Language of document : ECLI:EU:C:2006:436

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

L. A. Geelhoed

vom 29. Juni 20061(1)

Rechtssache C‑524/04

Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation

gegen

Commissioners of Inland Revenue

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division)

„Auslegung der Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG – Nationale Steuervorschrift – Möglichkeit einer im Inland ansässigen Gesellschaft, die Zinsen auf ein von der Muttergesellschaft gewährtes Darlehen von der Steuer abzuziehen – Unterschiedliche Lage je nach dem Staat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist“





I –    Einführung

1.        Die vorliegende Rechtssache, ein Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice (England & Wales), betrifft die Frage, ob die mehrfach geänderte Regelung des Vereinigten Königreichs über die Unterkapitalisierung, durch die das Vereinigte Königreich die Abzugsfähigkeit der Zinszahlungen von im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaften an gebietsfremde Muttergesellschaften oder zwischengeschaltete Konzerngesellschaften einschränkt, mit den Bestimmungen des Vertrages über die Freizügigkeit vereinbar ist.

2.        In der Rechtssache geht es erneut um die Frage, ob die nationalen Vorschriften über direkte Steuern, die der Missbrauchsbekämpfung dienen, mit den Bestimmungen über die Freizügigkeit vereinbar sind, eine Frage, die sich insbesondere im Urteil Lankhorst‑Hohorst aus dem Jahr 2002 (bezüglich der deutschen Vorschriften über die Unterkapitalisierung) und in der anhängigen Rechtssache Cadbury Schweppes (bezüglich der Vorschriften des Vereinigten Königreichs über beherrschte ausländische Körperschaften) gestellt hat(2). Nach dem Urteil Lankhorst‑Hohorst waren jedoch die Grenzen einer zulässigen Beschränkung der Unterkapitalisierung nicht ganz eindeutig, was dazu führte, dass bestimmte Mitgliedstaaten – unter ihnen das Vereinigte Königreich und Deutschland – ihre Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung auf innerstaatliche Zahlungen, die innerhalb eines Konzerns erfolgen, ausgedehnt haben, obwohl bei rein innerstaatlichen Sachverhalten die Gefahr eines „Missbrauchs“ nicht entstehen kann. Aus diesem Grund und weil die Vorschriften des Vereinigten Königreichs sich in wichtigen Bezügen von den deutschen Rechtsvorschriften unterscheiden, die im Urteil Lankhorst-Hohorst zur Debatte standen, macht es die vorliegende Rechtssache erforderlich, die Frage einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Das einschlägige Recht des Vereinigten Königreichs

1.      Kontext sowie Sinn und Zweck der Vorschriften über die Unterkapitalisierung

3.        Es gibt zwei hauptsächliche Formen der Unternehmensfinanzierung: die Fremd- und die Eigenfinanzierung. Viele Mitgliedstaaten machen einen Unterschied bei der direkten Besteuerung dieser beiden Finanzierungsarten. Bei der Fremdfinanzierung können die Unternehmen im Allgemeinen für die Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns die auf Darlehen geleisteten Zinszahlungen abziehen (d. h. vor Steuern). Diese werden nämlich als laufende Kosten angesehen, die durch die Geschäftstätigkeiten veranlasst sind. Bei der Eigenfinanzierung hingegen können die Unternehmen Ausschüttungen, die sie an die Aktionäre aus ihren Gewinnen vor Steuer zahlen, nicht abziehen; die Dividenden werden vielmehr aus den versteuerten Gewinnen entrichtet.

4.        Dieser Unterschied in der steuerlichen Behandlung bedeutet, dass es im Rahmen eines Konzerns für eine Muttergesellschaft vorteilhafter sein kann, ein Konzernmitglied mit Hilfe von Darlehen statt mit Eigenmitteln zu finanzieren. Der steuerliche Anreiz, in dieser Weise zu verfahren, wird besonders deutlich, wenn eine Tochtergesellschaft in einem Hochsteuerland ansässig ist, während die Muttergesellschaft (oder tatsächlich eine zwischengeschaltete Konzerngesellschaft, die das Darlehen gewährt) in einem Niedrigsteuerland ansässig ist. In solchen Fällen kann das, was im Kern eine Eigenkapitalfinanzierung ist, nach außen hin als Fremdfinanzierung dargestellt werden, um eine günstigere steuerliche Behandlung zu erreichen. Dieses Phänomen wird „Unterkapitalisierung“ genannt. Durch eine solche Beeinflussung der Art, wie das Kapital zur Verfügung gestellt wird, kann eine Muttergesellschaft mit Erfolg darüber entscheiden, wo sie ihre Gewinne versteuern will.

5.        Viele Staaten, die die Unterkapitalisierung für missbräuchlich halten, haben Maßnahmen eingeführt, die diesem Missbrauch entgegenwirken sollen. Diese Maßnahmen sehen typischerweise vor, dass Darlehen, die bestimmte Kriterien erfüllen, für steuerliche Zwecke als verdecktes Eigenkapital gelten. Dies bedeutet, dass Zinszahlungen nachträglich als Gewinnausschüttungen gewertet werden, so dass die Tochtergesellschaft die Zinszahlungen nicht oder nicht ganz von ihrem steuerpflichtigen Einkommen abziehen kann, und die Zahlung den einschlägigen Vorschriften über die Dividendenbesteuerung unterliegt(3).

2.      Bis 1995 gültige Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs

6.        Nach Section 209 (2) (d) des Income and Corporation Taxes Act 1988 (im Folgenden: TA) sind von einer Gesellschaft auf ein Darlehen gezahlte Zinsen, die über dem angemessenen wirtschaftlichen Ertrag aus dem Darlehen liegen, als Gewinnausschüttung anzusehen, soweit sie diesen Ertrag übersteigen(4). Diese Vorschrift fand unabhängig davon Anwendung, ob die Zahlung an einen gebietsansässigen oder an einen gebietsfremden Darlehensgeber geleistet wurde. Infolgedessen konnte der überschießende Betrag bei der Berechnung der steuerpflichtigen Gewinne der Gesellschaft nicht als Zinsen abgezogen werden, sondern wurde als aus den Gewinnen nach Steuer gezahlte Ausschüttung behandelt. Dass die Zinsen als Ausschüttung behandelt wurden, führte außerdem dazu, dass die betreffende Gesellschaft Körperschaftsteuervorauszahlungen (advance corporation tax, im Folgenden: ACT) leisten musste(5).

7.        Nach Section 209 (2) (e) (iv) und (v) TA wurden andere als die bereits nach Section 209 (2) (d) als Ausschüttungen behandelten Zinsen, die an einen nicht im Vereinigten Königreich ansässigen, aber zum selben Konzern (im Sinne der Rechtsvorschriften) gehörenden Darlehensgeber gezahlt wurden, als Ausschüttungen behandelt. Diese Vorschrift galt insbesondere für Darlehen, die von einer nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft gewährt wurden, die eine 75%ige Tochtergesellschaft der darlehensgewährenden Gesellschaft war, oder wenn beide Gesellschaften 75%ige Tochtergesellschaften einer nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Drittgesellschaft waren. Nach den bis 1995 gültigen Vorschriften des Vereinigten Königreichs – ohne Berücksichtigung der Wirkungen der gültigen bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, die ich unten darlegen werde – wurden Zinszahlungen einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft an ein gebietsfremdes anderes Mitglied desselben Konzerns (im Sinne der Rechtsvorschriften) somit immer als Ausschüttungen behandelt, auch wenn die Zinsen einem angemessenen wirtschaftlichen Ertrag aus dem Darlehen entsprachen.

8.        Die Bestimmungen einiger vom Vereinigten Königreich geschlossener Doppelbesteuerungsabkommen schlossen die Anwendung der oben genannten Vorschriften der Section 209 TA aus und gewährleisteten, dass die Zinsen unter bestimmten Voraussetzungen für steuerliche Zwecke von den Gewinnen abgezogen werden konnten. Diese Bestimmungen waren unbeschadet entgegenstehender Vorschriften des innerstaatlichen Rechts des Vereinigten Königreichs wirksam(6). Der Wortlaut der Bestimmungen in diesen Doppelbesteuerungsabkommen ist zwar unterschiedlich. Das vorlegende Gericht stellt jedoch in seinem Vorabentscheidungsersuchen fest, dass sich die Bestimmungen grob in zwei Gruppen einteilen lassen.

9.        Die erste Gruppe von Bestimmungen stellt darauf ab, ob der Zinssatz im Hinblick auf die Höhe des Darlehens dem marktüblichen Zinssatz entspricht. Es spielt bei diesen Vorschriften keine Rolle, ob die Höhe des Darlehens selbst marktüblich ist. Derartige Bestimmungen finden sich z. B. in den Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg, Japan, Deutschland, Spanien und Österreich. So bestimmt z. B. Artikel 11 Absatz 7 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und Luxemburg: „Übersteigt infolge einer besonderen Beziehung zwischen dem Zahlenden und dem Empfänger oder zwischen diesen beiden und einem Dritten die Höhe der gezahlten Zinsen im Hinblick auf die zugrunde liegende Darlehensforderung den Betrag, der ohne diese Beziehung zwischen dem Zahlenden und dem Empfänger vereinbart worden wäre, … so bleibt der übersteigende Teil der Zahlungen nach den Vorschriften des jeweiligen Vertragsstaats unter Beachtung der sonstigen Bestimmungen dieses Abkommens steuerpflichtig.“

10.      Die zweite Gruppe von Bestimmungen sieht eine allgemeine Prüfung dahin gehend vor, ob die Höhe der Zinsen aus irgendeinem Grund den Betrag übersteigt, der bei Geschäften mit Dritten gezahlt würde. Dies schließt die Prüfung ein, ob der Darlehensbetrag als solcher den Betrag übersteigt, der einem Dritten als Darlehen gewährt worden wäre. Derartige Bestimmungen finden sich z. B. in den Doppelbesteuerungsabkommen mit den Vereinigten Staaten, Irland, der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und Italien. So bestimmt z. B. Artikel 11 Absatz 5 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten: „Übersteigt infolge einer besonderen Beziehung zwischen dem Zahlenden und dem Empfänger der Zinsen oder zwischen diesen beiden und einem Dritten die Höhe der Zinsen gleich aus welchem Grund den Betrag, der ohne diese Beziehung gezahlt worden wäre, … so bleibt der übersteigende Teil der Zahlungen nach den Vorschriften des jeweiligen Vertragsstaats unter Beachtung der sonstigen Bestimmungen dieses Abkommens steuerpflichtig.“

11.      Die weitere Fassung der zweiten Gruppe von Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen wird durch Section 808A (2) TA(7) bestätigt, die vorsieht, dass bei der Feststellung, ob eine derartige „besondere Beziehung“ vorliegt, alle Faktoren zu berücksichtigen sind, einschließlich der Frage, ob ohne eine solche Beziehung das Darlehen überhaupt, in welcher Höhe und zu welchem Zinssatz gewährt worden wäre. Für beide Gruppen der Doppelbesteuerungsabkommen bestimmt Section 808A (3), dass die Vorschrift über die besondere Beziehung so auszulegen ist, dass der Steuerpflichtige nachzuweisen hat, dass eine besondere Beziehung nicht besteht, bzw. den Betrag der Zinsen darzulegen hat, der ohne die besondere Beziehung gezahlt worden wäre. Diese Vorschriften gelten für Zinszahlungen nach dem 14. Mai 1992.

3.      Die Änderungen von 1995

12.      Section 209 (2) (e) (iv) und (v) TA wurde durch den Finance Act 1995 aufgehoben und durch Section 209 (2) (da) TA ersetzt, die im Wesentlichen bestimmt, dass unter Mitgliedern eines Konzerns (im Sinne der Rechtsvorschriften) gezahlte Zinsen, die den Betrag übersteigen, der bei Geschäften mit Dritten(8) gezahlt worden wäre, als Ausschüttungen zu behandeln sind. Die Vorschrift findet Anwendung, wenn der Darlehensnehmer eine 75%ige Tochtergesellschaft des Darlehensgebers ist oder beide 75%ige Tochtergesellschaften einer Drittgesellschaft sind.

13.      Nach Section 212 (1) und (3) TA in der geänderten Fassung ist Section 209 (2) (da) TA nicht anwendbar, wenn sowohl der Zahlende als auch der Empfänger der Zinsen im Vereinigten Königreich körperschaftsteuerpflichtig ist.

14.      Section 209 (8B) bestimmt die Kriterien, die bei der Feststellung, ob Zinszahlungen als Ausschüttungen zu behandeln sind, beachtet werden müssen. Diese Kriterien sind: die angemessene Höhe der Gesamtschulden des Darlehensnehmers, die Frage, ob davon ausgegangen werden kann, dass der Darlehensnehmer und ein Dritter ein Geschäft über die Ausgabe eines Wertpapiers durch die emittierende Gesellschaft oder über die Gewährung eines Darlehens oder eines Darlehens in bestimmter Höhe an diese Gesellschaft geschlossen hätten, und schließlich der Zinssatz oder andere Bedingungen, von denen zu erwarten ist, dass sie in einem bestimmten Fall auf ein solches Rechtsgeschäft Anwendung finden. Section 209 (8A) in Verbindung mit Section 209 (8D) bis (8F) legt fest, inwieweit Gesellschaften zusammengefasst werden können, um die Höhe der von ihnen aufgenommenen Darlehen auf einer konsolidierten Grundlage zu bestimmen. Grundsätzlich erlauben die Vorschriften keine solche Konsolidierung einzelner im Vereinigten Königreich ansässiger Teilkonzerne, die zu einem größeren ausländischen Konzern gehören: Für jeden im Vereinigten Königreich ansässigen Teilkonzern wird die Kreditaufnahmekapazität getrennt geprüft(9).

4.      Die Änderungen von 1998

15.      Der durch den Finance Act 1998 eingeführte Anhang 28AA TA enthält schließlich ein detailliertes Regelwerk über Transferpreise, das auch für Zinszahlungen gilt. Die Vorschriften über Transferpreise sind anwendbar, wenn 1. die „Bereitstellung durch einen geschäftlichen Vorgang“ oder mehrere geschäftliche Vorgänge zwischen zwei Gesellschaften unter gemeinsamer Kontrolle erfolgt; Kontrolle in diesem Sinn umfasst die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an der Leitung, der Kontrolle oder dem Kapital einer der betroffenen Gesellschaften(10); 2. die Bedingungen für die Bereitstellung anders wären, wenn die Gesellschaften nicht unter gemeinsamer Kontrolle gestanden hätten, und 3. die Bereitstellung einer der betroffenen Personen einen möglichen Steuervorteil im Vereinigten Königreich verschafft. In diesem Fall werden Gewinne und Verluste der potenziell begünstigten Person „für steuerliche Zwecke berechnet, als wäre anstelle der tatsächlichen Bereitstellung eine solche zwischen unabhängigen Unternehmen erfolgt oder auferlegt worden“(11).

16.      Die Bereitstellung wird nicht als ein möglicher Vorteil einer der betroffenen Personen angesehen, wenn u. a. die andere an dem geschäftlichen Vorgang beteiligte Partei im Vereinigten Königreich einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist und bestimmte andere Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen verlangen, dass 1. die Person bezüglich der einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte oder Gewinne weder ganz noch teilweise von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer befreit ist(12), 2. die Person, wenn sie bezüglich der aus diesen Tätigkeiten erzielten Gewinne einkommensteuerpflichtig ist, in den Bemessungszeiträumen, in denen sie dieser Steuerpflicht unterliegt, im Vereinigten Königreich ansässig ist(13), 3. die Person im Bemessungszeitraum weder einen Anspruch(14) auf Erteilung einer Gutschrift für ausländische Steuer bezüglich der aus den relevanten Tätigkeiten erzielten Gewinne hat noch einen solchen Anspruch im Bemessungszeitraum hätte, wenn es solche Gewinne gäbe oder sie einen bestimmten Betrag überschreiten würden(15), und 4. in den Beträgen, die für die Berechnung der Gewinne und Verluste dieser Person aus den relevanten Tätigkeiten im Bemessungszeitraum berücksichtigt werden, kein Einkommen enthalten ist, dessen Höhe nach Section 811 (1) TA (Abzug für ausländische Steuer, wenn eine Steuergutschrift nicht zulässig ist) herabgesetzt worden ist.

17.      Diese Vorschriften wurden durch den Finance Act 2004 geändert und sind nunmehr auch anwendbar, wenn beide an dem geschäftlichen Vorgang beteiligte Parteien im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind.

