigten die selektiven Zitate, die die Kommission in ihren Schriftsätzen zur Erwiderung auf den dritten Klagegrund angeführt habe, dass sie über keine belastbaren Belege für ihre Anschuldigungen verfüge.

69      Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen. Die Klägerin bestreite nicht die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung als solche, sondern ihre Beteiligung daran. Daher falle der von ihr vermisste Nachweis mit dem bereits im Rahmen des zweiten Klagegrundes behandelten Nachweis der Kartellbeteiligung zusammen, so dass dieser Klagegrund keinen eigenständigen Charakter habe.

 Würdigung durch das Gericht

70      Zur Teilnahme der Klägerin am Kartell auf gesamteuropäischer Ebene ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission für den Nachweis, dass ein Unternehmen an einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt war, dartun muss, dass es durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder dieses vernünftigerweise vorhersehen konnte und dass es bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 87).

71      Insoweit ist bereits festgestellt worden, dass die Klägerin an Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter teilgenommen hatte.

72      Außerdem kann die Klägerin in Anbetracht ihres Vorschlags, ihre in Deutschland geltende Preisliste zur Basis einer in ganz Europa geltenden Preisliste zu machen, nicht in Abrede stellen, dass sie am Kartell auf europäischer Ebene beteiligt war.

73      Die Klägerin hatte im Übrigen auch ein Interesse daran, die Preise für Fittings auf europäischer Ebene zu beeinflussen, und sei es allein wegen der Möglichkeit einer ungünstigen Entwicklung der abgestimmten Preise auf dieser Ebene oder auf der Ebene anderer Länder im Verhältnis zu den Preisen in Deutschland, was gegebenenfalls zu einer Erhöhung der Einfuhren aus anderen Ländern hätte führen und somit die Marktstellung der Klägerin hätte schwächen können.

74      Auch wenn die Klägerin nicht auf sämtlichen nationalen Märkten aktiv war, war sie doch über das Verhalten ihrer in ganz Europa tätigen Wettbewerber informiert, was es ihr ermöglichte, jedes unternehmerische Risiko bei einem potenziellen Eintritt in andere Märkte auszuschließen, und ihre Beteiligung am Kartell auf gesamteuropäischer Ebene belegt.

75      Was schließlich den angeblichen Verstoß gegen Art. 253 EG aufgrund einer fehlenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des räumlichen Umfangs der Beteiligung der Klägerin am Kartell betrifft, ist festzustellen, dass sich der Grund, der die Annahme einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, bei der sich wettbewerbswidriges Verhalten auf gesamteuropäischer Ebene als die logische Fortsetzung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens auf nationaler Ebene und umgekehrt darstellt, rechtfertigt und der erklärt, dass die Verflechtungen zwischen nationaler und gesamteuropäischer Ebene so eng geworden sind, dass zwischen diesen beiden Ebenen nicht mehr unterschieden werden kann, eindeutig aus dem 559. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Die Tatsache, dass die Klägerin, wie bereits festgestellt, nicht auf allen nationalen Märkten aktiv war, steht der Beteiligung der Klägerin an dem betreffenden Kartell nicht entgegen.

76      Folglich ist dieser Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 durch Berücksichtigung des Pressfittingumsatzes

 Vorbringen der Parteien

77      Die Klägerin macht geltend, dass der Ausgangsbetrag der ihr auferlegten Geldbuße fälschlich auf Verkaufsumsätze mit Pressfittings gestützt worden sei, obwohl es weder Anhaltspunkte noch Beweise für ihre Beteiligung an Absprachen bezüglich dieser Erzeugnisse gebe. Da sie praktisch bis zum Ende der Zuwiderhandlung quasi eine Monopolstellung bei Pressfittings gehabt habe, habe sie weder ein unternehmerisches Interesse daran gehabt, ihre Geschäftspolitik mit ihren Wettbewerbern zu koordinieren, noch daran, sich mit diesen über Preise abzusprechen.

78      Hätte sich die Kommission hinsichtlich der Klägerin auf den Marktanteil und die Umsätze gestützt, die sich aus dem Verkauf von Lötfittings ergäben, hätte die Klägerin nicht in die erste Gruppe mit einem Grundbetrag von 60 Millionen Euro, sondern in die sechste Gruppe eingestuft werden müssen, für die der Grundbetrag mit 5,5 Millionen Euro festgelegt worden sei.

