Language of document : ECLI:EU:C:2017:132

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 16. Februar 2017(1)

Rechtssache C75/16

Livio Menini,

Maria Antonia Rampanelli

gegen

Banco Popolare – Società Cooperativa

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale ordinario di Verona [Gericht Verona, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Widerspruch gegen einen Mahnbescheid – Richtlinie 2008/52/EG – Mediation in Zivil- und Handelssachen – Art. 1 Abs. 2 – Geltungsbereich – Richtlinie 2013/11/EU – Alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten – Art. 1 – Pflicht des Verbrauchers, vor der Anrufung eines Gerichts ein Mediationsverfahren einzuleiten – Art. 2 – Geltungsbereich – Art. 8 Buchst. b – Anwaltszwang – Art. 9 Abs. 2 Buchst. a – Mit dem Abbruch des Mediationsverfahrens verbundene Sanktionen“






I –    Einleitung

1.        Das Tribunale ordinario di Verona (Gericht Verona, Italien) ist mit dem von zwei Verbrauchern eingelegten Widerspruch gegen einen Mahnbescheid befasst, den ein Kreditinstitut gegen sie erwirkt hat.

2.        Gemäß den italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen(2) ist die Zulässigkeit des Widerspruchs davon abhängig, dass die Widerspruchsführer zuvor ein Mediationsverfahren eingeleitet haben. Zudem hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass der Ausgangsrechtsstreit auch in den Anwendungsbereich der italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten fällt(3). Es hat Zweifel, ob ein solches obligatorisches Mediationsverfahren, auch wenn es mit der Richtlinie 2008/52 im Einklang steht, mit bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2013/11 vereinbar ist.

3.        In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof erstens wissen, wie die jeweiligen Anwendungsbereiche dieser beiden Richtlinien voneinander abzugrenzen sind. Zweitens möchte es wissen, ob es den Bestimmungen der Richtlinie 2013/11 zuwiderläuft, dass die Zulässigkeit einer von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer erhobenen und einen Dienstleistungsvertrag betreffenden Klage davon abhängig ist, dass der Verbraucher zuvor ein Mediationsverfahren eingeleitet hat. Drittens möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob die Ausgestaltung des Mediationsverfahrens im italienischen Recht, soweit sie den Verbraucher verpflichtet, einen Anwalt beizuziehen, und einen Abbruch dieses Verfahrens, der ohne triftigen Grund erfolgt, mit Sanktionen verbindet, mit der Richtlinie 2013/11 im Einklang steht.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Richtlinie 2008/52

4.        Die Richtlinie 2008/52 gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 2 „bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten für Zivil- und Handelssachen, nicht jedoch für Rechte und Pflichten, über die die Parteien nach dem einschlägigen anwendbaren Recht nicht verfügen können“.

5.        Art. 3 Buchst. a dieser Richtlinie definiert die „Mediation“ als „ein strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung, in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen. Dieses Verfahren kann von den Parteien eingeleitet oder von einem Gericht vorgeschlagen oder angeordnet werden oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben sein.“

6.        Gemäß ihrem Art. 5 Abs. 2 lässt diese Richtlinie „nationale Rechtsvorschriften unberührt, nach denen die Inanspruchnahme der Mediation vor oder nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens verpflichtend oder mit Anreizen oder Sanktionen verbunden ist, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen“.

2.      Richtlinie 2013/11

7.        Gemäß ihrem Art. 1 ist es „Zweck dieser Richtlinie …, durch das Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen, indem dafür gesorgt wird, dass Verbraucher auf freiwilliger Basis Beschwerden gegen Unternehmer bei Stellen einreichen können, die unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire AS-Verfahren anbieten. Diese Richtlinie berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften, die die Teilnahme an solchen Verfahren verbindlich vorschreiben, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht an der Ausübung ihres Rechts auf Zugang zum Gerichtssystem hindern.“

8.        Art. 2 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von inländischen und grenzübergreifenden Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen aus Kaufverträgen oder Dienstleistungsverträgen zwischen einem in der Union niedergelassenen Unternehmer und einem in der Union wohnhaften Verbraucher durch Einschalten einer AS-Stelle, die eine Lösung vorschlägt oder auferlegt oder die Parteien mit dem Ziel zusammenbringt, sie zu einer gütlichen Einigung zu veranlassen.

(2)      Diese Richtlinie gilt nicht für

g)      von Unternehmern gegen Verbraucher eingeleitete Verfahren;

…“

9.        Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Sofern in dieser Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist, hat in dem Fall, dass eine Bestimmung dieser Richtlinie mit einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts über von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer eingeleitete außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren kollidiert, die Bestimmung dieser Richtlinie Vorrang.

(2)      Die Richtlinie 2008/52/EG wird durch die vorliegende Richtlinie nicht berührt.“

10.      Art. 4 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2013/11 definiert das „AS-Verfahren“ als „ein Verfahren im Sinne des Artikels 2, das den Anforderungen dieser Richtlinie genügt und von einer AS-Stelle durchgeführt wird“. Eine „AS-Stelle“ ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Richtlinie „jede Stelle, die unabhängig von ihrer Bezeichnung auf Dauer eingerichtet ist und die Beilegung einer Streitigkeit in einem AS-Verfahren anbietet und in einer Liste gemäß Artikel 20 Absatz 2 geführt wird“.

11.      Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie schreibt vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … den Zugang der Verbraucher zu AS-Verfahren erleichtern und [dafür] sorgen …, dass unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten, an denen ein in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet niedergelassener Unternehmer beteiligt ist, einer AS-Stelle vorgelegt werden können, die den Anforderungen dieser Richtlinie genügt“.

12.      Nach Art. 8 Buchst. b dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass die Parteien Zugang zu den AS-Verfahren haben, „ohne einen Rechtsanwalt oder einen Rechtsberater beauftragen zu müssen“.

13.      Nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 „[sorgen] [d]ie Mitgliedstaaten … dafür, dass in AS-Verfahren, die auf eine Beilegung der Streitigkeit durch Vorschlag einer Lösung abzielen, … die Parteien in jedem Stadium die Möglichkeit haben, das Verfahren abzubrechen, wenn sie die Durchführung oder den Ablauf des Verfahrens für unbefriedigend erachten. Sie müssen vor Einleitung des Verfahrens von diesem Recht unterrichtet werden. Wenn nationale Rechtsvorschriften eine verpflichtende Teilnahme des Unternehmers an AS-Verfahren vorsehen, gilt dieser Buchstabe ausschließlich für den Verbraucher“.

14.      Art. 20 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Jede zuständige Behörde beurteilt insbesondere aufgrund der Informationen, die sie gemäß Artikel 19 Absatz 1 erhalten hat, ob die ihr gemeldeten Streitbeilegungsstellen als AS-Stellen im Sinne dieser Richtlinie anzusehen sind und die Qualitätsanforderungen von Kapitel II und von nationalen Durchführungsbestimmungen, einschließlich nationaler Bestimmungen, die – im Einklang mit dem Unionsrecht – über die Anforderungen dieser Richtlinie hinausgehen, erfüllen.

(2)      Jede zuständige Behörde erstellt auf der Grundlage der Beurteilung gemäß Absatz 1 eine Liste sämtlicher AS-Stellen, die ihr gemeldet wurden und bei denen die in Absatz 1 genannten Bedingungen erfüllt sind.

…“

B –    Italienisches Recht

1.      Decreto legislativo Nr. 28/2010

15.      Art. 5 des Decreto legislativo 4 marzo 2010, n. 28, recante attuazione dell’articolo 60 della legge 18 giugno 2009, n. 69, in materia di mediazione finalizzata alla conciliazione delle controversie civili e commerciali (Gesetzesdekret Nr. 28 vom 4. März 2010 zur Anwendung von Art. 60 des Gesetzes Nr. 69 vom 18. Juni 2009 über die Mediation in Zivil- und Handelssachen, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 28/2010)(4), das die Richtlinie 2008/52 umsetzt, bestimmt:

„1a.      Wer in Streitigkeiten, die das Miteigentum, dingliche Rechte, Auseinandersetzungen, Erbschaften, familienrechtliche Verträge, Miete, Leihe, Betriebsverpachtung, den Ersatz des durch ärztliches Handeln oder eine gesundheitsbezogene Maßnahme oder durch üble Nachrede in der Presse oder anderen Kommunikationsmedien entstandenen Schadens, Versicherungs-, Banken- und Finanzverträge betreffen, Klage vor Gericht erheben will, hat zuvor im Beistand seines Rechtsanwalts das in diesem Dekret vorgesehene Mediationsverfahren, das im Gesetzesdekret Nr. 179 vom 8. Oktober 2007 vorgesehene Schlichtungsverfahren oder das Verfahren, das gemäß Art. 128a der – im Gesetzesdekret Nr. 385 vom 1. September 1993 in der später geänderten Fassung enthaltenen – kodifizierten Fassung der Gesetze über das Bank‑ und Kreditwesen eingeführt worden ist, für die darin geregelten Bereiche durchzuführen. Die Einleitung des Mediationsverfahrens ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klageerhebung. …

2a.      Soweit die Einleitung des Mediationsverfahrens Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage vor Gericht ist, gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn das erste Treffen vor dem Mediator ohne Einigung endet.