III – Sachverhalt des Vorabentscheidungsersuchens

18.      Das Sammelverfahren zur Thin Capitalisation (Unterkapitalisierung) betrifft Forderungen auf Erstattung und/oder Entschädigung für Steuernachteile und andere ungünstige steuerliche Auswirkungen, die sich aus der oben dargelegten Regelung des Vereinigten Königreichs über die Unterkapitalisierung ergeben. Diese Forderungen wurden vor dem High Court of Justice (England & Wales) im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofes Lankhorst‑Hohorst geltend gemacht, in dem festgestellt wurde, dass die damaligen deutschen Regelungen über die Unterkapitalisierung gegen Artikel 43 EG verstießen(16). Für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen wurden Musterverfahren, die verschiedene Unternehmensstrukturen repräsentieren, ausgewählt, deren Sachverhalt von den Parteien übereinstimmend festgestellt wurde. An allen Musterverfahren ist eine im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaft beteiligt, die unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 75 % von einer gebietsfremden Muttergesellschaft gehalten wird; entweder die Muttergesellschaft oder eine andere gebietsfremde Gesellschaft, die ebenfalls eine 75%ige unmittelbare oder mittelbare Tochter der Muttergesellschaft ist, haben in diesen Fällen der Darlehensnehmerin ein Darlehen gewährt. Die Formulierung der Vorabentscheidungsfragen beruht daher auf dem Sachverhalt eines einem Musterverfahren – dem Verfahren Lafarge Group – zugrunde liegenden Geschäftsvorgangs sowie auf den relevanten Abweichungen der anderen Musterverfahren.

A –    Lafarge-Konzern: maßgeblicher Sachverhalt

19.      Die Lafarge SA, eine in Frankreich ansässige Aktiengesellschaft, ist die Konzernmutter eines multinationalen Konzerns, der Baumaterial herstellt. Die hier maßgeblichen Mitglieder des Lafarge-Konzerns sind 1.  die Financière Lafarge SA (Darlehensgeberin), die ihren Sitz in Frankreich hat und mittelbar zu 100 % von der Muttergesellschaft, der Lafarge SA, gehalten wird, und 2.  die Lafarge Building Materials Limited mit Sitz im Vereinigten Königreich, die für die meisten im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaften des Lafarge-Konzerns die letzte übergeordnete Holdinggesellschaft ist und selbst eine unmittelbare Tochtergesellschaft der Financière Lafarge SA ist(17). Die Klage betrifft auch weitere neun als Klägerinnen auftretende Gesellschaften des Lafarge-Konzerns, die alle im Vereinigten Königreich ansässig und unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaften der Lafarge Building Materials sind (die in allen Fällen über 50 % des Aktienkapitals dieser Gesellschaften hielt).

20.      Im Dezember 1997 erwarb der Lafarge-Konzern die Aktien der Redland plc, einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft. Zur Finanzierung dieses Kaufes standen der Financière Lafarge bei den Banken außerhalb des Lafarge-Konzerns verschiedene – letztlich von der Muttergesellschaft verbürgte – Kreditmöglichkeiten zur Verfügung. Diese versetzten sie in die Lage, Gesellschaften innerhalb des Konzerns Darlehenskapital auszuzahlen, und konnten von dazu ermächtigten Tochtergesellschaften direkt zu ihrer Finanzierung in Anspruch genommen werden. Zur Finanzierung des Kaufs der Redland plc gewährte die Financière Lafarge der Lafarge Building Materials ein kurzfristiges Darlehen, die wiederum einem weiteren Unternehmen des Lafarge-Konzerns, der Minerals UK, ein ähnliches Darlehen gewährte. Insgesamt wurden durch diese Darlehen (d. h. über die Financière Lafarge und die Lafarge Building Materials) ungefähr 50 % des Kaufpreises für die Redland-Aktien finanziert, wobei der Rest in der Weise finanziert wurde, dass die Minerals UK unmittelbar die Kreditmöglichkeiten des Lafarge-Konzerns bei dessen externen Banken in Anspruch nahm. Die meisten der unmittelbaren Darlehen wurden 1998 mit Hilfe von Darlehen zurückgezahlt, die die Lafarge SA an die Minerals UK gewährte, nachdem Erstere und die Financière Lafarge ihre externen Kreditmöglichkeiten durch Ausgabe von Schuldverschreibungen refinanziert hatten, um bessere Finanzierungsbedingungen zu erhalten.

21.      Nachdem die Steuerberater des Lafarge-Konzerns im Vereinigten Königreich nach Abschluss des Kaufs von Redland darauf hingewiesen hatten, dass die britischen Steuerbehörden nach Section 209 (2) (da) TA zumindest einen Teil der von der Lafarge Building Materials auf diese Darlehen gezahlten Zinsen als Ausschüttungen betrachten würden, verringerte der Lafarge-Konzern etwa im März 1998 die Schulden der Lafarge Building Materials bei der Financière Lafarge, indem er ungefähr 75 % des seinerzeit ausgezahlten Betrages in Eigenkapital umwandelte. Dies geschah durch die Ausgabe zusätzlicher Aktien der Lafarge Building Materials an Gesellschaften des Lafarge-Konzerns – wobei der überwiegende Teil der Aktien von der Financière Lafarge übernommen wurde. Die Zahlungen der Gesellschaften für diese Aktien wurden anschließend mit den Schulden der Lafarge Building Materials bei der Financière Lafarge in derselben Höhe verrechnet.

22.      Im März 1999 führte die britische Steuerverwaltung erstmals Untersuchungen über den Kauf von Redland durch. Die Steuerverwaltung wies die von Lafarge vertretene Auffassung zurück, dass eine externe Bank normalerweise ähnliche Darlehen zu ähnlichen Bedingungen wie denen, die zwischen der Financière Lafarge und der Lafarge Building Materials und zwischen der Minerals UK und der Lafarge SA vereinbart worden seien, gewährt hätte. Die Verwaltung war der Ansicht, dass ein Teil der Zinsen nach Section 209 (2) (da) TA als Ausschüttungen anzusehen sei. Nach verschiedenen Treffen zwischen der Steuerverwaltung und den Beratern von Lafarge wurde eine Übereinkunft geschlossen, nach der einige der von der Financière Lafarge an die Lafarge Building Materials und von der Minerals UK an die Lafarge SA gezahlten Zinsen als Ausschüttungen umqualifiziert wurden, insbesondere wenn das festgestellte Verhältnis der gesamten Nettoverschuldung zum Betriebseinkommen vor Steuern bestimmte Grenzen überstieg.

B –    Andere Musterkläger: der hier maßgebliche Sachverhalt

23.      Die anderen für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ausgewählten Musterverfahren betreffen die folgenden Unternehmensgruppen.

24.      Das erste zusätzliche Musterverfahren betrifft den Volvo-Konzern. Zu den hier maßgeblichen Unternehmen des Konzerns gehören 1. AB Volvo, die börsennotierte Muttergesellschaft mit Sitz in Schweden; 2. Volvo Treasury AB, eine in Schweden ansässige Gesellschaft und 100%ige unmittelbare Tochtergesellschaft der AB Volvo; 3. Volvo Truck and Bus Limited, eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die über in Schweden und den Niederlanden ansässige Zwischengesellschaften zu 100 % mittelbar von der AB Volvo gehalten wird; 4. VFS Financial Services (UK) Limited, eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die über in Schweden ansässige Zwischengesellschaften zu 100 % mittelbar von der AB Volvo gehalten wird. In dem Musterverfahren geht es um ein Darlehen, das Volvo Treasury im Oktober 1999 gemäß einer Darlehensvereinbarung an die Volvo Truck and Bus auszahlte. Unter ähnlichen Umständen wie in dem vorstehend dargestellten Fall des Lafarge-Konzerns wurde im Dezember 1999 ein Teil dieser Schulden in Eigenkapital der Volvo Truck and Bus umgewandelt. Der Volvo-Konzern traf im Jahr 2000 eine Vereinbarung mit der Steuerverwaltung des Vereinigten Königreichs über die Voraussetzungen, unter denen die Zinszahlungen des Konzerns nicht als Ausschüttungen umqualifiziert würden.

25.      Das zweite zusätzliche Musterverfahren betrifft den PepsiCo-Konzern. Zu den hier maßgeblichen Unternehmen des Konzerns gehören 1. PepsiCo Inc, die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Muttergesellschaft; 2. PepsiCo Finance Europe Limited, eine im Vereinigten Königreich eingetragene und in Luxemburg ansässige Gesellschaft, die über eine Niederlassung in der Schweiz tätig war und über in Irland und anderen Drittstaaten ansässige zwischengeschaltete Holdinggesellschaften zu 100 % mittelbar von der PepsiCo Inc gehalten wurde; 3. PepsiCo Holdings, eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die über in Mitgliedstaaten und Drittstaaten ansässige Zwischengesellschaften zu 100 % mittelbar von der PepsiCo Inc gehalten wurde. Ab 1999 zahlte PepsiCo Finance Europe der PepsiCo Holdings über die schweizerische Niederlassung Darlehen aus. Für die Zinsen, die auf diese Darlehen gezahlt wurden, galt das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Luxemburg von 1968.

26.      Das dritte und das vierte zusätzliche Musterverfahren betreffen jeweils den Caterpillar-Konzern, der Klagen erhoben hat, die als zwei gesonderte Typen von Musterverfahren angesehen werden.

27.      Im Rahmen des dritten zusätzlichen Musterverfahrens gehören zu den hier maßgeblichen Unternehmen des Caterpillar-Konzerns 1. Caterpillar Inc, die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Muttergesellschaft; 2. Caterpillar International Finance plc, eine Gesellschaft mit Sitz in Irland, die über im Vereinigten Königreich oder in den Vereinigten Staaten ansässige zwischengeschaltete Holdinggesellschaften (zu denen die in den Vereinigten Staaten ansässige Caterpillar Financial Services Corporation gehört) zu 100 % mittelbar von der Caterpillar Inc gehalten wird; 3. Caterpillar Financial Services (UK) Ltd, eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die über im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten ansässige zwischengeschaltete Holdinggesellschaften, darunter die Caterpillar Financial Services Corporation, zu 100 % mittelbar von der Caterpillar Inc gehalten wird. Die Caterpillar International Finance gewährte der Caterpillar Financial Services (UK) ein Darlehen. Für die Zinsen, die auf dieses Darlehen gezahlt wurden, galt das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland von 1976.

28.      Im Rahmen des vierten zusätzlichen Musterverfahrens gehören zu den maßgeblichen Unternehmen des Caterpillar-Konzerns 1. Caterpillar Inc; 2. Caterpillar Overseas SA, eine in der Schweiz ansässige Gesellschaft, die je nach den hier maßgeblichen Zeiträumen entweder unmittelbar oder mittelbar zu 100 % von der Caterpillar Inc gehalten wurde. In den Zeiträumen, in denen die Gesellschaft eine mittelbare Tochter war, waren die Holdinggesellschaften in den Vereinigten Staaten ansässig; 3. Caterpillar Peterlee Limited, eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die über ebenfalls dort ansässige zwischengeschaltete Holdinggesellschaften zu 100 % mittelbar von der Caterpillar Inc gehalten wurde. Die Caterpillar Overseas gewährte der Caterpillar Peterlee ein Darlehen. Für die Zinsen, die auf dieses Darlehen gezahlt wurden, galt das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz von 1977.

IV – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

29.      Nach übereinstimmender Feststellung des jeweiligen Sachverhalts der Musterverfahren wurden die Ausgangsverfahren am 21. Dezember 2004 ausgesetzt, und dem Gerichtshof wurden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Verstößt es gegen die Artikel 43 EG, 49 EG oder 56 EG, wenn ein Mitgliedstaat (im Folgenden: Staat der Darlehensnehmerin) Vorschriften wie Sections 209, 212 und Anhang 28AA des Income and Corporation Taxes Act (Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz) 1988 (im Folgenden: nationale Vorschriften) beibehält und anwendet, die die Möglichkeit für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft (im Folgenden: Darlehensnehmerin) beschränken, die Zinsen auf ein von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaft gewährtes Darlehen im Rahmen der Steuer abzuziehen, während die Darlehensnehmerin diesen Beschränkungen nicht unterworfen wäre, wenn die Muttergesellschaft im Staat der Darlehensnehmerin ansässig wäre?

2.      Macht es für die Beantwortung der Frage 1 einen Unterschied und, wenn ja, welchen,

a)      wenn das Finanzierungsdarlehen nicht von der Muttergesellschaft der Darlehensnehmerin, sondern von einer anderen Gesellschaft (im Folgenden: Darlehensgeberin) desselben Konzerns gewährt wurde, diese und die Darlehensnehmerin eine gemeinsame unmittelbare oder mittelbare Muttergesellschaft haben und sowohl die gemeinsame Muttergesellschaft als auch die Darlehensgeberin in anderen Mitgliedstaaten als dem der Darlehensnehmerin ansässig sind;

b)      wenn die Darlehensgeberin in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als die Darlehensnehmerin, aber alle gemeinsamen unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaften der Darlehensnehmerin und der Darlehensgeberin in einem Drittstaat ansässig sind;

c)      wenn alle gemeinsamen unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaften der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin in Drittstaaten ansässig sind und die Darlehensgeberin in einem anderen Mitgliedstaat als die Darlehensnehmerin ansässig ist, der Darlehensnehmerin das Finanzierungsdarlehen jedoch durch eine in einem Drittstaat ansässige Niederlassung der Darlehensgeberin auszahlt;

d)      wenn die Darlehensgeberin sowie alle gemeinsamen unmittelbaren und mittelbaren Muttergesellschaften der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin in Drittstaaten ansässig sind?

3.      Würde es für die Beantwortung der Fragen 1 und 2 einen Unterschied machen, wenn sich nachweisen ließe, dass das Darlehen rechtsmissbräuchlich oder Teil einer künstlichen Konstruktion war, mit der die Steuervorschriften des Mitgliedstaats der Darlehensnehmerin umgangen werden sollten? Wenn ja, welche zweckdienlichen Hinweise hält der Gerichtshof zu der Frage für angebracht, wie ein derartiger Missbrauch oder eine derartige künstliche Konstruktion in Fällen wie dem vorliegenden zu behandeln ist?

4.      Falls eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Sinne von Artikel 56 EG vorliegt, bestand diese dann für die Zwecke des Artikels 57 EG am 31. Dezember 1993?

5.      Wenn in dem Fall, dass einer der in den Fragen 1 und 2 angeführten Punkte gegen die Artikel 43 EG, 49 EG oder 56 EG verstößt, die Darlehensnehmerin oder andere Gesellschaften ihres Konzerns (im Folgenden: Klägerinnen) folgende Ansprüche erheben:

a)      einen Anspruch auf Rückzahlung der Körperschaftsteuer, die die Darlehensnehmerin infolge Verweigerung des Abzugs der an die Darlehensgeberin gezahlten Zinsen von ihren körperschaftsteuerpflichtigen Gewinnen zusätzlich gezahlt hat, während der Abzug dieser Zinszahlungen von den Gewinnen der Darlehensnehmerin zulässig gewesen wäre, wenn die Darlehensgeberin im selben Staat wie die Darlehensnehmerin ansässig gewesen wäre;

b)      einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Darlehensnehmerin zusätzlich gezahlten Körperschaftsteuer, soweit die Darlehenszinsen tatsächlich in voller Höhe an die Darlehensgeberin gezahlt worden sind, der Anspruch auf Abzug dieser Zinsen jedoch aufgrund der nationalen Vorschriften oder der Anwendung dieser Vorschriften durch die Steuerbehörden gekürzt wurde;

c)      einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Darlehensnehmerin zusätzlich gezahlten Körperschaftsteuer, soweit der auf Darlehen der Darlehensgeberin gezahlte Zinsbetrag, der von den Gewinnen der Darlehensnehmerin abgezogen werden durfte, aufgrund der nationalen Vorschriften oder deren Anwendung durch die Steuerbehörden gekürzt wurde, weil Eigenkapital statt Darlehenskapital eingebracht oder bestehendes Darlehenskapital durch Eigenkapital ersetzt worden war;

d)      einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Darlehensnehmerin zusätzlich gezahlten Körperschaftsteuer, soweit die auf Darlehen der Darlehensgeberin gezahlten Zinsen, die von den Gewinnen der Darlehensnehmerin abgezogen werden durften, aufgrund der nationalen Vorschriften oder deren Anwendung durch die Steuerbehörden gekürzt wurden, indem der auf das Darlehen zu zahlende Zinssatz herabgesetzt (oder das Darlehen zinsfrei gestellt) wurde;

e)      einen Anspruch auf Erstattung oder Entschädigung für Verluste oder andere bei der Darlehensnehmerin vorliegende (oder von anderen im selben Staat ansässigen Gesellschaften ihres Konzerns an sie übertragene) Steuerfreibeträge und -gutschriften, die diese zur Verrechnung mit den unter den Buchstaben a, b und c genannten zusätzlichen Körperschaftsteuerverbindlichkeiten verwendet hat, während diese Verluste, Freibeträge und Gutschriften sonst hätten anderweitig verwendet oder auf die folgenden Jahre übertragen werden können;

f)      einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Darlehensnehmerin geleisteten Körperschaftsteuervorauszahlungen, die nicht für die als Ausschüttungen umqualifizierten Zinszahlungen an die Darlehensgeberin verwendet wurden;

g)      einen Anspruch auf Erstattung oder Entschädigung für die Beträge, die unter den unter Buchstabe f angeführten Umständen als Körperschaftsteuervorauszahlungen abgeführt, anschließend jedoch mit den Körperschaftsteuerverbindlichkeiten der Darlehensnehmerin verrechnet wurden;

h)      einen Anspruch auf Entschädigung für die Kosten und Auslagen, die den Klägerinnen durch die Befolgung der nationalen Vorschriften und deren Anwendung durch die Steuerbehörde entstanden sind;

i)      einen Anspruch auf Erstattung oder Entschädigung für den entgangenen Gewinn auf das unter den unter Buchstabe c angeführten Umständen als Eigenkapital angelegte (oder in solches umgewandelte) Darlehenskapital;

j)      einen Anspruch auf Erstattung oder Entschädigung für alle Steuerverbindlichkeiten, die der Darlehensgeberin in ihrem Niederlassungsstaat aufgrund des angenommenen oder ihr zugerechneten Empfangs von durch die Darlehensnehmerin gezahlten Zinsen entstanden sind, die nach den in Frage 1 angeführten nationalen Vorschriften als Ausschüttungen umqualifiziert wurden;

sind diese Ansprüche dann für die Zwecke des Gemeinschaftsrechts anzusehen als:

Ansprüche auf Erstattung oder Rückzahlung von rechtswidrig erhobenen Beträgen, die sich aus dem Verstoß gegen die vorgenannten Gemeinschaftsbestimmungen ergeben und mit diesem zusammenhängen,

Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz oder

Ansprüche auf Zahlung eines Betrages, der einer rechtswidrig abgelehnten Vergünstigung entspricht?

