Language of document : ECLI:EU:C:2018:440

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

14. Juni 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 34 und 35 AEUV – Freier Warenverkehr – Mengenmäßige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Schutz von Schweinen – In Spanien hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse – Qualitätsnorm für Fleisch, Schinken, Schulter und Lende vom iberischen Schwein – Bedingungen für die Verwendung der Bezeichnung ‚de cebo‘ – Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse – Richtlinie 2008/120/EG – Geltungsbereich“

In der Rechtssache C‑169/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 27. Februar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2017, in dem Verfahren

Asociación Nacional de Productores de Ganado Porcino

gegen

Administración del Estado

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund, J.‑C. Bonichot, S. Rodin (Berichterstatter) und E. Regan,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Asociación Nacional de Productores de Ganado Porcino, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo, abogado, und N. Olmos Castro, abogada,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch M. A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Patakia und I. Galindo Martín als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 34 und 35 AEUV sowie von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Art. 12 der Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen (ABl. 2009, L 47, S. 5).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Asociación Nacional de Productores de Ganado Porcino (im Folgenden: Asociación) und der Administración del Estado (Staatliche Verwaltung, Spanien) wegen eines von der spanischen Regierung angenommenen Königlichen Dekrets über den Erlass der Qualitätsnorm für Fleisch, Schinken, Schulter und Lende vom iberischen Schwein.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 7 und 8 der Richtlinie 2008/120 lauten:

„(7)      Es erweist sich daher als notwendig, gemeinsame Mindestanforderungen für den Schutz von Zucht- und Mastschweinen festzulegen, um eine rationelle Entwicklung der Erzeugung zu gewährleisten.

(8)      Schweine sollten in einem Umfeld leben, das es ihnen gestattet, ihren Bewegungs- und Spürtrieb zu befriedigen. Wegen akuten Platzmangels findet in den derzeitigen Haltungssystemen keine artgerechte Haltung der Schweine statt.“

4        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Mit dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen festgelegt, die zum Zweck der Aufzucht und Mast gehalten werden.“

5        In Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Betriebe den nachstehenden Anforderungen genügen:

a)      Jedem Absatzferkel oder Mastschwein/Zuchtläufer, außer gedeckten Jungsauen und Sauen, muss in Gruppenhaltung mindestens folgende uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche zur Verfügung stehen:

Lebendgewicht (kg)

m2

bis 10

0,15

> 10 bis 20

0,20

> 20 bis 30

0,30

> 30 bis 50

0,40

> 50 bis 85

0,55

> 85 bis 110

0,65

über 110

1,00

…“

6        Art. 12 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten können jedoch in ihrem Gebiet unter Beachtung der allgemeinen Vorschriften des [AEU]‑Vertrags strengere Bestimmungen für den Schutz von Schweinen beibehalten oder zur Anwendung bringen, als sie in dieser Richtlinie vorgesehen sind. Sie unterrichten die Kommission über alle diesbezüglichen Maßnahmen.“

 Spanisches Recht

7        Art. 1 des Real Decreto 4/2014 por el que se aprueba la norma de calidad para la carne, el jamón, la paleta y la caña de lomo ibérico (Königliches Dekret 4/2014 über den Erlass der Qualitätsnorm für Fleisch, Schinken, Schulter und Lende vom iberischen Schwein) vom 10. Januar 2014 (BOE Nr. 10 vom 11. Januar 2014, S. 1569) lautet:

„Mit diesem Königlichen Dekret werden Qualitätsmerkmale festgelegt, die Erzeugnisse, die aus der Zerlegung von geschlachteten iberischen Schweinen gewonnen und frisch verarbeitet oder vermarktet werden, wie iberischer Schinken, iberische Schulter, iberische Lende, jeweils in Spanien verarbeitet oder vermarktet, aufweisen müssen, damit die in der vorliegenden Norm festgelegten Verkaufsbezeichnungen verwendet werden dürfen; die Einhaltung der darauf anwendbaren allgemeinen Regelung bleibt unberührt.

