Language of document : ECLI:EU:C:2007:399

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER

vom 28. Juni 20071(1)

Rechtssache C‑262/06

Deutsche Telekom AG

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Neuer Rechtsrahmen – Übergangsregelung – Übergangsweise Aufrechterhaltung der unter der früheren Regelung festgelegten Verpflichtungen – Auslegung von Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie – Marktbeherrschendes Unternehmen – Entgelte für Sprachtelefondienstleistungen – Behördliche Genehmigungspflicht“





I –    Einleitung

1.        Am 27. Februar 2007 habe ich meine Schlussanträge in der Rechtssache Telefónica O2 Czech Republic(2) verlesen, in der der Obvodní soud (Gericht erster Instanz) Nr. 3 Prag Fragen in Bezug auf die Telekommunikation in der Europäischen Union gestellt hat. Dort war hinter den Kulissen die Übergangsregelung des sogenannten „neuen Rechtsrahmens“(3) zu erkennen, der am 7. März 2002 angenommen und am 24. April 2002 veröffentlicht wurde(4); ich habe davon abgesehen, ihn auf die Bühne zu holen, denn seine Untersuchung war für die Lösung des Ausgangsverfahrens nicht erforderlich.

2.        Das deutsche Bundesverwaltungsgericht schlägt nunmehr im Wege des Art. 234 EG ein Libretto vor, in dem die genannte Übergangsregelung eine Hauptrolle einnimmt, denn es will die Reichweite der Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie zur vorläufigen Aufrechterhaltung der einigen Wirtschaftsteilnehmern aufgrund der früheren Regelung auferlegten Verpflichtungen klären.

3.        Es hat Zweifel, ob sich diese Fortgeltung auf die sich unmittelbar aus dem Gesetz oder stattdessen nur auf die sich aus einem Einzelakt ergebenden Verpflichtungen erstreckt, und möchte wissen, ob sie sich auf eine Regelung auswirkt, die Entgelte für die Erbringung von Sprachtelefondienstleistungen, die ein marktbeherrschendes Unternehmen bei seinen Nutzern erhebt, von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht (erste Frage).

4.        In jedem Fall möchte das vorlegende Gericht neben der Frage danach, ob Art. 27 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 der Universaldienstrichtlinie die Aufrechterhaltung gesetzlicher Verpflichtungen verlangen, wissen, ob sie sie zulassen, indem sie keine Pflicht zu einer vollständigen Harmonisierung begründen und den Mitgliedstaaten einen ausreichenden Spielraum eröffnen (zweite Frage).

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

5.        Die Intervention der Gemeinschaft im Telekommunikationssektor erfolgte in zwei Phasen: in einer ersten, die ihren Ausgangspunkt zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte und der Flexibilisierung der Märkte und der Angleichung der nationalen Rechtsordnungen diente; in einer weiteren, die eingeleitet wurde, nachdem die Voraussetzungen für einen effektiven Wettbewerb geschaffen waren(5), und die sich in dem zitierten „neuen Rechtsrahmen“ herauskristallisierte(6).

6.        Zwischen den beiden Phasen wurde die Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld(7) erlassen. Unter der Überschrift „Tarifgrundsätze“ verpflichtete Art. 17 der Richtlinie die nationalen Regulierungsbehörden, sicherzustellen, dass Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, kostenorientierte Tarife festlegen (Abs. 1 und 2)(8), unabhängig von der Art der vom Nutzer vorgesehenen Anwendung, soweit dafür nicht unterschiedliche Dienste oder Dienstmerkmale erforderlich waren; in diesem Fall mussten die Zusatztarife aufgegliedert sein (Abs. 3 und 4). Tarifänderungen wurden erst durchgeführt, wenn eine angemessene öffentliche Ankündigungsfrist eingehalten wurde (Abs. 5). Schließlich konnten die Mitgliedstaaten gestatten, diese Bestimmungen in Regionen, in denen sie den Wettbewerb als zufriedenstellend erachteten, nicht anzuwenden (Abs. 6).

7.        Mit dem „neuen Rechtsrahmen“ für Telekommunikation sollen, „um den Fortbestand der derzeitigen Vereinbarungen zu sichern und Rechtslücken zu vermeiden“ (12. Erwägungsgrund der Zugangsrichtlinie), die in der vorhergehenden Regelung angeordneten Verpflichtungen bis zu ihrer Überprüfung aufrechterhalten werden.

8.        Hierzu sieht Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie allgemein vor, dass die Mitgliedstaaten „alle im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen nach Artikel 7 der … Zugangsrichtlinie(9) und nach Artikel 16 der … Universaldienstrichtlinie [aufrechterhalten], bis eine nationale Regulierungsbehörde gemäß Artikel 16 der vorliegenden Richtlinie über diese Verpflichtungen beschließt“.

9.        Spezifischer verlängert Art. 16 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie die Pflicht der Länder der Gemeinschaft,

„a)      Endnutzertarife für die Bereitstellung des Zugangs zum öffentlichen Telefonnetz und dessen Nutzung nach Artikel 17 der Richtlinie 98/10/EG

so lange [aufrechtzuerhalten], bis diese Verpflichtungen einer Überprüfung unterzogen wurden und eine Feststellung gemäß Absatz 3 des vorliegenden Artikels getroffen wurde“.