6.      Für den Fall, dass die Antwort auf irgendeinen Teil von Frage 5 lautet, dass es sich bei den Ansprüchen um solche auf Zahlung eines Betrages handelt, der einer rechtswidrig abgelehnten Vergünstigung entspricht,

a)      ergeben sich diese Ansprüche dann aus dem durch die vorgenannten Gemeinschaftsbestimmungen verliehenen Recht und hängen mit diesem zusammen;

b)      müssen alle oder einige der in den verbundenen Rechtssachen C‑46/93 und C‑48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame) festgelegten Voraussetzungen erfüllt sein, oder

c)      müssen andere Voraussetzungen erfüllt sein?

7.      Macht es einen Unterschied, ob die in Frage 6 angeführten Ansprüche nach innerstaatlichem Recht als Erstattungsansprüche geltend gemacht werden oder ob sie als Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden oder werden müssen?

8.      Welche zweckdienlichen Hinweise hält der Gerichtshof in den vorliegenden Fällen gegebenenfalls zu den Umständen für angebracht, die das nationale Gericht bei der Beurteilung berücksichtigen muss, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß im Sinne des Urteils in den verbundenen Rechtssachen C‑46/93 und C‑48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame) vorliegt, vor allem, ob der Verstoß in Anbetracht der Rechtsprechung zur Auslegung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entschuldbar war?

9.      Kann grundsätzlich ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (im Sinne des Urteils in den verbundenen Rechtssachen C‑46/93 und C‑48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame) zwischen einem Verstoß gegen die Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG und Verlusten der in Frage 5 Buchstaben a bis h genannten Kategorien bestehen, die sich nach Ansicht der Klägerinnen aus diesem Verstoß ergeben? Falls ja, welche zweckdienlichen Hinweise hält der Gerichtshof gegebenenfalls zu den Umständen für angebracht, die das nationale Gericht bei der Feststellung berücksichtigen muss, ob ein derartiger unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht?

10.      Steht es dem nationalen Gericht bei der Feststellung des gegebenenfalls entschädigungsfähigen Verlustes oder Schadens frei, die Frage zu berücksichtigen, ob sich die Geschädigten in angemessener Form, insbesondere durch Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen, mit denen sich möglicherweise hätte nachweisen lassen, dass die nationalen Vorschriften (aufgrund der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen) nicht die in Frage 1 angeführten Beschränkungen auferlegten, um die Verhinderung oder Begrenzung des Verlustes bemüht haben? Spielt es für die Antwort auf diese Frage eine Rolle, was die Parteien zu den maßgeblichen Zeitpunkten hinsichtlich der Wirkung der Doppelbesteuerungsabkommen dachten?

30.      Gemäß Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes haben die Musterklägerinnen, die Regierung des Vereinigten Königreichs, die deutsche Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2006 haben alle Beteiligten sowie die Regierung der Niederlande mündliche Ausführungen gemacht.

V –    Erörterung

A –    Anwendbare Bestimmung(en) des Vertrages

31.      Da das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit der einschlägigen Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs mit den Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr (Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG) angesprochen hat, ist als Erstes zu fragen, in Bezug auf welche dieser Vertragsbestimmungen die genannten Rechtsvorschriften zu würdigen sind. Diese Frage ist aus zwei Gründen von Bedeutung. Während erstens die Artikel 43 EG und 49 EG nur für Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit zwischen Mitgliedstaaten gelten, verbietet Artikel 56 EG auch Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Zweitens unterscheidet sich der zeitliche Anwendungsbereich des Artikels 56 EG von dem der Artikel 43 EG und 49 EG: Artikel 56 EG trat am 1. Januar 1994 in Kraft, wurde am selben Tag unmittelbar wirksam und unterliegt der Stillhaltevorschrift (Artikel 57 EG) in Bezug auf dritte Länder (obwohl der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs bereits in der Richtlinie 88/361 des Rates verankert worden war)(18).

32.      Zunächst zu Artikel 43 EG hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft mit einer Beteiligung an einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, die ihr „einen solchen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft“ verleiht, dass sie „deren Tätigkeiten bestimmen“ kann, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht(19).

33.      Im vorliegenden Fall finden meines Erachtens die einschlägigen Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs nach ihrem Wortlaut in allen dem Gerichtshof vorgelegten geänderten Fassungen nur auf Fälle Anwendung, in denen eine Gesellschaft einen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen einer anderen Gesellschaft hat (oder im maßgeblichen Zeitpunkt hatte). So fand in der Fassung der Rechtsvorschriften, die bis zu den Änderungen von 1995 in Kraft waren, Section 209 (2) (e) insbesondere Anwendung, wenn es um Darlehen ging, die eine gebietsfremde Gesellschaft einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft gewährte, die eine 75%ige Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin war, oder wenn beide Gesellschaften 75%ige Tochtergesellschaften einer nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Drittgesellschaft waren (d. h., wenn das Darlehen der Muttergesellschaft über eine andere Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellt wurde). Diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit blieb nach den Änderungen durch den Finance Act 1995 bestehen(20).

34.      Diese Lage änderte sich ein wenig durch den britischen Finance Act von 1998, durch den Geschäftsvorgänge, die früher unter die speziellen Vorschriften über die Unterkapitalisierung fielen, den allgemeinen britischen Vorschriften über Transferpreise unterworfen wurden. Die letztgenannten Vorschriften finden jedoch nur Anwendung, wenn die Bereitstellung durch einen geschäftlichen Vorgang zwischen zwei Gesellschaften unter gemeinsamer Kontrolle erfolgt oder auferlegt wird, d. h., wenn eine dieser Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar an der Leitung, der Kontrolle oder dem Kapital der anderen Partei beteiligt ist oder wenn ein und dieselbe Person unmittelbar oder mittelbar an der Leitung, der Kontrolle oder dem Kapital dieser beiden Gesellschaften beteiligt ist(21). Diese Voraussetzung ist meines Erachtens ein ausreichender Hinweis, dass das Kriterium des bestimmenden Einflusses hier erfüllt ist. Jedenfalls ist an allen Musterverfahren eine im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaft beteiligt, die zu mindestens 75 % unmittelbar oder mittelbar von einer gebietsfremden Muttergesellschaft oder einer anderen gebietsfremden Gesellschaft, die ebenfalls eine 75%ige unmittelbare oder mittelbare Tochter der Muttergesellschaft ist, gehalten wird. Man könnte sagen, dass die aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts der britischen Rechtsvorschriften getroffene Feststellung, dass Artikel 43 EG Anwendung findet, durch Sinn und Zweck der nationalen Vorschriften über die Unterkapitalisierung und über die Transferpreise untermauert wird, die, wie ich oben ausgeführt habe, auf der Überlegung basieren, dass es unter bestimmten Umständen für die allgemeine steuerrechtliche Lage von grenzüberschreitend tätigen Konzernen vorteilhaft sein kann, sich hinsichtlich der Bedingungen oder der Art eines Geschäfts um eine Einigung zu bemühen, die unter Wettbewerbsbedingungen anders ausfallen würde. Diese Überlegung ist aber nur richtig, wenn es um Konzerne geht, d. h., wenn die Muttergesellschaften (und/oder zwischengeschaltete Konzerngesellschaften) einen bestimmenden Einfluss auf nachgeschaltete Tochtergesellschaften haben(22).

35.      Die hier in Rede stehenden Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs sind daher auf ihre Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit hin zu prüfen. Dies bedeutet allerdings, dass Artikel 49 EG, der keine ständige, aber eine zeitlich begrenzte Basis in einem anderen Mitgliedstaat voraussetzt, keine Anwendung findet(23). Dagegen können jedoch grundsätzlich die Bestimmungen des Vertrages über den freien Kapitalverkehr gleichzeitig mit denen über die Niederlassungsfreiheit anwendbar sein(24). In diesem Punkt möchte ich auf die Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Baars verweisen, in denen er die Auffassung vertrat, der Gerichtshof müsse, wenn sowohl die Freiheit des Kapitalverkehrs als auch die Niederlassungsfreiheit potenziell in Frage kämen, prüfen, in welche dieser beiden Freiheiten durch die maßgeblichen nationalen Vorschriften unmittelbar eingegriffen werde. Wenn daher beide Freiheiten unmittelbar betroffen seien, müssten die nationalen Vorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Artikeln 43 EG und 56 EG hin geprüft werden. Liege dagegen ein unmittelbarer Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vor, der wegen der Behinderung der Niederlassung mittelbar zu einer Verringerung der Kapitalströme zwischen den Mitgliedstaaten führe, so seien insoweit allein die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit anwendbar(25). Diesen Erwägungen schließe ich mich an.

36.      Wendet man dieses Kriterium auf den vorliegenden Fall an, so ist, obwohl die Ausübung der Niederlassungsfreiheit gebietsfremder Muttergesellschaften durch Gründung einer im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaft zwangsläufig eine Kapitalüberführung in das Vereinigte Königreich erfordert, soweit dies für die Gründung dieser Tochtergesellschaft notwendig ist, dieser Kapitalverkehr meines Erachtens eine rein mittelbare Folge dieser Gründung. Die in Rede stehenden britischen Rechtsvorschriften sind folglich nur auf die Vereinbarkeit mit Artikel 43 EG hin zu prüfen.

B –    Frage 1

37.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es gegen die Artikel 43 EG, 49 EG oder 56 EG verstößt, wenn ein Mitgliedstaat Vorschriften wie Sections 209, 212 und Anhang 28AA TA beibehält und anwendet, die die Möglichkeit für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft beschränken, die Zinsen auf ein von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaft gewährtes Darlehen von der Steuer abzuziehen, während die Darlehensnehmerin diesen Beschränkungen nicht unterworfen wäre, wenn die Muttergesellschaft im Staat der Darlehensnehmerin ansässig wäre.

38.      Das für diese Frage maßgebliche Musterverfahren ist das Verfahren des Lafarge-Konzerns. Aus den soeben dargelegten Gründen werde ich die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften nur mit Artikel 43 EG prüfen.

39.      Nach ständiger Rechtsprechung fallen die direkten Steuern zwar grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese müssen ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben, das die Verpflichtung nach Artikel 43 EG umfasst, Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind, zu verbieten(26). Artikel 43 Absatz 2 EG bestimmt, dass die Niederlassungsfreiheit die Gründung und Leitung von Unternehmen in einem Mitgliedstaat nach den Bestimmungen dieses Staates für seine eigenen Angehörigen umfasst.

40.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Test Claimants in the FII Group Litigation, Kerckhaert und Morres sowie Denkavit(27) ausgeführt habe, findet Artikel 43 EG Anwendung, wenn die unterschiedliche Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte und rein inländischer Sachverhalte nicht unmittelbare zwangsläufige Folge des Umstands ist, dass beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts für Steuerpflichtige bei grenzüberschreitenden Sachverhalten andere steuerliche Verpflichtungen als bei rein inländischen Sachverhalten gelten(28). Dies bedeutet insbesondere, dass eine nachteilige steuerliche Behandlung nur dann unter Artikel 43 EG fällt, wenn sie sich aus einer unmittelbaren oder verdeckten Diskriminierung aufgrund der Bestimmungen eines Steuersystems, nicht aber nur aus Unterschieden oder der Aufteilung der Besteuerungskompetenz auf zwei oder mehr Steuersysteme von Mitgliedstaaten oder aus dem Nebeneinander nationaler Steuerverwaltungen ergibt (was ich als Quasibeschränkung bezeichnet habe)(29).

41.      Wendet man dieses Kriterium auf den vorliegenden Fall an, erhebt sich als Erstes die Frage, ob, wie die Musterklägerinnen meinen, die britischen Vorschriften eine nachteilige steuerliche Behandlung im Vereinigten Königreich ansässiger Tochtergesellschaften aufgrund des Sitzes ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaften zur Folge haben. Wenn ja, stellt sich die weitere Frage, ob diese nachteilige steuerliche Behandlung nur die Folge einer Quasibeschränkung ist und somit nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 43 EG fällt. Sollte dies nicht der Fall sein, stellt sich als Letztes die Frage, ob die nachteilige steuerliche Behandlung die Folge einer Diskriminierung ist und ob diese Diskriminierung gerechtfertigt werden kann.

1.      Nachteilige steuerliche Behandlung im Vereinigten Königreich ansässiger Tochtergesellschaften aufgrund des Sitzes ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaften?

42.      Es scheint mir klar, dass die steuerliche Differenzierung gemäß den bis 2004 geltenden Vorschriften des Vereinigten Königreichs dort ansässige Tochtergesellschaften mit gebietsfremden Muttergesellschaften im Vergleich zu gebietsansässigen Tochtergesellschaften mit rein gebietsansässigen Muttergesellschaften steuerlich benachteiligte.

43.      Erstens stellte die steuerliche Differenzierung in den britischen Vorschriften zwischen gebietsansässigen Tochtergesellschaften tatsächlich auf den Sitz ihrer Muttergesellschaften ab. Daraus folgt:

–        Während nach den bis 1995 geltenden Vorschriften die von einer Gesellschaft entrichteten Darlehenszinsen, die über dem angemessenen wirtschaftlichen Ertrag aus dem Darlehen lagen – unabhängig davon, ob sie an einen gebietsansässigen oder gebietsfremden Darlehensgeber gezahlt wurden –, grundsätzlich als Gewinnausschüttung anzusehen waren, soweit sie diesen Ertrag überstiegen(30), wurden die Zinsen, die an einen zum selben Konzern gehörenden Darlehensgeber gezahlt wurden, der nicht im Vereinigten Königreich ansässig war, als Ausschüttungen behandelt(31). Mit anderen Worten, nach der Steuerregelung des Vereinigten Königreichs konnten die an einen gebietsfremden Darlehensgeber gezahlten Zinsen im Vereinigten Königreich unter keinen Umständen steuerlich weiter als Zinsen behandelt werden.

–        Nach den zwischen 1995 und 1998 geltenden Vorschriften fand die Bestimmung, dass unter Mitgliedern eines Konzerns gezahlte Zinsen, die den Betrag überstiegen, der bei Geschäften mit Dritten gezahlt worden wäre, als Ausschüttungen zu behandeln waren(32), keine Anwendung, wenn sowohl der Zahlende als auch der Empfänger der Zinsen im Vereinigten Königreich körperschaftsteuerpflichtig waren(33) (eine unterschiedliche Behandlung, die darauf abstellt, ob der Empfänger im Vereinigten Königreich körperschaftsteuerpflichtig ist, kann voraussichtlich relevant sein, wenn der Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich gegründet wurde oder überwiegend tätig ist).

–        Nach den zwischen 1998 und 2004 geltenden Vorschriften wurden Zinszahlungen innerhalb eines Konzerns gemäß den Vorschriften des Vereinigten Königreichs über Transferpreise behandelt(34). Die Bereitstellung durch einen geschäftlichen Vorgang wurde jedoch für keine der betroffenen Personen als potenziell vorteilhaft angesehen, wenn u. a. die andere an dem geschäftlichen Vorgang beteiligte Partei im Vereinigten Königreich einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig war (und bestimmte andere Voraussetzungen erfüllt waren)(35).

44.      Der britische Finance Act 2004 änderte jedoch diese Differenzierung dahin ab, dass die Vorschriften des Vereinigten Königreichs über Transferpreise auch dann gelten, wenn beide an dem geschäftlichen Vorgang beteiligten Parteien im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind. Diese Änderung bezweckte und bewirkte offensichtlich die Beseitigung der unterschiedlichen Behandlung, wie ich sie dargestellt habe (auch wenn, wie ich unten erörtern werde, möglicherweise beabsichtigt war, die Anwendung der Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs auf Fälle auszudehnen, die außerhalb ihres eigentlichen Zweckes liegen). Die Vorschriften des Vereinigten Königreichs ab 2004 fallen somit nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 43 EG: Die im Folgenden dargelegten Erwägungen gelten daher nur für die Vorschriften, die bis zu diesem Zeitpunkt in Kraft waren.