Ebenso werden in Portugal hergestellte Erzeugnisse auf der Grundlage der zwischen den Behörden Spaniens und Portugals geschlossenen Vereinbarungen über die Herstellung, Verarbeitung, Vermarktung und Kontrolle iberischer Erzeugnisse zugelassen.

Außerdem müssen Erzeugnisse, die mit einem auf Gemeinschaftsebene anerkannten Qualitätslabel (geschützte Ursprungsbezeichnung und geschützte geografische Angabe) geschützt werden und für die die in der vorliegenden Norm geregelten Verkaufsbezeichnungen oder einer der darin enthaltenen Begriffe verwendet werden sollen, den Anforderungen dieser Norm genügen.“

8        In Art. 3 Abs. 1 des Königlichen Dekrets heißt es:

„Die Verkaufsbezeichnung der mit diesem Königlichen Dekret geregelten Erzeugnisse setzt sich zwingend aus drei Bezeichnungen zusammen, die in der unten angegebenen Reihenfolge angegeben werden müssen:

a)      Bezeichnung nach der Art des Erzeugnisses:

i)      für verarbeitete Erzeugnisse: …

ii)      für frisch vermarktete Erzeugnisse aus der Zerlegung des Schlachtkörpers: …

b)      Bezeichnung nach der Fütterung und Haltung:

i)      ‚de bellota‘: für Erzeugnisse aus Tieren, die unmittelbar nach einer ausschließlichen Nutzung von natürlichen, aus Hutewäldern gewonnenen Ressourcen geschlachtet wurden.

ii)      Für Erzeugnisse aus Tieren, deren Fütterung und Haltung bis zum Erreichen des Schlachtgewichts nicht unter die vorstehende Ziffer fällt, werden folgende Bezeichnungen verwendet:

1.      ‚de cebo de campo‘: bei Tieren, denen zwar Ressourcen aus Hutewäldern oder Weideflächen zur Verfügung standen, die aber auch mit im Wesentlichen aus Getreide und Hülsenfrüchten bestehendem Futter gefüttert wurden und die in extensiven oder intensiven Betrieben im Freien – wobei ein Teil der Fläche überdacht sein kann – gehalten wurden. …

2.      ‚de cebo‘: bei Tieren, die mit im Wesentlichen aus Getreide und Hülsenfrüchten bestehendem Futter gefüttert wurden und die in Systemen intensiven Betriebs gemäß Art. 8 gehalten wurden.

c)      Bezeichnung nach der Rasse …

…“

9        Art. 8 Abs. 1 und 2 („Bedingungen für die Haltung von Tieren, aus denen Erzeugnisse mit der Bezeichnung ‚de cebo‘ hergestellt werden“) des Königlichen Dekrets bestimmt:

„1.      Unbeschadet der Zuchtbedingungen, die mit dem [Real Decreto 1135/2002 relativo a las normas mínimas para la protección de cerdos (Königliches Dekret 1135/2002 über Mindestnormen für den Schutz von Schweinen) vom 31. Oktober 2002 (BOE Nr. 278 vom 20. November 2002)] aufgestellt werden, müssen zur Fleischerzeugung bestimmte Tiere mit mehr als 110 kg Lebendgewicht, aus denen Erzeugnisse mit der Bezeichnung ‚de cebo‘ hergestellt werden, in der Phase ihrer Mast über eine freie Bodenfläche von mindestens 2 m2 pro Tier verfügen.

2.      Das Mindestalter bei der Schlachtung beträgt zehn Monate.“

10      Die dritte Zusatzbestimmung des Königlichen Dekrets lautet:

„Die mit der angenommenen Qualitätsnorm festgelegten Erfordernisse gelten weder für Erzeugnisse, die nach anderen Spezifikationen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtmäßig hergestellt oder vermarktet werden, noch für Erzeugnisse mit Ursprung in Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), noch für Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), noch für Staaten, die mit der Europäischen Union ein Assoziierungsabkommen in Bezug auf Zölle abgeschlossen haben.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Die Asociación hat beim vorlegenden Gericht, dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), gegen das Königliche Dekret 4/2014 eine ordentliche verwaltungsgerichtliche Klage erhoben.

