Language of document : ECLI:EU:C:2012:793

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 13. Dezember 2012(1)

Rechtssache C‑627/10

Europäische Kommission

gegen

Republik Slowenien

„Vertragsverletzungsklage – Richtlinie 91/440/EWG – Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft – Richtlinie 2001/14/EG – Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn – Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 – Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 – Betreiber der Infrastruktur – Teilnahme eines Betreibers der Infrastruktur, der selbst ein Eisenbahnunternehmen ist, an der Erstellung der Netzfahrpläne – Betrieb des Verkehrs – Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 – Fehlen von Maßnahmen als Anreiz für den Betreiber der Infrastruktur zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte – Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 – Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen – Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen – Einbeziehung der Entgelte anderer Verkehrssysteme – Art. 11 der Richtlinie 2001/14 – Fehlen einer leistungsabhängigen Entgeltregelung, um den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Verringerung von Störungen und zur Verbesserung der Nutzung der Fahrwege zu geben“





I –    Einleitung

1.        Mit der vorliegenden Vertragsverletzungsklage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Slowenien gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG(2) in der durch die Richtlinie 2001/12/EG(3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/440), aus Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG(4) sowie aus Art. 6 Abs. 2 bis 5, Art. 7 Abs. 3 und Art. 11 der letztgenannten Richtlinie verstoßen hat(5). Die Republik Slowenien beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen.

2.        Die vorliegende Rechtssache gehört zu einer Reihe von Vertragsverletzungsklagen(6) der Kommission aus den Jahren 2010 und 2011, die die Anwendung der Richtlinien 91/440 und 2001/14 durch die Mitgliedstaaten betreffen, deren Hauptziel ein gerechter und nichtdiskriminierender Zugang der Eisenbahnunternehmen zur Infrastruktur, d. h. zum Schienennetz, ist. Diese Klagen sind neuartig, weil sie dem Gerichtshof erstmals Gelegenheit geben, sich zur Liberalisierung der Eisenbahnen in der Europäischen Union zu äußern und insbesondere das sogenannte „erste Eisenbahnpaket“ auszulegen.

3.        Ich habe bereits am 6. September 2012 meine Schlussanträge in der Rechtssache, die dem Urteil Kommission/Portugal zugrunde liegt, sowie in den Rechtssachen Kommission/Ungarn, Kommission/Spanien, Kommission/Österreich und Kommission/Deutschland abgegeben. Neben den vorliegenden Schlussanträgen trage ich heute meine Schlussanträge in den Rechtssachen Kommission/Polen, Kommission/Tschechische Republik, Kommission/Frankreich und Kommission/Luxemburg vor. Soweit die vorliegende Rechtssache ähnliche Rügen betrifft, wie die, die ich bereits in den oben genannten Schlussanträgen analysiert habe, werde ich mich auf einen Hinweis auf die relevanten Punkte in diesen Schlussanträgen beschränken, ohne jedoch die dortigen Ausführungen zur Gänze wiederzugeben.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Richtlinie 91/440

4.        Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Funktionen nach Anhang II, die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Ungeachtet der Organisationsstrukturen ist der Nachweis zu erbringen, dass dieses Ziel erreicht worden ist.

Die Mitgliedstaaten können jedoch Eisenbahnunternehmen oder jeder anderen Stelle die Erhebung von Entgelten und die Verantwortung für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur übertragen, wozu Investitionen, Wartung und Finanzierung gehören.“

5.        Anhang II der Richtlinie 91/440 zählt die „wesentlichen Funktionen“ nach deren Art. 6 Abs. 3 auf:

„…

–        Entscheidungen über die Trassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen;

–        Entscheidungen über die Wegeentgelte;

…“

2.      Richtlinie 2001/14

6.        Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

„(2)      Den Betreibern der Infrastruktur sind unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben.

(3)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Absatz 2 entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber der Infrastruktur, die eine Laufzeit von mindestens drei Jahren hat und die staatliche Finanzierung regelt, oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in deren Rahmen angemessene Befugnisse vorgesehen sind, umgesetzt wird.

(4)      Besteht eine vertragliche Vereinbarung, so werden die Vertragsbedingungen und die Modalitäten der Zahlungen, mit denen dem Betreiber der Infrastruktur Mittel zur Verfügung gestellt werden, für die gesamte Vertragslaufzeit im Voraus vereinbart.

(5)      Es wird ein Verfahren zur Aufteilung der Kosten festgelegt. Die Mitgliedstaaten können die vorherige Genehmigung verlangen. Dieses Verfahren sollte von Zeit zu Zeit nach den bewährten internationalen Verfahren aktualisiert werden.“

7.        Art. 7 Abs. 3 der genannten Richtlinie sieht vor:

„Unbeschadet der Absätze 4 und 5 und des Artikels 8 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.“

8.        Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

„Um eine volle Deckung der dem Betreiber der Infrastruktur entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit insbesondere des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen.

Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.“

9.        Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung müssen durch leistungsabhängige Bestandteile den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten. Dies kann Strafen für Störungen des Netzbetriebs, eine Entschädigung für von Störungen betroffene Unternehmen und eine Bonusregelung für Leistungen, die das geplante Leistungsniveau übersteigen, umfassen.“

10.      Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 sieht vor:

„Ist der Betreiber der Infrastruktur rechtlich, organisatorisch oder in seinen Entscheidungen nicht von Eisenbahnunternehmen unabhängig, so werden die in Absatz 1 genannten und in diesem Kapitel im Weiteren dargelegten Aufgaben von einer entgelterhebenden Stelle wahrgenommen, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnunternehmen unabhängig ist.“

B –    Die slowenische Regelung

1.      Gesetz über den Eisenbahnverkehr

11.      Art. 21 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr (Zakon o železniškem prometu)(7) bestimmt:

„(1)      Für die Zwecke der Wahrnehmung der in diesem Artikel genannten Aufgaben richtet die Regierung eine staatliche Agentur für den Eisenbahnverkehr [im Folgenden: Agentur für den Eisenbahnverkehr oder Agentur] ein.



(3)      Die Agentur übt ihre Aufgaben so aus, dass ein nichtdiskriminierender Zugang zur Eisenbahninfrastruktur sichergestellt wird; dies schließt Folgendes ein:

–        Zuweisung der Trassen;

–        Erlass eines Netzfahrplans.“

12.      Art. 11 dieses Gesetzes lautet:

„(1)      Die Wartung der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur und der Betrieb des Eisenbahnverkehrs auf dieser Infrastruktur stellen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen dar.

(2)      Der Betreiber erfüllt die im vorhergehenden Artikel genannten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gemäß dem Vertrag über gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen.

(4)      Die Regulierung des Eisenbahnverkehrs auf der öffentlichen Infrastruktur beinhaltet im Wesentlichen:

–        Betrieb des Zugverkehrs;

–        Erstellung und Durchführung des Netzfahrplans;

…“

2.            Die Verordnung über die Trassenzuweisung und die Wegeentgelte im öffentlichen Eisenbahnverkehr

13.      Art. 9 der Verordnung vom 18. April 2008 über die Trassenzuweisung und die Wegeentgelte im öffentlichen Eisenbahnverkehr (Uredba o dodeljevanju vlakovnih poti in uporabnini na javni železniški infrastrukturi)(8) lautet:

„(1)      Die Agentur, der Betreiber und der Antragsteller halten im Rahmen des Verfahrens des Baus und der Zuweisung der Trassen folgende Fristen und Grundsätze ein:

–        der Betreiber erstellt spätestens fünf Monate vor dem Inkrafttreten des neuen Netzfahrplans einen Entwurf des neuen Netzfahrplans und der neuen Zugfahrpläne und übermittelt diesen an die Agentur;

–        im Zuge der Erstellung des genannten Entwurfs hört der Betreiber die betroffenen Parteien und all jene,
die zu etwaigen Auswirkungen des Netzfahrplans auf ihre Möglichkeiten zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen in der betreffenden Netzfahrplanperiode Stellung nehmen möchten;

–        die Agentur übermittelt den Entwurf des neuen Netzfahrplans an die Antragsteller, die die Zuweisung einer Trasse beantragt haben, und an die anderen Beteiligten, die zu etwaigen Auswirkungen des Netzfahrplans auf ihre Möglichkeiten zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen in der betreffenden Netzfahrplanperiode Stellung nehmen möchten, und setzt ihnen eine Frist von mindestens einem Monat, innerhalb deren sie eine etwaige Stellungnahme abgeben können.“

14.      Art. 20 Abs. 2 und 5 der genannten Verordnung lautet:

„(2)      Dem Betreiber sind unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben. Zu diesem Zweck sieht der für die Dauer von drei Jahren geschlossene Vertrag zwischen der Agentur und dem Betreiber vor, dass ein Teil des Gewinns aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten des Betreibers im Sinne des vorhergehenden Absatzes bei der Berechnung der Entgelte nicht berücksichtigt wird, sondern dem Betreiber als Anreiz überlassen wird.

(5)      Die Berechnungsmethode berücksichtigt auch alle Daten über die Entgeltregelung und hinreichende Informationen über die Preise der in den Art. 23 und 24 genannten Dienstleistungen, wenn diese nur von einem einzigen Dienstleister angeboten werden. Die Methode berücksichtigt nicht nur Informationen über die geltende Entgeltregelung, sondern auch Angaben über die zu erwartenden Änderungen der Entgelte in den drei folgenden Jahren. Sie berücksichtigt außerdem Maßnahmen zum Anreiz von Eisenbahnunternehmen und des Betreibers zur Minimierung von Störungen und Verbesserung der Nutzung der Infrastruktur.

Diese Regelung kann Strafen für Störungen des Netzbetriebs, eine Entschädigung für von Störungen betroffene Unternehmen und eine Bonusregelung für Leistungen, die das geplante Leistungsniveau übersteigen, umfassen.“

15.      Art. 21 der Verordnung sieht vor:

„(1)      Die Agentur hält die Kriterien ein, die das Gesetz für die Festsetzung der Höhe der Entgelte vorsieht.

(2)      Zur Beurteilung der im vorhergehenden Absatz genannten Kriterien berücksichtigt die Agentur die Betriebskosten des jeweiligen Zugtyps, die insbesondere durch die Kosten für die Wartung der Gleise und jene für die mit der Verschiebung von Zügen verbundenen Infrastrukturen und für den Betrieb des Eisenbahnverkehrs bescheinigt werden.

