Language of document : ECLI:EU:C:2014:2240

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 24. September 2014(1)

Rechtssache C‑359/13

B. Martens

gegen

Minister van Onderwijs, Cultuur en Wetenschap

(Vorabentscheidungsersuchen des Centrale Raad van Beroep [Niederlande])

„Finanzmittel für eine Hochschulausbildung in überseeischen Gebieten – Wohnsitzvoraussetzung – ‚Drei-von-sechs-Jahren-Regel‘ – Ehemaliger Grenzarbeitnehmer“





1.        Das Vorabentscheidungsersuchen in der vorliegenden Rechtssache betrifft erneut die Voraussetzungen für eine Finanzierung, die von den Niederlanden für eine Hochschulausbildung außerhalb der Niederlande selbst zur Verfügung gestellt wird und als meeneembare studie financiering (im Folgenden: MNSF oder mitnehmbare Studienfinanzierung) bezeichnet wird. In seinem Urteil in der Rechtssache Kommission/Niederlande (C‑542/09)(2) hat der Gerichtshof entschieden, dass die niederländische Regelung, wonach Personen, die eine solche Finanzierung beantragen, neben der Erfüllung der Voraussetzungen für den Bezug von Finanzmitteln für ein Studium in den Niederlanden sich auch mindestens drei der letzten sechs Jahre vor Einschreibung rechtmäßig in den Niederlanden aufgehalten haben mussten (im Folgenden: Drei-von-sechs-Jahren-Regel), gegen Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68(3) verstößt, weil sie mittelbar diskriminierend ist.

2.        Die Drei-von-sechs-Jahren-Regel wurde gleichwohl auf Frau Babette Martens angewendet, eine niederländische Staatsangehörige, die sich nahezu während ihrer gesamten Schulzeit in Belgien aufhielt und bei den niederländischen Behörden eine mitnehmbare Studienfinanzierung beantragte, um nach Curaçao zu gehen und dort ein Hochschulstudium zu absolvieren. Ihr Vater (ebenso niederländischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Belgien) arbeitete einige Zeit in Teilzeit in den Niederlanden, und Frau Martens wurde die MNSF für ihr Universitätsstudium für diesen Zeitraum bewilligt. Die Studienfinanzierung für den Rest ihres Studiums wurde ihr jedoch ab dem Zeitpunkt versagt, ab dem ihr Vater nicht mehr Grenzarbeitnehmer war, da sodann die Drei-von-sechs-Jahren-Regel auf ihren Fall angewendet wurde und sie diese nicht erfüllte.

3.        Der Centrale Raad van Beroep (Niederlande) (im Folgenden: vorlegendes Gericht) möchte im Wesentlichen wissen, ob einer Anwendung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel durch die Niederlande in einem solchen Fall i) die Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder ii) Rechte aus der Unionsbürgerschaft entgegenstehen. Das Gericht fragt insbesondere, ob Herr Martens sich den Niederlanden gegenüber auf Rechte berufen kann, die sich aus der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ergeben, nachdem er nicht mehr Grenzarbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat ist. Sollte dies zu verneinen sein, ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise dazu, ob Frau Martens sich auf eigene Rechte als Unionsbürgerin berufen kann.

 Unionsrecht

 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

4.        Art. 20 Abs. 1 AEUV führt eine Unionsbürgerschaft ein. Nach Art. 20 Abs. 2 haben Unionsbürger „die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten“. Art. 20 Abs. 2 Buchst. a gewährt Unionsbürgern insbesondere „das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“. Art. 21 bestätigt dieses Recht und ergänzt, dass es „vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ gilt.

5.        Art. 45 AEUV lautet:

„(1)      Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2)      Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

…“

6.        Nach Art. 52 Abs. 1 EUV gelten die Verträge zwar u. a. für „das Königreich der Niederlande“, zu dem Curaçao gehört(4), Art. 52 Abs. 2 EUV verweist jedoch zur Definition des räumlichen Geltungsbereichs der Verträge auf Art. 355 AEUV. Nach Art. 355 Abs. 2 AEUV gilt für die überseeischen Länder und Gebiete (im Folgenden: ÜLG), die in Anhang II zu diesem Vertrag aufgeführt sind, das besondere Assoziationssystem im Vierten Teil des AEU-Vertrags(5). In Anhang II sind u. a. die Niederländischen Antillen aufgeführt, zu denen Curaçao gehört. Diese Länder und Gebiete werden in Art. 198 Abs. 1 AEUV (der ersten Bestimmung des Vierten Teils) als „außereuropäische Länder und Hoheitsgebiete, die mit Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich besondere Beziehungen unterhalten“, bezeichnet, hinsichtlich deren die Mitgliedstaaten „übereinkommen, … [sie] der Union zu assoziieren“.

7.        Der Vierte Teil des AEU-Vertrags betrifft „[d]ie Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete“. Nach Art. 202 AEUV werden „[v]orbehaltlich der Bestimmungen über die Volksgesundheit und die öffentliche Sicherheit und Ordnung … für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte aus den Ländern und Hoheitsgebieten in den Mitgliedstaaten und der Arbeitskräfte aus den Mitgliedstaaten in den Ländern und Hoheitsgebieten Rechtsakte nach Artikel 203 erlassen“(6).

 Verordnung Nr. 1612/68

8.        Die Verordnung Nr. 1612/68 trifft ergänzende Regelungen zur Gewährleistung der Freiheit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, die die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durchführen. Der erste Erwägungsgrund der Verordnung beschreibt als deren übergeordnetes Ziel „die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen … sowie das Recht für diese Arbeitnehmer, sich vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen innerhalb der [Union] zur Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis frei zu bewegen“.

9.        Gemäß den Erwägungsgründen 3 bzw. 4 ist „die Freizügigkeit … ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien“ und steht dieses Recht „Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern zu, die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben“.

10.      Dem fünften Erwägungsgrund zufolge muss sich, damit diese Grundfreiheit „nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde“ wahrgenommen werden kann, „die Gleichbehandlung tatsächlich und rechtlich auf alles erstrecken, was mit der eigentlichen Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und mit der Beschaffung einer Wohnung im Zusammenhang steht; ferner müssen alle Hindernisse beseitigt werden, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in Bezug auf das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland“.

11.      Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats „die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer [genießt]“.

12.      Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 lautet:

„Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.

…“

 Richtlinie 2004/38

13.      Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG(7) bestimmt:

„(1) Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen … vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

 Niederländisches Recht

 Statut für das Königreich der Niederlande

14.      Nach dem Statuut voor het Koninkrijk der Nederlanden (im Folgenden: Statut für das Königreich der Niederlande) in der Fassung von 2010 besteht das Königreich der Niederlande aus den Niederlanden, Aruba, Curaçao und Sint Maarten(8). Die Niederlande und die anderen zum Königreich der Niederlande gehörenden Teileinheiten haben eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, ein gemeinsames Staatsoberhaupt sowie eine gemeinsame Außenpolitik und Verteidigung. Bereiche wie Bildung und Studienfinanzierung bleiben jedoch autonom, wenngleich eine Zusammenarbeit möglich ist.

 Studienfinanzierungsgesetz

15.      Die Wet Studiefinanciering (Studienfinanzierungsgesetz; im Folgenden: Wsf 2000) regelt die Voraussetzungen für die Finanzierung eines Studiums in den Niederlanden und im Ausland. Eine Finanzierung für die Hochschulausbildung in den Niederlanden steht für Studierende zur Verfügung, die zwischen 18 und 29 Jahre alt sind, an einer entsprechend bestimmten oder anerkannten Bildungseinrichtung studieren und eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung erfüllen. Diese Staatsangehörigkeitsvoraussetzung ist in Art. 2.2 geregelt. In Betracht kommen u. a. niederländische Staatsangehörige und Angehörige anderer Staaten, die aufgrund eines Vertrags oder des Beschlusses einer internationalen Organisation auf dem Gebiet der Studienfinanzierung einem niederländischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind.

16.      In den Niederlanden wirtschaftlich aktive Unionsbürger und ihre Familienangehörigen brauchen nicht in den Niederlanden wohnhaft gewesen zu sein, um für eine Finanzierung dieser Art in Frage zu kommen. Grenzgänger(9), die in den Niederlanden arbeiten, dort jedoch nicht ihren Wohnsitz haben, und ihre Familienangehörigen sind daher umfasst. Dagegen kommen Unionsbürger, die in den Niederlanden nicht wirtschaftlich aktiv sind, nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in den Niederlanden für eine Finanzierung in Betracht.

17.      Nach Art. 2.13 Abs. 1 Buchst. d der Wsf 2000 hat ein Studierender ab dem 1. September 2007 keinen Anspruch auf Studienfinanzierung, wenn er in dem betreffenden Finanzierungszeitraum die Voraussetzungen für eine Beihilfe zu den Kosten des Zugangs zur Ausbildung oder des Lebensunterhalts erfüllt, die von der für die Gewährung dieser Beihilfen zuständigen Behörde eines anderen Landes als den Niederlanden gewährt wird.