10.      Dieser Abs. 3 verweist auf das Verfahren nach Art. 16 der Rahmenrichtlinie, nach dem die nationalen Regulierungsbehörden unter Beteiligung der Wettbewerbsbehörden eine Analyse der relevanten Märkte durchführen (Abs. 1) und die Märkte, auf denen ein wirksamer Wettbewerb herrscht, von denen trennen, auf denen das nicht der Fall ist, um auf Ersteren die den marktbeherrschenden Gesellschaften auferlegten Verpflichtungen aufzuheben und sie auf Letzteren beizubehalten oder zu ändern (Abs. 2, 3 und 4).

B –    Die deutsche Regelung

11.      § 25 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (im Folgenden: TKG) vom 25. Juli 1996(10) machte unter Verweis auf die §§ 24 und 27 bis 31 TKG 1996 die Entgelte, die marktbeherrschende Unternehmen bei den Endverbrauchern für die Erbringung von Telefondienstleistungen sowie die sonstigen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Bestandteile erheben wollten, von einer behördlichen Genehmigung abhängig. § 24 Abs. 1 knüpfte ihre Höhe an die Kosten der Leistungsbereitstellung.

12.      § 150 Abs. 1 TKG vom 22. Juni 2004(11) verlängert die Wirksamkeit der dieser Art von Unternehmen aufgrund des TKG 1996 obliegenden Verpflichtungen, bis sie durch neue Entscheidungen aufgrund der Bestimmungen von Teil 2 des Gesetzes von 2004, der die Art und Weise der Marktdefinition und ‑analyse regelt, ersetzt werden.

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

13.      Die Deutsche Telekom AG ist eine in Deutschland tätige Telekommunikationsgesellschaft, die dort über ein Festnetz Sprachtelefondienstleistungen anbietet.

14.      Am 8. Juni 2004 entschied die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post(12), dass die Entgelte des Unternehmens und die entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Genehmigungspflicht nach § 25 Abs. 1 TKG 1996 unterliegen.

15.      Nach Inkrafttreten des TKG 2004 erhob die Deutsche Telekom unter Berufung auf dessen § 150 Abs. 1 Klage und beantragte, die Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 8. Juni 2004 für unwirksam zu erklären.

16.      Das Verwaltungsgericht Köln gab dem Antrag mit Urteil vom 15. September 2005 mit der Begründung statt, dass die Übergangsvorschrift des § 150 Abs. 1 TKG 2004 nur Verpflichtungen erfasse, die keines weiteren Vollzugsakts bedürften und abschließend seien; diese Voraussetzungen seien bei § 25 Abs. 1 TKG 1996 nicht gegeben.

17.      Die beklagte Behörde legte Revision an das Bundesverwaltungsgericht ein und brachte vor, dass die alten Verpflichtungen wirksam blieben, bis auf der Grundlage des TKG 2004 über die Genehmigungspflicht von Kundenentgelten entschieden sei.

IV – Vorlagefragen

18.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist der Antrag der Deutschen Telekom nach deutschem Recht unbegründet(13), es hat aber Zweifel, ob das Gemeinschaftsrecht zu demselben Ergebnis führt. Deshalb hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie dahin zu verstehen, dass ein im früheren innerstaatlichen Recht vorgesehenes gesetzliches Gebot zur Genehmigung von Entgelten für die Erbringung von Sprachtelefondienstleistungen gegenüber Endnutzern durch ein Unternehmen mit insoweit marktbeherrschender Stellung und mithin auch ein diesbezüglicher feststellender Verwaltungsakt vorübergehend aufrechtzuerhalten sind?

Bei Verneinung von Frage 1:

2.      Steht das europäische Gemeinschaftsrecht einer solchen weitgehenden Aufrechterhaltung entgegen?

V –    Das Verfahren vor dem Gerichtshof

19.      Der Vorlagebeschluss ist am 15. Juni 2006 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden. Die deutsche, die belgische, die italienische und die litauische Regierung, die Parteien des Ausgangsverfahrens sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht; die drei Letztgenannten sind in der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2007 erschienen.

VI – Untersuchung der Vorlagefragen

A –    Die erste Vorlagefrage

20.      Wieder einmal spielt die Zeit eine relevante Rolle in einem beim Gerichtshof anhängigen Verfahren(14). Der Hauptgegenstand dieses Vorabentscheidungsersuchens schließt in Wirklichkeit zwei Probleme ein: Das eine besteht in der Feststellung, ob das übergangsweise Fortbestehen jede Art von Verpflichtungen, die nach der vorhergehenden Regelung eines auf dem Sektor herrschenden Unternehmens bis zu einer spezifischen Entscheidung obliegen, umfasst, oder ob es im Gegenteil diejenigen ausschließt, die allgemein und abstrakt sind, da sie sich aus einer Rechtsnorm ergeben. Die Lösung dieses Problems hängt von der Bedeutung ab, die man Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie beimisst.

