Language of document : ECLI:EU:T:2013:404

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

6. September 2013(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Verteidigungsrechte – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht“

In den verbundenen Rechtssachen T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11

Deutsche Bahn AG mit Sitz in Berlin (Deutschland),

DB Mobility Logistics AG mit Sitz in Berlin,

DB Energie GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland),

DB Netz AG mit Sitz in Frankfurt am Main,

DB Schenker Rail GmbH mit Sitz in Mainz (Deutschland),

DB Schenker Rail Deutschland AG mit Sitz in Mainz,

Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH mit Sitz in Bodenheim (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Deselaers, O. Mross und J. Brückner,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Malferrari, N. von Lingen und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, zunächst vertreten, in den Rechtssachen T‑289/11 und T‑290/11, durch M. Muñoz Pérez, dann, in den Rechtssachen T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11, durch S. Centeno Huerta, abogados del Estado,

durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und F. Florindo Gijón als Bevollmächtigte,

und durch

EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. A. Lewis, M. Schneider und M. Moustakali als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend Anträge auf Nichtigerklärung der Beschlüsse der Kommission K (2011) 1774 vom 14. März 2011, K (2011) 2365 vom 30. März 2011 und K (2011) 5230 vom 14. Juli 2011, mit denen Nachprüfungen gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates bei der Deutschen Bahn AG sowie allen ihren Tochtergesellschaften angeordnet wurden (Sachen COMP/39.678 und COMP/39.731),

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe und des Richters M. van der Woude (Berichterstatter),

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Deutsche Bahn AG, die DB Mobility Logistics AG, die DB Netz AG, die DB Energie GmbH, die Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH (im Folgenden: DUSS), die DB Schenker Rail GmbH und die DB Schenker Rail Deutschland AG – die Klägerinnen – sowie alle anderen direkt oder indirekt durch die Deutsche Bahn kontrollierten juristischen Personen sind ein internationales Unternehmen, das in den Bereichen nationaler und internationaler Güter- und Passagierverkehr, Logistik und Nebenleistungen im Schienenverkehr tätig ist. Die an den vorliegenden Rechtssachen beteiligten Tochtergesellschaften gehören direkt oder indirekt zu 100 % der Deutschen Bahn.

 Erste Nachprüfung

 Erster Nachprüfungsbeschluss

2        Mit dem Beschluss K (2011) 1774 vom 14. März 2011 (Sachen COMP/39.678 und COMP/39.731) (im Folgenden: erster Nachprüfungsbeschluss) verpflichtete die Europäische Kommission die Deutsche Bahn sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten juristischen Personen, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) zu dulden.

3        Art. 1 des ersten Nachprüfungsbeschlusses lautet:

„Die … Deutsche Bahn AG, sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Rechtspersonen, einschließlich der DB Mobility Logistics AG, der DB Energie GmbH, der DB Schenker Rail GmbH und der DB Schenker Rail Deutschland AG, sind verpflichtet, eine Nachprüfung betreffend [ihre] mutmaßlich gegen Artikel 102 AEUV und Artikel 54 EWR-Abkommen verstoßenden Verhaltensweisen im Bereich des Schienenverkehrs und von Nebenleistungen, in den Mitgliedstaaten, in denen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe im Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr tätig sind, insbesondere in Deutschland, zu dulden. Die Verhaltensweisen betreffen eine möglicherweise nicht gerechtfertigte bevorzugte Behandlung, die die DB Energie GmbH anderen Tochtergesellschaften der DB Gruppe zukommen lässt, insbesondere in Form eines Rabattsystems für die Lieferung von Bahnstrom, welches es der DB Gruppe ermöglicht, den Wettbewerb auf nachgelagerten Schienenverkehrsmärkten zu behindern.

Die Nachprüfung kann in allen Räumlichkeiten der Deutsche Bahn AG Gruppe durchgeführt werden (insbesondere in den Räumlichkeiten [der] Deutsche Bahn AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin, Deutschland, [der] DB Mobility Logistics AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin, Deutschland, [der] DB Energie GmbH, Pfarrer-Perabo-Platz 2, 60326 Frankfurt am Main, Deutschland, [der] DB Schenker Rail GmbH, Rheinstrasse 2, 55116 Mainz, Deutschland, [und der] DB Schenker Rail Deutschland AG, Rheinstrasse 2, 55116 Mainz, Deutschland).

Die Deutsche Bahn AG sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Rechtspersonen, einschließlich der DB Mobility Logistics AG, der DB Energie GmbH, der DB Schenker Rail GmbH und der DB Schenker Rail Deutschland AG, gewähren den mit der Nachprüfung beauftragten Bediensteten der Kommission und den anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sowie den Bediensteten der Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats und den von dieser Behörde ermächtigten oder benannten Personen, die die vorgenannten Bediensteten und Personen unterstützen, während der üblichen Bürozeiten Zutritt zu allen Räumlichkeiten, Grundstücken und Transportmitteln. Sie legen sämtliche von den vorgenannten Bediensteten und Personen angeforderten Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, zur Prüfung vor und gestatten ihnen, diese Bücher und sonstigen Unterlagen am Ort ihrer Aufbewahrung zu prüfen und hiervon Kopien oder Auszüge gleich welcher Art anzufertigen oder zu erlangen. Sie gestatten, dass betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß versiegelt werden, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist. Sie geben auf Verlangen der genannten Bediensteten oder Personen unverzüglich vor Ort Erläuterungen zu Tatsachen ab, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, und gestatte[n] allen Vertretern oder Mitgliedern der Belegschaft, solche Erläuterungen abzugeben. Sie gestatten die Aufzeichnung der abgegebenen Erläuterungen in jeder Form.“

4        In Art. 2 des ersten Nachprüfungsbeschlusses fügt die Kommission hinzu, dass die Nachprüfungen am 29. März 2011 beginnen könnten. Nach Art. 3 dieses Beschlusses wird er der Deutschen Bahn sowie allen von ihr direkt oder indirekt kontrollierten juristischen Personen unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt gegeben.

5        Der erste Nachprüfungsbeschluss wird wie folgt begründet:

„Die Kommission hat Hinweise dafür, dass DB Energie die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe, die an den Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr[s]märkten in den Mitgliedstaaten, in denen die Tochterunternehmen tätig sind, auftreten, insbesondere in Deutschland, über ein Rabattsystem für die Lieferung von Bahnstrom bevorzugt behandeln könnte. Diese bevorzugte Behandlung könnte sich insbesondere aus der Struktur der Rabatte herleiten, die DB Energie anbietet, und wäre möglicherweise objektiv nicht gerechtfertigt. Die Kommission ha[t] Hinweise dafür, dass DB Energie im Vorfeld ähnliche Rabattsysteme für die Lieferung von Bahnstrom angewendet haben könnte, und dies mindestens seit 2002. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass DB Energie diese oder ähnliche Rabattsysteme bereits früher angewendet hat. Es wird vermutet, dass durch diese Geschäftsmethode die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Wettbewerbern auf den nachgelagerten Schienenverkehrsmärkten in den Mitgliedstaaten erlangen, in denen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe im Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr tätig sind, insbesondere in Deutschland, und dass dies es der DB Gruppe ermöglicht, den Wettbewerb auf diesen Märkten zu behindern.

Nachweislich bestehende Verhaltensweisen der vorstehend beschriebenen Art stellen einen Verstoß gegen Artikel 102 AEUV und Artikel 54 EWR-Abkommen dar.

Damit die Kommission alle für die mutmaßlichen abgestimmten Verhaltensweisen und den Gesamtkontext relevanten Fakten sowie die genaue Beteiligung aller betroffenen Rechtspersonen ermitteln kann, ist es erforderlich, Nachprüfungen gemäß Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 durchzuführen.

Entscheidungen über die Preisgestaltung in der DB Gruppe werden wahrscheinlich auf unterschiedlichen Unternehmensebenen innerhalb der Gruppe getroffen. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass einschlägiges Beweismaterial auch bei den Tochterunternehmen der DB Gruppe gefunden werden kann, die vermutlich von den möglicherweise ungerechtfertigt günstigen Preisen profitieren, so dass der Wettbewerb auf den Schienenverkehrsmärkten behindert werden kann. Es gibt daher Hinweise dafür, dass Beweismaterial an jedem der in Artikel 1 dieses Beschlusses aufgelisteten Orte erhoben werden könnte.

Nach den Informationen, die der Kommission vorliegen, war das frühere Preissystem der DB Energie auf den deutschen Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr[s]märkten bereits Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten in Deutschland, an denen die Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden beteiligt waren. Daher ist es den betroffenen Rechtspersonen bekannt, dass Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden ihre Preisgestaltung prüfen. Darüber hinaus hat die Kommission in der Vergangenheit festgestellt, und die Gerichte der Europäischen Union haben die Befunde der Kommission bestätigt, dass Preisgestaltungspraktiken der DB Gruppe gegen Artikel 102 AEUV … verstoßen haben. Die betroffenen Rechtspersonen könnten daher versuchen, Belegmaterial, das mit diesen Praktiken in Bezug steht, zu verbergen, vorzuenthalten oder zu vernichten, um die Aufdeckung möglicherweise gesetzeswidriger Preisgestaltung zu verhindern.

Um die Wirksamkeit der Nachprüfungen sicherzustellen, ist es wesentlich, dass sie ohne Vorwarnung bei den mutmaßlich an dem Verstoß beteiligten Rechtspersonen und gleichzeitig an mehreren Orten durchgeführt werden.

Dazu bedarf es eine[s] Beschluss[es] gemäß Artikel 20 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Anordnung einer Nachprüfung bei den Rechtspersonen.“

 Ablauf der ersten Nachprüfung

6        Am Morgen des 29. März 2011 erschienen 32 Bedienstete der Kommission in den Räumlichkeiten der Klägerinnen in Berlin, Frankfurt am Main und Mainz und gaben ihnen den ersten auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergangenen Nachprüfungsbeschluss bekannt.

7        Die Klägerinnen kontaktierten ihre Rechtsbeistände, die der Nachprüfung ab dem ersten Tag beiwohnten. Sie erhoben weder Einwände gegen die Nachprüfung, noch beanstandeten sie das Fehlen einer richterlichen Genehmigung. Nach der Bekanntgabe widersetzten sie sich auch nicht im Sinne des Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 der Nachprüfung. Infolgedessen griff die Kommission zu keinem Zeitpunkt auf die Unterstützung durch mitgliedstaatliche Behörden gemäß Art. 20 Abs. 6 dieser Verordnung zurück.

8        Nach Zustellung des ersten Nachprüfungsbeschlusses unterzeichneten Unternehmensvertreter das Zustellungsprotokoll. Sie händigten den Inspektoren die Unternehmensorganigramme bzw. ‑telefonlisten aus, beantworteten Fragen zur Identität bestimmter Mitarbeiter, begleiteten die Inspektoren zu den Büros dieser Zielpersonen und erhoben keine Einwände gegen die Durchsuchung ihrer Büros. Die dort befindlichen Akten wurden – bisweilen in vollem Umfang – geprüft. Die Inspektoren führten auch eine auf Stichworten basierende Durchsuchung elektronischer Dokumente wie E-Mails durch.

9        Zwischen dem Morgen des 29. März 2011 und dem 31. März 2011 gegen 14 Uhr stießen die Inspektoren der Kommission in den Geschäftsräumen von DB Schenker Rail Deutschland in Mainz auf Dokumente, die nach Einschätzung der Kommission auf ein weiteres wettbewerbswidriges Verhalten schließen ließen. Dieses Verhalten habe zum Ziel gehabt, Wettbewerber im Bereich des Schienenverkehrs unter Einsatz der von den Klägerinnen verwalteten Infrastruktur sowie bestimmter bahnbezogener Dienstleistungen zu diskriminieren. Stand ein Dokument unzweideutig im Zusammenhang mit diesem neuen Verdacht, so wurde es zur Seite gelegt.

10      Aus Sicht der Kommission rechtfertigte dies die Einleitung einer Untersuchung gegen DUSS, was zum Erlass eines zweiten Nachprüfungsbeschlusses führte.

11      Die erste Nachprüfung endete bei der Deutschen Bahn und DB Mobility Logistics in Berlin am 31. März 2011.

 Zweite Nachprüfung

 Zweiter Nachprüfungsbeschluss

12      Mit dem Beschluss (2011) 2365 vom 30. März 2011 (Sachen COMP/39.678 und COMP/39.731) (im Folgenden: zweiter Nachprüfungsbeschluss) verpflichtete die Kommission die Deutsche Bahn und alle direkt oder indirekt von ihr kontrollierten juristischen Personen, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zu dulden.

13      In Art. 1 des zweiten Nachprüfungsbeschlusses heißt es:

„Die … Deutsche Bahn AG sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Rechtspersonen, einschließlich der DB Mobility Logistics AG, der DB Netz AG, der Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH, der DB Schenker Rail GmbH und der DB Schenker Rail Deutschland AG, sind verpflichtet, eine Nachprüfung betreffend [ihre] mutmaßlich gegen Artikel 102 AEUV und Artikel 54 EWR-Abkommen verstoßenden Verhaltensweisen im Bereich des Bahnverkehrs und von Nebenleistungen in den Mitgliedstaaten, in denen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe im Bahnverkehr tätig sind, insbesondere in Deutschland, zu dulden. Die Verhaltensweisen betreffen eine möglicherweise nicht gerechtfertigte benachteiligende Behandlung der Wettbewerber der DB Gruppe durch die Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH, [womit] es der DB Gruppe ermöglicht wird, den Wettbewerb auf nachgelagerten Schienenverkehrsmärkten zu behindern.

Die Nachprüfung kann in allen Räumlichkeiten der Deutsche Bahn AG Gruppe durchgeführt werden …“ 

14      In Art. 2 des zweiten Nachprüfungsbeschlusses fügt die Kommission hinzu, dass die Nachprüfung am 30. März 2011 beginnen könnte. Nach Art. 3 dieses Beschlusses wird er der Deutschen Bahn sowie allen von ihr direkt oder indirekt kontrollierten juristischen Personen unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt gegeben.

15      Der zweite Nachprüfungsbeschluss wird wie folgt begründet:

„Auf der Grundlage der ihr schon zur Verfügung stehenden Informationen hat die Kommission Hinweise dafür, dass DUSS Wettbewerber, die an den Schienentransportmärkten in Deutschland auftreten, benachteiligen könnte, indem DUSS ihren Zugang zu DB Terminals erschwert oder benachteiligt, und daher ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzen könnte. Dies könnte sich insbesondere daraus herleiten, dass DUSS ungeeigneten Zugang zu Terminals gibt, weniger effiziente Dienstleistungen anbietet oder Zugang zu Terminals verweigert. Die Kommission hat Hinweise dafür, dass diese Praktiken seit 2007 angewendet werden. Es wird vermutet, dass durch diese Geschäftsmethode die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Wettbewerbern auf den nachgelagerten Schienenverkehrsmärkten in den Mitgliedstaaten erlangen, in denen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe im Bahnverkehr tätig sind, insbesondere in Deutschland, und dass dies es der DB Gruppe ermöglicht, den Wettbewerb auf diesen Märkten zu behindern.

Bei den am 29. März 2011 durchgeführten Nachprüfungen in Räumlichkeiten der DB Gruppe bezüglich möglicherweise rechtswidriger Preispraktiken erlangte die Kommission Kenntnis von der Existenz vo[n] Beweismaterial, das sich im Besitz von Rechtspersonen der DB Gruppe befindet und die oben genannten Praktiken betrifft. Infolgedessen könnten die entsprechenden Rechtspersonen der DB Gruppe versuchen, dieses und weiteres Beweismaterial, das mit diesen Praktiken in Bezug steht, zu verbergen, vorzuenthalten oder zu vernichten, um die Aufdeckung möglicherweise rechtswidriger Praktiken zu verhindern.

Außerdem erlangte die Kommission bei den oben genannten Nachprüfungen Kenntnis von der Existenz von Beweismaterial, das ein möglicherweise wettbewerbswidriges Muster eines strategischen Einsatzes von der durch Gesellschaften der DB Gruppe verwalteten Infrastruktur und von der Lieferung bahnbezogener Dienstleistungen betrifft. Dieses mutmaßliche Verhaltensmuster betrifft insbesondere den Zugang zu Wartungs- und Reparatureinrichtungen und die Erbringung verbundener Dienstleistungen. Derartige Verhaltensweisen scheinen zu bezwecken, Tätigkeiten durch Wettbewerber der DB Gruppe im Schienenverkehr[s]bereich zu verhindern oder zu erschweren.

…“

 Ablauf der zweiten Nachprüfung

16      Im Verlauf der ersten Nachprüfung gab die Kommission den Klägerinnen am 31. März 2011 gegen 14 Uhr den zweiten Nachprüfungsbeschluss vom 30. März 2011 bekannt.