18.      Nach Art. 2.14 Abs. 2 Buchst. c der Wsf 2000 müssen Studierende (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit), die eine mitnehmbare Studienfinanzierung beantragen, neben der Erfüllung der Voraussetzungen für die Finanzierung einer Hochschulausbildung in den Niederlanden die Drei-von-sechs-Jahren-Regel erfüllen. Diese Bestimmung findet nur Anwendung auf Studierende, die nach dem 31. August 2007 für einen Hochschulstudiengang außerhalb der Niederlande eingeschrieben waren.

19.      Nach Art. 3.21 Abs. 2 der Wsf 2000 wird für einen Studienzeitraum vor Beantragung einer Finanzierung keine Studienfinanzierung gewährt. Es gelten jedoch bestimmte Übergangsregelungen. So bestimmt beispielsweise Art. 12.1ba: „Auf einen Studierenden, der vor dem 1. September 2007 Studienfinanzierung für ein Hochschulstudium außerhalb der Niederlande erhielt, finden die Artikel … in ihrer am 31. August 2007 lautenden Fassung so lange weiter Anwendung, wie dieser ohne Unterbrechung Studienfinanzierung erhält.“

20.      Nach Art. 11.5 der Wsf 2000 kann der Minister van Onderwijs, Cultuur en Wetenschap (Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, im Folgenden: Minister) von der Anwendung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel absehen, soweit deren Anwendung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Wsf 2000 zu einem offenkundigen Fall einer erheblichen Unbilligkeit führen könnte (im Folgenden: Härtefallklausel).

21.      Vor dem 1. Januar 2014 fand die Drei-von-sechs-Jahren-Regel keine Anwendung auf Studierende (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit), die eine MNSF für eine Hochschulausbildung in den „Grenzgebieten“ zu den Niederlanden beantragten(10).

22.      Dem nationalen Gericht zufolge besteht die MNSF aus einem Grundbetrag, dessen Höhe davon abhängig ist, ob der Studierende zu Hause (d. h. unter der Anschrift eines oder beider Elternteile) oder nicht zu Hause lebt, einem Reisekostenzuschuss (im Folgenden: OV vergoeding), einem zusätzlichen Darlehen mit einem Höchstbetrag, einem Zusatzbetrag, dessen Höhe vom Einkommen der Eltern abhängt, und einem Darlehen für Studiengebühren, das grundsätzlich auf den Höchstbetrag der Gebühr begrenzt ist, die eine niederländische Bildungseinrichtung für gleichwertigen Unterricht erheben könnte.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

23.      Frau Martens wurde am 2. Oktober 1987 in den Niederlanden geboren. Sie lebte dort, bis sie im Juni 1993 (als sie fast sechs Jahre alt war) mit ihren Eltern (ebenfalls niederländische Staatsangehörige) nach Belgien zog, wo sie aufwuchs und ihre Schulausbildung abschloss. Ihr Vater arbeitete und arbeitet immer noch in Belgien. Vom 1. Oktober 2006 bis 31. Oktober 2008 arbeitete er jedoch auch in Teilzeit in den Niederlanden. Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge suchte er nach Oktober 2008 nicht nach einer Beschäftigung in den Niederlanden und stand dem niederländischen Arbeitsmarkt auch ansonsten nicht zur Verfügung. Er war vielmehr in Vollzeit in Belgien beschäftigt.

24.      Am 15. August 2006 schrieb Frau Martens sich für das Studienjahr 2006/2007 an der Universität der Niederländischen Antillen in Curaçao ein, um ein Bachelorstudium aufzunehmen. Während ihres Studiums dort leisteten ihre Eltern erhebliche finanzielle Unterstützung (Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten) und bezogen für ihre Tochter Kindergeld in Belgien. Das vorlegende Gericht erläutert, dass das Kindergeld von Studienbeihilfen für volljährige Studierende zu unterscheiden sei und dass die Flämische Gemeinschaft solche Studienbeihilfen für eine Ausbildung an Bildungseinrichtungen außerhalb des sogenannten europäischen Hochschulbereichs in der Regel nicht gewähre.

25.      Am 24. Juni 2008 beantragte Frau Martens bei den niederländischen Behörden eine Studienfinanzierung (Grundbetrag und Reisekostenzuschuss). Sie gab an, dass sie keine Studienfinanzierung eines anderen Landes erhalte und sich in den sechs Jahren vor ihrer Einschreibung bei der Universität der Niederländischen Antillen (d. h. zwischen 2000 und 2006) mindestens drei Jahre in den Niederlanden aufgehalten habe. Offenbar zieht das vorlegende Gericht den guten Glauben der Erklärung von Frau Martens nicht in Zweifel und geht davon aus, dass es sich damals um ein Missverständnis im Hinblick auf die Drei-von-sechs-Jahren-Regel gehandelt haben könnte.

26.      Mit Bescheid vom 22. August 2008 wurde Frau Martens die Studienfinanzierung für die Zeit ab September 2007 bewilligt; sie bezog also ab ihrem zweiten Studienjahr Finanzmittel. Diese Bewilligung wurde in regelmäßigen Abständen verlängert und beruhte auf der Annahme, dass Frau Martens die Drei-von-sechs-Jahren-Regel erfüllte.

27.      Am 1. Februar 2009 beantragte Frau Martens ein zusätzliches Darlehen, das sie ebenfalls erhielt.

28.      Sodann stellte der Minister am 28. Mai 2010 aufgrund einer Prüfung fest, dass Frau Martens sich in der Zeit von August 2000 bis Juli 2006 nicht drei Jahre in den Niederlanden aufgehalten habe, und verfügte den Widerruf der bereits ausgezahlten Beihilfen (19 481,64 Euro). Frau Martens wurde aufgefordert, die bereits erhaltenen Beträge zurückzuzahlen.

29.      Der von Frau Martens gegen diese Entscheidungen erhobene Widerspruch wurde ebenso wie ihr weiteres Rechtsmittel zur Rechtbank ҆s‑Gravenhage (Den Haag) (im Folgenden: Rechtbank) für unbegründet erklärt. Gegen das Urteil der Rechtbank legte sie sodann Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein. Frau Martens machte geltend, dass die Entscheidungen gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstießen und die angebliche fehlende hinreichende Verbundenheit mit den Niederlanden die Entscheidung des Ministers nicht rechtfertigen könne.

30.      Am 1. Juli 2011 erwarb Frau Martens ihren Bachelor-Abschluss und ließ sich in den Niederlanden nieder.

31.      Das vorlegende Gericht setzte die Entscheidung über das Rechtsmittel bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Niederlande aus, die am 14. Juni 2012 erging(11).

32.      Der Minister erkannte sodann an, dass der Vater von Frau Martens vom 1. Oktober 2006 bis 31. Oktober 2008 Grenzarbeitnehmer in den Niederlanden war und Frau Martens daher Anspruch auf eine mitnehmbare Studienfinanzierung für die Zeit von September 2007 bis Oktober 2008 hatte(12). Grund hierfür war, dass aufgrund des Urteils in der Rechtssache Kommission/Niederlande die Drei-von-sechs-Jahren-Regel in einem solchen Fall nicht angewendet werden durfte. Der Minister hielt den Widerruf der Beihilfe jedoch ab dem Zeitpunkt aufrecht, ab dem der Vater von Frau Martens kein Grenzarbeitnehmer in den Niederlanden mehr war (d. h. ab November 2008).

33.      Dem vorlegenden Gericht zufolge stützte der Minister seine Entscheidung nicht auf den Umstand, dass Frau Martens möglicherweise Zugang zu finanzieller Unterstützung aus Belgien hätte haben können (wobei Belgien dem vorlegenden Gericht zufolge allerdings offenbar keine Studienfinanzierung für ein Studium an Bildungseinrichtungen außerhalb des europäischen Hochschulbereichs gewährt); dieser Gesichtspunkt wurde vom vorlegenden Gericht daher nicht weiter geprüft(13).

34.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:

1A.       Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr.1612/68, dahin auszulegen, dass es den Niederlanden verwehrt, dem volljährigen unterhaltsberechtigten Kind eines Grenzarbeitnehmers mit niederländischer Staatsangehörigkeit, der in Belgien wohnt und teils in den Niederlanden und teils in Belgien arbeitet, den Anspruch auf eine Studienfinanzierung für eine Ausbildung außerhalb der EU ab dem Zeitpunkt zu versagen, zu dem die Grenzarbeitnehmertätigkeit endet und der Grenzarbeitnehmer nur noch in Belgien tätig ist, weil das Kind die Voraussetzung nicht erfüllt, dass es mindestens drei der sechs seiner Einschreibung bei der betreffenden Bildungseinrichtung vorangegangenen Jahre in den Niederlanden gewohnt hat?

1B.       Wenn Frage 1A zu bejahen ist: Untersagt das Unionsrecht, die Studienfinanzierung – die Erfüllung ihrer übrigen Voraussetzungen unterstellt – für einen Zeitraum zu bewilligen, der kürzer ist als die Dauer der Ausbildung, für die sie bewilligt wurde?