21.      Das andere Problem zielt auf § 25 Abs. 1 TKG 1996 und betrifft die Feststellung, ob die Genehmigungspflicht für Entgelte, die eine im Sprachtelefondienstleistungssektor marktbeherrschende Gesellschaft ihren Kunden berechnet, eine Verpflichtung darstellt, die unter der neuen Regelung nach den zitierten Vorschriften der Rahmen‑ und Universaldienstrichtlinie, deren Geist auch § 150 Abs. 1 TKG 2004 zugrunde liegt, aufrechtzuerhalten ist.

22.      Bevor ich fortfahre, sollte, um den Gegenstand der Erörterung in diesem Vorabentscheidungsverfahren zu umreißen, die von der Deutschen Telekom in der mündlichen Verhandlung dargelegte neue Betrachtungsweise zurückgewiesen werden, nach der sich die Prüfung nicht auf die Form (allgemeine Bestimmung oder Einzelakt), in der die Verpflichtungen den herrschenden Wirtschaftsteilnehmern auferlegt werden, konzentrieren müsse, sondern auf ihren materiellen Inhalt. Auf dieser Linie vertritt sie die Auffassung, der deutsche Gesetzgeber habe die Zielsetzung der Gemeinschaftsregelung überschritten, als er für die Entgelte für Sprachtelefondienste eine Genehmigung verlangte. Mit diesem Ansatz entfernt sie sich von den Umständen, unter denen die Vorabentscheidungsfrage gestellt wurde, und verkennt die Reichweite von Art. 17 der Richtlinie 98/10, nach dem die nationalen Regulierungsbehörden sicherstellen, dass Unternehmen, die über eine beträchtliche Marktmacht verfügen, ihre Tarife nach dem Grundsatz der Kostenorientierung festlegen, und der demzufolge weder zu einer nachträglichen Kontrolle verpflichtet noch eine Vorabkontrolle ausschließt. In dieser Hinsicht haben die staatlichen Einrichtungen Wahlfreiheit.

23.      Ich muss, auch infolge der mündlichen Verhandlung, einige ergänzende Gedanken hinzufügen: Bei der Durchführung der Analyse der deutschen Märkte ist keine unverhältnismäßige Verzögerung erkennbar, das ersuchende Gericht, dem es obliegt, den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens festzustellen, hat diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, und die Gemeinschaftsregelung selbst (Art. 7 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie) gibt eine Antwort auf eine derartige Situation.

1.      Einige unerlässliche einleitende Bemerkungen

24.      Einleitend sind drei Feststellungen hervorzuheben, die im Vorabentscheidungsverfahren unumstritten waren: Die Deutsche Telekom verfügt über eine privilegierte Stellung auf dem nationalen Markt, ihr Begehren ist nach deutschem Recht unbegründet, und das TKG 2004 wurde erlassen, um den „neuen Rechtsrahmen“ der Europäischen Gemeinschaft für Telekommunikation umzusetzen.

25.      Die erste Feststellung zeigt, dass sich das genannte Unternehmen in einer Situation befindet, die in den Übergangsbestimmungen der Gemeinschafts- sowie der nationalen Rechtsordnung geregelt ist, denn beide finden auf Wirtschaftsteilnehmer seiner Kategorie Anwendung(15).

26.      Die zweite Feststellung unterstreicht, dass die Fragestellung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ist, das bei der Auslegung seiner nationalen Rechtsordnung die Perspektive des Rechtsstreits klar erkennt, aber Zweifel hat, ob diese Lösung im Gemeinschaftsrecht eine Stütze findet, und deshalb den Gerichtshof angerufen hat.

27.      Die dritte Feststellung macht deutlich, dass das TKG 2004 die Richtlinien aus dem Jahr 2002 umsetzt, so dass die Auslegungsregeln von Art. 27 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 der Universaldienstrichtlinie auf § 150 TKG 2004 übertragen werden können. Im Vorlagebeschluss selbst wird dieser Gedanke veranschaulicht, denn in den Nrn. 22 bis 53 werden verschiedene Argumente für die Zurückweisung des Begehrens der Deutschen Telekom nach nationalem Recht dargelegt, und sodann (Nrn. 63 bis 74) wird auf ähnliche Kriterien zurückgegriffen, um in der Regelung der Europäischen Union ein entsprechendes Ergebnis auszumachen, wenn auch mit größeren Bedenken. Damit wird dem Gerichtshof ein Leitfaden an die Hand gegeben, dem die Beteiligten, die beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht haben, bezeichnenderweise gefolgt sind.

28.      In diesem Zusammenhang gewinnt der Austausch im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens seine volle Bedeutung: Er ist keineswegs nur eine Befragung, bei der sich der eine Richter darauf beschränkt, Fragen zu stellen und die Antwort, die ihm der andere Richter gibt, abzuwarten, sondern ist als echter Dialog inszeniert, als Gespräch, in dem die Gesprächspartner ihre Überlegungen zum Ausdruck bringen, auch wenn das letzte Wort aus institutionellen Gründen und wegen der Einheitlichkeit des Systems nur einem zusteht, der seine Auffassung unter Berücksichtigung der Meinung der anderen durchsetzt. Das Bundesverwaltungsgericht wendet in seinem Vorabentscheidungsersuchen eine brauchbare Arbeitsmethode an, die ich wie die anderen Diskussionsteilnehmer in den folgenden Nummern übernehmen werde, um zu einer Lösung zu kommen, die von allen akzeptiert wird, mit Ausnahme der Deutschen Telekom aus Gründen, die keiner Erklärung bedürfen.