45.      Zweitens führte die Behandlung der Tochtergesellschaften, die mit den genannten gebietsfremden Konzernelementen verbunden waren, klar und deutlich zu einer steuerlichen Benachteiligung. Aus der Sicht der Tochtergesellschaft bedeutete die Umqualifizierung von (Teilen der) Zinszahlungen als Ausschüttungen, dass diese Zahlungen nicht mehr vom steuerpflichtigen Gewinn der Tochtergesellschaft abgezogen werden konnten, so dass die Steuerschuld der Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich – bei sonst unveränderten Gegebenheiten – größer war, als sie ohne eine solche Umqualifizierung gewesen wäre. Außerdem bedeutete die Umqualifizierung in den Fällen, in denen das System der Advance Corporation Tax (Quellensteuer auf Gewinne, im Folgenden: ACT) noch in Kraft war – es wurde 1999 abgeschafft –, dass die Tochtergesellschaft verpflichtet war, auf die „Ausschüttungen“ ACT zu entrichten.

46.      Hierzu macht das Vereinigte Königreich geltend, dies sei keine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums der Staatszugehörigkeit im Sinne des Artikels 43 EG, da das Kriterium für die Differenzierung nicht die Staatszugehörigkeit oder der Sitz der Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich, sondern die Staatszugehörigkeit oder der Sitz der Muttergesellschaft sei. Zu dem möglichen Einwand, dass die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs eine Muttergesellschaft, die die Absicht habe, eine Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich zu gründen, von diesem Vorhaben abhalten könnten, trägt das Vereinigte Königreich vor, diese Möglichkeit sei in entsprechender Anwendung des im Bereich des freien Warenverkehrs ergangenen Urteils Keck nicht eine Folge, die sich so unmittelbar und bestimmt aus seinen Vorschriften ergebe, dass sie unter Artikel 43 EG falle. Weder habe für gebietsfremde Muttergesellschaften bei der Gründung von Zweigniederlassungen im Vereinigten Königreich ein praktisches Hindernis bestanden, noch gebe es einen Beweis dafür, dass die Klägerinnen von der Gründung einer solchen Niederlassung tatsächlich abgehalten worden seien. Das Vereinigte Königreich unterstütze derartige Investitionen in seinem Hoheitsgebiet. Ziel seiner Rechtsvorschriften sei es gewesen, den gebietsansässigen Tochtergesellschaften eine Gleichbehandlung zu sichern, indem für grenzüberschreitend tätige Konzerne ein „Schlupfloch“ geschlossen worden sei, das es für ausschließlich im Vereinigten Königreich ansässige Konzerne nicht gegeben habe.

47.      Keines dieser Argumente überzeugt mich. Erstens bedeutet der Umstand, dass die unterschiedliche Behandlung zwar nicht aufgrund des Sitzes der Tochtergesellschaft, sondern aufgrund desjenigen der Muttergesellschaft erfolgt, nicht, dass nicht eine im Sinne des Artikels 43 EG relevante unterschiedliche Behandlung vorliegen kann. Wie der Gerichtshof u. a. in den Urteilen Metallgesellschaft und Lankhorst‑Hohorst entschieden hat, fallen Rechtsvorschriften, die gebietsansässige Tochtergesellschaften unterschiedlich behandeln, je nachdem, ob ihre Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich ansässig ist oder nicht, wodurch Tochtergesellschaften mit einer dort ansässigen Muttergesellschaft einen Steuervorteil erhalten, grundsätzlich unter Artikel 43 EG(36). Was zweitens die behauptete mittelbare Wirkung der britischen Vorschriften auf die Entscheidungen gebietsfremder Muttergesellschaften, eine Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich zu gründen, angeht, so genügt für eine Anwendung des Artikels 43 EG der Nachweis einer erheblichen Ungleichbehandlung und eines Steuervorteils. Nicht erforderlich ist der Nachweis, dass bestimmte gebietsfremde Gesellschaften durch die Vorschriften tatsächlich von der Ausübung ihres Rechts auf freie Niederlassung abgehalten worden sind.

48.      Ich möchte hinzufügen, dass meines Erachtens das Urteil Keck, das im Bereich des freien Warenverkehrs ergangen ist, nicht ohne weiteres bei der Beurteilung der Frage herangezogen werden kann, ob nationale Maßnahmen im Bereich direkter Steuern mit Artikel 43 EG vereinbar sind(37). Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache ACT ausgeführt habe, kann der Begriff der unterschiedslos geltenden „Beschränkungen“ der Freizügigkeit, der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur allgemeinen Freizügigkeit verwendet wird, als solcher nicht sinnvoll auf den Bereich der direkten Steuern übertragen werden. Da Kriterien für die Geltendmachung der Besteuerungskompetenz im Allgemeinen auf die Staatsangehörigkeit oder den Sitz gestützt werden, stellt sich vielmehr die Frage, ob die nationale Maßnahme im Bereich der direkten Steuern im Unterschied zu einer Quasibeschränkung, wie ich sie oben beschrieben habe, mittelbar oder unmittelbar diskriminierend ist(38).

49.      Das soll nicht heißen, dass die Frage, welches Gewicht die Auswirkungen auf die Ausübung der Freizügigkeit haben, bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit Artikel 43 EG nicht irgendwann berücksichtigt werden kann. Es kann eine wichtige Erwägung sein, wenn die Rechtfertigung und insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geprüft wird.

2.      Ist die nachteilige steuerliche Behandlung die Folge einer Quasibeschränkung?

50.      Die nächste Frage ist, ob die nachteilige steuerliche Behandlung einer im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaft mit einer unmittelbaren oder mittelbaren gebietsfremden Muttergesellschaft nur die Folge von Quasibeschränkungen ist – d. h. von Beschränkungen, die durch Unterschiede oder die Aufteilung der Besteuerungskompetenz auf zwei oder mehr Steuersysteme von Mitgliedstaaten (was bedeutet, dass Artikel 43 EG nicht anwendbar ist) und nicht durch eine Diskriminierung hervorgerufen werden, die sich aus den Vorschriften eines Steuersystems ergibt.

51.      In diesem Punkt macht das Vereinigte Königreich geltend, die beanstandeten Vorschriften hätten nur die Aufgabe, die steuerliche Zuständigkeit zwischen ihm, dem Vereinigten Königreich, und den anderen Vertragsparteien der Doppelbesteuerungsabkommen aufzuteilen. Aus den Erwägungen des Gerichtshofes im Urteil Gilly(39) gehe hervor, dass Artikel 43 EG im vorliegenden Fall überhaupt keine Anwendung finde: Der Artikel finde nur auf die Ausübung, nicht aber auf die Aufteilung der nationalen Steuerhoheit Anwendung. Die betreffenden Vorschriften spiegelten die Neuaufteilung wider, die nach den Verhandlungen über die maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen durchgeführt worden sei, da es in allen Doppelbesteuerungsabkommen, die das Vereinigte Königreich mit anderen Mitgliedstaaten abgeschlossen habe, eine Bestimmung gebe, die den jeweils zuständigen Stellen die Möglichkeit gebe, im Wege einer Anpassung eine Zunahme der steuerpflichtigen Gewinne im Vereinigten Königreich durch eine gleich hohe Herabsetzung der steuerpflichtigen Gewinne des Darlehensgebers in dem Land seines Sitzes auszugleichen.

52.      Dieses Argument überzeugt mich nicht.

53.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache ACT ausgeführt habe(40), liegt zwar beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Befugnis zur Festlegung der Kriterien für die Besteuerungskompetenz und die Verteilung (des Vorrangs) der Besteuerungskompetenz allein bei den Mitgliedstaaten (nach Maßgabe des internationalen Steuerrechts). Der Gerichtshof hat dies wiederholt festgestellt, insbesondere in den Urteilen Gilly und D.(41). Gegenwärtig lassen sich im Gemeinschaftsrecht keine alternativen Kriterien und keine Grundlage für die Aufstellung solcher Kriterien finden. Dass die Kompetenz für die Besteuerung des Einkommens grenzüberschreitend tätiger Wirtschaftsteilnehmer unter den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden muss (Verlagerung der Besteuerungsgrundlage), ist zudem eine zwangsläufige Folge des Umstands, dass Systeme der direkten Besteuerung national sind: Beschränkungen, die sich aus dieser Aufteilung ergeben, sollten als Quasibeschränkungen betrachtet werden, die nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 43 EG fallen.

54.      Meines Erachtens gehen jedoch die in Rede stehenden Vorschriften des Vereinigten Königreichs über eine bloße Verteilung der Besteuerungskompetenz zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vertragspartnern der Doppelbesteuerungsabkommen hinaus. Vor 1998 verlangten die Vorschriften im Wesentlichen, dass die Darlehen, die im Vereinigten Königreich nicht ansässige Muttergesellschaften den gebietsansässigen Tochtergesellschaften gewährten, als Ausschüttungen umqualifiziert werden (bis 1995 in jedem Fall, sofern in den Doppelbesteuerungsabkommen nichts anderes vorgesehen war; nach 1995, sofern die Höhe der gezahlten Zinsen den Betrag überstieg, der bei Geschäften mit Dritten gezahlt worden wäre). Dies, so scheint mir, ist Ausdruck der völlig einseitigen Entscheidung des Vereinigten Königreichs darüber, wie es Geschäftsvorgänge steuerlich einordnen will, um durch entsprechende Ausgestaltung den Missbrauch seines Steuersystems zu verhindern – mit anderen Worten, wie es seine Steuerhoheit handhaben will. Dieses grundlegende Ziel der Vorschriften ist eindeutig, unabhängig davon, ob es in inländischen Gesetzen oder, wie vor 1995 in bestimmten Fällen geschehen, in der Bestimmung eines Doppelbesteuerungsabkommens niedergelegt ist. Zudem wurde diese einseitige Entscheidung wiederum im Zusammenhang mit einer früheren einseitigen Entscheidung des Vereinigten Königreichs getroffen, nämlich zwischen der steuerlichen Behandlung von Zinszahlungen (die nach britischem Recht als absetzbare Aufwendungen vor Steuer behandelt werden) und der von Ausschüttungen (die nach britischem Recht als nicht absetzbare Zahlungen nach Steuer behandelt werden) zu unterscheiden. Obwohl das Vereinigte Königreich seit 1998 die Frage der Unterkapitalisierung im Rahmen seiner allgemeinen Vorschriften über Transferpreise, nicht aber im Rahmen besonderer Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung geregelt hat, stellte auch dies eine einseitige Entscheidung des Vereinigten Königreichs dar, bestimmte Geschäfte, die nicht unter marktüblichen Bedingungen geschlossen wurden, so zu behandeln, als seien sie unter solchen Bedingungen zustande gekommen, um den Missbrauch des Steuersystems des Vereinigten Königreichs zu verhindern.

55.      Ich möchte hinzufügen, dass der Umstand, dass solche Praktiken im internationalen Steuerrecht möglicherweise anerkannt werden, nicht bedeutet, dass sie einer Regelung über die Verteilung der Besteuerungskompetenz gleichkommen; auch bedeutet es nicht zwangsläufig, dass diese Praxis mit Artikel 43 EG im Einklang steht(42).

56.      Auch das Argument des Vereinigten Königreichs, seine mit einigen Mitgliedstaaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen enthielten bestimmte Vorschriften, nach denen die andere Vertragspartei Umqualifizierungen der britischen Behörden ausgleichen müsste, ändert an diesem Ergebnis nichts. Meines Erachtens haben diese Vorschriften den Zweck, mit Hilfe eines bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens die eventuell durch die britischen Vorschriften über die einseitige Umqualifizierung verursachte Doppelbesteuerung einzuschränken (z. B. Fälle zu verhindern, in denen das Vereinigte Königreich eine Zinszahlung als Ausschüttung umqualifiziert, der Sitzstaat der Muttergesellschaft sie jedoch weiterhin als Zinszahlung ansieht). Sie widerlegen nicht den einseitigen Charakter der ursprünglichen nationalen Regelung, auf die die Vorschrift des Doppelbesteuerungsabkommens zurückgeht. Wie ich in meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen ACT und Denkavit(43) ausgeführt habe und wie ich weiter unten noch darlegen werde, sind die Auswirkungen, die diese Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen auf die Lage eines bestimmten Steuerpflichtigen haben, bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats tatsächlich diskriminierend ist – insbesondere, ob in Wirklichkeit eine Ungleichbehandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden vorliegt, die eine steuerliche Benachteiligung mit sich bringt.

57.      Im Ergebnis kann die nachteilige steuerliche Behandlung, die im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaften mit gebietsfremden Muttergesellschaften im Vergleich zu denen mit gebietsansässigen Muttergesellschaften aufgrund der Vorschriften des Vereinigten Königreichs erfahren, nicht einfach als eine Quasibeschränkung angesehen werden, sondern ist als eine unterschiedliche Behandlung zu qualifizieren, die sich nur aus den im Rahmen der Besteuerungskompetenz eines Landes erlassenen Vorschriften ergibt.

3.      Ist die nachteilige steuerliche Behandlung die Folge einer Diskriminierung?

58.      Die letzte Frage ist, ob von der nachteiligen steuerlichen Behandlung behauptet werden kann, dass sie die Folge einer Diskriminierung ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes besteht eine Diskriminierung darin, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird, es sei denn, der Unterschied ist gerechtfertigt(44).

59.      Wie bereits dargelegt, wandte das Vereinigte Königreich vor den Änderungen von 2004 auf gebietsansässige Tochtergesellschaften mit gebietsfremden Muttergesellschaften andere Vorschriften an, die zu einer steuerlichen Benachteiligung der Tochtergesellschaften führten. Auf den ersten Blick scheint klar zu sein, dass dies als eine Ungleichbehandlung von Unternehmen in einer vergleichbaren Situation anzusehen ist; das Vereinigte Königreich hat in seinen Ausführungen auch nichts Gegenteiliges vorgetragen. Die Besteuerungskompetenz, die das Vereinigte Königreich für gebietsansässige Tochtergesellschaften mit gebietsfremden Muttergesellschaften besaß, war nach Art und Umfang im Prinzip dieselbe wie die, die das Vereinigte Königreich für gebietsansässige Tochtergesellschaften mit gebietsansässigen Muttergesellschaften besaß. In Ausübung dieser Besteuerungskompetenz war das Vereinigte Königreich daher nach Artikel 43 EG verpflichtet, bei der steuerlichen Behandlung gebietsansässiger Tochtergesellschaften nicht allein nach dem Sitz der Muttergesellschaft zu differenzieren. Auf den ersten Blick ist das Vereinigte Königreich dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

60.      Es steht dem Vereinigten Königreich indessen frei, nachzuweisen, dass diese unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt war. Hierzu muss das Vereinigte Königreich nachweisen, dass 1. mit seinen Rechtsvorschriften ein berechtigtes und mit dem EG-Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und die Vorschriften durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, 2. die Anwendung der Rechtsvorschriften zur Erreichung des damit verfolgten Zieles geeignet ist und 3. die Anwendung der Rechtsvorschriften nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist(45).

61.      Hierzu trägt das Vereinigte Königreich vor, seine Vorschriften seien eine angemessene Antwort auf berechtigte politische Ziele, die unterschiedlich zu qualifizieren seien, sei es als Ziele der steuerlichen Kohärenz (wie im Urteil Bachmann)(46), der Bekämpfung von Steuerumgehung (wie im Urteil ICI)(47) oder der Verhinderung völlig gekünstelter Konstruktionen zur Umgehung des Steuerrechts. Im Kern liefen diese Ziele auf das rechtmäßige Ziel hinaus, eine angemessene und kohärente steuerliche Behandlung zu gewährleisten, insbesondere durch die Regelung, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Darlehensgeberin an dem Ort besteuert werde, an dem sie erbracht werde. Ich werde die Stichhaltigkeit dieser Rechtfertigungsgründe der Reihe nach prüfen.

a)      Rechtfertigung aus Gründen der Missbrauchsbekämpfung

62.      Der Gerichtshof hat in zahlreichen Fällen anerkannt, dass Mitgliedstaaten grundsätzlich berechtigt sein können, zur Bekämpfung von Rechtsmissbrauch Maßnahmen im Bereich der direkten Steuern zu ergreifen, die sonst diskriminierend wären (obwohl der Gerichtshof diese Rechtfertigung bisher bei keiner nationalen Maßnahme tatsächlich anerkannt hat). Dies ist jüngst im Urteil Marks & Spencer deutlich geworden, wo der Gerichtshof feststellte, dass eine nationale Regelung, die den Abzug grenzüberschreitender Verluste beschränke, durch die Steuerfluchtgefahr gerechtfertigt sein könne, insbesondere durch die Gefahr, dass die Verlustübertragungen innerhalb eines Gesellschaftskonzerns in Richtung der Gesellschaften geleitet würden, die in den Mitgliedstaaten ansässig seien, in denen die höchsten Steuersätze gälten und folglich der steuerliche Wert der Verluste am höchsten sei(48). Dieser Standpunkt wird auch in den Urteilen Lankhorst‑Hohorst, X & Y und ICI(49) sowie in den Urteilen Leur‑Bloem (zur Fusionsrichtlinie), Halifax (zur indirekten Steuer) und in zahlreichen Urteilen, die außerhalb des Steuerrechts ergingen(50), deutlich.