17      Die Klägerinnen und ihre Rechtsbeistände erhoben weder Einwände gegen den zweiten Nachprüfungsbeschluss, noch beanstandeten sie das Fehlen einer richterlichen Genehmigung. Nach der Bekanntgabe widersetzten sie sich auch nicht im Sinne des Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 der Nachprüfung. Infolgedessen griff die Kommission zu keinem Zeitpunkt auf die Unterstützung durch mitgliedstaatliche Behörden gemäß Art. 20 Abs. 6 dieser Verordnung zurück.

18      Die zweite Nachprüfung endete bei DB Schenker Rail Deutschland in Mainz am 1. April 2011.

 Dritte Nachprüfung

 Dritter Nachprüfungsbeschluss

19      Mit dem Beschluss K (2011) 5230 vom 14. Juli 2011 (Sachen COMP/39.678 und COMP/39.731) (im Folgenden: dritter Nachprüfungsbeschluss) verpflichtete die Kommission die Deutsche Bahn sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten juristischen Personen, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zu dulden.

20      In Art. 1 des dritten Nachprüfungsbeschlusses heißt es:

„Die … Deutsche Bahn AG sowie alle von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Rechtspersonen, einschließlich Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH, DB Netz AG, DB Schenker Rail GmbH und DB Schenker Rail Deutschland AG, sind verpflichtet, eine Nachprüfung betreffend [ihre] mutmaßlich gegen Artikel 102 AEUV und Artikel 54 EWR-Abkommen verstoßenden Verhaltensweisen im Bereich des Bahnverkehrs und von Nebenleistungen in den Mitgliedstaaten, in denen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe im Bahnverkehr tätig sind, insbesondere in Deutschland, zu dulden. Die Verhaltensweisen betreffen eine möglicherweise nicht gerechtfertigte benachteiligende Behandlung der Wettbewerber der DB Gruppe durch die Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH, mit der es der DB Gruppe ermöglicht würde, den Wettbewerb auf nachgelagerten Schienenverkehrsmärkten zu behindern und somit die Wettbewerber einem Wettbewerbsnachteil auszusetzen.

Die Nachprüfung kann in allen Räumlichkeiten der Deutsche Bahn AG Gruppe durchgeführt werden …“

21      In Art. 2 des dritten Nachprüfungsbeschlusses fügt die Kommission hinzu, dass die Nachprüfung am 26. Juli 2011 beginnen könnte. Nach Art. 3 dieses Beschlusses wird er der Deutschen Bahn sowie allen von ihr direkt oder indirekt kontrollierten juristischen Personen unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt gegeben.

22      Der dritte Nachprüfungsbeschluss wird wie folgt begründet:

„Die Kommission führt zurzeit Ermittlungen bezüglich eines möglicherweise wettbewerbswidrigen Verhaltensmusters eines strategischen Einsatzes von der durch Gesellschaften der DB Gruppe verwalteten Infrastruktur durch. Dieses mutmaßliche Verhaltensmuster schließt Verhalten bezüglich des Terminalzugangs und der Preisgestaltung von Terminals sowie damit verbundener Dienstleistungen mit ein. Derartige Verhaltensweisen könnten darauf ausgerichtet sein, Geschäftstätigkeiten von im Schienenverkehr tätigen Wettbewerbern der DB Gruppe, die Zugang zur durch die DB Gruppe verwalteten Infrastruktur benötigen, zu verhindern, zu erschweren oder zu verteuern. Im Zuge ihrer Ermittlungen hat die Kommission vom 29. März 2011 bis zum 1. April 2011 in den Räumlichkeiten der DB AG, DB Mobility Logistics AG, DB Schenker Rail GmbH, DB Schenker Rail DE und DB Energie GmbH Nachprüfungen durchgeführt.

Auf der Grundlage der ihr bereits zur Verfügung stehenden Informationen, einschließlich der, aber nicht beschränkt auf die während der oben genannten Nachprüfungen erlangten Informationen, hat die Kommission Hinweise dafür, dass DUSS Wettbewerber, die auf den Schienentransportmärkten in Deutschland tätig sind, benachteiligen könnte, indem DUSS ihren Zugang zu Terminals verhindert, erschwert oder verteuert. Dies könnte sich insbesondere daraus herleiten, dass DUSS ungeeigneten oder teureren Zugang zu Terminals gibt, weniger effiziente oder teurere damit verbundene Dienstleistungen anbietet oder Zugang zu Terminals oder damit verbundene Dienstleistungen verweigern würde. Dies wäre möglicherweise objektiv nicht gerechtfertigt. Die Kommission hat Hinweise dafür, dass einige dieser Verhaltensweisen mindestens seit 2007 angewendet worden sein könnten. Darüber hinaus hat die Kommission Kenntnis von einem Schriftstück, das einen möglichen ‚versteckten Rabatt‘ von DUSS an DB Schenker Rail DE erwähnt. Laut diesem Schriftstück hielt diese Verhaltensweise im Jahr 2010 an. Der Kommission liegen keine Hinweise dafür vor, wann dieser Rabatt eingeführt wurde.

Es wird vermutet, dass durch diese Verhaltensweisen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe, insbesondere DB Schenker Rail DE, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Wettbewerbern auf den nachgelagerten Schienenverkehrsmärkten in den Mitgliedstaaten erlangen, in denen die entsprechenden Tochterunternehmen der DB Gruppe im Bahnverkehr tätig sind, insbesondere in Deutschland, und dass dies es der DB Gruppe ermöglicht, den Wettbewerb auf diesen Märkten zu behindern.

…“

 Ablauf der dritten Nachprüfung

23      Am 26. Juli 2011 gegen 9.30 Uhr erschienen Bedienstete der Kommission in den Geschäftsräumen von DUSS und überreichten den Klägerinnen den dritten auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergangenen Nachprüfungsbeschluss.

24      Die Klägerinnen und ihre Rechtsbeistände erhoben weder Einwände gegen den dritten Nachprüfungsbeschluss, noch beanstandeten sie das Fehlen einer richterlichen Genehmigung. Nach der Bekanntgabe widersetzten sie sich auch nicht im Sinne des Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 der Nachprüfung. Infolgedessen griff die Kommission zu keinem Zeitpunkt auf die Unterstützung durch mitgliedstaatliche Behörden gemäß Art. 20 Abs. 6 dieser Verordnung zurück.

25      Die dritte Nachprüfung endete am 29. Juli 2011.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

26      Mit Klageschriften, die am 10. Juni und am 5. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Klägerinnen die vorliegenden Klagen erhoben.

27      Mit Beschlüssen vom 12. Januar, 31. Januar und 12. März 2012 sind der Rat der Europäischen Union, die EFTA-Überwachungsbehörde und das Königreich Spanien in den Rechtssachen T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden, und der EFTA-Überwachungsbehörde ist gestattet worden, sich im schriftlichen und im mündlichen Verfahren der englischen Sprache zu bedienen.

28      Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung den Parteien schriftliche Fragen gestellt und sie zweimal aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

29      Die Rechtssachen T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11 sind durch Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. Januar 2013 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

30      In der Sitzung vom 9. April 2013 haben die Verfahrensbeteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

31      Die Klägerinnen beantragen,

–        den ersten, den zweiten und den dritten Nachprüfungsbeschluss der Kommission für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, der Einrede der Rechtswidrigkeit des Art. 20 Abs. 4 bis 8 der Verordnung Nr. 1/2003 stattzugeben;

–        jede Maßnahme für nichtig zu erklären, die auf der Grundlage der aufgrund des ersten, des zweiten und des dritten Nachprüfungsbeschlusses durchgeführten Nachprüfungen getroffen wurde;

–        insbesondere der Kommission die Rückgabe sämtlicher Kopien der Dokumente aufzuerlegen, die im Rahmen der Nachprüfungen angefertigt wurden, unter Androhung der Nichtigerklärung künftiger Entscheidungen der Kommission durch das Gericht;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien, beantragt,

–        die Klagen abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

33      Der Rat beantragt,

–        die Klagen hinsichtlich der Einrede der Rechtswidrigkeit des Art. 20 Abs. 4 bis 8 der Verordnung Nr. 1/2003 abzuweisen;

–        eine Kostenentscheidung zu treffen.

34      Die EFTA-Überwachungsbehörde beantragt,

–        die Klagen abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

35      Die Klägerinnen stützen ihre Nichtigkeitsklagen im Kern auf fünf Gründe.

36      Mit den ersten beiden Klagegründen rügen sie zum einen eine Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [ABl. 2010, C 83, S. 389] und Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten [im Folgenden: EMRK]) aufgrund des Fehlens einer vorherigen richterlichen Genehmigung und zum anderen eine Verletzung ihres grundrechtlichen Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 47 der Grundrechtecharta und Art. 6 EMRK) aufgrund des Fehlens einer vorherigen richterlichen Genehmigung und des Fehlens einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung der Nachprüfungsbeschlüsse, sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht, binnen angemessener Frist.

37      In der Erwiderung haben die Klägerinnen auf eine schriftliche Frage des Gerichts hilfsweise, für den Fall, dass seines Erachtens nach der Verordnung Nr. 1/2003 keine vorherige richterliche Genehmigung erforderlich ist, zur Stützung des ersten Klagegrundes eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 Abs. 4 bis 8 dieser Verordnung erhoben.

38      Mit dem dritten Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt, da sich der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss auf Informationen stützten, die während der ersten Nachprüfung rechtswidrig erlangt worden seien. Die Kommission habe während der ersten Nachprüfung bewusst nach Informationen über DUSS gesucht, obwohl diese Nachprüfung lediglich die Lieferung von Bahnstrom betroffen habe.

39      Mit dem vierten Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte durch eine uferlos weite Beschreibung des Gegenstands der Nachprüfungen in Art. 1 jedes der drei Nachprüfungsbeschlüsse, insbesondere im Hinblick auf die Art der beanstandeten Verhaltensweisen, den geografischen Umfang des Marktes und die Dauer der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, gerügt.

40      Der fünfte, den drei Rechtssachen teilweise gemeinsame Klagegrund betrifft eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Klägerinnen sind im Wesentlichen der Meinung dass die Kommission das Maß des zur Erreichung des verfolgten Ziels Angemessenen und Erforderlichen überschritten habe.

41      Nach Auffassung der Kommission sind die fünf Klagegründe, auf die sich der erste Antrag stützt, unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Der zweite, der dritte und der vierte Antrag seien unzulässig.

 Erster Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aufgrund des Fehlens einer vorherigen richterlichen Genehmigung

42      Mit ihrem ersten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die drei Nachprüfungsbeschlüsse nicht die Garantien beachteten, die sich aus dem in Art. 7 der Grundrechtecharta und in Art. 8 EMRK verankerten Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung ergäben, da sie ohne vorherige richterliche Genehmigung ergangen seien.

43      In der Erwiderung haben die Klägerinnen hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht eine vorherige richterliche Genehmigung nach der Verordnung Nr. 1/2003 nicht für erforderlich halten sollte, so dass es der Kommission nicht möglich gewesen wäre, einen Antrag auf Erteilung einer solchen Ermächtigung zu stellen, eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 Abs. 4 bis 8 dieser Verordnung erhoben.

44      Die Kommission macht geltend, der erste Klagegrund und die Einrede der Rechtswidrigkeit seien weder zulässig noch begründet.

 Zulässigkeit

45      Die Kommission erhebt zwei gesonderte Einreden der Unzulässigkeit.

46      Als Erstes trägt sie, unterstützt durch das Königreich Spanien, vor, dass der erste, zur Stützung des ersten Antrags auf Nichtigerklärung der drei Nachprüfungsbeschlüsse vorgebrachte Klagegrund im Hinblick auf eine ständige Rechtsprechung im Wesentlichen ins Leere gehe und folglich unzulässig sei (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1989, Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, 97/87 bis 99/87, Slg. 1989, 3165, Randnrn. 40 und 41, und Urteil des Gerichts vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑339/04, Slg. 2007, II‑521, Randnr. 54). Selbst wenn der Klagegrund begründet wäre, könnte er lediglich die Rechtmäßigkeit des Ablaufs der Nachprüfung, nicht aber die Rechtmäßigkeit des Nachprüfungsbeschlusses selbst berühren.

47      Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Kommission in ihren Schriftsätzen fälschlich einen Zusammenhang herstellt zwischen der Zulässigkeit eines Klagegrundes oder einer Rüge und der Frage, ob er oder sie ins Leere geht. Bei der Einstufung eines Klagegrundes oder einer Rüge als ins Leere gehend wird nämlich davon ausgegangen, dass sich der Klagegrund oder die Rüge, ohne dass die Stichhaltigkeit geprüft zu werden braucht, nicht auf die Entscheidung des Rechtsstreits auswirken kann. Ist ein Klagegrund oder eine Rüge unzulässig, könnte er oder sie sich zwar auf die Entscheidung des Rechtsstreits auswirken, ist aber nicht unter Bedingungen geltend gemacht worden, die dem Richter die Beurteilung der Stichhaltigkeit gestatten. Folglich kann entgegen den Ausführungen der Kommission die Tatsache, dass ein Vorbringen ins Leere geht, jedenfalls nicht zu dessen Unzulässigkeit führen.

48      Zweitens beruht die Argumentation der Kommission, aus der sie folgert, dass das Vorbringen der Klägerinnen ins Leere gehe, auf einem Fehlverständnis des ersten Klagegrundes.

49      In den von der Kommission zur Stützung ihrer Argumentation angeführten Urteilen Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission (oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 40 und 41) und France Télécom/Kommission (oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 54) hat der Unionsrichter darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit eines Akts an dem Sachverhalt und der Rechtslage zu messen ist, die zur Zeit seines Erlasses bestanden, und dass daher die Art und Weise der Durchführung eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des die Nachprüfung anordnenden Beschlusses hat.

50      Mit ihrem ersten Klagegrund begehren die Klägerinnen hingegen die Feststellung eines neuen Formerfordernisses durch das Gericht, das die Rechtmäßigkeit von Nachprüfungsbeschlüssen berühren würde. Da nämlich nach den Ausführungen der Klägerinnen ein Nachprüfungsbeschluss zwangsläufig mit der Erteilung einer Ermächtigung „verbunden“ sein müsste, ist der erste Klagegrund dahin zu verstehen, dass Nachprüfungsbeschlüsse der Kommission nur dann rechtmäßig wären, wenn sie die vorherige Erteilung einer richterlichen Ermächtigung vorsähen.

51      Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, da der Klagegrund weder ins Leere geht noch unzulässig ist.

52      Als Zweites sieht die Kommission, unterstützt durch die EFTA-Überwachungsbehörde, die in der Erwiderung geltend gemachte Einrede der Rechtswidrigkeit als im Sinne von Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung verspätet an.

53      Der Rat vertritt die Auffassung, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit nur zulässig sei, soweit sie auf Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003, die Rechtsgrundlage der Nachprüfungsbeschlüsse, abziele. Da Art. 20 Abs. 5 der Verordnung in keinem Zusammenhang zum Sachverhalt stehe und die Klägerinnen sich der Nachprüfung nicht förmlich widersetzt hätten, sei die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 Abs. 5 bis 8 der Verordnung unzulässig.

54      Nach Auffassung der Klägerinnen ist die Einrede der Rechtswidrigkeit nicht verspätet, da sie den Hauptantrag lediglich konkretisiere.

55      Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerinnen mit ihrem ersten Klagegrund implizit die Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 1/2003 in Zweifel ziehen, auf deren Grundlage der Beschluss ergangen ist. Da diese Verordnung keine ausdrückliche Verpflichtung der Kommission vorsehe, beim Gericht oder bei einem nationalen Rechtsprechungsorgan eine richterliche Ermächtigung einzuholen, stehe sie nicht im Einklang mit den Vorschriften der Grundrechtecharta und der EMRK nach deren Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR). Folglich ist davon auszugehen, dass die in Randnr. 17 der Erwiderung ausdrücklich erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit entgegen dem Vorbringen der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde die Erweiterung eines in der Klageschrift implizit, aber eindeutig vorgetragenen Angriffsmittels darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. November 2004, Ferriere Nord/Kommission, T‑176/01, Slg. 2004, II‑3931, Randnr. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Wie der Rat zutreffend ausführt, ist eine bei der Anfechtung eines Beschlusses nach Art. 277 AEUV inzidenter erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit jedoch nur zulässig, wenn zwischen dem streitigen Akt und der Rechtsnorm, deren mutmaßliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, ein Zusammenhang besteht. Da Art. 277 AEUV nicht den Zweck hat, einer Partei zu gestatten, die Anwendbarkeit jedes beliebigen Rechtsakts allgemeinen Charakters im Rahmen einer beliebigen Klage in Abrede zu stellen, ist die Tragweite einer Rechtswidrigkeitseinrede auf das zu beschränken, was zur Entscheidung über den Rechtsstreit unerlässlich ist. Daraus folgt, dass der allgemeine Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, unmittelbar oder mittelbar auf den streitgegenständlichen Fall anwendbar sein muss und dass ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen individuellen Entscheidung und dem fraglichen allgemeinen Rechtsakt bestehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 1993, Reinarz/Kommission, T‑6/92 und T‑52/92, Slg. 1993, II‑1047, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Im vorliegenden Fall sind der erste, der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss allein auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergangen. Art. 20 Abs. 5 dieser Verordnung steht in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit, und mangels Einwänden der Klägerinnen wurde der Rückgriff auf den in Art. 20 Abs. 6 bis 8 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Mechanismus unnötig.