4.      Die Abs. 1a und 2 finden keine Anwendung:

1)      in Mahnverfahren einschließlich des Widerspruchs bis zur Entscheidung über die Anträge auf Anordnung und Aussetzung der vorläufigen Vollstreckbarkeit …“

16.      Gemäß Art. 8 Abs. 1 dieses Dekrets „[müssen] [d]ie Parteien an dem ersten und den folgenden Treffen [mit dem Mediator] bis zum Abschluss des Verfahrens im Beistand eines Rechtsanwalts teilnehmen“. Abs. 4a dieser Bestimmung sieht vor, dass „[das Gericht] [a]us der Nichtteilnahme am Mediationsverfahren ohne rechtfertigenden Grund … im nachfolgenden Rechtsstreit im Sinne von Art. 116 Abs. 2 der Zivilprozessordnung beweiskräftige Schlüsse ziehen [kann]. Das Gericht erlegt der Partei, die in den in Art. 5 vorgesehenen Fällen ohne rechtfertigenden Grund nicht an dem Verfahren teilgenommen hat, die Zahlung einer Summe zugunsten des Staatshaushalts in Höhe der für das Gerichtsverfahren geschuldeten Einheitsgebühr auf.“

2.      Decreto legislativo Nr. 130/2015

17.      Mit dem Decreto legislativo 6 agosto 2015, n. 130, recante attuazione della direttiva 2013/11/UE sulla risoluzione alternativa delle controversie dei consumatori (Gesetzesdekret Nr. 130 vom 6. August 2015 zur Umsetzung der Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 130/2015)(5) sind einige Bestimmungen des Decreto legislativo 6 settembre 2005, n. 206, „Codice del consumo“ (Gesetzesdekret Nr. 206 vom 6. September 2005 betreffend das Verbrauchergesetzbuch, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 206/2005)(6) geändert worden. Art. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 130/2015 hat insbesondere Art. 141 des Gesetzesdekrets Nr. 206/2005 ersetzt, dessen Abs. 4 und 6 nunmehr vorsehen:

„4.      Die Bestimmungen dieses Titels finden Anwendung auf freiwillige Verfahren zur alternativen Streitbeilegung – einschließlich auf elektronischem Weg – für inländische und grenzübergreifende Streitigkeiten zwischen in der Europäischen Union wohnhaften bzw. niedergelassenen Verbrauchern und Unternehmern, in deren Rahmen die AS-Stelle eine Lösung vorschlägt oder die Parteien mit dem Ziel zusammenbringt, sie zu einer gütlichen Einigung zu veranlassen, sowie insbesondere auf Mediationsstellen für die Behandlung von Verbrauchersachen, die in dem in Art. 16 Abs. 2 und 4 des Gesetzesdekrets Nr. 28 vom 4. März 2010 vorgesehenen besonderen Abschnitt aufgeführt sind, und auf die anderen AS-Stellen, die eingerichtet wurden oder in den Listen aufgeführt sind, die von den in Abs. 1 Buchst. i aufgeführten Behörden geführt und überwacht werden, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen sowie die Übereinstimmung ihrer Organisation und ihrer Verfahren mit den Bestimmungen dieses Titels überprüft wurde.

6.      Die vorliegenden Rechtsvorschriften lassen die nachstehenden Bestimmungen, die die Durchführung der außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zur Pflicht machen, unberührt:

a)      Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28 vom 4. März 2010 …“

III – Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      Am 15. Juni 2015 erwirkte Banco Popolare – Società Cooperativa auf gerichtlichem Weg gegen Herrn Livio Menini und Frau Maria Antonia Rampanelli einen Mahnbescheid über 991 848,21 Euro. Dieser Betrag entsprach dem Schuldsaldo aus einem zwischen ihnen und Banco Popolare geschlossenen Vertrag über die Eröffnung eines hypothekarisch gesicherten Kontokorrentkredits. Herr Menini und Frau Rampanelli legten beim Tribunale ordinario di Verona (Gericht Verona) Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein und beantragten die Aussetzung seiner vorläufigen Vollstreckbarkeit.

19.      Zur Stützung ihres Widerspruchs machten sie geltend, Banco Popolare habe ihnen ungeachtet ihrer bescheidenen Einkommensverhältnisse wiederholt Darlehen aufgrund mehrerer aufeinanderfolgender Verträge gewährt. Zweck dieser Darlehen sei es gewesen, ihnen den Erwerb einer außerordentlich hohen Zahl von Aktien, zum großen Teil von Banco Popolare selbst oder anderer Gesellschaften desselben Konzerns, zu ermöglichen. Banco Popolare habe diese Investitionen als sicher bezeichnet.

20.      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, der Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Vollstreckbarkeit sei zurückzuweisen. Nach dieser zurückweisenden Entscheidung müssten die Parteien ein Mediationsverfahren nach Art. 5 Abs. 1a und 4 des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 einleiten, das die Richtlinie 2008/52 in italienisches Recht umsetze; andernfalls sei der Widerspruch unzulässig.

21.      Dem vorlegenden Gericht zufolge fällt der Rechtsstreit auch in den Anwendungsbereich des Gesetzesdekrets Nr. 130/2015, das die Richtlinie 2013/11 in italienisches Recht umsetzt. Die Widerspruchsführer seien nämlich als „Verbraucher“ im Sinne von Art. 4 Buchst. a dieser Richtlinie zu qualifizieren, die mit einem „Unternehmer“ im Sinne der Definition des Art. 4 Buchst. b dieser Richtlinie einen „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 4 Buchst. d dieser Richtlinie geschlossen hätten.

22.      Das vorlegende Gericht vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, die Richtlinie 2013/11 stehe der – allerdings nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52 zulässigen – Einführung eines Systems obligatorischer Mediation für verbraucherrechtliche Streitigkeiten, wie es im Gesetzesdekret Nr. 28/2010 vorgesehen sei, entgegen.

23.      Erstens schreibe der 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/11 den Mitgliedstaaten die Einführung einer einheitlichen AS-Regelung für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten vor. Er schließe es daher aus, dass bestimmte verbraucherrechtliche Streitigkeiten einem System obligatorischer Mediation unterlägen, während die Inanspruchnahme der Mediation bei anderen verbraucherrechtlichen Streitigkeiten auf freiwilliger Grundlage beruhe. Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 sehe ein System obligatorischer Mediation aber nur für verbraucherrechtliche Streitigkeiten vor, die Bank- und Finanzierungsverträge oder Versicherungsverträge beträfen.

24.      Zweitens erlaube die Richtlinie 2013/11 es zwar, Unternehmer zur Teilnahme an einem Mediationsverfahren zu verpflichten, untersage es den Mitgliedstaaten aber, eine solche Verpflichtung Verbrauchern aufzuerlegen.

25.      Somit widerspreche Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52 dem durch die Richtlinie 2013/11 eingeführten System. Das vorlegende Gericht regt an, diesen vermeintlichen Konflikt durch eine Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11 zu lösen, die jede Überschneidung der Anwendungsbereiche dieser beiden Richtlinien ausschließe. Danach regele die Richtlinie 2008/52 nur diejenigen Rechtsstreitigkeiten, die nicht unter die Richtlinie 2013/11 fielen – nämlich Rechtsstreitigkeiten, die keine Verbraucher beträfen –, Rechtsstreitigkeiten über Verpflichtungen aus anderen als Kauf- oder Dienstleistungsverträgen sowie Rechtsstreitigkeiten, die nach Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen seien (wie vom Unternehmer betriebene Verfahren).

26.      Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass der Verbraucher im Mediationsverfahren nach Art. 5 Abs. 1a und Art. 8 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 durch einen Rechtsbeistand vertreten sein müsse. Dem stehe Art. 8 Buchst. b der Richtlinie 2013/11 entgegen.

27.      Das vorlegende Gericht hat außerdem Zweifel, ob Art. 8 Abs. 4a dieses Dekrets mit Art. 9 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie vereinbar sei, weil er es dem Verbraucher nur bei Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes erlaube, das Mediationsverfahren abzubrechen, ohne nachteilige Folgen im Rahmen des späteren Gerichtsverfahrens zu erleiden. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts bezeichnet der Begriff „rechtfertigender Grund“ objektive Gründe und schließt die Unzufriedenheit des Verbrauchers mit dem Mediationsverfahren nicht ein.

28.      Unter diesen Umständen hat das Tribunale ordinario di Verona (Gericht Verona) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11, wonach „[d]ie Richtlinie 2008/52 … durch die vorliegende Richtlinie nicht berührt [wird]“, in dem Sinne zu verstehen, dass die Möglichkeit der einzelnen Mitgliedstaaten nicht berührt wird, eine verpflichtende Mediation nur für Fälle vorzusehen, die nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2013/11 fallen, d. h. für Fälle nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11, vertragliche Streitigkeiten aus anderen Verträgen als Kauf- oder Dienstleistungsverträgen und solche, die keine Verbraucher betreffen?

