Language of document : ECLI:EU:T:2014:901

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

21. Oktober 2014(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke LAGUIOLE – Ältere französische Firma Forge de Laguiole – Art. 53 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑453/11

Gilbert Szajner, wohnhaft in Niort (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin A. Lakits‑Josse,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Folliard‑Monguiral als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Forge de Laguiole SARL mit Sitz in Laguiole (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. Fajgenbaum,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 1. Juni 2011 (Sache R 181/2007‑1) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Forge de Laguiole SARL und Herrn Gilbert Szajner,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, der Richterin I. Pelikánová (Berichterstatterin) und des Richters E. Buttigieg,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 8. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 25. November 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der am 12. Dezember 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 20. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 6. Juli 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Gegenerwiderung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2014,

aufgrund der ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen, die die Beteiligten nach Aufforderung durch das Gericht eingereicht haben und die am 24. und 25. Februar 2014 bzw. am 8. und 9. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der Kläger, Herr Gilbert Szajner, ist Inhaber der Gemeinschaftswortmarke LAGUIOLE, die am 20. November 2001 angemeldet und am 17. Januar 2005 vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) eingetragen wurde.

2        Die Marke LAGUIOLE wurde – nach dem im Verfahren vor dem HABM erfolgten teilweisen Verzicht – u. a. für folgende Waren und Dienstleistungen in den Klassen 8, 14, 16, 18, 20, 21, 28, 34 und 38 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 8: „Handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Löffel; Sägen, Schraubenzieher; Rasierapparate, Rasierklingen; Rasiernecessaires; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipser; Manikürenecessaires“;

–        Klasse 14: „Edelmetalle und ihre Legierungen; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Schmuckkästen aus Edelmetall; Zeitmessinstrumente, Manschettenknöpfe, Krawattenhalter, Schmucknadeln; Schlüsselanhänger; Geldbörsen aus Edelmetall; Taschen- und Armbanduhren und Uhrenarmbänder; Kästen, Leuchter, Zigarrenetuis, Geräte und Behälter für Haushalt und Küche aus Edelmetallen; Tafelgeschirr aus Edelmetall“;

–        Klasse 16: „Schülerbedarf; Brieföffner; Bleistifte, Minenschreibgeräte, Radiergummis; Umschläge; Hefter; Alben, Bücher; Almanache, Broschüren, Schreibhefte, Kataloge; Kalender, Lithografien, Plakate“;

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen; Reise- und Handkoffer und ‑taschen; Spazierstöcke; Handtaschen; Strandtaschen; Reisetaschen, ‑necessaires und ‑koffer; Brieftaschen; Kartentaschen (Brieftaschen), Aktentaschen; Aktentaschen (Feinlederwaren); Schlüsseletuis (Lederwaren); Geldbörsen, nicht aus Edelmetall“;

–        Klasse 20: „Rahmen, Kunst- oder Ziergegenstände aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen“;

–        Klasse 21: „Küchengeräte und Geschirr aus Glas, Porzellan und Steingut; Tafelgeschirr, nicht aus Edelmetall; Korkenzieher; Flaschenöffner, Papierhandtuchspender aus Metall; Sanduhren; Rasierpinsel; Toilettenecessaires“;

–        Klasse 28: „Turn- und Sportartikel (ausgenommen Schwimmartikel, Bekleidung, Matten und Schuhe); Golfhandschuhe“;

–        Klasse 34: „Raucherartikel; Streichhölzer, elektrische Feuerzeuge für Raucher; Zigarren- und Zigarettenkästen, nicht aus Edelmetall; Zigarrenabschneider; Pfeifen; Pfeifenreiniger“;

–        Klasse 38: „Telekommunikation; Auskünfte über Telekommunikation; Sammeln und Liefern von Pressemeldungen; Übermittlung von Nachrichten; computergestützte Nachrichten- und Bildübertragung; Kommunikation durch und/oder zwischen Computern und Computerterminals; Kommunikation mittels Telefon; Kommunikation, Übertragung von Informationen, die in Datenbanken oder auf einem Telematikserver gespeichert sind; Nachrichtenübermittlung per Telefon, auf elektronischem Wege oder über Telematikdienste; Kommunikation und Übertragung von Nachrichten, Informationen und Daten (online oder zeitversetzt) auf der Basis von Datenverarbeitungssystemen und Computernetzen einschließlich Internet und World Wide Web; Übertragung von Informationen über Telekommunikationsnetze einschließlich Internet“.

3        Am 22. Juli 2005 stellte die Streithelferin, die Forge de Laguiole SARL, nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 53 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009) einen Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der Marke LAGUIOLE.

4        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf die Firma Forge de Laguiole gestützt, die die Streithelferin für „Anfertigung und Verkauf jeglicher Messerschmiede- und Schneidwaren, Geschenkartikel und Souvenirs – jeglicher Artikel im Zusammenhang mit Tischkultur“ verwendete. Der Streithelferin zufolge berechtigt sie diese Firma, deren Geltungsbereich nicht nur örtlich sei, gemäß dem französischen Recht dazu, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

5        Der Antrag auf teilweise Nichtigerklärung richtete sich gegen alle oben in Rn. 2 genannten Waren und Dienstleistungen.

6        Mit Entscheidung vom 27. November 2006 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

7        Am 25. Januar 2007 legte die Streithelferin gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde beim HABM ein.

8        Mit Entscheidung vom 1. Juni 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hat die Erste Beschwerdekammer der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Marke LAGUIOLE für die Waren der Klassen 8, 14, 16, 18, 20, 21, 28 und 34 für nichtig erklärt. Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 38 hat sie die Beschwerde zurückgewiesen.

9        Die Beschwerdekammer ist insbesondere davon ausgegangen, dass nach der französischen Rechtsprechung eine Firma grundsätzlich für alle Tätigkeiten geschützt sei, die von ihrem Unternehmensgegenstand umfasst seien, wobei der Schutz jedoch auf die tatsächlich und konkret ausgeübten Tätigkeiten beschränkt sei, wenn der Unternehmensgegenstand unpräzise sei oder die ausgeübten Tätigkeiten nicht von ihm umfasst seien. Im vorliegenden Fall sei der Unternehmensgegenstand der Streithelferin hinsichtlich „Anfertigung und Verkauf jeglicher Messerschmiede- und Schneidwaren“ aber hinreichend präzise. Selbst wenn man unterstellte, dass der Wortlaut des Unternehmensgegenstands „Anfertigung und Verkauf jeglicher Geschenkartikel und Souvenirs – jeglicher Artikel im Zusammenhang mit Tischkultur“ unpräzise sei, wäre die Firma der Antragstellerin schutzwürdig, zumindest in den Bereichen, in denen sie vor Anmeldung der Marke LAGUIOLE tatsächlich tätig gewesen sei.

10      Hierzu hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, die Streithelferin habe nachgewiesen, dass sie bereits vor Anmeldung der Marke LAGUIOLE eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich des Handels mit Waren ausgeübt habe, die unter „Tischkultur“, „Wohnkultur“, die Welt des Weins, Schneidwaren, Raucher-, Golfer-, Jäger- und Freizeitartikel sowie sonstiges Zubehör fielen. Keine gewerbliche Tätigkeit habe die Streithelferin hingegen hinsichtlich der Luxus- und Reiseartikel nachgewiesen, die im Übrigen nicht von ihrem Unternehmensgegenstand umfasst seien. Schließlich hat die Beschwerdekammer ausgeführt, mit Ausnahme der Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 drängen alle mit der genannten Marke beanspruchten Waren in die Tätigkeitsbereiche der Streithelferin ein oder gehörten zu konnexen Tätigkeitsbereichen.

11      Hinsichtlich der einander gegenüberstehenden Zeichen ist die Beschwerdekammer davon ausgegangen, dass der Begriff „laguiole“, obwohl beschreibend und für Messer nicht unterscheidungskräftig, dennoch der herrschende oder zumindest mitherrschende Bestandteil der Firma Forge de Laguiole sei, auch wenn diese für Messer verwendet werde. Als Ganzes betrachtet wiesen die einander gegenüberstehenden Zeichen eine gewisse Ähnlichkeit auf klanglicher, bildlicher und begrifflicher Ebene auf, die nicht durch den bloßen Zusatz des Gattungsbegriffs „forge de“ ausgeglichen werden könne.

12      Daraus hat die Beschwerdekammer zum einen geschlossen, dass für die französischen Verbraucher Verwechslungsgefahr bestehe, wenn die Marke LAGUIOLE für Waren oder Dienstleistungen benutzt werde, die für denselben Kundenkreis bestimmt seien und in denselben Geschäften verkauft würden wie „Messerschmiede- und Schneidwaren, Geschenkartikel und Artikel im Zusammenhang mit Tischkultur“, die zu den Tätigkeitsbereichen der Streithelferin gehörten. Zum anderen war sie der Ansicht, die Tätigkeiten der Streithelferin würden berührt, wenn die genannte Marke für zusätzliche Waren benutzt würde, die mit diesen Tätigkeiten untrennbar verbunden seien, oder auch für Waren, die zu konnexen Tätigkeitsbereichen gehörten, in denen sich diese Tätigkeiten auf natürliche Weise entwickeln könnten.

13      Schließlich hat die Beschwerdekammer ausgeführt, die Firma Forge de Laguiole besitze aufgrund ihres Ansehens und ihres guten Rufes hohe Kennzeichnungskraft und genieße einen außergewöhnlichen Schutz sogar für die Tätigkeitsbereiche, die nicht ihrem Unternehmensgegenstand entsprächen.

 Vorbringen der Beteiligten

14      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der Streithelferin ihre eigenen und seine Kosten aufzuerlegen.

15      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Streithelferin beantragt,

–        die Entscheidung der Beschwerdekammer zu bestätigen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zu den erstmals vor dem Gericht vorgelegten Dokumenten

17      Festzustellen ist, dass der Kläger und die Streithelferin im Rahmen der Erwiderung bzw. der Gegenerwiderung eine Reihe von Dokumenten vorgelegt haben, die in der Akte des Verfahrens vor dem HABM nicht enthalten waren.

18      So hat der Kläger Folgendes vorgelegt:

–        drei Auszüge aus einem Wörterbuch (Anhänge 34, 35 und 39 der Erwiderung);

–        einen Auszug aus einem Auktionskatalog (Anhang 36 der Erwiderung);

–        zwei Auszüge aus Suchergebnissen einer Internetsuchmaschine (Anhänge 37 und 40 der Erwiderung);

–        ein Auszug aus einer Online-Enzyklopädie (Anhang 38 der Erwiderung);

–        zwei Presseartikel (Anhang 41 der Erwiderung);

–        Auszüge aus den Ergebnissen der Suche von Marken in der Datenbank des Institut national français de la propriété intellectuelle (INPI) (französisches Institut für geistiges Eigentum) (Anhang 42 der Erwiderung);

–        vier Abschriften von Entscheidungen der Widerspruchsabteilung des HABM (Anhänge 34a, 34b, 37a und 38a der Erwiderung).

19      Die Streithelferin hat Folgendes vorgelegt:

–        Urteile verschiedener französischer Gerichte (Anhänge 55, 57, 58, 67, 68, 69, 70, 73 und 74 der Gegenerwiderung);

–        drei Entscheidungen der Beschwerdekammern und der Widerspruchsabteilung des HABM (Anhänge 56, 59 und 66 der Gegenerwiderung);

–        Auszüge aus den Widerspruchsrichtlinien des HABM (Anhang 60 der Gegenerwiderung);

–        vier aus dem Internet abgerufene Presseartikel (Anhang 61 der Gegenerwiderung);

–        drei Auszüge aus Websites für den Verkauf über das Internet (Anhänge 63 bis 65 der Gegenerwiderung);

–        einen Auszug aus dem Code français de la consommation (französisches Verbrauchergesetzbuch) (Anhang 71 der Gegenerwiderung);

–        Auszüge aus dem Tätigkeitsbericht 2011 der französischen Direction générale de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes (DGCCRF) (Generaldirektion Wettbewerb, Verbrauch und Betrugsbekämpfung) (Anhang 72 der Gegenerwiderung).

20      Außerdem hat das HABM in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2014 geltend gemacht, das vom Kläger angeführte Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (C.Cass. Ch. Com., Cœur de princesse/Mattel France, Nr. 08‑2012.010) dürfe nicht berücksichtigt werden, da die Berufung hierauf unzulässig sei.

21      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klage beim Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des HABM erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 gerichtet ist, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Somit sind die Anhänge 34 bis 42 der Erwiderung sowie die Anhänge 61, 63 bis 65 und 72 der Gegenerwiderung zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Demgegenüber stellen die Anhänge 34a, 34b, 37a, und 38a der Erwiderung sowie die Anhänge 56, 59, 60 und 66 der Gegenerwiderung – obwohl sie erstmals vor dem Gericht vorgelegt wurden – keine Beweismittel im eigentlichen Sinne dar, sondern sind Teil der Entscheidungspraxis des HABM, auf die sich ein Beteiligter auch noch nach dem Verfahren vor dem HABM berufen kann (Urteil ARTHUR ET FELICIE, oben in Rn. 21 angeführt, Rn. 20).