(3)      Die Agentur trägt dafür Sorge, dass von allen Eisenbahnunternehmen, die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Markts erbringen, objektiv gleichwertige und nichtdiskriminierende Entgelte erhoben werden.“

III – Vorgerichtliches Verfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Am 10. Mai 2007 legte die Kommission den slowenischen Behörden einen Fragebogen vor, um die Umsetzung der Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets durch die Republik Slowenien zu überprüfen. Diese antworteten darauf am 11. Juli 2007. Mit Schreiben vom 21. November 2007 ersuchte die Kommission die Republik Slowenien um weitere Angaben, die am 16. Januar 2008 per E-Mail übermittelt wurden.

17.      Am 26. Juni 2008 richtete die Kommission an die Republik Slowenien ein Mahnschreiben, in dem sie darauf hinwies, dass nach den der Kommission übermittelten Informationen das erste Eisenbahnpaket in Bezug auf die Unabhängigkeit der wesentlichen Funktionen des Betreibers der Infrastruktur, die Erhebung von Entgelten für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und die Eisenbahnregulierungsstelle nicht gehörig in ihrer internen Rechtsordnung umgesetzt worden sei.

18.      Die Republik Slowenien antwortete auf das Mahnschreiben am 22. August 2008. Mit Schreiben vom 16. März 2009 und vom 8. Juli 2009 übermittelte sie der Kommission weitere Informationen.

19.      In Anbetracht der Tatsache, dass die Republik Slowenien nicht die erforderlichen Maßnahmen zur gehörigen Umsetzung der Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets getroffen hatte, richtete die Kommission am 9. Oktober 2009 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat.

20.      Mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 gab die Republik Slowenien an, von den ihr in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgeworfenen Verstößen Kenntnis genommen zu haben, und tat ihren Willen kund, sie zu beseitigen. In ihrer Antwort vom 8. März 2010 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme wiederholte die Republik Slowenien in jeder Hinsicht ihre in ihrem Schreiben vom 8. Dezember 2009 gemachten Ausführungen.

21.      Am 29. Dezember 2010 hat die Kommission die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.

22.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Juni 2011 sind die Tschechische Republik und das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

23.      Die Kommission, die Republik Slowenien, die Tschechische Republik und das Königreich Spanien waren in der mündlichen Verhandlung vertreten, die am 20. September 2012 stattgefunden hat.

IV – Würdigung der Vertragsverletzungsklage

A –    Zur ersten Rüge: Fehlende Unabhängigkeit des Betreibers der Infrastruktur bei der Ausübung der wesentlichen Funktionen

1.      Vorbringen der Parteien

24.      Die Kommission bringt vor, dass die Republik Slowenien gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 sowie Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 insofern verstoßen habe, als der Betreiber der Infrastruktur, der die Eisenbahnverkehrsleistungen selbst erbringe, zum einen an der Erstellung des Netzfahrplans mitwirke und zum anderen den Zugverkehr kontrolliere und folglich an der Funktion, Entscheidungen über die Trassenzuweisung oder die Zuweisung von Infrastrukturkapazitäten zu erlassen, teilnehme.

25.      Die Kommission macht hierzu geltend, dass zwar nach Art. 21 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr die Aufgaben der Trassenzuweisung der Agentur für den Eisenbahnverkehr zukämen, jedoch der Betreiber der Infrastruktur, nämlich die Slowenischen Eisenbahnen, nach Art. 11 Abs. 4 dieses Gesetzes zuständig sei, Entscheidungen über die Trassenzuweisung oder die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten zu erlassen.

26.      Zudem bringt die Kommission vor, die Slowenischen Eisenbahnen wirkten weiterhin an der Erstellung des Netzfahrplans mit, da Art. 9 der Verordnung vom 18. April 2008 vorsehe, dass der Betreiber der Infrastruktur einen Entwurf eines neuen Netzfahrplans erstelle und die Beteiligten dazu höre und danach den Entwurf an die genannte Agentur übermittle, die ihn an die Antragsteller schicke und sodann ihre endgültige Entscheidung über die Zuweisung erlasse.

27.      Im Übrigen macht die Kommission geltend, der Betreiber der Infrastruktur sei insofern für die Regulierung des Zugverkehrs verantwortlich, als Art. 11 Abs. 4 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr bestimme, dass der Betrieb des Zugverkehrs unter den Betrieb des Eisenbahnverkehrs auf öffentlicher Eisenbahninfrastruktur falle.

28.      Die Republik Slowenien vertritt ihrerseits die Ansicht, dass die Behauptungen der Kommission nicht begründet seien. Sie macht insbesondere geltend, dass Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr (Zakon o spremembah in dopolnitvah Zakona o železniškem prometu)(9) (im Folgenden: Gesetz vom 27. Dezember 2010) jede Zuständigkeit des Betreibers der Infrastruktur zur Erstellung von Netzfahrplänen zurückgezogen habe und dass diese Zuständigkeit zur Gänze an die Agentur für den Eisenbahnverkehr übertragen worden sei.

29.      Im Übrigen vertritt die Republik Slowenien die Auffassung, dass der Betrieb des Zugverkehrs nicht unter die in Anhang II der Richtlinie 91/440 aufgezählten „wesentlichen Funktionen“ falle. Sie macht geltend, die Fahrpläne würden durch die Agentur für den Eisenbahnverkehr festgesetzt, da der Betreiber der Infrastruktur als Betreiber des Verkehrs lediglich Zugang zur tatsächlichen Kontrolle der Strecke habe und dadurch nur Daten erhalte, die die anderen Eisenbahnunternehmen durch Abfrage des Netzfahrplans ebenfalls erhalten könnten.