Sofern der Gerichtshof in Beantwortung der Fragen 1A und 1B zu dem Ergebnis gelangt, dass die das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer regelnden Rechtsvorschriften einer Entscheidung nicht entgegenstehen, Frau Martens von November 2008 bis Juni 2011 oder für einen Teil dieses Zeitraums keine Studienfinanzierung zu bewilligen:

2.      Sind die Art. 20 AEUV und 21 AEUV dahin auszulegen, dass sie es dem EU-Mitgliedstaat Niederlande verwehren, die Studienfinanzierung für eine Ausbildung an einer Bildungseinrichtung in den überseeischen Ländern und Gebieten (ÜLG) (Curaçao), auf die ein Anspruch bestand, weil der Vater der Betroffenen in den Niederlanden als Grenzarbeitnehmer tätig war, nicht zu verlängern, weil die Betroffene die für alle Unionsbürger, auch die eigenen Staatsangehörigen, geltende Voraussetzung nicht erfüllt, dass sie mindestens drei der sechs ihrer Einschreibung für diese Ausbildung vorangegangenen Jahre in den Niederlanden gewohnt hat?

35.      Die dänische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die vorgenannten Verfahrensbeteiligten haben auch in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2014 mündliche Erklärungen abgegeben.

 Würdigung

 Vorbemerkungen

36.      Bildung verursacht Kosten zumindest bei dem Mitgliedstaat, der die Bildung bereitstellt, beim Studierenden selbst (sofern er finanziell eigenständig ist) bzw. bei denjenigen, die dem Studierenden unterhaltspflichtig sind, sowie bei sonstigen (öffentlichen und privaten) Bildungsträgern. Unionsrechtlich bleiben die Mitgliedstaaten für die Entscheidung zuständig, ob sie eine Hochschulausbildung finanzieren und gegebenenfalls in welchem Umfang. Das Unionsrecht greift grundsätzlich nicht in die Entscheidung eines Mitgliedstaats ein, eine Finanzierung für eine Ausbildung an Hochschuleinrichtungen außerhalb ihres Hoheitsgebiets oder auch außerhalb der Europäischen Union anzubieten; dies gilt auch für die Voraussetzungen, an die der Mitgliedstaat eine solche Finanzierung bindet.

37.      Jedoch kann die Situation bestimmter Antragsteller auf solche Finanzierungen vom Unionsrecht erfasst sein. Für diese Antragsteller können sich demnach Rechte aus dem Unionsrecht ergeben, auch im Verhältnis zu ihrem Herkunftsmitgliedstaat. Bei der Ausübung ihrer (unzweifelhaften) Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten somit das Unionsrecht beachten(14). Sie müssen insbesondere dafür Sorge tragen, dass beispielsweise die Voraussetzungen für die Bewilligung einer solchen Finanzierung weder das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ungerechtfertigt beschränken, noch zu einer Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit führen(15).

38.      Worum es im vorliegenden Fall geht, ist daher nicht die Entscheidung der Niederlande, eine Hochschulausbildung außerhalb der Niederlande zu finanzieren, sondern vielmehr eine Voraussetzung (nämlich die Drei-von-sechs-Jahren-Regel), die bei der Entscheidung zur Anwendung kommt, ob diese Finanzierung einem bestimmten Antragsteller gewährt wird.

39.      In den ersten Rechtssachen, die Wohnsitzvoraussetzungen und eine Studienfinanzierung betrafen, ging es häufig um Arbeitnehmer, die ein Studium begannen und keine Unterstützung von anderer Seite mehr erhielten(16). Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass Familienangehörige (typischerweise ein oder beide Elternteile) Studierenden für den Gesamt- oder einen Teilzeitraum ihres Studiums unterhaltspflichtig bleiben. Eine Studienfinanzierung zu erhalten, kann in diesem Fall die finanzielle Belastung mindern, die ansonsten von solchen Familienangehörigen zu tragen wäre. Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Förderung, die für Lebensunterhalt und Ausbildung zur Durchführung eines mit einer beruflichen Qualifikation abgeschlossenen Hochschulstudiums gewährt wird, auch bei Kindern von Wanderarbeitnehmern eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 dar(17), jedoch nur insoweit, als der Wanderarbeitnehmer sein Kind weiter unterstützt(18).

40.      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Vater von Frau Martens sie während ihres Studiums in Curaçao unterstützte. Daher ist die von Frau Martens begehrte mitnehmbare Studienfinanzierung eine soziale Vergünstigung für ihren Vater im Sinne der Verordnung Nr. 1612/68. Zugestanden ist nunmehr, dass Frau Martens für die Zeit von Oktober 2007 bis Oktober 2008, in der ihr Vater Grenzarbeitnehmer in den Niederlanden war, Anspruch auf die MNSF hatte. Die Frage ist, ob ihr Anspruch danach weiter fortbestand.

41.      Mit der ersten Vorlagefrage wird der Gerichtshof ersucht, die Rechtsstellung von Frau Martens als unterhaltsberechtigtes Kind eines ehemaligen Grenzarbeitnehmers in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn Frau Martens sich auf die Rechtsstellung ihres Vaters als ehemaliger Grenzarbeitnehmer in den Niederlanden berufen kann und sich hieraus für sie Rechte ergeben, weiter Zugang zu einer Studienfinanzierung für den restlichen Teil ihres Studiums in Curaçao zu haben, bedarf es keiner Prüfung der zweiten Vorlagefrage, die eigene Rechte von Frau Martens als Unionsbürgerin in den Mittelpunkt stellt(19). (Die Niederlande haben nur in letzterem Zusammenhang zur möglichen Rechtfertigung einer Beschränkung von Rechten klar Stellung genommen.)

42.      Der Vollständigkeit halber werde ich beide Fragen beantworten. Vorher werde ich jedoch einen Blick auf die Frage werfen, ob der Studienort von Frau Martens (Curaçao) für den jeweiligen räumlichen Anwendungsbereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Rechte aus der Unionsbürgerschaft von Belang ist.

 Räumlicher Anwendungsbereich des Unionsrechts

43.      Curaçao ist Teil des Königreichs der Niederlande, jedoch auch als überseeisches Gebiet eingestuft. Die Anwendung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel auf Frau Martens legt nahe, dass der Minister der Ansicht war, dass Frau Martens nicht „in den Niederlanden“ studierte(20). Die niederländische Regierung hat dies in der mündlichen Verhandlung so bestätigt.

44.      Ist der Studienort von Frau Martens für den jeweiligen räumlichen Anwendungsbereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und/oder der Rechte aus der Unionsbürgerschaft von Belang?

45.      Richtig ist, dass, soweit ein besonderes System zwischen der Europäischen Union und den ÜLG besteht, andere Bestimmungen der Verträge als die im Vierten Teil des AEU‑Vertrags aufgeführten nur gelten, soweit sie ausdrücklich für anwendbar erklärt sind(21). Soweit die Verträge also nicht ausdrücklich vorsehen, dass eine bestimmte Bestimmung auch für Gebiete außerhalb der Europäischen Union oder für Drittstaaten gilt(22), gilt diese Bestimmung nicht für ÜLG(23).

46.      Diese Punkte sind aus meiner Sicht im vorliegenden Fall nicht von Belang.

47.      Die Frage ist hier nicht, ob das Unionsrecht anwendbar ist, weil ein Unionsbürger (sei er wirtschaftlich aktiv oder nicht) von einem Mitgliedstaat in ein ÜLG gezogen ist. Worauf es ankommt, ist vielmehr, ob sich aus der Bewegung eines Unionsbürgers zwischen zwei Mitgliedstaaten (den Niederlanden und Belgien) und dem nachfolgenden Aufenthalt in einem Mitgliedstaat (Belgien), der nicht der Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit ist, im Kontext der Studienfinanzierung, die von einem dieser Mitgliedstaaten (den Niederlanden) für ein Studium im Ausland zur Verfügung gestellt wird, Rechte ergeben können.

48.      Insbesondere wurde hier eine Voraussetzung (nämlich die Drei-von-sechs-Jahren-Regel) auf eine Unionsbürgerin (Frau Martens) angewandt, die Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte ausgeübt hat, als sie von den Niederlanden nach Belgien zog und die sich mindestens solange weiter in Belgien aufhielt, bis sie nach Curaçao zog, um dort zu studieren(24). Sie übte daher Rechte nach dem Unionsrecht ununterbrochen mindestens bis zu dem Zeitpunkt aus, zu dem sie diese Rechte geltend machen möchte, um Zugang zu einer MNSF zu erhalten(25). Frau Martens ist ferner unterhaltsberechtigtes Kind eines Unionsbürgers, der Rechte als Arbeitnehmer ausgeübt hat, indem er von seinem Herkunftsmitgliedstaat (den Niederlanden) in einen Aufnahmemitgliedstaat (Belgien) zog, um dort zu leben und zu arbeiten, und der nachfolgend in Teilzeit in den Niederlanden arbeitete, während er weiterhin in Belgien wohnte, bevor er wieder eine Vollzeitbeschäftigung in dem Aufnahmemitgliedstaat aufnahm, in dem er wohnt (Belgien).

49.      Unter diesen Umständen fallen die Situation sowohl von Frau Martens als auch die ihres Vaters in den Geltungsbereich des Unionsrechts.

 Frage 1: Freizügigkeit der Arbeitnehmer

 Einleitung

50.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Herr Martens, der ehemaliger Grenzarbeitnehmer ist, und seine unterhaltsberechtigte Tochter, die eine MNSF begehrt, Rechte aus seiner Rechtsstellung als Arbeitnehmer in den Niederlanden geltend machen kann, wo er nicht mehr arbeitet, weil er eine Vollzeitbeschäftigung in Belgien aufgenommen hat.