23      Gleiches gilt für die Anhänge 55, 57, 58, 67 bis 71, 73 und 74 der Gegenerwiderung sowie das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt), die für zulässig zu erklären sind, da sie die nationale Gesetzgebung und die Entscheidungspraxis der nationalen Gerichte betreffen, auf die sich ein Beteiligter auch noch nach dem Verfahren vor dem HABM berufen kann. Weder die Verfahrensbeteiligten noch das Gericht selbst sind nämlich daran gehindert, in ihre Auslegung des nationalen Rechts, worauf das Unionsrecht – wie im vorliegenden Fall – verweist (siehe unten, Rn. 29), Elemente einzubeziehen, die sich aus der nationalen Gesetzgebung oder Rechtsprechung ergeben, denn es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, der Beschwerdekammer vorzuwerfen, sie habe in einem bestimmten Urteil eines französischen Gerichts genannte Tatsachen außer Betracht gelassen, sondern darum, Gesetzesbestimmungen oder Urteile zur Untermauerung eines Vorbringens heranzuziehen, mit dem gerügt wird, die Beschwerdekammern hätten eine Bestimmung des nationalen Rechts falsch angewendet (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2006, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Johnson’s Veterinary Products [VITACOAT], T‑277/04, Slg. 2006, II‑2211, Rn. 70 und 71).

24      Im Übrigen genügt – insofern als sich das HABM auf das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM (C‑263/09 P, Slg. 2011, I‑5853, Rn. 46 bis 57) stützt, um die Zulässigkeit des Urteils der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) als Beweismittel in Frage zu stellen – die Feststellung, dass aus diesem Urteil nicht hervorgeht, dass das Gericht Angaben nicht berücksichtigen darf, die ein Beteiligter erstmals vor ihm vorgebracht hat, um nachzuweisen, dass die Beschwerdekammer das vor ihr geltend gemachte nationale Recht falsch angewendet habe. Denn in diesem Urteil prüfte der Gerichtshof lediglich, ob das Gericht gegen eine in einem Rechtsstreit in der Sache angewandte Vorschrift des nationalen Rechts verstoßen hatte und ob er für die Feststellung eines solchen Verstoßes zuständig war (Urteil Edwin/HABM, Rn. 44). In diesem Zusammenhang wies der Gerichtshof zwar darauf hin, dass ein Beteiligter, der die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift begehrt, vor dem HABM die Angaben vorzubringen hat, aus denen sich der Inhalt dieser Rechtsvorschriften ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die vom HABM vorgenommene Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift nicht vom Gericht im Licht eines nationalen Urteils überprüft werden kann, das nach Erlass der Entscheidung des HABM erlassen und von einem Verfahrensbeteiligten geltend gemacht wird.

25      Schließlich ist das Argument des HABM zurückzuweisen, wonach die Tatsache, dass der Kläger das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) erst in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, ein „Manöver zur Verfahrensverzögerung“ darstelle. Hierzu ist nämlich zunächst darauf hinzuweisen, dass das genannte Urteil einige Tage nach Einreichung der Gegenerwiderung der Streithelferin erlassen wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das schriftliche Verfahren – obgleich noch nicht formell geschlossen – grundsätzlich beendet war. Der Kläger hätte sich daher in seinen Schriftsätzen nicht mit Erfolg auf das Urteil vom 10. Juli 2012 berufen können. Zudem ist hervorzuheben, dass sich der Kläger – entgegen den Behauptungen des HABM – auf das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) bereits im Rahmen der Begründung seines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestützt hat – der am 23. August 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist und dem HABM am 11. September 2012 zugestellt worden ist –, und nicht erst in der mündlichen Verhandlung.

2.     Zur Begründetheit

26      Der Kläger stützt sich auf einen einzigen Klagegrund, mit dem er einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 rügt.

27      Nach diesen beiden Bestimmungen kann eine Gemeinschaftsmarke, wenn ein anderes Zeichen als eine Marke schon vorhanden ist, für nichtig erklärt werden, wenn das andere Zeichen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt: Es muss im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein, das Kennzeichenrecht muss nach dem Recht des Mitgliedstaats erworben worden sein, in dem das Zeichen vor dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke benutzt wurde, und schließlich muss dieses Zeichen seinem Inhaber die Befugnis verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen. Diese vier Voraussetzungen beschränken die Zahl der sonstigen Zeichen, die geltend gemacht werden können, um die Gültigkeit einer Gemeinschaftsmarke für das gesamte Gemeinschaftsgebiet gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 anzugreifen (Urteil des Gerichts vom 24. März 2009, Moreira da Fonseca/HABM – General Óptica [GENERAL OPTICA], T‑318/06 bis T‑321/06, Slg. 2009, II‑649, Rn. 32).

28      Die ersten beiden Voraussetzungen, d. h. diejenigen der Benutzung und der – nicht lediglich örtlichen – Bedeutung des geltend gemachten Zeichens, ergeben sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 und sind daher im Licht des Unionsrechts auszulegen. So stellt die Verordnung Nr. 207/2009 einheitliche Maßstäbe für die Benutzung der Zeichen und ihre Bedeutung auf, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die dem durch diese Verordnung aufgestellten System zugrunde liegen (Urteil GENERAL OPTICA, oben in Rn. 27 angeführt, Rn. 33).

29      Demgegenüber ergibt sich aus der Wendung „wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht des Mitgliedstaats“, dass die beiden weiteren, in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Voraussetzungen im Unterschied zu den vorangehenden gemäß dieser Verordnung nach Kriterien zu beurteilen sind, die das Recht festlegt, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt. Dieser Verweis auf das Recht, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt, ist deswegen völlig gerechtfertigt, weil die Verordnung Nr. 207/2009 für außerhalb des Systems der Gemeinschaftsmarke stehende Zeichen die Möglichkeit einräumt, sie gegen eine Gemeinschaftsmarke anzuführen. Somit lässt sich nur anhand des Rechts, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt, feststellen, ob dieses älter als die Gemeinschaftsmarke ist und ob es ein Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke rechtfertigen kann (Urteil GENERAL OPTICA, oben in Rn. 27 angeführt, Rn. 34).

30      Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass es sich bei der Firma Forge de Laguiole um ein im geschäftlichen Verkehr benutztes Kennzeichenrecht im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 handelt und ihre Bedeutung über den örtlichen Rahmen hinausgeht. Ebenso wenig haben die Beteiligten bestritten – weder im Verfahren vor dem HABM noch in ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen –, dass die Rechte an dieser Firma nach dem französischen Recht vor dem 20. November 2001, dem Tag der Anmeldung der Marke LAGUIOLE, erworben worden waren.

31      Insofern als der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch Verweis auf seine französischen, im Jahr 1993 angemeldeten, Marken LAGUIOLE versucht hat, in Frage zu stellen, dass die Firma der Streithelferin in ihrer derzeitigen Form älter als die Gemeinschaftsmarke LAGUIOLE ist, genügt der Hinweis, dass im vorliegenden Fall allein der Tag der Anmeldung der genannten Gemeinschaftsmarke, d. h. der 20. November 2001, maßgeblich ist (siehe oben, Rn. 1).

32      Hingegen sind die Beteiligten unterschiedlicher Auffassung im Hinblick auf die vierte der oben in Rn. 27 genannten Voraussetzungen, die die Frage betrifft, ob und gegebenenfalls inwiefern die Firma der Streithelferin es ihr ermöglicht, dem Kläger die Benutzung der jüngeren Marke LAGUIOLE zu untersagen. Gemäß der oben in Rn. 29 angeführten Rechtsprechung hängt die Antwort auf diese Frage allein vom französischen Recht ab.

33      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer ihre Begründung im Licht der französischen Rechtsprechung, die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestand, auf zwei Säulen gestützt, von denen jede für sich genommen eine ausreichende Grundlage für ihre Schlussfolgerung war, dass die Firma der Streithelferin für sämtliche in ihrem Unternehmensgegenstand aufgeführten Tätigkeiten geschützt sei.

34      Erstens hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen angenommen, dass der Wortlaut des Unternehmensgegenstands der Streithelferin hinreichend präzise sei, um davon ausgehen zu können, dass sich der durch ihre Firma gewährte Schutz auf alle im Unternehmensgegenstand genannten Tätigkeiten erstreckt (angefochtene Entscheidung, Rn. 87 bis 90). Zweitens ist sie davon ausgegangen, dass, selbst unterstellt, dies sei nicht der Fall gewesen für die Tätigkeit „Anfertigung und Verkauf jeglicher Geschenkartikel und Souvenirs – jeglicher Artikel im Zusammenhang mit Tischkultur“, die Streithelferin nachgewiesen habe, dass sie ihre Tätigkeiten vor dem 20. November 2001 auf „Tischkultur“, „Wohnkultur“, die „Welt des Weins“, Schneidwaren, Raucher-, Golfer-, Jäger- und Freizeitartikel sowie „sonstiges Zubehör“ ausgeweitet habe (angefochtene Entscheidung, Rn. 91 bis 94).

35      Somit ist jede der beiden Säulen zu prüfen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht.

 Zum Umfang des durch die Firma Forge de Laguiole gewährten Schutzes

36      In den Art. L. 714‑3 und L. 711‑4 des französischen Code de la propriété intellectuelle (Gesetz über das geistige Eigentum) (im Folgenden: CPI) heißt es:

L. 714‑3

„Eine eingetragene Marke kann gerichtlich für nichtig erklärt werden, wenn sie nicht im Einklang mit den Art. L. 711‑1 bis L. 711‑4 steht.

Ein Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. L. 711‑4 kann nur vom Inhaber eines älteren Rechts gestellt werden. Ein solcher Antrag ist jedoch unzulässig, wenn die Marke gutgläubig angemeldet wurde und der Inhaber des älteren Rechts die Benutzung der Marke fünf Jahre hindurch geduldet hat.

Die Nichtigerklärung wirkt gegenüber jedermann.“

L. 711‑4

„Nicht als Marke eingetragen werden kann ein Zeichen, das ältere Rechte verletzt, insbesondere

b)      eine Firma, wenn für das Publikum eine Verwechslungsgefahr besteht;

…“

37      Unstreitig ist, dass das Recht, eine jüngere Marke aufgrund einer Firma für nichtig erklären zu lassen, a fortiori das Recht beinhaltet, sich im Sinne der vierten der oben in Rn. 27 genannten Voraussetzungen gegen die Benutzung dieser Marke zu wehren.

38      Der Kläger macht geltend, im französischen Recht erstrecke sich der Schutz der Firma ausschließlich auf tatsächlich ausgeübte Tätigkeiten, insbesondere wenn die im Unternehmensgegenstand genannten Tätigkeiten zu weit gefasst seien.

39      Das HABM vertritt seinerseits die Auffassung, im französischen Recht werde der Umfang des Schutzes der Firma durch den Wortlaut der im Unternehmensgegenstand genannten Tätigkeiten festgelegt, es sei denn, dieser Wortlaut sei übermäßig weit gefasst oder unpräzise – in einem solchen Fall sei der Umfang des Schutzes auf die konkreten Tätigkeiten, die vom fraglichen Unternehmen ausgeübt werden, beschränkt.

40      Die Streithelferin bringt im Wesentlichen vor, die Firma sei für jede Tätigkeit geschützt, die im Unternehmensgegenstand genannt sei – selbst wenn dieser weit gefasst sei –, und zwar unabhängig von den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten. Zudem erstrecke sich der Schutz auch auf Tätigkeiten, die zu Wirtschaftssektoren gehörten, in denen der Firmeninhaber noch nicht tätig sei, die aber konnex zu den im Unternehmensgegenstand genannten Tätigkeiten seien.

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung vorgeschlagenen Auslegung von Art. L. 711‑4 Buchst. b CPI eine Firma grundsätzlich für alle Tätigkeiten geschützt ist, die von ihrem Unternehmensgegenstand umfasst sind, wobei der Schutz jedoch auf die tatsächlich und konkret ausgeübten Tätigkeiten beschränkt ist, wenn der Unternehmensgegenstand unpräzise ist oder die ausgeübten Tätigkeiten nicht von ihm umfasst sind.

42      Diese Auslegung hat die Beschwerdekammer auf die einschlägige französische Rechtsprechung gestützt, die beim Erlass der angefochtenen Entscheidung am 1. Juni 2011 bestand. Diese Rechtsprechung war nicht einheitlich und führte in Fachkreisen zu einer Kontroverse, für die die Beteiligten sowohl dem HABM als auch dem Gericht umfangreiche Belege beigebracht haben.

43      Diese divergierende Rechtsprechung und die Kontroverse, die sie in der Lehre ausgelöst hat, wurden vom Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) zusammengefasst. In diesem Urteil, das nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung erging, wurde entschieden, dass „die Firma nur für jene Tätigkeiten geschützt ist, die das Unternehmen tatsächlich ausübt, und nicht für jene, die in seiner Satzung aufgezählt sind“.