2.      Prüfung der ersten Rüge

30.      Die Republik Slowenien tritt dem ersten Teil der ersten Rüge der Kommission entgegen und bringt Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen vor, die nach dem Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist erlassen worden seien, und zwar das Gesetz vom 27. Dezember 2010 und das Gesetz über die Gesellschaft der Slowenischen Eisenbahnen(10). Sie führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass im Zuge der im Jahr 2007 erfolgten Änderung des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr die Aufgabe der Trassenzuweisung bereits an eine unabhängige Agentur übertragen worden sei, die Erstellung von Netzfahrplänen jedoch erst im Zuge des Erlasses einer ergänzenden Verordnung im Jahr 2011 auf die in Rede stehende Agentur übertragen worden sei.

31.      In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist befand, so dass später eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden(11). Maßgeblich für die Prüfung des ersten Teils der ersten Rüge ist somit die Regelung, die bei Ablauf der Frist von zwei Monaten, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 festgesetzt worden war, in Kraft war.

32.      In Slowenien wurde der etablierte Betreiber – unter Aufsicht der mit den wesentlichen Funktionen betrauten unabhängigen Stelle – mit der Kapazitätszuweisung und der Zuweisung einzelner Zugtrassen betraut(12), d. h. der Erstellung des „Entwurfs eines neuen Netzfahrplans und neuer Zugfahrpläne“ für die Republik Slowenien(13).

33.      Nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 können die in deren Anhang II aufgeführten wesentlichen Funktionen nur „an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen“. Dieser Anhang II nimmt Bezug auf die „Entscheidungen über die Trassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen“. Dem Wortlaut der Richtlinie zufolge sind also „sowohl [die] Bestimmung als auch [die] Beurteilung der Verfügbarkeit“ Teil der Zuweisungen durch die mit der wesentlichen Funktion der Kapazitäts- und Trassenzuweisung betrauten Stelle.

34.      Aus diesem Grund denke ich, dass es dem von Eisenbahnunternehmen unabhängigen Betreiber der Infrastruktur oder auch einer Zuweisungsstelle nicht möglich ist, einem solchen Unternehmen vor dem Treffen der Entscheidung die Gesamtheit der vorbereitenden Arbeiten zu übertragen. Somit genügt die Tatsache, dass die Slowenischen Eisenbahnen für Rechnung der Agentur für den Eisenbahnverkehr handeln, die die volle Zuständigkeit für den Erlass von Fahrplänen und die Zuweisung einzelner Zugtrassen behält, nicht, um die Vereinbarkeit dieses Systems mit den Anforderungen des Unionsrechts zu gewährleisten.

35.      Faktisch ist es der etablierte Betreiber, nämlich die Slowenischen Eisenbahnen, der die Eisenbahninfrastruktur betreibt. Zwar wurde eine neue Stelle geschaffen, nämlich die Agentur für den Eisenbahnverkehr, und mit der Kapazitätszuweisung und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen betraut. Jedoch geht aus Art. 9 der Verordnung vom 18. April 2008 hervor, dass es der Betreiber der Infrastruktur ist, mit anderen Worten die Slowenischen Eisenbahnen, der einen Entwurf eines neuen Netzfahrplans und neuer Zugfahrpläne erstellt und ihn der genannten Agentur übermittelt. Bei der Erstellung des genannten Entwurfs obliegt es dem Betreiber der Infrastruktur, die Beteiligten und all jene, die eine Stellungnahme abgeben möchten, zu hören.

36.      Des Weiteren weise ich darauf hin, dass nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 die Aufgabe der Zuweisung von Infrastrukturkapazitäten, wenn – wie in Slowenien – der Betreiber der Infrastruktur nicht unabhängig von einem Eisenbahnunternehmen ist, einer entgelterhebenden Stelle übertragen wird, die in juristischer, organisatorischer und entscheidungstechnischer Hinsicht von jedem Verkehrsunternehmen unabhängig ist. Hierzu stellt die Kommission zu Recht fest, dass die Slowenischen Eisenbahnen weiterhin an der Erstellung von Netzfahrplänen und folglich an der Funktion der Trassenzuweisung oder der Zuweisung von Fahrwegkapazitäten teilnehmen.

37.      Meiner Ansicht nach muss das mit der wesentlichen Funktion der Zuweisung von Kapazitäten und Trassen betraute Organ die Gesamtheit des Zuweisungsvorgangs beherrschen. Die Vertragsverletzung des Mitgliedstaats steht somit fest, da der Betreiber der Infrastruktur, der ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist, an der Ausübung einer wesentlichen Funktion beteiligt ist.

38.      Mit dem zweiten Teil der ersten Rüge der Kommission wird der Umstand gerügt, dass in Slowenien der Betreiber der Infrastruktur, der selbst Eisenbahnverkehrsleistungen erbringe, den Betrieb des Zugverkehrs sicherstelle.