63.      Der Grund für die Anerkennung dieser Rechtfertigung ist folgender: Grundsätzlich ist es durchaus zu billigen und ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts eines Binnenmarktes, dass die Steuerpflichtigen ihre (grenzüberschreitenden) Steuerangelegenheiten in der für sie vorteilhaftesten Weise ordnen(51). Dies ist jedoch nur insofern statthaft, als es sich um eine echte Regelung, d. h. nicht um eine gekünstelte Konstruktion handelt, die auf Missbrauch und Umgehung der nationalen Steuervorschriften gerichtet ist(52). Zum Beispiel kann der bloße Umstand, dass eine gebietsansässige Gesellschaft eine Zweitniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat errichtet, für sich genommen keine allgemeine Vermutung einer Steuerhinterziehung oder Steuerflucht begründen(53), selbst wenn dieser Mitgliedstaat ein Niedrigsteuerland ist (oder ein Land mit einer Regelung, die unter die Definition der „schädlichen steuerlichen Maßnahmen“ nach dem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung fällt)(54).

64.      Die nächste Frage ist, ob die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs zur Erreichung dieses Zieles geeignet sind. Diese Frage ist eindeutig zu bejahen: Wenn das Vereinigte Königreich vermeiden möchte, dass grenzüberschreitend tätige Konzerne das, was in Wirklichkeit Ausschüttungen sind, missbräuchlich und gekünstelt als Zinszahlungen auf Darlehen qualifizieren, so ist die Umqualifizierung von gezahlten Zinsen als Ausschüttungen offensichtlich geeignet, diesem Missbrauch entgegenzutreten.

65.      Die letzte Frage ist, ob die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs zur Bekämpfung des Missbrauchs eine angemessene Antwort auf dieses Ziel sind und angemessen angewendet werden.

66.      In diesem Punkt bin ich der Auffassung, dass Rechtsvorschriften, deren Zweck darin besteht, eine Unterkapitalisierung zu vermeiden, je nach Formulierung und Anwendung grundsätzlich eine angemessene Maßnahme zur Missbrauchsbekämpfung sein können. Zwar bedeutet der Gedanke, dass Gesellschaften das Recht haben, ihre Angelegenheiten gemäß ihren Vorstellungen zu ordnen, dass ihnen grundsätzlich erlaubt sein muss, ihre Tochtergesellschaften durch Eigen- oder durch Fremdkapital zu finanzieren. Diese Möglichkeit stößt jedoch dort an ihre Grenzen, wo die Entscheidung der Gesellschaft rechtsmissbräuchlich ist. Meines Erachtens ist der Fremdvergleichsgrundsatz (arm’s length principle), der vom internationalen Steuerrecht als angemessenes Mittel anerkannt wird, um die Manipulationen grenzüberschreitender Geschäftsvorgänge zu verhindern, grundsätzlich der richtige Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Geschäftsvorgang missbräuchlich ist. Ausgehend von Feststellungen, die der Gerichtshof für den Bereich der indirekten Steuern und für andere außersteuerliche Bereiche getroffen hat, stellt das Kriterium des Fremdvergleichs in diesem Kontext einen objektiven Anhaltspunkt dar, anhand dessen geprüft werden kann, ob mit dem fraglichen Geschäftsvorgang im Kern ein Steuervorteil bezweckt wird(55). Außerdem sind die Mitgliedstaaten meines Erachtens berechtigt – und sollten hierin bestärkt werden –, bestimmte sachgerechte Kriterien für die Prüfung aufzustellen, ob ein Geschäftsvorgang dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, und dürfen das Geschäft, wenn es gegen diese Kriterien verstößt, bis zum Beweis des Gegenteils als missbräuchlich ansehen(56). Dass solche Kriterien aufgestellt werden, liegt meines Erachtens für die Steuerpflichtigen im Interesse der Rechtssicherheit und für die Steuerverwaltung im Interesse der Praktikabilität. Diese Auffassung ist im Gegensatz z. B. zur Verwendung nur eines einzigen festen Kriteriums zu sehen, das in allen Fällen anzuwenden ist – wie ein festes Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital – und nicht erlaubt, andere Umstände zu berücksichtigen.

67.      Die Formulierung und praktische Anwendung eines solchen Maßstabs muss jedoch auch den Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dies bedeutet meines Erachtens Folgendes:

–        Der Steuerpflichtige muss darlegen können, dass die Bedingungen seines Geschäfts zwar nicht denen eines Geschäfts mit einem Dritten entsprachen, dass es aber für den Abschluss des Geschäfts echte wirtschaftliche Gründe gab, die nicht in der Erlangung eines Steuervorteils bestanden. Mit anderen Worten ist entsprechend der Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Halifax „das Missbrauchsverbot nicht relevant, wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung von Steuervorteilen“(57). Ein Beispiel, das mir hierzu einfällt, ist die Situation in dem Urteil Lankhorst‑Hohorst, wo der vom Gerichtshof anerkannte Darlehenszweck in dem Versuch bestand, die Tochtergesellschaft durch Minimierung der Kosten und erhebliche Zinseinsparungen zu retten. Es dürfte klar sein, dass ähnliche Situationen (d. h. eine Situation, in der ein Geschäft nicht zu marktüblichen Bedingungen, aber dennoch nicht missbräuchlich und nicht nur zur Erlangung eines Steuervorteils abgeschlossen wird) relativ selten sind(58).

–        Werden derartige wirtschaftliche Gründe vom Steuerpflichtigen vorgebracht, ist deren Stichhaltigkeit im Einzelfall darauf hin zu untersuchen, ob die Geschäfte als gekünstelte Konstruktionen anzusehen sind, die nur einen Steuervorteil bezwecken.

–        Die Informationen, die der Steuerpflichtige beizubringen hat, um die Vermutung zu widerlegen, dürfen nicht unangemessen sein oder dazu führen, dass die Widerlegung übermäßig erschwert oder unmöglich ist.

–        In den Fällen, in denen die Zahlungen als missbräuchlich im oben genannten Sinne festgestellt worden sind (verdeckte Ausschüttungen), darf nur der Teil der Zahlungen, der den Betrag übersteigt, der unter marktüblichen Bedingungen vereinbart worden wäre, als Ausschüttung umqualifiziert und entsprechend in dem Niederlassungsstaat der Tochtergesellschaft besteuert werden.

–        Das Ergebnis dieser Prüfung muss gerichtlich überprüfbar sein(59).

68.      Ich bin auch nicht der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten, um Artikel 43 EG zu entsprechen, zwangsläufig verpflichtet sein müssten, die Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung auf rein innerstaatliche Sachverhalte auszudehnen, bei denen die Gefahr eines Missbrauchs nicht besteht. Es ist meines Erachtens sehr zu bedauern, dass der Mangel an Klarheit bezüglich des Geltungsbereichs einer Rechtfertigung für Beschränkungen im Sinne von Artikel 43 EG aus Gründen des Missbrauchs dazu geführt hat, dass Mitgliedstaaten, die nicht sicher waren, wie weit sie auf den ersten Blick „diskriminierende“ Gesetze zur Bekämpfung des Missbrauchs erlassen durften, sich verpflichtet fühlten, „auf Nummer sicher“ zu gehen, indem sie den Geltungsbereich ihrer Vorschriften auf rein innerstaatliche Sachverhalte ausdehnten, bei denen die Gefahr eines Missbrauchs nicht gegeben war(60). Diese Ausdehnung der Rechtsvorschriften auf Sachverhalte, die mit Sinn und Zweck der Vorschriften nichts zu tun haben, aus rein formalistischen Gründen mit der Folge eines beträchtlichen zusätzlichen Verwaltungsaufwands für die innerstaatlichen Gesellschaften und die Steuerverwaltung ist völlig sinnlos und für die wirtschaftliche Effizienz kontraproduktiv. Sie ist das Anathema für den Binnenmarkt.

69.      Ich möchte hinzufügen, dass ich mit der Kommission der Ansicht bin, dass zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit der Anwendung der Vorschriften über die Unterkapitalisierung im Hinblick auf ihr Ziel die Mitgliedstaaten, die diese Vorschriften anwenden, über Doppelbesteuerungsabkommen dafür sorgen müssen, dass die Umqualifizierung des Geschäftsvorgangs im Rahmen ihrer Besteuerungskompetenz eine spiegelbildliche Entsprechung in einer zweiten Umqualifizierung (d. h. von Zinseinkünften in Dividendeneinkünfte) im Mitgliedstaat der Muttergesellschaft findet. Tun sie das nicht, gingen sie meines Erachtens über dasjenige hinaus, was zur Erreichung des Zieles der Vorschriften über die Unterkapitalisierung erforderlich ist, und dem Konzern als Ganzem würde eine unverhältnismäßige Last auferlegt (Doppelbesteuerung). Ich habe bereits an anderer Stelle ausgeführt, dass die Auswirkungen eines Doppelbesteuerungsabkommens auf die Lage eines Steuerpflichtigen bei der Prüfung zu berücksichtigen sind, ob die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit Artikel 43 EG vereinbar sind(61). Dies gilt unter dem Vorbehalt, dass zur Verteidigung gegen eine Klage wegen Verstoßes gegen Artikel 43 EG nicht geltend gemacht werden kann, dass der andere Vertragsstaat des Doppelbesteuerungsabkommens dadurch gegen seine Verpflichtungen aus diesem Abkommen verstoßen habe, dass er die von der Muttergesellschaft bezogenen Zahlungen nicht entsprechend ihrer Umqualifizierung durch das Vereinigte Königreich behandelt habe(62).

70.      Aus dem Vorangegangenen ergibt sich, dass der Wortlaut der besonderen Vorschriften über die Unterkapitalisierung und die Art, wie sie in der Praxis angewandt werden, für die Beurteilung der Frage, ob sie das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllen, entscheidend sind.

71.      Was z. B. den einzigen Fall angeht, in dem der Gerichtshof bisher Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung geprüft hat – die Rechtssache Lankhorst‑Hohorst –, so sah die dort in Frage gestellte deutsche Rechtsvorschrift die Umqualifizierung von Zahlungen vor, wenn das Fremdkapital das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners überstieg (also ein festes Kriterium). Diese Vermutung war nur widerlegbar, wenn die Tochtergesellschaft „dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten [hätte] erhalten können oder es … sich um Mittelaufnahmen zur Finanzierung banküblicher Geschäfte [handelt]“(63). Dies bedeutete, dass, wie oben ausgeführt, die Vermutung nicht widerlegt werden konnte, wenn es keinen Missbrauch gab, das Darlehen aber dennoch nicht das gesetzliche Kriterium erfüllte (wie in jenem Fall, in dem der Gerichtshof feststellte, dass das Darlehen gewährt worden sei, um die Belastungen einer Verluste erwirtschaftenden Tochtergesellschaft, die aus den Zinsen ihres Bankdarlehens herrührten, in einem Fall zu verringern, in dem die Verluste den Betrag der an die Muttergesellschaft gezahlten Zinsen weit überstiegen hätten). Die deutschen Rechtsvorschriften bewirkten, dass nicht genau der Teil der Zahlung, der den Betrag überstieg, der unter marktüblichen Bedingungen gewährt worden wäre, sondern die gesamte Zahlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft umqualifiziert wurde. Aus dem Urteil geht schließlich hervor, dass offenbar keine Vorkehrungen getroffen worden waren, die über die geltenden Doppelbesteuerungsabkommen sichergestellt hätten, dass die deutsche Umqualifizierung der Zinsen von anderen Mitgliedstaaten, die Vertragspartner waren, „ausgeglichen“ wird, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.

72.      Die Situation aufgrund der Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs, die im vorliegenden Fall zu prüfen sind, war (und ist), worauf das Vereinigte Königreich in seinen Ausführungen hinweist, in vielerlei Hinsicht anders gelagert.

73.      Was zunächst die bis 1995 geltenden Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs betrifft, so waren die von einer Gesellschaft auf ein Darlehen – an einen gebietsansässigen oder gebietsfremden Darlehensgeber – gezahlten Zinsen, die über dem angemessenen wirtschaftlichen Ertrag aus dem Darlehen lagen, als Gewinnausschüttung anzusehen, soweit sie diesen Ertrag überstiegen (Section 209 [2] [d] TA). Dagegen wurden (andere als die bereits nach Section 209 [2] [d] als Ausschüttungen behandelten) Zinsen, die an einen zum selben Konzern gehörenden gebietsfremden Darlehensgeber gezahlt wurden, in jedem Fall als Ausschüttungen behandelt(64). Diese Bestimmung war aus zwei Gründen eindeutig unverhältnismäßig in dem oben von mir dargelegten Sinne. Erstens wurde ein Darlehen, das einer im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaft von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft gewährt worden war, in jedem Fall als Ausschüttung umqualifiziert, ohne dass geprüft wurde, ob es dem Fremdvergleichskriterium genügte. Zweitens gab es für diese Tochtergesellschaft absolut keine Möglichkeit, den Nachweis zu führen, dass das Darlehen aus überzeugenden wirtschaftlichen Gründen und nicht nur missbräuchlich zwecks Erreichung eines Steuervorteils gewährt worden war. Diese pauschale Regelung ging über dasjenige hinaus, was vernünftigerweise zur Erreichung des Zieles der britischen Rechtsvorschriften erforderlich war.

74.      Das Vereinigte Königreich weist jedoch darauf hin, dass aufgrund der mit anderen Mitgliedstaaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen Zinsen hätten abgezogen werden können, sofern und soweit der Zinssatz nicht überhöht gewesen sei. Die Zinsen waren überhöht, wenn – bei den älteren Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Muster von 1963(65) – der Zinssatz den im Hinblick auf die Höhe des Darlehens marktüblichen Zinssatz überstieg, oder – bei den neueren Doppelbesteuerungsabkommen nach den späteren OECD-Mustern(66) – wenn die Höhe der Zinsen aus irgendeinem Grund den bei Geschäften mit Dritten gezahlten Betrag überstieg, weil entweder der Zinssatz oder die Höhe des Darlehens nicht marktüblich war. Für die zweite Gruppe von Doppelbesteuerungsabkommen enthielt Section 808A TA ab 1992 gesetzliche Bestimmungen darüber, unter welchen Umständen die Höhe eines Darlehens oder der Zinssatz hierfür den Betrag überstieg, der bei Geschäften mit Dritten vereinbart worden wäre. Nach diesen Bestimmungen mussten bei dem Fremdvergleich alle Faktoren berücksichtigt werden, einschließlich der Frage, ob ohne eine besondere Beziehung (zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer) das Darlehen überhaupt, in welcher Höhe, zu welchem Zinssatz und zu welchen sonstigen Bedingungen gewährt worden wäre(67).

75.      Der Wortlaut der Doppelbesteuerungsabkommen in jeder dieser Gruppen steht meines Erachtens grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zu dem erklärten Ziel der Missbrauchsbekämpfung der britischen Rechtsvorschriften. Die Beurteilungsgrundlage ist in jedem Fall im Wesentlichen der Fremdvergleichsgrundsatz. In keinem der Fälle gibt es ein absolutes festes Kriterium (wie ein festes Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital) für das, was statthaft ist: Angesichts der verwendeten Begriffe erlaubt jede Gruppe, dass die Umstände jedes Einzelfalls für die Feststellung dessen, was marktüblich ist, berücksichtigt werden. Außerdem wird in jedem Fall nur der unangemessene Teil der grenzüberschreitenden Zahlungen (der über das hinausgeht, was zu marktüblichen Bedingungen gezahlt worden wäre) als Ausschüttung umqualifiziert. Grundsätzlich sind daher diese Bestimmungen meines Erachtens nach Artikel 43 EG gerechtfertigt. Diese Schlussfolgerung unterliegt jedoch folgenden wichtigen Einschränkungen, die das vorlegende Gericht im Einzelnen zu prüfen haben wird.

76.      Erstens muss es für den Steuerpflichtigen möglich gewesen sein, ohne übermäßigen Aufwand den Beweis zu führen, dass ein Geschäft tatsächlich aus echten wirtschaftlichen Gründen und nicht zur Erlangung eines Steuervorteils durchgeführt wurde. Wie gesagt, werden die Umstände, unter denen dieser Nachweis geführt werden kann, sicherlich relativ selten sein (wobei ein Beispiel die Rettung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft ist), doch ist mir aufgrund der dem Gerichtshof vorgelegten Auswahl an Doppelbesteuerungsabkommen nicht klar geworden, ob die Möglichkeit nach dem System des Vereinigten Königreichs bestand. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies anhand der ihm bekannten konkreten Umstände festzustellen.