58      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit nur insoweit zulässig ist, als sie Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 betrifft.

 Begründetheit

59      Die Klägerinnen stützen sich als Erstes auf die Entwicklung der Rechtsprechung des EGMR, insbesondere in den Urteilen Société Colas Est u. a./Frankreich (vom 16. April 2002, Recueil des arrêts et décisions, 2002‑III), Société Canal Plus u. a./Frankreich (vom 21. Dezember 2010, Beschwerde Nr. 29408/08) und Société Métallurgique Liotard Frères/Frankreich (vom 5. Mai 2011, Beschwerde Nr. 29598/08), und leiten daraus ab, dass ein Nachprüfungsbeschluss, der nicht mit einer vorherigen richterlichen Durchsuchungsanordnung verbunden sei, sie in ihren Rechten aus Art. 7 der Grundrechtecharta verletze. Der EGMR habe ferner festgestellt, dass Nachprüfungen ohne vorherige richterliche Genehmigung außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stünden.

60      In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten, u. a. in Deutschland, bedürfe es einer vorherigen richterlichen Genehmigung. Eine solche Genehmigung sei auch für Räumlichkeiten im Sinne des Art. 21 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 notwendig. Gegenwärtig sei die Kommission, was Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Unternehmen angehe, der einzige Richter ihres Tuns.

61      Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, dass das Erfordernis einer vorherigen richterlichen Genehmigung nicht auf den Fall beschränkt werden könne, in dem sich das Unternehmen der Nachprüfung im Sinne von Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 widersetze. Erstens erfolge die Grundrechtsverletzung nämlich in dem Moment, in dem die Bediensteten der Kommission das Unternehmen beträten, zweitens fehlten dem Unternehmen beim Eintreffen der Kommissionsbediensteten sowohl die Zeit als auch die Mittel zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Nachprüfung, drittens sei die Kommission befugt, unmittelbare Zwangsmaßnahmen wie die Versiegelung von Räumen oder die Verhängung von Geldbußen zu ergreifen, und viertens bleibe die Möglichkeit, sich der Nachprüfung oder unangemessenem Verhalten der Kommissionsbediensteten zu widersetzen, angesichts des Risikos einer in einem solchen Fall nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1/2003 zu zahlenden Geldbuße theoretisch, wie zum einen das Verfahren illustriere, das die Kommission rechtswidrig gegen Sanofi-Aventis eröffnet habe (Kommissionsdokument mit der Bezeichnung MEMO/08/357 vom 2. Juni 2008), um dem betreffenden Unternehmen eine Sanktion aufzuerlegen, weil es sich der Nachprüfung habe widersetzen wollen, und zum anderen der Ablauf der ersten Nachprüfung, bei der die Bediensteten der Kommission damit gedroht hätten, das IT‑System der Klägerinnen abzuschalten, falls ihnen nicht die Passwörter der E‑Mail-Accounts bestimmter Mitarbeiter zur Verfügung gestellt würden.

62      In der Erwiderung haben die Klägerinnen zum einen vorgetragen, aus der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich, dass es allein im Bereich des Strafrechts bei Gefahr im Verzug gerechtfertigt sein könne, von einer vorherigen richterlichen Genehmigung abzusehen, und zum anderen, dass die Verordnung Nr. 1/2003 rechtswidrig wäre, wenn sie nicht die vorherige Einholung einer Ermächtigung ermöglichen würde.

63      Die Kommission tritt dem gesamten Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

64      Zur Beurteilung der Begründetheit des ersten Klagegrundes ist im Wesentlichen zunächst zu prüfen, ob die durch die Verordnung Nr. 1/2003 geschaffene Regelung mit den Grundrechten im Einklang steht. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des ersten Klagegrundes ist daher zu beurteilen, ob die Einrede der Rechtswidrigkeit, soweit sie Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 betrifft, begründet ist.

65      Hierzu ist festzustellen, dass die Ausübung der der Kommission durch Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragenen Nachprüfungsbefugnisse bei einem Unternehmen einen offensichtlichen Eingriff in dessen Recht auf Achtung seiner Privatsphäre, seiner Räumlichkeiten und seiner Korrespondenz darstellt. Dies wird von der Kommission und den Streithelfern in den vorliegenden Rechtssachen nicht bestritten. Die hier aufgeworfene Frage geht also dahin, ob das Fehlen einer vorherigen richterlichen Ermächtigung zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit des verwaltungsrechtlichen Eingriffs führt und, gegebenenfalls, ob die mit der Verordnung Nr. 1/2003 geschaffene Regelung beim Fehlen einer vorherigen richterlichen Genehmigung Garantien mit ausreichender Schutzwirkung bietet.

66      Der EGMR hat in seiner jüngeren Rechtsprechung (Urteile vom 15. Februar 2011, Harju/Finnland, Beschwerde Nr. 56716/09, Randnrn. 40 und 44, sowie Heino/Finnland, Beschwerde Nr. 56715/09, Randnrn. 40 und 44) unterstrichen, wie wichtig es ist, die Garantien umso gründlicher zu prüfen, wenn Nachprüfungen ohne vorherige richterliche Genehmigung stattfinden können. Er hat sodann unmissverständlich den Grundsatz aufgestellt, dass das Fehlen einer vorherigen richterlichen Genehmigung durch eine umfassende Kontrolle im Anschluss an die Nachprüfung kompensiert werden kann.

67      Somit ist unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des EGMR festzustellen, dass das Fehlen einer vorherigen richterlichen Ermächtigung als solches nicht geeignet ist, zur Rechtswidrigkeit eines Eingriffs im Sinne von Art. 8 EMRK zu führen.

68      Das Vorbringen der Klägerinnen, das darauf gerichtet ist, die Tragweite der Urteile Heino/Finnland und Harju/Finnland des EGMR (oben in Randnr. 66 angeführt) zu relativieren, vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen.

69      Sie entnehmen diesen Urteilen, dass es allein bei Gefahr im Verzug gerechtfertigt sein könnte, von einer vorherigen richterlichen Genehmigung abzusehen, um die Fortsetzung einer Straftat zu verhindern.

70      Der Kommission ist aber beizupflichten, dass zum einen Randnr. 31 des Urteils Harju/Finnland des EGMR (oben in Randnr. 66 angeführt), auf das sich die Klägerinnen stützen, um die Bedeutung des Vorliegens von Gefahr im Verzug darzutun, in dem Teil des Urteils zu finden ist, in dem das Vorbringen des Beklagten wiedergegeben wird, und nicht in dem Teil, der die Würdigung durch den EGMR enthält. Zum anderen stellt der EGMR entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bei seiner Würdigung keineswegs auf das Vorliegen von Gefahr im Verzug ab. Im Übrigen ist auch in den Urteilen Mastepan/Russland (vom 14. Januar 2012, Beschwerde Nr. 3708/03) und Varga/Rumänien (vom 1. April 2008, Beschwerde Nr. 73957/01) des EGMR das Vorliegen von Gefahr im Verzug kein entscheidendes Merkmal. Schließlich erhöht, wie die Kommission zu Recht hervorhebt, der Umstand, dass die Urteile Harju/Finnland und Heino/Finnland des EGMR (oben in Randnr. 66 angeführt) das Strafrecht betreffen, ihre Relevanz für die vorliegenden Rechtssachen.

71      Auch das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie nachweisen wollen, dass die im Urteil Société Colas Est u. a./Frankreich des EGMR (oben in Randnr. 59 angeführt) entwickelte Lösung im vorliegenden Fall in vollem Umfang anwendbar sei, kann keinen Erfolg haben.

72      Diesem Urteil, insbesondere seiner Randnr. 49, ist nämlich zu entnehmen, dass das Fehlen einer vorherigen Ermächtigung nur eines der Merkmale ist, die der EGMR herangezogen hat, um im Ergebnis einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK festzustellen. Der EGMR hat insbesondere den Umfang der Befugnisse, über die die zuständige Behörde verfügte, die Umstände des Eingriffs sowie die Tatsache berücksichtigt, dass die damalige Regelung nur eine begrenzte Zahl von Garantien vorsah. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich von der Lage, wie sie sich im Unionsrecht darstellt (siehe unten, Randnrn. 74 bis 99).

73      Auch wenn entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen das Fehlen einer vorherigen richterlichen Ermächtigung als solches nicht zur Rechtswidrigkeit eines Eingriffs führen kann, ist zu prüfen, ob die mit der Verordnung Nr. 1/2003 geschaffene Regelung, insbesondere ihr Art. 20 Abs. 4, und die Art und Weise, in der dieser beim Erlass der drei Nachprüfungsbeschlüsse umgesetzt wurde, angemessene und ausreichende Garantien bot, die den Befugnissen der Kommission einen hinreichend strikten Rahmen setzten. Der EGMR hat nämlich immer wieder darauf hingewiesen, dass ein akzeptables Maß an Schutz vor einschneidenden Eingriffen in Art. 8 EMRK einen rechtlichen Rahmen und strikte Grenzen voraussetzt (Urteile Harju/Finnland, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 39, Heino/Finnland, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 40, Varga/Rumänien, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 70, und Société Canal Plus u. a./Frankreich, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 54).

74      Es gibt insoweit fünf Kategorien von Garantien, nämlich erstens die Begründung der Nachprüfungsbeschlüsse, zweitens die der Kommission für den Ablauf der Nachprüfung gesetzten Grenzen, drittens die fehlende Möglichkeit der Kommission, die Nachprüfung gewaltsam durchzusetzen, viertens das Eingreifen nationaler Stellen und fünftens die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes.

75      Als Erstes ergibt sich hinsichtlich der Begründung eines Nachprüfungsbeschlusses aus der Rechtsprechung, dass mit ihr die Berechtigung des in den betroffenen Unternehmen beabsichtigten Eingriffs aufgezeigt werden soll (vgl. Urteil France Télécom/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sodann muss dieser Beschluss die Anforderungen von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 erfüllen. Er muss daher Gegenstand und Zweck der Nachprüfung bezeichnen, den Zeitpunkt ihres Beginns festlegen und auf die in den Art. 23 und 24 dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hinweisen, vor dem Gerichtshof Klage gegen den Beschluss zu erheben. Nach der Rechtsprechung sind in der Begründung darüber hinaus die Annahmen und Verdachtsmomente zu nennen, die die Kommission erhärten möchte (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2007, CB/Kommission, T‑266/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 36 und 37).

76      Die Kommission braucht jedoch weder die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen rechtlich exakt zu qualifizieren noch dem Unternehmen alle ihr vorliegenden Informationen mitzuteilen oder den Zeitraum anzugeben, in dem die vermutete Zuwiderhandlung geschehen sein soll (Urteil France Télécom/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 58).

77      Damit sichergestellt ist, dass das Unternehmen die Möglichkeit hat, von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen, muss der Nachprüfungsbeschluss über die in Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgeführten formalen Angaben hinaus jedoch eine Beschreibung der Merkmale der vermuteten Zuwiderhandlung geben, indem er den mutmaßlich relevanten Markt und die Natur der vermuteten Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Industriezweige bezeichnet, auf die sich die Zuwiderhandlung, die Gegenstand der Nachprüfung ist, erstrecken soll; ferner muss er Erläuterungen dazu enthalten, wie das Unternehmen in die Zuwiderhandlung verwickelt sein soll, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll (vgl. Urteil France Télécom/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Die Prüfung der Begründung eines Beschlusses ermöglicht dem Richter, über die Beachtung des Grundsatzes des Schutzes gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe und der Verteidigungsrechte zu wachen (Urteil France Télécom/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 57), wobei der Kommission ein gewisser Handlungsspielraum verbleiben muss, ohne den den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 jede praktische Wirksamkeit genommen würde (Beschluss des Gerichtshofs vom 17. November 2005, Minoan Lines/Kommission, C‑121/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36).

79      Als Zweites sind der Kommission für den Ablauf einer Nachprüfung Grenzen gesetzt.

80      Erstens sind von dem Bereich, in dem die Kommission ermitteln darf, Unterlagen nichtgeschäftlicher Art ausgeschlossen, d. h. Unterlagen, die sich nicht auf die Tätigkeit des Unternehmens auf dem Markt beziehen (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S/Kommission, 155/79, Slg. 1982, 1575, Randnr. 16, und vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Randnr. 45).

81      Zweitens haben die Unternehmen, bei denen eine durch einen Nachprüfungsbeschluss angeordnete Nachprüfung vorgenommen wird, die Möglichkeit, juristischen Beistand hinzuzuziehen oder auch die Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Anwälten und Mandanten zu wahren, wobei von der letztgenannten Garantie Informationen ausgenommen sind, die zwischen einem Unternehmen und einem mit ihm in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Rechtsanwalt ausgetauscht werden (Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, C‑550/07 P, Slg. 2010, I‑8301, Randnrn. 40 bis 44).

82      Drittens kann die Kommission, obwohl die Verordnung Nr. 1/2003 dem Unternehmen, bei dem die Nachprüfung vorgenommen wird, eine Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung auferlegt, das betreffende Unternehmen nicht verpflichten, Antworten zu geben, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Randnr. 35). Dieser im Rahmen der Anwendung von Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), entwickelte Grundsatz gilt auch für etwaige Fragen der Inspektoren im Rahmen einer nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgenommenen Nachprüfung.

83      Viertens sind die Erläuterungen zu erwähnen, die den Unternehmen zusammen mit den Nachprüfungsbeschlüssen bekannt gegeben werden. In diesen Erläuterungen ist die Methode festgelegt, die sich die Kommission für die Durchführung einer Nachprüfung auferlegt hat. Sie stellen daher in sachdienlicher Weise klar, wie die Kommission den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung inhaltlich wahrnimmt.

84      In diesen Erläuterungen wird dargelegt, wie bestimmte Phasen der Nachprüfung durchzuführen sind. Zu den darin aufgeführten Punkten zählen die Pflicht, die Namen der von der Kommission oder der zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörde ermächtigten Bediensteten zu nennen (Randnr. 1), die Pflicht zur Bekanntgabe des die Nachprüfung genehmigenden Beschlusses (Randnr. 3), die erschöpfende Aufzählung der Befugnisse der Bediensteten (Randnr. 4), das Recht, die Dienste eines Anwalts in Anspruch zu nehmen (Randnr. 6), die Voraussetzungen, unter denen mündliche Erläuterungen der Beschäftigten des Unternehmens aufgezeichnet werden können (Randnrn. 7 und 8), die Modalitäten, unter denen bestimmte elektronische Dokumente eingesehen, gesucht und kopiert werden können (Randnrn. 10 und 11), die Lösungen für die Handhabung einer aufgezeichneten Einsichtnahme in bestimmte auf einem elektronischen Datenträger gespeicherte Informationen (Randnrn. 11 und 12), die Möglichkeit, eine unterschriebene Aufstellung des kopierten Materials zu erhalten (Randnr. 12), und die Voraussetzungen für eine vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen oder bestimmter Geschäftsgeheimnisse im Anschluss an die Nachprüfung (Randnrn. 13 und 14). Diese Punkte stellen auch sachdienliche Informationen für das Unternehmen dar, wenn dessen Vertreter den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu beurteilen haben.

85      Als Drittes verfügt die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht über unverhältnismäßige Zwangsmittel, durch die die Möglichkeit, sich der Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 zu widersetzen, faktisch beseitigt würde.

86      Erstens sind die Bediensteten der Kommission bei einer Nachprüfung nämlich nach der Rechtsprechung u. a. befugt, sich die von ihnen angeforderten Unterlagen vorlegen zu lassen, die von ihnen bezeichneten Räume zu betreten und sich den Inhalt der von ihnen angegebenen Möbel zeigen zu lassen. Dagegen können sie sich nicht gewaltsam Zugang zu Räumen oder Möbeln verschaffen oder die Beschäftigten des Unternehmens zwingen, ihnen den Zugang hierzu zu gewähren; sie können auch keine Durchsuchungen ohne Einwilligung der Verantwortlichen des Unternehmens vornehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Randnr. 31).

87      Zweitens ermöglichen es die zum einen für die Begründung von Nachprüfungsbeschlüssen (siehe oben, Randnrn. 75 bis 78) und zum anderen für den Ablauf der Nachprüfungen (siehe oben, Randnrn. 79 bis 84) geltenden Regeln in ihrer Gesamtheit den Unternehmen, von ihrem Widerspruchsrecht gemäß Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 beim Eintreffen der Inspektoren, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Nachprüfungsbeschlusses oder zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Nachprüfung wirksam Gebrauch zu machen.