39.      Ich weise vorweg darauf hin, dass dieser Teil im Wesentlichen identisch mit der ersten Rüge in der Rechtssache Kommission/Ungarn (vgl. Nrn. 49 bis 70 meiner Schlussanträge) ist. Aus diesem Grund ist auf die rechtlichen Ausführungen zu verweisen, die in den in der genannten Rechtssache vorgelegten Schlussanträgen vorgetragen wurden. Die Umsetzung der slowenischen Regelung weist jedoch Unterschiede gegenüber der Situation in Ungarn auf. Folglich muss bei der Untersuchung der Frage, ob die Rüge begründet ist oder nicht, die besondere Situation in Slowenien berücksichtigt werden.

40.      Die Republik Slowenien trägt vor, dass der Betrieb des Zugverkehrs nicht unter die in Anhang II der Richtlinie 91/440 aufgezählten „wesentlichen Funktionen“ falle. Zu diesem Schluss bin ich auch in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Ungarn gelangt.

41.      Ich habe den Eindruck, dass die Kommission diese Analyse in der mündlichen Verhandlung geteilt hat. Die Kommission bejahte jedenfalls, dass in Slowenien die Trassenzuweisung im Rahmen des Betriebs des Verkehrs erfolgt. In ihrer Erwiderung nahm die Kommission zur Stützung ihres Standpunkts Bezug auf den Netzplan der Republik Slowenien, nach dem im Fall einer Verkehrsstörung nur der Betreiber die nötige Trasse zuweisen könne. Nach diesem Netzplan kann der Betreiber – erforderlichenfalls oder wenn die Infrastrukturen vorübergehend außer Betrieb sind – vorübergehend die Benutzung der zugewiesenen Trassen verweigern, solange dies nötig ist, um das System wiederherzustellen. Überdies hat der Betreiber im Fall außergewöhnlicher Umstände, die eine Verschiebung gegenüber der zugewiesenen Trassen nach sich ziehen, das Recht, unter vorheriger Beratung mit dem Verkehrsunternehmen die Trassen dahin anzupassen, dass die ursprünglich bestimmten Verbindungen am besten gewährleistet werden. Die Republik Slowenien ist diesen Behauptungen nicht entgegengetreten.

42.      In der Klageschrift hat die Kommission jedoch behauptet, dass der Betrieb des Zugverkehrs einer Stelle zugewiesen werden müsse, die nicht selbst Erbringer von Eisenbahnverkehrsleistungen sei, ohne sich in irgendeiner Weise auf die Streichung oder neue Zuweisung von Trassen im Fall von Störungen zu beziehen.

43.      Daraus schließe ich, dass die Kommission in ihrer Erwiderung insofern den Gegenstand der Klage erweitert hat oder zumindest einen neuen Bestandteil der Begründung der behaupteten Vertragsverletzung vorgebracht hat, als sie darin den Betrieb des Verkehrs im Fall einer Verkehrsstörung erfasst. Soweit die Kommission ihre Klage auf diese Begründung stützt, muss sie daher für unzulässig erklärt werden. Dagegen muss die Begründung der Rüge betreffend die in der Klageschrift ausgeführten Modalitäten des Betriebs des Verkehrs aus den in meinen Schlussanträgen zu der Rechtssache Kommission/Ungarn dargelegten Gründen als unbegründet angesehen werden.

44.      Dennoch weise ich darauf hin – falls der Gerichtshof die Begründungsbestandteile betreffend die Zuständigkeiten des Betreibers der Infrastruktur im Fall einer Verkehrsstörung als zulässig ansehen sollte –, dass ich in meinen Schlussanträgen zu der Rechtssache Kommission/Ungarn zu dem Schluss gelangt bin, dass ein nicht unabhängiger mit dem Betrieb des Eisenbahnverkehrs betrauter Betreiber die Befugnis haben kann, Trassen im Fall von Verkehrsstörungen zu streichen, aber dass ihre Neuzuweisung als Teil der wesentlichen Funktionen angesehen werden muss, die nur von einem unabhängigen Betreiber oder von einer Zuweisungsstelle ausgeübt werden können.

45.      Im Unterschied zu Ungarn kann in Slowenien der nicht unabhängige Betreiber beschließen, abweichende Trassen zu bestimmen. Der zweite Teil der Rüge müsste – sollte er zulässig sein – insoweit als unbegründet angesehen werden, als er die dem nicht unabhängigen Betreiber eröffnete Möglichkeit betrifft, über die neue Zuweisung von Trassen im Fall von Verkehrsstörungen zu entscheiden.

46.      Aus diesen Gründen schlage ich vor, den ersten Teil der ersten Rüge der Kommission für begründet zu erklären, soweit damit die Mitwirkung des nicht unabhängigen Betreibers der Infrastruktur an der Zuweisung von Trassen gerügt wird. Der zweite Teil der ersten Rüge muss für teilweise unbegründet und teilweise unzulässig erklärt werden, soweit er den Betrieb des Verkehrs durch den Betreiber betrifft. Sollte dieser Teil jedoch in seiner Gesamtheit als zulässig angesehen werden, wäre er begründet, soweit er die dem nicht unabhängigen Betreiber eröffnete Möglichkeit betrifft, über die neue Zuweisung von Trassen im Fall von Verkehrsstörungen zu entscheiden.