77.      Zweitens beruht diese Analyse allein auf dem offiziellen Wortlaut derjenigen Doppelbesteuerungsabkommen, die dem Gerichtshof vorgelegt worden sind. Wenn z. B. die Behörden des Vereinigten Königreichs diese Vorschriften in der Praxis so anwenden würden, als handelte es sich um eine absolut starre Regelung, die ohne Rücksicht auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls Anwendung findet, ohne dass der Steuerpflichtige wirklich sich verteidigen und erreichen kann, dass diese Umstände berücksichtigt werden (oder wenn die Behörden die Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens überhaupt nicht anwenden würden, weil sie meinen, dass Section 209 [2] [e] [iv] und [v] Anwendung finde), wäre dies gleichwohl unverhältnismäßig. Zwar verleiht in diesem Punkt ein „vorgezogenes Abrechnungsverfahren“, durch das die Steuerpflichtigen ihre Lage feststellen können, bevor die Vorschriften über die Unterkapitalisierung auf sie anwendbar sind, den Steuerregelungen der Mitgliedstaaten willkommene Transparenz und Sicherheit im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltungsführung, dieses ist aber meines Erachtens für die Vereinbarkeit der im Übrigen verhältnismäßigen nationalen Regelungen mit Artikel 43 EG nicht entscheidend. Ich möchte darauf hinweisen, dass im vorliegenden Fall die Musterklägerinnen die Wirksamkeit und Verlässlichkeit des vorgezogenen Abrechnungsverfahrens bestreiten, auf das sich das Vereinigte Königreich zur Stützung seiner Argumente beruft.

78.      Drittens gilt diese Analyse selbstverständlich nur insoweit, als das Vereinigte Königreich mit dem einschlägigen Mitgliedstaat tatsächlich ein Doppelbesteuerungsabkommen mit einem solchen Wortlaut geschlossen hatte. Wie viele ähnliche Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten geschlossen wurden, geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen nicht eindeutig hervor.

79.      Selbst in den Fällen schließlich, die solchen Doppelbesteuerungsabkommen unterliegen, würde die Vereinbarkeit der Regelungen mit Artikel 43 EG, wie ausgeführt, davon abhängen, dass der andere Mitgliedstaat, der Vertragspartei des Doppelbesteuerungsabkommens ist, die vom Vereinigten Königreich vorgenommene Umqualifizierung aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips anerkannt hat (um insbesondere sicherzustellen, dass die Umqualifizierung keine Doppelbesteuerung hervorruft). Wie oben ausgeführt, könnte das Vereinigte Königreich zu seiner Verteidigung nicht einwenden, dass der andere Vertragsstaat des Doppelbesteuerungsabkommens dadurch gegen seine Verpflichtungen aus diesem Abkommen verstoßen habe, dass er die von der Muttergesellschaft bezogenen Zahlungen nicht entsprechend ihrer Umqualifizierung durch das Vereinigte Königreich behandelt habe. Ich habe zwar zur Kenntnis genommen, dass das Vereinigte Königreich im vorliegenden Fall behauptet, diese entsprechende Anpassung habe tatsächlich fast immer stattgefunden, doch ist es Sache des nationalen Gerichts, zu untersuchen, ob es sich in einem ihm vorliegenden konkreten Fall wirklich so verhält.

80.      Ich möchte hinzufügen, dass entgegen den Behauptungen der Musterklägerinnen die Möglichkeit, dass sich das für die Umqualifizierung geltende innerstaatliche Kriterium des Fremdvergleichs nach Section 209 (2) (d) von dem Kriterium des Doppelbesteuerungsabkommens unterscheidet (und weiter ist als dieses), für sich genommen nicht bedeutet, dass die Vorschriften des Vereinigten Königreichs gegen Artikel 43 EG verstoßen: Wie oben ausgeführt, kann von den Mitgliedstaaten schwerlich verlangt werden, dass sie hierfür konzerninterne Darlehen, die nur im Inland abgewickelt werden, genauso beurteilen wie grenzüberschreitende Darlehen innerhalb eines Konzerns. Die Ausdehnung der Prüfung dergestalt, dass nicht nur untersucht wird, ob der Zinssatz, sondern auch, ob die Höhe des Darlehens marktüblichen Bedingungen entspricht, scheint zudem durchaus im Einklang mit dem Ziel der Missbrauchsbekämpfung der britischen Rechtsvorschriften zu sein, da sich die Erhöhung der Darlehenssumme auf einen nicht marktüblichen Betrag theoretisch als ein ebenso wirksamer Weg darstellen könnte, um die Besteuerung der Gewinne in eine andere Besteuerungszuständigkeit zu verlagern.

81.      Ich wende mich jetzt der Verhältnismäßigkeit der 1995 eingefügten Änderungen zu. Wie das Vereinigte Königreich darlegt, brachten diese Änderungen im Wesentlichen den Fremdvergleichsgrundsatz in Gesetzesform, der zuvor aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen galt. Sie sahen vor, dass unter Mitgliedern eines Konzerns gezahlte Zinsen, die den Betrag überstiegen, der bei Geschäften mit Dritten gezahlt worden wäre, als Ausschüttungen zu behandeln waren(68). Ein Darlehen wurde als Darlehen behandelt, das einem Dritten nicht gewährt worden wäre, wenn die Ausschüttung ganz oder teilweise „einem Betrag entspricht, der an die andere Gesellschaft nicht zu zahlen gewesen wäre, wenn zwischen den Gesellschaften (abgesehen von den betreffenden Wertpapieren) keine Beziehungen, Vereinbarungen oder sonstige (förmliche oder formlose) Verbindungen bestanden hätten; dies gilt gegebenenfalls nicht für den Teil der Ausschüttung, der diesem Betrag nicht entspricht“(69). Die Rechtsvorschrift führte ferner eine Reihe von Kriterien auf, die bei der Feststellung, ob Zinszahlungen als Ausschüttungen zu behandeln waren, beachtet werden mussten. Diese Kriterien waren: die Höhe der Gesamtschulden des Darlehensnehmers, die Frage, ob davon ausgegangen werden kann, dass der Darlehensnehmer und ein Dritter ein Geschäft über die Ausgabe eines Wertpapiers durch die emittierende Gesellschaft oder über die Gewährung eines Darlehens oder eines Darlehens in bestimmter Höhe an diese Gesellschaft geschlossen hätten, und schließlich der Zinssatz oder andere Bedingungen, von denen zu erwarten ist, dass sie in einem bestimmten Fall auf ein solches Geschäft Anwendung finden.

82.      Auf den ersten Blick und aus ähnlichen Gründen wie den in Bezug auf das bis 1995 geltende Gesetz erörterten stehen die Bestimmungen dieser Regelung meines Erachtens grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Ziel, allerdings vorbehaltlich der vier wichtigen Einschränkungen, die ich oben dargelegt habe. Maßstab für die Umqualifizierung ist ausdrücklich der Fremdvergleich, wie er durch die aufgeführten Kriterien konkretisiert worden ist. Im vorliegenden Fall ist nicht geltend gemacht worden, dass diese Kriterien in der Weise, in der sie in der Rechtsvorschrift formuliert worden sind, den Grundsatz des Fremdvergleichs nicht gebührend zum Ausdruck bringen. Auch hier bedeutet der Umstand, dass die Bestimmungen keine Anwendung finden, wenn sowohl der Zahlende als auch der Empfänger der Zinsen im Vereinigten Königreich körperschaftsteuerpflichtig ist(70), für sich genommen nicht, dass sie unverhältnismäßig sind.

83.      Genau dieselben Erwägungen gelten für die Beurteilung der Angemessenheit der 1998 erfolgten Änderungen der britischen Vorschriften, die sich mit der Frage der Unterkapitalisierung im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Vereinigten Königreichs über Transferpreise befassen. Wieder wird als Bezugspunkt der Grundsatz des Fremdvergleichs gewählt, der hier seinen Ausdruck findet in der Formulierung: Bedingungen, die „anders wären, wenn die Gesellschaften nicht unter gemeinsamer Kontrolle gestanden hätten“. Auch hier gelten wieder dieselben Einschränkungen, die ich oben genannt habe.

84.      Zwar änderte das Vereinigte Königreich 2004 seine Vorschriften über Transferpreise dahin, dass die Vorschriften auch Anwendung finden, wenn beide Parteien des Geschäfts im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind, doch geht aus meinen bisherigen Ausführungen bereits hervor, dass dies meines Erachtens nicht erforderlich ist, damit die Vorschriften im Einklang mit Artikel 43 EG stehen.

b)      Rechtfertigung aus Gründen der steuerlichen Kohärenz?

85.      Hilfsweise hat das Vereinigte Königreich als Rechtfertigung vorgebracht, dass die in Rede stehenden Vorschriften erforderlich gewesen seien, um die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten. Nach den Ausführungen des Vereinigten Königreichs bezweckte die Rechtsvorschrift, dass verdeckte Ausschüttungen einmal, und zwar im Rahmen der sachgerechten Besteuerungskompetenz, besteuert würden (innerhalb des Hoheitsgebiets, in dem die Gewinne erwirtschaftet würden). Das Vereinigte Königreich trägt ferner vor, dass die steuerliche Kohärenz, betrachtet aus einer konzern- und gemeinschaftsweiten Perspektive, durch die Anwendung der Vorschriften über die Unterkapitalisierung gewährleistet werde, die sicherstellten, dass Gewinne nicht mit Hilfe gekünstelter Konstruktionen „exportiert“ und in einem Hoheitsgebiet besteuert würden, in dem die Gewinne nicht erwirtschaftet worden seien.

86.      Bei diesem Argument kann ich mich kurz fassen, da es im vorliegenden Zusammenhang meines Erachtens genau dieselben Fragen aufwirft und denselben Einschränkungen unterliegt wie das Argument, das oben bei der Rechtfertigung aus Gründen der Missbrauchsbekämpfung erörtert worden ist.

87.      Das Argument bietet jedoch Gelegenheit für einige allgemeinere Ausführungen über Art und Funktion des etwas konturlosen Rechtfertigungsgrundes der „steuerlichen Kohärenz“. Der Gerichtshof hat diesen Grund ausdrücklich nur in einer Rechtssache anerkannt – im Urteil Bachmann(71) –, obwohl er seither in sehr vielen Rechtssachen – erfolglos – geltend gemacht wurde. Im Urteil Bachmann benutzte der Gerichtshof diesen Begriff zur Begründung seiner Auffassung, dass Belgien einen „Zusammenhang“ zwischen der Abzugsfähigkeit der für Alters- und Todesfallversicherungen gezahlten Beiträge und der belgischen Besteuerung der späteren im Rahmen dieser Verträge erbrachten Zahlungen zu Recht aufrechterhalten könne. Es sei zulässig, dass Belgien die Abzugsfähigkeit der Beiträge auf die Fälle beschränkt habe, in denen es die später ausgezahlten Beträge habe besteuern können. Seither hat der Gerichtshof entschieden, dass dieser Rechtfertigungsgrund nur geltend gemacht werden könne, wenn ein „unmittelbarer Zusammenhang“ zwischen der Gewährung eines Steuervorteils und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine spätere Abgabe bestehe. In Rechtssachen wie Verkooijen betonte der Gerichtshof, dass im Urteil Bachmann der Steuervorteil und der Steuernachteil im Rahmen ein und desselben Steuervorgangs und in Bezug auf ein und denselben Steuerpflichtigen erfolgt sei, und wies den Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz in dieser Rechtssache mit der Begründung zurück, dass es sich um zwei getrennte Besteuerungen von verschiedenen Steuerpflichtigen gehandelt habe(72). Daran hielt der Gerichtshof in Rechtssachen wie Baars und Bosal fest(73).

88.      Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des genannten Rechtfertigungsgrundes auf die Formel „eine Besteuerung, ein Steuerpflichtiger“ ist u. a. von den Generalanwälten Kokott und Maduro in ihren Schlussanträgen zu den Urteilen Manninen bzw. Marks & Spencer kritisiert worden(74). Tatsächlich legte der Gerichtshof dieses Konzept in diesen Urteilen weit aus. Obwohl er im Urteil Manninen diesen Rechtfertigungsgrund aufgrund des konkreten Sachverhalts zurückwies, war er der Meinung, dass die Kohärenz des finnischen Steuersystems in jener Rechtssache gewährleistet gewesen sei, soweit es einen Zusammenhang (Verbindung) zwischen der dem Aktionär gewährten Steuervergünstigung (eine Steuergutschrift) und der Körperschaftsteuer, die auf die in den Aktien enthaltenen Gewinne gezahlt wurde, gegeben habe. Dass diese Körperschaftsteuer nicht in Finnland, sondern in Schweden gezahlt worden sei, habe diesen Zusammenhang nicht in Frage gestellt(75). Im Urteil Marks & Spencer baute der Gerichtshof seine Begründung etwas anders auf, indem er den Begriff der „Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten“ verwendete(76). Obwohl eine nationale Rechtsvorschrift, die den Konzernabzug auf gebietsansässige Tochtergesellschaften einer gebietsansässigen Muttergesellschaft beschränkt, grundsätzlich das berechtigte Ziel verfolgt, die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu schützen – da es diese Ausgewogenheit beeinträchtigen würde, wenn den Tochtergesellschaften die Möglichkeit eingeräumt würde, für die Berücksichtigung ihrer Verluste in ihrem Niederlassungsstaat oder in einem anderen Staat zu optieren –, waren in jener Rechtssache die von der Rechtsvorschrift des Vereinigten Königreichs zur Erreichung dieses Zieles eingesetzten Mittel nach Auffassung des Gerichtshofes unverhältnismäßig.

89.      Aufgrund dessen lässt sich verstehen, wenn Anwendungsbereich und Funktion des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz für unklar gehalten werden. Meines Erachtens hat der Gerichtshof jedoch in der weit überwiegenden Zahl der Fälle, in denen er diesen Rechtfertigungsgrund nicht zugelassen hat (als Antwort auf spezifische Rügen der Beteiligten zu diesem Punkt), in Wirklichkeit einfach die grundlegenden Prinzipien der Nichtdiskriminierung zum Ausdruck gebracht, die ich in meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen ACT, FII, Kerckhaert und Morres sowie Denkavit dargelegt habe, nämlich: 1. Mitgliedstaaten, die in ihrer Eigenschaft als Niederlassungsstaat handeln, dürfen nicht zwischen ausländischen Einkünften und inländischen Einkünften unterscheiden, soweit sie die Besteuerungskompetenz über die erstgenannten Einkünfte ausüben, und 2. Mitgliedstaaten, die in ihrer Eigenschaft als Quellenstaat handeln, dürfen nicht zwischen Einkünften von Gebietsfremden und denen von Gebietsansässigen unterscheiden, soweit sie die Besteuerungskompetenz über die Erstgenannten ausüben(77). Klare Beispiele hierfür sind die Urteile Verkooijen und Manninen, in denen der Gerichtshof das Diskriminierungsverbot für Niederlassungsstaaten im Wesentlichen bestätigte, indem er das Vorbringen der niederländischen und der finnischen Regierung, dass zwischen dem Steuervorteil (Befreiung bzw. Gutschrift) und der entrichteten Steuer (die, da es sich um ausländische Einkünfte handelte, in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt worden war) kein hinreichender Zusammenhang bestehe, zurückwies(78). Ebenso brachte der Gerichtshof im Urteil Marks & Spencer im Wesentlichen die Grenzen des Diskriminierungsverbots (für Niederlassungsstaaten) zum Ausdruck – da das Vereinigte Königreich keine Befugnis zur Besteuerung gebietsfremder Tochtergesellschaften von im Vereinigten Königreich ansässigen Muttergesellschaften hatte, war es grundsätzlich folgerichtig, dass es den Abzug der bei den Tochtergesellschaften entstandenen Verluste durch die im Vereinigten Königreich ansässige Muttergesellschaft nicht erlaubte(79). Irgendwelche „Beschränkungen“ der grenzüberschreitenden Tätigkeit, die sich aus diesen Grenzen beim Verlustabzug ergeben, resultieren nicht aus einer Diskriminierung, sondern aus Quasibeschränkungen.

90.      In diesen Fällen unterschied sich die Beurteilung, ob der „Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz“ durchgreift, vom Konzept her somit nicht von der Prüfung, ob die nationale Rechtsvorschrift diskriminierend ist. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle könnte man sich in der Tat fragen, ob der Rechtfertigungsgrund der „steuerlichen Kohärenz“ wirklich eine sinnvolle eigene Funktion hat.

91.      Im vorliegenden Fall führen die Erwägungen zur steuerlichen Kohärenz zu genau demselben Ergebnis, zu dem ich oben in Bezug auf die Rechtfertigung der Missbrauchsbekämpfung gelangt bin. Auch wenn es somit grundsätzlich gerechtfertigt ist, dass das Vereinigte Königreich die einschlägigen Steuervorschriften innerhalb seiner eigenen Besteuerungskompetenz durchsetzt und deren Missbrauch (d. h. die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Zinsen und von Gewinnausschüttungen) auf der Grundlage des anerkannten Prinzips des Fremdvergleichs bekämpft, darf es dies nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes tun.