88      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es den Vertretern der von Nachprüfungen betroffenen Unternehmen möglich ist, jeden Verdacht einer während der Nachprüfung aufgetretenen Unregelmäßigkeit oder jede etwaige Rüge in ein Protokoll aufnehmen zu lassen, ohne sich jedoch im Sinne von Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 der Nachprüfung förmlich zu widersetzen, sowie jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel einzusetzen, um stichhaltige Beweise für diese Unregelmäßigkeiten sicherzustellen.

89      Drittens muss die Kommission dem Unternehmen bei ihrem Eintreffen in dessen Geschäftsräumen eine angemessene, wenn auch kurze Frist einräumen, damit es mit Hilfe seiner Anwälte den Nachprüfungsbeschluss prüfen kann. Was im Übrigen das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, dass der Grundrechtsverstoß in dem Moment erfolge, in dem die Bediensteten der Kommission das Unternehmen beträten, ist das Gericht wie die Kommission der Auffassung, dass die Nachprüfung keinesfalls vor der Bekanntgabe des Beschlusses beginnt und dass das bloße Betreten des Unternehmens mit dem Ziel der Bekanntgabe keinen Grundrechtsverstoß darstellt. Sodann muss die Kommission während der Nachprüfung dem Unternehmen auch eine kurze Frist zur Konsultation seiner Anwälte gewähren, bevor sie Kopien anfertigt, Siegel anbringt oder mündliche Erläuterungen verlangt.

90      Viertens ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Kommission nur im Fall offensichtlicher Behinderung oder bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des Widerspruchsrechts von dem in Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Sanktionsmechanismus Gebrauch machen darf. Sie darf daher nicht mit diesem Sanktionsmechanismus drohen, um von den Unternehmen Zugeständnisse zu erlangen, die über die strikten Grenzen ihrer Mitwirkungspflicht hinausgehen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass jede auf der Grundlage von Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 getroffene Entscheidung der Kontrolle durch den Unionsrichter zugänglich ist.

91      Als Viertes ist zu den Garantien, die das in Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Widerspruchsverfahren bietet, festzustellen, dass die Kommission verpflichtet ist, sich der Unterstützung der nationalen Behörden des Staates zu bedienen, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll. Dieses Verfahren löst die Anwendung der Kontrollmechanismen, gegebenenfalls gerichtlicher Art, des betreffenden Mitgliedstaats aus.

92      Wird die zuständige nationale Behörde um Unterstützung ersucht, hat der betreffende Mitgliedstaat die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission sicherzustellen und verschiedene allgemeine Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere den Schutz natürlicher und juristischer Personen gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Privatsphäre, zu wahren (Urteile Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 33, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 35).

93      Die zuständige nationale Stelle – gleichgültig, ob es sich um ein Gericht handelt oder nicht – hat zu prüfen, ob die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, willkürlich oder unverhältnismäßig sind. Die Kommission hat dafür zu sorgen, dass die betreffende nationale Stelle über alle erforderlichen Mittel verfügt, um diese Kontrolle ausüben und beim Ablauf der Zwangsverfahren die Wahrung der Vorschriften des nationalen Rechts sicherstellen zu können (Urteile Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnrn. 34 und 35, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnrn. 36 und 37).

94      Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, kommt hinzu, dass das für die Genehmigung von Zwangsmaßnahmen zuständige nationale Gericht dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen kann. Außerdem gestatten die Art. 95 und 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs es dem nationalen Gericht, eine Frage im beschleunigten Verfahren oder in anonymisierter Form zur Vorabentscheidung vorzulegen. Schließlich kann es unter bestimmten Voraussetzungen das Verfahren zur Erteilung der Ermächtigung aussetzen, bis der Gerichtshof die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage beantwortet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1995, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a., C‑465/93, Slg. 1995, I‑3761, Randnr. 23).

95      Als Fünftes beruht der Rahmen für den in einer Nachprüfung bestehenden Eingriff auch auf der nachträglichen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, durch den Unionsrichter.

96      Art. 20 Abs. 8 letzter Satz der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt insoweit:

„Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung ist dem Gerichtshof vorbehalten.“

97      Wie oben aus Randnr. 66 hervorgeht, ist die Möglichkeit einer nachträglichen umfassenden gerichtlichen Kontrolle besonders wichtig, da sie das Fehlen einer vorherigen richterlichen Ermächtigung kompensieren kann. Im vorliegenden Fall nimmt der Unionsrichter eine umfassende Prüfung der Nachprüfungsbeschlüsse in sachlicher und rechtlicher Hinsicht vor (vgl. hierzu auch unten, Randnr. 112).

98      Zudem können, wie die Kommission zu Recht hervorhebt, die Klägerinnen die Aussetzung der Durchführung eines Nachprüfungsbeschlusses erreichen, indem sie zusammen mit einer Nichtigkeitsklage einen, gegebenenfalls mit einem Antrag im Sinne von Art. 105 § 2 der Verfahrensordnung verbundenen, Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß Art. 278 AEUV stellen.

99      Schließlich bietet Art. 340 Abs. 2 AEUV die Grundlage für eine auf die außervertragliche Haftung der Union gerichtete Klage.

100    Nach Auffassung des Gerichts waren alle fünf vorgenannten Kategorien von Garantien im vorliegenden Fall gewährleistet. Insbesondere enthalten die drei Nachprüfungsbeschlüsse die in Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Angaben. Im Einzelnen hat die Kommission Folgendes angegeben: die Namen der Adressaten, die Gründe, aus denen sie das Vorliegen rechtswidriger Verhaltensweisen vermutete, die Art der möglicherweise als wettbewerbswidrig einzustufenden Praktiken, den betroffenen Markt für Waren und Dienstleistungen, den geografischen Markt, auf dem die mutmaßlichen Praktiken stattgefunden haben sollen, den Zusammenhang zwischen diesen mutmaßlichen Praktiken und dem Verhalten des Unternehmens, an das die Beschlüsse gerichtet sind, die zur Durchführung der Nachprüfung befugten Bediensteten, die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und die den zuständigen Beschäftigten des Unternehmens obliegenden Verpflichtungen, Zeit und Ort der Nachprüfung, die im Fall einer Behinderung drohenden Sanktionen sowie die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs und dessen Voraussetzungen. Wie sich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes ergibt, waren diese Angaben ordnungsgemäß in den drei Nachprüfungsschlüssen enthalten (siehe unten, Randnr. 184).

101    Zum Ablauf der ersten Nachprüfung und zum Vorbringen der Klägerinnen, ein Bediensteter der Kommission habe gedroht, ihr IT‑System abzuschalten, falls ihm nicht die Passwörter der E-Mail-Accounts bestimmter Mitarbeiter zur Verfügung gestellt würden, ist festzustellen, dass – abgesehen davon, dass die Kommission diesem Vorbringen widersprochen hat – die Rechtsbeistände der Klägerinnen diesen angeblichen Vorfall nicht förmlich aufnehmen ließen, so dass für ihn kein Beweis vorliegt. Außerdem haben die Klägerinnen der Darstellung der Kommission in der Klagebeantwortung nicht widersprochen, wonach sie trotz der Anordnungen der Kommission den Zugang zu Computern und E-Mail-Accounts über einen besonders langen Zeitraum, bis zum zweiten Tag der Nachprüfung, verhindert hätten, ohne dass die Kommission sich an die nationalen Behörden gewandt habe, um Zwangsmaßnahmen einzuleiten. Hinsichtlich der Sache Sanofi Aventis ergibt sich aus den Akten, insbesondere aus dem Kommissionsdokument mit der Bezeichnung MEMO/08/357 vom 2. Juni 2008, dass die Kommission nicht den Widerstand gegen eine Nachprüfung im Allgemeinen mit einer Sanktion belegen wollte, sondern den Widerstand gegen die Anfertigung von Kopien bestimmter Unterlagen durch die Kommission in diesem speziellen Fall. Das Verfahren wurde im Übrigen eingestellt.

102    In Anbetracht der oben in den Randnrn. 65 bis 101 dargelegten Erwägungen sind der erste Klagegrund und die Einrede der Rechtswidrigkeit, soweit sie Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 betrifft, als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

103    Die Klägerinnen machen – unter Berufung in erster Linie auf die Urteile Société Métallurgique Liotard Frères/Frankreich und Société Canal Plus u. a./Frankreich des EGMR (oben in Randnr. 59 angeführt) – geltend, dass ihnen vor dem Eingriff, den die Nachprüfung darstelle, die Möglichkeit einer Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Sinne des Art. 47 der Grundrechtecharta und des Art. 6 Abs. 1 EMRK offenstehen müsste.

104    Weder das Verfahren gemäß Art. 20 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1/2003, wonach die nationalen Gerichte darüber befinden könnten, ob die im Fall des Widerspruchs zur Durchsetzung des Nachprüfungsbeschlusses der Kommission erforderlichen Zwangsmaßnahmen frei von Willkür und verhältnismäßig seien, noch die Kontrolle durch den Unionsrichter genügten den in der Rechtsprechung des EGMR herausgearbeiteten Anforderungen.

105    In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts haben die Klägerinnen klargestellt, dass ihrer Meinung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK zum einen die Kommission verpflichte, eine vorherige richterliche Ermächtigung einzuholen, bei der das nationale Gericht die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Nachprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüfe. Zum anderen verlange Art. 6 Abs. 1 EMRK eine vollständige gerichtliche Überprüfung des Nachprüfungsbeschlusses binnen angemessener Frist nach Beginn der Nachprüfung.

106    Die Kommission ist zum einen der Ansicht, dass der Klagegrund ins Leere gehe und somit unzulässig sei, und wendet sich zum anderen gegen die von den Klägerinnen vertretene Lesart des Urteils Société Métallurgique Liotard Frères/Frankreich des EGMR (oben in Randnr. 59 angeführt). Eine nachträgliche effektive gerichtliche Kontrolle reiche aus, und das Gericht sei in der Lage, eine solche Kontrolle auszuüben.

107    Was zunächst die Zulässigkeit betrifft, ist oben in Randnr. 47 bereits darauf hingewiesen worden, dass die Tatsache, dass ein Vorbringen ins Leere geht, jedenfalls nicht zu dessen Unzulässigkeit führen kann.

108    In Bezug auf das Erfordernis einer vorherigen richterlichen Ermächtigung begehren die Klägerinnen mit dem vorliegenden Klagegrund ebenso wie mit dem ersten Klagegrund (siehe hierzu oben, Randnrn. 49 bis 51) die Feststellung eines neuen Formerfordernisses durch das Gericht, das die Rechtmäßigkeit von Nachprüfungsbeschlüssen berühren würde. Der vorliegende Klagegrund ist dahin zu verstehen, dass der Erlass eines Nachprüfungsbeschlusses davon abhängen soll, dass die Kommission eine vorherige richterliche Ermächtigung erwirkt, die im Anschluss an eine sowohl in sachlicher als auch in rechtlicher Hinsicht umfassende Kontrolle im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK erteilt wird. Soweit der zweite Klagegrund das Erfordernis betrifft, eine vorherige richterliche Ermächtigung zu erwirken, kann er daher nicht als ins Leere gehend angesehen werden.

109    Zu den dazu vorgebrachten Argumenten der Klägerinnen ist erstens festzustellen, dass die von ihnen vertretene Lesart der Urteile Société Métallurgique Liotard Frères/Frankreich und Société Canal Plus u. a./Frankreich des EGMR (oben in Randnr. 59 angeführt) fehlgeht.

110    Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, ist diesen Urteilen nämlich zu entnehmen, dass sie den Umfang der Kontrolle und nicht den Zeitpunkt betreffen, zu dem sie erfolgt. Die Kontrolle muss sich auf sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erstrecken und eine angemessene Wiedergutmachung ermöglichen, falls eine für regelwidrig befundene Maßnahme bereits erfolgt ist (EGMR, Urteil Société Canal Plus u. a./Frankreich, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 36).

111    Zweitens kann ein Nachprüfungsbeschluss mit einer Klage nach Art. 263 AEUV angegriffen werden. Folglich bleibt das Fehlen einer umfassenden vorherigen Kontrolle durch eine mit der Erteilung einer Ermächtigung betraute nationale Stelle entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen jedenfalls ohne Auswirkung. Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht eine solche Kontrolle durch den Unionsrichter vor und verpflichtet zu deren Erwähnung in dem Beschluss, mit dem die Duldung einer Nachprüfung in den Räumen des Unternehmens angeordnet wird. Im vorliegenden Fall hat die Kommission dieses Formerfordernis beim Erlass des ersten, des zweiten und des dritten Nachprüfungsbeschlusses beachtet, und die Klägerinnen wussten – wie die vorliegenden Rechtssachen belegen –, dass sie die Erforderlichkeit der Nachprüfung mittels einer Klage in Frage stellen konnten.

112    Drittens lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass das Gericht in der Lage ist, eine Überprüfung der Tatsachen vorzunehmen, und nicht, wie die Klägerinnen vortragen, lediglich als „Kassationsgericht“ fungiert. Der Unionsrichter, der über eine nach Art. 263 AEUV gegen einen Nachprüfungsbeschluss erhobene Nichtigkeitsklage entscheidet, übt nämlich eine Kontrolle sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht aus und ist befugt, Beweise zu würdigen und den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären. Nach der Rechtsprechung kann sich der Unionsrichter im Rahmen seiner Kontrolle von Nachprüfungsbeschlüssen vergewissern, dass hinreichend ernsthafte Indizien für eine Zuwiderhandlung der betreffenden Unternehmen gegen die Wettbewerbsregeln vorliegen (vgl. Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnrn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus diesen Erwägungen ergibt sich im Übrigen, dass das zweite Argument der Klägerinnen (siehe oben, Randnr. 105), wonach das Fehlen einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle von Nachprüfungsbeschlüssen nach Beginn der Nachprüfungen gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßen soll, zurückzuweisen ist.

113    Viertens weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass die etwaige Nichtigerklärung des Nachprüfungsbeschlusses oder auch die Feststellung einer Regelwidrigkeit bei der Durchführung der von den beauftragten Bediensteten getroffenen Maßnahmen dazu führt, dass es dem Organ nicht möglich ist, die im Zuge der streitigen Vorgänge erlangten Informationen für die Zwecke des Zuwiderhandlungsverfahrens zu verwenden (Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 49).

114    Somit ist der zweite Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

 Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen in Anbetracht von Regelwidrigkeiten beim Ablauf der ersten Nachprüfung

115    Die Klägerinnen vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass sich der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss auf Informationen stützten, die bei der ersten Nachprüfung rechtswidrig erlangt worden seien. So habe die Kommission bei der ersten Nachprüfung bewusst Informationen über DUSS gesucht, obwohl diese Nachprüfung lediglich die Lieferung von Bahnstrom betroffen habe. Daher habe die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerinnen verletzt.

116    Erstens habe die Kommission das Büro von Herrn M., dem Leiter des Regulierungsmanagements von DB Schenker Rail Deutschland in Mainz, systematisch durchsucht, was auch die systematische Untersuchung von Dokumenten eingeschlossen habe, die erkennbar keinerlei Bezug zum Bahnstrom gehabt hätten. In diesem Büro habe sie u. a. bestimmte E‑Mails betreffend DUSS gefunden, die ganz evident keinen Bezug zum Gegenstand der ersten Nachprüfung aufgewiesen hätten und die von den Bediensteten V. G. und T. B. trotz des Protests durch Rechtsanwalt M. geprüft und markiert worden seien. V. G. habe anschließend eine Reihe weiterer DUSS betreffender Dokumente im selben Büro untersucht.

117    Zweitens hätten die Bediensteten der Kommission bei ihrer elektronischen Suche bestimmte Stichwörter eingegeben, die sich ausschließlich auf DUSS bezogen hätten, und zwar „NBS“, „[S.]“, „[T.]“ und „[G.]“. Was das Stichwort „[T.]“ angehe, sei der alleinige Kunde von DB Energie für Bahnstrom und somit der alleinige Wettbewerber der DB Gruppe das Unternehmen TXL, eine Tochtergesellschaft des Unternehmens T., das Gegenstand einer gesonderten Suche gewesen sei. Hinsichtlich des Stichworts „NBS“ werde bestritten, dass den Kommissionsbediensteten dessen Bedeutung nicht klar gewesen sei, insbesondere im Hinblick auf die Anwesenheit von Herrn N., eines Beamten der Bundesnetzagentur (im Folgenden: BNetzA) und Fachmanns in diesem Bereich, der dieses in der Branche gängige Kürzel zweifellos gekannt habe. Außerdem sei nicht plausibel, dass die Kommissionsbediensteten eine eingehende Suche durchgeführt hätten, ohne zuvor nach der Bedeutung dieses Stichworts zu fragen.

118    Drittens habe ein Kommissionsbediensteter den Archivraum von DB Schenker Rail Deutschland in Mainz durchsucht und ein Dokument mit dem Titel „Europäische Terminalstrategie Stinnes Intermodal vom 17. Januar 2006“ kopiert, das offensichtlich ebenfalls nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand gestanden habe.

119    Viertens hätten die Kommissionsbediensteten selbst bei der Nachprüfung ein Problem darin gesehen, dass das Verhalten von DUSS im ersten Nachprüfungsbeschluss nicht erwähnt werde.

120    Fünftens ergebe sich aus der Akte, dass die Kommission das Unternehmen T. einige Tage vor Beginn der ersten Nachprüfung um Bestätigung gebeten habe, dass seine Beschwerde vom 16. März 2011 immer noch aktuell sei, was auf die Absicht der Kommission schließen lasse, bei der ersten Nachprüfung Informationen betreffend DUSS zu suchen. Die 32 Bediensteten der Kommission seien im Übrigen kurz vor der Nachprüfung über die Existenz der gegen DUSS gerichteten Beschwerde informiert worden. Dafür spreche auch, dass das Unternehmen T. in der Betreffzeile seines Schreibens vom 16. März 2011 zum Komplex DUSS ausdrücklich auf das von der Kommission im Bahnstrom-Nachprüfungsbeschluss vom 14. März 2011 verwendete Aktenzeichen („COMP 39.678“) Bezug genommen habe.

121    Sechstens beantragen die Klägerinnen, die Rechtsanwälte M. und P. nach Art. 68 § 1 der Verfahrensordnung als Zeugen zu vernehmen.

122    Die Kommission trägt zum einen vor, sie habe vor der ersten Nachprüfung über ausreichende Anhaltspunkte verfügt, um die zweite und die dritte Nachprüfung zu rechtfertigen; daher gehe das Vorbringen der Klägerinnen ins Leere und sei somit unzulässig. Speziell beim dritten Nachprüfungsbeschluss habe sie sich lediglich auf Informationen gestützt, über die sie vor der ersten Nachprüfung verfügt habe, sowie auf Informationen, die sie bei der zweiten Nachprüfung gesammelt habe. Zum anderen weist die Kommission das gesamte Vorbringen der Klägerinnen als unbegründet zurück.

123    Zunächst genügt zum Vorbringen der Kommission zur Zulässigkeit der Hinweis, dass die Tatsache, dass ein Vorbringen ins Leere geht, nicht zu dessen Unzulässigkeit führen kann (siehe oben, Randnr. 47).

124    Sodann hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass im Laufe von Nachprüfungen erlangte Informationen zu keinen anderen als den im Nachprüfungsbeschluss angegebenen Zwecken verwendet werden dürfen. Dieses Erfordernis soll neben dem Berufsgeheimnis die Verteidigungsrechte der Unternehmen schützen. Sie würden nämlich in schwerwiegender Weise beeinträchtigt, wenn die Kommission gegenüber den Unternehmen bei einer Nachprüfung erlangte Beweise anführen könnte, die in keinem Zusammenhang mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung stehen (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1989, Dow Benelux/Kommission, 85/87, Slg. 1989, 3137, Randnr. 18).

125    Dies bedeutet jedoch nicht, dass es der Kommission verwehrt wäre, ein Untersuchungsverfahren einzuleiten, um Informationen, die sie bei einer früheren Nachprüfung zufällig erlangt hat, auf ihre Richtigkeit zu prüfen oder zu vervollständigen, wenn diese Informationen einen Hinweis auf Verhaltensweisen liefern, die gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstoßen (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteil Dow Benelux/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 19).

126    Die Kommission hat, da sie die Unterlagen auf der Grundlage von Aufträgen oder Beschlüssen erneut erlangt und zu dem in diesen Aufträgen oder Beschlüssen angegebenen Zweck verwendet hat, die sich aus Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 ergebenden Verteidigungsrechte der Unternehmen beachtet (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 476).

127    Dass die Kommission Unterlagen in einer bestimmten Sache erstmals erlangt hat, begründet keinen uneingeschränkten Schutz, der so weit ginge, dass diese Unterlagen nicht in einer anderen Sache rechtmäßig angefordert und als Beweise verwendet werden könnten. Andernfalls würden die Unternehmen bei einer Nachprüfung in einer ersten Sache dazu verleitet, sämtliche Unterlagen, die den Nachweis für eine andere Zuwiderhandlung liefern könnten, vorzulegen, um sich dadurch insoweit vor jeder Verfolgung zu schützen. Eine solche Lösung ginge über das hinaus, was zum Schutz des Berufsgeheimnisses und der Verteidigungsrechte notwendig ist, und würde daher die Kommission in ungerechtfertigter Weise bei der Erfüllung ihrer Aufgabe behindern, über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln im Gemeinsamen Markt zu wachen (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij/Kommission, oben in Randnr. 126 angeführt, Randnr. 477).

128    Zudem wären die Untersuchungsbefugnisse der Kommission nutzlos, wenn sie sich darauf beschränken müsste, die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, die sie schon im Voraus genau bezeichnen kann. Ein solches Recht impliziert vielmehr die Befugnis, nach verschiedenen Informationsquellen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind (Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 27, und Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2003, Ventouris/Kommission, T‑59/99, Slg. 2003, II‑5257, Randnr. 122).

129    Die von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente sind im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

130    Dieser Prüfung sind zwei Vorbemerkungen vorauszuschicken. Die erste betrifft das Vorbringen der Kommission, dass der dritte Klagegrund ins Leere gehe, da sie vor der ersten Nachprüfung über ausreichend Anhaltspunkte verfügt habe, um die zweite und die dritte Nachprüfung zu rechtfertigen. Hierzu geht aus den Akten hervor, dass die Kommission sich auch auf Informationen stützte, die bei der ersten Nachprüfung gesammelt wurden.

131    Zwar ist der dritte Nachprüfungsbeschluss insoweit eindeutig (siebter Erwägungsgrund), doch fehlen im zweiten Nachprüfungsbeschluss klare Angaben dazu, woher die Informationen stammen, auf deren Grundlage er ergangen ist (sechster Erwägungsgrund).

132    Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen, sie habe DUSS bereits vor der ersten Nachprüfung möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen verdächtigt. Das Gericht hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen die Kommission aufgefordert, das Vorliegen dieser Verdachtsmomente zu untermauern. Die Kommission hat dem Gericht daraufhin eine Beschwerde des Unternehmens T. übermittelt. Der Beschwerde dieses Unternehmens ist zu entnehmen, dass DUSS sich geweigert habe, ihm unter zufriedenstellenden Bedingungen Zugang zum Terminal München-Riem zu gewähren.

133    Die Kommission verfügte daher vor der ersten Nachprüfung über Informationen, die geeignet waren, den ernstlichen Verdacht möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von DUSS zu nähren.

134    Entgegen dem Vorbringen der Kommission kann dies jedoch nicht dazu führen, dass der Klagegrund ins Leere geht. Dass der zweite Nachprüfungsbeschluss erging, während die erste Nachprüfung lief, zeigt nämlich die Bedeutung der bei dieser Gelegenheit erlangten Informationen für die Ingangsetzung der zweiten Nachprüfung. Da sich die dritte Nachprüfung, wie aus dem siebten Erwägungsgrund des sie betreffenden Beschlusses hervorgeht, unzweifelhaft teilweise auf Informationen stützte, die bei den ersten beiden Nachprüfungen gesammelt worden waren, können die Bedingungen, unter denen die Informationen über DUSS bei der ersten Nachprüfung erlangt wurden, die Rechtmäßigkeit des zweiten und des dritten Nachprüfungsbeschlusses berühren. Daher ist das Vorbringen der Kommission, der dritte Klagegrund gehe ins Leere, zurückzuweisen.

135    Die zweite Vorbemerkung betrifft den Beweiswert der von den Klägerinnen vorgelegten Gedächtnisprotokolle. Hierzu hebt die Kommission zutreffend hervor, dass diese Protokolle, mit Ausnahme des Protokolls von Rechtsanwalt U. P. vom 4. April 2011, mindestens einen Monat nach dem Ende der ersten Nachprüfung erstellt wurden. Das am häufigsten zitierte Gedächtnisprotokoll, das von Rechtsanwalt M. stammt, wurde zwei Monate nach den Ereignissen erstellt. Außerdem beruhen die Äußerungen der Vertreter der Klägerinnen weitgehend auf nicht durch tatsächliche Angaben gestützten Mutmaßungen zu den Absichten der Prüfer.

136    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass diese tatsächlichen Angaben die einzigen von den Klägerinnen vorgelegten Beweise sind. Die Vertreter der Klägerinnen haben sich zu keinem Zeitpunkt im Sinne von Art. 20 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 förmlich widersetzt oder irgendein Missfallen in ein im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nachprüfbares Protokoll aufnehmen lassen. Es war Sache der Vertreter der Klägerinnen, alle ihre Rügen in dem Moment förmlich aufzeichnen zu lassen, in dem die missbräuchlichen Handlungen begangen worden sein sollen, sowie jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel einzusetzen, um stichhaltige Beweise sicherzustellen (siehe oben, Randnr. 88). Die Angabe der Klägerinnen, wonach einige Bedienstete bei der ersten Nachprüfung mündlich bestätigt hätten, dass die Ermittlungen hinsichtlich DUSS rechtswidrig gewesen seien – was die Kommission bestreitet –, beruht daher weder auf einem zum damaligen Zeitpunkt erstellten Protokoll noch auf einem anderen Dokument, das die Klägerinnen hätten erstellen können, als die streitigen Ereignisse eintraten. Ohne solche förmlichen Beweise ist der Nachweis einer gezielten, über den Gegenstand des ersten Nachprüfungsbeschlusses hinausgehenden Suche zwangsläufig schwieriger. Außerdem ist festzustellen, dass die Rechtsanwälte M. und P. die Verfasser einiger der fraglichen Gedächtnisprotokolle sind, was bedeutet, dass sich ihre Darstellung der Umstände, unter denen die erste Nachprüfung ablief, bereits in der Akte des Gerichts befindet. Daher erscheint es nicht sachdienlich, sie – wie von den Klägerinnen beantragt – als Zeugen zu vernehmen.

137    In erster Linie ist nacheinander auf das Vorbringen der Klägerinnen zur gründlichen Durchsuchung des Büros von Herrn M., zu bestimmten streitigen Dokumenten und Stichwörtern und zum Verhalten der Kommission vor Beginn der ersten Nachprüfung einzugehen.

 Zur gründlichen Durchsuchung des Büros von Herrn M.

138    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe das Büro von Herrn M. systematisch durchsucht, was auch die systematische Untersuchung von Dokumenten eingeschlossen habe, die erkennbar keinerlei Bezug zum Bahnstrom gehabt hätten. In diesem Büro habe sie u. a. zwei E-Mails betreffend DUSS gefunden, die ganz evident keinen Bezug zum Gegenstand der Nachprüfung aufgewiesen hätten und die von den Bediensteten V. G. und T. B. trotz des Protests durch Rechtsanwalt M. geprüft und markiert worden seien. V. G. habe anschließend eine Reihe weiterer DUSS betreffender Dokumente im selben Büro untersucht.

139    Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass die Kommission, sofern es Anhaltspunkte nahelegen, den Inhalt bestimmter Büros oder Aktenordner auch dann gründlich durchsuchen darf, wenn es keinen eindeutigen Hinweis darauf gibt, dass dort den Untersuchungsgegenstand betreffende Informationen zu finden sind. Wie die Kommission zutreffend hervorhebt, bestünde nämlich, wenn sie sich auf das Betreten von Räumen oder die Durchsicht von Aktenordnern mit eindeutigem Bezug zum Untersuchungsgegenstand beschränken würde, die Gefahr, dass sie einige wichtige Beweise nicht auffinden könnte. Diese Beweise könnten beispielsweise versteckt oder nicht korrekt gekennzeichnet sein.

140    Außerdem ist der Bezug zum Untersuchungsgegenstand nicht notwendigerweise leicht im Voraus auszumachen und kann möglicherweise nur nach sorgfältiger Prüfung ermittelt werden. Wie die Kommission hervorhebt, können ihre Bediensteten, da sie nicht immer volle Sachkenntnis in allen von der Untersuchung betroffenen Bereichen besäßen, nicht immer sofort feststellen, welche Bedeutung ein Dokument habe, so dass sie zwangsläufig eine relativ breit angelegte Durchsuchung vornähmen.

141    Im vorliegenden Fall gab es in Bezug auf das Büro von Herrn M. stichhaltige Gründe, die eine gründliche Durchsuchung rechtfertigten. Den Akten ist nämlich zu entnehmen, dass Herr M. als Leiter des Regulierungs- und Beschaffungsmanagements von DB Schenker Rail Deutschland für die Beschaffung von Dienstleistungen zuständig war. In dieser Funktion handelte er die Bahnstromverträge mit DB Energie aus. DB Schenker Rail Deutschland gehört zu DB Schenker Rail, die ihrerseits als Tochtergesellschaft der DB Gruppe im Bereich des Gütertransports einer der größten Kunden von DB Energie ist. Diese Informationen, denen die Klägerinnen nicht widersprochen haben, rechtfertigten daher eine gründliche Durchsuchung des Büros von Herrn M.

142    Insoweit ist hinzuzufügen, dass die erste Nachprüfung an drei Standorten stattfand und dass die oben in den Randnrn. 116 bis 118 von den Klägerinnen genannten Vorfälle nur einen dieser drei Standorte (Mainz) betroffen haben sollen. Bei diesen Vorfällen geht es im Übrigen im Wesentlichen um ein einziges Büro und drei der insgesamt 32 von der Kommission beauftragten Bediensteten. Ferner ist die Zahl der streitigen Dokumente, nämlich elf, in Anbetracht der Gesamtzahl der betroffenen Dokumente, nämlich rund 1 000 kopierte und eine noch viel höhere Zahl geprüfter Dokumente, sehr gering. Schließlich hat die Kommission letzten Endes nur Kopien von vier DUSS betreffenden Dokumenten mitgenommen.

143    Demnach ist das Vorbringen der Klägerinnen zur systematischen Durchsuchung des Büros von Herrn M. als unbegründet zurückzuweisen.

 Zu den streitigen Dokumenten und Stichwörtern

144    Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe bei der ersten Nachprüfung Dokumente geprüft und teilweise kopiert, die offensichtlich keinen Bezug zum Gegenstand der Nachprüfung aufgewiesen hätten. Außerdem hätten die Kommissionsbediensteten bei ihrer elektronischen Suche auch bestimmte Stichwörter eingegeben, die sich ausschließlich auf DUSS und nicht auf Bahnstrom bezogen hätten.

145    Hierzu ist erneut hervorzuheben, dass nach den Angaben in den Gedächtnisprotokollen die Vertreter der Klägerinnen zwar darauf hinwiesen, dass ihrer Meinung nach bestimmte von der Kommission geprüfte Dokumente keinen Bezug zum Gegenstand der ersten Nachprüfung hätten, doch haben sie sich zu keinem Zeitpunkt widersetzt oder förmlich eine Rüge aufnehmen lassen.

146    Was erstens die elf streitigen Dokumente angeht, so bestehen diese zunächst aus den beiden ersten am Nachmittag des 29. März 2011 im Büro von Herrn M. entdeckten E-Mails. Diese E-Mails seien nach intensiver Prüfung von den Bediensteten V. G. und T. B. „geflaggt“ worden. Am Vormittag des 30. März 2011 seien im Büro von Herrn M. sieben weitere Dokumente entdeckt worden, darunter fünf E‑Mails. Am Vormittag des 31. März 2011 habe ein Kommissionsbediensteter im Archiv von DB Schenker Rail Deutschland in Mainz ein Dokument mit dem Titel „Europäische Terminalstrategie Stinnes Intermodal vom 17. Januar 2006“ gefunden. Schließlich erwähnen die Klägerinnen in der Erwiderung eine weitere E‑Mail von Herrn M. vom 2. November 2006 mit dem Betreff „Pilot München Riem Ubf“.

147    Ausweislich der Schriftsätze der Parteien nahm die Kommission Kopien von vier dieser elf Dokumente mit, und zwar von einer E‑Mail von Herrn L. an Herrn F. vom 6. November 2006 mit dem Betreff „Rangierleistungen am Terminal München-Riem“, einer E‑Mail von Herrn S. an Herrn M. vom 15. September 2006 mit dem Betreff „Rangieren in München Riem Ubf “, einer E‑Mail von Herrn M. vom 2. November 2006 mit dem Betreff „Pilot München Riem Ubf “ und dem Dokument „Europäische Terminalstrategie Stinnes Intermodal vom 17. Januar 2006“.

148    Daher ist zwischen den vier kopierten und den sieben nicht kopierten Dokumenten zu unterscheiden.

149    Zu dem im Archiv in Mainz entdeckten Dokument „Europäische Terminalstrategie Stinnes Intermodal vom 17. Januar 2006“ hat der Kommissionsbedienstete erklärt, das Dokument am 31. März 2011 gegen 12.30 Uhr aufgefunden zu haben. Er habe das Original aus dem Ordner genommen, um seinen Inhalt mit Kollegen zu besprechen. Nachdem er eine Kopie davon gemacht habe, habe er das Original wieder in den Ordner geheftet, in dem er es gefunden habe. Dies haben die Klägerinnen nicht in Abrede gestellt. Dem Gedächtnisprotokoll von Rechtsanwalt D. ist Folgendes zu entnehmen: „[Herr M.] begab sich … in das Archiv … Er war offenbar mit den dort in diversen Umzugskartons und Schränken gelagerten Dokumenten überfordert, so dass er lediglich stichprobenartig einzelne Umzugskisten separierte …“ Nach diesen Angaben fiel die Wahl von Herrn M. somit zufällig auf bestimmte Dokumente, was mit der Behauptung einer rechtswidrigen gezielten Durchsuchung nicht im Einklang steht. Auch eine Reihe weiterer Angaben in den Gedächtnisprotokollen, die die Kommission in ihrer Klagebeantwortung aufführt, sprechen für den Zufallscharakter der Durchsuchung durch die Bediensteten.

150    Die drei übrigen, alle im Büro von Herrn M. aufgefundenen Dokumente betreffen das Terminal München-Riem und DUSS, und es handelt sich dabei in der Tat um Themen, die in der Beschwerde des Unternehmens T. angesprochen werden.

151    Insoweit steht zunächst fest, dass es für die Kommission triftige Gründe gab, dieses Büro gründlich zu durchsuchen (siehe oben, Randnr. 141). Ferner ist – wie die Kommission zutreffend hervorgehoben hat – davon auszugehen, dass Titel und Inhalt eines Dokuments nicht zwangsläufig für die Feststellung ausschlaggebend sind, ob das Dokument tatsächlich zufällig gefunden wurde. Schließlich findet sich in den Gedächtnisprotokollen kein Beleg dafür, dass die Kommissionsbediensteten im Rahmen ihrer gründlichen Durchsuchung gezielt nach diesen drei Dokumenten gesucht hätten.

152    Zu den übrigen sieben Dokumenten ist festzustellen, dass sie, anders als die vier kopierten Dokumente, keine Bezugnahme auf DUSS oder das Terminal München-Riem enthalten. Es handelt sich im Wesentlichen um Dokumente zur Zugbildung unter nichtdiskriminierenden Bedingungen.

153    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass es im Anschluss an die Analyse der elf in Rede stehenden Dokumente keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer rechtswidrigen gezielten Durchsuchung gibt.

154    Was zweitens die von den Kommissionsbediensteten in der Zeit vom Nachmittag des 29. März 2011 bis zur Bekanntgabe des zweiten Nachprüfungsbeschlusses am 31. März 2011 gegen 14 Uhr verwendeten Stichwörter betrifft, nennen die Klägerinnen vier Beispiele: „NBS“, „[S.]“, „[T.]“ und „[G.]“.

155    Ausweislich der Gedächtnisprotokolle haben die Kommissionsbediensteten während der drei Tage an den drei Standorten sehr viele Stichwörter verwendet. Auf Ersuchen des Gerichts hat die Kommission die Liste der Stichwörter vorgelegt, die den Inspektoren zu Beginn der ersten Nachprüfung übermittelt worden war. Diese Liste enthält etwa 90 Stichwörter. Die streitigen Stichwörter machen daher nur einen geringen Prozentsatz aller verwendeten Stichwörter aus. Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass sich eine Liste der bei einer Nachprüfung verwendeten Stichwörter nach Maßgabe der im Lauf dieser Nachprüfung gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickeln kann.

156    Das Stichwort „NBS“ wurde erst gegen Ende der ersten Nachprüfung, am 31. März gegen 11.30 Uhr, verwendet. Nach den Angaben der Kommission kannten die Bediensteten die Bedeutung dieses Kürzels nicht und verwendeten es lediglich im Rahmen einer kurzen Suche, um festzustellen, ob ein Bezug zum Bahnstrom besteht. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass „NBS“ das Kürzel für „Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen“ ist. Da die Lieferung von Bahnstrom eine conditio sine qua non für den Zugang zum Stromnetz ist, kann ein Zusammenhang mit den Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Ferner heißt es im Gedächtnisprotokoll von Rechtsanwältin D., für sie sei nicht erkennbar gewesen, dass dieses Stichwort keinen Bezug zu Bahnstrompreisen aufgewiesen habe. Sie habe daher nicht gegen die Suche protestiert. Schließlich erscheint es entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen jedenfalls nicht unschlüssig, ein unbekanntes Stichwort zu verwenden, um ausgehend vom Kontext der erzielten Ergebnisse zu prüfen, ob es mit einer bestimmten Problematik im Zusammenhang steht oder nicht.

157    Das Stichwort „[S.]“ verweist unstreitig auf Herrn S., ein Mitglied der Geschäftsführung von DUSS. Er war bis Ende Mai 2009 bei DB Schenker Rail tätig, einer der durch das Verhalten von DB Energie potenziell begünstigten Tochtergesellschaften der DB Gruppe. Es ist daher möglich, dass sich die Suche der Inspektoren nur auf seinen früheren Tätigkeitszeitraum bezog, wie die Kommission angibt.

158    Was das Stichwort „[T.]“ betrifft, ist die Erläuterung durch die Kommission überzeugend. Sie führt aus, die Suche nach Informationen zum Unternehmen T. im Rahmen der ersten Nachprüfung sei legitim gewesen, da dieses Unternehmen ein Wettbewerber der Deutschen Bahn und daher ein von DB Energie potenziell diskriminierter Verbraucher sei. Das Vorbringen der Klägerinnen, alleiniger Bahnstromkunde von DB Energie und somit alleiniger Wettbewerber der DB Gruppe sei das Unternehmen TXL, eine Tochtergesellschaft des Unternehmens T., gewesen, nach der im Übrigen gesondert gesucht worden sei, kann diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen. Nach den Angaben der Kommission hatte nämlich auch das Unternehmen T. eine Beschwerde betreffend Bahnstrom eingereicht. Außerdem ist es durchaus möglich, dass Beschäftigte der DB Gruppe gelegentlich eher auf die Muttergesellschaft als auf die Tochtergesellschaft Bezug nehmen, um Letztgenannte zu bezeichnen; somit war die Verwendung des Stichworts „[T.]“ durch die Kontrolleure der Kommission legitim.

159    Das Stichwort „[G.]“ verweist auf Herrn G. S., den Leiter der Strecken- und Anlageninfrastruktur von DB Schenker Rail Deutschland. Am Nachmittag des 29. März 2011 fanden die Kontrolleure eine aus seiner Inbox stammende E‑Mail im Büro von Herrn M. Nach dem Gedächtnisprotokoll von Rechtsanwalt M. betraf diese E‑Mail Preismaßnahmen für Zugbildungsanlagen. Nach dem Gedächtnisprotokoll von Rechtsanwältin S. benutzten die Bediensteten der Kommission dieses Stichwort am Nachmittag des 30. März 2011, da sie die von ihnen am Vortag identifizierte E-Mail nicht mehr fanden; dies wird von der Kommission bestätigt. Nach den Angaben der Kommission wollten die Bediensteten wissen, ob diese E‑Mail, die sie am 29. März 2011 nicht im Detail hätten studieren können und in der es um ein Preissystem gegangen sei, etwas mit Preissystemen im Bereich des Bahnstroms zu tun habe; zudem hätten sie versucht, mehr über das Tätigkeitsfeld von Herrn G. S. zu erfahren. Die Wahl dieses Stichworts war demnach gerechtfertigt.

160    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerinnen zu den streitigen Dokumenten und Stichwörtern als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Verhalten der Kommission vor Beginn der ersten Nachprüfung

161    Die Klägerinnen haben vorgetragen, aus der Akte ergebe sich, dass die Kommission das Unternehmen T. einige Tage vor Beginn der ersten Nachprüfung um Bestätigung gebeten habe, dass seine Beschwerde vom 16. März 2011 immer noch aktuell sei, was auf die Absicht der Kommission schließen lasse, während der ersten Nachprüfung Informationen über DUSS zu suchen. Die 32 Bediensteten der Kommission seien im Übrigen kurz vor der Nachprüfung von der Existenz der DUSS-Beschwerde informiert worden. Für ihre These spreche außerdem, dass das Unternehmen T. in der Betreffzeile seines Schreibens vom 16. März 2011 hinsichtlich der Akte DUSS ausdrücklich auf das von der Kommission im Bahnstrom-Nachprüfungsbeschluss vom 14. März 2011 verwendete Aktenzeichen („COMP 39.678“) Bezug genommen habe.

162    Was zunächst die von den Klägerinnen aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Tatsache angeht, dass die Kommission ihre Bediensteten vor dem ersten Nachprüfungsbeschluss über das Bestehen von Verdachtsmomenten gegenüber DUSS informierte, ist davon auszugehen, dass es legitim war, die Bediensteten über den allgemeinen Hintergrund der Sache zu unterrichten.

163    Sodann hat die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts zum Verhältnis zwischen ihr und dem Unternehmen T. in den Monaten vor der Nachprüfung klargestellt, dass das Unternehmen T. mit seinem Schreiben vom 26. Januar 2011 und somit aus eigenem Antrieb um eine Zusammenkunft gebeten habe, um sich im Anschluss an seine Beschwerde vom Mai 2009 über den Stand des Verfahrens zu informieren. Bei der Zusammenkunft am 23. Februar 2011 habe die Kommission erklärt, sie kümmere sich vorrangig um die Bahnstrom-Beschwerde. Daraufhin habe der Vertreter des Unternehmens T. der Kommission mitgeteilt, dass er ihr gegebenenfalls Informationen zu DUSS übermitteln werde, was er mit ergänzendem Schreiben vom 16. März 2011 auch getan habe. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kontakte, die in den Monaten vor der ersten Nachprüfung zwischen dem Unternehmen T. und der Kommission geknüpft worden waren, nicht als Beleg dafür dienen können, dass eine rechtswidrige gezielte Durchsuchung stattfand.

164    Das Vorbringen der Klägerinnen in Bezug auf das Verhalten der Kommission vor Beginn der ersten Nachprüfung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

165    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen in den Randnrn. 123 bis 164 ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Vierter Klagegrund: Beschreibung des Gegenstands der Nachprüfungen im ersten, im zweiten und im dritten Nachprüfungsbeschluss

166    Die Klägerinnen vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass der erste, der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss ihre Verteidigungsrechte verletzten, da die Beschreibung des Gegenstands der Nachprüfungen angesichts der Anhaltspunkte, über die die Kommission angeblich verfügt habe, uferlos weit sei, und zwar erstens in Bezug auf die betroffenen Verhaltensweisen, die nahezu alle möglichen Verhaltensweisen von DB Energie und DUSS umfassten, zweitens in Bezug auf den geografischen Umfang des Marktes, der alle Mitgliedstaaten umfasse, in denen die Tochtergesellschaften der DB Gruppe tätig seien, und drittens in Bezug auf die Dauer der mutmaßlichen Zuwiderhandlung, da der erste, der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss insoweit keinerlei Begrenzung enthielten.

167    Die Kommission hält das gesamte Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

168    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 die wesentlichen Angaben nennt, die ein Beschluss enthalten muss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird; er verpflichtet die Kommission, Gegenstand und Zweck der angeordneten Nachprüfung zu bezeichnen, den Zeitpunkt ihres Beginns zu bestimmen und auf die in den Art. 23 und 24 dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hinzuweisen, vor dem Unionsrichter Klage gegen einen solchen Beschluss zu erheben.

169    Durch die Begründung der Nachprüfungsbeschlüsse soll somit nicht nur die Berechtigung des in den betroffenen Unternehmen beabsichtigten Eingriffs aufgezeigt werden, sondern diese Unternehmen sollen auch in die Lage versetzt werden, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen, unter gleichzeitiger Wahrung ihrer Verteidigungsrechte (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteile Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 29, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 47).

170    Die Verpflichtung der Kommission, Gegenstand und Zweck der Nachprüfung anzugeben, stellt nämlich eine grundlegende Garantie für die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen dar, und daher kann der Umfang der Pflicht zur Begründung der Nachprüfungsbeschlüsse nicht anhand von Erwägungen zur Wirksamkeit der Nachprüfung beschränkt werden. So braucht die Kommission zwar dem Adressaten eines solchen Beschlusses weder alle Informationen zu geben, über die sie im Zusammenhang mit vermuteten Zuwiderhandlungen verfügt, noch den relevanten Markt genau abzugrenzen, eine exakte rechtliche Qualifizierung der Zuwiderhandlungen vorzunehmen oder den Zeitraum ihrer mutmaßlichen Begehung anzugeben; dagegen muss sie möglichst genau angeben, welche Verdachtsmomente sie erhärten will, d. h., wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteile Dow Benelux/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 10, Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 41, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 48).

171    Zu diesem Zweck muss die Kommission in einem Nachprüfungsbeschluss außerdem die wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung beschreiben, indem sie den ihrer Ansicht nach relevanten Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnet, indem sie erläutert, wie das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen in die Zuwiderhandlung verwickelt sein soll, und indem sie angibt, welche Befugnisse die Prüfer der Union haben (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteile des Gerichtshofs vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, Slg. 1980, 2033, Randnr. 26, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnrn. 81, 83 und 99).

172    Um darzutun, dass die Nachprüfung gerechtfertigt ist, muss die Kommission in dem Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, substantiiert darlegen, dass sie über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügt, aufgrund deren sie das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen der vermuteten Zuwiderhandlung verdächtigt (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnrn. 55, 61 und 99).

 Erster Nachprüfungsbeschluss

173    Die Klägerinnen halten den in Art. 1 des ersten Nachprüfungsbeschlusses beschriebenen Gegenstand dieses Beschlusses für uferlos weit, da die genannten Verhaltensweisen allgemein „eine möglicherweise nicht gerechtfertigte bevorzugte Behandlung, die die DB Energie GmbH anderen Tochtergesellschaften der DB Gruppe zukommen lässt, insbesondere in Form eines Rabattsystems“ für die Lieferung von Bahnstrom in Deutschland, beträfen.

174    In Art. 1 des ersten Nachprüfungsbeschlusses werden diskriminierende Verhaltensweisen als Untersuchungsgegenstand angegeben, ohne auszuschließen, dass sie eine andere Form als die eines Rabattsystems annehmen könnten. Der oben in Randnr. 171 angeführten Rechtsprechung ist aber zu entnehmen, dass von der Kommission nur eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung, insbesondere der Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen, verlangt wird. Mit der Angabe, dass es sich bei der vermuteten Wettbewerbsbeschränkung um eine diskriminierende Verhaltensweise handele, die vornehmlich die Form einer diskriminierenden Preisgestaltungspraxis annehme, hat die Kommission diese Anforderung erfüllt.

175    Außerdem ist der verfügende Teil eines Beschlusses notwendigerweise im Licht seiner Begründung auszulegen. Auch wenn die betroffenen Verhaltensweisen sich nicht ausschließlich auf das nach 2002 eingeführte Rabattsystem beschränken, ist doch das Preissystem für Bahnstrom (16,7 Hz) der nahezu ausschließliche Untersuchungsgegenstand. Aus dem sechsten Erwägungsgrund des ersten Nachprüfungsbeschlusses geht ferner hervor, dass sich die der Kommission vorliegenden Hinweise nur auf die Tarifpraktiken beziehen.

176    Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass eine Vielzahl der Verhaltensweisen von DB Energie von der Nachprüfung betroffen sein kann, ändert dies folglich nichts daran, dass zum einen entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht „nahezu alle möglichen“ Verhaltensweisen von DB Energie betroffen sein können und dass zum anderen die Verdachtsmomente, die die Kommission erhärten möchte, im Einklang mit der oben in den Randnrn. 170 und 171 angeführten Rechtsprechung klar angegeben sind. Im Übrigen ist jedenfalls nicht von vornherein die Möglichkeit von der Hand zu weisen, dass eine Nachprüfung sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmens einbezieht, und zwar insbesondere dann, wenn es eine begrenzte Zahl von Tätigkeiten ausübt. Das Vorbringen der Klägerinnen zu den vom ersten Nachprüfungsbeschluss betroffenen Verhaltensweisen ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

177    Was sodann den geografischen Aspekt betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, den relevanten Markt genau abzugrenzen (siehe oben, Randnr. 170). Außerdem könnte ein diskriminierendes Rabattsystem, auch wenn es auf Deutschland beschränkt wäre, geeignet sein, den anderen Tochtergesellschaften der DB Gruppe auf allen nachgelagerten Märkten, auf denen sie tätig sind, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Wie die Kommission hervorhebt, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen hätten, haben aber zum einen einige Tochtergesellschaften der DB Gruppe ihren Sitz nicht in Deutschland, und zum anderen handelt es sich beim Schienengüterverkehrsmarkt um eine Tätigkeit grenzüberschreitender Art, in deren Rahmen die DB Gruppe mit ausländischen Wirtschaftsteilnehmern konkurriert. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, den Gegenstand der ersten Nachprüfung auf Deutschland zu begrenzen.

178    Was schließlich den zeitlichen Aspekt betrifft, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, den Zeitraum anzugeben, in dem die Zuwiderhandlungen begangen worden sein sollen (siehe oben, Randnr. 170), und zum anderen geht – wie die Kommission ausführt – aus dem sechsten Erwägungsgrund des ersten Nachprüfungsbeschlusses hervor, dass die betreffenden Verhaltensweisen in die Zeit vor dem Jahr 2002 zurückreichen konnten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bestand daher kein Anlass, den Gegenstand der Nachprüfung auf die Zeit nach dem Jahr 2002 zu beschränken.

179    Mithin ist das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie den uferlos weiten Gegenstand des ersten Nachprüfungsbeschlusses rügen, als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter und dritter Nachprüfungsbeschluss

180    Zum zweiten und zum dritten Nachprüfungsbeschluss ist erstens festzustellen, dass ihr verfügender Teil und ihre Gründe in Bezug auf die in Rede stehenden Verhaltensweisen und die geografischen und zeitlichen Aspekte im Wesentlichen übereinstimmen. Das Vorbringen der Klägerinnen zum uferlos weiten Gegenstand dieser beiden Beschlüsse kann daher zusammen geprüft werden.

181    Zweitens werden die betroffenen Verhaltensweisen im zweiten und im dritten Nachprüfungsbeschluss, gemessen an den Anforderungen, die sich aus der oben in den Randnrn. 170 und 171 angeführten Rechtsprechung ergeben, hinreichend genau beschrieben. Zunächst geht aus Art. 1 und dem sechsten Erwägungsgrund des zweiten Nachprüfungsbeschlusses auf der einen Seite und aus Art. 1 und den Erwägungsgründen 6 bis 8 des dritten Nachprüfungsbeschlusses auf der anderen Seite hervor, dass die fraglichen Verhaltensweisen verschiedene, die Wettbewerber diskriminierende Praktiken von DUSS betreffen, insbesondere die Gewährung eines ungeeigneten Zugangs zu Terminals, das Angebot weniger effizienter Dienstleistungen und die Verweigerung des Zugangs zu Terminals. Darüber hinaus ist angegeben, dass es sich bei dem betreffenden nachgelagerten Markt um den Schienengüterverkehrsmarkt handelt. Schließlich ist der Kommission beizupflichten, dass dem fünften Klagegrund in den Rechtssachen T‑290/11 und T‑521/11 zu entnehmen ist, dass die Klägerinnen verstanden hatten, auf welche Verhaltensweisen sich die Nachprüfung bezog. Die Beschreibung der wesentlichen Merkmale der vermuteten Zuwiderhandlung im zweiten und im dritten Nachprüfungsbeschluss war daher ausreichend.

182    Was drittens den geografischen Aspekt betrifft, war die Kommission nicht verpflichtet, den Gegenstand der zweiten und der dritten Nachprüfung auf Deutschland zu begrenzen, sondern sie durfte ihn auf alle Mitgliedstaaten ausdehnen. Die Zuwiderhandlung, die Gegenstand dieser Nachprüfungen ist, kann sich nämlich auf den nachgelagerten grenzüberschreitenden Markt für Personen- und Güterverkehrsdienstleistungen auf der Schiene auswirken. Wie die Kommission hervorhebt, können sich, selbst wenn lediglich die Nutzung von Infrastruktureinrichtungen in Deutschland durch DUSS berücksichtigt würde, die Auswirkungen auf weitere Mitgliedstaaten erstrecken. Wie sich nämlich insbesondere aus der dem Gericht im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen übermittelten Beschwerde des Unternehmens T. ergibt, kann die Nutzung von Terminals in Deutschland Auswirkungen auf die Wettbewerber haben, die Verkehrsdienstleistungen nach oder aus anderen Mitgliedstaaten erbringen möchten. Darüber hinaus ist im Einklang mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Nachprüfungsbeschlüsse an die gesamte DB Gruppe, und nicht nur an DUSS, gerichtet sind, mithin an einige Einrichtungen, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben und grenzüberschreitend tätig sind.

183    Viertens ist zum zeitlichen Aspekt erneut darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet war, den Zeitraum anzugeben, in dem die Zuwiderhandlungen begangen worden sein sollen (siehe oben, Randnr. 170). Darüber hinaus führt die Kommission zum einen zu Recht aus, dass die Hinweise, die ihr dafür vorgelegen hätten, dass die betreffenden Verhaltensweisen mindestens seit 2007 praktiziert worden seien, deren vorherige Anwendung nicht ausschlössen. Zum anderen gibt die Kommission an, dass ihr Hinweise auf die Einräumung eines versteckten Rabatts durch DUSS an DB Schenker Rail Deutschland vorgelegen hätten, ohne dass der Zeitpunkt seiner Einführung bekannt gewesen sei. Für die Kommission bestand somit kein Anlass, den zweiten und den dritten Nachprüfungsbeschluss in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen.

184    Demnach ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

185    Die Klägerinnen vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass der erste, der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss unverhältnismäßig seien. Die Kommission habe das Maß dessen überschritten, was zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich gewesen sei.

186    Was den ersten Nachprüfungsbeschluss angehe, so sei erstens das in Rede stehende Rabattsystem seit dem Jahr 2003 in transparenter Weise praktiziert worden. Der von jedem Kunden abgeschlossene Belieferungsvertrag für Bahnstrom, aus dem das Tarifsystem sowie die Struktur des Rabattsystems ersichtlich seien, sei im Internet verfügbar. Es bestehe somit kein Anlass für die Vermutung geheimer Modalitäten, die eine Nachprüfung rechtfertigen könnten. Zweitens sei dieses Rabattsystem mehrfach von nationalen Behörden und Gerichten geprüft und als „kartellrechtskonform“ beurteilt worden. Die Kommission, der diese Verfahren bekannt gewesen seien, hätte sich alle relevanten Informationen im Rahmen der in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kooperation mit dem Bundeskartellamt (im Folgenden: BKartA) verschaffen können. Drittens liege es neben der Sache, sich im ersten Nachprüfungsbeschluss auf eine 15 Jahre alte Entscheidung (siehe unten, Randnr. 221), in der die Klägerinnen im Übrigen kein Beweismaterial verborgen hätten, zu berufen, um die Notwendigkeit der Nachprüfung zu rechtfertigen; dies impliziere eine „Unredlichkeitsvermutung“, die mit der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht vereinbar sei. Viertens sei eine Nachprüfung angesichts der Art der gesuchten Informationen schlicht ungeeignet. Fünftens stelle der erste Nachprüfungsbeschluss nicht klar, warum die Kommission, der das Rabattsystem seit 2006 bekannt gewesen sei, mehr als fünf Jahre gewartet habe, um eine Nachprüfung durchzuführen. Sechstens seien für die Feststellung, ob ein von Art. 102 AEUV erfasstes Verhalten objektiv gerechtfertigt sei, interne Unterlagen wie die subjektiven Einschätzungen von Mitarbeitern unerheblich.

187    Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hätten zum einen keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die Klägerinnen im vorliegenden Fall Beweismaterial zu verbergen drohten, und zum anderen wäre unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003, wie das Ersuchen vom 4. August 2011, ausreichend gewesen.

188    In der Erwiderung vertreten die Klägerinnen die Auffassung, dass eine Kontrolle der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit des Nachprüfungsbeschlusses nur erfolgen könne, wenn auch die Art der Hinweise geprüft werde, über die die Kommission verfügt habe. Sie regen daher an, das Gericht möge die Kommission auffordern, diese Hinweise vorzulegen.

189    In der Sitzung haben die Klägerinnen geltend gemacht, die die zweite Nachprüfung betreffenden und bei der ersten Nachprüfung vorläufig beschlagnahmten Dokumente hätten nicht zur Seite gelegt und in einem versiegelten Büro zwischengelagert werden dürfen, um sie später zu kopieren.

190    Was den zweiten und den dritten Nachprüfungsbeschluss angehe, so sei die Kommission erstens unzuständig, da der Zugang zu Einrichtungen der Eisenbahninfrastruktur in nationalen spezialgesetzlichen Normen abschließend geregelt sei. Jedenfalls könne angesichts der weitreichenden Befugnisse der deutschen Regulierungsbehörde, der BNetzA, eine Nachprüfung durch die Kommission nicht als notwendig angesehen werden. Zweitens hätte sich die Kommission mit der BNetzA abstimmen müssen, um Informationen zu erhalten und parallele Verfahren zu vermeiden. Drittens hätte die Kommission die erforderlichen Informationen im Wege eines Auskunftsersuchens nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 erlangen können; dies gelte insbesondere für den dritten Nachprüfungsbeschluss. Wiederholte Nachprüfungen müssten nämlich durch besonders schwerwiegende Gründe gerechtfertigt sein.

191    Nach Ansicht der Kommission ist das gesamte Vorbringen der Klägerinnen als unbegründet zurückzuweisen.

192    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Handlungen der Unionsorgane nicht über die Grenzen dessen hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 13, und vom 14. Juli 2005, Niederlande/Kommission, C‑180/00, Slg. 2005, I‑6603, Randnr. 103).

193    Bei einem Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, dürfen, damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, die beabsichtigten Maßnahmen nicht zu Nachteilen führen, die angesichts der mit der fraglichen Nachprüfung verfolgten Ziele übermäßig und untragbar sind (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 76). Die von der Kommission zu treffende Wahl zwischen einer Nachprüfung durch schlichten Auftrag und einer durch Beschluss angeordneten Nachprüfung hängt allerdings nicht von Umständen wie dem besonderen Ernst der Lage, der außerordentlichen Dringlichkeit oder der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung ab, sondern von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung. Folglich verletzt ein Nachprüfungsbeschluss nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er es der Kommission nur erlauben soll, die nötigen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage einer Verletzung des Vertrags zusammenzutragen (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteile National Panasonic/Kommission, oben in Randnr. 171 angeführt, Randnrn. 28 bis 30, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 77).

194    Es ist grundsätzlich Sache der Kommission, zu beurteilen, ob eine Auskunft zur Ermittlung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erforderlich ist; selbst wenn ihr hierfür bereits Indizien oder gar Beweise vorliegen, kann sie daher zu der Annahme berechtigt sein, dass die Anordnung zusätzlicher Nachprüfungen erforderlich ist, um es ihr zu ermöglichen, die Zuwiderhandlung oder ihre Dauer genauer zu bestimmen (vgl., zur Verordnung Nr. 17, Urteile Orkem/Kommission, oben in Randnr. 82 angeführt, Randnr. 15, und Roquette Frères, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 78).

195    Die von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente sind im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

196    Zunächst sind die in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Rügen der Klägerinnen, die zum einen dahin gehen, dass bei der Überprüfung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit des ersten Nachprüfungsbeschlusses auch die Art der Hinweise geprüft werden müsse, über die die Kommission verfügt habe, und zum anderen dahin, dass die die zweite Nachprüfung betreffenden und bei der ersten Nachprüfung zur Seite gelegten Dokumente nicht in einem versiegelten Büro hätten zwischengelagert werden dürfen, im Einklang mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung als verspätet zurückzuweisen.

197    Nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nämlich nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, können im vorliegenden Fall die von den Klägerinnen vorgebrachten Rügen nicht als eine Erweiterung der zuvor unmittelbar oder implizit im verfahrenseinleitenden Schriftstück vorgetragenen Klagegründe angesehen werden, die mit ihnen in engem Zusammenhang steht. Folglich sind diese Rügen für unzulässig zu erklären.

198    Infolgedessen besteht insbesondere kein Anlass, dem Antrag der Klägerinnen stattzugeben, die Kommission möge die Hinweise vorlegen, die sich vor der ersten Nachprüfung in ihrem Besitz befunden hätten.

199    Zu den übrigen von den Klägerinnen vorgebrachten Rügen ist als Erstes festzustellen, dass sie eine Reihe von Argumenten vortragen, mit denen dargetan werden soll, dass die Kommission für die Durchführung einer Nachprüfung in ihren Räumlichkeiten nicht zuständig gewesen sei, weil es auf nationaler Ebene spezialgesetzliche Normen zur Regelung des Verkehrssektors gebe. Außerdem seien die Nachprüfungen nicht verhältnismäßig, weil sich die Kommission alle erforderlichen Informationen über die nationalen Stellen hätte beschaffen können, die in der Vergangenheit eine Reihe von Entscheidungen und Urteilen zu denselben Verhaltensweisen erlassen hätten.

200    Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Erfüllung der ihr durch den Vertrag zugewiesenen Aufgabe nicht an eine Entscheidung gebunden sein kann, die ein nationales Gericht in Anwendung der Art. 101 Abs. 1 AEUV und 102 AEUV erlässt. Sie ist somit befugt, jederzeit Einzelentscheidungen zur Anwendung der Art. 101 AEUV und 102 AEUV zu treffen, auch wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise bereits Gegenstand einer Entscheidung eines nationalen Gerichts ist und die von der Kommission ins Auge gefasste Entscheidung dazu im Widerspruch steht (vgl. Urteile des Gerichts France Télécom/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 79, und vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission, T‑271/03, Slg. 2008, II‑1747, Randnr. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

201    In Randnr. 263 des Urteils Deutsche Telekom/Kommission (oben in Randnr. 200 angeführt) hat das Gericht auch bestätigt, dass das Bestehen sektorspezifischer Regelungen für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Entscheidung der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs ohne Bedeutung ist. Dieser Grundsatz gilt für einen Nachprüfungsbeschluss ebenso wie für eine abschließende Entscheidung.

202    Schließlich hat das Gericht in seinen Urteilen France Télécom/Kommission (oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 79, 80 und 86) und CB/Kommission (oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 48) festgestellt, dass vorangegangene Zusammenkünfte zwischen der Kommission und den Klägern oder der Umstand, dass sich eine nationale Behörde der Sache angenommen hatte, die Ermittlungsbefugnisse, mit denen die Kommission nach der Verordnung Nr. 1/2003 ausgestattet ist, nicht berühren konnten.

203    Zweitens ist im Einklang mit der Kommission hervorzuheben, dass kein Grund für die Annahme besteht, die nationalen Stellen hätten im Zuge der von den Klägerinnen angeführten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren alle einschlägigen Fragen geprüft und sämtliches Tatsachenmaterial zusammengetragen. Wie im Übrigen aus Unterlagen in der Akte, deren Richtigkeit die Klägerinnen nicht bestritten haben, hervorgeht, fanden zwischen ihnen und den nationalen Behörden lediglich Gespräche über die Bahnstromversorgung statt. Folglich haben das BKartA und die BNetzA insoweit nie ein förmliches Ermittlungsverfahren eröffnet.

204    Drittens hat die Kommission eine Reihe von den Klägerinnen nicht in Abrede gestellter Tatsachen vorgetragen. So betreffe das von ihnen angeführte Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, mit dem hinsichtlich des Rabattsystems die Rüge eines Verstoßes gegen die nationalen Wettbewerbsregeln zurückgewiesen worden sei, nur das nationale Wettbewerbsrecht, nicht aber das Unionsrecht. Ferner sei dieses Urteil nur deshalb rechtskräftig geworden, weil sich die Berufungsbeklagte in jenem Verfahren und die Klägerinnen während des Revisionsverfahrens außergerichtlich verglichen hätten. Im Übrigen habe das BKartA im Rahmen dieses Revisionsverfahrens ausdrücklich den wettbewerbswidrigen Charakter des betreffenden Rabattsystems geltend gemacht, was die Angabe der Klägerinnen erschüttere, dass die nationalen Behörden das Rabattsystem validiert hätten. Außerdem sei dieses Urteil im Jahr 2006 ergangen und habe in das Jahr 2003 zurückreichende Ereignisse betroffen, während die Ermittlungen der Kommission auch die jüngere Zeit beträfen. Schließlich stehe dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ein unmittelbar danach ergangenes Urteil desselben Gerichts entgegen, das den außergerichtlichen Vergleich in der erstgenannten Rechtssache erklären dürfte.

205    In Anbetracht der vorstehenden Randnrn. 199 bis 204 ist daher das gesamte Vorbringen, mit dem die Unzuständigkeit der Kommission oder die Unverhältnismäßigkeit der Nachprüfungen aufgrund des Vorliegens früherer nationaler Entscheidungen dargetan werden soll, als unbegründet zurückzuweisen.

206    Als Zweites ist zum Vorbringen der Klägerinnen, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 im vorliegenden Fall ausreichend gewesen wäre, festzustellen, dass die drei angeordneten Nachprüfungen angesichts ihres Kontexts nicht unverhältnismäßig erscheinen.