51.      Alle Verfahrensbeteiligten, die Erklärungen eingereicht haben und in der mündlichen Verhandlung anwesend waren, sind darin einig, dass Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 den Niederlanden verwehren, die Drei-von-sechs-Jahren-Regel als Voraussetzung für die Gewährung einer MNSF an Wander- und Grenzarbeitnehmer in den Niederlanden vorzusehen. Zu diesem Ergebnis kam auch der Gerichtshof in der Rechtssache C‑542/09(26). Solange Herr Martens in den Niederlanden arbeitete, konnte Frau Martens (nach Ansicht der Beteiligten) ihre mitnehmbare Studienfinanzierung bekommen. Nach Ansicht der Beteiligten sind beide Bestimmungen jedoch nicht mehr anwendbar, sobald ein Arbeitnehmer nicht mehr Grenzarbeitnehmer ist.

52.      Meines Erachtens geht die Frage, welche Ansprüche jemand als ehemaliger Grenzarbeitnehmer hat (oder nicht hat), an der Sache vorbei. Tatsache ist ganz einfach, dass Herr Martens weiterhin Wanderarbeitnehmer ist. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen werden von den Beteiligten übersehen, indem sie die Wirkungen des Verlusts der Grenzarbeitnehmereigenschaft von Herrn Martens in den Mittelpunkt stellen.

 Beschränkung des Rechts von Herrn Martens nach Art. 45 AEUV

53.      Art. 45 AEUV umfasst zum einen die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen und zum anderen das Recht, sich im Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten zu dem Zweck frei zu bewegen, sich um angebotene Stellen zu bewerben.

54.      Die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Personen sollen Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Unionsgebiet ermöglichen. Parallel zu diesem Ziel stehen sie daher auch Regelungen entgegen, die Unionsbürger deshalb benachteiligen könnten, weil sie eine Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben möchten (und daher ihren Herkunftsstaat verlassen)(27). Diese Bestimmungen stehen daher Maßnahmen entgegen, die geeignet sind, die Ausübung dieser Freiheiten durch Unionsbürger zu behindern oder weniger attraktiv zu machen(28). Maßnahmen, die bewirken, dass Arbeitnehmer oder Selbständige infolge der Ausübung ihres Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit soziale Vergünstigungen verlieren, die ihnen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zustehen, können als Beschränkungen dieser Freiheit anzusehen sein(29). Dies gilt auch, soweit das nationale Recht unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Erwerbstätigen einen Staatsangehörigen daran hindert oder davon abhält, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen(30).

55.      Im vorliegenden Fall kommt die Drei-von-sechs-Jahren-Regel auf Frau Martens deshalb zur Anwendung, weil die Beschäftigung ihres Vaters als Grenzarbeitnehmer in den Niederlanden beendet ist. Den Sachverhaltsangaben des vorlegenden Gerichts zufolge ist nicht davon auszugehen, dass ihm die Erwerbstätigeneigenschaft in den Niederlanden erhalten geblieben ist (beispielsweise weil er dort Arbeit gesucht oder dem niederländischen Arbeitsmarkt anderweitig zur Verfügung gestanden hätte)(31). Es ist jedoch nicht so, dass Herr Martens nicht mehr wirtschaftlich aktiv gewesen wäre oder dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. Er übte vielmehr sein Recht auf Freizügigkeit als Erwerbstätiger aus, um eine Vollzeitbeschäftigung in Belgien aufzunehmen, wo er weiterhin seinen Wohnsitz hat und arbeitet(32). Er kann somit aufgrund von Art. 45 AEUV Schutz vor Maßnahmen beanspruchen, die ihn deshalb benachteiligen, weil er sich entschieden hat, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten.

56.      Die Anwendung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel zwingt Herrn Martens letztlich dazu, entweder sein Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht wahrzunehmen und sich eine neue Beschäftigung lediglich in den Niederlanden zu suchen (um so seiner Tochter die MNSF zu erhalten) oder diese Freiheit wahrzunehmen und den finanziellen Verlust der Studienfinanzierung und das mögliche Risiko hinzunehmen, dass sich keine alternative Finanzierung findet.

57.      Eine solche Maßnahme beschränkt die Rechte des Vaters von Frau Martens nach Art. 45 AEUV. Soweit sie nicht objektiv gerechtfertigt ist, ist sie nach dieser Bestimmung verboten(33).

58.      Für den Fall, dass der Gerichtshof mit dieser Würdigung nicht übereinstimmen sollte, gehe ich nun auf die Tragweite der Entscheidung in der Rechtssache Kommission/Niederlande (C‑542/09) und das Schutzniveau nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 (bzw. Art. 12 der Verordnung) ein und ziehe schließlich Umstände in Betracht, unter denen die frühere Arbeitnehmereigenschaft weiter Wirkungen entfalten könnte.

 Tragweite des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Niederlande (C‑542/09)

59.      Ausgangspunkt der Beteiligten in der vorliegenden Rechtssache ist das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑542/09. Die Feststellungen im dortigen Vertragsverletzungsverfahren beruhten auf Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 und betrafen eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende mittelbare Diskriminierung von Wander- und Grenzarbeitnehmern gegenüber inländischen Arbeitnehmern.

60.      Das Urteil des Gerichtshofs in jener Rechtssache bezog nach meinem Verständnis nicht ausdrücklich auch die Situation eines niederländischen Staatsangehörigen mit ein, der außerhalb seines Herkunftsmitgliedstaats wohnt, jedoch seine Freizügigkeitsrechte nach dem Unionsrecht ausübt, um in den Niederlanden zu arbeiten. (Zur Vereinfachung bezeichne ich diese Kategorie als „niederländische Grenzarbeitnehmer“.)

61.      Der Gerichtshof hat im Urteil Kommission/Niederlande entschieden, dass die Niederlande dadurch gegen ihre Verpflichtungen nach Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßen haben, dass Wander- und Grenzarbeitnehmer und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen die Drei-von-sechs-Jahren-Regel (nach Art. 2.14 Abs. 2 der Wsf 2000) erfüllen müssen, um für die Finanzierung eines Hochschulstudiums außerhalb der Niederlande in Betracht zu kommen. Der Gerichtshof bestätigte, dass Art. 7 Abs. 2 Wanderarbeitnehmern, die in einem Aufnahmemitgliedstaat wohnen, und Grenzarbeitnehmern, die ihre unselbständige Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat ausüben, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen garantiert, die inländische Arbeitnehmer genießen(34).

62.      Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass eine Maßnahme wie die Drei-von-sechs-Jahren-Regel „sich hauptsächlich zum Nachteil der Wander- und Grenzarbeitnehmer auswirkt, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind, da Gebietsfremde meist Ausländer sind“(35). Um eine mittelbare Diskriminierung feststellen zu können, so führte der Gerichtshof aus, „muss [die Maßnahme] nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden“(36). Der Gerichtshof benannte sodann die im Hinblick auf den Zugang zu einer mitnehmbaren Studienfinanzierung zu vergleichenden Sachverhalte, nämlich die jeweilige Situation i) einerseits von Wanderarbeitnehmern, die in den Niederlanden tätig sind, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, und von Wanderarbeitnehmern, die in den Niederlanden tätig sind und wohnen, jedoch die Drei-von-sechs-Jahren-Regel nicht erfüllen, und ii) andererseits von niederländischen Arbeitnehmern, die in den Niederlanden tätig sind und wohnen(37).

63.      Die Rechtslage niederländischer Grenzarbeitnehmer wurde vom Gerichtshof nicht gesondert in Betracht gezogen. Für den Gerichtshof stand bei der Benennung der beiden miteinander zu vergleichenden Kategorien die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Mittelpunkt.

64.      Ein niederländischer Grenzarbeitnehmer wie der Vater von Frau Martens wird im Wesentlichen deshalb anders behandelt als inländische Arbeitnehmer, weil er Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte ausgeübt hat, und nicht wegen seiner Staatsangehörigkeit, die jeweils die gleiche ist. Meines Erachtens kann er sich daher nicht ohne weitere Begründung auf die Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung in der Rechtssache C‑542/09 berufen.

65.      Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 ist demnach genauer zu betrachten.

 Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68

66.      Die Regelungen in Art. 7 (und in Art. 12) der Verordnung Nr. 1612/68 sind weitere Ausprägungen der durch Art. 45 AEUV garantierten Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union(38). Nach dem vierten Erwägungsgrund dieser Verordnung steht dieses Recht gleichermaßen auch Grenzarbeitnehmern zu. Demgemäß garantiert Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Wander- und Grenzarbeitnehmern die Gleichbehandlung mit inländischen Arbeitnehmern. Die Bestimmung schützt vor unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit(39).

67.      Voraussetzung dafür, dass ein Arbeitnehmer das Recht auf Gleichbehandlung geltend machen kann, um eine Studienfinanzierung als soziale Vergünstigung nach Art. 7 Abs. 2 zu erhalten, ist, dass der Arbeitnehmer seinen Familienangehörigen weiterhin unterstützt(40). Dies ist hier offenbar der Fall. Es ist nicht erforderlich, dass das Kind in dem Mitgliedstaat wohnt, in dem der Arbeitnehmer wohnt und arbeitet (bzw. der Grenzarbeitnehmer arbeitet)(41).