2.      Ist Art. 1 der Richtlinie 2013/11 in dem Teil, in dem Verbrauchern garantiert wird, Beschwerden gegen Unternehmer bei zur alternativen Streitbeilegung bestimmten Stellen einreichen zu können, dahin auszulegen, dass diese Bestimmung einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die die Inanspruchnahme der Mediation in einer Streitigkeit nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2013/11 als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klageerhebung der als Verbraucher zu qualifizierenden Partei vorsieht, und jedenfalls einer nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach der Verbraucher, der an einer Mediation in Bezug auf eine der vorgenannten Streitigkeiten teilnimmt, sich von einem Rechtsbeistand unterstützen lassen und die damit verbundenen Kosten tragen muss und er nur dann die Möglichkeit hat, an der Mediation nicht teilzunehmen, wenn ein rechtfertigender Grund vorliegt?

29.      Die deutsche und die italienische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. An der Sitzung vom 24. November 2016 haben die italienische Regierung und die Kommission teilgenommen.

IV – Würdigung

A –    Zuständigkeit des Gerichtshofs

30.      In ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen haben die Verfahrensbeteiligten zwei Argumente vorgetragen, die die Anwendbarkeit der Richtlinie 2013/11 auf den Ausgangsrechtsstreit und folglich die Erheblichkeit der Vorlagefragen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits sowie die Zuständigkeit des Gerichtshofs für deren Beantwortung in Frage stellen könnten.

31.      Erstens hat die italienische Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Ausgangsrechtsstreit stelle die Fortsetzung eines Mahnverfahrens dar, das ein Unternehmer gegen Verbraucher eingeleitet habe. Folglich falle dieser Rechtsstreit unter die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2013/11 vorgesehene Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

32.      Zweitens haben die deutsche Regierung und die Kommission darauf hingewiesen, dass im Vorlagebeschluss nicht angegeben werde, ob es sich bei dem vom Gesetzesdekret Nr. 28/2010 eingeführten Mediationsverfahren wirklich um ein „AS-Verfahren“ handele, das vor einer „AS-Stelle“ stattfinde, wie diese Begriffe in Art. 4 Abs. 1 Buchst. g und h der Richtlinie 2013/11 definiert würden. In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung vorgetragen, dies sei nicht der Fall. Da das von diesem Dekret vorgesehene Mediationsverfahren diesen Definitionen nicht entspreche, falle es, so die Verfahrensbeteiligten, nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wie er in deren Art. 2 Abs. 1 definiert sei.

33.      Ich werde im Folgenden nacheinander auf diese beiden Argumente eingehen, wobei ich berücksichtigen werde, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen besteht.

34.      Hierzu weise ich darauf hin, dass diese Vermutung nur ausnahmsweise widerlegt werden kann, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(7). Somit kann diese Vermutung u. a. widerlegt werden, wenn diese Fragen für die Lösung des Ausgangsrechtsstreits offensichtlich irrelevant sind(8). Insbesondere ist der Gerichtshof für die Beantwortung einer Vorlagefrage nicht zuständig, wenn die Vorschrift des Unionsrechts, um deren Auslegung er ersucht wird, offensichtlich nicht anwendbar ist(9).

1.      Tragweite der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2013/11 vorgesehenen Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie

35.      Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2013/11 gilt diese nicht für „von Unternehmern gegen Verbraucher eingeleitete Verfahren“. Der 16. Erwägungsgrund dieser Richtlinie stellt hierzu klar, dass sie nicht „für Beschwerden von Unternehmern gegen Verbraucher“ gelten soll.

36.      Diese Ausnahme spiegelt den Zweck dieser Richtlinie wider, der, wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt, darin besteht, zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und zugleich ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, indem sie sicherstellt, dass die Verbraucher in der gesamten Union für die Einreichung von Beschwerden gegen Unternehmer Zugang zu AS-Verfahren haben, die bestimmten Qualitätsanforderungen genügen. Die Richtlinie 2013/11 soll hingegen nicht sicherstellen, dass diese Verfahren Unternehmern für Beschwerden gegen Verbraucher zur Verfügung stehen.

37.      Meines Erachtens bedeutet diese Ausnahme auch, dass diese Richtlinie in einem Fall, in dem ein Unternehmer eine Beschwerde gegen einen Verbraucher einreicht und vor Gericht obsiegt, nicht verlangt, dass der Verbraucher, der gegen diese Entscheidung vorgehen möchte, den Streit vor einer AS-Stelle austragen kann, statt Berufung oder Einspruch gegen diese Entscheidung einzulegen.

38.      Folglich umfasst die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2013/11 vorgesehene Ausnahme nach meiner Auffassung auch die Situation, in der ein Verbraucher einen auf Antrag eines Unternehmers gegen ihn erlassenen Mahnbescheid anficht.

39.      Dies könnte indessen anders sein, falls der Verbraucher im Stadium des Widerspruchs gegen diesen Mahnbescheid einen eigenständigen Anspruch gegen den Unternehmer geltend macht, der als solcher Gegenstand eines gesonderten gerichtlichen Verfahrens hätte sein können. Insbesondere dann, wenn der Verbraucher sich im Rahmen des Widerspruchs auf die Unwirksamkeit des Vertrags oder bestimmter Vertragsklauseln beruft, stellt der Antrag auf Feststellung dieser Unwirksamkeit (und gegebenenfalls auf einen daraus folgenden Schadensersatz) über ein im Rahmen des Mahnverfahrens vorgebrachtes Verteidigungsmittel hinaus ein eigenständiges Begehren des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer dar(10). Die Richtlinie 2013/11 verlangt meines Erachtens, dass der Verbraucher diesen Anspruch vor einer AS-Stelle geltend machen kann(11). Die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. g dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme greift dann hinsichtlich eines solchen Anspruchs nicht ein.

40.      Für die Frage, ob der Verbraucher, der Widerspruch gegen eine Entscheidung einlegt, in diesem Rahmen einen eigenständigen Anspruch gegen den Unternehmer geltend macht, der als solcher Gegenstand eines gesonderten gerichtlichen Verfahrens hätte sein können, ist das innerstaatliche Recht des jeweiligen Mitgliedstaats maßgebend. Diese Beurteilung fällt daher in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts.

41.      Im vorliegenden Fall scheint sich aus dem im Vorlagebeschluss beschriebenen und in Nr. 19 dieser Schlussanträge wiedergegebenen Sachverhalt zu ergeben, dass Herr Menini und Frau Rampanelli zur Stützung ihres Widerspruchs vorgetragen haben, Banco Popolare habe gegen das geltende Recht verstoßen, indem sie ihnen die streitigen Kredite gewährt habe. Es ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob dieses Vorbringen eine eigenständige Forderung der Verbraucher gegen den Unternehmer darstellt.

42.      Obwohl dieser Rechtsstreit sich als Fortsetzung des von einem Unternehmer gegen Verbraucher eingeleiteten Mahnverfahrens darstellt, halte ich es unter diesen Umständen nicht für offensichtlich, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2013/11, um deren Auslegung ersucht wird, auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar und folglich die Vorlagefragen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht erheblich sind.

2.      Eigenschaft als „AS-Stelle“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2013/11 und die sich daraus ergebenden Folgen

43.      Art. 4 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2013/11 definiert das „AS-Verfahren“ als ein Verfahren, das von einer „AS-Stelle“ durchgeführt wird. Die „AS-Stelle“ wird ihrerseits in Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Richtlinie unter Verweisung auf die gemäß ihrem Art. 20 Abs. 2 geführte Liste definiert. Diese Liste, die von den zuständigen Behörden jedes Mitgliedstaats zu erstellen und der Kommission zu übermitteln ist, zählt alle Stellen auf, die ihnen gemeldet wurden und nach Prüfung gemäß Abs. 1 dieses Artikels die in dieser Richtlinie und den nationalen Vorschriften zu ihrer Umsetzung aufgestellten Qualitätsanforderungen erfüllen(12).

44.      Wie sich aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2013/11 ergibt, gilt diese nur für Verfahren „durch Einschalten einer AS-Stelle“. Hierzu stellt der 37. Erwägungsgrund dieser Richtlinie klar, dass die von ihr festgelegten Qualitätsanforderungen „für alle AS-Verfahren gelten [sollen], die von einer der Kommission gemeldeten AS-Stelle durchgeführt werden“. Mit anderen Worten regelt diese Richtlinie lediglich die Verfahren, die vor einer AS-Stelle stattfinden, wie sie in ihrem Art. 4 Buchst. h definiert ist.

45.      Diese Einschränkung des materiellen Geltungsbereichs der Richtlinie 2013/11, die alles andere als eine formalistische Bestimmung dieses Geltungsbereichs ist, lässt sich anhand der allgemeinen Struktur des von ihr eingeführten Systems erklären.