12      Zur Stützung ihrer Klage machte sie geltend, das in Rede stehende Königliche Dekret führe zu einer Wettbewerbsverzerrung auf Unionsebene, indem es eine Erhöhung der Kosten für die Erzeugung von iberischem Schwein in Spanien erzwinge. Diese Regelung stelle somit eine mit Art. 35 AEUV unvereinbare mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung dar, da in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene konkurrierende Erzeuger keine Kosten aufgrund einer Maßnahme wie der von der spanischen Regierung erlassenen zu tragen hätten.

13      Außerdem brachte die Asociación beim vorlegenden Gericht vor, das Königliche Dekret 4/2014 verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 12 der Richtlinie 2008/120, da die damit eingeführten Maßnahmen nicht den Schutz der Schweine bezweckten, sondern eine Erhöhung der Preise für iberisches Schwein zum Ziel hätten.

14      Des Weiteren könne das ausdrücklich mit dem Königlichen Dekret 4/2014 verfolgte Ziel der Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse nicht durch die darin vorgesehenen Maßnahmen erreicht werden, da zum einen nicht erwiesen sei, dass die Verdoppelung der pro Tier mindestens uneingeschränkt benutzbaren Bodenfläche die Qualität der Schweine verbessere, und da zum anderen die Festlegung des Mindestalters für die Schlachtung auf zehn Monate, obwohl das Idealgewicht für die Schlachtung von Schweinen bei ungefähr acht Monaten erreicht sei, dazu führe, dass Erzeugnisse mit einem zu hohen Gewicht zum Verkauf angeboten würden, die auf dem Absatzmarkt nicht akzeptiert würden und für die kein höherer Preis im Verhältnis zum höheren Gewicht zu erzielen sei.

15      Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass die spanischen Erzeuger von Erzeugnissen mit der Bezeichnung „ibérico de cebo“ im Verhältnis zu anderen Erzeugern der Union benachteiligt seien, da sie höhere Produktionskosten als diese zu tragen hätten. Zudem würden die Erzeuger der Union davon abgehalten, ihre Erzeugnisse nach Spanien auszuführen, da sie diese Bezeichnung für ihre Erzeugnisse nicht erhalten könnten, weil diese nicht aus Schweinen gewonnen worden seien, die entsprechend den mit dem Königlichen Dekret 4/2014 aufgestellten Voraussetzungen gezüchtet worden seien. Allerdings sei festzustellen, dass Spanien nach der dritten Zusatzbestimmung dieses Königlichen Dekrets verpflichtet sei, in seinem Hoheitsgebiet die Vermarktung von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zuzulassen, die vergleichbar, ähnlich oder gleich bezeichnet seien, selbst wenn sie nicht den Erfordernissen des Königlichen Dekrets entsprechend hergestellt worden seien, sofern sie die Qualitätsstandards dieser anderen Mitgliedstaaten einhielten.

16      Darüber hinaus äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob die Richtlinie 2008/120 eine gültige Rechtsgrundlage für das Königliche Dekret 4/2014 darstellt, da Art. 12 der Richtlinie den Erlass strengerer Maßnahmen nur zum besseren Schutz der Tiere gestatte, wohingegen dieses Königliche Dekret nicht den Schutz der Schweine, sondern die Verbesserung der Produktqualität bezwecke. Jedenfalls hegt das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit dieses Königlichen Dekrets mit Art. 12 der Richtlinie 2008/120, da dieser Artikel nur im nationalen Hoheitsgebiet geltende restriktivere Maßnahmen erlaube.