68.      Im vorliegenden Fall wird Herr Martens deshalb weniger günstig behandelt, weil er seine Freizügigkeitsrechte als Arbeitnehmer ausgeübt hat, und nicht wegen seiner niederländischen Staatsangehörigkeit.

69.      In Art. 7 Abs. 2, nach dessen Wortlaut „[e]r … dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer [genießt]“, bezieht sich das Pronomen auf den unmittelbar zuvor in Art. 7 Abs. 1 bezeichneten Arbeitnehmer – also auf den Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats und in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt ist. Andere Bestimmungen der Verordnung Nr. 1612/68, insbesondere diejenigen, die den Titel II über „Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung“ bilden, beziehen sich ebenfalls auf einen Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist.

70.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt jedoch, dass der Gleichbehandlungsstandard des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 weiter reicht als der Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit(42).

71.      So bestätigte der Gerichtshof im Urteil Hartmann, dass der Geltungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer „jede[n] Gemeinschaftsangehörige[n], der von dem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit“ umfasst(43). Diese Person ist ebenfalls vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1612/68 umfasst(44). Demgemäß wurde Herr Hartmann, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnte, jedoch im Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit arbeitete, als vom Geltungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und somit auch der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1612/68 umfasst angesehen(45). Er konnte die Rechtsstellung eines Wanderarbeitnehmers im Sinne der Verordnung Nr. 1612/68 geltend machen und sich wie jeder andere Arbeitnehmer, auf den diese Bestimmung anwendbar ist, auf Art. 7 berufen(46). Der Gerichtshof verglich die Behandlung einer Person in seiner Situation (eines Arbeitnehmers, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat) mit der Behandlung inländischer Arbeitnehmer (d. h. inländischer Arbeitnehmer, die nicht von Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechten Gebrauch gemacht hatten).

72.      In diesem Zusammenhang verweist der Gerichtshof auch auf den vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68, wonach das Recht auf Freizügigkeit „gleichermaßen Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern [und] Grenzarbeitnehmern …“ zusteht(47). Ein Arbeitnehmer kann sich auch gegenüber dem Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit auf Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt hat und dort erwerbstätig war(48).

73.      Demnach dürfte der Begriff des „inländischen Arbeitnehmers“ in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 dahin zu verstehen sein, dass er einen inländischen Arbeitnehmer bezeichnet, der Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte nicht ausgeübt hat, und dass das Schutzniveau dieser Bestimmung die Gleichbehandlung unabhängig von der Staatsangehörigkeit ist, um die Ausübung der Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte des Unionsrechts zu fördern.

74.      Hieraus folgt, dass sowohl Art. 45 AEUV als auch Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 einem Mitgliedstaat verwehren, Arbeitnehmer (seien es Dauerarbeitnehmer, Saisonarbeiter oder Grenzarbeitnehmer)(49) zu benachteiligen, die Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte ausgeübt haben. Trotz des Wortlauts des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verwehren diese Bestimmung und Art. 45 AEUV es den Niederlanden somit, dem unterhaltsberechtigten Kind eines Grenzarbeitnehmers, der die niederländische Staatsangehörigkeit hat, aufgrund der Drei-von-sechs-Jahren-Regel eine Studienfinanzierung zu versagen, solange er Grenzarbeitnehmer ist. Grund hierfür ist, dass die Drei-von-sechs-Jahren-Regel einen Grenzarbeitnehmer im Vergleich zu einem inländischen Arbeitnehmer in ähnlicher Situation benachteiligt.

 Verlust der Arbeitnehmereigenschaft

75.      Ich habe bereits erläutert, warum der Gerichtshof meiner Ansicht nach hier nicht darüber entscheiden muss, ob (und gegebenenfalls in welchem Umfang) eine Person sich nach Verlust der Wander- oder Grenzarbeitnehmereigenschaft weiter auf (bestimmte) Bestimmungen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen kann(50). Der Vollständigkeit halber werde ich gleichwohl abstrakt auf diese Frage eingehen.

76.      Aus meiner Sicht stellt sich die Frage nur, soweit eine Person diese Freiheit nicht mehr dadurch ausübt, dass sie arbeitet, tatsächlich eine Arbeit sucht(51) oder dem Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat anderweitig weiter zur Verfügung steht(52). Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn eine Person in der Situation von Herrn Martens ihr Berufsleben abgeschlossen und (in Belgien oder andernorts) in den Ruhestand gegangen wäre.

77.      Grundsätzlich kann diese Person aus ihrer früheren Arbeitnehmereigenschaft keine Rechte mehr herleiten(53). Der Verlust dieser Rechtsstellung führt zum Verlust des Schutzes, den sie nach dem Unionsrecht gewährt. Ein bloßer Wechsel in eine andere Beschäftigung darf diesen Schutz jedoch nicht beenden(54).

78.      Soweit dieser Unionsbürger sich weiter im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, kann er sich jedenfalls auf den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 berufen, der ihn aufgrund seiner Unionsbürgerschaft schützt(55). Insoweit kann gerade die Tatsache, dass er früher Erwerbstätiger war und/oder ihm diese Eigenschaft erhalten geblieben ist, Grundlage für das Aufenthaltsrecht sein(56). Darüber hinaus kann das Unionsrecht selbst vorsehen, dass Rechte sich aus einer früheren Arbeitnehmereigenschaft ergeben oder damit verbunden sind(57).

79.      Der Gerichtshof hat ferner anerkannt, dass eine frühere Wander- oder Grenzarbeitnehmereigenschaft Folgewirkungen haben kann, nachdem das Arbeitsverhältnis selbst beendet ist(58). Dieser (weiter gehende) Schutz kann unabhängig davon fortgelten, dass die betreffende Person möglicherweise durch Rechte aus der Unionsbürgerschaft geschützt ist, sobald sie nicht mehr wirtschaftlich aktiv ist. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bietet den weiter gehenden Schutz. Insbesondere für die Studienfinanzierung hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Mitgliedstaat, solange ein Elternteil die Rechtsstellung eines Wander- oder Grenzarbeitnehmers genießt, eine Wohnsitzvoraussetzung nicht anwenden und sich nicht auf das Ziel der Vermeidung einer übermäßigen finanziellen Belastung als zwingenden Grund des Allgemeininteresses, der geeignet ist, eine Ungleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und Grenz- und Wanderarbeitnehmern zu rechtfertigen, berufen darf(59). Er darf somit keine Maßnahme wie eine Wohnsitzvoraussetzung erlassen, um die finanzielle Solidarität einzuschränken, die Wander- und Grenzarbeitnehmern im Vergleich zu inländischen Arbeitnehmern entgegenzubringen ist. Folglich stellen sich, anders als bei der Rechtfertigung einer solchen Maßnahme aufgrund desselben Ziels im Kontext der Rechte aus der Unionsbürgerschaft, Fragen nach der Verhältnismäßigkeit einer solchen Voraussetzung nicht(60).

80.      Unter welchen Umständen sollte ein ehemaliger Grenz- oder Wanderarbeitnehmer weiterhin durch Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer geschützt sein (d. h. anderen als den gesetzlich ausdrücklich gewährten Schutz genießen)?

81.      Klar ist, warum die Wirkungen bestimmter sozialer Vergünstigungen unabhängig vom Wohnort fortdauern müssen. Ganz selbstverständlich ist dies der Fall, soweit die Vergünstigung in innerem Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses oder des Berufslebens eines Arbeitnehmers steht(61). So kann eine Entschädigung bei Beendigung eines Arbeitsvertrags naturgemäß nur einer Person zustehen, die früher beschäftigt war, jedoch nicht mehr beschäftigt ist. Unter diesen Umständen muss eine Berufung auf die frühere Arbeitnehmereigenschaft möglich sein. Diese Annahme findet sich im Sekundärrecht bestätigt(62).

82.      Soweit das Ereignis oder die Situation, für das/die eine soziale Vergünstigung gewährt wird, nach Ende des Arbeitsverhältnisses eintritt und nicht damit oder mit der früheren Beschäftigung des Arbeitnehmers in Verbindung steht, ist es grundsätzlich nicht möglich, sich weiterhin beispielsweise auf Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 oder Art. 45 AEUV zu berufen(63). So hat der Gerichtshof entschieden, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer in dem Fall, dass er selbst später im Aufnahmemitgliedstaat studiert, weiterhin als Arbeitnehmer anzusehen ist und sich daher in Bezug auf einen begehrten Zugang zu Förderungen, die für Lebensunterhalt und Ausbildung gewährt werden, auf Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen kann, wenn zwischen der früheren Berufstätigkeit und dem absolvierten Studium eine Verbindung besteht(64). Soweit dagegen das frühere Arbeitsverhältnis für das Studium, das durch die Förderung finanziert werden soll, nur von untergeordneter Bedeutung ist, bleibt ihm die Arbeitnehmereigenschaft nicht erhalten und ist eine solche Berufung nicht möglich(65). Ausnahmsweise ist dann, wenn ein Arbeitnehmer unfreiwillig arbeitslos geworden und aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmarkt zu einer beruflichen Umschulung in einem anderen Berufszweig gezwungen ist, keine Verbindung mit der früheren Beschäftigung erforderlich(66).

