Language of document : ECLI:EU:C:2018:79

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

20. Februar 2018(*)

„Rechtsmittel – Verbraucherschutz – Online-Glücksspieldienstleistungen – Schutz von Verbrauchern und Spielern sowie Ausschluss Minderjähriger von Online‑Glücksspielen – Empfehlung 2014/478/EU der Kommission – Rechtlich nicht verbindliche Handlung der Union – Art. 263 AEUV“

In der Rechtssache C‑16/16 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 6. Januar 2016,

Königreich Belgien, vertreten durch L. Van den Broeck, M. Jacobs und J. Van Holm als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, B. Van Vooren, R. Verbeke und J. Auwerx, advocaten,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Wilman und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, J. Malenovský und E. Levits, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Lycourgos und M. Vilaras,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Dezember 2017

folgendes

Urteil

1        Mit seinem Rechtsmittel begehrt das Königreich Belgien die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 27. Oktober 2015, Belgien/Kommission (T‑721/14, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2015:829), mit dem das Gericht seine Klage auf Nichtigerklärung der Empfehlung 2014/478/EU der Kommission vom 14. Juli 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von Online-Glücksspielen (ABl. 2014, L 214, S. 38, im Folgenden: streitige Empfehlung) als unzulässig abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 263 Abs. 1 AEUV bestimmt:

„Der Gerichtshof der Europäischen Union überwacht die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebungsakte sowie der Handlungen des Rates [der Europäischen Union], der [Europäischen] Kommission und der Europäischen Zentralbank, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt, und der Handlungen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates mit Rechtswirkung gegenüber Dritten. Er überwacht ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten.“

3        Im Abschnitt „Die Rechtsakte der Union“ sieht Art. 288 AEUV vor:

„Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an.

Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.

Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich.

Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich.“

4        Art. 1 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 1) geänderten Fassung lautet:

„Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen der Organe der Union sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

5        Am 14. Juli 2014 erließ die Kommission gemäß Art. 292 AEUV die streitige Empfehlung.

6        Nach dem neunten Erwägungsgrund der Empfehlung besteht ihr Ziel darin, „die Gesundheit von Verbrauchern und Spielern zu schützen und somit auch mögliche wirtschaftliche Schäden, die durch zwanghaftes oder übermäßiges Spielen entstehen können, zu minimieren“.

7        Abschnitt I („Zweck“) der Empfehlung lautet:

„1.      Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, durch die Übernahme von Grundsätzen für Online-Glücksspieldienstleistungen und eine verantwortungsvolle kommerzielle Kommunikation für diese Dienstleistungen ein hohes Maß an Schutz für Verbraucher, Spieler und Minderjährige zu erzielen, um so ihre Gesundheit zu schützen und gleichzeitig mögliche wirtschaftliche Schäden, die durch zwanghaftes oder übermäßiges Spielen entstehen können, zu minimieren.

2.      Das Recht der Mitgliedstaaten auf Regulierung von Glücksspieldienstleistungen bleibt von dieser Empfehlung unberührt.“

8        Die Abschnitte III bis X der Empfehlung betreffen „Informationsanforderungen“, „Minderjährige“, „Spielerregistrierung und ‑konto“, „Spieleraktivität und Unterstützung“, „Zeitsperre und Selbstausschluss“, „Kommerzielle Kommunikation“, „Sponsoring“ sowie „Aufklärung und Sensibilisierung“.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

9        Das Königreich Belgien erhob mit Klageschrift, die am 13. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Empfehlung.

10      Mit besonderem Schriftsatz, der am 19. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Kommission gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 eine Einrede der Unzulässigkeit. Das Königreich Belgien nahm am 20. Februar 2015 zu dieser Einrede Stellung.

11      Die Kommission hielt die beim Gericht erhobene Klage für unzulässig, da die streitige Empfehlung keine nach Art. 263 AEUV anfechtbare Handlung sei. Sie führte im Wesentlichen aus, die Empfehlung sei sowohl ihrer Form als auch ihres Inhalts nach eine „wirkliche“ Empfehlung im Sinne von Art. 288 AEUV, die nicht verbindlich sei und keine zwingende Verpflichtung auferlege. Hierfür sprächen die formale Präsentation dieser auf Art. 292 AEUV gestützten Empfehlung und ihr nicht verbindlich und in der Möglichkeitsform abgefasster Text. Keines der vom Königreich Belgien in der Klageschrift vorgebrachten Argumente könne diese Einstufung der streitigen Empfehlung als nicht anfechtbare Handlung entkräften.

12      Das Königreich Belgien hielt die Klage dagegen für zulässig. Es vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die streitige Empfehlung müsse Gegenstand gerichtlicher Kontrolle sein können, und berief sich dabei insbesondere auf die Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, „AETR“ (22/70, EU:C:1971:32), und vom 13. Dezember 1989, Grimaldi (C‑322/88, EU:C:1989:646), sowie auf den Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes. Erstens machte es geltend, die Empfehlung erzeuge „negative Rechtsfolgen“, da sie, wie sich aus dem ersten, dem dritten und dem vierten der in der Klageschrift angeführten Klagegründe ergebe, fundamentale Grundsätze des Unionsrechts verletze, nämlich den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen den Unionsorganen sowie zwischen ihnen und den Mitgliedstaaten. Zweitens trug es im Rahmen des zweiten und des fünften Klagegrundes vor, der streitigen Empfehlung liege die Absicht zugrunde, die Anwendung der Art. 49 und 56 AEUV im Bereich der Glücksspiele zu harmonisieren, und sie sei in Wirklichkeit eine verschleierte Richtlinie, was zu prüfen Sache der Unionsgerichte sei. Sie erzeuge auch mittelbare Rechtswirkungen, da sich die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit um die Einhaltung der Empfehlung bemühen müssten und die nationalen Gerichte sie zu berücksichtigen hätten.

13      Mit Schriftsätzen, die am 12. und am 16. Januar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, beantragten die Hellenische Republik und die Portugiesische Republik, in dem Verfahren als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Belgien zugelassen zu werden.

14      Mit dem angefochtenen Beschluss, der nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangen ist, hat das Gericht der Unzulässigkeitseinrede vorab stattgegeben. Es hat entschieden, dass die streitige Empfehlung keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge und auch nicht dazu bestimmt sei, dies zu tun, so dass sie nicht als „anfechtbare Handlung“ im Sinne von Art. 263 AEUV eingestuft werden könne. Es hat die Klage daher als unzulässig abgewiesen und die Anträge auf Zulassung zur Streithilfe infolgedessen als erledigt betrachtet.

 Anträge der Parteien

15      Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Königreich Belgien,

–        den angefochtenen Beschluss in vollem Umfang aufzuheben;

–        die Nichtigkeitsklage für zulässig zu erklären;

–        in der Sache zu entscheiden;

–        die Streithilfeanträge der Hellenischen Republik und der Portugiesischen Republik für zulässig zu erklären und

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        dem Königreich Belgien die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

17      Zur Stützung seines Rechtsmittels macht das Königreich Belgien drei Rechtsmittelgründe geltend.

 Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

18      Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes macht das Königreich Belgien geltend, dass der Erlass eines Rechtsakts im Sinne von Art. 288 AEUV als solcher ausreiche, um Rechtswirkungen zu erzeugen, die eine Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV rechtfertigen könnten. Der Ausschluss von Empfehlungen vom Anwendungsbereich dieser Kontrolle sei eng auszulegen. Daher müsse es entgegen den Ausführungen des Gerichts im angefochtenen Beschluss möglich sein, den Unionsrichter anzurufen, damit er prüfen könne, ob das Organ, das die streitige Empfehlung angenommen habe, die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der loyalen Zusammenarbeit und des institutionellen Gleichgewichts eingehalten habe, die im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Unionsorganen grundlegende Bedeutung hätten. Selbst wenn eine „wirkliche“ Empfehlung vorläge, sei das Gericht somit befugt, zu prüfen, ob diese Grundsätze bei der Annahme der Empfehlung missachtet worden seien, ohne dass deshalb eine vollständige Überprüfung ihres materiellen Inhalts erforderlich wäre.

19      Art. 292 AEUV, auf dessen Grundlage die streitige Empfehlung angenommen worden sei, stelle keine materielle, sondern nur eine prozessuale Rechtsgrundlage dar, die nicht nur die Kommission, sondern auch den Rat zur Abgabe von Empfehlungen ermächtige. Zur Wahrung des Grundsatzes des institutionellen Gleichgewichts müsse der Unionsrichter deshalb prüfen können, ob die Kommission im vorliegenden Fall über eine materielle Rechtsgrundlage für die Annahme der streitigen Empfehlung verfügt habe.

20      Zudem ergebe sich aus dem Urteil vom 31. März 1971, Kommission/Rat, „AETR“ (22/70, EU:C:1971:32), dass der Unionsrichter in der Lage sein müsse, schon im Stadium seiner Beurteilung der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage zu prüfen, ob die angefochtene Handlung im Hinblick auf die Vorrechte der übrigen Unionsorgane und der Mitgliedstaaten verbindliche Rechtswirkungen erzeugen könne, ohne dass er in der Sache über die Gültigkeit dieser Handlung entscheiden müsse.

21      Im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes trägt das Königreich Belgien vor, der angefochtene Beschluss, insbesondere dessen Rn. 53 bis 55, führe zu einer prozessualen Ungleichheit, weil ihm nicht gestattet worden sei, vom Unionsrichter überprüfen zu lassen, ob die Kommission den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit eingehalten habe, wohingegen die Kommission die Möglichkeit habe, die Übereinstimmung von Rechtsakten mit diesem Grundsatz auch dann der gerichtlichen Kontrolle zuzuführen, wenn sie keine Bindungswirkung entfalteten.

22      Die Schlussfolgerung des Gerichts in Rn. 52 des angefochtenen Beschlusses sei auch nicht mit den Erkenntnissen in den Urteilen vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament (294/83, EU:C:1986:166), und vom 22. Mai 1990, Parlament/Rat (C‑70/88, EU:C:1990:217), vereinbar, wonach eine Nichtigkeitsklage auch ohne einschlägige Bestimmung in den Verträgen für zulässig zu erklären sei, wenn sie darauf abziele, die Einhaltung der tragenden Grundsätze der Unionsrechtsordnung durch ein Unionsorgan überprüfen zu lassen.

23      Überdies habe der Gerichtshof im Urteil vom 6. Oktober 2015, Rat/Kommission (C‑73/14, EU:C:2015:663), die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage nicht in Zweifel gezogen, obwohl es bei dieser Klage um den Standpunkt der Union im Rahmen eines Gutachtenverfahrens ohne rechtliche Bindungswirkung gegangen sei.

24      Nach Ansicht der Kommission sollten diese Rechtsmittelgründe zurückgewiesen werden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

25      Soweit die ersten beiden Rechtsmittelgründe, die zusammen zu prüfen sind, darauf gestützt werden, dass dem Gericht dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen sei, dass es der streitigen Empfehlung keine Rechtswirkungen beigemessen habe, die eine Rechtmäßigkeitskontrolle gemäß Art. 263 AEUV rechtfertigen könnten, ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 263 Abs. 1 AEUV die Rechtmäßigkeit u. a. der Handlungen des Rates, der Kommission und der EZB überwacht, „soweit es sich nicht um Empfehlungen … handelt“.

26      Durch die Schaffung von Empfehlungen als besondere Kategorie von Unionshandlungen, die ausdrücklich als „nicht verbindlich“ bezeichnet werden, in Art. 288 AEUV sollte den zu ihrer Annahme berechtigten Organen die Befugnis, Anstöße zu geben und Überzeugungsarbeit zu leisten, verliehen werden, die sich von der Befugnis zum Erlass verbindlicher Handlungen unterscheidet.

27      In diesem Zusammenhang hat das Gericht in Rn. 17 des angefochtenen Beschlusses zu Recht unter Berufung auf eine gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofs entschieden, dass „alle Handlungen, die keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen, wie … bloße Empfehlungen … von der in Art. 263 AEUV vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle ausgenommen“ sind.

28      Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien genügt es somit nicht, dass eine von einem Organ angenommene Empfehlung gegen bestimmte Grundsätze und Verfahrensregeln verstoßen soll, damit gegen diese Empfehlung eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann, auch wenn sie keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt.

29      Es ist jedoch ausnahmsweise möglich, gegen eine Empfehlung mit einer Nichtigkeitsklage vorzugehen, wenn die angefochtene Handlung aufgrund ihres Inhalts keine echte Empfehlung ist.

30      Insoweit ist bei der Prüfung des Inhalts der angefochtenen Handlung, mit der geklärt werden soll, ob sie verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, zu berücksichtigen, dass Empfehlungen, wie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, gemäß Art. 263 AEUV vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen und nach Art. 288 Abs. 5 AEUV nicht verbindlich sind.

31      Dies vorausgeschickt, ist darauf hinzuweisen, dass „anfechtbare Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV alle von den Organen erlassenen Bestimmungen – unabhängig von ihrer Form – sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, „AETR“, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 39 und 42, sowie vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Um festzustellen, ob die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen und sind ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts der Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission, C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 25. Oktober 2017, Slowakische Republik/Kommission, C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800, Rn. 47).

33      Im vorliegenden Fall hat das Gericht, um zu klären, ob die streitige Empfehlung geeignet ist, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, und daher Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein kann, in Rn. 18 des angefochtenen Beschlusses ihren Wortlaut, den Kontext, in dem sie steht, ihren Inhalt und die Absicht ihres Urhebers geprüft.

34      Insbesondere hat das Gericht in Rn. 21 des angefochtenen Beschlusses erstens festgestellt, dass „die streitige Empfehlung im Wesentlichen nicht verbindlich formuliert ist“, wie aus der Prüfung hervorgeht, die es in den Rn. 22 und 23 des angefochtenen Beschlusses vorgenommen hat. In den Rn. 26 und 27 des Beschlusses hat es hinzugefügt, dass einige Sprachfassungen der Empfehlung, auch wenn sie teilweise verbindlichere Formulierungen enthielten, gleichwohl im Wesentlichen nicht verbindlich formuliert seien.

35      Zweitens hat das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, „dass auch aus dem Inhalt der streitigen Empfehlung folgt, dass diese Handlung nicht dazu bestimmt ist, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, und die Kommission nicht die Absicht hatte, ihr solche Rechtswirkungen zu verleihen“. Insbesondere hat es in Rn. 31 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass „in Nr. 2 der streitigen Empfehlung ausdrücklich klargestellt [wird], dass das Recht der Mitgliedstaaten auf Regulierung von Glücksspieldienstleistungen von dieser Empfehlung unberührt bleibt“. In Rn. 32 des angefochtenen Beschlusses wird überdies hervorgehoben, dass die streitige Empfehlung keinen ausdrücklichen Hinweis enthalte, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, die von ihr aufgestellten Grundsätze zu erlassen und anzuwenden.

36      Drittens hat das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses zu dem Kontext, in dem die streitige Empfehlung steht, festgestellt, dass sich, „ohne dass [dem] vom Königreich Belgien widersprochen worden“ sei, aus einem Auszug aus der Mitteilung COM(2012) 596 final der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 23. Oktober 2012 („Ein umfassender europäischer Rahmen für das Online-Glücksspiel“) ergebe, dass es „[i]nsgesamt … derzeit nicht angemessen [erscheint], … Rechtsvorschriften [der Union im Sektor der Online-Glücksspiele] vorzuschlagen“.

37      Somit war das Gericht, nachdem es den Wortlaut, den Inhalt und die Zielsetzung der streitigen Empfehlung sowie den Kontext, in dem sie steht, rechtlich hinreichend geprüft hatte, in Rn. 37 des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss berechtigt, dass die Empfehlung „weder verbindliche Rechtswirkungen erzeugt noch dazu bestimmt ist, dies zu tun, so dass sie nicht als anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV eingestuft werden kann“.