4.      Ergebnis zu Frage 1

92.      Aus diesen Gründen sollte die Antwort auf die erste Frage des vorlegenden Gerichts meines Erachtens dahin lauten, dass Artikel 43 EG es nicht ausschließt, nationale Steuervorschriften wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vorschriften des Vereinigten Königreichs, die auf der Grundlage des Kriteriums des Fremdvergleichs die Möglichkeit für eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft beschränken, die Zinsen auf ein von einer gebietsfremden unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaft gewährtes Darlehen von der Steuer abzuziehen, während die Tochtergesellschaft diesen Beschränkungen nicht unterworfen wäre, wenn die Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich ansässig wäre, beizubehalten und anzuwenden, sofern 1. es für eine Tochtergesellschaft gleichwohl möglich ist, ohne übermäßigen Aufwand den Beweis zu führen, dass ein Geschäft tatsächlich aus echten wirtschaftlichen Gründen und nicht zur Erlangung eines Steuervorteils durchgeführt wurde, und 2. das Vereinigte Königreich sicherstellt, dass der Niederlassungsstaat der Muttergesellschaft die vom Vereinigten Königreich vorgenommene Umqualifizierung der von der Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips anerkennt.

C –    Frage 2

93.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es für die Beantwortung der ersten Frage einen Unterschied macht, wenn das Finanzierungsdarlehen an die im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaft nicht unmittelbar von der Muttergesellschaft, sondern von einer Zwischengesellschaft desselben Konzerns als Darlehensgeberin gewährt wird, und wenn diese Darlehensgeberin und/oder die Muttergesellschaft nicht in einem anderen Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat ansässig sind.

94.      Wie oben ausgeführt, sind die fraglichen Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs, da sie nur auf Fälle Anwendung finden, in denen eine Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen einer anderen Gesellschaft im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes hat, nur auf ihre Vereinbarkeit mit Artikel 43 EG hin zu prüfen. Das in unserem Fall maßgebliche Verbot in diesem Artikel ist das Verbot von Beschränkungen der Gründung von Tochtergesellschaften durch Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben(80).

95.      Dies bedeutet meines Erachtens, dass Artikel 43 EG (und die vorstehende Erörterung) Anwendung findet, sofern die unmittelbare oder mittelbare Muttergesellschaft – deren Niederlassungsrecht angeblich beschränkt wird – in einem Mitgliedstaat (einem anderen als dem Vereinigten Königreich) ansässig ist. Die Möglichkeit, dass die zwischengeschaltete Darlehensgeberin, die das Darlehen tatsächlich gewährt hat, in einem Drittstaat ansässig ist, ändert hieran nichts. Somit sind die in Frage 2 a dargestellten Fälle (sowohl Muttergesellschaft als auch Darlehensgeberin sind in einem anderen Mitgliedstaat ansässig) genauso zu beurteilen wie die erste Frage.

96.      Ist umgekehrt die unmittelbare oder mittelbare Muttergesellschaft in einem Drittstaat ansässig, findet Artikel 43 EG grundsätzlich keine Anwendung, selbst wenn das Darlehen tatsächlich über eine andere, in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft des Konzerns gewährt wurde. Infolgedessen findet in dem in Frage 2 d dargestellten Fall (Muttergesellschaft und Darlehensgeberin sind beide in Drittstaaten ansässig) Artikel 43 EG (oder eine andere Vertragsbestimmung über die Niederlassungsfreiheit) keine Anwendung.

97.      Eine Ausnahme hiervon würde gelten, wenn die Darlehensgeberin selbst einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaft ausübt (d. h., wenn die im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft tatsächlich eine Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin ist) und wenn die Vorschriften des Vereinigten Königreichs die in diesem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft wegen des Sitzes der Darlehensgeberin benachteiligen. In diesem Fall würde die behauptete Beschränkung eine Beschränkung des Niederlassungsrechts der Darlehensgeberin und nicht der im Drittstaat ansässigen Muttergesellschaft sein. Somit finden in den in den Fragen 2 b und 2 c dargestellten Fällen (die Darlehensgeberin ist in einem anderen Mitgliedstaat ansässig, die Muttergesellschaft in einem Drittstaat) die vorstehenden Erörterungen zu Artikel 43 EG nur Anwendung, wenn die im Vereinigten Königreich ansässige Darlehensnehmerin eine Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin ist. Genauso verhält es sich auch bei der in Frage 2 c dargestellten Variante (das Darlehen wird von einer in einem Drittstaat ansässigen Niederlassung der in dem Mitgliedstaat ansässigen Darlehensgeberin ausgezahlt), sofern die Darlehensgeberin selbst die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Artikels 43 EG gemäß Artikel 48 EG erfüllt (d. h., sie ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet und hat ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft).

98.      Aus diesen Gründen sollte die Antwort auf die zweite Frage des vorlegenden Gerichts meines Erachtens dahin lauten, dass Artikel 43 EG und die Erörterungen in meiner Antwort auf Frage 1 Anwendung finden, wenn a) das Darlehen von einer zwischengeschalteten Darlehensgeberin, nicht aber von der Muttergesellschaft selbst gewährt wird, sofern beide Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich ansässig sind, oder b) die Darlehensgeberin in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich ansässig ist und die Darlehensnehmerin eine Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin ist, selbst wenn ihre gemeinsame Muttergesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist oder die Darlehensgeberin das Darlehen über eine in einem Drittstaat ansässige Niederlassung auszahlt. Artikel 43 EG findet dagegen keine Anwendung, wenn a) die Darlehensgeberin in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich ansässig ist, die Darlehensnehmerin keine Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin ist und ihre gemeinsame Muttergesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist, oder b) die Darlehensgeberin und alle gemeinsamen unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaften der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin in Drittstaaten ansässig sind.

D –    Frage 3

99.      Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es für die Beantwortung der Fragen 1 und 2 einen Unterschied macht, wenn sich nachweisen ließe, dass das Darlehen rechtsmissbräuchlich oder Teil einer gekünstelten Konstruktion war, mit der die Steuervorschriften des Mitgliedstaats der Darlehensnehmerin umgangen werden sollten. Da ich diese Frage in meiner Antwort auf die erste Frage, insbesondere in dem Abschnitt über die Stichhaltigkeit des vom Vereinigten Königreich vorgebrachten Rechtfertigungsgrundes der Missbrauchsbekämpfung beantwortet habe, werde ich diese Frage hier nicht gesondert beantworten.

E –    Frage 4

100. Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, falls eine solche zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Sinne von Artikel 56 EG vorliegt, für die Zwecke des Artikels 57 EG am 31. Dezember 1993 bestand. Da ich diese Frage oben in Abschnitt V A beantwortet habe, wo ich zu dem Ergebnis gekommen bin, dass die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs nur auf die Vereinbarkeit mit Artikel 43 EG und nicht auf die Vereinbarkeit mit den Artikeln 59 EG oder 56 EG hin zu prüfen sind, werde ich diese Frage hier nicht gesondert beantworten.

F –    Fragen 5 bis 10

101. Bei den Fragen 5 bis 10 des Vorlagebeschlusses geht es um die Rechtsnatur der Abhilfeansprüche, die den betroffenen, im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaften oder anderen Gesellschaften desselben Konzerns zustehen müssen, falls irgendeine der in Frage stehenden Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs gegen die in diesen Fragen genannten Gemeinschaftsvorschriften verstößt.

102. Aus meiner Antwort auf Frage 1 geht hervor, dass sich die Frage der Abhilfemöglichkeiten nur in relativ eng begrenzten Fällen stellt, da die Regelungen des Vereinigten Königreichs meines Erachtens im Großen und Ganzen mit Artikel 43 EG im Einklang stehen. Die Frage nach den Abhilfemöglichkeiten stellt sich somit nur, wenn 1. ein Steuerpflichtiger nachweisen kann, dass Zahlungen, die vom Vereinigten Königreich gemäß den genannten Vorschriften umqualifiziert wurden, tatsächlich aus rein wirtschaftlichen Gründen und nicht zur Erlangung eines Steuervorteils erfolgten, 2. es in den Fällen, die den bis 1995 gültigen Vorschriften unterworfen waren, kein anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen gab, in dem das Kriterium des Fremdvergleichs vorgesehen war, und der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass Zahlungen, die vom Vereinigten Königreich gemäß den genannten Vorschriften umqualifiziert wurden, tatsächlich das Kriterium des Fremdvergleichs erfüllt hätten oder dass die Zahlungen tatsächlich aus rein wirtschaftlichen Gründen und nicht zur Erlangung eines Steuervorteils erfolgten, oder 3. die im Vereinigten Königreich erfolgte Umqualifizierung der Zahlung vom Mitgliedstaat der Muttergesellschaft nicht aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips anerkannt wurde, was zu einer Doppelbesteuerung der Zahlung führte, die sonst nicht eingetreten wäre.

103. Wegen der geringen Bedeutung dieser Fälle und der Tatsache, dass ich mich mit ganz ähnlichen Fragen in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Test Claimants in the FII Group Litigation(81) befasst habe, werde ich meine Antwort auf diese Fragen kurz halten.

104. Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache FII ausgeführt habe(82), hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgaben zu erstatten(83). Mangels einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge hat die innerstaatliche Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten die zuständigen Gerichte und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu bestimmen, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(84).

105. Die Frage im vorliegenden Fall ist genau dieselbe wie in der Rechtssache FII, nämlich ob die Ansprüche der Klägerinnen als Ansprüche auf Erstattung, auf Schadensersatz oder auf Zahlung eines Betrages anzusehen sind, der einer zu Unrecht versagten Vergünstigung entspricht.

106. In jener Rechtssache habe ich (unter Hinweis auf das Urteil Metallgesellschaft) ausgeführt, dass grundsätzlich das vorlegende Gericht zu entscheiden hat, wie die verschiedenen Ansprüche nach nationalem Recht einzuordnen sind. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Einordnung den Musterklägerinnen eine effektive Abhilfemöglichkeit bietet, um Erstattung oder Entschädigung für die finanzielle Einbuße zu erlangen, die ihnen durch die Zahlung der zu Unrecht erhobenen Steuer entstanden ist und der ein entsprechender Vorteil des betreffenden Mitgliedstaats gegenübersteht(85). Aufgrund dieser Verpflichtung ist das vorlegende Gericht gehalten, bei der Einordnung von Ansprüchen nach nationalem Recht zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs, wie sie im Urteil Brasserie du pêcheur aufgeführt sind, im Einzelfall nicht vorliegen können, und in diesem Fall zu gewährleisten, dass gleichwohl eine effektive Abhilfemöglichkeit zur Verfügung steht.

107. Auf den vorliegenden Fall angewandt bedeutet dies, dass die Anträge der Musterklägerinnen meines Erachtens nach den Grundsätzen zu beurteilen sind, die von der Rechtsprechung für die Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben aufgestellt wurden, d. h., das Vereinigte Königreich darf aus der Auferlegung der rechtswidrigen Abgabe keinen Vorteil ziehen, und Gesellschaften (oder Unternehmensgruppen), die zur Entrichtung der Abgabe verpflichtet wurden, dürfen durch die Auferlegung keinen Verlust erleiden(86). Damit die Musterklägerinnen über wirksame Abhilfemaßnahmen zur Erstattung oder Entschädigung für die ihnen entstandene finanzielle Einbuße, der ein entsprechender Vorteil des betreffenden Mitgliedstaats gegenübersteht, verfügen, müssten sich diese Maßnahmen meines Erachtens auf alle unmittelbaren Folgen der unrechtmäßigen Steuererhebung erstrecken. Auf den ersten Blick gehören hierzu: 1. Erstattung zu Unrecht erhobener Körperschaftsteuer (Frage 5 Buchstaben a, b, c, d); 2. Erstattung von Steuerfreibeträgen, die zur Verrechnung mit der zu Unrecht erhobenen Körperschaftsteuer verwendet wurden (Frage 5 Buchstabe e); 3. Erstattung der nicht verwendeten Körperschaftsteuervorauszahlungen, die auf die zu Unrecht als Ausschüttungen umqualifizierten Zahlungen geleistet wurden (Frage 5 Buchstabe f). Ich möchte jedoch betonen, dass sich das vorlegende Gericht davon zu überzeugen hat, dass die beanspruchte Abhilfemaßnahme unmittelbar aus der zu Unrecht erhobenen Abgabe folgt.

108. Ich möchte hinzufügen, dass ich in der Rechtssache FII, die sich mit der steuerlichen Behandlung von Dividenden im Vereinigten Königreich befasste, ernsthafte Zweifel geäußert habe, ob die im Urteil Brasserie du pêcheur(87) aufgeführten Voraussetzungen – insbesondere das Erfordernis des hinreichend qualifizierten Verstoßes – im Hinblick auf die Merkmale des britischen Systems, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstießen, erfüllt waren. Meine Zweifel in diesem Punkt sind im vorliegenden Fall sogar noch stärker. Die Anwendung des Artikels 43 EG auf nationale Rechtsvorschriften über die Unterkapitalisierung wurde vom Gerichtshof erst 2002 im Urteil Lankhorst‑Hohorst(88) bestätigt, und sogar nach diesem Urteil war nicht völlig klar, in welchem Umfang die Bestimmung anzuwenden ist. Das Vereinigte Königreich änderte zudem mehrfach seine Rechtsvorschriften, machte die Anwendung seiner Rechtsvorschriften transparenter und achtete bei den Änderungen im Jahre 2004 offensichtlich auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht. Dies genügt meines Erachtens nicht, um eine offenkundige und erhebliche Überschreitung des einem Mitgliedstaat zustehenden Ermessens im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes anzunehmen.

109. Schließlich möchte ich in Beantwortung der zehnten Frage des vorlegenden Gerichts, die die Bedeutung einer angemessenen Sorgfalt der Geschädigten bei der Begrenzung des Verlustes betrifft, darauf hinweisen, dass nach den Feststellungen des Gerichtshofes im Urteil Metallgesellschaft und nach dem allgemeinen Grundsatz der nationalen Verfahrensautonomie Klagen wie die des Ausgangsverfahrens dem nationalen Verfahrensrecht unterliegen, das den Klägern insbesondere vorschreiben kann, sich in angemessener Form um die Vermeidung oder Begrenzung eines Schadens zu bemühen(89). Auch hier gilt jedoch der Grundsatz, dass die Verfahrensmodalitäten denen entsprechender innerstaatlicher Klagen gleichwertig sein müssen und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen. Im Urteil Metallgesellschaft z. B. stellte der Gerichtshof fest, dass es diesem Effektivitätsgrundsatz nicht entspreche, wenn ein nationales Gericht einen Anspruch auf Erstattung oder Entschädigung für die erlittene finanzielle Einbuße allein deshalb zurückweise oder kürze, weil die Kläger bei den Steuerbehörden nicht die Anwendung einer bestimmten Besteuerungsregelung beantragt, sondern sich unmittelbar auf ihre Rechte nach der Gemeinschaftsordnung berufen hätten, obwohl das nationale Recht sie „sowieso“ von dieser Besteuerungsregelung ausgeschlossen habe. Insoweit möchte ich darauf hinweisen, dass aus dem Vorabentscheidungsbeschluss nicht hervorgeht, ob im vorliegenden Fall die nationalen Vorschriften in Verbindung mit den anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen gegebenenfalls sowieso zu dem Ergebnis geführt hätten, dass die in der ersten Frage genannten Beschränkungen Anwendung finden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die in Rede stehenden Verfahrensmodalitäten mit dem Effektivitäts- und dem Äquivalenzgrundsatz tatsächlich in Einklang stehen.

110. Die Antwort auf die Fragen 5 bis 10 sollte daher meines Erachtens dahin lauten, dass mangels einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung zu Unrecht gezahlter Steuern die innerstaatliche Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten die zuständigen Gerichte und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu bestimmen hat, die den Schutz der dem Steuerpflichtigen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, einschließlich der rechtlichen Einordnung der Ansprüche, die vor dem nationalen Gericht erhoben werden. Dabei müssen die nationalen Gerichte jedoch sicherstellen, dass die Kläger über eine effektive Abhilfemöglichkeit verfügen, um Erstattung oder Entschädigung für die finanzielle Einbuße zu erlangen, die ihnen unmittelbar durch eine unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Steuer entstanden ist.

G –    Zeitliche Beschränkung

111. In ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hat die Regierung des Vereinigten Königreichs beantragt, die zeitliche Wirkung des Urteils zu beschränken, falls der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass das Vereinigte Königreich im vorliegenden Fall gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Sie trägt vor, dass sich die möglichen Kosten eines für das Vereinigte Königreich ungünstigen Urteils angesichts der beträchtlichen Zahl der in dieser Angelegenheit betroffenen Kläger auf 300 Millionen Euro belaufen könnten. Sie bittet ferner darum, die Musterklägerinnen im vorliegenden Fall nicht von der Wirkung einer zeitlichen Beschränkung zu befreien.