46.      Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie, im Licht von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Richtlinie betrachtet, verpflichtet jeden Mitgliedstaat, für alle in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Rechtsstreitigkeiten, an denen ein in seinem Hoheitsgebiet niedergelassener Unternehmer beteiligt ist, den Verbrauchern Zugang zu (mindestens) einer außergerichtlichen Stelle zu gewährleisten, die die Qualitätsanforderungen dieser Richtlinie erfüllt und in die gemäß Art. 20 Abs. 2 dieser Richtlinie erstellte nationale Liste aufgenommen worden ist.

47.      Sind die Mitgliedstaaten dieser Pflicht nachgekommen, steht es ihnen frei, weitere außergerichtliche Stellen zu errichten, die diese Qualitätsanforderungen nicht unbedingt erfüllen und daher in dieser Liste nicht aufgeführt sind. Die Richtlinie 2013/11 harmonisiert nicht sämtliche nationalen außergerichtlichen Verfahren; sie soll lediglich gewährleisten, dass jeder Mitgliedstaat zumindest ein AS-Verfahren vorsieht, das den von ihr aufgestellten Anforderungen entspricht.

48.      Im vorliegenden Fall stellt der Vorlagebeschluss nicht klar, ob das im Gesetzesdekret Nr. 28/2010 vorgesehene Mediationsverfahren vor einer „AS-Stelle“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2013/11 stattfindet, d. h. vor einer Stelle, die in der von den italienischen Behörden gemäß Art. 20 Abs. 2 dieser Richtlinie erstellten Liste eingetragen ist. Er gibt auch nicht an, ob die Verbraucher die Möglichkeit haben, eine in Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 genannte verbraucherrechtliche Streitigkeit vor andere gegebenenfalls in dieser Liste aufgeführte Stellen zu bringen(13). In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung vorgetragen, dass die Mediationseinrichtung, die im Rahmen des vom Gesetzesdekret Nr. 28/2010 eingeführten Verfahrens zuständig sei, in dieser Liste nicht verzeichnet sei.

49.      Falls es an einer solchen Eintragung fehlen sollte – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, bin ich nach alledem mit den Verfahrensbeteiligten der Auffassung, dass dieses Mediationsverfahren nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/11 fällt(14).

50.      Diese Erwägungen stellen die Zuständigkeit des Gerichtshofs aber nicht in Frage. Angesichts der in Nr. 48 dieser Schlussanträge aufgezeigten Ungewissheit ist es nicht offensichtlich, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2013/11, um deren Auslegung ersucht wird, auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar und folglich die Vorlagefragen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht erheblich sind.

51.      Selbst wenn das im Gesetzesdekret Nr. 28/2010 vorgesehene Mediationsverfahren nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fiele, hätte dies jedenfalls nicht die Unzuständigkeit des Gerichtshofs zur Folge, weil dann davon auszugehen wäre, dass der italienische Gesetzgeber die in der genannten Richtlinie vorgesehene Regelung nach seinem innerstaatlichen Recht auf dieses Verfahren erstreckt hat.

52.      Erklären die nationalen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Bestimmungen des Unionsrechts unmittelbar und unbedingt für auf Sachverhalte anwendbar, die nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen, um zu gewährleisten, dass diese Sachverhalte und die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallenden Sachverhalte gleich behandelt werden, hält sich der Gerichtshof gleichwohl für zuständig, diese Bestimmungen gemäß Art. 267 AEUV auszulegen. Dieser Ansatz ist durch das Interesse an einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts gerechtfertigt(15).

53.      Im vorliegenden Fall liefert der Vorlagebeschluss hinreichend präzise Anhaltspunkte für eine solche Verweisung auf das Unionsrecht(16). Aus diesem Beschluss geht nämlich hervor, dass die italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2013/11 das im Gesetzesdekret Nr. 28/2010 vorgesehene Mediationsverfahren ausdrücklich in ihren Anwendungsbereich einschließen(17). Damit hat der italienische Gesetzgeber selbst dann, wenn dieses Verfahren eine Einrichtung betrifft, die nicht in der gemäß Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11 erstellten Liste verzeichnet ist, es durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zumindest in der gleichen Weise regeln wollen wie die Verfahren, die vor ordnungsgemäß eingetragenen AS-Stellen stattfinden.

54.      Nach alledem bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der von dem vorlegenden Gericht gestellten Fragen zuständig ist.

B –    Verhältnis zwischen der Richtlinie 2008/52 und der Richtlinie 2013/11

55.      Mit seiner ersten Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11, dem zufolge „[d]ie Richtlinie 2008/52/EG … durch die vorliegende Richtlinie nicht berührt [wird]“. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die materiellen Anwendungsbereiche dieser Verordnungen sich überschneiden oder die Richtlinie 2008/52 im Gegenteil nur die Rechtsstreitigkeiten regelt, auf die die Richtlinie 2013/11 nicht anwendbar ist.

56.      Meines Erachtens besteht kein ernsthafter Zweifel, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11 eine gewisse Überschneidung der Anwendungsbereiche dieser Richtlinie und der Richtlinie 2008/52 zulässt. Insoweit stellt der 19. Erwägungsgrund a. E. der Richtlinie 2013/11 klar, dass diese „horizontal für alle Arten von AS-Verfahren gelten [soll], einschließlich der von der Richtlinie 2008/52/EG erfassten AS-Verfahren“. Wie die italienische Regierung vorgetragen hat, können diese beiden Richtlinien für ein und dieselbe Rechtsstreitigkeit gleichzeitig gelten, weil die Richtlinie 2008/52 für die Mediationsverfahren bereits einen Rahmen aufstellt, während die Richtlinie 2013/11 sämtliche AS-Verfahren eingehender harmonisiert. Sie regelt daher zahlreiche Aspekte dieser Verfahren, die in der Richtlinie 2008/52 nicht berührt werden(18).

57.      Aus dem Vorlagebeschluss geht jedoch hervor, dass die erste Vorlagefrage auf der Prämisse beruht, der Ausgangsrechtsstreit sei Schauplatz eines Konflikts zwischen diesen beiden Richtlinien. Wenn diese Prämisse zuträfe, müsste dem vorlegenden Gericht – um ihm eine sachdienliche Antwort zu geben – auch gezeigt werden, welche Regeln im Fall eines Konflikts zwischen den Bestimmungen der Richtlinie 2008/52 und denen der Richtlinie 2013/11 anwendbar sind.

58.      Ich bezweifle jedoch, dass diese Prämisse richtig ist. Wie die Kommission ausgeführt hat, kann ein solcher Konflikt nur unter der Voraussetzung auftreten, dass ein Rechtsstreit gleichzeitig in den Anwendungsbereich dieser beiden Richtlinien fällt und deren Bestimmungen zudem tatsächlich miteinander unvereinbar sind. Im vorliegenden Fall ist jedoch keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

59.      Erstens fällt der Ausgangsrechtsstreit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/52, die nach ihrem Art. 1 Abs. 2 nur grenzüberschreitende Streitigkeiten erfasst(19). Diese umfassen gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie im Wesentlichen alle Streitigkeiten, bei denen mindestens zwei der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Da die beiden Widerspruchsführer ihren Wohnsitz in Italien haben und auch Banco Popolare dort ihren Sitz hat, entspricht der Ausgangsrechtsstreit dieser Definition nicht.

60.      Wie sich aus dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/52 ergibt, hindert die Mitgliedstaaten zwar nichts daran, deren Bestimmungen auch auf interne Mediationsverfahren anzuwenden. Der italienische Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, indem er die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 auf nationale Rechtsstreitigkeiten ausgedehnt hat. Dieser Erwägungsgrund kann jedoch nicht entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie zu einer Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf solche Streitigkeiten führen. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, stellt dieser Erwägungsgrund lediglich fest, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, Bestimmungen des Unionsrechts nach ihrem innerstaatlichen Recht auf Situationen anzuwenden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen(20).

61.      Zweitens teile ich jedenfalls nicht die Auffassung des vorlegenden Gerichts, Art. 3 Buchst. a und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52 seien mit dem durch die Richtlinie 2013/11 eingeführten System nicht vereinbar, weil sie es den Mitgliedstaaten erlaubten, die Inanspruchnahme eines Mediationsverfahrens vor der Anrufung eines Gerichts vorzuschreiben. Da diese Problematik Gegenstand des ersten Teils der zweiten Vorlagefrage ist, werde ich darauf im Verlauf der weiteren Würdigung im Einzelnen eingehen(21).

62.      Weil der Ausgangsrechtsstreit somit keinen Konflikt zwischen den Bestimmungen der Richtlinie 2008/52 und denen der Richtlinie 2013/11 beinhaltet, braucht nicht bestimmt zu werden, welchen dieser Bestimmungen Vorrang zukommt.

63.      Der Vollständigkeit halber füge ich aber hinzu, dass im Fall eines solchen Konflikts die Richtlinie 2008/52 vorgehen sollte. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/11 räumt der Richtlinie 2008/52 nämlich den Vorrang vor anderen Unionsrechtsakten ein, die Bestimmungen über von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer eingeleitete außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren enthalten, „[s]ofern in dieser Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist“. Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie, im Licht ihres 19. Erwägungsgrundes gelesen, stellt eine solche ausdrückliche Ausnahme dar, weil er vorsieht, dass „[d]ie Richtlinie 2008/52 … durch [diese] Richtlinie nicht berührt [wird]“. Abgesehen davon, dass dieser Erwägungsgrund den Vorrang dieser Richtlinie vor der Richtlinie 2013/11 bestätigt, gibt er als Grund hierfür an, dass die Richtlinie 2008/52 bereits einen Rahmen insbesondere für Mediationssysteme für grenzübergreifende Streitfälle geschaffen hat.

C –    Vereinbarkeit der Pflicht zur Einleitung eines Mediationsverfahrens mit der Richtlinie 2013/11

64.      Mit dem ersten Teil seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht geklärt wissen, ob Art. 1 der Richtlinie 2013/11 einer nationalen Rechtsvorschrift wie der des Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 entgegensteht, die die Zulässigkeit einer von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer erhobenen und einen Dienstleistungsvertrag betreffenden Klage davon abhängig macht, dass der Verbraucher zuvor ein Mediationsverfahren eingeleitet hat.

1.      Kein grundsätzliches Verbot, den Verbraucher zur Einleitung eines Mediationsverfahrens zu verpflichten

65.      Das Tribunale ordinario di Verona (Gericht Verona) hat aus zwei unterschiedlichen Gründen Zweifel, ob Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 mit Art. 1 der Richtlinie 2013/11 vereinbar ist.

66.      Zum einen fragt sich das vorlegende Gericht, ob diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, ein einziges und einheitliches AS-Verfahren für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten vorzusehen. Der genannte Art. 5 Abs. 1a führe indes zu einer Aufspaltung der für diese Streitigkeiten geltenden AS-Regelungen, weil er für bestimmte verbraucherrechtliche Streitigkeiten (nämlich dem vorlegenden Gericht zufolge für solche, die Bank- und Finanzierungsverträge oder Versicherungsverträge betreffen) ein obligatorisches Mediationssystem vorsehe, während die anderen verbraucherrechtlichen Streitigkeiten nur einem System freiwilliger Mediation unterlägen(22).

67.      Weder der Wortlaut noch die Zielsetzung der Richtlinie 2013/11 sprechen für ein solches Erfordernis(23). Wie in Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, soll diese Richtlinie im Wesentlichen sicherstellen, dass der Verbraucher in der gesamten Union für die Einreichung von Beschwerden gegen Unternehmer Zugang zu AS-Verfahren hat, die bestimmten harmonisierten Qualitätsanforderungen genügen. Diese Verfahren müssen „unabhängig, unparteiisch, transparent, effektiv, schnell und fair“ sein. Über diesen Zweck hinaus soll diese Richtlinie keineswegs sicherstellen, dass es für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten innerhalb ein und desselben Mitgliedstaats nur eine einzige oder einheitliche Ausgestaltung dieser Verfahren gibt. Das folgt auch daraus, dass diese Richtlinie nur eine Mindestharmonisierung vornimmt, wie sich aus ihrem Art. 2 Abs. 3 ergibt.

68.      Zum anderen fragt sich das vorlegende Gericht, ob allein der Unternehmer oder auch der Verbraucher gezwungen werden kann, an einem Mediationsverfahren zur Beilegung einer in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/11 fallenden Streitigkeit teilzunehmen(24).

69.      Insoweit weist der Wortlaut von Art. 1 dieser Richtlinie, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, zumindest dem Anschein nach eine gewisse Mehrdeutigkeit auf. Der erste Satz dieses Artikels hebt den freiwilligen Charakter der Inanspruchnahme von AS-Verfahren durch Verbraucher zur Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber Unternehmern hervor. Der zweite Satz dieses Artikels behält seinerseits den Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die Teilnahme an solchen Verfahren verbindlich vorschreiben, sofern diese Rechtsvorschriften „die Parteien nicht an der Ausübung ihres Rechts auf Zugang zum Gerichtssystem hindern“. Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich nicht klar entnehmen, ob der Begriff „Teilnahme“ sich nur auf die Teilnahme des Unternehmers an einem vom Verbraucher eingeleiteten AS-Verfahren bezieht oder auch die Einleitung eines solchen Verfahrens durch Letzteren betrifft.

70.      Die Verwendung der Worte „die Parteien“ spricht dafür, dass dieser Begriff sowohl die Beteiligung des Verbrauchers als auch die des Unternehmers am AS-Verfahren umfasst. Allerdings konzentriert der 49. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/11 sich eher auf die Beteiligung des Unternehmers, weil er klarstellt, dass diese Richtlinie zwar nicht vorschreibt, dass Unternehmer sich an AS-Verfahren beteiligen müssen, die Mitgliedstaaten aber nicht hindert, eine solche Verpflichtung vorzusehen, sofern das Recht der Parteien auf Zugang zum Gerichtssystem gewahrt bleibt.

71.      Da der Wortlaut von Art. 1 der Richtlinie 2013/11, im Licht ihres 49. Erwägungsgrundes gelesen, somit keine eindeutige Auslegung erlaubt, sind die Ziele und der Zusammenhang dieser Bestimmung sowie der Regelung, zu der sie gehört, zu berücksichtigen(25).

72.      Unter diesem Blickwinkel ist erstens festzustellen, dass der weitere rechtliche Kontext, in den sich diese Richtlinie einfügt, bestätigt, dass der freiwillige Charakter der Mediation mit der Verpflichtung des Verbrauchers, sie in Anspruch zu nehmen, vereinbar ist. Die Richtlinie 2008/52 liefert insoweit einen Anhaltspunkt, der für die Auslegung von Art. 1 der Richtlinie 2013/11 von Bedeutung ist(26).

73.      Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2008/52 definiert die Mediation als ein freiwilliges Verfahren, stellt aber zugleich klar, dass dieses Verfahren nicht nur von den Parteien eingeleitet, sondern auch von einem Gericht angeordnet werden oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben sein kann. Auf derselben Linie liegend behält Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, die „Inanspruchnahme“ der Mediation nach ihren nationalen Vorschriften zur Pflicht zu machen. Diese Formulierung zeigt eindeutig, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass der Verbraucher zur Einleitung eines Mediationsverfahrens verpflichtet ist(27). Wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, besteht die Freiwilligkeit der Mediation nicht in der Freiheit der Parteien, dieses Verfahren in Anspruch zu nehmen oder nicht, sondern darin, dass „die Parteien selbst für das Verfahren verantwortlich sind und es nach ihrer eigenen Vorstellung organisieren und jederzeit beenden können“.

74.      Ich sehe nichts, was es rechtfertigen würde, dem in Art. 1 der Richtlinie 2013/11 niedergelegten freiwilligen Charakter der AS-Verfahren eine andere Bedeutung beizulegen. Folglich kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie den Mitgliedstaaten verwehrt, die Zulässigkeit einer vom Verbraucher erhobenen Klage von der vorherigen Inanspruchnahme eines AS-Verfahrens abhängig zu machen.

75.      Was die Modalitäten und die Eigenschaften der AS-Verfahren betrifft, die die Richtlinie 2013/11 nicht regelt, so möchte ich zweitens bemerken, dass die Mitgliedstaaten ihre volle Gesetzgebungsautonomie behalten, solange sie die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gewährleisten(28). Dies ergibt sich daraus, dass die Richtlinie nur eine Mindestharmonisierung vornimmt(29). Der 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie stellt außerdem klar, dass das AS-System, dessen Errichtung sie zum Ziel hat, „unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen Rechtstraditionen auf den vorhandenen AS-Verfahren in den Mitgliedstaaten aufbauen [soll]“.

76.      Nichts deutet darauf hin, dass eine Pflicht des Verbrauchers zur Einleitung eines AS-Verfahrens die Verwirklichung des Zwecks der Richtlinie 2013/11, wie er in ihrem Art. 1 definiert ist, und damit die praktische Wirksamkeit der Richtlinie behindern würde. Vielmehr zielt eine solche Pflicht darauf ab, diese Wirksamkeit zu stärken, indem sie gewährleistet, dass die Inanspruchnahme dieses außergerichtlichen Verfahrens in systematischer Weise erfolgt(30). Soweit diese Pflicht die Überlastung der Gerichte verringern soll – ein Ziel, das der Gerichtshof im Übrigen als legitim anerkannt hat(31) –, fördert sie darüber hinaus auch mittelbar den Zugang der Verbraucher zum Recht, dessen Bedeutung Art. 1 bestätigt. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es kontraproduktiv, diese Bestimmung dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten verbiete, dem Verbraucher eine solche Pflicht aufzuerlegen.

77.      Außerdem weise ich darauf hin, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2013/11 hinter denen der Richtlinie 2008/52 zurücktreten müssen, falls sie miteinander kollidieren(32). Für grenzübergreifende Streitigkeiten ermächtigt Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52 die Mitgliedstaaten, die Inanspruchnahme der Mediation verbindlich vorzuschreiben. Es wäre paradox, wenn sie dagegen im Rahmen inländischer Streitigkeiten, auf die nur die Richtlinie 2013/11 anzuwenden ist, daran gehindert wären.

78.      Nach alledem bin ich der Auffassung, dass Art. 1 der Richtlinie 2013/11 dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten nicht nur freisteht, vom Unternehmer zu verlangen, dass er an einem AS-Verfahren teilnimmt, sondern sie den Verbraucher auch dazu zwingen können, ein solches Verfahren einzuleiten, bevor er ein Gericht anruft. Diese Möglichkeit wird jedoch durch die in Art. 1 a. E. dieser Richtlinie aufgestellte Bedingung beschränkt, wonach eine solche Pflicht den Parteien nicht das Recht auf Zugang zum Gerichtssystem nehmen darf – eine Bedingung, deren Tragweite ich im Folgenden untersuchen werde.

2.      Tragweite der Bedingung, dass die obligatorische Inanspruchnahme der Mediation den Zugang zum Gerichtssystem nicht verhindern darf

79.      Die Erwägungsgründe 45 und 49 der Richtlinie 2013/11 erläutern die Tragweite dieser Bedingung, indem sie darauf hinweisen, dass die AS-Verfahren den Parteien in Anbetracht des durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht nicht den Zugang zu den Gerichten verwehren dürfen. Der 45. Erwägungsgrund stellt klar, dass die Parteien, falls eine Streitigkeit nicht mit Hilfe eines AS-Verfahrens, dessen Ergebnis für sie nicht verbindlich ist, beigelegt werden konnte, in der Lage sein müssen, in der Folge ein Gerichtsverfahren einzuleiten.

80.      Bereits vor Erlass der Richtlinie 2013/11 hat der Gerichtshof in seinem Urteil Alassini u. a.(33) entschieden, dass eine Pflicht zur vorherigen Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage mit dem in Art. 47 der Charta verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vereinbar ist, sofern dieses Verfahren

–        nicht zu einer die Parteien bindenden Entscheidung führt(34),

–        keine wesentliche Verzögerung für die Erhebung einer Klage bewirkt,

–        die Verjährung der betroffenen Ansprüche hemmt(35),

–        für die Parteien keine oder nur geringe Kosten mit sich bringt(36),

–        nicht nur auf elektronischem Wege zugänglich ist(37) (was zu prüfen jedoch die Aufgabe des nationalen Gerichts ist) und

–        den Erlass von Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes in Ausnahmefällen, in denen die Dringlichkeit der Lage dies verlangt, nicht verhindert (was dieses Gericht ebenfalls zu prüfen hat).

81.      Obwohl dieses Urteil nationale Rechtsvorschriften betraf, die die Inanspruchnahme eines Schlichtungsverfahrens vorschrieben, lassen sich die Erwägungen des Gerichtshofs auf nationale Rechtsvorschriften übertragen, die die Inanspruchnahme anderer außergerichtlicher Verfahren wie des im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Mediationsverfahrens verbindlich vorschreiben. Solche Rechtsvorschriften werfen unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gleichartige Fragen auf, weil sie „dem Zugang zum Gericht eine zusätzliche Etappe vorschalte[n]“(38). Sie alle können ferner berechtigte Ziele des Allgemeininteresses wie eine zügige und kostengünstige Bearbeitung von Streitfällen und eine Entlastung der Gerichte verfolgen(39).

82.      Außerdem zielt die in Art. 1 a. E. der Richtlinie 2013/11 genannte Bedingung, wie der 45. Erwägungsgrund dieser Richtlinie deutlich macht, gerade darauf ab, die Vereinbarkeit der AS-Verfahren mit Art. 47 der Charta zu gewährleisten. Folglich sind die Umstände, die der Gerichtshof in seinem Urteil Alassini u. a.(40) berücksichtigt hat, auch für die Beurteilung relevant, ob die Pflicht, ein AS-Verfahren in Anspruch zu nehmen, mit Art. 1 dieser Richtlinie vereinbar ist(41).

83.      Es ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung vorzunehmen, doch erscheint es mir sinnvoll, hier einige Erwägungen vorzutragen, die ihm bei der Erfüllung dieser Aufgabe helfen können.

84.      Erstens sieht Art. 141 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 206/2005 in der durch Art. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 130/2015 geänderten Fassung vor, dass die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzesdekrets fallenden Verfahren – zu denen auch das im Gesetzesdekret Nr. 28/2010 vorgesehene Mediationsverfahren gehört – zu einer gütlichen Einigung oder zu einem Lösungsvorschlag des Mediators oder einer anderen mit der Sache befassten Stelle führen sollen. Vorbehaltlich der Bestätigung durch das vorlegende Gericht ist das Ergebnis dieses Verfahrens somit für die Parteien nicht bindend.

85.      Zweitens gilt die Pflicht, eine Mediation in Anspruch zu nehmen, gemäß Art. 5 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 im Rahmen eines Mahnverfahrens erst, nachdem eine Entscheidung über eventuell gestellte Anträge auf Anordnung und Aussetzung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergangen ist. Somit verhindert diese Pflicht – stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch das vorlegende Gericht – gegebenenfalls nicht den Erlass vorläufiger Maßnahmen.

86.      Ergänzend ist zu bemerken, dass die italienische Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, insofern eine Besonderheit aufweist – die in der Rechtssache, in der das Urteil Alassini u. a.(42) ergangen ist, nicht zur Debatte stand –, als sie einen Abbruch dieses Verfahrens, der ohne rechtfertigenden Grund erfolgt, mit Sanktionen verknüpft, die die Möglichkeit für die Parteien, ihre Ansprüche im Anschluss an dieses Verfahren wirksam vor einem Gericht geltend zu machen, beeinträchtigen können. Diese Problematik werde ich im Rahmen des dritten Teils der zweiten Vorlagefrage untersuchen(43).

D –    Vereinbarkeit der Ausgestaltung des Mediationsverfahrens mit der Richtlinie 2013/11

1.      Anwaltszwang

87.      Der zweite Teil der zweiten Vorlagefrage betrifft im Wesentlichen die Prüfung, ob eine nationale Rechtsvorschrift wie Art. 8 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010(44), die den Parteien vorschreibt, im Rahmen eines Mediationsverfahrens einen Rechtsanwalt beizuziehen, mit den Art. 1 und 8 Buchst. b der Richtlinie 2013/11 vereinbar ist.

88.      Die Antwort auf diese Frage ergibt sich unmissverständlich aus dem Wortlaut von Art. 8 Buchst. b dieser Richtlinie, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine solche Pflicht im Rahmen von AS-Verfahren, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, nicht vorsehen können. Allein diese Erwägung genügt, um den zweiten Teil der zweiten Frage sachdienlich zu beantworten.

89.      Es bedarf daher keiner Prüfung des von der italienischen Regierung vorgebrachten Arguments, dass die Pflicht, sich während des Mediationsverfahrens durch einen Rechtsanwalt unterstützen zu lassen, zwar die in Art. 47 der Charta verankerten Rechte einschränke, aber für die Erreichung eines Ziels von allgemeinem Interesse notwendig und verhältnismäßig sei. Da eine solche Pflicht gegen Art. 8 Buchst. b der Richtlinie 2013/11 verstößt, ist es nicht erforderlich, ihre Vereinbarkeit mit Art. 47 der Charta und mit Art. 1 dieser Richtlinie zu prüfen.

2.      Mit dem Abbruch des Mediationsverfahrens verbundene Sanktionen

90.      Mit dem dritten Teil seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 und Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11 einer nationalen Rechtsvorschrift wie der des Art. 8 Abs. 4a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 entgegenstehen, die es den Parteien nur dann erlaubt, am Mediationsverfahren nicht teilzunehmen, wenn ein rechtfertigender Grund vorliegt, da anderenfalls Sanktionen im Rahmen des späteren Gerichtsverfahrens drohen.

91.      Wie im Vorlagebeschluss ausgeführt, verbindet Art. 8 Abs. 4a dieses Gesetzesdekrets u. a. den Abbruch des Mediationsverfahrens durch eine der Parteien(45), sofern hierfür kein rechtfertigender Grund besteht, für die Partei, die das Verfahren abgebrochen hat, mit nachteiligen Folgen im Rahmen des späteren Gerichtsverfahrens. So kann der Richter aus dem ohne rechtfertigenden Grund erklärten Abbruch Schlüsse für sein Urteil ziehen. Außerdem muss er der Partei, die das Verfahren abgebrochen hat, eine finanzielle Sanktion auferlegen.

92.      Wie im Vorlagebeschluss dargelegt, treffen Art. 5 Abs. 1a und 2a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 folgende Regelung:

–        Der Antragsteller (oder, wie im vorliegenden Fall, der Widerspruchsführer) kann eine Klage nur erheben, wenn er zuvor ein Mediationsverfahren eingeleitet hat; andernfalls wäre sie unzulässig (Art. 5 Abs. 1a).

–        Zur Erfüllung dieser Bedingung genügt es, dass die Parteien zu einer ersten und einzigen Besprechung mit dem Mediator zusammenkommen, auch wenn diese erfolglos bleibt (Art. 5 Abs. 2a).

–        Obwohl es somit für den Zugang zu den Gerichten ausreicht, auf diese Weise den Versuch einer Mediation unternommen zu haben, führt der Abbruch des Mediationsverfahrens in einem späteren Stadium für die Partei, die es ohne rechtfertigenden Grund abgebrochen hat, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu nachteiligen Folgen (Art. 8 Abs. 4a).

93.      Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 sieht jedoch vor, dass die Parteien in Verfahren, die mit einem Entscheidungsvorschlag der AS-Stelle enden, in jedem Stadium die Möglichkeit haben müssen, das Verfahren abzubrechen, „wenn sie die Durchführung oder den Ablauf des Verfahrens für unbefriedigend erachten“(46). Weiter heißt es in dieser Bestimmung allerdings, dass dieses Recht zum Abbruch des Verfahrens ausschließlich dem Verbraucher zusteht, wenn das nationale Recht eines Mitgliedstaats eine verpflichtende Teilnahme des Unternehmers an AS-Verfahren vorsieht(47). Der Vorlagebeschluss stellt im vorliegenden Fall nicht klar, ob das Gesetzesdekret Nr. 28/2010 den Unternehmer verpflichtet, am Mediationsverfahren teilzunehmen.

94.      Diese Bestimmung läuft somit darauf hinaus, jeder der Parteien – oder zumindest dem Verbraucher – die uneingeschränkte Freiheit zu gewähren, das Verfahren jederzeit abzubrechen, sogar aus rein subjektiven Gründen. Nationale Rechtsvorschriften wie die des Art. 8 Abs. 4a dieses Dekrets, die an einen Abbruch des Mediationsverfahrens für die Partei, die es abgebrochen hat, nachteilige Folgen im Rahmen des späteren Gerichtsverfahrens knüpfen, schränken diese Freiheit ein und verstoßen daher gegen Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11.

95.      Ferner bin ich der Auffassung, dass solche Rechtsvorschriften, die die Inanspruchnahme eines außergerichtlichen Verfahrens vorschreiben und zugleich einen Abbruch dieses Verfahrens mit derartigen Sanktionen verbinden, das Recht der Parteien auf Zugang zum Gerichtssystem so sehr beschränken, dass sie die in Art. 1 a. E. der Richtlinie 2013/11 genannte Bedingung nicht erfüllen.

96.      Dieser Bedingung würde nämlich die praktische Wirksamkeit genommen, wenn es den Mitgliedstaaten gestattet wäre, trotz formaler Anerkennung des Rechts der Parteien auf Zugang zu den Gerichten die Möglichkeit für die Parteien, ihre Ansprüche wirksam gerichtlich geltend zu machen, zu gefährden. Folglich bedeutet diese Bedingung meines Erachtens, dass der Abbruch des AS-Verfahrens für die Partei, die es abgebrochen hat – zumindest, wenn es sich um den Verbraucher handelt(48) –, keine nachteiligen Folgen im Rahmen einer späteren Klage haben darf.

97.      Die Kommission hat jedoch vorgetragen, dass das vorlegende Gericht, bevor es die Unvereinbarkeit mit Art. 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 feststelle, zu untersuchen habe, ob Art. 8 Abs. 4a dieses Dekrets nicht so ausgelegt werden könne, dass diese Unvereinbarkeit vermieden werde.

98.      Hierzu weise ich darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung die nationalen Gerichte das innerstaatliche Recht so weit wie möglich in einer Weise auslegen müssen, die seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht gewährleistet(49). Diese Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung kann diese Gerichte aber nicht verpflichten, ihr nationales Recht contra legem auszulegen(50).

99.      Insbesondere hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, die Vereinbarkeit von Art. 8 Abs. 4a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 mit den genannten Bestimmungen der Richtlinie 2013/11 könne sichergestellt werden, indem man den Begriff „rechtfertigender Grund“ so auslege, dass er auch die Unzufriedenheit der Parteien (oder zumindest des Verbrauchers(51)) mit der Durchführung oder dem Ablauf des Mediationsverfahrens umfasse. Obwohl aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, dass das vorlegende Gericht ohne Weiteres davon ausgegangen ist, dass sich der Begriff „rechtfertigender Grund“ nur auf objektive Erwägungen beziehe(52), wird es zu prüfen haben, ob dieser Art. 8 Abs. 4a nicht doch einer weiteren Auslegung zugänglich ist.

V –    Ergebnis

100. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen des Tribunale ordinario di Verona (Gericht Verona, Italien) zu antworten:

1.      Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG ist dahin auszulegen, dass die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen auf alle Rechtsstreitigkeiten anwendbar ist, die in deren Anwendungsbereich fallen, wie er in ihrem Art. 1 Abs. 2 umschrieben ist, auch wenn sie ebenfalls in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/11 fallen, wie er in Art. 2 dieser Richtlinie umschrieben ist.

2.      Art. 1 der Richtlinie 2013/11 steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die die Zulässigkeit einer von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer erhobenen und einen Dienstleistungsvertrag betreffenden Klage davon abhängig machen, dass der Verbraucher zuvor ein alternatives Streitbeilegungsverfahren, wie etwa ein Mediationsverfahren, eingeleitet hat, sofern diese Rechtsvorschriften nicht dazu führen, den Zugang der Parteien zum Gerichtssystem zu verhindern, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

3.      Art. 8 Buchst. b der Richtlinie 2013/11 steht nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die für Streitigkeiten, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, wie er in ihrem Art. 2 umschrieben ist, die Parteien verpflichten, im Rahmen eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens, wie etwa eines Mediationsverfahrens, einen Rechtsanwalt beizuziehen.

4.      Art. 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 stehen nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die für Streitigkeiten, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, wie er in ihrem Art. 2 umschrieben ist, an den Abbruch eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens – wie etwa eines Mediationsverfahrens –, für den kein rechtfertigender Grund bestand, Sanktionen knüpfen, indem sie den Abbruch für die Partei, die das Verfahren abgebrochen hat, mit nachteiligen Folgen im Rahmen eines späteren Gerichtsverfahrens verbinden, es sei denn, dass der Begriff „rechtfertigender Grund“ die Unzufriedenheit dieser Partei mit der Durchführung oder dem Ablauf des alternativen Streitbeilegungsverfahrens umfasst, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Wenn das nationale Recht die obligatorische Teilnahme des Unternehmers an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren vorsieht, stehen Art. 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 solchen Rechtsvorschriften nur entgegen, wenn sie den vom Verbraucher ohne rechtfertigenden Grund erklärten Abbruch dieses Verfahrens mit Sanktionen verbinden.


1 –      Originalsprache: Französisch.


2 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 (ABl. 2008, L 136, S. 3).


3 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 63).


4 –      GURI Nr. 53 vom 5. März 2010.


5 –      GURI Nr. 191 vom 19. August 2015.


6 –      GURI Nr. 235 vom 8. Oktober 2005.


7 –      Vgl. u. a. Urteil vom 8. Dezember 2016, Eurosaneamientos u. a. (C‑532/15 und C‑538/15, EU:C:2016:932, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8 –      Vgl. Urteil vom 24. Oktober 2013, Stoilov i Ko (C‑180/12, EU:C:2013:693, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9 –      Urteile vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 40), und vom 21. Juni 2012, Susisalo u. a. (C‑84/11, EU:C:2012:374, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10 –      Die italienische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung betont, nach italienischem Recht sei das Verfahren zur Erlangung eines Mahnbescheids nicht kontradiktorisch, weil der Schuldner daran nicht beteiligt sei. Hingegen führe das vom Schuldner eingeleitete Verfahren des Widerspruchs gegen einen solchen Mahnbescheid zur Vorladung des Gläubigers. Wenn dies der Fall ist, würde es im vorliegenden Kontext bedeuten, dass der Verbraucher etwaige Ansprüche gegen den Unternehmer erst in Stadium des Widerspruchs geltend machen kann.


11 –      Dieses Erfordernis ergibt sich insbesondere aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2013/11.


12 –      Die Vorarbeiten zur Richtlinie 2013/11 zeigen, dass diese Melde- und Eintragungspflichten darauf abzielen, ein europäisches „Qualitätssiegel“ einzuführen, um es den Verbrauchern zu ermöglichen, die Stellen zu erkennen, die die von dieser Richtlinie aufgestellten Mindestanforderungen erfüllen (vgl. Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments vom 16. Oktober 2012 [A7‑0280/2012, S. 34 und 80] sowie Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 28. März 2012 [INT/609 – CESE 803/2012, S. 4 und 5]). Unter diesem Gesichtspunkt bestimmt Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 dieser Richtlinie, dass eine als AS-Stelle in der nationalen Liste geführte Stelle, die die Anforderungen dieser Richtlinie nicht mehr erfüllt, nach Ablauf einer bestimmten Frist von dieser Liste zu streichen ist.