B –    Zur zweiten Rüge, betreffend das Fehlen einer Anreizregelung

1.      Vorbringen der Parteien

47.      Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 verstoßen habe, dass sie keine Regelung vorgesehen habe, um den Betreibern der Infrastruktur Anreize zu geben, die mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und die Höhe der Zugangsentgelte zu senken.

48.      Die Republik Slowenien macht geltend, dass Art. 10 des Gesetzes vom 27. Dezember 2010 vorsehe, dass der Betreiber der Infrastruktur durch Anreizmaßnahmen angeregt werde, die Kosten der Gewährleistung der Fahrwegbereitstellung und die Höhe der Entgelte zu senken.

2.      Prüfung der zweiten Rüge

49.      Vorweg stelle ich fest, dass die Erwiderung der Republik Slowenien aus den oben ausgeführten Gründen insoweit ins Leere geht, als sie sich auf die durch das Gesetz vom 27. Dezember 2010 eingeführten Gesetzesänderungen stützt. Die Begründetheit der Rüge muss vielmehr auf Grundlage von Art. 20 Abs. 2 der Verordnung vom 18. April 2008 geprüft werden.

50.      Ich merke außerdem an, dass die zweite Rüge der Kommission betreffend das Fehlen von Maßnahmen zum Anreiz der Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Höhe der Zugangsentgelte im Wesentlichen identisch ist mit der dritten Rüge in der Rechtssache Kommission/Polen (vgl. Nrn. 74 bis 84 meiner Schlussanträge), der zweiten Rüge in der Rechtssache Kommission/Tschechische Republik (vgl. Nrn. 47 bis 55 meiner Schlussanträge), der dritten Rüge in der Rechtssache Kommission/Deutschland (vgl. Nrn. 93 bis 104 meiner Schlussanträge) und dem zweiten Teil der zweiten Rüge in der Rechtssache Kommission/Frankreich (C‑625/10, vgl. Nrn. 63 bis 69 meiner Schlussanträge).

51.      Aus diesem Grund ist auf die rechtlichen Ausführungen in den Schlussanträgen in den genannten Rechtssachen zu verweisen. Die slowenische Regelung und ihre Umsetzung weisen allerdings Besonderheiten gegenüber der Situation in den genannten Mitgliedstaaten auf. Folglich muss bei der Prüfung der Frage, ob die Rüge begründet ist oder nicht, die besondere Situation in Slowenien berücksichtigt werden.

52.      Die Kommission hat zu Recht die Ansicht vertreten, dass sich Art. 20 Abs. 2 der Verordnung vom 18. April 2008 darauf beschränke, den Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/14 wiederzugeben. Zwar ermächtigt die slowenische Regelung die Behörden, die vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Maßnahmen zu treffen, um dem Betreiber der Infrastruktur einen Anreiz zu geben, die mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und die Höhe der Zugangsentgelte zu verringern, jedoch ändert dies nichts daran, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist weder ein Mehrjahresvertrag geschlossen noch eine Regelungsmaßnahme im Sinne von Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie erlassen worden war. Folglich existiert mangels Anreizmaßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie keine Bestimmung oder Maßnahme zur Sicherstellung der Umsetzung der Abs. 4 und 5 des genannten Artikels.

53.      Aus diesen Gründen ist die zweite Rüge der Kommission begründet.

C –    Zur dritten Rüge, betreffend das Fehlen einer leistungsabhängigen Entgeltregelung

1.      Vorbringen der Parteien

54.      Die Kommission trägt vor, die Republik Slowenien habe es unterlassen, eine leistungsabhängige Entgeltregelung zu erlassen, die dazu diene, den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Verringerung von Störungen und zur Verbesserung der Nutzung der Fahrwege zu geben, und habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2001/14 verstoßen.

55.      Die Republik Slowenien hält dem entgegen, Art. 11 der Richtlinie 2001/14 sei im nationalen Recht durch das Gesetz vom 27. Dezember 2010 umgesetzt worden, durch das zwei neue Absätze in Art. 15d des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr eingefügt worden seien, was eine Rechtsgrundlage liefere, um eine Verordnungsbestimmung zu erlassen, die es ermöglichen werde, die spätere leistungsabhängige Entgeltregelung festzulegen.

2.      Prüfung der dritten Rüge

56.      Erneut ist festzustellen, dass die Verteidigung der Republik Slowenien aus den in Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführten Gründen ins Leere geht, soweit sie die durch das Gesetz vom 27. Dezember 2010 eingeführten Gesetzesänderungen betrifft. Somit ist die Rüge ausschließlich im Licht der Bestimmungen von Art. 20 Abs. 5 der Verordnung vom 18. April 2008 zu prüfen.

57.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die dritte Rüge der Kommission, betreffend das Fehlen von Maßnahmen, Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern einen Anreiz zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes zu geben, indem eine „leistungsabhängige Entgeltregelung“ geschaffen wird, im Wesentlichen identisch ist mit der zweiten Rüge in der Rechtssache Kommission/Spanien (vgl. Nrn. 67 bis 72 meiner Schlussanträge), der vierten Rüge in der Rechtssache Kommission/Tschechische Republik (vgl. Nrn. 90 bis 93 meiner Schlussanträge) und dem ersten Teil der zweiten Rüge in der Rechtssache Kommission/Frankreich (C‑625/10, vgl. Nrn. 61 f. meiner Schlussanträge).