79      Die Kommission führe in der angefochtenen Entscheidung außerdem nur aus, dass Pressfittings wegen ihrer Austauschbarkeit mit anderen Fittingarten von den Kartellvereinbarungen betroffen gewesen und daher in die vorliegende Entscheidung einzubeziehen seien. Der Kommission sei bewusst, dass sie eine Beteiligung der Klägerin an Absprachen zu Pressfittings nicht habe nachweisen können, daher versuche sie zu zeigen, dass es auf einen solchen Beweis aufgrund der Austauschbarkeit von Press- und Lötfittings nicht ankomme. Wenn es allein auf diese Austauschbarkeit ankäme, hätte die Kommission im Übrigen auch die Umsätze einbeziehen müssen, die die Kartellbeteiligten mit Edelstahl- und Kunststofffittings erwirtschaftet hätten.

80      Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

81      Zunächst ist zu bemerken, dass nach der Rechtsprechung der Markt, auf den sich eine Entscheidung der Kommission bezieht, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird, durch die Kartellvereinbarungen und -aktivitäten bestimmt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 90). Nach dem 634. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung haben aber die Untersuchungen der Kommission ergeben, dass zu verschiedenen Zeitpunkten des Zeitraums, in dem das Kartell durchgeführt wurde, sämtliche Fittingarten und ‑größen, einschließlich Pressfittings, Gegenstand wettbewerbswidriger Gespräche waren.

82      Da ferner die Märkte und die Technik in Bezug auf die betreffenden Erzeugnisse dazu tendieren, sich mit der Zeit weiterzuentwickeln, ist bei der Schaffung des Kartells damit zu rechnen, dass sich die von ihm erfassten Erzeugnisse ebenfalls ändern, um sich den neuen Marktmerkmalen anzupassen.

83      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Beweiselementen, dass die Kartellteilnehmer auf den Treffen vom 17. Dezember 1999 und vom 27. Juni 2000 über Pressfittings gesprochen haben.

84      Insoweit ist festzustellen, dass die anderen Fittinghersteller erst in den Jahren 1999/2000 mit dem Vertrieb von Pressfittings begonnen haben und Pressfittings erst ab diesem Zeitpunkt Gegenstand von Diskussionen über die zu verfolgende Strategie waren. Denn beim Treffen vom 27. Juni 2000, an dem Vertreter von IMI und IBP teilnahmen, ging es um die Frage, ob es zweckmäßig sei, der Handlungslinie der Klägerin in Bezug auf Pressfittings zu folgen oder diese in die Preisliste des Kartells aufzunehmen. Über diese Fragen sowie über den Preis dieser Fittings war ebenso bereits beim Treffen vom 17. Dezember 1999 sowie bei früheren Treffen zwischen den Vertretern von IMI, IBP und Comap gesprochen worden.

85      Zudem war die Klägerin von 1991 bis zu den Nachprüfungen der Kommission im Jahr 2001 an dem Fittingkartell beteiligt und sprach beim Treffen vom 6. November 2000 selbst über Pressfittings; dort erklärte sie sich bereit, eine Preiserhöhung durchzuführen, die zum 2. Januar 2001 in Kraft treten sollte und auch Pressfittings umfasste (vgl. Randnr. 41 des vorliegenden Urteils). Im Übrigen hatte sie ihre Preisstrategie für Pressfittings bereits auf dem Treffen vom 30. April 1999 vorgestellt (vgl. Randnrn. 44 ff. des vorliegenden Urteils).

86      Auch wenn Pressfittings erst in einer späten Phase der Durchführung des Kartells dessen Gegenstand waren, ändert dies nichts an der Feststellung, dass sie seit den Jahren 1999/2000 Gegenstand wettbewerbswidriger Gespräche waren. Überdies zieht die Klägerin die Entscheidung, das Jahr 2000 als Referenzjahr für die Berechnung der Geldbuße heranzuziehen, nicht in Zweifel.

87      Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin, sie habe kein unternehmerisches Interesse daran gehabt, Pressfittings zum Gegenstand des Kartells zu machen, irrelevant, da nach den in der Akte der Kommission befindlichen Beweisen feststeht, dass sie dies tatsächlich getan hat.

88      Daher durfte die Kommission bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße den Umsatz berücksichtigen, der im Jahr 2000 aus dem Verkauf sämtlicher Fittingarten und -größen, einschließlich Pressfittings, erzielt worden war.

89      Demzufolge ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 durch Nichtberücksichtigung mildernder Umstände

 Vorbringen der Parteien

90      Die Klägerin macht hilfsweise geltend, dass die ihr auferlegte Geldbuße herabzusetzen sei, da die Kommission mildernde Umstände nicht berücksichtigt habe.