2.      Die Natur der Verpflichtungen, die von der Übergangsregelung berührt sind

29.      Gleich welche Auslegungsmethode gewählt wird (grammatikalisch, systematisch, historisch oder teleologisch), sie führt zu demselben Ergebnis: Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie nehmen Bezug auf die unter der früheren nationalen Regelung vorgesehenen Verpflichtungen, unabhängig von ihrer Herkunft, abstrakt und allgemein bei einer Rechtsnorm, konkret und einzelfallbezogen bei einem Verwaltungsakt.

a)      Der Wortlaut der auszulegenden Artikel

30.      Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmt ohne nähere Einzelheiten, dass die Mitgliedstaaten alle im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen nach Art. 7 der Zugangsrichtlinie und nach Art. 16 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie aufrechterhalten. Buchst. a der letztgenannten Vorschrift greift auf eine ähnliche Formel zurück, um alle Verpflichtungen hinsichtlich der Tarife für Telefondienstleistungen vorläufig zu verlängern(16). Keine der beiden Vorschriften sieht irgendeine Nuancierung vor, und dort, wo das Gesetz keine Unterscheidung trifft, ist kein Raum dafür, dass sein Interpret dies tut (ubi lex non distinguit, nec nos distinguere debemus); dabei kann man die Ansicht vertreten, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber – so deuten es seine Worte an – die unter der Geltung der vorhergehenden Regelung festgelegten Verpflichtungen unabhängig von ihrer Natur übergangsweise aufrechterhalten will.

31.      Diese Auslegung, die durch den Wortlaut der Bestimmung gestützt wird, wird nicht dadurch hinfällig, dass diese gleich darauf die Aufhebung der Übergangsregelung der nationalen Regulierungsbehörde anvertrauen, die über die alten Verpflichtungen nach Durchführung der in Art. 16 der Rahmenrichtlinie geregelten Marktanalyse zu entscheiden hat. Die Deutsche Telekom meint, wenn solche Einrichtungen zur Entscheidung über die Verlängerung derartiger Verpflichtungen berufen seien, sei davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Artikel voraussetzten, dass sie individuell von ihnen selbst erlassen worden seien, denn es fehle ihnen an Befugnissen, über Entscheidungen zu befinden, die Stellen mit gesetzgeberischen oder verordnungsgeberischen Rechtsetzungsbefugnissen erlassen hätten.

32.      Mit diesem Standpunkt geht die Klägerin des Ausgangsverfahrens von einer falschen Voraussetzung aus, denn sie misst den nationalen Regulierungsbehörden eine Rolle bei, die sie nach der Rahmenrichtlinie und der Universaldienstrichtlinie nicht haben, denn nach dem Wortlaut von Art. 27 Abs. 1 der einen und von Art. 16 Abs. 1 und 3 der anderen ersetzen diese Behörden nicht den Gesetzgeber, sondern führen zuverlässig seine Entscheidungen aus, die nach einem genau geregelten Verfahren ergangen sind (beschrieben in Nr. 10 dieser Schlussanträge), in dem nach Maßgabe der Ergebnisse desselben die Verpflichtungen beibehalten, geändert oder endgültig aufgehoben werden müssen, die durch eine mit dem Inkrafttreten des „neuen Rechtsrahmens“ in Frage gestellte Regelung auferlegt worden sind.

33.      Das Ziel dieses Verfahrens, das eine Marktanalyse beinhaltet, besteht in der Abschaffung der den marktbeherrschenden Unternehmen in der Vergangenheit auferlegten Verpflichtungen bei Erreichen eines hohen Wettbewerbsgrads, oder andernfalls ihrer Aufrechterhaltung oder Änderung, eine Maßnahme, die diese Verpflichtungen unabhängig von ihrer Rechtsquelle – Rechtsnorm oder individueller Hoheitsakt – betrifft. Gegebenenfalls wird eine sich unmittelbar aus der Norm ergebende Verpflichtung nach den Vorgaben ihres Urhebers durch eine andere, für den Einzelfall geltende ersetzt. Die deutsche Regierung (Nr. 14 ihrer schriftlichen Erklärungen) argumentiert zutreffend, dass es dem Normgeber unbenommen ist, den Fortbestand von Rechtswirkungen aus einer Vorschrift von einer Entscheidung der Exekutive abhängig zu machen, sofern dem, wie ich hinzufügen möchte, kein verfassungsrechtlicher Vorbehalt entgegensteht.

34.      Anders gesagt beenden die nationalen Regulierungsbehörden, weil es die Rahmenrichtlinie und die Universaldienstrichtlinie so vorsehen, auf der Grundlage objektiver Angaben, die in einem festgelegten Verfahren festgestellt wurden, eine Übergangssituation, die ihrem Wesen nach durch die sich aus der jetzigen Regelung ergebende ersetzt werden sollte, wobei die einschlägigen Verpflichtungen –wenngleich mit anderem Gepräge – aufrechterhalten werden, indem sie umgewandelt oder schlicht abgeschafft werden. Es ist offenkundig, dass sich diese Behörden nicht auf fremdem Gebiet einmischen, sondern auf Aufforderung von dessen Eigentümer tätig werden.

b)      Eine systematische Sichtweise

35.      Die Sorge um die Vermeidung von Lücken durch die Aufnahme der Verpflichtungen der alten Regelung unbeschadet ihrer unverzüglichen Überprüfung liegt dem „neuen Rechtsrahmen“ zugrunde, z. B. im 12. Erwägungsgrund und in Art. 7 der Zugangsrichtlinie, die von demselben Geist geprägt sind wie Art. 27 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 der Universaldienstrichtlinie, der die übergangsweise Beibehaltung bestimmter aufgrund der vorstehenden Richtlinien auferlegter Verpflichtungen verlangt.

36.      Sie nehmen insbesondere Bezug auf die Art. 4, 6, 7, 8, 11, 12 und 14 der Richtlinie 97/33(17), Art. 16 der Richtlinie 98/10 sowie die Art. 7 und 8 der Richtlinie 92/44/EWG(18). Einige dieser Bestimmungen, wie Art. 4 der Richtlinie 97/33, begründen unmittelbare Verpflichtungen für die Wirtschaftsteilnehmer, andere, wie Art. 6, 7, 8, 11, 12 und 14 der Richtlinie 97/33, 7 und 8 der Richtlinie 92/44 und 16 der Richtlinie 98/10 delegieren an die Mitgliedstaaten. Innerhalb dieser letzten Gruppe beziehen sich verschiedene Vorschriften unspezifisch auf die nationalen Behörden (Art. 6, 7 und 8 der ersten Richtlinie; Art. 7 und 8 der zweiten(19)), während andere ausdrücklich die nationalen Regulierungsbehörden nennen (Art. 11, 12 und 14 der Richtlinie 97/33, Art. 16 der Richtlinie 98/10).

37.      Es scheint daher, dass diese Maßnahmen auf Einzelakte, aber auch auf allgemeine Maßnahmen zielen, denn die Verpflichtungen richten sich entsprechend der Befugnisverteilung im jeweiligen Verfassungssystem nach dem einen oder anderen Verfahren.

38.      Dieser Gedanke bestätigt sich, wenn der Blick statt auf Vorschriften außerhalb der Richtlinie auf ihr Inneres gerichtet wird, insbesondere auf die Universaldienstrichtlinie, die die spezifischere der beiden Bestimmungen enthält, die in diesem Vorabentscheidungsverfahren die Hauptrolle spielen: Art. 16, der auf Art. 27 der Rahmenrichtlinie verweist. Tatsächlich empfiehlt der 28. Erwägungsgrund der Universaldienstrichtlinie, die „geltenden Vorschriften“ für das Mindestangebot an Mietleitungen weiterhin so lange anzuwenden, bis die nationalen Regulierungsbehörden nach den erforderlichen Marktanalyseverfahren feststellen, dass diese Vorschriften nicht mehr erforderlich sind. Nach Anhang VII der Universaldienstrichtlinie hingegen sollte, woran die deutsche Regierung erinnert, die Bereitstellung des Mindestangebots an Mietleitungen weiterhin nach den Vorgaben der Richtlinie 92/44 erfolgen, deren abstrakter und allgemeiner Charakter nicht in Frage gestellt wird, bis festgestellt wird, dass auf dem betreffenden Markt wirksamer Wettbewerb herrscht.

39.      Schließt man den Kreis und konzentriert die Untersuchung auf Art. 16 der Universaldienstrichtlinie, stellt man fest, dass die Mitgliedstaaten sowohl die Verpflichtungen, die ihren Ursprung in einem Gesetz haben, als auch die, die in einem Exekutivakt begründet sind, vorläufig aufrechterhalten müssen. Abs. 1 Buchst. c dieser Bestimmung bezieht sich auf Verpflichtungen für Mietleitungen nach den Art. 3, 4, 6, 7, 8 und 10 der Richtlinie 92/44, die eindeutig normativer Art sind. Als Beispiel mag Art. 8 dienen, der den Mitgliedstaaten die Aufgabe zuweist, dafür Sorge zu tragen, dass die nationalen Regulierungsbehörden geeignete und transparente Verfahren festlegen, um die Bindung der Wirtschaftsteilnehmer an die Verpflichtungen hinsichtlich der Benutzung und des Zugangs zu derartigen Leitungen zu überwachen, oder Art. 6, der die Festlegung der Gründe im Allgemeininteresse („grundlegende Anforderungen“)(20), die geeignet sind, Beschränkungen bei ihrer Nutzung zu rechtfertigen, den nationalen Rechtsordnungen überträgt.

c)      Das historische Kriterium

40.      Die deutsche Regierung beruft sich auf die Vorarbeiten zu dem „neuen Rechtsrahmen“, der 2002 angenommen wurde, und gibt einige für unsere Überlegungen nützliche Informationen.