58.      Aus diesem Grund ist auf die rechtlichen Ausführungen in den Schlussanträgen in den genannten Rechtssachen zu verweisen. Die slowenische Regelung und ihre Umsetzung weisen jedoch Unterschiede gegenüber der Situation in den genannten Mitgliedstaaten auf. Folglich muss bei der Prüfung der Frage, ob die Rüge begründet ist oder nicht, die besondere Situation in Slowenien berücksichtigt werden.

59.      Die Kommission hat zu Recht festgestellt, dass Art. 20 Abs. 5 der Verordnung vom 18. April 2008 den Wortlaut von Art. 11 der Richtlinie 2001/14 wiedergebe. Zwar hat die slowenische Regelung die Behörden ab Dezember 2009 ermächtigt, die Maßnahmen zu treffen, die der Unionsgesetzgeber vorgesehen hat, um eine leistungsabhängige Entgeltregelung im Sinne von Art. 11 der genannten Richtlinie festzulegen und einzuführen, jedoch ändert dies nichts daran, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist keine konkrete Maßnahme oder Bestimmung zur Umsetzung dieser Ermächtigung getroffen worden war.

60.      Daher ist die dritte Rüge der Kommission begründet.

D –    Zur vierten Rüge, betreffend die Tatsache, dass die Berechnungsmethode für das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen nicht ausschließlich die Kosten berücksichtigt habe, die unmittelbar aufgrund der Durchführung des Eisenbahnverkehrsdiensts anfielen

1.      Vorbringen der Parteien

61.      Die Kommission macht geltend, die Republik Slowenien habe dadurch, dass sie keine Berechnungsmethode für das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen vorgesehen habe, die ausschließlich auf der Höhe der Kosten basiere, die unmittelbar aufgrund der Durchführung des Eisenbahnverkehrsdienstes anfielen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 verstoßen.

62.      Die Kommission rügt zudem, die Republik Slowenien habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 verstoßen, dass sie in ihrer Gesetzgebung keine Regeln vorgesehen habe, auf deren Grundlage es möglich wäre, zu überprüfen, dass jeder der Marktbereiche Aufschläge zur vollen Deckung der dem Betreiber der Infrastruktur entstehenden Kosten tatsächlich tragen könne.

63.      Die Republik Slowenien macht ihrerseits geltend, Art. 15d Abs. 3 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr sei durch das Gesetz vom 27. Dezember 2010 ergänzt worden, und zwar durch eine Bestimmung, nach der das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen
in Höhe der Kosten festzulegen ist, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen. Außerdem werde die Regelung über die Trassenzuweisung und die Entgelte für die Nutzung der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur gerade geändert, und es sei vorgesehen, darin eine Bestimmung über die Art und Weise, nach der zu überprüfen sein werde, dass jeder der Marktbereiche Aufschläge zur vollen Deckung der dem Betreiber der Infrastruktur entstehenden Kosten tatsächlich tragen könne, einzufügen.

2.      Prüfung der vierten Rüge

64.      Ich stelle vorweg fest, dass die Verteidigung der Republik Slowenien aus den in Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführten Gründen ins Leere geht, soweit sie die durch das Gesetz vom 27. Dezember 2010 eingeführten Gesetzesänderungen betrifft. Gleiches gilt für den zweiten von den slowenischen Behörden vorgebrachten Akt, nämlich die Regelung über die Trassenzuweisung und die Entgelte für die Nutzung der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur(14). Folglich ist diese Rüge ausschließlich im Licht der Bestimmungen von Art. 21 Abs. 2 der Verordnung vom 18. April 2008 zu prüfen.

65.      Ich weise zunächst darauf hin, dass ich die Auslegung des Ausdrucks „Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“, in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Tschechische Republik (vgl. Nrn. 66 ff. dieser Schlussanträge), die ich zusammen mit den vorliegenden Schlussanträgen vortragen werde, analysiert habe. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich daher auf die Analyse in den genannten Schlussanträgen(15).

66.      Hinsichtlich der Auslegung des Ausdrucks „Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“, habe ich dem Gerichtshof in den genannten Schlussanträgen vorgeschlagen, davon auszugehen, dass die Mitgliedstaaten angesichts zum einen der Unbestimmtheit der Richtlinie 2001/14 und zum anderen des Fehlens einer genauen Definition dieses Ausdrucks oder einer Bestimmung des Unionsrechts, die die Kosten genau aufzählt, die nicht unter den genannten Ausdruck fallen, bei der Umsetzung und Anwendung des in Rede stehenden Ausdrucks einen gewissen wirtschaftlichen Ermessensspielraum haben. Auch wenn es mir nicht möglich erscheint, durch eine einschränkende Aufzählung zu definieren, was der Ausdruck „Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“, umfasst, ändert dies dennoch nichts daran, dass die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen Kosten einbeziehen können, die offenbar über die Grenzen des von der Richtlinie 2001/14 verwendeten Ausdrucks hinausgehen. Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ist somit zu erforschen, ob es die Regelung des Mitgliedstaats zulässt, Bestandteile, die offenbar nicht unmittelbar durch die Nutzung von Eisenbahnverkehrsleistungen verursacht wurden, in die Berechnung der Entgelte für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen einzubeziehen.

67.      Meiner Ansicht nach ermöglicht es Art. 21 Abs. 2 der Verordnung vom 18. April 2008 für sich genommen den slowenischen Behörden, einen Entgeltrahmen zu schaffen, der den Anforderungen von Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 genügt.