17      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Art. 34 und 35 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift wie Art. 8 Abs. 1 des Königlichen Dekrets 4/2014 entgegenstehen, die die Verwendung der Bezeichnung „ibérico“ für in Spanien hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse davon abhängig macht, dass diejenigen, die Schweine der iberischen Rasse in Intensivzuchtbetrieben (für Schweine) züchten, die für jedes Tier von über 110 kg Lebendgewicht mindestens verfügbare freie Bodenfläche auf 2 m² erweitern, auch wenn sich – gegebenenfalls – bestätigt, dass mit dieser Maßnahme eine Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse, auf die in der Vorschrift Bezug genommen wird, bezweckt wird?

2.      Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/120 in Verbindung mit ihrem Art. 12 dahin auszulegen, dass diese Vorschriften einer nationalen Vorschrift wie Art. 8 Abs. 1 des Königlichen Dekrets 4/2014, die die Verwendung der Bezeichnung „ibérico“ für in Spanien hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse davon abhängig macht, dass diejenigen, die Schweine der iberischen Rasse in Intensivzuchtbetrieben (für Schweine) züchten, die für jedes Tier von über 110 kg Lebendgewicht mindestens verfügbare freie Bodenfläche auf 2 m² erweitern, auch wenn mit der nationalen Vorschrift eine Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse und nicht speziell ein verbesserter Schutz der Schweine bezweckt wird?

Wenn die vorstehende Frage verneint wird: Ist Art. 12 der Richtlinie 2008/120 in Verbindung mit den Art. 34 und 35 AEUV dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass mit einer nationalen Vorschrift wie Art. 8 Abs. 1 des Königlichen Dekrets 4/2014 von Erzeugern aus anderen Mitgliedstaaten zum Zweck einer Verbesserung der Qualität der in Spanien hergestellten oder vermarkteten Erzeugnisse – und nicht des Schutzes von Schweinen – verlangt wird, dass sie dieselben Bedingungen für die Zucht von Tieren erfüllen, die von spanischen Erzeugern verlangt werden, damit die aus ihren Schweinen hergestellten Erzeugnisse die in diesem Königlichen Dekret geregelten Verkaufsbezeichnungen führen können?

3.      Sind die Art. 34 und 35 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift wie Art. 8 Abs. 2 des Königlichen Dekrets 4/2014 entgegenstehen, mit der für Schweine, mit denen Erzeugnisse der Kategorie „de cebo“ hergestellt werden, zum Zweck einer Verbesserung der Qualität dieser Erzeugnisse ein Mindestschlachtalter von zehn Monaten vorgeschrieben wird?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur dritten Frage

18      Mit der ersten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 34 und 35 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der die Verkaufsbezeichnung „ibérico de cebo“ nur für Erzeugnisse verwendet werden darf, die bestimmte Voraussetzungen nach dieser Regelung erfüllen.

 Zu Art. 34 AEUV

19      Zunächst ist festzustellen, dass die Europäische Kommission die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zur Vereinbarkeit des Königlichen Dekrets 4/2014 mit dem Unionsrecht in Abrede stellt, da zum einen die Klägerin des Ausgangsverfahrens diesen Nichtigkeitsgrund vor dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nicht vorgetragen habe und zum anderen die Merkmale des Ausgangsrechtsstreits sämtlich nicht über die Grenzen des Mitgliedstaats hinauswiesen.

20      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen hat (Urteil vom 21. Juni 2016, New Valmar, C‑15/15, EU:C:2016:464, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Zum anderen ist jede innerstaatliche Maßnahme, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2012, Elenca, C‑385/10, EU:C:2012:634, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Oktober 2015, Capoda Import-Export, C‑354/14, EU:C:2015:658, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs erfasst diese Bestimmung nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die potenziellen Wirkungen einer Regelung. Ihrer Anwendung steht nicht entgegen, dass bislang kein konkreter Fall aufgetreten ist, der eine Verbindung mit einem anderen Mitgliedstaat aufweist (Urteil vom 22. Oktober 1998, Kommission/Frankreich, C‑184/96, EU:C:1998:495, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Somit ist festzustellen, dass die Frage, ob Art. 34 AEUV einer nationalen Regelung wie dem Königlichen Dekret 4/2014 entgegensteht, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erheblich ist, so dass sie zu beantworten ist.

24      Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Verwendung der gemeinhin üblichen Bezeichnung von Erzeugnissen, die aus anderen Mitgliedstaaten stammen und die dort rechtmäßig hergestellt und vermarktet wurden, bestimmten Bedingungen unterwirft und somit die Erzeuger gegebenenfalls zur Verwendung unbekannter oder von den Verbrauchern weniger geschätzter Bezeichnungen zwingt, zwar die Einfuhr aus anderen Mitgliedstaaten stammender Erzeugnisse in den betreffenden Mitgliedstaat nicht absolut ausschließt; sie kann aber deren Vermarktung erschweren und daher den Handel zwischen den Mitgliedstaaten behindern (Urteil vom 5. Dezember 2000, Guimont, C‑448/98, EU:C:2000:663, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Im vorliegenden Fall geht aber aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung zum einen keine im Unionsgebiet gemeinhin übliche Gattungsbezeichnung betrifft und zum anderen die Einfuhr oder den Verkauf von Erzeugnissen aus iberischem Schwein unter anderen Bezeichnungen als den nach dieser Regelung vorgesehenen nicht verbietet.

26      Die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung enthält nämlich eine Bestimmung, die vom vorlegenden Gericht dahin ausgelegt wird, dass die Erzeugnisse, die aus iberischem Schwein und nach den in anderen Mitgliedstaaten der Union geltenden Vorschriften unter Bezeichnungen hergestellt werden, die den im Königlichen Dekret 4/2014 enthaltenen ähnlich, vergleichbar oder gleich sind, auf dem spanischen Markt unter diesen Bezeichnungen eingeführt und vermarktet werden dürfen, obwohl sie nicht vollständig den in diesem Königlichen Dekret festgelegten Erfordernissen entsprechen. In dieser Auslegung gewährleistet diese Bestimmung, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung keine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels darstellt (vgl. im Umkehrschluss Urteil vom 22. Oktober 1998, Kommission/Frankreich, C‑184/96, EU:C:1998:495).

27      Zudem zeigt, worauf die Kommission hingewiesen hat, die Unionsgesetzgebung die allgemeine Tendenz, im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik die Qualität der Erzeugnisse herauszustellen, um das Ansehen dieser Erzeugnisse zu verbessern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2000, Belgien/Spanien, C‑388/95, EU:C:2000:244, Rn. 53, und vom 8. September 2009, Budějovický Budvar, C‑478/07, EU:C:2009:521, Rn. 109).

28      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Art. 34 AEUV einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach der die Verkaufsbezeichnung „ibérico de cebo“ nur für Erzeugnisse verwendet werden darf, die bestimmte Voraussetzungen nach dieser Regelung erfüllen, sofern diese Regelung die Einfuhr und die Vermarktung von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten als dem, der diese nationale Regelung erlassen hat, unter Bezeichnungen, die sie nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats tragen, in dem sie ihren Ursprung haben, selbst dann gestattet, wenn sie den Bezeichnungen ähnlich, vergleichbar oder gleich sind, die nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung vorgesehen sind.