207    Erstens hängt nämlich nach der oben in den Randnrn. 193 und 194 angeführten Rechtsprechung die Wahl der Kommission zwischen einer durch Beschluss angeordneten Nachprüfung und einer anderen, weniger belastenden Untersuchungsmaßnahme von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragenden Untersuchung ab. Außerdem ist es Sache der Kommission, zu beurteilen, ob eine Auskunft zur Ermittlung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erforderlich ist. Darüber hinaus wären die Ermittlungsbefugnisse der Kommission nutzlos, wenn sie sich darauf beschränken müsste, die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, die sie schon im Voraus genau bezeichnen kann. Ein solches Recht impliziert vielmehr die Befugnis, nach anderen Informationsquellen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind (Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 27, und Urteil Ventouris/Kommission, oben in Randnr. 128 angeführt, Randnr. 122). Folglich verfügt die Kommission bei der Wahl der Untersuchungsmaßnahme notwendigerweise über ein gewisses Ermessen.

208    Zweitens ist im vorliegenden Fall zum ersten Nachprüfungsbeschluss zunächst im Einklang mit der Kommission festzustellen, dass sie zum Zweck einer angemessenen Untersuchung des Falles diese Nachprüfung durchführen durfte, da zu den gesuchten Informationen Hinweise auf eine mögliche Absicht der Verdrängung von Wettbewerbern durch eine ungerechtfertigte Bevorzugung von Konzerngesellschaften im Wege eines Rabattsystems für die Lieferung von Bahnstrom gehörten. Es ist nämlich schwer vorstellbar, dass sich die Kommission diese Informationen gegebenenfalls anders als durch eine Nachprüfung hätte verschaffen können. Wie sie zutreffend ausführt, stellt ein Auskunftsersuchen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht sicher, dass ihr die Unternehmen belastende Unterlagen wie E‑Mails übermitteln.

209    Ferner ist festzustellen, dass die als öffentlich verfügbar angeführten Dokumente, d. h. der Belieferungsvertrag für Bahnstrom, nicht ausreichten, um das Vorliegen und die Umrisse einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV genau zu ermitteln. Wie die Kommission hervorhebt, war anhand der im Internet verfügbaren Informationen nämlich insbesondere nicht ersichtlich, welche Unternehmen tatsächlich in den Genuss von Rabatten gelangten und wie hoch diese waren. Ebenso wenig ließen sich ihnen die Marktstrategie des Unternehmens und deren Auswirkungen entnehmen. Es ist jedoch wichtig, das Vorliegen einer aktiven wettbewerbswidrigen Strategie des Unternehmens zu belegen, denn das Vorliegen einer solchen Strategie ermöglicht es zum einen, einzelne Sachverhaltsumstände aufzuklären, die sich dann als missbräuchlich einordnen lassen, und kann zum anderen – worauf die Kommission hinweist – einen erschwerenden Umstand darstellen. Dies wird im Übrigen von den Klägerinnen bestätigt, wenn sie in der Erwiderung ausführen, dass die gesuchten Informationen nicht als solche vorlägen, da sie die Zusammenstellung vorhandener, aber nicht frei verfügbarer Unterlagen erforderten.

210    Insoweit ist auch das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, dass die Notwendigkeit einer Zusammenstellung von Informationen eher ein Auskunftsersuchen erfordere als eine Nachprüfung. Da diese Informationen nicht frei verfügbar waren, blieb nämlich die Gefahr einer Vernichtung von Beweisen bestehen. Im Übrigen ist der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass die Kommission in früheren Sachen anders vorgegangen sein mag, um die Geschäftsstrategie der betreffenden Unternehmen in Erfahrung zu bringen, als solcher nicht geeignet, die Befugnis der Kommission einzuschränken, in den vorliegenden Sachen eine Nachprüfung durchzuführen. Jedenfalls haben die Klägerinnen insoweit weder angegeben, auf welche früheren Sachen sie Bezug nehmen, noch konkrete Anhaltspunkte vorgetragen, die einen Vergleich zwischen den dortigen und den hier vorliegenden Umständen ermöglichen würden.

211    Zu dem Vorbringen, dass für die Feststellung, ob ein von Art. 102 AEUV erfasstes Verhalten objektiv gerechtfertigt sei, interne Unterlagen wie die subjektiven Einschätzungen von Mitarbeitern unerheblich seien, ist festzustellen, dass es bei der Nachprüfung a priori nicht in erster Linie darum ging, Aussagen von Mitarbeitern zu sammeln. Jedenfalls kann es je nach den Umständen des Einzelfalls unerlässlich sein, auf Aussagen von Mitarbeitern zurückzugreifen, um gewisse Einschätzungen zu Tatsachen zu erhalten, die mit der Tätigkeit oder der Strategie des Unternehmens in Zusammenhang stehen.

212    Was schließlich das Argument betrifft, dass ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ausreichend gewesen wäre, da die Kommission am 4. August 2011 ein solches Ersuchen gestellt habe – d. h., da die Kommission im Lauf des Verfahrens auf anderem Weg als durch eine Nachprüfung Informationen von den Klägerinnen habe erlangen können –, hat die Kommission zu Recht betont, dass das von ihr nach der zweiten und der dritten Nachprüfung gestellte Auskunftsersuchen ohne Belang für die Feststellung ist, ob diese Nachprüfungen im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Ermittlung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV gerechtfertigt waren.

213    Drittens ist in Bezug auf den zweiten und den dritten Nachprüfungsbeschluss festzustellen, dass die Klägerinnen kein neues Argument gegenüber ihrem Vorbringen anführen, auf das sie im Zusammenhang mit dem ersten Nachprüfungsbeschluss ihre Rüge stützen, dass ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ausgereicht hätte. Allenfalls machen sie zum dritten Nachprüfungsbeschluss geltend, dass wiederholte Nachprüfungen durch besonders schwerwiegende Gründe gerechtfertigt sein müssten.

214    Jedenfalls ist zunächst festzustellen, dass zumindest einige der Elemente, nach denen im Rahmen des zweiten und des dritten Nachprüfungsbeschlusses gesucht wurde, auf die Absicht, eine Zuwiderhandlung zu begehen, hindeuteten und sich in den Geschäftsräumen der Klägerinnen befinden konnten. Diesen Beschlüssen ist zu entnehmen, dass es sich um Anhaltspunkte für verschiedene, die Wettbewerber diskriminierende Verhaltensweisen von DUSS handelt, insbesondere die Gewährung eines ungeeigneten Zugangs zu Terminals, das Angebot weniger effizienter Dienstleistungen und die Verweigerung des Zugangs zu Terminals. Es ist im vorliegenden Fall, insbesondere angesichts der Risiken, die das Unternehmen im Fall der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV eingeht, aber schwer vorstellbar, dass der Kommission solche Anhaltspunkte im Rahmen eines Auskunftsersuchens gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 freiwillig übermittelt werden.

215    Sodann gelten die oben in den Randnrn. 209 und 211 dargelegten Erwägungen zu der Bedeutung, die der Nachweis des Vorliegens einer aktiven wettbewerbswidrigen Strategie des Unternehmens hat, und zu den subjektiven Einschätzungen von Mitarbeitern auch für den zweiten und den dritten Nachprüfungsbeschluss. Im Übrigen war die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen für die Durchführung einer Nachprüfung zuständig und brauchte sich nicht mit den nationalen Stellen abzustimmen (siehe oben, Randnrn. 199 bis 205).

216    Was schließlich das Argument betrifft, dass wiederholte Nachprüfungen durch besonders schwerwiegende Gründe gerechtfertigt sein müssten, so trifft es zu, dass sich die Kommission im Fall wiederholter Nachprüfungen vor deren Durchführung im Besitz bestimmter, im Zuge vorangegangener Nachprüfungen erlangter Informationen befindet. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bedeutet dies aber nicht, dass die Kommission die von ihr für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Informationen durch ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 erlangen müsste oder dass nur besonders schwerwiegende Gründe eine erneute Nachprüfung rechtfertigen können. Der oben in den Randnrn. 193 und 194 angeführten Rechtsprechung ist nämlich zu entnehmen, dass die von der Kommission zu treffende Wahl zwischen einer durch Beschluss angeordneten Nachprüfung und einer anderen Untersuchungsmaßnahme nicht notwendigerweise von Umständen wie dem besonderen Ernst der Lage, der außerordentlichen Dringlichkeit oder der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung abhängt, sondern von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung. Daher kann die Kommission zu der Annahme berechtigt sein, dass die Anordnung zusätzlicher Nachprüfungen erforderlich ist, um das Vorliegen der mutmaßlichen Zuwiderhandlung nachzuweisen, selbst wenn sie bereits über Indizien oder gar Beweise für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung verfügt, die sie im Zuge früherer Nachprüfungen erlangt hat.

217    In Anbetracht der oben in den Randnrn. 206 bis 216 dargelegten Erwägungen ist das gesamte Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, mit dem sie geltend machen, dass ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 im vorliegenden Fall ausreichend gewesen wäre und daher die Nachprüfungsbeschlüsse unverhältnismäßig seien.

218    Als Drittes kann das Vorbringen der Klägerinnen, dass es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer echten Gefahr der Vernichtung oder Verschleierung von Beweisen im Fall eines Auskunftsersuchens gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gebe, keinen Erfolg haben.

219    Erstens ergibt sich eine solche Einschränkung weder aus der Verordnung Nr. 1/2003 noch aus der Rechtsprechung. Zweitens handelt es sich entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht um den einzigen Grund für den Beschluss der Kommission, Nachprüfungen durchzuführen, denn der Hauptgrund war die Suche nach etwaigen im Besitz der Klägerinnen befindlichen Hinweisen, die insbesondere auf eine mögliche Strategie der Verdrängung von Wettbewerbern hätten hindeuten können. Drittens ist unter den Umständen des vorliegenden Falles aus den oben in den Randnrn. 208 bis 214 angegebenen Gründen das Vorbringen zurückzuweisen, dass es keine Anhaltspunkte für eine Gefahr der Vernichtung von Beweisen gebe. Viertens lässt die Existenz des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (siehe oben, Randnr. 204) nicht den von den Klägerinnen gezogenen Schluss zu, dass keine Gefahr der Vernichtung von Daten bestanden habe.

220    Als Viertes ist zur Rüge eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung darauf hinzuweisen, dass der u. a. in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtsordnung der Union geschützt sind.

221    Im vorliegenden Fall geht aus dem zehnten Erwägungsgrund des ersten Nachprüfungsbeschlusses hervor, dass die Kommission, um die Gefahr zu belegen, dass die betroffenen Unternehmen Beweismaterial verbergen oder vernichten könnten, in der Tat auf den Beschluss des Gerichtshofs vom 27. April 1999, Deutsche Bahn/Kommission (C‑436/97 P, Slg. 1999, I‑2387), sowie auf das Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission (T‑229/94, Slg. 1997, II‑1689), Bezug nimmt, in denen ein Verstoß der Klägerinnen gegen Art. 102 AEUV aufgrund ihrer Tarifpraktiken in Verbindung mit weiteren Umständen bestätigt wird. Die Erläuterung der Kommission, mit der Bezugnahme auf diese Rechtssachen habe nur hervorgehoben werden sollen, dass die Klägerinnen sich der möglichen Konsequenzen der Feststellung einer Zuwiderhandlung zwangsläufig bewusst gewesen seien und daher hätten Anlass haben können, im Fall eines Auskunftsersuchens gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 Beweismaterial zu vernichten, ist plausibel. Dieser Umstand kann zudem für die zwischen den verschiedenen Untersuchungsmaßnahmen zu treffende Wahl relevant sein. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der erste, der zweite und der dritte Nachprüfungsbeschluss Beschlüsse sind, mit denen eine Nachprüfung angeordnet wird, und dass sie daher weder eine Sanktion noch irgendein anderes Element einer Schuldfeststellung enthalten. Unter diesen Umständen ist die Rüge eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung als unbegründet zurückzuweisen.

222    Als Fünftes genügt zu dem Vorbringen der Klägerinnen, sie verstünden nicht, weshalb die Kommission, obwohl ihr die Existenz dieses Rabattsystems seit 2006 bekannt gewesen sei, mit der Nachprüfung mehr als fünf Jahre gewartet habe, zum einen die Feststellung, dass die Kommission zwar – wie die Klägerinnen geltend machen – über Informationen verfügt haben mag, die sie seit dem Jahr 2006 zur Durchführung von Nachprüfungen berechtigt hätten, doch hat dies keine Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit der Nachprüfungen. Zum anderen ist es Sache der Kommission, die Zweckmäßigkeit der Einleitung einer Untersuchung zu beurteilen, wobei die Verjährungsvorschriften dazu dienen, die Unternehmen zu schützen.

223    Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die Kommission in der vorliegenden Rechtssache in einer außer Verhältnis zum verfolgten Ziel stehenden Weise vorgegangen wäre und dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hätte, da der Rückgriff auf Nachprüfungen gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 im Licht der Besonderheiten des Einzelfalls angemessen war.

224    Unter diesen Umständen ist der fünfte Klagegrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten und zum vierten Antrag

225    Mit ihrem dritten und ihrem vierten Antrag fordern die Klägerinnen das Gericht zum einen auf, jede Maßnahme für nichtig zu erklären, die auf der Grundlage der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Nachprüfungen getroffen wurde, und zum anderen, der Kommission die Rückgabe sämtlicher Kopien von Dokumenten aufzugeben, die im Rahmen der Nachprüfungen angefertigt wurden.

226    Zum dritten Antrag ist festzustellen, dass es in diesem Stadium nicht möglich ist, den Gegenstand des Antrags der Klägerinnen mit hinreichender Genauigkeit zu bestimmen. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, ob er auf anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV gerichtet ist. Der dritte Antrag ist daher für unzulässig zu erklären, da er nicht als hinreichend genau im Sinne von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung angesehen werden kann.

227    Zum vierten Antrag ist festzustellen, dass die Klägerinnen, wie die Kommission geltend macht, mit dem Ersuchen, das Gericht möge über die Folgen der Nichtigerklärung der Nachprüfungsbeschlüsse entscheiden, eine die Wirkungen eines etwaigen Nichtigkeitsurteils betreffende Feststellung begehren, die auch eine Anordnung an die Kommission hinsichtlich der Umsetzung dieses Urteils darstellen würde. Da das Gericht aber im Rahmen der auf Art. 263 AEUV beruhenden Rechtmäßigkeitskontrolle weder befugt ist, Feststellungsurteile zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 9. Dezember 2003, Italien/Kommission, C‑224/03, Slg. 2003, I‑14751, Randnrn. 20 bis 22), noch Anordnungen treffen kann, auch wenn sie sich auf die Modalitäten der Durchführung seiner Urteile beziehen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. Oktober 1995, Pevasa und Inpesca/Kommission, C‑199/94 P und C‑200/94 P, Slg. 1995, I‑3709, Randnr. 24), ist der vierte Antrag der Klägerinnen für unzulässig zu erklären (Urteil des Gerichts vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, Slg. 2009, II‑145, Randnr. 23).

228    Nach alledem sind die vorliegenden Klagen insgesamt abzuweisen.

 Kosten

229    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen in den Rechtssachen T‑289/11, T‑290/11 und T‑521/11 mit ihren Anträgen unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen der Kommission in jeder dieser Rechtssachen die Kosten aufzuerlegen.

230    Der Rat, die EFTA-Überwachungsbehörde und das Königreich Spanien tragen nach Art. 87 § 4 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klagen werden abgewiesen.

2.      Die Deutsche Bahn AG, die DB Mobility Logistics AG, die DB Energie GmbH, die DB Netz AG, die DB Schenker Rail GmbH, die DB Schenker Rail Deutschland AG und die Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) mbH tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Der Rat der Europäischen Union, die EFTA-Überwachungsbehörde und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.


Pelikánová

Jürimäe

van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. September 2013.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Erste Nachprüfung

Erster Nachprüfungsbeschluss

Ablauf der ersten Nachprüfung

Zweite Nachprüfung

Zweiter Nachprüfungsbeschluss

Ablauf der zweiten Nachprüfung

Dritte Nachprüfung

Dritter Nachprüfungsbeschluss

Ablauf der dritten Nachprüfung

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

Erster Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aufgrund des Fehlens einer vorherigen richterlichen Genehmigung

Zulässigkeit

Begründetheit

Zweiter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen in Anbetracht von Regelwidrigkeiten beim Ablauf der ersten Nachprüfung

Zur gründlichen Durchsuchung des Büros von Herrn M.

Zu den streitigen Dokumenten und Stichwörtern

Zum Verhalten der Kommission vor Beginn der ersten Nachprüfung

Vierter Klagegrund: Beschreibung des Gegenstands der Nachprüfungen im ersten, im zweiten und im dritten Nachprüfungsbeschluss

Erster Nachprüfungsbeschluss

Zweiter und dritter Nachprüfungsbeschluss

Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Zum dritten und zum vierten Antrag

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.