83.      Was ist, wenn das Ereignis oder die Situation, das bzw. die den Bedarf begründet, Zugang zu der sozialen Vergünstigung zu erhalten, vor dem Verlust der Grenz- oder Wanderarbeitnehmereigenschaft eingetreten ist, dann jedoch nach dem Verlust dieser Rechtsstellung fortbesteht?

84.      Ich denke, dies wird wiederum vom Umfang der sozialen Vergünstigung und von dem Grund abhängen, warum sie gewährt wird.

85.      In diesem Zusammenhang haben verschiedene Beteiligte das Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado angeführt, so dass ich auf diese Rechtssache näher eingehen werde.

86.      Der Gerichtshof stellte dort fest, dass kein besonderer Umstand vorliegt, der eine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen kann, dass der Verlust der Grenz- oder Wanderarbeitnehmereigenschaft zum Verlust des mit dieser Rechtsstellung verbundenen Schutzes führt, wenn ein ehemaliger Arbeitnehmer (der sich nicht mehr im Aufnahmemitgliedstaat aufhält) sich auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu berufen sucht, um eine Studienfinanzierung des Aufnahmemitgliedstaats unter den gleichen Voraussetzungen zu erhalten, wie sie dieser Staat auf seine Staatsangehörigen anwendet(67).

87.      Was den Sachverhalt betrifft, ging es in jener Rechtssache um eine ehemalige Arbeitnehmerin, die Kindergeld bezogen hatte, ihre Erwerbstätigkeit beendete, Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit erhielt und dann, als Folge einer Gesetzesreform, durch die der Anspruch auf Kindergeld in einen Anspruch auf eine Studienbeihilfe umgewandelt wurde(68), diesen Anspruch verlor, weil ihre Tochter ihre Sekundarschulausbildung abschloss und daher die in der Übergangsregelung vorgesehene Voraussetzung nicht mehr erfüllte, wonach das Kind sich noch in derjenigen Ausbildung befinden musste, in der es sich am 1. Oktober 1995 befand.

88.      Der Gerichtshof stellte fest, dass die Voraussetzungen für den Zugang zu einer Studienfinanzierung die Rechte nach Art. 45 AEUV nicht beeinträchtigen können, wenn ein Wanderarbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückgekehrt ist, in dem auch seine Kinder wohnen(69). Im Rahmen der Erwägungen, die ihn zu diesem Ergebnis führten, bestätigte der Gerichtshof, dass i) Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht dahin auszulegen ist, dass ehemalige Arbeitnehmer sich auf diese Bestimmung berufen können, um gleichen Zugang zu sozialen Vergünstigungen des Aufnahmemitgliedstaats zu beanspruchen(70), sondern dahin, dass ii) Wirkungen fortdauern können, soweit die Vergünstigung in unauflöslichem Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses oder des Berufslebens eines Arbeitnehmers steht(71) oder soweit sie durch Rechtsvorschriften ausdrücklich vorgesehen sind(72).

89.      Kurze Zeit später erkannte der Gerichtshof im Urteil Leclere und Deaconescu an, dass ein früherer Arbeitnehmer nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit „weiterhin Anspruch auf bestimmte, während seines Arbeitsverhältnisses erworbene Vergünstigungen [hat]“(73). Generalanwalt Jacobs kam in jener Rechtssache zu der Ansicht, dass es darauf ankomme, ob dem früheren inländischen Arbeitnehmer (der keine Freizügigkeitsrechte ausgeübt hat) die Vergünstigung aufgrund seiner Eigenschaft als früherer Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf seinen Wohnsitz gewährt werde. Wenn dies mit „nein“ zu beantworten sei, könne sich der ehemalige Wander- oder Grenzarbeitnehmer nicht mehr auf den mit dieser Rechtsstellung verbundenen Schutz berufen(74).

90.      Ich komme zu dem Schluss – und betone noch einmal, dass ich diesen Punkt abstrakt behandele –, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer keinen Anspruch auf weiteren Genuss aller während seines Arbeitsverhältnisses erworbenen Vergünstigungen hat. Der Begriff der „sozialen Vergünstigung“ in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 ist sehr weit und umfasst alle Leistungen, die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt werden(75). Ein ehemaliger Arbeitnehmer kann in Bezug auf solche sozialen Vergünstigungen, die an sein früheres Arbeitsverhältnis anknüpfen, weiter Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer geltend machen. Eine mitnehmbare Studienfinanzierung wie die MNSF wird Arbeitnehmern (bzw. ihren unterhaltsberechtigten Kindern) jedoch im Allgemeinen nicht wegen ihres Arbeitsverhältnisses gewährt. Es handelt sich um eine soziale Vergünstigung, die die Niederlande allen Unionsbürgern zur Verfügung stellen, die außerhalb der Niederlande studieren möchten und in den Niederlanden hinreichend integriert sind. Das Unionsrecht untersagt den Niederlanden daher, Unionsbürgern, die von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, diese Vergünstigung zu versagen (weil ihre objektive Arbeitnehmereigenschaft die Integration von vornherein nachweist).

91.      Wie Generalanwalt Jacobs ausgeführt hat(76), bedeutet dies auch, dass ein Mitgliedstaat, soweit er ehemaligen Arbeitnehmern trotz der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und unabhängig vom Wohnsitz eine soziale Vergünstigung weitergewährt, diejenigen ehemaligen Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind oder die von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht diskriminieren darf. Insoweit kann ein ehemaliger Grenz- oder Wanderarbeitnehmer sich für vor Beendigung seiner Grenz- oder Wanderarbeitnehmereigenschaft erworbene Vergünstigungen weiter auf den Schutz des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen.

92.      Es ist somit Sache eines Mitgliedstaats, zu entscheiden, ob (inländische) ehemalige Arbeitnehmer eine soziale Vergünstigung wie eine Studienfinanzierung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen ihrer früheren Beschäftigung weitergenießen. Ist das der Fall, darf ein Mitgliedstaat Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind und/oder von ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht weniger günstig behandeln.

 Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68

93.      Ungeachtet der Tatsache, dass das vorlegende Gericht lediglich um Hinweise zu Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 ersucht, äußern sich alle Beteiligten im Rahmen ihrer Beantwortung der ersten Frage auch zu Art. 12 dieser Verordnung (einschließlich der Frage, ob diese Bestimmung überhaupt auf das Kind eines Grenzarbeitnehmers anwendbar ist). Der Vollständigkeit halber werde ich zum Abschluss dieses Teils meiner Schlussanträge auf diese Bestimmung eingehen.

94.      Art. 12 verleiht Kindern von Arbeitnehmern, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats arbeiten oder gearbeitet haben, ein gesondertes, eigenständiges Recht(77). Es garantiert ihnen u. a. Zugang zum allgemeinen Unterricht in dem Mitgliedstaat, in dem ihr Elternteil beschäftigt (und somit Wanderarbeitnehmer) ist oder war, unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie für Angehörige dieses Staates gelten, wenn sie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats wohnen(78). Kinder in dieser Situation können somit ihre schulische Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat absolvieren und gegebenenfalls auch abschließen(79). Sie können sich auf Art. 12 auch berufen, soweit der Aufnahmemitgliedstaat es seinen Staatsangehörigen ermöglicht, eine Beihilfe für eine Ausbildung im Ausland zu erhalten(80). Um sich auf Art. 12 berufen zu können, muss ein Anspruchsteller weder unterhaltsberechtigtes Kind eines Wanderarbeitnehmers sein noch nachweisen, dass seine Eltern beide ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat haben oder dass seine Eltern weiterhin Wanderarbeitnehmer sind(81). Auch müssen die Eltern des Kindes weder weiterhin verheiratet noch beide Unionsbürger sein(82). Maßgebend ist, dass das Kind mit seinen Eltern (oder einem Elternteil) in der Zeit im Aufnahmemitgliedstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte(83). Auf diese Weise trägt Art. 12 zu dem übergeordneten Ziel der Verordnung Nr. 1612/68 bei, die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen(84). Das Kind eines Wanderarbeitnehmers muss die Möglichkeit haben, im Aufnahmemitgliedstaat die Schule zu besuchen und ein Studium zu absolvieren, um seine Ausbildung erfolgreich abschließen zu können(85). Aus diesem Grund bestehen das Recht auf Zugang zur Ausbildung und das zugehörige Aufenthaltsrecht des Kindes bis zum Abschluss seiner Ausbildung fort(86).

95.      Ein Grenzarbeitnehmer zeichnet sich begriffsnotwendig jedoch dadurch aus, dass er nicht im Aufnahmemitgliedstaat wohnt und arbeitet.

96.      Der Wortlaut von Art. 12 deutet also darauf hin, dass die Bestimmung nicht für Kinder von Grenzarbeitnehmern gilt. Eine solche Auslegung erscheint jedoch schwerlich mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Wander- und Grenzarbeitnehmern in Einklang zu bringen, der sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68 und gefestigter Rechtsprechung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer ergibt(87).