44      Entgegen dem, was das HABM und die Streithelferin in ihren ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen vom 24. bzw. 25. Februar 2014 vortragen, ist der im Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) genannte Grundsatz hinsichtlich des Umfangs des Schutzes einer Firma keineswegs mehrdeutig und kann allgemein angewendet werden. Zwar ist es zutreffend, dass die Rechtssache, in der das genannte Urteil ergangen ist, keine nach Art. L. 711‑4 CPI erhobene Klage betraf, sondern die Nichtigerklärung einer Marke wegen betrügerischer Anmeldung und einen Antrag im Bereich des unlauteren Wettbewerbs. Jedoch ist festzuhalten, dass sich die oben in Rn. 43 angeführte Passage in dem Abschnitt dieses Urteils befindet, in dem ein Klagegrund zurückgewiesen wurde, der gegen die Nichtigerklärung der Marke cœur de princesse wegen betrügerischer Anmeldung gerichtet und darauf gestützt war, dass diese Marke lediglich die Firma des anmeldenden Unternehmens übernommen habe, die älter sei, als die Vermarktung von Puppen unter der Bezeichnung „cœur de princesse“ durch das Unternehmen Mattel France. In diesem Zusammenhang verfasste die französische Cour de cassation die erwähnte Passage, um sodann festzustellen, dass die Waren und Dienstleistungen, die von der Marke cœur de princesse bezeichnet würden, weit über die Tätigkeiten hinausgingen, die vom betreffenden Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübt worden seien, weshalb der erhobene Klagegrund als nicht stichhaltig zurückgewiesen wurde. Somit enthält diese Passage keinerlei Beschränkung – weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem tatsächlichen oder verfahrensmäßigen Zusammenhang –, die zur Annahme Anlass geben könnte, dass ihre Anwendbarkeit auf die besonderen Umstände der entschiedenen Rechtssache begrenzt sei.

45      Im Übrigen kann – entgegen der Ansicht des HABM – das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) vom Gericht bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt werden, auch wenn es jünger als die angefochtene Entscheidung ist.

46      Denn es ist – abgesehen von den in den Rn. 23 und 24 angeführten prozessualen Erwägungen – erstens festzustellen, dass dieses Urteil keine Änderung der Rechtsprechung bewirkt hat, sondern bloß eine streitige Rechtsfrage geklärt hat. Wie zahlreiche ältere Urteile französischer Gerichte, die von den Beteiligten sowohl dem HABM als auch dem Gericht vorgelegt wurden, belegen, erlaubte die – wenn auch nicht einheitliche – Rechtsprechung untergeordneter Gerichte aus der Zeit vor dem Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) die Schlussfolgerung, dass der Schutz der Firma auf die Tätigkeiten beschränkt ist, die das fragliche Unternehmen tatsächlich ausgeübt hat.

47      Zweitens sind, selbst angenommen, das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) müsse dahin verstanden werden, dass es die Rechtsprechung ändere, solche Änderungen grundsätzlich rückwirkend auf bestehende Situationen anwendbar.

48      Dieser Grundsatz ist durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die richterliche Auslegung einer Norm zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in Abhängigkeit davon unterschiedlich sein darf, wann sich der berücksichtigte Sachverhalt abgespielt hat, und niemand ein wohlerworbenes Recht auf eine starre Rechtsprechung geltend machen kann. Zwar ist zutreffend, dass dieser Grundsatz insofern abgeschwächt werden kann, als die Gerichte in Ausnahmefällen davon abgehen können, um den zeitlichen Anwendungsbereich der Rückwirkung einer Änderung anzupassen, als Grundsatz gilt jedoch die Rückwirkung von Änderungen. Im vorliegenden Fall enthält das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) aber keine derartige Anpassung oder Beschränkung.

49      Hierzu ist hinzuzufügen, dass der entsprechende Grundsatz von den Unionsgerichten angewendet wird (Urteil des Gerichts vom 11. August 1995, Roders u. a., C‑367/93 bis C‑377/93, Slg. 1995, I‑2229, Rn. 42 und 43).

50      Daher beschränkt sich das Urteil der französischen Cour de cassation vom 10. Juli 2012 (oben in Rn. 20 angeführt) – wenngleich es für sich genommen eine neue Tatsache darstellt – darauf, über das französische Recht so zu urteilen, wie es gemäß dem oben in Rn. 29 erwähnten Grundsatz von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung vom 1. Juni 2011 hätte angewendet werden müssen und vom Gericht angewendet werden muss.

51      Daraus folgt, dass sich der Schutz der Firma Forge de Laguiole im vorliegenden Fall ausschließlich auf jene Tätigkeiten erstreckt, die von der Streithelferin am Tag der Anmeldung der Marke LAGUIOLE – am 20. November 2001 – tatsächlich ausgeübt wurden.

52      Folglich eignet sich die erste Säule der Begründung der Beschwerdekammer, die sich auf die im Unternehmensgegenstand der Streithelferin genannten Tätigkeiten stützt, nicht als Grundlage für die angefochtene Entscheidung, sofern nicht nachgewiesen wird, dass die genannten Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt wurden.

53      Zu prüfen ist somit noch die Begründetheit der zweiten Säule der Begründung der Beschwerdekammer, die sich auf die von der Streithelferin tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten stützt.

 Zu den von der Streithelferin vor der Anmeldung der Marke LAGUIOLE tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten

54      Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Streithelferin in der Anfertigung und im Verkauf von Messerschmiedewaren tätig ist.

55      Nach den Feststellungen der Beschwerdekammer wies die Streithelferin außerdem nach, dass sie vor der Anmeldung der Marke LAGUIOLE (d. h. dem 20. November 2001) ihre Tätigkeiten auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren ausgeweitet hat.

56      Der Kläger macht hierzu zum einen geltend, dass die Tätigkeit der Streithelferin in Wahrheit auf den Handel mit Messern beschränkt sei, da die angebliche Diversifizierung in der Vermarktung von mit einem zusätzlichen Bestandteil versehenen Messern bestehe, und zum anderen, dass die genannte Diversifizierung jedenfalls weitgehend nach der Anmeldung der Marke LAGUIOLE erfolgt sei.

57      Das HABM vertritt die Auffassung, die Tätigkeitsbereiche einer Gesellschaft würden durch den Kundenkreis bestimmt, für den sie ihre Waren oder Dienstleistungen vorgesehen habe. Die mit einem zusätzlichen Bestandteil versehenen Messer hätten sich aber an einen Kundenkreis gerichtet, der von jenem für einfache Messer verschieden sei, was durch den Unterschied in den Vertriebskanälen der verschiedenen mit zusätzlichen Bestandteilen versehenen Messer nachgewiesen worden sei. Im Übrigen habe die Streithelferin vor der Anmeldung der Marke LAGUIOLE begonnen, ihre Tätigkeiten auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren auszuweiten.

58      Die Streithelferin fügt hinzu, dass eine Ware zwei verschiedene Funktionen haben könne, da die Funktion des Messers nicht die Funktion des zusätzlichen Bestandteils aufhebe.

59      Hinsichtlich der Nachweise für die Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren stützte sich die Beschwerdekammer in Rn. 94 der angefochtenen Entscheidung auf bestimmte dem HABM von der Streithelferin vorgelegte Dokumente, die aus der Zeit vor der Anmeldung der Marke stammen, und zwar:

–        die Preisliste der Streithelferin vom 1. Januar 2001 (Dokument 38.1), die Messer mit verschiedenen zusätzlichen Bestandteilen – nämlich Korkenzieher, Stichel, Kronkorkenöffner, Zigarrenabschneider, Pfeifenstopfer, Schlüsselanhänger –, „Gabeln“ und das Modell „Jagdmesser“ enthält;

–        zwei Rechnungen vom 15. Oktober 1998 bzw. 30. März 2000, die an Kunden in Luxemburg und Österreich gerichtet sind und auf denen das Modell „Sommelier“ mit Korkenzieher und Kronkorkenöffner sowie „Pitchgabeln“, das Modell „Laguiole du routard“ und eine „Messerscheide“ aus Leder aufscheinen;

–        eine Rechnung vom 22. November 2000, die an einen Kunden in Frankreich gerichtet ist und auf der eine „Gabel“ sowie die Modelle „Sommelier“ und „Calumet“ mit Schaberklinge, Pfeifenstopfer, Spieß und einem „Etui“ aufscheinen.

60      Festzustellen ist hierzu erstens, dass die „Geschenkkoffer“ und „Schachteln“ in keinem dieser Dokumente erwähnt sind. Hingegen befindet sich am Ende einiger Seiten der Preisliste der Streithelferin vom 1. Januar 2001 der Hinweis „Die Messer werden in einer Geschenkverpackung und mit Herkunftsnachweis geliefert.“ Die von der Beschwerdekammer berücksichtigten Dokumente verweisen somit auf eine Vermarktung von Geschenkverpackungen durch die Streithelferin ausschließlich als Verpackung ihrer eigenen Waren und nicht als eigenständige Waren. Unter diesen Umständen ist die Beschwerdekammer in Rn. 93 der angefochtenen Entscheidung fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Streithelferin die „Geschenkkoffer“ und „Schachteln“ im Rahmen der Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf den Sektor „sonstiges Zubehör“ zum Verkauf angeboten habe.

61      Zweitens besteht das Modell „Laguiole du routard“ aus einem Klappmesser ohne zusätzlichen Bestandteil. Zudem ist das Modell „Jagdmesser“ nach der Beschreibung in der Preisliste vom 1. Januar 2001 ein „Modell mit feststehender Klinge, geliefert mit einem Lederetui“. Folglich ist davon auszugehen, dass diese Modelle nicht geeignet sind, um eine Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren zu belegen, selbst angenommen, dass sie dazu bestimmt seien, im Rahmen der „Freizeit“ oder von Jägern benutzt zu werden, wie dies die Beschwerdekammer in Rn. 93 der angefochtenen Entscheidung behauptet hat.

62      Drittens sind die in den Rechnungen und in der Preisliste erwähnten „Messerscheiden“ und „Etuis“ ihrer Gestaltung und ihrer Darstellung nach ausschließlich dazu bestimmt, Messer zu enthalten, die von der Streithelferin hergestellt wurden. Höchstens könnten sie gegebenenfalls dazu dienen, andere Messer zu enthalten – je nach deren Größe und Form –, nicht aber andere Waren als Messerschmiedewaren. Außerdem werden die genannten Messerscheiden und Etuis ausschließlich zusammen mit den Messern und nicht getrennt verkauft. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass sie ein Zubehör zu den von der Streithelferin vermarkteten Messerschmiedewaren darstellen, ohne die Eigenschaft einer unabhängigen Produktpalette zu haben; deshalb eignen sie sich nicht als Beleg für eine Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren.

63      Viertens gehören Gabeln eindeutig nicht zu den Messerschmiedewaren. Dennoch eignet sich die Vermarktung der Gabeln nicht als Beleg für eine Tätigkeit der Streithelferin im gesamten Sektor „Tischkultur“. Zwar ist zutreffend, dass die Gabeln als zu „Tischkultur“ gehörend wahrgenommen werden können, jedoch handelt es sich hierbei um eine Kategorie, die zu weit ist und Warengesamtheiten zusammenfasst, die zu verschiedenartig sind, um im Hinblick auf ihre Ähnlichkeit mit den mit der Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen verglichen zu werden. Dagegen belegt die Vermarktung der Gabeln eine konkrete und tatsächliche Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf Bestecke im Allgemeinen, als Unterkategorie von „Tischkultur“ (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Rn. 23).

64      Fünftens vertrat die Beschwerdekammer hinsichtlich verschiedener (anderer) Artikel, die aus einem Messer bestehen, das mit einem oder zwei zusätzlichen Bestandteilen (Korkenzieher, Stichel, Kronkorkenöffner, Zigarrenabschneider, Pfeifenstopfer, Schlüsselanhänger, Pitchgabel) versehen ist, im Wesentlichen die Auffassung, dass diese multifunktionalen Artikel die Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren belege.

65      Wie aber der Kläger zu Recht geltend macht, sind die von der Streithelferin vermarkteten multifunktionalen Artikel nicht durch die Zusatzfunktion gekennzeichnet, sondern sie sind trotz des Vorliegens einer oder zweier zusätzlicher Bestandteile immer noch Messer. Die Ausstattung mit verschiedenen Zusätzen ändert nämlich nichts an ihrer Eigenschaft als Waren aus dem Sektor der Messerschmiedewaren.

66      Hierzu ist zum einen festzustellen, dass bei den von der Streithelferin vermarkteten multifunktionalen Waren das Messer weiterhin vorherrschend ist und den Charakter der Ware in ihrer Gesamtheit sowohl hinsichtlich des verwendeten Materials als auch ihrer ganzen Aufmachung bestimmt, was auch in der Preisliste vom 1. Januar 2001 hervorgehoben wird. Aus diesem Dokument geht hervor, dass die Streithelferin selbst die genannten Waren als Messer ansieht. Das Modell mit einem Korkenzieher und einem Kronkorkenöffner wird darin unter der Bezeichnung „Sommeliermesser mit Kronkorkenöffner“ und das Modell mit einer Pitchgabel unter der Bezeichnung „Messer für den Golfer“ geführt. Außerdem sind die von der Klinge verschiedenen Teile dieser Waren, wie etwa der Stichel und der Korkenzieher, darin ausdrücklich unter der Bezeichnung „Zusätzliche Bestandteile“ angeführt, wobei das Material der Klinge und das der genannten zusätzlichen Bestandteile insofern getrennt angegeben ist, als die Qualität des Stahls der Klinge betont wird (das Modell „Calumet“ mit Schaberklinge, Spieß und Pfeifenstopfer stellt insoweit eine Ausnahme dar). Schließlich befindet sich – wie bereits oben in Rn. 60 erwähnt worden ist – am Ende einiger Seiten, die Modelle mit zusätzlichen Bestandteilen enthalten, der Hinweis „Die Messer werden in einer Geschenkverpackung und mit Herkunftsnachweis geliefert.“

67      Zum anderen setzt sich – entgegen dem Vorbringen der Streithelferin –der von den fraglichen multifunktionalen Waren angesprochene Kundenkreis nicht aus Golfern oder Rauchern im Allgemeinen zusammen, sondern aus Käufern von Messerschmiedewaren, die auch Golf spielen oder rauchen, also Golfer oder Raucher mit einer Affinität zu Messerschmiedewaren. Dies gilt sowohl für den funktionalen Aspekt (eine Pitchgabel oder ein Zigarrenabschneider, die Teil eines Messers sind, sind unhandlicher und unpraktischer als das gleiche Werkzeug ohne Messer, vor allem dann, wenn das Messer an sich ein hochwertiges Produkt einer gewissen Größe ist, wie dies bei den Waren der Streithelferin der Fall ist) als auch den finanziellen Aspekt (beachtliche Mehrkosten von Multifunktionsartikeln gegenüber dem zusätzlichen Bestandteil allein) oder auch den Aspekt des Image (ein Raucher oder ein Golfer, der sich nicht für Messerschmiedewaren interessiert, wird normalerweise nicht an die Waren der Streithelferin denken, um sich Raucher- oder Golfartikel zu beschaffen, sondern wird sich an Erzeuger wenden, die auf diese Sektoren spezialisiert sind).

68      Daher ist das Argument des HABM, die Tätigkeitsbereiche einer juristischen Person seien vor allem durch die Märkte bestimmt, auf die sie ihre Waren oder Dienstleistungen ausrichteten, zurückzuweisen. Die von der Streithelferin vermarkteten multifunktionalen Waren sind nämlich gerade nicht an ein Publikum ohne Beziehung zum Zielpublikum der Waren des Messerschmiedewarensektors gerichtet, sondern an ein Publikum von Rauchern oder Golfern, die auch Liebhaber der genannten Waren sind. Hierzu ist festzuhalten, dass – entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in den Rn. 96 und 97 der angefochtenen Entscheidung – der Umstand, dass die von der Streithelferin vermarkteten multifunktionalen Artikel nicht nur von Messerhändlern, sondern auch von Waffenhändlern, Tabakläden, Schreibwarengeschäften, Geschäften für „Geschenkartikel – Tischkultur“, Kaufhäusern und anderen Unternehmen verkauft wurden, nicht den Charakter dieser Artikel als Waren des Messerschmiedewarensektors ändern kann.

69      Was sechstens „Anfertigung und Verkauf jeglicher Geschenkartikel und Souvenirs“, die im Unternehmensgegenstand der Streithelferin genannt sind, anbelangt, trifft es zu, dass grundsätzlich alle von der Streithelferin vermarkteten Waren als Geschenk oder Souvenir dienen können, wie der Kläger zu Recht geltend gemacht hat. Außerdem wird – wie oben in Rn. 60 festgehalten worden ist – zumindest ein Teil der Waren der Streithelferin in einer Geschenkverpackung geliefert, was ihre mögliche Bestimmung als Geschenk zu bestätigen scheint. Daraus folgt, dass die Streithelferin tatsächlich im Bereich der Vermarktung von Geschenkartikeln tätig ist.

70      Festzuhalten ist jedoch, dass die Streithelferin nicht nachgewiesen hat, dass sie Geschenkartikel oder Souvenirs erzeugt oder vermarktet, die nicht unter Messerschmiedewaren oder Bestecke fallen. Ihre Tätigkeit im Bereich der Geschenke und Souvenirs beschränkt sich ganz offensichtlich darauf, ihre üblichen Waren, die zum Sektor der Messerschmiedewaren oder der Bestecke gehören, in einer Geschenkverpackung anzubieten. Folglich ist festzustellen, dass die Streithelferin zwar nachgewiesen hat, dass sie eine Tätigkeit im Bereich „Anfertigung und Verkauf jeglicher Geschenkartikel und Souvenirs“ ausgeübt hat, diese Tätigkeit aber auf Geschenke und Souvenirs beschränkt ist, die zum Sektor der Messerschmiedewaren oder der Bestecke gehören.

71      Folglich ist festzustellen, dass – entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in Rn. 93 der angefochtenen Entscheidung – eine Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin vor dem 20. November 2001 auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren hinsichtlich „Schneidwaren“, „Tischkultur“ – außer Bestecke –, „Wohnkultur“, „Welt des Weins“, Raucher‑, Golfer-, Jäger- und Freizeitartikel sowie Zubehör wie Geschenkkoffer, Etuis und Schachteln nicht nachgewiesen wurde.

72      Hingegen ist festzustellen, dass eine Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf andere Sektoren als jenen der Messerschmiedewaren hinsichtlich der „Bestecke“ nachgewiesen ist – wozu „Gabeln“, die in der Preisliste vom 1. Januar 2001 erwähnt sind, gehören – sowie hinsichtlich der „Geschenkartikel und Souvenirs“, soweit es sich um Waren des Sektors der Messerschmiedewaren oder der Bestecke handelt. Daher kann die Streithelferin den Schutz ihrer Firma gegenüber der Marke LAGUIOLE ausschließlich in Bezug auf diese Tätigkeiten fordern.

73      Folglich ist die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben, als die Beschwerdekammer darin hinsichtlich „Schneidwaren“ und „jeglicher Artikel im Zusammenhang mit Tischkultur“ sowie „jeglicher Geschenkartikel und Souvenirs“ eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. L. 711‑4 CPI festgestellt hat, und soweit es sich um Artikel handelt, die nicht zu Messerschmiedewaren oder Bestecken gehören.

74      Daher betrifft die nachfolgende Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. L. 711‑4 CPI nur noch die Tätigkeiten der Anfertigung und des Verkaufs sämtlicher Artikel des Sektors der Messerschmiedewaren oder der Bestecke, sowie von Geschenken und Souvenirs, soweit es sich um Waren handelt, die zu den genannten Sektoren gehören.

 Zur Verwechslungsgefahr

75      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 29 angeführten Rechtsprechung die Voraussetzung, dass dieses Zeichen seinem Inhaber die Befugnis verleihen muss, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen, anhand der Kriterien jenes Rechts zu beurteilen ist, dem das geltend gemachte ältere Kennzeichen unterliegt, d. h. das französische Recht.

76      Nach Art. L. 711‑4 CPI (oben in Rn. 36 zitiert) hat der Inhaber einer älteren Firma das Recht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen, sofern „für das Publikum eine Verwechslungsgefahr besteht“.

77      Wie das HABM zu Recht geltend macht, ist das maßgebliche Publikum angesichts der Art der mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Waren die breite französische Öffentlichkeit mit einem durchschnittlichen Grad an Aufmerksamkeit.

78      Nach der französischen Rechtsprechung hängt die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von mehreren Faktoren ab, wie etwa dem Grad der (bildlichen, klanglichen und begrifflichen) Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen, dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den von diesen Zeichen abgedeckten Wirtschaftssektoren und der mehr oder weniger hohen Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens (CA Versailles, Urteil vom 25. Oktober 2001, Flex’cible/SOS Flexibles und Sofirop, sowie TGI Paris, Urteil vom 8. Juli 2011, RG 09/11931).

79      Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, wenn die ältere Firma, insbesondere wegen ihrer Bekanntheit beim Publikum, eine hohe Kennzeichnungskraft hat. Der Schaden aus der Verwechslungsgefahr ergibt sich nicht nur aus der Abwerbung von Kunden. Er kann auch in einer Schädigung des Ansehens oder des Rufs bestehen (CA Paris, Urteil vom 13. Oktober 1962, Ann. propr. ind. 1963, S. 228).

80      Da die Lösung eines Konflikts zwischen einer Marke und einer älteren Firma vom Vorliegen einer Verwechslungsgefahr abhängt, hat die Nichtigerklärung der Marke dann, wenn sie für mehrere Waren oder Dienstleistungen unterschiedlicher Art angemeldet wurde, einen verteilenden Charakter und gilt nur für jene Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gefahr der Verwechslung mit der Tätigkeit der juristischen Person festgestellt wird (CA Paris, Urteil vom 28. Januar 2000, Revue Dalloz 2001, S. 470).

 Zur Ähnlichkeit zwischen den Wirtschaftssektoren, die von der Firma Forge de Laguiole und der Marke LAGUIOLE abgedeckt werden

81      Für die Bestimmung, ob die Wirtschaftssektoren, die von der Firma Forge de Laguiole und der Marke LAGUIOLE abgedeckt werden, ähnlich sind, sind nach der französischen Rechtsprechung alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (TGI Paris, Urteil vom 25. November 2009, RG 09/10986).

82      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer die Ansicht vertreten, dass die mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Waren großteils in die Tätigkeitsbereiche der Streithelferin eindrängen oder zu konnexen Tätigkeitsbereichen gehörten, was sie in den Rn. 107 bis 114 der angefochtenen Entscheidung näher ausgeführt hat.

83      Allerdings ergibt sich diese Ansicht aus einer Prüfung, bei der die Gesamtheit aller Tätigkeitsbereiche berücksichtigt wurde, die im Unternehmensgegenstand der Streithelferin genannt sind. Wie oben in den Rn. 71 bis 74 festgehalten, sind aber für die Verwechslungsgefahr ausschließlich jene Tätigkeiten der Streithelferin zu berücksichtigen, die in den Sektoren der Messerschmiedewaren und der Bestecke sowie der Geschenkartikel und Souvenirs – soweit es sich um Waren handelt, die zu den Sektoren der Messerschmiedewaren oder der Bestecke gehören – erfolgen.

84      Unter diesen Voraussetzungen sind die Feststellungen der Beschwerdekammer in den Rn. 107 bis 114 der angefochtenen Entscheidung im Licht dieser Beschränkung der von der Firma Forge de Laguiole geschützten Tätigkeitsbereiche zu überprüfen.

–       Zum Verhältnis zwischen „Sägen, Rasierapparaten, Rasierklingen; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipsern“ und „Manikürenecessaires, Rasiernecessaires“ der Klasse 8, „Brieföffnern“ der Klasse 16 sowie „Rasierpinseln, Toilettenecessaires“ der Klasse 21 und den Tätigkeiten der Streithelferin

85      In Bezug auf „Sägen, Rasierapparate, Rasierklingen; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipser“ der Klasse 8 und „Brieföffner“ der Klasse 16 ist die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um scharfe Gegenstände handelt, die zum Sektor der „Messerschmiedewaren“ gehören, der vom Unternehmensgegenstand der Streithelferin umfasst ist. Die genannten Waren und die Tätigkeiten der Streithelferin sind somit hochgradig ähnlich. Zudem sind „Manikürenecessaires, Rasiernecessaires“ der Klasse 8 und „Rasierpinsel, Toilettenecessaires“ der Klasse 21 Ergänzungen oder Zusätze zu den genannten scharfen Gegenständen, da sie gemeinsam benutzt und im Allgemeinen gemeinsam in der gleichen Art Geschäft und an denselben Kundenkreis verkauft werden. Diese Waren und die Tätigkeiten der Streithelferin sind somit ähnlich.

–       Zu den „handbetätigten Werkzeugen und Geräten“ und „Schraubenziehern“ der Klasse 8

86      Zu den „handbetätigten Werkzeugen und Geräten“ der Klasse 8, die mit der Marke LAGUIOLE beansprucht werden, ist festzustellen, dass diese Definition die Messer beinhaltet.

87      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch die vom Kläger und von der Streithelferin in ihren ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen vom 9. bzw. 8. April 2014 vorgebrachten Argumente entkräftet.

88      Erstens bedeutet die Tatsache, dass die Überschrift der Klasse 8 der Nizza-Klassifikation „Handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; Hieb- und Stichwaffen; Rasierapparate“ lautet, nicht, dass sich diese unterschiedlichen Kategorien nicht überschneiden. Die Nizza-Klassifikation dient nämlich ausschließlich Verwaltungszwecken und soll lediglich die Abfassung und die Behandlung von Markenanmeldungen vereinfachen, indem sie bestimmte Klassen und Kategorien von Waren und Dienstleistungen vorschlägt. Dagegen bilden die Klassenüberschriften kein System, in dem es ausgeschlossen wäre, dass eine Ware oder eine Dienstleistung, die in einer Klasse oder Kategorie enthalten ist, ebenfalls Teil einer anderen Klasse oder Kategorie sein kann, wie insbesondere aus Regel 2 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) hervorgeht.

89      Auf diese Weise konnte der Prüfer des HABM in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2003 über die Marke LAGUIOLE zu Recht feststellen, dass „es unstreitig ist, dass Hieb- und Stichwaffen ‚Handwaffen sind, deren Wirkung von einem Metallteil ausgeht‘“ und dass „dieser Begriff somit die Messer beinhaltet“, obwohl diese beiden Warenkategorien in der Überschrift der Klasse 8 der Nizza-Klassifikation stehen.

90      Zweitens führt der Kläger die Entscheidung des Prüfers des HABM vom 14. Mai 2003 insofern als Argument an, als der Prüfer unterschieden habe zwischen den „Hieb- und Stichwaffen“, die er den Messern gleichgesetzt habe und für die er die Anmeldung der genannten Marke wegen ihres beschreibenden Charakters zurückgewiesen habe, und den „handbetätigten Werkzeugen und Geräten“, für die er die Marke eingetragen habe.

91      Hierzu ist anzumerken, dass die Entscheidung des Prüfers des HABM vom 14. Mai 2003 das Gericht in seiner Beurteilung der von der genannten Kategorie abgedeckten Waren nicht bindet (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, Slg. 2007, I‑3569, Rn. 65, und Urteil ARTHUR ET FELICIE, oben in Rn. 21 angeführt, Rn. 71). Außerdem ist festzustellen, dass dem Kläger bereits während des Nichtigkeitsverfahrens vor dem HABM bewusst war, dass die Messer der Kategorie „handbetätigte Werkzeugen und Geräte“ angehören könnten, da er sich mehrfach bereit erklärte, den Wortlaut der Liste der Waren insbesondere der Klasse 8, die mit der Marke beansprucht werden, folgendermaßen anzupassen: „Handbetätigte Werkzeuge und Geräte mit Ausnahme von Messern“. Die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung der Beschwerdekammer waren jedoch auf Gründe gestützt, die die Prüfung dieser Frage nicht erforderten, weshalb der Kläger die Liste der Waren nicht tatsächlich entsprechend anpasste.

92      Somit ist der Schluss zu ziehen, dass „handbetätigte Werkzeuge und Geräte“, insofern als es sich um Messer handelt, mit den Tätigkeiten der Streithelferin im Sektor der Messerschmiedewaren identisch sind – und nicht bloß mit dem Modell „Laguiole du routard“, wie die Beschwerdekammer angenommen hat.

93      Dagegen haben die „Schraubenzieher“ der Klasse 8 – entgegen der Ansicht der Beschwerdekammer – keinerlei Ähnlichkeit mit dem von der Streithelferin vermarkteten Modell „Laguiole du routard“, das nichts anderes ist, als ein einfaches Klappmesser ohne zusätzliche Bestandteile.

–       Zu den „Löffeln“ der Klasse 8

94      Was die „Löffel“ der Klasse 8 anbelangt, sind sie Teil der von der Streithelferin vermarkteten „Bestecke“ (siehe oben, Rn. 62 und 72) und gehören daher zu einem Wirtschaftssektor, der mit einem der Wirtschaftssektoren identisch ist, die von der Firma Forge de Laguiole abgedeckt werden.

–       Zu „Küchengeräten und Geschirr aus Glas, Porzellan und Steingut; Tafelgeschirr, nicht aus Edelmetall; Korkenziehern; Flaschenöffnern, Papierhandtuchspendern aus Metall; Sanduhren“ der Klasse 21 sowie „Geräten und Behältern für Haushalt und Küche aus Edelmetallen; Tafelgeschirr aus Edelmetall“ der Klasse 14

95      Was diese Waren betrifft, so assoziierte sie die Beschwerdekammer mit „Tischkultur“ und schloss daraus, dass sie in die Tätigkeiten der Streithelferin in diesem Bereich eindrängen.

96      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass – wie oben in Rn. 63 festgestellt – die Kategorie „Tischkultur“ zu weit und unpräzise ist, um als Bezugspunkt für die Feststellung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zu dienen. Folglich haben die genannten Waren – entgegen den Feststellungen der Beschwerdekammer – keine Ähnlichkeit mit den von der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Wirtschaftssektoren.

97      Allerdings haben die „Korkenzieher; Flaschenöffner“ eine hohe Ähnlichkeit mit dem Modell „Sommelier“ mit Korkenzieher und Kronkorkenöffner sowie mit den anderen Modellen von Messern mit Korkenzieher, die von der Streithelferin vermarktet werden. Denn wenngleich die Vermarktung dieser Waren als von Waren aus dem Sektor der Messerschmiedewaren „abgeleitet“ keine Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf „Tischkultur“ oder die „Welt des Weins“ belegt – wie oben in den Rn. 65 und 69 ausgeführt worden ist –, sind sie jedenfalls für sich genommen unter dem Aspekt der Funktionalität den „Korkenziehern; Flaschenöffnern“, die mit der Marke LAGUIOLE beansprucht werden, gleichwertig. Diese Tatsache ist neben der Vermarktung in denselben Geschäften ausreichend, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die genannten Waren zu einem Wirtschaftssektor gehören, der mit einem der Wirtschaftssektoren identisch ist, die von der Firma Forge de Laguiole abgedeckt werden.

–       Zu „Edelmetallen und ihren Legierungen“, „Edelsteinen“ und „Kästen, Leuchtern“ der Klasse 14

98      Was „Edelmetalle und ihre Legierungen“ und „Edelsteine“ der Klasse 14 betrifft, vertrat die Beschwerdekammer die Ansicht, diese Waren seien „hochgeschätzt“ für feine Schneidwaren und für zahlreiche Gegenstände aus dem Bereich „Tischkultur“ und seien daher zu den Tätigkeiten der Streithelferin hochgradig komplementär. Zudem würden „Kästen, Leuchter“ der Klasse 14 ebenso wie bestimmte von der Streithelferin angeblich vermarktete Artikel in Geschäften für „Tischkultur und Dekoration“ verkauft.

99      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die „Schneidwaren“ und der Bereich „Tischkultur“ kein Teil der Wirtschaftssektoren sind, die von der Firma Forge de Laguiole abgedeckt sind (siehe oben, Rn. 73 und 74). Zudem ermöglicht die bloße Tatsache, dass Edelmetalle und Edelsteine für die mit den Messerschmiedewaren verbundenen Tätigkeiten der Streithelferin verwendet werden können, nicht den Schluss, dass sie aus Sicht der französischen Verbraucher zu einem Wirtschaftssektor gehören, der einem jener Wirtschaftssektoren ähnlich ist, die von der Firma Forge de Laguiole abgedeckt werden. Denn zum einen sind die Edelmetalle und Edelsteine im Wesentlichen für die verarbeitende Industrie und nicht wie Messerschmiedewaren für die Endverbraucher bestimmt. Zum anderen erfolgt die Verwendung solcher Materialien für ein Messer grundsätzlich nur zu dekorativen und untergeordneten Zwecken, ohne Bezug zur Funktionalität des Messers.

–       Zu „Leder und Lederimitationen“ und „Reise- und Handkoffern und ‑taschen“ der Klasse 18 sowie „Kästen“

100    Was „Leder und Lederimitationen“ sowie „Handkoffer und Reisetaschen“ der Klasse 18 angeht, hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass sie üblicherweise für die Anfertigung von von der Streithelferin vermarkteten Etuis, Messerscheiden und Kästen verwendet würden bzw. für die Verpackung und den Transport von Waren des Sektors der Messerschmiedewaren verwendet werden könnten, vor allem wenn es sich um Luxuswaren handle, die als „Geschenkartikel“ angeboten werden sollten. Daraus schloss sie, dass diese Waren zu den Tätigkeiten der Streithelferin komplementär seien und „im Einklang mit der Entwicklung ihres Sortiments an Zubehör“ stünden.

101    Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die „Geschenkartikel“ nur insofern Teil der Wirtschaftssektoren sind, die von der Firma Forge de Laguiole abgedeckt werden, als es sich um Messerschmiedewaren oder Bestecke handelt (siehe oben, Rn. 71 bis 74). Zweitens ist die Tatsache, dass „Leder und Lederimitationen“ als Grundstoffe verwendet werden können, um die Etuis und Messerscheiden zu erzeugen, die die Streithelferin mit einigen ihrer Messer vermarktet, nicht ausreichend, um einen Ähnlichkeitszusammenhang zu den Tätigkeiten der Streithelferin auf dem Sektor der Messerschmiedewaren herzustellen, insbesondere da die Grundstoffe für die Erzeuger bestimmt sind, während sich die Messerschmiedewaren an den Endverbraucher richten. Drittens ist insbesondere hinsichtlich der von der Streithelferin angeblich vermarkteten „Kästen“ festzustellen, dass die Dokumente, auf die sich die Beschwerdekammer in ihren Feststellungen zu den Tätigkeiten der Streithelferin am 20. November 2001 gestützt hat (siehe oben, Rn. 59), nicht auf derartige Artikel Bezug nehmen und jedenfalls – da sie ausschließlich dazu bestimmt sind, Messerschmiedewaren der Streithelferin zu enthalten – im Verhältnis zu den Tätigkeiten der Streithelferin im Sektor der Messerschmiedewaren ein bloßes Zubehör oder auch nur eine Verpackung sind.

102    Daraus folgt, dass „Leder und Lederimitationen“ sowie „Reise- und Handkoffer und ‑taschen“ der Klasse 18 den Tätigkeiten der Streithelferin auf dem Sektor der Messerschmiedewaren nicht ähnlich sind.

–       Zu „Schülerbedarf; Bleistiften, Minenschreibgeräten, Radiergummis; Umschlägen; Heftern; Alben, Büchern; Almanachen, Broschüren, Schreibheften, Katalogen; Kalendern, Lithografien, Plakaten“ der Klasse 16

103    Hinsichtlich dieser Waren hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass sie normalerweise in Schreibwarengeschäften verkauft würden und im selben Zusammenhang wie die „Brieföffner“ der Streithelferin, verwendet würden, nämlich zum Schreiben und Lesen, und daher in den Tätigkeitsbereich der Streithelferin eindrängen. Außerdem würden all diese Waren im geschäftlichen Verkehr üblicherweise für die Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Kunden und seinen Geschäftskontakten verwendet oder u. a. als Unternehmensgeschenk angeboten. Da die mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Drucksachen geeignet seien, wegen ihres Inhalts Verwechslungsgefahr mit der Firma Forge de Laguiole hervorzurufen, müsse die genannte Marke für nichtig erklärt werden.

104    Hierzu ist erstens festzuhalten, dass entgegen den Feststellungen der Beschwerdekammer die Beziehung der genannten Waren zu den von der Streithelferin vermarkteten „Brieföffnern“ zu schwach ist, um eine Ähnlichkeit begründen zu können. Denn zum einen ist der einzige, durch die teilweise Identität der Verkaufsstellen hergestellte Bezug nicht ausreichend, um die Brieföffner einer Warengesamtheit ähnlich werden zu lassen, die eher dem Sektor der Papierwaren zuzuordnen ist, da die Schreibwarengeschäfte im Allgemeinen eine große Vielfalt verschiedener Waren anbieten, die sich an ein nicht spezialisiertes Publikum richten. Zum anderen wird die Verwendung der von der Streithelferin vermarkteten Brieföffner normalerweise auf das Öffnen von Umschlägen beschränkt sein. Dies kann daher nur zu einem schwachen Ähnlichkeitszusammenhang – wegen komplementärer Nutzung – mit den „Umschlägen“, nicht aber mit den anderen oben in Rn. 103 angeführten Waren führen. Zweitens führt die bloße Tatsache, dass all diese Waren üblicherweise in der Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Kunden und anderen Geschäftskontakten verwendet werden oder als Unternehmensgeschenke angeboten werden, zu keiner Ähnlichkeit mit den Tätigkeiten der Streithelferin auf dem Sektor der Messerschmiedewaren, da sie sich ihrer Bestimmung nach völlig von den genannten Tätigkeiten unterscheiden. Drittens wird die Behauptung der Beschwerdekammer, die mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Drucksachen könnten zu einer Verwechslungsgefahr führen, unten in Rn. 165 – im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr – behandelt.

–       Zu den verschiedenen als „Geschenkartikel“ qualifizierten Waren der Klassen 14, 18 und 20

105    Was „Juwelierwaren, Schmuckwaren; Schmuckkästen aus Edelmetall; Zeitmessinstrumente, Manschettenknöpfe, Krawattenhalter, Schmucknadeln; Schlüsselanhänger; Geldbörsen aus Edelmetall; Taschen- und Armbanduhren und Uhrenarmbänder“ der Klasse 14, „Spazierstöcke; Handtaschen; Strandtaschen; Reisetaschen, ‑necessaires und ‑koffer; Brieftaschen; Kartentaschen (Brieftaschen), Aktentaschen; Aktentaschen (Feinlederwaren); Schlüsseletuis (Lederwaren); Geldbörsen, nicht aus Edelmetall“ der Klasse 18 und „Rahmen, Kunst- oder Ziergegenstände aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen“ der Klasse 20 anbelangt, hat sich die Beschwerdekammer darauf beschränkt, festzustellen, dass es sich um „Geschenkartikel“ handle, die üblicherweise in jeder Art von Geschäft zu finden seien oder als Unternehmensgeschenke angeboten würden, und daraus zu schließen, dass sie in den gleichen Geschäften zu finden seien, in denen die Streithelferin ihre eigenen Waren vermarkte.

106    Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die von der Streithelferin ausgeübte Tätigkeit „Anfertigung und Verkauf [von] Geschenkartikeln“ nur insofern zu den von der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Wirtschaftssektoren gehört, als es sich um Messerschmiedewaren oder Bestecke handelt (siehe oben, Rn. 71 bis 74). Die in der vorangegangenen Randnummer angeführten Waren gehören aber weder zu Messerschmiedewaren oder Bestecken noch stehen sie mit diesem Bereich in Zusammenhang. Zum anderen kann dieser Umstand, selbst angenommen, dass die genannten Waren als Geschenke in den gleichen Geschäften wie die von der Streithelferin vermarkteten Messerschmiedewaren verkauft würden, keine Ähnlichkeit zwischen diesen und jenen Waren herstellen, da die Geschäfte für Geschenkartikel eine große Vielfalt verschiedenartiger Waren anbieten, die sich an die breite Öffentlichkeit richten.

–       Zu „Golfhandschuhen“ und „Sportartikeln“ der Klasse 28, „Zigarrenetuis“ der Klasse 14 und „Streichhölzern, elektrischen Feuerzeugen für Raucher; Zigarren- und Zigarettenkästen, nicht aus Edelmetall; Zigarrenabschneidern; Pfeifen; Pfeifenreinigern“ der Klasse 34

107    Betreffend „Golfhandschuhe“ und „Sportartikel“ der Klasse 28, „Zigarrenetuis“ der Klasse 14 und „Raucherartikel, Streichhölzer, elektrische Feuerzeuge für Raucher; Zigarren- und Zigarettenkästen, nicht aus Edelmetall; Zigarrenabschneider; Pfeifen“ der Klasse 34 ist die Beschwerdekammer davon ausgegangen, dass sie sich an denselben Kundenkreis richteten, in den gleichen Geschäften gekauft würden und im gleichen Zusammenhang benutzt würden wie bestimmte von der Streithelferin entwickelte „Geschenkartikel“. Dies sei etwa der Fall für das von der Streithelferin vermarktete Modell „Messer für den Golfer“ im Verhältnis zu „Golfhandschuhen“ oder anderen „Sportartikeln“ sowie für das Modell „Calumet“ (mit Schaberklinge, Spieß und Pfeifenstopfer) und den Zigarrenabschneider, die von der Streithelferin vermarktet würden, im Verhältnis zu „Zigarrenetuis“ und „Streichhölzern, elektrischen Feuerzeugen für Raucher; Zigarren- und Zigarettenkästen, Pfeifen“, die mit der Marke LAGUIOLE beansprucht würden.

108    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Tätigkeit „Anfertigung und Verkauf [von] Geschenkartikeln“ nur insofern zu den von der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Wirtschaftssektoren gehört, als es sich um Messerschmiedewaren oder Bestecke handelt (siehe oben, Rn. 71 bis 74), was bei den oben in Rn. 107 angeführten Waren nicht der Fall ist.

109    Allerdings sind die „Zigarrenabschneider“ und „Pfeifenreiniger“ der Klasse 34 den von der Streithelferin vermarkteten Modellen „Zigarrenabschneider“ bzw. „Calumet“ (mit Schaberklinge, Spieß und Pfeifenstopfer) ähnlich. Denn wenngleich die Vermarktung dieser Modelle als von Messerschmiedewaren „abgeleitet“ keine Ausweitung der Tätigkeiten der Streithelferin auf „Raucherartikel“ im Allgemeinen belegt – wie oben in den Rn. 65 bis 68 und 71 ausgeführt –, sind sie jedenfalls für sich genommen unter dem Aspekt der Funktionalität identisch mit den „Zigarrenabschneidern“ und „Pfeifenreinigern“, die mit der Marke LAGUIOLE beansprucht werden. Diese Tatsache ist neben der Vermarktung in denselben Geschäften ausreichend, um auf eine hochgradige Ähnlichkeit zu schließen.

110    Dagegen haben die „Golfhandschuhe“ der Klasse 28 keine Ähnlichkeit mit dem von der Streithelferin vermarkteten Modell „Messer für den Golfer“ (mit Pitchgabel). Zwar kann dieses gemeinsam mit den „Golfhandschuhen“ verwendet werden, die mit der Marke LAGUIOLE beansprucht werden. Jedoch handelt es sich hierbei um ein eine Ähnlichkeit begründendes Ergänzungsverhältnis, da diese Waren getrennt voneinander genutzt werden können und normalerweise unabhängig voneinander und nicht nach Kriterien einer gemeinsamen Nutzung entworfen werden – ein denkbares Gegenbeispiel wäre etwa der Golfhandschuh im Verhältnis zu Golfschlägern.

–       Zu den Dienstleistungen der Klasse 38

111    Hinsichtlich der Dienstleistungen im Bereich der „Telekommunikation“ und der benachbarten Sektoren der Klasse 38 hat die Beschwerdekammer in Rn. 114 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sie keine Ähnlichkeit mit den Tätigkeiten der Streithelferin aufwiesen. Diese für den Kläger günstige und von der Streithelferin nicht bestrittene Feststellung gehört in Wahrheit nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, so dass sie vom Gericht nicht zu prüfen ist.

–       Ergebnis der Prüfung der Ähnlichkeit der Wirtschaftssektoren, die mit der Firma Forge de Laguiole bzw. der Marke LAGUIOLE abgedeckt werden

112    Als Ergebnis ist erstens eine Identität zwischen den von der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Sektoren und den „handbetätigten Werkzeugen und Geräten“ und „Löffeln“ der Klasse 8 sowie eine hohe Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten der Streithelferin und den „Sägen, Rasierapparaten, Rasierklingen; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipsern“ der Klasse 8, den „Brieföffnern“ der Klasse 16, den „Korkenziehern; Flaschenöffnern“ der Klasse 21 und den „Zigarrenabschneidern“ und „Pfeifenreinigern“ der Klasse 34 festzustellen.

113    Zweitens besteht eine mittlere Ähnlichkeit zwischen den mit der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Sektoren sowie den „Manikürenecessaires, Rasiernecessaires“ der Klasse 8 und den „Rasierpinseln, Toilettenecessaires“ der Klasse 21.

114    Drittens besteht eine geringe Ähnlichkeit zwischen den von der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Sektoren und den „Umschlägen“ der Klasse 16.

115    Schließlich besteht viertens hinsichtlich aller anderen mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Ähnlichkeit mit den von der Firma Forge de Laguiole abgedeckten Sektoren.

 Zur Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen

116    Die Beschwerdekammer ist davon ausgegangen, dass der Begriff „laguiole“, obwohl beschreibend und daher für Messer nicht unterscheidungskräftig – wie von der Cour d’appel de Paris in ihrem Urteil vom 3. November 1999 (G.T.I.-G.I.L. Technologies internationales/Commune de Laguiole und Verein Le couteau de Laguiole) festgestellt – dennoch der herrschende oder zumindest mitherrschende Bestandteil der Firma Forge de Laguiole sei, auch wenn diese für Messer verwendet werde. Als Ganzes betrachtet wiesen die einander gegenüberstehenden Zeichen daher eine gewisse Ähnlichkeit auf klanglicher, bildlicher und begrifflicher Ebene auf, die nicht durch den bloßen Zusatz des Gattungsbegriffs „forge de“ ausgeglichen werden könne.

117    Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die einander gegenüberstehenden Zeichen wiesen bildliche, klangliche und begriffliche Unterschiede auf.

118    Das HABM trägt vor, der Begriff „laguiole“ dominiere in der Firma Forge de Laguiole trotz seiner Eigenschaft als Gattungsbegriff. Da die Marke LAGUIOLE in der genannten Firma vollständig wiedergegeben werde, sei der Grad der Ähnlichkeit zwischen den beiden Zeichen hoch.

119    Die Streithelferin vertritt die Auffassung, die einander gegenüberstehenden Zeichen wiesen Ähnlichkeiten in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht auf.

120    Vorab ist zu prüfen, ob – wie die Beschwerdekammer, gefolgt vom HABM und von der Streithelferin, angenommen hat – der Begriff „laguiole“ den dominierenden Bestandteil der Firma bildet, obwohl er – wie von der Cour d’appel de Paris in ihrem Urteil vom 3. November 1999 (oben in Rn. 116 angeführt) festgestellt – für Messer beschreibend bzw. sogar ein Gattungsbegriff ist und für den Ort beschreibend ist, in dem die Streithelferin ihren Sitz und ihre Produktionsstätte hat.

121    Erstens ist zutreffend, dass – wie die Beschwerdekammer in Rn. 119 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat – der für Messer beschreibende und nicht unterscheidungskräftige Charakter des Begriffs „laguiole“ nicht notwendigerweise bedeutet, dass dieser Begriff auch für andere Waren als Messer beschreibend und nicht unterscheidungskräftig ist.

122    Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Prüfung der Verwechslungsgefahr nur die Tätigkeiten der Anfertigung und des Verkaufs von Messerschmiedewaren und Bestecken sowie von Geschenken und Souvenirs, soweit es sich um Messerschmiedewaren oder Bestecke handelt, betrifft (siehe oben, Rn. 74). Die von der Streithelferin tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten konzentrieren sich nämlich fast ausschließlich auf den Bereich der Messerschmiedewaren, einschließlich einiger Messer mit Zusatzfunktionen, und die Vermarktung anderer Waren – insbesondere Bestecke – bleibt untergeordnet bzw. nahezu bedeutungslos. Dies ergibt sich sowohl aus einer Prüfung der in der Preisliste der Streithelferin vom 1. Januar 2001 aufgeführten Waren als auch aus der Lektüre verschiedener Presseartikel – soweit sie sich klar auf die Zeit vor dem 20. November 2001 beziehen – aus der von der Streithelferin hergestellten Pressemappe, in denen sich die Streithelferin systematisch als eine Messerfabrik präsentiert, die auf die Herstellung von „Laguiole“-Messern spezialisiert ist, ohne dass die Ausübung anderer Tätigkeiten erwähnt wird. Zwar ist zutreffend, dass leitende Angestellte der Streithelferin in einigen dieser Artikel Absichten der Diversifizierung der Tätigkeiten äußern, jedoch hat die Streithelferin – wie oben festgestellt – nicht nachgewiesen, dass diese Absichten vor dem 20. November 2001 umgesetzt wurden.

123    Unter diesen Voraussetzungen ist der Schluss zu ziehen, dass der Begriff „Laguiole“ für sämtliche für die Prüfung der Verwechslungsgefahr relevanten Tätigkeiten der Streithelferin beschreibend bzw. sogar ein Gattungsbegriff ist.

124    Zweitens ist der Beschwerdekammer insofern zu folgen, als sie darauf hingewiesen hat, dass ein beschreibender Bestandteil eines Zeichens dennoch dessen herrschender oder mitherrschender Bestandteil sein kann, wenn beispielsweise die anderen Bestandteile ebenfalls beschreibend sind oder ebenso schwach oder noch schwächer wirken. Insoweit trifft es zwar zu, dass der Bestandteil „Forge de“ für sich genommen für die von der Streithelferin ausgeübten Tätigkeiten im Sektor der Messerschmiedewaren und Bestecke beschreibend ist. Jedoch ist dieser Bestandteil – entgegen der Ansicht der Beschwerdekammer – nicht „dem Namen ‚Laguiole‘, der die spezielle Schmiede bezeichnet, um die es sich handelt, untergeordnet“. Denn der den Ort – und die ausgeübten Tätigkeiten – beschreibende Bestandteil überwiegt nicht den die Art der Einrichtung beschreibenden Bestandteil. Unter diesen Voraussetzungen kann in der Firma Forge de Laguiole kein dominierender Bestandteil ausgemacht werden; alle ihre Bestandteile sind in Bezug auf die Tätigkeiten und/oder den Ort des Sitzes der Streithelferin beschreibender Natur bzw. sogar Gattungsbegriffe.

125    Was drittens den bildlichen Vergleich anbelangt, ist die Firma Forge de Laguiole aus drei Wörtern zusammengesetzt, die eine Gesamtheit von 15 Buchstaben bilden, während die Marke LAGUIOLE bloß aus acht Buchstaben besteht. Der Bestandteil „laguiole“ ist zwar in jedem der einander gegenüberstehenden Zeichen enthalten, befindet sich jedoch am Ende der genannten Firma, so dass der vorangehende Bestandteil „forge de“ den bildlichen Eindruck abschwächt, der durch diese teilweise Identität erzeugt wird. Daher ist als Ergebnis eine mittlere bildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen festzuhalten.

126    Was viertens die klangliche Ebene angeht, ist festzuhalten, dass die Firma Forge de Laguiole aus fünf bzw. sogar sechs Silben besteht, während die Marke LAGUIOLE aus zwei bzw. drei Silben besteht, je nach Aussprache des Begriffs „laguiole“. Hinsichtlich der Auswirkung der teilweisen Identität der einander gegenüberstehenden Zeichen finden die zur bildlichen Ähnlichkeit angestellten Erwägungen entsprechende Anwendung; daher ist im Ergebnis eine mittlere klangliche Ähnlichkeit festzustellen.

127    Was fünftens den begrifflichen Vergleich betrifft, weist die Firma Forge de Laguiole – wie vom Kläger zu Recht geltend gemacht – auf eine in der Gemeinde Laguiole (Frankreich) belegene Werkstatt hin, aber auch gleichzeitig auf eine Werkstatt, die Laguiole-Messer herstellt. Die Marke LAGUIOLE ihrerseits weist sowohl auf die genannte Gemeinde als auch auf das Laguiole-Messer hin. Folglich hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen insofern begrifflich ähnlich sind, als sie auf die gleichen Begriffe Bezug nehmen, nämlich die Stadt bzw. das Messer. Das Gericht ist sogar der Auffassung, dass die begriffliche Ähnlichkeit als hoch einzustufen ist.

 Zur hohen Unterscheidungskraft der Firma Forge de Laguiole wegen ihrer Bekanntheit beim Publikum

128    Die Beschwerdekammer ist in Rn. 130 der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die Firma Forge de Laguiole wegen des Ansehens bzw. guten Rufes, den die Streithelferin in Frankreich und im Ausland für die Qualität ihrer Messer genieße, hohe Kennzeichnungskraft habe.

129    Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Akte in keiner Weise die angebliche Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole belege und dass der gute Ruf dem Laguiole-Messer und nicht der Bezeichnung „Forge de Laguiole“ zukomme.

130    Das HABM bringt vor, die Firma Forge de Laguiole habe im Bereich der Messerschmiedewaren einen guten Ruf erworben, und die Streithelferin führt aus, ihr komme in Frankreich und im Ausland sehr große Bekanntheit zu.

131    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das französische Markenrecht durch die Richtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken [ABl. 1989, L 40, S. 1], ersetzt durch die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken [ABl. L 299, S. 25]) geregelt wird. Daher ist der Grundsatz, dass die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je höher sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt, und somit Marken, die, etwa wegen ihrer Bekanntheit beim Publikum, eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als Marken genießen, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg. 1997, I‑6191, Rn. 24, vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Rn. 18, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Rn. 20), auch im französischen Markenrecht anwendbar. Wie aus der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung hervorgeht, wird dieser Grundsatz im französischen Recht auch dann angewandt, wenn es um die Beurteilung der Verwechslungsgefahr in Bezug auf eine Firma geht, und dies schon zu Zeiten als die Richtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken noch nicht in Kraft getreten waren.

132    Folglich setzt das Vorliegen einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft infolge der Bekanntheit einer Firma auf dem Markt notwendig voraus, dass die Firma zumindest einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise bekannt ist, ohne dass sie zwangsläufig wertgeschätzt im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 sein muss. Es kann nicht allgemein, beispielsweise durch Rückgriff auf bestimmte Prozentsätze in Bezug auf den Bekanntheitsgrad der Firma bei den beteiligten Verkehrskreisen, angegeben werden, ab wann eine Firma eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitzt. Jedoch ist eine gewisse Wechselbeziehung zwischen der Bekanntheit einer Firma beim Publikum und ihrer Kennzeichnungskraft in dem Sinne anzuerkennen, dass die Kennzeichnungskraft der Firma umso größer ist, je bekannter sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ist. Bei der Prüfung der Frage, ob einer Firma infolge ihrer Bekanntheit bei den Verkehrskreisen eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukommt, sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen, also insbesondere der von der fraglichen Gesellschaft gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Firma, der Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Firma als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie die Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden (vgl. entsprechend Urteil VITACOAT, oben in Rn. 23 angeführt, Rn. 34 und 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Um im vorliegenden Fall die Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole beim Publikum belegen zu können, muss unter diesen Voraussetzungen nachgewiesen werden, dass ein wesentlicher Teil des maßgeblichen Publikums – nämlich der französische Durchschnittsverbraucher – diese Firma kennt.

134    Für die Feststellung der hohen Kennzeichnungskraft, die die Firma Forge de Laguiole wegen des Ansehens und des guten Rufes habe, den die Streithelferin in Frankreich angeblich genießt, hat sich die Beschwerdekammer auf Bestandteile der Akte des vor ihr geführten Verfahrens gestützt, die in den Rn. 63 bis 66 der angefochtenen Entscheidung dargestellt wurden.

135    Dabei handelt es sich erstens um einen im Oktober 2004 in einer französischen Zeitschrift erschienenen Artikel mit der Überschrift „Laguiole – Une production traditionnelle devenue tendance“ („Laguiole – Traditionelle Fertigung, die zum Trend geworden ist“).

136    Hierzu genügt der Hinweis, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole beim Publikum der Tag der Anmeldung der Marke LAGUIOLE, d. h. der 20. November 2001, ist. Der fragliche Artikel aus dem Jahr 2004 enthält aber keinerlei Angabe, die als Nachweis dafür dienen könnte, dass die genannte Firma dem Publikum vor dem 20. November 2001 besonders bekannt war.

137    Als Zweites bezieht sich die Beschwerdekammer auf ein Schreiben vom 9. März 1999, das sie fälschlicherweise als vom 20. März 1999 stammend bezeichnet. In diesem Schreiben bestätigt der Geschäftsführer der Streithelferin eine „Vereinbarung zur Umsetzung einer neuen Form, durch die die Produktion gesteigert werden kann und Teile von höherer Qualität hergestellt werden können“, und erläutert die finanziellen Rahmenbedingungen.

138    Zum einen ist anzumerken, dass der Adressat des Schreibens vom 9. März 1999 nicht eindeutig bestimmt ist. Zum anderen ist insofern, als die Beschwerdekammer auf dieses Schreiben Bezug genommen hat, um ihre Feststellung zu begründen, die Streithelferin sei eine Zusammenarbeit mit einem bekannten Gastronom eingegangen, festzuhalten, dass in diesem Schreiben lediglich ein Treffen „im Beisein der Herren [B. und C.]“ erwähnt wird, was weder ausreicht, um den fraglichen Gastronom zu ermitteln noch um die tatsächliche Zusammenarbeit zwischen ihm und der Streithelferin oder die Art dieser Zusammenarbeit zu bestätigen.

139    Folglich taugt das Schreiben vom 9. März 1999 nicht – auch nicht indirekt – als Nachweis dafür, dass die Firma Forge de Laguiole beim Publikum bekannt ist.

140    Als Drittes führt die Beschwerdekammer in Rn. 65 der angefochtenen Entscheidung aus, die Waren der Streithelferin hätten in den Jahren 1992 und 1996 zahlreiche Preise und Auszeichnungen auf europäischer und internationaler Ebene erhalten. Eine schriftliche Frage des Gerichts hat das HABM dahin beantwortet, dass die Beschwerdekammer sich hierbei auf die Angaben im oben in Rn. 135 erwähnten Artikel, auf eine Präsentation der „Strategie des Kreierens“ der Streithelferin, die im Jahr 2005 ihrer Website entnommen worden sei (S. 234 der Akte des Verfahrens vor dem HABM), und auf andere die Streithelferin betreffende Publikationen (S. 169 der Akte des Verfahrens vor dem HABM) gestützt habe.

141    S. 169 der Akte des Verfahrens vor dem HABM enthält einen Auszug aus einem undatierten Artikel in italienischer Sprache, der die Tatsache erwähnt, dass das von einem berühmten Designer entworfene Messer Teil der Designkollektion des Museums für Moderne Kunst (MoMA) in New York ist und dass das Modell „Sommelier“ den Preis „Design plus“ der Ausstellung „Ambiente“ in Frankfurt im Jahr 1996 gewonnen hat.

142    Die umfassendste Liste der Preise und Auszeichnungen findet sich im Auszug aus der Website auf S. 234 der Akte des Verfahrens vor dem HABM, der – neben dem Messer im MoMA und dem Preis „Design plus“ aus dem Jahr 1996 – den „Grand prix français de l’objet design“ (französischer Großer Preis für Designobjekte) aus dem Jahr 1991 (ohne eindeutig zu erwähnen, für welches Objekt er vergeben wurde), den „Blade Magazine Award“ 1992 für ein von einem bekannten Architekten entworfenes Modell und den Europäischen Preis für Design 1992 „für das kreative Vorgehen“ der Streithelferin erwähnt; all diese Preise sind auch in der angefochtenen Entscheidung angeführt.

143    Nach Ansicht des Gerichts sind diese Preise und Auszeichnungen ein Hinweis auf die Bekanntheit der Waren der Streithelferin beim Publikum und folglich der Bekanntheit ihrer Firma, da die Verleihung von Preisen und Auszeichnungen an ein Unternehmen für seine Waren die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf dieses Unternehmen ziehen kann. Allerdings ist auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass die durch solche Preise bewirkte Werbung auf ein Publikum beschränkt bleibt, das besonders an Design interessiert ist, und dass ihre Auswirkung auf die breite französische Öffentlichkeit – nur darauf kommt es im vorliegenden Fall an (siehe oben, Rn. 77) – eingeschränkt ist. Diese Bemerkung gilt verstärkt für den „Blade Magazine Award“, der von einem einschlägigen Magazin in den USA verliehen wird und nur jenen französischen Verbrauchern bekannt ist, die sich besonders für das Sammeln von Messern interessieren.

144    Als Viertes verweist die Beschwerdekammer auf den „Katalog“ im „Dokument 21“, das die Streithelferin dem HABM als Beweis dafür vorgelegt hat, dass sie kontinuierliche Anstrengungen unternommen habe, um sich durch die Qualität und das Image ihrer Waren abzuheben; hierfür stellte sie u. a. hoch qualifiziertes Personal ein und arbeitete mit angesehenen Designern und Entwicklern zusammen. Das genannte Dokument erwähnt tatsächlich Modelle, die von zwei bekannten Partnern designt bzw. in Zusammenarbeit mit ihnen entwickelt wurden.

145    Aus der Akte und aus der Antwort der Streithelferin auf eine schriftliche Frage des Gerichts geht jedoch hervor, dass das „Dokument 21“ drei verschiedene Dokumente umfasst, nämlich einen ab dem Jahr 1997 verteilten Prospekt, ein ab dem Jahr 2004 verteiltes Werbedokument und einen im Jahr 2000 verteilten Katalog.

146    Da sich eine Bezugnahme auf einen bekannten Gastronom ausschließlich im Werbedokument aus dem Jahr 2004 befindet und nicht in den beiden anderen Dokumenten, eignet sich diese Bezugnahme nicht als Nachweis für das Vorliegen einer Zusammenarbeit mit ihm vor dem 20. November 2001.

147    Dagegen befinden sich die Bezugnahmen auf einen berühmten Designer im Katalog aus dem Jahr 2000, der somit eine Zusammenarbeit mit ihm vor dem 20. November 2001 belegt. Im Übrigen geht aus den oben in Rn. 142 geprüften Aspekten hervor, dass vor dem genannten Datum eine Zusammenarbeit mit einem bekannten Architekten stattfand.

148    Es ist davon auszugehen, dass diese Kooperation mit Partnern, die selbst über ein gewisses Ansehen und einen guten Ruf verfügen, dazu führen können, dass die Streithelferin und ihre Firma, unter der diese Waren vermarktet werden, zumindest von der Aufmerksamkeit jenes Teils des Publikums profitiert, der die fraglichen Partner kennt. Dennoch reicht dieser Umstand nicht aus, um nachzuweisen, dass die genannte Firma der breiten Öffentlichkeit im Allgemeinen bekannt war.

149    Als Fünftes zitiert die Beschwerdekammer einen Artikel, der im Dezember 1999 in einer französischen Zeitschrift erschienen ist und den Titel „Péril sur le mythe du couteau Laguiole“ („Gefahr für den Mythos des Laguiole-Messers“) trägt.

150    Die Beschwerdekammer ist davon ausgegangen, dass dieser Artikel „besonders viel über den von der Firma Forge de Laguiole vor der Anmeldung [der Marke LAGUIOLE] erworbenen Ruf aussagt“, da darin geraten werde, bei der Wahl eines Laguiole-Messers auf die Marke zu vertrauen. Der Artikel nennt sodann drei „Marken“ als am besten angesehen, darunter die Firma der Streithelferin, deren Entstehungsgeschichte er kurz skizziert.

151    Es ist festzustellen, dass dieser Artikel zwar ein Hinweis auf die Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole beim Publikum ist, aber für sich genommen nicht ausreicht, um sie nachzuweisen. Es ist nämlich die Tatsache zu berücksichtigen, dass in diesem Artikel lediglich die Streithelferin und zwei andere Erzeuger als höher angesehen als andere bezeichnet werden. Diese vom Verfasser des Artikels geäußerte Meinung erlaubt es allerdings nicht ohne Weiteres, Schlüsse über den Grad der Bekanntheit der genannten Firma bei der breiten Öffentlichkeit zu ziehen, da insbesondere Angaben über Auflage und Vertrieb der Zeitschrift, in der der Artikel erschienen ist, fehlen.

152    Als Sechstes führt die Beschwerdekammer einen im Februar 1999 in einer französischen Gratiszeitschrift erschienenen Artikel mit dem Titel „L’Aveyron: un terroir en ébullition“ („Aveyron: ein Gebiet in Aufruhr“) an, worin behauptet wird, dass „das Laguiole-Messer, made in Laguiole, dessen Markt sich verzwanzigfacht hat, anfängt, sich im Ausland einen Namen zu machen“.

153    Hierzu ist erstens festzustellen, dass der fragliche Satz von der Beschwerdekammer unvollständig zitiert worden ist und in Wirklichkeit folgendermaßen lautet: „Das Laguiole-Messer ‚made in Laguiole‘, dessen Markt sich mit der Entstehung kleiner örtlicher Werkstätten verzwanzigfacht hat, fängt an, sich im Ausland einen Namen zu machen.“ Daraus ergibt sich, dass die Streithelferin in diesem Artikel zwar ausdrücklich vorgestellt wird, der von der Beschwerdekammer vorgebrachte Satz jedoch die gesamte Produktion von Messern in der Gemeinde Laguiole und nicht bloß die Waren der Streithelferin betrifft. Zweitens handelt der fragliche Satz vom guten Ruf, den die in der genannten Gemeinde gefertigten Messer im Ausland haben und nicht von der Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole beim französischen Publikum, die im vorliegenden Fall ausschließlich relevant ist (siehe oben, Rn. 133).

154    Unter diesen Voraussetzungen ist festzustellen, dass der fragliche Artikel vor allem ein Hinweis auf den guten Ruf von Laguiole-Messern ist, die „vor Ort“ gefertigt werden – zu beachten ist zudem, dass, wie im oben in Rn. 116 angeführten Urteil festgestellt, die Messer dieses Typs auch, seit Langem und auf traditionelle Weise, in der Gemeinde Thiers (Frankreich) hergestellt werden –, und in geringerem Maß ein Hinweis auf die Firma Forge de Laguiole.

155    Im Ergebnis ist festzustellen, dass die von der Beschwerdekammer vorgebrachten Dokumente zwar gewisse Anstrengungen der Streithelferin erkennen lassen, durch Werbung und Kommunikation bei der breiten französischen Öffentlichkeit bekannt zu werden und sich von ihren Konkurrenten durch ein Image der Qualität oder des Luxus abzugrenzen. Da diese Anstrengungen über mehrere Jahre beibehalten wurden, scheint es nicht ausgeschlossen, dass die Firma Forge de Laguiole beim Publikum eine gewisse Bekanntheit im Bereich der Laguiole-Messer erlangt hat.

156    Dennoch ist auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass gewisse Aspekte, auf die sich die Beschwerdekammer gestützt hat, vielmehr die Laguiole-Messer im Allgemeinen und weniger die Firma der Streithelferin betreffen.

157    Außerdem betreffen die Presseartikel, die die Beschwerdekammer als Hinweis auf die Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole beim Publikum herangezogen hat, entweder einschlägige Medien – wie der oben in Rn. 135 erwähnte Artikel, der sich an Manager von Unternehmen richtet, oder das „Blade Magazine“, das sich an Sammler von im Wesentlichen amerikanischen Messern richtet – oder Medien, deren Verbreitungsgrad nicht nachgewiesen wurde – wie der oben in Rn. 149 erwähnte Artikel –, oder auch Zeitschriften, die im Wesentlichen Werbecharakter haben und deshalb weniger geeignet sind, die Aufmerksamkeit des Lesers dauerhaft auf sich zu ziehen – wie der oben in Rn. 152 erwähnte Artikel. Dieser Umstand unterscheidet übrigens die vorliegende Rechtssache von jener, in der das Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2010, Rubinstein und L’Oréal/HABM – Allergan (BOTOLIST und BOTOCYL), T‑345/08 und T‑357/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, ergangen ist, welches das HABM im Rahmen seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend gemacht hat. Zwar hat sich das Gericht in den Rn. 50 bis 53 dieses Urteils auf Presseartikel gestützt, um das Vorliegen einer breiten medialen Erfassung der in Rede stehenden Ware zu belegen, jedoch handelte es sich hierbei um international angesehene Massenmedien.

158    Wenngleich die von der Beschwerdekammer berücksichtigten Punkte Hinweise auf eine gewisse Bekanntheit der Firma Forge de Laguiole beim Publikum darstellen, reichen sie daher nicht aus, um diese Bekanntheit mit Sicherheit nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass letzten Endes nicht die von der Streithelferin zur Erhöhung ihrer Bekanntheit beim Publikum unternommenen Werbeanstrengungen maßgeblich sind, sondern die aus diesen Anstrengungen resultierende tatsächliche Bekanntheit beim Publikum, die anhand der im Urteil VITACOAT (oben in Rn. 132 angeführt) genannten Kriterien gemessen wird.

159    Die angefochtene Entscheidung enthält aber keinen Nachweis dafür, dass diese Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt sind. Im Besonderen fehlen Angaben hinsichtlich des Teils des französischen Publikums, dem die Firma Forge de Laguiole bekannt ist, hinsichtlich des Marktanteils, den die Streithelferin auf dem Markt für Messerschmiedewaren im Allgemeinen oder auf dem kleineren Markt für Laguiole-Messer hält, hinsichtlich des Umfangs der Investitionen, die die Streithelferin zur Förderung der Bekanntheit ihrer Firma beim Publikum getätigt hat, hinsichtlich des Teils der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Firma als von der Streithelferin stammend erkennt, sowie hinsichtlich der Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen von der Streithelferin unabhängigen Berufsverbänden. Derartige Nachweise ergeben sich auch nicht aus anderen Dokumenten der Akte, insbesondere nicht aus den von der Streithelferin vorgebrachten Dokumenten.

160    Unter diesen Umständen ist die Beschwerdekammer zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Firma Forge de Laguiole bis zum 20. November 2001 für Messer eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft infolge ihrer Bekanntheit beim französischen Publikum erworben habe.

 Ergebnis der Prüfung der Verwechslungsgefahr

161    Im Ergebnis weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen eine gewisse Ähnlichkeit auf bildlicher und klanglicher Ebene sowie eine hohe begriffliche Ähnlichkeit auf. Zu beachten ist, dass die Firma Forge de Laguiole eine geringe originäre Unterscheidungskraft hat, da sie sich ausschließlich aus Bestandteilen zusammensetzt, die für die Tätigkeiten der Streithelferin beschreibend sind. Diese geringe Unterscheidungskraft wird nicht durch die beim maßgeblichen Publikum erworbene Bekanntheit ausgeglichen.

162    Angesichts der Identität zwischen den Tätigkeiten der Streithelferin und den mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten „handbetätigten Werkzeugen und Geräten“ und „Löffeln“ der Klasse 8 sowie einer hohen Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten der Streithelferin und den mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten „Sägen, Rasierapparaten, Rasierklingen; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipsern“ der Klasse 8, „Brieföffnern“ der Klasse 16, „Korkenziehern; Flaschenöffnern“ der Klasse 21 sowie „Zigarrenabschneidern“ und „Pfeifenreinigern“ der Klasse 34 ist festzustellen, dass insoweit zwischen der Marke LAGUIOLE und der Firma Forge de Laguiole Verwechslungsgefahr besteht, da die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, dass diese Waren dieselbe betriebliche Herkunft haben wie die Messerschmiedewaren und die Bestecke, die von der Streithelferin vermarktet werden.

163    Zudem ist angesichts der mittleren Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten der Streithelferin und den mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten „Manikürenecessaires, Rasiernecessaires“ der Klasse 8 und „Rasierpinseln, Toilettenecessaires“ der Klasse 21 festzustellen, dass insoweit zwischen der Marke LAGUIOLE und der Firma Forge de Laguiole Verwechslungsgefahr besteht, da die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, dass diese Waren dieselbe betriebliche Herkunft haben wie die von der Streithelferin vermarkteten Messerschmiedewaren und Bestecke.

164    Demgegenüber ist angesichts der geringen Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten der Streithelferin und den mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten „Umschlägen“ der Klasse 16 festzustellen, dass insoweit keine Verwechslungsgefahr besteht, da die maßgeblichen Verkehrskreise nicht glauben werden, dass diese Waren dieselbe betriebliche Herkunft haben können wie die von der Streithelferin vermarkteten Messerschmiedewaren und Bestecke.

165    Des Weiteren ist angesichts der fehlenden Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten der Streithelferin und den sonstigen mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Waren und Dienstleistungen festzustellen, dass insoweit keine Verwechslungsgefahr besteht. Im Einzelnen hat die Beschwerdekammer in Rn. 111 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht festgestellt, dass die mit der Marke LAGUIOLE beanspruchten Drucksachen (Alben, Bücher; Almanache, Broschüren, Kataloge; Kalender, Lithografien, Plakate der Klasse 16) geeignet seien, „wegen ihres Inhalts“ Verwechslungsgefahr mit der Firma Forge de Laguiole hervorzurufen. Denn es ist nicht ersichtlich, wie mit der Marke LAGUIOLE beanspruchte Drucksachen – was auch immer ihre Art und ihr Inhalt sein mögen – geeignet sein könnten, bei den maßgeblichen Verkehrskreisen den Eindruck zu erwecken, sie hätten dieselbe betriebliche Herkunft wie die von der Streithelferin vermarkteten Messerschmiedewaren und Bestecke. Dies wäre nur möglich, wenn solche Drucksachen besonders die Waren der Streithelferin zum Thema hätten. Ein derartiger besonders gelagerter Ausnahmefall kann jedoch keine Verwechslungsgefahr hinsichtlich einer ganzen Warenkategorie begründen. Die Beanspruchung von „Drucksachen“ durch eine Marke, die Ähnlichkeiten mit einer anderen aufweist, begründete sonst eine Gefahr der Verwechslung mit jedweder Ware, die mit der anderen Marke beansprucht wird.

166    Daraus folgt, dass dem einzigen Klagegrund stattzugeben ist und die angefochtene Entscheidung insofern, als die Beschwerdekammer eine Gefahr der Verwechslung zwischen der Firma Forge de Laguiole und der Marke LAGUIOLE festgestellt hat, aufzuheben ist, mit Ausnahme folgender Waren: „handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Löffel; Sägen, Rasierapparate, Rasierklingen; Rasiernecessaires; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipser; Manikürenecessaires“ der Klasse 8, „Brieföffner“ der Klasse 16, „Korkenzieher; Flaschenöffner“ und „Rasierpinsel, Toilettenecessaires“ der Klasse 21 sowie „Zigarrenabschneider“ und „Pfeifenreiniger“ der Klasse 34.

167    Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

168    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Zudem kann das Gericht nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

169    Im vorliegenden Fall unterliegen das HABM und die Streithelferin insofern teilweise, als die angefochtene Entscheidung gemäß den Anträgen des Klägers teilweise aufzuheben ist. Der Kläger hat jedoch nicht beantragt, die Kosten dem HABM aufzuerlegen, sondern der Streithelferin.

170    Unter diesen Voraussetzungen sind der Streithelferin ein Viertel der Kosten des Klägers und drei Viertel ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen. Der Kläger trägt jeweils ein Viertel der Kosten der Streithelferin und des HABM sowie drei Viertel seiner eigenen Kosten. Das HABM trägt schließlich drei Viertel seiner eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 1. Juni 2011 (Sache R 181/2007‑1) wird insofern aufgehoben, als sie die Gemeinschaftswortmarke LAGUIOLE für nichtig erklärt, mit Ausnahme folgender Waren: „handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Löffel; Sägen, Rasierapparate, Rasierklingen; Rasiernecessaires; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipser; Manikürenecessaires“ der Klasse 8, „Brieföffner“ der Klasse 16, „Korkenzieher; Flaschenöffner“ und „Rasierpinsel, Toilettenecessaires“ der Klasse 21 sowie „Zigarrenabschneider“ und „Pfeifenreiniger“ der Klasse 34.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Forge de Laguiole SARL trägt ein Viertel der Kosten des Klägers und drei Viertel ihrer eigenen Kosten.

4.      Herr Gilbert Szajner trägt jeweils ein Viertel der Kosten von Forge de Laguiole und des HABM sowie drei Viertel seiner eigenen Kosten.

5.      Das HABM trägt drei Viertel seiner eigenen Kosten.

Kanninen

Pelikánová

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Oktober 2014.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Vorbringen der Beteiligten

Rechtliche Würdigung

1.  Zu den erstmals vor dem Gericht vorgelegten Dokumenten

2.  Zur Begründetheit

Zum Umfang des durch die Firma Forge de Laguiole gewährten Schutzes

Zu den von der Streithelferin vor der Anmeldung der Marke LAGUIOLE tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten

Zur Verwechslungsgefahr

Zur Ähnlichkeit zwischen den Wirtschaftssektoren, die von der Firma Forge de Laguiole und der Marke LAGUIOLE abgedeckt werden

–  Zum Verhältnis zwischen „Sägen, Rasierapparaten, Rasierklingen; Nagelfeilen und ‑zangen, Nagelknipsern“ und „Manikürenecessaires, Rasiernecessaires“ der Klasse 8, „Brieföffnern“ der Klasse 16 sowie „Rasierpinseln, Toilettenecessaires“ der Klasse 21 und den Tätigkeiten der Streithelferin

–  Zu den „handbetätigten Werkzeugen und Geräten“ und „Schraubenziehern“ der Klasse 8

–  Zu den „Löffeln“ der Klasse 8

–  Zu „Küchengeräten und Geschirr aus Glas, Porzellan und Steingut; Tafelgeschirr, nicht aus Edelmetall; Korkenziehern; Flaschenöffnern, Papierhandtuchspendern aus Metall; Sanduhren“ der Klasse 21 sowie „Geräten und Behältern für Haushalt und Küche aus Edelmetallen; Tafelgeschirr aus Edelmetall“ der Klasse 14

–  Zu „Edelmetallen und ihren Legierungen“, „Edelsteinen“ und „Kästen, Leuchtern“ der Klasse 14

–  Zu „Leder und Lederimitationen“ und „Reise- und Handkoffern und ‑taschen“ der Klasse 18 sowie „Kästen“

–  Zu „Schülerbedarf; Bleistiften, Minenschreibgeräten, Radiergummis; Umschlägen; Heftern; Alben, Büchern; Almanachen, Broschüren, Schreibheften, Katalogen; Kalendern, Lithografien, Plakaten“ der Klasse 16

–  Zu den verschiedenen als „Geschenkartikel“ qualifizierten Waren der Klassen 14, 18 und 20

–  Zu „Golfhandschuhen“ und „Sportartikeln“ der Klasse 28, „Zigarrenetuis“ der Klasse 14 und „Streichhölzern, elektrischen Feuerzeugen für Raucher; Zigarren- und Zigarettenkästen, nicht aus Edelmetall; Zigarrenabschneidern; Pfeifen; Pfeifenreinigern“ der Klasse 34

–  Zu den Dienstleistungen der Klasse 38

–  Ergebnis der Prüfung der Ähnlichkeit der Wirtschaftssektoren, die mit der Firma Forge de Laguiole bzw. der Marke LAGUIOLE abgedeckt werden

Zur Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen

Zur hohen Unterscheidungskraft der Firma Forge de Laguiole wegen ihrer Bekanntheit beim Publikum

Ergebnis der Prüfung der Verwechslungsgefahr

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.