13 –      Insoweit stellt der Vorlagebeschluss nicht klar, ob die beiden anderen in Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 erwähnten Verfahren vor Stellen stattfinden, die in der von den italienischen Behörden erstellten Liste eingetragen sind, oder ob diese Verfahren den Verbrauchern in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens zur Verfügung stehen.


14 –      Dies lässt die Möglichkeit unberührt, in dem Fall, in dem ein unter die Richtlinie 2013/11 fallender Rechtsstreit in einem Mitgliedstaat vor keine der gemäß Art. 20 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgeführten Stellen gebracht werden kann, einen Verstoß dieses Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtung festzustellen, den Zugang der Verbraucher zu einem AS-Verfahren nach Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie sicherzustellen.


15 –      Vgl. u. a. Urteile vom 18. Oktober 2012, Nolan (C‑583/10, EU:C:2012:638, Rn. 46 und 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 16. Juni 2016, Rodríguez Sánchez (C‑351/14, EU:C:2016:447, Rn. 61 und 62). Diese Rechtsprechung baut auf dem Urteil vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 35 bis 37), auf, in dem der Gerichtshof entschieden hat, im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zur Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts befugt zu sein, wenn das nationale Recht des betroffenen Mitgliedstaats auf den Inhalt dieser Bestimmung verweist, um einen rein internen Sachverhalt dieses Staates zu regeln.


16 –      Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich somit von denjenigen, in denen der Gerichtshof sich mangels Anhaltspunkten für einen unmittelbaren und unbedingten Verweis auf das Unionsrecht für unzuständig gehalten oder die Vorlagefragen für unzulässig erklärt hat (vgl. u. a. Urteile vom 21. Dezember 2011, Cicala [C‑482/10, EU:C:2011:868, Rn. 23 bis 30], vom 16. Juni 2016, Rodríguez Sánchez [C‑351/14, EU:C:2016:447, Rn. 65 bis 67], sowie Beschlüsse vom 9. September 2014, Parva Investitsionna Banka u. a. [C‑488/13, EU:C:2014:2191, Rn. 30 bis 36], und vom 12. Mai 2016, Sahyouni [C‑281/15, EU:C:2016:343, Rn. 30 bis 33]).


17 –      Art. 141 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 206/2005 in der durch Art. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 130/2015 geänderten Fassung.


18 –      Vgl. u. a. Art. 5 bis 17 der Richtlinie 2013/11.


19 –      Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2013/11 gilt diese hingegen sowohl für inländische als auch für grenzübergreifende Streitigkeiten.


20 –      Siehe hierzu Nr. 52 dieser Schlussanträge.


21 –      Nrn. 64 bis 78 dieser Schlussanträge.


22 –      Siehe Nr. 23 dieser Schlussanträge.


23 –      Insbesondere lässt sich mit dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/11, auf den das vorlegende Gericht seine Auffassung stützt, weder eine Verpflichtung für jeden Mitgliedstaat, ein einziges und einheitliches AS-System für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten vorzusehen, noch auch nur die angebliche Präferenz des Unionsgesetzgebers für ein solches System rechtfertigen. In diesem Erwägungsgrund heißt es lediglich, dass diese Richtlinie für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten gilt (abgesehen von denen, die gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind).


24 –      Siehe Nr. 24 dieser Schlussanträge.


25 –      Vgl. u. a. Urteil vom 16. Juli 2015, Lanigan (C‑237/15 PPU, EU:C:2015:474, Rn. 35).


26 –      Wie sich aus dem Urteil vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335, Rn. 20), ergibt, können sämtliche Bestimmungen des Unionsrechts Bestandteil des Kontexts sein, in den sich eine der Bestimmungen dieses Rechts einfügt.


27 –      Vgl. hierzu Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. September 2011 zu der Umsetzung der Richtlinie über Mediation in den Mitgliedstaaten, ihren Einfluss auf die Mediation und ihre Inanspruchnahme durch die Gerichte (2011/2026[INI], Nr. 7 und 8). Das Parlament erkennt dort unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Beispiel Italiens an, dass Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52 den Mitgliedstaaten erlaubt, die Zulässigkeit einer Klage von dem vorherigen Versuch einer Mediation abhängig zu machen.


28 –      Vgl. entsprechend Urteile vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 44), und vom 12. Juli 2012, SC Volksbank România (C‑602/10, EU:C:2012:443, Rn. 94 und 95).


29 –      Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2013/11.


30 –      Vgl. Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 45).


31 –      Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 64).


32 –      Siehe Nr. 63 dieser Schlussanträge.


33 –      Urteil vom 18. März 2010 (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 67).


34 –      Hierzu ist zu bemerken, dass – wäre die Zulässigkeit einer Klage von der vorherigen Einleitung eines AS-Verfahrens abhängig, dessen Ergebnis für die Parteien bindend ist – dieses Verfahren tatsächlich an die Stelle gerichtlicher Verfahren treten und die Parteien somit hindern würde, ihre Ansprüche vor den Gerichten geltend zu machen.


35 –      Art. 12 der Richtlinie 2013/11 schließt es nunmehr aus, dass den Parteien durch den Ablauf der Verjährungsfristen während des AS-Verfahrens die Möglichkeit eines gerichtlichen Verfahrens genommen wird.


36 –      Art. 8 Buchst. c der Richtlinie 2013/11 schreibt nunmehr vor, dass AS-Verfahren für Verbraucher entweder kostenlos oder gegen eine Schutzgebühr zugänglich sind.


37 –      Art. 8 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 verlangt nunmehr, dass AS-Verfahren sowohl online als auch offline zugänglich sind.


38 –      Vgl. Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 62).


39 –      Vgl. Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 64).


40 –      Urteil vom 18. März 2010 (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 67).


41 –      Einige dieser Umstände entsprechen im Übrigen den Anforderungen, die sich aus anderen Bestimmungen der Richtlinie 2013/11 ergeben (siehe Fn. 35 bis 37 dieser Schlussanträge).


42 –      Urteil vom 18. März 2010 (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146).


43 –      Siehe Nrn. 90 bis 99 dieser Schlussanträge.


44 –      Art. 5 Abs. 1a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 sieht auch vor, dass die antragstellende Partei einen Rechtsanwalt beiziehen muss, um das Mediationsverfahren einzuleiten.


45 –      In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung vorgetragen, im Licht von Art. 5 Abs. 2a des Gesetzesdekrets Nr. 28/2010 umfasse die „Nichtteilnahme“ nicht den Fall, dass der Antragsteller das Mediationsverfahren abbreche, nachdem er es eingeleitet habe. Dieser Begriff beziehe sich vielmehr auf die Situation, in der diese Partei es unterlasse, ein solches Verfahren einzuleiten, indem sie sich weigere, auch nur eine erste Zusammenkunft herbeizuführen. Vorbehaltlich der Bestätigung dieser Auslegung durch das vorlegende Gericht lässt sich diese meiner Ansicht nach schwerlich mit Art. 5 Abs. 1a dieses Dekrets vereinbaren, der vorsieht, dass eine Klage unzulässig ist, wenn die klagende Partei kein Mediationsverfahren eingeleitet hat. Folglich kann Art. 8 Abs. 4a dieses Gesetzesdekrets ein solches Verhalten mangels eines wirksam angerufenen Gerichts nicht ahnden.


46 –      Da das in Art. 141 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 206/2005 vorgesehene Mediationsverfahren zu einem Lösungsvorschlag für die Parteien führen soll (siehe Nr. 84 dieser Schlussanträge), stellt dieses Verfahren sehr wohl einen Fall dar, der von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 erfasst wird. Die AS-Verfahren, deren Ergebnisse für die Parteien verbindlich sind, fallen ihrerseits unter Abs. 3 dieses Artikels, der vorsieht, dass die in Abs. 2 dieses Artikels genannten Rechte nur dem Verbraucher zustehen. Dieser hat daher jedenfalls das Recht, das Verfahren jederzeit abzubrechen, wenn er dessen Durchführung oder Ablauf für unbefriedigend erachtet.


47 –      Somit kann ein Mitgliedstaat, der einen Unternehmer zur Teilnahme am AS-Verfahren verpflichtet, von diesem die fortgesetzte Beteiligung an diesem Verfahren verlangen. Wenn ein Mitgliedstaat dem Unternehmer hingegen nicht vorschreibt, sich am AS-Verfahren zu beteiligen, sondern der Unternehmer freiwillig daran teilnimmt, kann dieser nicht in diesem Verfahren „gefangen“ bleiben. Der Mitgliedstaat muss ihm daher das in Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/11 vorgesehene Recht zum Abbruch des Verfahrens einräumen.


48 –      Siehe Nr. 93 dieser Schlussanträge.


49 –      Vgl. u. a. Urteile vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 38 und 39).


50 –      Vgl. u. a. Urteil vom19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


51 –      Siehe Nr. 93 dieser Schlussanträge.


52 –      Siehe Nr. 27 dieser Schlussanträge.