97.      Selbst wenn Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht voraussetzt, dass der Elternteil (der Grenzarbeitnehmer ist) im Aufnahmemitgliedstaat wohnt (diese Frage lasse ich ausdrücklich offen), muss das Kind – meines Erachtens – jedenfalls eine gewisse Bindung an oder Integration in den Aufnahmemitgliedstaat durch Wohnsitz oder Ausbildung in diesem Staat erkennen lassen. Ich nehme hier nicht abschließend dazu Stellung, wie diese Grenze genau zu ziehen ist. Im vorliegenden Fall hat Frau Martens nicht in den Niederlanden gewohnt, während ihr Vater dort Grenzarbeitnehmer war, und sie hat eine Finanzierung für ein Studium an einer Bildungseinrichtung außerhalb der Niederlande beantragt.

98.      Ich komme zu dem Schluss, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 für den vorliegenden Fall nicht relevant ist.

 Frage 2: unionsbürgerliche Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte

99.      Meines Erachtens erübrigt sich eine Stellungnahme des Gerichtshofs zur zweiten Frage nach der Unionsbürgerschaft. Art. 20 und 21 Abs. 1 AEUV finden in Art. 45 AEUV für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einen besonderen Ausdruck(88), und Frau Martens kann sich weiter auf die letztere Bestimmung berufen. Sollte der Gerichtshof anderer Auffassung sein und zugunsten einer Beantwortung der zweiten Frage entscheiden, sind meines Erachtens die notwendigen Elemente der dem vorlegenden Gericht zu gebenden Hinweise der bestehenden Rechtsprechung zu entnehmen.

100. Im Urteil in der Rechtssache C‑542/09 wurde die Anwendbarkeit der Drei-von-sechs-Jahren-Regel auf unterhaltsberechtigte Kinder niederländischer Staatsangehöriger, die weder in den Niederlanden wirtschaftlich aktiv noch dort wohnhaft sind, nicht geprüft. Der Gerichtshof hat sich jedoch später mit ähnlichen Maßnahmen im Kontext der Rechte aus der Unionsbürgerschaft auseinandergesetzt, insbesondere im Rahmen von Vorlagen, die deutsche Staatsangehörige betrafen, die außerhalb Deutschlands leben und in Deutschland eine Studienfinanzierung beantragen(89).

101. Der Gerichtshof hat im Wesentlichen entschieden, dass Mitgliedstaaten, die eine Förderung der Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat zur Verfügung stellen, sicherstellen müssen, dass die Modalitäten der Bewilligung dieser Förderung das Recht nach Art. 21 AEUV, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht ungerechtfertigt beschränken(90). Als eine solche Beschränkung angesehen wurde die Voraussetzung eines ununterbrochenen Wohnsitzes in einem bestimmten Zeitraum; sie ist geeignet, eigene Staatsangehörige davon abzuhalten, von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort aufzuhalten, weil sie in diesem Fall das Recht auf Ausbildungsförderung verlieren können(91).

102. Im Rahmen der Prüfung, ob eine solche Beschränkung aufgrund objektiver Erwägungen des Allgemeininteresses (unabhängig von der Staatsangehörigkeit) gerechtfertigt werden kann und die in Rede stehende Maßnahme im Hinblick auf das mit ihr verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig ist, hat der Gerichtshof erklärt, dass es legitim ist, wenn die Mitgliedstaaten die finanzielle Unterstützung für ein vollständiges Auslandsstudium von der Voraussetzung abhängig machen, dass Studierende ein hinreichendes Maß an Integration in den Mitgliedstaat nachweisen, der die Förderung gewährt(92). Dieses Ziel hat der Gerichtshof als ein Mittel zu einem anderen Zweck charakterisiert, nämlich zu verhindern, dass dem finanzierenden Mitgliedstaat eine übermäßige Belastung auferlegt wird, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren kann(93). Für die alleinige Voraussetzung eines ununterbrochenen Wohnsitzes in einem bestimmten Zeitraum ist jedoch entschieden worden, dass diese zu allgemein und einseitig ist und über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgeht; sie ist daher nicht als verhältnismäßig angesehen worden(94). Das Bestehen eines hinreichenden Grades der Verbundenheit mit dem finanzierenden Mitgliedstaat kann ebenso durch andere Faktoren nachgewiesen werden, wie etwa Staatsangehörigkeit, Schulausbildung, Familie, Beschäftigung, Sprachkenntnisse oder das Vorliegen sonstiger sozialer oder wirtschaftlicher Bindungen(95).

103. Selbst dann, wenn ein Unionsbürger nicht (oder nicht mehr) wirtschaftlich aktiv ist, kann somit eine Verbundenheit mit einem Mitgliedstaat, bei dem eine Finanzierung beantragt wird, durch Beschäftigung und Familie nachgewiesen werden. Dies schließt insbesondere die (frühere) Beschäftigung des betreffenden Studierenden, aber möglicherweise auch die derzeitige oder frühere Beschäftigung der dem Studierenden unterhaltspflichtigen Familienangehörigen (typischerweise der Eltern) ein(96). Da der Grad der Verbundenheit lediglich eine Voraussetzung ist, die den Kreis der Begünstigten begrenzen soll, um der Gefahr vorzubeugen, dass dem finanzierenden Mitgliedstaat eine übermäßige finanzielle Belastung auferlegt wird, kann meines Erachtens die Tatsache nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Elternteil in der Vergangenheit zum öffentlichen Haushalt beigetragen hat.

104. Unter bestimmten Umständen können möglicherweise auch der Studienort und die Art des Studiums für die Beurteilung aufschlussreich sein, ob bei einem Unionsbürger ein hinreichender Grad der Verbundenheit mit dem finanzierenden Mitgliedstaat erkennbar ist; dies sehe ich jedoch als zusätzlichen und nicht als zwingenden Umstand an.

105. Im vorliegenden Fall ist Frau Martens kraft ihrer Staatsangehörigkeit eine Unionsbürgerin, die ihr Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ausgeübt hat, als sie als kleines Kind mit ihren Eltern von den Niederlanden nach Belgien zog. Sie kann sich daher auf die Art. 20 AEUV und 21 AEUV berufen, und zwar auch gegenüber dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit (den Niederlanden).

106. Allein die Tatsache, dass längere Zeit vergangen ist, seit sie diese Freizügigkeitsrechte wahrgenommen hat, kann für sich keinen Einfluss auf die Frage haben, ob sich im Fall einer fortgesetzten Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat Rechte aus den Art. 20 AEUV und 21 AEUV ergeben(97).

107. Auch wenn es die MNSF zu dem Zeitpunkt noch nicht gegeben haben mag, als Frau Martens und ihre Familie nach Belgien zogen (und sich deswegen zu diesem Zeitpunkt nicht in der Ausübung ihrer Freizügigkeitsrechte einschränkten), benachteiligt die Anwendung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel sie gleichwohl wegen ihres fortgesetzten Aufenthalts außerhalb der Niederlande.

108. Die Niederlande sind bei der Entscheidung, wer die von ihnen für eine Hochschulausbildung, sei es in anderen Mitgliedstaaten oder außerhalb der Europäischen Union, zur Verfügung gestellte Finanzierung erhält, verpflichtet, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Antragsteller rechtliche Gleichbehandlung zu gewähren. Ferner dürfen sie bei dieser Entscheidung Antragsteller nicht benachteiligen, die ihr Recht ausgeübt haben, sich in andere Mitgliedstaaten zu begeben und dort aufzuhalten. In der Rechtssache D’Hoop hat der Gerichtshof unmissverständlich klargestellt, dass „es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar [wäre], wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger [der Unionsbürger] ist, ihn deshalb weniger günstig behandeln würde, weil er von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, die ihm die Freizügigkeitsbestimmungen des [AEU-]Vertrags eröffnen“(98). In diesem Fall würde der Mitgliedstaat nämlich Nachteile für seinen Staatsangehörigen daran knüpfen, dass dieser sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat(99).

109. Die Anwendung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel auf Frau Martens hat genau diese Wirkung. Frau Martens kann diese Regelung nicht erfüllen, weil sie, nachdem sie als kleines Kind von den Niederlanden nach Belgien gezogen war, sich mindestens bis zu dem Zeitpunkt weiter in Belgien aufgehalten hat, als sie sich an der Universität der Niederländischen Antillen einschrieb.

110. Zur Rechtfertigung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel berufen sich die Niederlande darauf, dass der Gerichtshof anerkannt habe, dass den Mitgliedstaaten gestattet sei, diese Beihilfe nur solchen Studierenden zu gewähren, die nachgewiesen hätten, dass sie sich zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert hätten(100).

111. Dieses Ziel hat der Gerichtshof in der Tat anerkannt, allerdings hat er auch klargestellt, dass die Heranziehung allein des Wohnsitzes als Kriterium zu einseitig und allgemein ist. Meines Erachtens macht es insoweit keinen Unterschied, dass die Wsf 2000 anders als die deutsche Wohnsitzvoraussetzung, über die in Rechtssachen wie Prinz und Seeberger sowie Thiele Meneses zu entscheiden war, von einem Studierenden nicht verlangt, dass er in einem ununterbrochenen Zeitraum von drei Jahren unmittelbar vor Beginn der Ausbildung im Ausland seinen Wohnsitz in den Niederlanden hatte. Dieser Unterschied ändert nichts an dem absoluten und einseitigen Charakter der Wohnsitzvoraussetzung.