38      Die vorstehende Analyse wird zum einen nicht durch das Vorbringen des Königreichs Belgien in Frage gestellt, der Gerichtshof habe im Urteil vom 6. Oktober 2015, Rat/Kommission (C‑73/14, EU:C:2015:663), die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage des Rates nicht in Zweifel gezogen, obwohl diese Klage die Darlegung des Standpunkts der Union im Rahmen eines Gutachtenverfahrens ohne rechtliche Bindungswirkung betroffen habe. Dazu genügt der Hinweis, dass diese Klage nicht gegen eine Empfehlung im Sinne von Art. 288 Abs. 5 AEUV gerichtet war, sondern gegen einen Beschluss der Kommission, der gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV verbindliche Rechtswirkungen erzeugt. Wie die Kommission zutreffend hervorgehoben hat, beruht im Übrigen die Berufung darauf, dass dieser Beschluss im Rahmen der Beteiligung an einem solchen Verfahren ergangen sei, auf einer Verwechslung der Natur der Wirkungen dieses Beschlusses mit der Natur des betreffenden Gutachtenverfahrens.

39      Zum anderen ist, soweit mit dem ersten Rechtsmittelgrund gerügt wird, dass das Gericht die Tragweite der Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der loyalen Zusammenarbeit und des institutionellen Gleichgewichts falsch beurteilt habe, festzustellen, dass das Königreich Belgien dem Gericht damit vorwirft, aus dem Vorbringen, dass die Kommission diese Grundsätze verkannt habe, nicht die Anfechtbarkeit der streitigen Empfehlung abgeleitet zu haben. Wie in Rn. 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann einer solchen Argumentation jedoch nicht gefolgt werden.

40      Soweit der zweite Rechtsmittelgrund darauf gestützt wird, dass das Gericht die Wechselseitigkeit des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit verkannt habe, ist zum einen festzustellen, dass, wie das Gericht in Rn. 55 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt hat, die Vertragsverletzungsklage und die Nichtigkeitsklage Rechtsbehelfe sind, die verschiedene Ziele haben und sich hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen unterscheiden, und zum anderen, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht zum Wegfall der in Art. 263 AEUV ausdrücklich vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen führen kann.

41      Drittens kann die Erwägung in Rn. 37 des vorliegenden Urteils nicht durch das Vorbringen des Königreichs Belgien entkräftet werden, der Gerichtshof habe im Urteil vom 31. März 1971, Kommission/Rat, „AETR“ (22/70, EU:C:1971:32), im Rahmen seiner Beurteilung der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage geprüft, ob die Handlung des Rates, um die es in der Rechtssache ging, in der jenes Urteil ergangen ist, im Hinblick auf die Vorrechte der übrigen Unionsorgane und der Mitgliedstaaten verbindliche Rechtswirkungen erzeugen konnte.

42      Insoweit genügt nämlich der Hinweis, dass es sich bei dieser Handlung um einen in einem Protokoll vermerkten Beschluss des Rates handelte, hinsichtlich dessen der Gerichtshof, um seine Anfechtbarkeit beurteilen zu können, prüfte, ob er dazu bestimmt war, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen. In der vorliegenden Rechtssache geht es hingegen um eine Empfehlung, die nach dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 1 AEUV ausdrücklich vom Anwendungsbereich der in diesem Artikel vorgesehenen Rechtmäßigkeitskontrolle ausgenommen ist, worauf der Gerichtshof im Übrigen in den Rn. 38 und 39 des Urteils vom 31. März 1971, Kommission/Rat, „AETR“ (22/70, EU:C:1971:32), im Kontext von Art. 173 EWG (später Art. 173 EG, dann Art. 230 EG) hingewiesen hat. Überdies hat das Gericht, wie sich aus den Rn. 33 bis 37 des vorliegenden Urteils ergibt, geprüft, ob die streitige Empfehlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, und dies zu Recht verneint.

43      Soweit die ersten beiden Rechtsmittelgründe darauf gestützt werden, dass Art. 263 AEUV verletzt worden sei, weil das Gericht durch den angefochtenen Beschluss eine Rechtmäßigkeitskontrolle der streitigen Empfehlung gemäß diesem Artikel ausgeschlossen habe, was nicht mit den sich aus den Urteilen vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament (294/83, EU:C:1986:166), und vom 22. Mai 1990, Parlament/Rat (C‑70/88, EU:C:1990:217), ergebenden Anforderungen vereinbar sei, ist als Zweites hervorzuheben, dass es in der vorliegenden Rechtssache im Gegensatz zu den Rechtssachen, in denen diese beiden Urteile ergangen sind, nicht an einer Bestimmung in den Verträgen fehlt, die zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage wie der im vorliegenden Fall fraglichen berechtigt, sondern, dass es mit Art. 263 Abs. 1 AEUV eine ausdrückliche Bestimmung gibt, die Empfehlungen vom Anwendungsbereich der Nichtigkeitsklage ausnimmt, sofern sie keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen, was das Gericht im vorliegenden Fall zutreffend festgestellt hat.

44      Auch wenn Art. 263 AEUV die Überprüfung von Handlungen mit Empfehlungscharakter durch den Gerichtshof ausschließt, verleiht ihm im Übrigen Art. 267 AEUV die Befugnis, im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung von Handlungen der Unionsorgane ohne jede Ausnahme zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 1989, Grimaldi, C‑322/88, EU:C:1989:646, Rn. 8, sowie vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 30).

45      Der erste und der zweite Rechtsmittelgrund sind daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

46      Mit seinem dritten Rechtsmittelgrund macht das Königreich Belgien geltend, das Gericht hätte, nachdem es festgestellt habe, dass die deutsche und die niederländische Fassung der streitigen Empfehlung verbindliche Formulierungen enthielten, anerkennen müssen, dass sie zumindest ihm gegenüber verbindliche Rechtswirkungen entfalten solle.

47      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen, da er sich nur gegen den Wortlaut bestimmter Sprachfassungen richte, wodurch der Grundsatz der einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts verkannt werde.

 Würdigung durch den Gerichtshof

48      Wie sich aus Art. 1 der Verordnung Nr. 1 in der durch die Verordnung Nr. 517/2013 geänderten Fassung ergibt, sind alle Fassungen der Handlungen in den in dieser Bestimmung angeführten Amtssprachen der Union maßgebend.

49      Folglich ist grundsätzlich allen Sprachfassungen einer Unionshandlung der gleiche Wert beizumessen. Um die einheitliche Auslegung des Unionsrechts zu wahren, muss daher, wenn die Sprachfassungen voneinander abweichen, die betreffende Vorschrift anhand von Sinn und Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. April 1998, EMU Tabac u. a., C‑296/95, EU:C:1998:152, Rn. 36, und vom 20. November 2003, Kyocera, C‑152/01, EU:C:2003:623, Rn. 32 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Die in einer der Sprachfassungen einer Handlung verwendete Formulierung kann daher nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Handlung herangezogen oder insoweit Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen. Ein solcher Ansatz wäre nämlich mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2009, Zurita García und Choque Cabrera, C‑261/08 und C‑348/08, EU:C:2009:648, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 9. März 2017, GE Healthcare, C‑173/15, EU:C:2017:195, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Im vorliegenden Fall hat das Gericht im angefochtenen Beschluss, wie sich aus Rn. 34 des vorliegenden Urteils ergibt, die verschiedenen Sprachfassungen der streitigen Empfehlung verglichen und daraus geschlossen, dass sie im Wesentlichen nicht verbindlich formuliert sei.

52      Wie sich aus Rn. 37 des vorliegenden Urteils ergibt, war das Gericht zudem, nachdem es den Wortlaut, den Inhalt und die Zielsetzung der streitigen Empfehlung sowie den Kontext, in dem sie steht, rechtlich hinreichend geprüft hatte, in Rn. 37 des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss berechtigt, dass die Empfehlung „weder verbindliche Rechtswirkungen erzeugt noch dazu bestimmt ist, dies zu tun, so dass sie nicht als anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV eingestuft werden kann“.

53      Demnach kann der dritte Rechtsmittelgrund nicht durchgreifen.

54      Nach alledem ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Kosten

55      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Das Königreich Belgien trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Niederländisch.