41.      Zwar beinhaltet der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste vom 12. Juli 2000(21) keine zeitlichen Vorgaben, die unter der geltenden Regelung den unter der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten Kontinuität verleihen würden. Der Wirtschafts‑ und Sozialausschuss hat in seiner Stellungnahme zu diesem Vorschlag(22) einen Übergangsmechanismus vorgeschlagen, damit die „[damals] geltenden Rechtsvorschriften“ nur so lange angewendet würden, bis die erste Marktanalyse durchgeführt worden sei (Punkt 4.4). Dieser Umstand verleiht Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie Sinn, wenn er die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen aufrechtzuerhalten, bis eine Regulierungsbehörde gemäß Art. 16 der Rahmenrichtlinie über diese Verpflichtungen beschließt, d. h. nach einer Marktanalyse. Es scheint unter diesen Umständen unbestreitbar, dass sich Art. 27 auf alle Arten von Verpflichtungen bezieht, sowohl die, die unmittelbar aus einer Norm hervorgehen, als auch die, die durch das Dazwischenschalten eines Verwaltungsakts begründet wurden.

42.      Diese Überlegungen tragen zum Verständnis der Vorgeschichte der Universaldienstrichtlinie bei, die insoweit weniger aussagekräftig ist. Der Vorschlag der Kommission vom 12. Juli 2000(23) enthielt einen Art. 16 Abs. 1, der die Mitgliedstaaten verpflichtete, alle Verpflichtungen zu Endkundentarifen, die nach Art. 17 der Richtlinie 98/10 „in Kraft waren“, aufrechtzuerhalten, bis eine Feststellung im Licht der Marktanalysen getroffen war. Der Begriff „in Kraft waren“ verschwand aus der endgültigen Fassung der Vorschrift, und seine Verwendung illustriert – obwohl dies nicht entscheidend ist – die Absicht des Verfassers, denn im Allgemeinen wird die Eigenschaft, „in Kraft“ zu sein, Phänomenen mit normativem Charakter zugeschrieben, wie Gesetzen, Verordnungen, Satzungen und dem Gewohnheitsrecht. Es könnte der Schluss gezogen werden, dass der Wegfall dieses Begriffs in der endgültigen Fassung den Willen erkennen lässt, ausschließlich auf die individuell vorgeschriebenen Verpflichtungen Bezug zu nehmen, aber die Ungewissheit verflüchtigt sich mit der Lektüre von Art. 17 der Richtlinie 98/10, der ein Verfahren einführt, durch das den marktbeherrschenden Wirtschaftsteilnehmern Pflichten und Grenzen auferlegt werden (Kostenorientierung der Tarife, Festlegung dieser Tarife unabhängig von der Art der Anwendung, Festlegung einer öffentlichen Ankündigungsfrist für das Inkrafttreten von Tarifänderungen).

d)      Die teleologische Auslegung

43.      Im „neuen Rechtsrahmen“ für die Telekommunikation lässt sich die Sorge um Rechtssicherheit und Kontinuität ohne Brüche und Sprünge zwischen Vergangenheit und Zukunft erkennen. Dies bezeugen die Art. 16 der Universaldienstrichtlinie, Art. 7 der Zugangsrichtlinie und Art. 27 der Rahmenrichtlinie, der – unter Verweis auf die anderen beiden und auf Art. 26 folgend, durch den der alte rechtliche Rahmen aufgehoben wird – die sich aus den vorhergehenden Regelungen ergebenden Verpflichtungen bis zur Marktanalyse verlängert. Diese Vorkehrung erklärt sich dadurch, dass die vollständige Funktionsfähigkeit der neuen Regelung die Ausarbeitung und die Entwicklung komplexer Verfahren erfordert, an denen verschiedene Akteure angemessen koordiniert teilnehmen müssen; dafür bedarf es eines Zeitraums, der die Stabilität des Systems gewährleistet(24).

44.      Dieser Gedanke ist nicht expressis verbis in der Rahmenrichtlinie und der Universaldienstrichtlinie, auf die sich dieses Vorabentscheidungsersuchen bezieht, niedergelegt, aber er geht ausdrücklich aus der Zugangsrichtlinie hervor, deren 12. Erwägungsgrund im Vorgriff auf Art. 7 die Notwendigkeit hervorhebt, jegliche Regelungslücke zu vermeiden. Ich habe bereits ausführlich dargelegt, dass diese Notwendigkeit die Kontinuität aller bestehenden Verpflichtungen unabhängig von ihrer Herkunft verlangt. Wenn nun, wie im fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie festgestellt wird, die Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien einen einheitlichen Rechtsrahmen erfordert, wäre es inkohärent, wenn die Übergangsregelung für Zugang und Zusammenschaltung (Art. 7 der Zugangsrichtlinie) eine andere Reichweite hätte als die für die Tarife (Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie). Dieser Gedanke erklärt, dass sich Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen sowohl auf diejenigen aus Art. 7 der Zugangsrichtlinie als auch die aus Art. 16 der Universaldienstrichtlinie bezieht.

45.      Die deutsche Regierung führt zutreffend aus, dass der Grundsatz der Effektivität das Aufrechterhalten der bisherigen Maßnahmen im vollen Umfang gebietet, da es darum geht, ohne Einschränkungen den Boden für die Einführung des „neuen Rechtsrahmens“ zu bereiten.

46.      Im Ergebnis führt jede Methode der Auslegung der Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie dazu, dass die Gesamtheit der den Wirtschaftsteilnehmern von der vorhergehenden Regelung auferlegten Verpflichtungen erfasst wird, unabhängig von ihrer Rechtsquelle oder, mit anderen Worten, dem Instrument, das jeder Mitgliedstaat zur Ausführung und Vollziehung der Gemeinschaftsharmonisierung wählt(25). Die von der Deutschen Telekom vertretene Auffassung würde dazu führen, dass für Unternehmen, die sich in einer identischen materiellen Situation befinden, abhängig von dem Mitgliedstaat, in dem sie tätig sind, ungleiche Systeme gelten würden, eine Folge, die den Telekommunikationsrichtlinien und allgemein den Grundsätzen des Rechts der Europäischen Union widerspricht.

3.      Die behördliche Genehmigungspflicht für die Entgelte

47.      Zu prüfen bleibt jedoch, ob eine Vorschrift wie § 25 Abs. 1 TKG 1996, nach dem die Entgelte, die marktbeherrschende Unternehmen beim Endverbraucher für Sprachtelefondienstleistungen erheben, von einer vorherigen Genehmigung abhängig sind, mit Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie vereinbar ist.

48.      Die letztgenannte Vorschrift spricht für eine Aufrechterhaltung der Verpflichtungen aus Art. 17 der Richtlinie 98/10, die Organisationen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, der Aufsicht der nationalen Regulierungsbehörden und den in ihr genannten Grundsätzen (Abs. 1), insbesondere dem der Anpassung der Preise an die Kosten (Abs. 2), unterstellt.

49.      § 25 TKG 1996 verwies auf § 24 TKG 1996, der die Höhe der Entgelte an die Kosten der Dienstleistung knüpfte. Unter diesen Umständen gibt es keinen Grund, seine Eigenschaft als Umsetzungsregelung zu Art. 17 der Richtlinie 98/10 zu verneinen, so dass Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie seine zeitliche Erstreckung bis zur Durchführung der erforderlichen Analyse des deutschen Marktes und des Vergleichs seines Wettbewerbsgrads gebieten, damit entsprechend gehandelt werden kann und die Verpflichtungen der marktbeherrschenden Unternehmen beibehalten, abgeändert oder abgeschafft werden können.

50.      In der Tat stellt die Forderung, dass die Einnahmen eines Unternehmens, das die Voraussetzungen von § 24 ff. TKG 1996 erfüllt, aufgrund eines entsprechenden Antrags genehmigt werden, die Erfüllung von Art. 17 der Richtlinie 98/10 (Abs. 1 dieser Vorschrift) insbesondere durch die Kostenorientierung der Tarife (Abs. 2) sicher.

51.      Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass sich schwer feststellen lasse, ob sich die Entgelte an den Kosten orientierten, wenn sie während der Übergangsperiode nicht zur Genehmigung durch die Verwaltung vorgelegt würden, so dass das Ziel, ihre Kontinuität zu gewährleisten, ohne dass es zu unerwünschten Unterbrechungen komme, solange die unverzichtbare Marktanalyse nicht durchgeführt werde, verfehlt würde.

52.      Deshalb leitet sich die Verpflichtung nach § 25 TKG 1996 aus Art. 17 der Richtlinie 98/10 ab, so dass sie gemäß Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie mit Übergangscharakter fortbestehen muss.

53.      Aufgrund des Vorstehenden sollte der Gerichtshof die erste Vorlagefrage dahin gehend beantworten, dass die in Rede stehenden Bestimmungen vorschreiben, die Geltung einer Rechtsvorschrift des früheren innerstaatlichen Rechts wie auch einen zu ihrer Durchführung ergangenen Verwaltungsakt, wonach die Entgelte, die ein marktbeherrschendes Unternehmen beim Endnutzer für die Erbringung von Telefondienstleistungen erhebt, einer Genehmigung durch die Verwaltung bedürfen, übergangsweise aufrechtzuerhalten.

B –    Die zweite Vorlagefrage: eine überflüssige Frage

54.      Mit dieser Frage, die subsidiär gestellt wird, möchte das deutsche Gericht wissen, ob in dem Fall, dass Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Universaldienstrichtlinie nicht die vorübergehende Fortgeltung eines gesetzlichen Gebots wie des in Rede stehenden regeln, das Gemeinschaftsrecht dem staatlichen Gesetzgeber einen ausreichenden Spielraum für ihre Regelung lässt.

55.      Diese Frage wird durch die Antwort auf die erste beantwortet. Das „Gemeinschaftsrecht“, auf das sich die Frage bezieht, kann kein anderes sein als die Richtlinien des „neuen Rechtsrahmens“ im Bereich der elektronischen Kommunikationsnetze und ‑technologien. Das allgemeine System dieser Vorschriften macht es, wie sich anhand der Kriterien für die systematische und teleologische Auslegung, die ich in diesen Schlussanträgen angewendet habe, erkennen lässt, nicht nur ratsam, sondern zwingt dazu, die früheren Maßnahmen zu verlängern, solange die Situation auf den Märkten nicht aufgrund der entsprechenden Studien bekannt ist. Wenn dies der Fall ist, müssen die nationalen Regelungsbehörden die Vollziehung des geltenden Rechtsrahmens vorantreiben und die Verpflichtungen aus der Vergangenheit aufrechterhalten, ändern oder abschaffen.