 Zu Art. 35 AEUV

29      Es steht fest, dass eine für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer geltende nationale Maßnahme, die tatsächlich die Ausfuhren, d. h., wenn die Waren den Markt des Ausfuhrmitgliedstaats verlassen, stärker betrifft als den Absatz der Waren auf dem inländischen Markt, unter das Verbot des Art. 35 AEUV fällt (Urteil vom 21. Juni 2016, New Valmar, C‑15/15, EU:C:2016:464, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung keine Unterscheidung zwischen den zum Verkauf auf dem inländischen Markt einerseits und den für den Unionsmarkt bestimmten Erzeugnissen andererseits trifft. Alle spanischen Erzeuger, die ihre Erzeugnisse aus iberischem Schwein unter den im Königlichen Dekret 4/2014 festgelegten Bezeichnungen verkaufen möchten, sind nämlich verpflichtet, dessen Erfordernissen unabhängig davon zu entsprechen, auf welchem Markt sie ihre Erzeugnisse verkaufen möchten.

31      Somit ist festzustellen, dass Art. 35 AEUV einer nationalen Regelung wie dem Königlichen Dekret 4/2014 nicht entgegensteht.

 Zur zweiten Frage

32      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 12 der Richtlinie 2008/120 einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die die Verwendung bestimmter Verkaufsbezeichnungen für in Spanien hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse aus iberischem Schwein davon abhängig macht, dass die Erzeuger strengere Bedingungen für die Zucht von iberischen Schweinen als die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a festgelegten und ein Mindestschlachtalter von zehn Monaten einhalten.

33      Zur Beantwortung dieser Frage ist auszuführen, dass das Ziel der Richtlinie 2008/120 ihrem Art. 1 nach darin besteht, Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen festzulegen, die zum Zweck der Aufzucht und Mast gehalten werden. Diese Anforderungen dienen nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie dazu, den Schutz von Zucht- und Mastschweinen sicherzustellen, um eine rationelle Entwicklung der Erzeugung zu gewährleisten. Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie, wie aus ihrem achten Erwägungsgrund hervorgeht, verschiedene Regelungen vor, die u. a. sicherstellen sollen, dass die Schweine in einem Umfeld leben, das es ihnen gestattet, ihren Bewegungs- und Spürtrieb zu befriedigen.

34      Es ist indes darauf hinzuweisen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung nicht den Schutz der Schweine, sondern die Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse bezweckt, so dass sie nicht dem Geltungsbereich der Richtlinie 2008/120 unterfällt.

35      Allerdings kann diese Regelung, indem sie sowohl die Mindestgröße der den Schweinen zur Verfügung stehenden frei verfügbaren Fläche als auch das Mindestalter für die Schlachtung erhöht, nicht dem Wohlergehen der Tiere schaden und ist somit mit der Richtlinie vereinbar.

36      Unter diesen Umständen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 12 der Richtlinie 2008/120 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die die Verwendung bestimmter Verkaufsbezeichnungen für in Spanien hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse aus iberischem Schwein davon abhängig macht, dass die Erzeuger strengere Bedingungen für die Zucht von iberischen Schweinen als die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a festgelegten und ein Mindestschlachtalter von zehn Monaten einhalten.

 Kosten

37      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 34 und 35 AEUV sind dahin auszulegen, dass

–        Art. 34 AEUV einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach der die Verkaufsbezeichnung „ibérico de cebo“ nur für Erzeugnisse verwendet werden darf, die bestimmte Voraussetzungen nach dieser Regelung erfüllen, sofern diese Regelung die Einfuhr und die Vermarktung von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten als dem, der diese nationale Regelung erlassen hat, unter Bezeichnungen, die sie nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats tragen, in dem sie ihren Ursprung haben, selbst dann gestattet, wenn sie den Bezeichnungen ähnlich, vergleichbar oder gleich sind, die nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung vorgesehen sind, und

–        Art. 35 AEUV einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht.

2.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 12 der Richtlinie 2008/120 des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die die Verwendung bestimmter Verkaufsbezeichnungen für in Spanien hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse aus iberischem Schwein davon abhängig macht, dass die Erzeuger strengere Bedingungen für die Zucht von iberischen Schweinen als die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a festgelegten und ein Mindestschlachtalter von zehn Monaten einhalten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Spanisch.