68.      Jedoch erlaubte es Art. 15d Abs. 2 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. Dezember 2010, die Wegeentgelte anhand eines „Entgelte für die Infrastruktur des Verkehrs in anderen Teilsystemen, insbesondere im Straßenverkehr“ genannten Kriteriums zu berechnen(16). Obwohl der Mitgliedstaat bestreitet, vom genannten Kriterium Gebrauch gemacht zu haben, ändert dies nichts daran, dass es seine Gesetzgebung erlaubte, solche Kosten unter Verstoß gegen die relevanten Bestimmungen der Richtlinie 2001/14 zu berücksichtigen.

69.      Dies scheint mir auszureichen, um die vierte Rüge der Kommission trotz der Verwirrung im Zusammenhang mit den Ausführungen der Parteien im Rahmen dieser Rüge zuzulassen.

V –    Kosten

70.      Nach Art. 138 Abs. 2 der Verfahrensordnung(17) trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Kommission und die Republik Slowenien mit ihrem Vorbringen teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, schlage ich vor, dass sie jeweils ihre eigenen Kosten tragen.

71.      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Tschechische Republik und das Königreich Spanien als Streithelfer ihre eigenen Kosten.

VI – Ergebnis

72.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.      Die Republik Slowenien hat gegen ihre Verpflichtungen aus

–        Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 geänderten Fassung sowie aus Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung insofern verstoßen, als der Betreiber der Infrastruktur, der die Eisenbahnverkehrsleistungen selbst erbringt, an der Erstellung des Netzfahrplans mitwirkt und folglich an der Funktion, Entscheidungen über die Trassenzuweisung oder die Zuweisung von Infrastrukturkapazitäten zu erlassen, teilnimmt;

–        Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 dadurch verstoßen, dass sie keine Maßnahmen vorgesehen hat, um den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben;

–        Art. 11 der Richtlinie 2001/14 dadurch verstoßen, dass sie keine leistungsabhängige Entgeltregelung erlassen hat, um den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Verringerung von Störungen und Verbesserung der Nutzung der Fahrwege zu geben;

–        Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 insofern verstoßen, als es die slowenische Gesetzgebung zugelassen hat, das Entgelt für die Infrastruktur des Verkehrs in anderen Teilsystemen, insbesondere im Straßenverkehr, in die Berechnung der Entgelte für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen einzubeziehen.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission, die Republik Slowenien, die Tschechische Republik und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.


1 – Originalsprache: Französisch.


2– Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25).


3– Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 (ABl. L 75, S. 1).


4–      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. L 75, S. 29).


5–      Mit am 1. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben teilte die Kommission dem Gerichtshof mit, dass sie die Rüge betreffend den Verstoß gegen Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 zurückziehe.


6–      Es handelt sich um die Urteile vom 25. Oktober 2012, Kommission/Portugal (C‑557/10), und vom 8. November 2012, Kommission/Griechenland (C‑528/10), sowie um die beim Gerichtshof anhängigen Rechtssachen Kommission/Ungarn (C‑473/10), Kommission/Spanien (C‑483/10), Kommission/Polen (C‑512/10), Kommission/Tschechische Republik (C‑545/10), Kommission/Österreich (C‑555/10), Kommission/Deutschland (C‑556/10), Kommission/Frankreich (C‑625/10), Kommission/Italien (C‑369/11) und Kommission/Luxemburg (C‑412/11).


7– Uradni list RS Nr. 44/2007, Gesetz in geänderter Fassung (Uradni list RS, Nr. 58/2009, im Folgenden: Gesetz über den Eisenbahnverkehr). Zu der im Jahr 2010 erfolgten Änderung, also nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, vgl. Fn. 9 der vorliegenden Schlussanträge.


8–       Uradni list RS Nr. 38/08, im Folgenden: Verordnung vom 18. April 2008.


9–       Uradni list RS, Nr. 106/2010, vgl. Fn. 7 der vorliegenden Schlussanträge.


10–      Vgl. Fn. 9 der vorliegenden Schlussanträge.


11–      Vgl. insbesondere Urteile vom 19. Juni 2008, Kommission/Luxemburg (C‑319/06, Slg. 2008, I‑4323, Randnr. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 4. März 2010, Kommission/Frankreich (C‑241/08, Slg. 2010, I‑1697, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 3. März 2011, Kommission/Irland (C‑50/09, Slg. 2011, I‑873, Randnr. 102).


12–      Ein entsprechender Fall liegt auch der Rechtssache Kommission/Frankreich (C‑625/10, vgl. Randnrn. 22 bis 47 meiner Schlussanträge) zugrunde.


13–      Art. 9 der Verordnung vom 18. April 2008.


14–       Uredba o dodeljevanju vlakovnih poti in uporabnini na javni železniški infrastrukturi, Uradni list RS Nr. 113/2009.


15–      Vgl. außerdem Nrn. 92 bis 102 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Polen und Nrn. 73 bis 86 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Deutschland.


16–      Durch Art. 10 des Gesetzes vom 27. Dezember 2010 wurde Art. 15d Abs. 2 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr geändert und am Ende des dritten Absatzes dieses Artikels ein Satz eingefügt.


17–      Am 1. November 2012 in Kraft getreten.