91      Sie sei nie Mitglied der „Super EFMA“ und nicht einmal der European Fittings Manufacturers Association (EFMA; Vereinigung der europäischen Fittinghersteller) gewesen und habe eine Außenseiterrolle gespielt, wie ihre schwache Beteiligung an den „deutschen Treffen“ einschließlich jener in Düsseldorf (Deutschland) belege. Tatsächlich sei sie eher als „Störer“ und „Gegenspieler“ des „europäischen Kartells“ anzusehen. Sie habe auf dem Fittingmarkt Wettbewerbsdruck ausgeübt, u. a. als Entwicklerin des Pressfittings. Außerdem hätten die Kartellmitglieder auf ihr aggressives Marktverhalten mit gezielten Sanktionsmaßnahmen reagiert.

92      Die Kommission hält dem entgegen, dass das, was die Klägerin als „Sanktionsmaßnahmen ihrer Wettbewerber“ ausgebe, nichts anderes als Folge des Umstands sei, dass Mitglieder eines Kartells Konkurrenten blieben und jeder der Konkurrenten jederzeit versucht sein könne, von der Kartelldisziplin der anderen zu profitieren, indem er zu seinem eigenen Vorteil von ihr abweiche. Ein solches Ausnutzen des Kartells zum eigenen Vorteil stelle keinen Milderungsgrund dar.

93      Was die angebliche Außenseiterrolle der Klägerin anbelange, könne zwar die Tatsache, dass ein Unternehmen deutlich seltener als die gewöhnlichen Kartellmitglieder an Kartelltreffen teilnehme, einen Anhaltspunkt für die passive Rolle dieses Unternehmens innerhalb des Kartells darstellen, doch könne nach den Leitlinien von 1998 nur eine ausschließlich passive oder Mitläuferrolle zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen. Es genüge daher nicht, dass sich das betreffende Unternehmen in bestimmten Zeitabschnitten der Durchführung des Kartells oder hinsichtlich bestimmter Absprachen des Kartells nicht hervorgetan habe. Im vorliegenden Fall könne von Zurückhaltung keine Rede sein, da sich die Klägerin ausdrücklich mit der vorgeschlagenen Preiserhöhung einverstanden erklärt, Preisvorschläge gemacht, Preise diskutiert sowie Erwartungen und Preisinformationen ausgetauscht habe.

 Würdigung durch das Gericht

94      Dass die Klägerin nie Mitglied der EFMA war, ist kein stichhaltiges Argument dafür, ihr mildernde Umstände zuzuerkennen. Die Treffen der EFMA verliefen nämlich im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht. Wettbewerbswidrigen Charakter hatten die vor oder nach den EFMA-Treffen abgehaltenen informellen Treffen. Zudem war das Kartell nicht auf die Teilnehmer an den Treffen der sogenannten „Super EFMA“ beschränkt, sondern umfasste auch andere Teilnehmer, die bei bilateralen, nationalen, Ad-hoc- und europaweiten Treffen anwesend waren.

95      Was die angebliche Außenseiterrolle der Klägerin angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Nr. 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien von 1998 eine Verringerung des Grundbetrags der einem Unternehmen auferlegten Geldbuße bei mildernden Umständen wie ausschließlich passiver Mitwirkung oder reinem Mitläufertum vorsieht. Nach der Rechtsprechung kann dem betroffenen Unternehmen nur dann ein mildernder Umstand aufgrund einer „ausschließlich passiven Mitwirkung oder reinem Mitläufertum“ zuerkannt werden, wenn es sich nicht hervorgetan hat, d. h. nicht aktiv an der Ausarbeitung der wettbewerbswidrigen Absprache oder Absprachen teilgenommen hat (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnrn. 166 und 167). Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin jedoch hinsichtlich der Preisvorschläge aktiv beteiligt oder ihre Zustimmung erteilt, was der Umstand belegt, dass sie ihre in Deutschland geltende Preisliste als Referenzliste für ganz Europa vorgeschlagen hat.

96      Folglich konnte die Kommission zu Recht davon ausgehen, dass es keinen Grund dafür gab, die der Klägerin auferlegte Geldbuße wegen mildernder Umstände herabzusetzen.

97      Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

98      Infolgedessen ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

99      Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Viega GmbH & Co. KG trägt die Kosten.



Martins Ribeiro

Wahl

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. März 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.