112. In diesem Punkt genügt der Hinweis, dass in Anbetracht des Umstands, dass die Vorschriften des Vereinigten Königreichs, wie oben ausgeführt, nur in äußerst eng begrenzten Fällen gegen Artikel 43 EG verstoßen haben, die Beträge, von denen aufgrund des Urteils auszugehen ist, höchstwahrscheinlich weit hinter den Schätzungen des Vereinigten Königreichs zurückbleiben werden. Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache FII ausgeführt habe, hat jedenfalls das Vereinigte Königreich, wenn es um eine zeitliche Beschränkung ersucht, für eine ausreichende Information des Gerichtshofes zu sorgen, damit dieser hierüber entscheiden kann. Das Ersuchen ist aus ähnlichen Gründen zurückzuweisen, wie ich sie in jener Rechtssache aufgeführt habe, in der das Vereinigte Königreich die Frage der zeitlichen Beschränkung auch erst im mündlichen Verfahren aufwarf und weder dargelegt hatte, wie es zu den geschätzten Kosten des Falles gekommen war, noch Gründe für den vorgeschlagenen Stichtag für die Wirkungen des Urteils geliefert hatte.

VI – Ergebnis

113. Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof die ihm vom High Court of Justice (England & Wales) (Chancery Division) vorgelegten Fragen wie folgt beantworten sollte:

–        Artikel 43 EG schließt es nicht aus, nationale Steuervorschriften wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vorschriften des Vereinigten Königreichs, die auf der Grundlage des Kriteriums des Fremdvergleichs die Möglichkeit für eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft beschränken, die Zinsen auf ein von einer gebietsfremden unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaft gewährtes Darlehen im Rahmen der Steuer abzuziehen, während die Tochtergesellschaft diesen Beschränkungen nicht unterworfen wäre, wenn die Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich ansässig wäre, beizubehalten und anzuwenden, sofern 1. es für eine Tochtergesellschaft gleichwohl möglich ist, ohne übermäßigen Aufwand den Beweis zu führen, dass ein Geschäft tatsächlich aus echten wirtschaftlichen Gründen und nicht zur Erlangung eines Steuervorteils durchgeführt wurde, und 2. das Vereinigte Königreich sicherstellt, dass der Niederlassungsstaat der Muttergesellschaft die vom Vereinigten Königreich vorgenommene Umqualifizierung der von der Tochtergesellschaft gezahlten Zinsen aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips anerkennt.

–        Artikel 43 EG und die vorstehenden Erörterungen finden Anwendung, wenn a) das Darlehen von einer zwischengeschalteten Darlehensgeberin, nicht aber von der Muttergesellschaft selbst gewährt wird, sofern beide Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich ansässig sind, oder b) die Darlehensgeberin in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich ansässig ist und die Darlehensnehmerin eine Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin ist, selbst wenn ihre gemeinsame Muttergesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist oder die Darlehensgeberin das Darlehen über eine in einem Drittstaat ansässige Niederlassung auszahlt. Artikel 43 EG findet dagegen keine Anwendung, wenn a) die Darlehensgeberin in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich ansässig ist, die Darlehensnehmerin keine Tochtergesellschaft der Darlehensgeberin ist und ihre gemeinsame Muttergesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist, oder b) die Darlehensgeberin und alle gemeinsamen unmittelbaren oder mittelbaren Muttergesellschaften der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin in Drittstaaten ansässig sind.

–        Mangels einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung zu Unrecht gezahlter Steuern hat die innerstaatliche Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten die zuständigen Gerichte und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu bestimmen, die den Schutz der dem Steuerpflichtigen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, einschließlich der rechtlichen Einordnung der Ansprüche, die vor dem nationalen Gericht erhoben werden. Dabei müssen die nationalen Gerichte jedoch sicherstellen, dass die Kläger über eine effektive Abhilfemöglichkeit verfügen, um Erstattung oder Entschädigung für die finanzielle Einbuße zu erlangen, die ihnen unmittelbar durch eine unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Steuer entstanden ist.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑324/00 (Lankhorst‑Hohorst, Slg. 2002, I‑11779), vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 2. Mai 2006 in der anhängigen Rechtssache C‑196/04 (Cadbury Schweppes).


3 – In der Gemeinschaft untersagt die Richtlinie 90/435/EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) einen Steuerabzug an der Quelle auf Dividenden, die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft entrichtet werden.


4 – Obwohl sich der TA und seine Änderungen allgemein auf die Übertragung von Wertpapieren durch den Kapitalnehmer an den Kapitalgeber beziehen und nicht von der Kapitalaufnahme mittels Darlehen sprechen, werde ich in den vorliegenden Schlussanträgen aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung von der Gewährung eines Darlehens durch den Darlehensgeber an den Darlehensnehmer ausgehen.


5 – Section 14 TA.


6 – Section 788 (3) TA.


7 – Eingefügt durch Section 52 des Finance Act (No 2) 1992.


8 – Die Vorschrift findet Anwendung, wenn die Ausschüttung ganz oder teilweise „einem Betrag entspricht, der an die andere Gesellschaft nicht zu zahlen gewesen wäre, wenn zwischen den Gesellschaften (abgesehen von den betreffenden Wertpapieren) keine Beziehungen, Vereinbarungen oder sonstige (förmliche oder formlose) Verbindungen bestanden hätten; dies gilt gegebenenfalls nicht für den Teil der Ausschüttung, der einem solchen Betrag nicht entspricht oder eine Ausschüttung gemäß Buchstabe d darstellt oder ein Betrag ist, der dem durch die Wertpapiere gesicherten Kapital entspricht“ (Section 209 [2] [da] [ii]).


9 – Section 209 (8A) (b) bestimmt, dass bei der Beurteilung, ob die Faktoren für die Einstufung als Ausschüttung nach Section 209 (8B) Anwendung finden, andere (als die zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber bestehenden) Beziehungen, Vereinbarungen oder Verbindungen zwischen dem Darlehensnehmer und einem Dritten unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der Dritte i) steht in keiner einschlägigen Verbindung (im Sinne der Section 209 [8C]) zum Darlehensnehmer und ii) ist eine Gesellschaft, die Mitglied derselben im Vereinigten Königreich ansässigen Vereinigung (im Sinne der Section 209 [8D]) wie der Darlehensnehmer ist.


10 – Anhang 28AA (1) (1) (b).


11 – Anhang 28AA (1) (2). Nach Anhang 28AA (5) TA ist diese Voraussetzung im Einzelfall erfüllt, wenn durch die Vornahme der oder die Verpflichtung zur Bereitstellung die steuerpflichtigen Gewinne dieser Person im Bemessungszeitraum sinken und/oder die Verluste dieser Person im Bemessungszeitraum steigen.


12 – Anhang 28AA (5) (3) (b) TA.


13 – Anhang 28AA (5) (3) (c) TA.


14 – Nach den Doppelbesteuerungsabkommen oder nach Section 790 (1) TA.


15 – Anhang 28AA (5) (4) TA.


16 – Urteil Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2).


17 – Während des gesamten maßgeblichen Zeitraums hielt Financière Lafarge über 75 % der ausgegebenen Aktien der Lafarge Building Materials.


18 – Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178, S. 5).


19 – Urteil vom 13. April 2000 in der Rechtssache C‑251/98 (Baars, Slg. 2000, I‑2787, Randnr. 22). Obwohl es in dieser Rechtssache um den Aktienbesitz eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nicht um den einer Gesellschaft ging, findet der Grundsatz auch Anwendung auf die in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaften. Vgl. auch Artikel 58 Absatz 2 EG, wonach die Anwendung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs „nicht die Anwendbarkeit von Beschränkungen des Niederlassungsrechts [berührt], die mit diesem Vertrag vereinbar sind“.


20 – Vgl. Section 209 (2) (da) TA.


21 – Anhang 28AA (1) (1) (b) TA.


22 – Vgl. auch Artikel 4 Absatz 1 des Schiedsübereinkommens, der bestimmt, dass eine Voraussetzung für die Anwendung der dort genannten Regeln über die Transferpreise darin besteht, dass ein Unternehmen eines Mitgliedstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats beteiligt ist oder ein und dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Staates und eines Unternehmens eines anderen Staates beteiligt sind. Vgl. ebenso Artikel 9 Absatz 1 OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, OECD, Paris, 1977, in der revidierten Fassung.


23 – Vgl. z. B. Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755).


24 – Urteil vom 14. November 1995 in der Rechtssache C‑484/93 (Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I‑3955).


25 – Schlussanträge zum Urteil Baars (zitiert oben in Fußnote 19, Nr. 26). Vgl. auch meine Schlussanträge in den Rechtssachen C‑515/99 und C‑527/99 bis C‑540/99 (Reisch, Slg. 2002, I‑2157, Nr. 59).


26 – Vgl. z. B. Urteil vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache C‑446/03 (Marks & Spencer, Slg. 2005, I‑0000, Randnr. 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


27 – Vgl. meine Schlussanträge vom 23. Februar 2006 in der Rechtssache C‑374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Slg. 2006, I‑0000, Nrn. 32 ff.), vom 6. April 2006 in der Rechtssache C‑446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation, Slg. 2006, I‑0000, Nrn. 37 ff.), vom 6. April 2006 in der Rechtssache C‑513/04 (Kerckhaert und Morres, Slg. 2006, I‑0000, Nrn. 18 und 19) und vom 27. April 2006 in der Rechtssache C‑170/05 (Denkavit, Slg. 2006, I‑0000, Nr. 20).


28 – Vgl. ausführlich Nrn. 31 bis 54 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (zitiert oben in Fußnote 27).


29 – Ibidem, Nr. 55; vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Denkavit (zitiert oben in Fußnote 27, Nr. 20).


30 – Section 209 (2) (d) TA.


31 – Section 209 (2) (e) (iv) TA.


32 – Section 209 (2) (da) TA.


33 – Section 212 (1) and (3) TA in der geänderten Fassung.


34 – Anhang 28AA TA.


35 – Anhang 28AA (5) (2) TA.


36 – Vgl. z. B. Urteile vom 8. März 2001 in den Rechtssachen C‑397/98 und C‑410/98 (Metallgesellschaft, Slg. 2001, I‑1727, Randnrn. 43 und 44) und Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2, Randnrn. 27 bis 32).


37 – Urteil vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C‑267/91 und C‑268/91 (Keck und Mithouard, Slg. 1993, I‑6097).


38 – Schlussanträge zur Rechtssache ACT (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 32 ff.).


39 – Urteil vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C‑336/96 (Gilly, Slg. 1998, I‑2793).


40 – Schlussanträge in der Rechtssache ACT (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 48 bis 54).


41 – Urteil Gilly (zitiert oben in Fußnote 39) und Urteil vom 5. Juli 2005 in der Rechtssache C‑376/03 (D., Slg. 2005, I‑5821).


42 – Vgl. z. B. meine Schlussanträge in der Rechtssache Kerckhaert und Morres (zitiert oben in Fußnote 27, Nr. 37) und in der Rechtssache Denkavit (zitiert oben in Fußnote 27, Nr. 43).


43 – Schlussanträge ACT (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 70 ff.) und Denkavit (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 33 ff.).


44 – Vgl. z. B. Urteil vom 29. April 1999 in der Rechtssache C‑311/97 (Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I‑2651) sowie die dort angeführte Rechtsprechung.


45 – Vgl. Urteil Marks & Spencer (zitiert oben in Fußnote 26, Randnr. 35).


46 – Urteil vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C‑204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I‑249).


47 – Urteil vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C‑264/96 (ICI, Slg. 1998, I‑4695).


48 – Urteil Marks & Spencer (zitiert oben in Fußnote 26, Randnrn. 49 und 50).


49 – Urteile Lankhorst-Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2), vom 21. November 2002 in der Rechtssache C‑436/00 (X and Y, Slg. 2002, I‑10829) und ICI (zitiert oben in Fußnote 47).


50 – Urteile vom 12. Juli 1997 in der Rechtssache C‑28/95 (Leur‑Bloem, Slg. 1997, I‑4161) und vom 21. Februar 2006 in der Rechtssache C‑255/02 (Halifax, Slg. 2006, I‑0000). Vgl. auch Urteile vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C‑367/96 (Kefalas, Slg. 1998, I‑2843) und vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C‑110/99 (Emsland‑Stärke, Slg. 2000, I‑11569).


51 – Vgl. z. B. Urteil Halifax (zitiert oben in Fußnote 50, Randnr. 73). Vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C‑294/97 (Eurowings, Slg. 1999, I‑7447): „Ein etwaiger Steuervorteil für Dienstleistende in Form ihrer geringen steuerlichen Belastung in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, gibt einem anderen Mitgliedstaat nicht das Recht, die in seinem Gebiet ansässigen Empfänger der Dienstleistungen steuerlich ungünstiger zu behandeln. … Wie die Kommission zu Recht ausführt, würden solche kompensatorischen Abgaben den Binnenmarkt in seinen Grundlagen beeinträchtigen“ (Randnrn. 44 und 45).


52 – Vgl. insbesondere die Feststellungen des Gerichtshofes in den Urteilen Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2) und ICI (zitiert oben in Fußnote 47).


53 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Cadbury Schweppes (zitiert oben in Fußnote 2, Nrn. 53 und 56). Vgl. auch Urteil X und Y (zitiert oben in Fußnote 49, Randnr. 62).


54 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Cadbury Schweppes (zitiert oben in Fußnote 2, Nr. 54).


55 – Vgl. Urteil Halifax (zitiert oben in Fußnote 50, Randnr. 86).


56 – Dies ist zu unterscheiden von Fällen wie dem, der dem Urteil Kefalas (zitiert oben in Fußnote 50, Randnrn. 26 ff.) zugrunde liegt, wo der Gerichtshof entschied, dass die Anwendung einer Missbrauchsvermutung, weil der Steuerpflichtige eine bestimmte Handlung nicht vorgenommen habe, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße (in jenem Fall die Ausübung eines Bezugsrechts nach Artikel 92 Absatz 1 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten [ABl. 1977, L 26, S. 1]). In diesen Fällen kann von dem Anhaltspunkt, der die Vermutung begründete – anders als bei dem Kriterium des Fremdvergleichs im vorliegenden Fall –, nicht behauptet werden, dass er ein objektives Kriterium für die Prüfung war, ob mit dem fraglichen Geschäft im Kern ein Steuervorteil bezweckt wurde.


57 – Urteil Halifax (zitiert oben in Fußnote 50, Randnrn. 74 und 75).


58 – Urteil Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2).


59 – Vgl. Leur‑Bloem (zitiert oben in Fußnote 50, Randnr. 41).


60 – Ein Beispiel ist die Ausdehnung der deutschen Vorschriften über die Unterkapitalisierung auf rein innerstaatliche Sachverhalte im Anschluss an das Urteil Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2).


61 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache ACT (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 71 ff.) und in der Rechtssache Denkavit (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 33 ff.).


62 – Vgl. z. B. Schlussanträge in der Rechtssache Denkavit (zitiert oben in Fußnote 27, Nr. 43).


63 – Urteil Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2, Randnr. 3).


64 – Section 209 (2) (e) (iv) und (v) TA.


65 – Zum Beispiel das Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg, Deutschland, Spanien und Österreich.


66 – Zum Beispiel das Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden, Frankreich, Irland und Italien.


67 – Section 808A (2) TA.


68 – Section 209 (2) (da) TA.


69 – Section 209 (2) (da) (ii) TA.


70 – Section 212 (1) und (3) TA.


71 – Urteil Bachmann (zitiert oben in Fußnote 46) (vgl. auch Urteil vom 28. Januar 1992 in der parallelen Rechtssache C‑300/90, Kommission/Belgien, Slg. 1992, I‑305, zu ähnlichen Fragen).


72 – Urteil vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C‑35/98 (Verkooijen, Slg. 2000, I‑4071, Randnr. 58).


73 – Urteile Baars (zitiert oben in Fußnote 19) und vom 18. September 2003 in der Rechtssache C‑168/01 (Bosal, Slg. 2003, I‑9409).


74 – Urteile vom 7. September 2004 in der Rechtssache C‑319/02 (Manninen, Slg. 2004, I‑7477) und Marks & Spencer (zitiert oben in Fußnote 26).


75 – Urteil Manninen (zitiert oben in Fußnote 74, Randnr. 46).


76 – Urteil Marks & Spencer (zitiert oben in Fußnote 26, Randnr. 46).


77 – Vgl. oben Fußnote 27.


78 – Urteile Verkooijen (zitiert oben in Fußnote 72) und Manninen (zitiert oben in Fußnote 74).


79 – Urteil Marks & Spencer (zitiert oben in Fußnote 26).


80 – Vgl. Artikel 48 EG.


81 – Schlussanträge in der Rechtssache FII (zitiert oben in Fußnote 27, Nrn. 125 ff.).


82 – Ibidem, Nr. 126 sowie die dort zitierten Urteile.


83 – Ibidem, sowie die dort zitierten Urteile.


84 – Schlussanträge in der Rechtssache FII (zitiert oben in Fußnote 27, Nr. 127 sowie die dort zitierten Urteile).


85 – Urteil Metallgesellschaft (zitiert oben in Fußnote 36, Randnr. 96).


86 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly zum Urteil Metallgesellschaft (zitiert oben in Fußnote 36, Nr. 45).


87 – Urteil vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C‑46/93 und C‑48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I‑1029).


88 – Urteil Lankhorst‑Hohorst (zitiert oben in Fußnote 2).


89 – Urteil Metallgesellschaft (zitiert oben in Fußnote 36, Randnr. 102).