112. Der Vollständigkeit halber sei die Anmerkung ergänzt, dass die Drei-von-sechs-Jahren-Regel keine absolute Regelung ist (da der Minister durch Anwendung der Härtefallklausel davon abweichen kann)(101). Dem Gerichtshof ist jedoch wenig bis gar nichts zu Tragweite und Wirkung dieser Klausel bekannt. Dass ein ministerielles Ermessen dahin ausgeübt werden kann, eine ungerechtfertigte Beschränkung von Rechten aus der Unionsbürgerschaft unter bestimmten Umständen nicht anzuwenden, ändert jedenfalls nichts an der Würdigung. Was nach dem Unionsrecht untersagt ist, ist untersagt. (Dies gilt auch für die Ausnahme für Grenzarbeitnehmer [und deren Kinder] sowie Personen mit niederländischer Staatsangehörigkeit, die in einer Grenzregion leben und dort an einer Bildungseinrichtung studieren wollen.)

 Ergebnis

113. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die Fragen des Centrale Raad van Beroep vom Gerichtshof wie folgt zu beantworten sind:

Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verwehren den Niederlanden, dem unterhaltsberechtigten Kind eines Grenzarbeitnehmers, der niederländischer Staatsangehöriger ist, eine Studienfinanzierung aufgrund der Drei-von-sechs-Jahren-Regel zu versagen, solange er Grenzarbeitnehmer ist. Wenn dieser Grenzarbeitnehmer seine Beschäftigung in den Niederlanden beendet und sein Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausübt, um eine Vollzeitbeschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen, verwehrt Art. 45 AEUV den Niederlanden unabhängig von seinem Wohnsitz, Maßnahmen anzuwenden, die die Wirkung haben, dass ein solcher Arbeitnehmer von der Ausübung seiner Rechte nach Art. 45 AEUV abgehalten wird und infolge der Ausübung seiner Freizügigkeitsrechte soziale Vergünstigungen, wie eine mitnehmbare Studienfinanzierung für sein unterhaltsberechtigtes Kind, verliert, die ihm nach niederländischem Recht zustehen, soweit diese Maßnahmen nicht objektiv zu rechtfertigen sind.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – EU:C:2012:346.


3 – Verordnung des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. 1968, L 257, S. 2). Die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141, S. 1) hob die Verordnung Nr. 1612/68 mit Wirkung vom 16. Juni 2011 (und somit nach dem maßgeblichen, in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Sachverhalt) auf. Jedenfalls blieb der Wortlaut der Art. 7 Abs. 2 und Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Verordnung Nr. 492/2011 unverändert; ich beziehe mich daher auf beide Bestimmungen in der Gegenwartsform.


4 – Vgl. Art. 1 des Statuut voor het Koninkrijk der Nederlanden (Nr. 14 unten).


5 – Anhang II Überseeische Länder und Hoheitsgebiete, auf welche der Vierte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anwendung findet (ABl. 2012, C 326, S. 336).


6 – Den nach Art. 203 AEUV erlassenen Rechtsvorschriften ist nichts dazu zu entnehmen, ob Herr Martens und seine Tochter sich im vorliegenden Fall auf das Unionsrecht berufen können.


7 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, mit Berichtigungen im ABl. 2004 L 229, S. 35, ABl. 2005 L 30, S. 27, ABl. 2005 L 197, S. 34, und ABl. 2007 L 204, S. 28).


8 – Die weiteren Teile der Niederländischen Antillen, die in Anhang II zum AEU‑Vertrag aufgeführt sind (nämlich Bonaire, Sint Eustatius und Saba), haben nach dem Statut offenbar einen leicht abweichenden Status.


9 – Diese Kategorie ist weiter als die der Grenzarbeitnehmer. Letztere arbeiten in einem Mitgliedstaat und wohnen in einer Grenzregion eines benachbarten Mitgliedstaats. Dagegen fallen in die erstere Kategorie auch Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedstaat arbeiten und in einem anderen Mitgliedstaat, nicht aber notwendigerweise in einer Grenzregion eines benachbarten Mitgliedstaats, wohnen. Vgl. beispielsweise auch das Urteil S. und G. (C‑457/12, EU:C:2014:136, Rn. 38 und 39).


10 – Bei diesen Gebieten handelt es sich um Flandern und die Region Brüssel-Hauptstadt in Belgien sowie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen in Deutschland.


11 – EU:C:2012:346.


12 – Siehe auch oben, Nrn. 19 und 20.


13 – Siehe oben, Nrn. 17 und 24.


14 – Vgl. beispielsweise Urteil Prinz und Seeberger (C‑523/11 und C‑585/11, EU:C:2013:524, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15 – Vgl. beispielsweise die Urteile Morgan und Bucher (C‑11/06 und C‑12/06, EU:C:2007:626, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung), Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Elrick (C‑275/12, EU:C:2013:684, Rn. 25).


16 – Vgl. beispielsweise Urteil Förster (C‑158/07, EU:C:2008:630).


17 – Siehe auch unten, Nr. 90.


18 – Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 34, 35 und 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19 – Zum Verhältnis zwischen Art. 21 AEUV und Art. 45 AEUV vgl. beispielsweise Urteil Caves Krier Frères (C‑379/11, EU:C:2012:798, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20 – Siehe oben, Nr. 15. Hätte der Minister den Studiengang von Frau Martens als einen solchen „in den Niederlanden“ und nicht als auswärtigen Studiengang (für den sie eine mitnehmbare Studienfinanzierung benötigte) angesehen, hätte sie als niederländische Staatsangehörige automatisch Anspruch auf eine Finanzierung gehabt.


21 – Vgl. beispielsweise Urteil X und TBG (C‑24/12 und C‑27/12, EU:C:2014:1385, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22 – So gibt es beispielsweise keine ausdrückliche Bestimmung für den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLG. Der freie Kapitalverkehr ist jedoch in einer Bestimmung (Art. 63 AEUV) geregelt, die einen unbeschränkten räumlichen Anwendungsbereich hat und daher zwangsläufig für den Kapitalverkehr nach und aus den ÜLG in ihrer Eigenschaft als Drittstaaten gilt. Vgl. beispielsweise Urteil Prunus und Polonium (C‑384/09, EU:C:2011:276, Rn. 20 und 31).


23 – Vgl. Urteil Prunus und Polonium (EU:C:2011:276, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24 – Aus dem Vorlagebeschluss geht nicht hervor, ob sie ihren Wohnsitz in Curaçao nahm, als sie ihr Studium dort begann, oder ob sie rechtlich ihren Wohnsitz in Belgien beibehielt.


25 – Siehe auch unten, Nr. 106.


26 – Siehe Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 64).


27 – Vgl. beispielsweise Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28 – Vgl. beispielsweise Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (EU:C:2008:178, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29 – Vgl. beispielsweise Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (EU:C:2008:178, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30 – Vgl. beispielsweise Urteil Terhoeve (C‑18/95, EU:C:1999:22, Rn. 38 und 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31 – Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 regelt die Voraussetzungen, unter denen einem Unionsbürger die Erwerbstätigeneigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 1, nämlich im Hinblick darauf, das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten in Anspruch nehmen zu können, erhalten bleibt.


32 – Die Rechtsstellung von Herrn Martens ist somit nicht die gleiche wie die von Frau Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado. Im Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado (C‑33/99, EU:C:2001:176) entschied der Gerichtshof, dass sie nicht aufgrund von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 die Aufrechterhaltung einer sozialen Vergünstigung wie einer Studienfinanzierung beanspruchen konnte, da sie ihre Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat beendet hatte und in ihren Herkunftsmitgliedstaat zurückgekehrt war (Rn. 46 und 47). Anders als Herr Martens übte Frau Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado jedoch nicht das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit aus, als sie in ihren Herkunftsmitgliedstaat (zurück-)zog.


33 – Eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist dann zulässig, wenn mit ihr ein berechtigter, mit den Verträgen vereinbarer Zweck verfolgt wird und sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Maßnahme muss ferner zur Verwirklichung des in Rede stehenden Zwecks geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist. Vgl. beispielsweise Urteil Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dafür, dass eine solche Beschränkung nach Art. 45 AEUV objektiv gerechtfertigt wäre, ist dem Gerichtshof jedoch in der vorliegenden Rechtssache nichts vorgetragen worden.


34 – Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 32 und 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


35 – Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung) (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch beispielsweise Urteil Giersch u. a. (C‑20/12, EU:C:2013:411, Rn. 44).


36 – Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. beispielsweise auch Urteil Giersch u. a. (EU:C:2013:411, Rn. 45).


37 – Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 44).


38 – Vgl. beispielsweise die Erwägungsgründe 1 und 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Zu Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vgl. beispielsweise Urteil Hendrix (C‑287/05, EU:C:2007:494, Rn. 53).


39 – Vgl. beispielsweise Urteil Giersch u. a. (EU:C:2013:411, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


40 – Vgl. Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41 – Vgl. beispielsweise Urteil Meeusen (C‑337/97, EU:C:1999:284, Rn. 25).


42 – Generalanwältin Kokott hat darauf hingewiesen, dass auch wenn (der Wortlaut von) