Language of document : ECLI:EU:C:1998:170

URTEIL DES GERICHTSHOFES

28. April 1998 (1)

„Freier Dienstleistungsverkehr — Freier Kapitalverkehr — Besteuerung des Sparens im Rahmen einer Lebensversicherung — Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über unterschiedliche Besteuerungsmodalitäten je nach Sitz des Dienstleistungsunternehmens“

In der Rechtssache C-118/96

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Länsrätten i Dalarnas län, zuvor Länsrätten i Kopparbergs län, (Schweden) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Jessica Safir

gegen

Skattemyndigheten i Dalarnas län, zuvor Skattemyndigheten i Kopparbergs län,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 6, 59, 60, 73b und 73d EG-Vertrag

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, H. Ragnemalm, M. Wathelet und R. Schintgen sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter), P. J. G. Kapteyn, J. L. Murray, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, G. Hirsch und P. Jann,

Generalanwalt: G. Tesauro


Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

—    von Frau Safir, vertreten durch die Rechtsanwälte J.-M. Bexhed und G. Lundsten, Stockholm,

—    der schwedischen Regierung, vertreten durch L. Nordling, Rättschef für EU-Fragen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,

—    der dänischen Regierung, vertreten durch Abteilungsleiter P. Biering, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

—    der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten im Beistand von Barrister C. Vajda,

—    der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater A. Caeiro und K. Simonsson, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Safir, vertreten durch die Rechtsanwälte J.-M. Bexhed und G. Lundsten, der schwedischen Regierung, vertreten durch L. Nordling, der dänischen Regierung, vertreten durch P. Biering, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins im Beistand von C. Vajda, und der Kommission vertreten durch K. Simonsson und H. Michard, Juristischer Dienst, in der Sitzung vom 10. Juni 1997,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. September 1997,

folgendes

Urteil

1.
    Mit Entscheidung vom 22. März 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 1996, hat das Länsrätten i Dalarnas län, zuvor Länsrätten i Kopparbergs län, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 6, 59, 60, 73b und 73d EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.
    Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Safir, wohnhaft in Schweden, und dem Skattemyndigheten i Dalarnas län, zuvor Skattemyndigheten i Kopparbergs län (Finanzamt der Provinz Kopparberg; im folgenden: Finanzamt), über die Besteuerung von Prämien für eine Kapitallebensversicherung, die Frau Safir 1995 an die auf dem schwedischen Markt tätige britische Versicherungsgesellschaft Skandia Life Assurance Company Ltd (im folgenden: Skandia Life) entrichtet hat, bei der es sich um eine 100%ige Tochtergesellschaft der schwedischen Versicherungsgesellschaft Skandia handelt.

Die schwedischen Rechtsvorschriften

3.
    Die Besteuerung des Sparens im Rahmen von Kapitallebensversicherungen bei in Schweden niedergelassenen Gesellschaften trifft die Gesellschaften wie die Versicherungsnehmer gleichermaßen.

4.
    Die in Schweden niedergelassenen Versicherungsgesellschaften sind verpflichtet, eine Steuer gemäß dem Lagen (1990:661) om avkastinngsskatt på pensionsmedel (Gesetz über die Ertragssteuer auf Rentenmittel) zu entrichten. Diese Steuer ist technisch als eine Steuer auf den Ertrag aus dem Versicherungskapital ausgeformt, die vom Versicherer erhoben wird. Sie wird pauschal berechnet anhand des am Ende des Jahres vor dem Besteuerungsjahr vorhandenen Kapitals der Gesellschaft, vermindert um den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wert der finanziellen Verbindlichkeiten, anschließend multipliziert mit dem durchschnittlichen Zins für Staatsanleihen im Jahr vor dem Besteuerungsjahr. Der so ermittelte Ertrag wird mit einem Steuersatz von 27 % belegt.

5.
    Versicherungsnehmer, die Verträge bei in Schweden niedergelassenen Gesellschaften abgeschlossen haben, können die Prämien nicht von ihrem steuerpflichtigen Einkommen abziehen. Dafür werden die auszuzahlenden Beträge nicht besteuert.

6.
    Das gleiche gilt für Versicherungsnehmer, die Verträge bei im Ausland niedergelassenen Gesellschaften abgeschlossen haben.

7.
    Sparleistungen im Rahmen von Kapitallebensversicherungen bei im Ausland niedergelassenen Gesellschaften werden auf der Grundlage des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Lagen (1990:662) om skatt på vissa premiebetalningar (premieskattelagen) (Gesetz über die Besteuerung bestimmter Prämieneinzahlungen; im folgenden: Premieskattelagen) besteuert.

8.
    Nach der Vorlageentscheidung bezweckt das Premieskattelagen die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsneutralität zwischen Sparleistungen im Rahmen einer Kapitallebensversicherung bei Versicherungsgesellschaften mit Sitz in Schweden und Sparleistungen bei Gesellschaften mit Sitz im Ausland.

9.
    Nach § 1 des Premieskattelagen müssen natürliche oder juristische Personen, die in Schweden wohnen oder dort ihren ständigen Aufenthalt haben und bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, für die gezahlten Prämien Steuern an den Staat entrichten. Nach § 3 des Premieskattelagen beträgt die Steuer 15 % der Prämie.

10.
    Außerdem müssen sich diese Steuerpflichtigen zentral bei dem Finanzamt registrieren lassen und die Prämienzahlung angeben.

11.
    Diese Behörde kann schließlich gemäß § 5 des Premieskattelagen auf Antrag des Versicherungsnehmers eine Steuerbefreiung einräumen oder die Steuer um die Hälfte ermäßigen, wenn die Gesellschaft, bei der die Versicherung abgeschlossen wurde, im Staat ihrer Niederlassung einer Einkommensbesteuerung unterliegt, die der Steuerlast der in Schweden niedergelassenen Versicherungsunternehmen vergleichbar ist. Die Prämienbesteuerung kann um die Hälfte ermäßigt werden, wenn die ausländische Steuer mindestens ein Viertel der in Schweden geltenden Steuer erreicht, und sie kann erlassen werden, wenn die ausländische Steuer mindestens die Hälfte der in Schweden geltenden Steuer erreicht.

12.
    Nach den Darlegungen des vorlegenden Gerichts soll die genannte Möglichkeit der Steuerbefreiung oder -ermäßigung verhindern, daß Sparer, die bei einer im Ausland niedergelassenen Gesellschaft eine Kapitallebensversicherung abschließen, höher besteuert werden als Sparer, die eine solche Versicherung bei einer in Schweden niedergelassenen Gesellschaft abschließen.

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

13.
    Frau Safir, die Anfang 1995 bei Skandia Life eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen hatte, beantragte bei dem Finanzamt gemäß § 5 des Premieskattelagen die Befreiung von der Prämienbesteuerung.

14.
    Mit Bescheid von 12. April 1995 ermäßigte das Finanzamt die Steuer um die Hälfte und setzte sie auf 7,5 % der 1995 an die Skandia Life entrichteten Prämien, also auf 75 SKR, fest.

15.
    Frau Safir legte gegen diese Entscheidung bei der für Steuerbefreiungen zuständigen Instanz, dem Riksskatteverket, einen Rechtsbehelf ein, der am 3. Juli 1995 durch eine keiner weiteren Beschwerde unterliegenden Entscheidung zurückgewiesen wurde.

16.
    Am 4. Januar 1996 gab Frau Safir daraufhin die Prämienzahlungen bei dem Finanzamt an und machte geltend, daß sie keine Steuer auf die Prämien schulde, weil diese Steuer mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei.

17.
    Nach erneuter Prüfung der Akte hielt das Finanzamt durch Bescheide vom 17. und vom 25. Januar 1996 seinen Steuerbescheid aufrecht.

18.
    Mit Klageschriften vom 22. Januar und vom 13. Februar 1996 erhob Frau Safir daraufhin beim Länsrätten i Dalarnas län Klage auf Aufhebung des Steuerbescheids des Finanzamts.

19.
    In seiner Vorlageentscheidung stellt dieses Gericht fest, daß trotz des Zieles des schwedischen Gesetzgebers, eine wettbewerbsneutrale Lage zwischen Sparern bei schwedischen Versicherungen und Sparern bei ausländischen Versicherungen zu wahren, die Besteuerung technisch unterschiedlich ausgestaltet worden sei, je nachdem ob das Versicherungsunternehmen in Schweden oder im Ausland niedergelassen sei, und daß diese Ungleichheit gegen den EG-Vertrag verstoßen könnte. Es hat daher dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstößt es, wenn in einem Mitgliedstaat die Besteuerung des Versicherungssparens bei inländischen Lebensversicherungsgesellschaften und bei ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften, die in diesem Mitgliedstaat niedergelassen sind und dort Versicherungsgeschäfte betreiben, technisch wie eine nach dem Ertrag aus dem Versicherungskapital pauschal berechnete Steuer ausgeformt ist, die beim Versicherer erhoben wird, gegen die Artikel 6, 59, 60 oder 73b und 73d EG-Vertrag, wenn — in der Absicht, zwischen dem inländischen und dem ausländischen Versicherungssparen die Wettbewerbsneutralität aufrechtzuerhalten — Steuer auf die Versicherungsprämien erhoben wird, die von dem Versicherungsnehmer in dem Mitgliedstaat gemäß dem Lebensversicherungsvertrag entrichtet werden, den er mit einem Versicherer abgeschlossen hat, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen und in dem erstgenannten Mitgliedstaat gemäß den Vorschriften über grenzüberschreitende Versicherungstätigkeit tätig ist, sofern die Steuer auf die genannten Versicherungsprämien im Verwaltungswege erlassen oder um die Hälfte ermäßigt werden kann, falls die im Ausland niedergelassene Versicherungsgesellschaft in dem Staat ihrer Niederlassung einer Einkommensbesteuerung unterliegt, die der Steuerbelastung für inländisches Versicherungssparen in dem anderen Mitgliedstaat vergleichbar ist?

20.
    Mit seiner Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die Artikel 6, 59, 60 oder 73b und 73d EG-Vertrag die Anwendung einer nationalen Regelung über die Besteuerung von Kapitallebensversicherungen, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede steht, verbieten.

21.
    Zunächst ist festzustellen, daß zwar der Bereich der direkten Steuern als solcher beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (vgl. u. a. Urteil vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21).

22.
    Da es sich bei Versicherungen um Dienstleistungen im Sinne von Artikel 60 EG-Vertrag handelt, ist sodann daran zu erinnern, daß Artikel 59 EG-Vertrag nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeit für einen Dienstleistungserbringer, von dieser Freiheit tatsächlich Gebrauch zu machen, ohne objektive Rechtfertigung beschränkt (vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93, Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 16).

23.
    Unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Marktes und im Hinblick auf die Verwirklichung seiner Ziele, schließt Artikel 59 EG-Vertrag auch die Anwendung einer nationalen Regelung aus, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert (Urteil Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnr. 17).

24.
    Die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Regelung unterwirft Kapitallebensversicherungen einer unterschiedlichen Besteuerung, je nachdem ob die Gesellschaften, bei denen sie abgeschlossen worden sind, in Schweden niedergelassen sind oder nicht. Diese unterschiedliche Behandlung ist nach dem Vorbringen der schwedischen Regierung dadurch zu erklären, daß es nicht möglich ist, die gleiche Regelung auf beide Fälle anzuwenden, und daß es notwendig ist, die Steuerlücke zu schließen, die sich aus der fehlenden Besteuerung der Sparleistungen im Rahmen von Kapitallebensversicherungen bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften ergeben würde.

25.
    Es ist daher zu prüfen, ob eine solche Regelung Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr schafft und ob diese Hindernisse gegebenenfalls durch die von der schwedischen Regierung angeführten Gründe gerechtfertigt sind.

26.
    Erstens müssen sich die Versicherungsnehmer von Kapitallebensversicherungen, die bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften abgeschlossen werden, im Unterschied zu Inhabern solcher Versicherungen, die bei nicht dort niedergelassenen Gesellschaften abgeschlossen werden, zentral bei dem Finanzamt, das auch für die Gewährung von Steuerbefreiungen und -ermäßigungen zuständig ist, registrieren lassen und die Prämienzahlung angeben. Außerdem müssen sie die Steuer selbst entrichten und dafür finanzielle Mittel aufbringen, was sich, wie Frau Safir geltend macht, negativ auf ihre Liquidität auswirkt. Zwar können solche Verpflichtungen für sich genommen nicht als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht betrachtet werden. Jedoch können solche Verpflichtungen in

Verbindung mit der Notwendigkeit, ein zentralisiertes Verfahren einzuhalten, die Betroffenen davon abhalten, Kapitallebensversicherungen bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften abzuschließen, da sie keinerlei besonderen Schritte unternehmen müßten, wenn sie solche Versicherungen bei in Schweden niedergelassenen Gesellschaften abschließen würden, weil die Steuer in diesem Fall bei der Gesellschaft erhoben würde.

27.
    Zweitens bringt nach den Erläuterungen der schwedischen Regierung in der Sitzung zwar ein nach langer Zeit erfolgter Rückkauf einer Kapitallebensversicherung, die bei einer nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaft abgeschlossen worden ist, für den Versicherungsnehmer keine größeren Schwierigkeiten mit sich als der Rückkauf einer Versicherung, die bei einer in Schweden niedergelassenen Gesellschaft abgeschlossen worden ist; anders könne es aber aussehen, wenn der Rückkauf nach kurzer Zeit erfolge. Die größeren Schwierigkeiten bei einem nach kurzer Zeit erfolgenden Rückkauf einer Versicherung, die bei einer nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaft abgeschlossen worden ist, sind ein weiterer Faktor, der den Versicherungsnehmer vom Abschluß einer solchen Versicherung abhalten kann, da er zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht weiß, ob und gegebenenfalls wann er einen Rückkauf vornehmen wird.

28.
    Drittens verlangt das Finanzamt, wenn der Versicherungsnehmer einer Versicherung, die bei einer nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaft abgeschlossen worden ist, eine Befreiung von der Prämienbesteuerung oder deren Ermäßigung beantragt und es noch nicht über die nötigen Informationen verfügt, genaue Angaben über die Einkommenssteuer, der diese Gesellschaft unterliegt. Wie Frau Safir geltend macht, ist ein solches Verlangen für den Versicherungsnehmer jedoch besonders belastend. Es kann außerdem die Versicherungsgesellschaften, die noch nicht auf dem schwedischen Markt tätig sind, davon abhalten, dort ihre Dienste anzubieten, da es erforderlich macht, daß diese Gesellschaften ihren potentiellen Kunden genaue Angaben darüber liefern, welche steuerliche Regelung für sie in einem anderen Mitgliedstaat gilt.

29.
    Viertens hängt nach der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Regelung die Festsetzung der auf Versicherungsprämien anwendbaren Steuer davon ab, wie die Verwaltung die steuerliche Regelung für die nicht in Schweden niedergelassenen Versicherer beurteilt. Wie aus den Akten hervorgeht, haben jedoch das Finanzamt und das Riksskatteverket 1995 in bezug auf die Freistellungsanträge verschiedener britischer Lebensversicherungsgesellschaften unterschiedlich entschieden, obwohl die britische steuerliche Regelung nicht geändert worden war. Folglich sind solche Unterschiede bei der Beurteilung der auf nicht in Schweden niedergelassene Gesellschaften anwendbaren steuerlichen Regelung offenbar geeignet, eine Unsicherheit zu erzeugen, die die Versicherungsnehmer davon abhalten kann, bei nicht in Schweden niedergelassenen Versicherern Verträge mit langer Laufzeit, wie Kapitallebensversicherungsverträge, abzuschließen.

30.
    Demnach weist eine Regelung, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede steht, eine Reihe von Faktoren auf, die geeignet sind, Versicherungsnehmer davon abzuhalten, Kapitallebensversicherungen bei nicht in Schweden niedergelassenen Versicherungsgesellschaften abzuschließen, und Versicherungsgesellschaften davon abzuhalten, ihre Dienste auf dem schwedischen Markt anzubieten.

31.
    Überdies erlaubt die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Regelung zwar die Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat geltenden Steuer, um, wie die schwedische Regierung vorträgt, dem vom Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Grundsatz der Gleichbehandlung Genüge zu tun, doch ergibt sich gleichwohl, wie Frau Safir geltend macht, ein Schwelleneffekt dadurch, daß diese Steuer unberücksichtigt bleibt, wenn sie nicht mindestens ein Viertel der in Schweden geltenden Steuer erreicht. Die in einem anderen Mitgliedstaat geltende Steuer muß nämlich mindestens ein Viertel der Steuer auf Versicherungsprämien ausmachen, damit diese um die Hälfte ermäßigt werden kann, und sie muß mindestens die Hälfte der schwedischen Steuer ausmachen, damit diese erlassen werden kann. Aus einem solchen Schwelleneffekt ergibt sich, daß die Besteuerung von Sparleistungen im Rahmen von Kapitallebensversicherungen bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften in den meisten Fällen höher sein kann als die Besteuerung solcher Sparleistungen bei in Schweden niedergelassenen Gesellschaften.

32.
    Außerdem machen es Regelungen wie die schwedische für das nationale Gericht, das prüfen soll, ob die steuerliche Regelung diskriminierend ist, schwierig, wenn nicht unmöglich, die Ertragssteuer, die auf Versicherungen lastet, die bei in Schweden niedergelassenen Gesellschaften abgeschlossen worden sind, mit der Steuer auf Versicherungsprämien zu vergleichen, die an nicht in Schweden niedergelassene Gesellschaften gezahlt werden.

33.
    Es kommen jedoch andere, transparentere Systeme in Frage, die ebenfalls geeignet sind, die von der schwedischen Regierung geltend gemachte Steuerlücke zu schließen, und die den freien Dienstleistungsverkehr dabei weniger stark beschränken. Dies gilt insbesondere für eine pauschal berechnete Besteuerung der Erträge aus dem Lebensversicherungskapital, die auf sämtliche Versicherungen unabhängig davon gleichermaßen anwendbar ist, ob die Gesellschaften, bei denen die Versicherungen abgeschlossen worden sind, in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind.

34.
    Demnach können die von der schwedischen Regierung angeführten Gründe, nämlich die Unmöglichkeit, auf Kapitallebensversicherungen bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften die gleiche steuerliche Regelung anzuwenden wie auf Lebensversicherungen bei dort niedergelassenen Gesellschaften, und die Notwendigkeit, die Steuerlücke zu schließen, die sich aus der fehlenden Besteuerung von Sparleistungen im Rahmen von Kapitallebensversicherungen bei nicht in Schweden niedergelassenen Gesellschaften ergebe, eine nationale Regelung über die Besteuerung von Kapitallebensversicherungen nicht rechtfertigen, die eine

Reihe von Faktoren aufweist, die den freien Dienstleistungsverkehr so stark beschränken wie die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Regelung.

35.
    Im Hinblick darauf braucht nicht entschieden zu werden, ob eine solche Regelung auch gegen die Artikel 6, 73b und 73d EG-Vertrag verstößt.

36.
    Dem vorlegenden Gericht ist zu antworten, daß Artikel 59 EG-Vertrag die Anwendung einer nationalen Regelung über die Besteuerung von Kapitallebensversicherungen, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede steht, verbietet.

Kosten

37.
    Die Auslagen der schwedischen und der dänischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Länsrätten i Dalarnas län, zuvor Länsrätten i Kopparbergs län mit Entscheidung vom 22. März 1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 59 EG-Vertrag verbietet die Anwendung einer nationalen Regelung über die Besteuerung von Kapitallebensversicherungen, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede steht.

Rodríguez Iglesias        Gulmann                Ragnemalm

Wathelet                Schintgen                 Mancini

Moitinho de Almeida        Kapteyn                 Murray

Edward        Puissochet            Hirsch         Jann

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. April 1998.

Der Kanzler

Der Präsident

R. Grass

G. C. Rodriguéz Iglesias


1: Verfahrenssprache: Schwedisch.