VII – Ergebnis

56.      Aufgrund der vorstehenden Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) und Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) sind dahin auszulegen, dass sie vorschreiben, eine Rechtsvorschrift des früheren innerstaatlichen Rechts wie auch einen zu ihrer Durchführung ergangenen Verwaltungsakt, wonach die Entgelte, die ein beherrschendes Unternehmen beim Endnutzer für die Erbringung von Telefondiensten erhebt, einer behördlichen Genehmigung bedürfen, bis zur Durchführung der entsprechenden Marktanalyse vorübergehend aufrechtzuerhalten.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Urteil vom 14. Juni 2007 (C‑64/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


3 – Er besteht aus vier Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates: Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie), Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie), Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) und Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie).


4 – ABl. L 108, S. 7, 21, 33 und 51.


5 – Die vollständige Liberalisierung der Telekommunikationsdienstleistungen und ‑infrastruktur wurde mit Übergangsperioden für bestimmte Mitgliedstaaten am 1. Januar 1998 erreicht.


6 – Ich untersuche diesen Entwicklungsprozess in den Schlussanträgen Nuova società di telecomunicazioni (Nrn. 3 bis 6) – in dieser Rechtssache erging am 18. Juli 2006 das Urteil (C‑339/04, Slg. 2006, I‑6917) – sowie in den Schlussanträgen in der Rechtssache Telefónica O2 Czech Republic (Nrn. 4 bis 7).


7 – ABl. L 101, S. 24.


8 – Art. 17 Abs. 2 verweist auf die Harmonisierungskriterien nach Anhang II Nr. 4 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (ABl. L 192, S. 1).


9 – Es handelt sich um die Verpflichtungen in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung zulasten von Unternehmen, die öffentliche Kommunikationsnetze oder ‑dienste bereitstellen.


10 – BGBl. I, S. 1120.


11 – BGBl. I, S. 1190.


12 – Heute Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen.


13 – Nach den üblichen Auslegungskriterien (grammatikalisch, systematisch und teleologisch) ist die nach dem Bescheid vom 8. Juni 2004 in Anwendung von § 25 Abs. 1 TKG 1996 erforderliche Genehmigung Bestandteil der Übergangsregelung des § 150 Abs. 1 TKG 2004.


14 – Zu glauben, dass in diesem Leben die Dinge, die es mit sich bringt, von Dauer sind, heißt, das Unmögliche zu denken … das Leben des Menschen läuft seinem Ende schneller entgegen als die Zeit (M. de Cervantes, Don Quijote de la Mancha, Zweiter Teil, Kapitel L III, freie Übersetzung).


15 – Art. 27 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie verweist auf Art. 16 der Universaldienstrichtlinie, der auf die gemäß Art. 17 der Richtlinie 98/10 festgelegten Endnutzertarife anspielt, in dem die Grundsätze festgelegt sind, die die Organisationen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, einhalten müssen.


16 – Toutes les obligations oder l´ensemble des obligations in der französischen Fassung der beiden Vorschriften, all obligations in der englischen, und tutti gli obblighi in der italienischen.


17 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) (ABl. L 199, S. 32).


18 – Richtlinie des Rates vom 5. Juni 1992 zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen (ABl. L 165, S. 27).


19 – Sie gebrauchen die Wendung „die Mitgliedstaaten stellen sicher“.


20 – Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 90/387 definiert diesen Begriff als „die im allgemeinen Interesse liegenden Gründe nichtwirtschaftlicher Art, die einen Mitgliedstaat veranlassen können, den Zugang zum öffentlichen Telekommunikationsnetz oder zu den öffentlichen Telekommunikationsdiensten zu beschränken. Diese Gründe sind die Sicherheit des Netzbetriebs, die Aufrechterhaltung der Netzintegrität sowie in begründeten Fällen die Interoperabilität der Dienste und der Datenschutz.“


21 – KOM(2000) 393 endg. (ABl. C 365 E, S. 198).


22 – ABl. 2001, C 123, S. 56.


23 – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (KOM[2000] 392 endg. [ABl. C 365 E, S. 238]).


24 – In Art. 16 der Rahmenrichtlinie, auf den Art. 27 dieser Richtlinie, Art. 16 der Universaldienstrichtlinie und Art. 7 der Zugangsrichtlinie verweisen, wird ein Prozess skizziert, der den Leitlinien unterliegt, die die Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie unter Beteiligung der nationalen Wettbewerbsbehörden (Art. 16 Abs. 1) sowie nach den Regeln, die die zuständige nationale Behörde veröffentlicht, um die Kriterien von Konsultation und Transparenz zu gewährleisten (Art. 6 der Rahmenrichtlinie), unter Mitwirkung der Regulierungsbehörde und der entsprechenden Einrichtungen der anderen Mitgliedstaaten (Art. 7 Abs. 3, 4 und 5 der Rahmenrichtlinie) erlässt. Diese Komplexität erlaubte es mir, in den Schlussanträgen in der Rechtssache Telefónica O2 Czech Republic nahezulegen, dass die zitierten Vorschriften nicht die Merkmale aufweisen, die für eine unmittelbare Wirkung erforderlich sind.


25 – Im Urteil vom 8. Dezember 2005, Kommission/Luxemburg (C‑33/04, Slg. 2005, I‑10629, Randnrn. 54 bis 60), ist ebenfalls ein weites Verständnis der Übergangsregelung erkennbar.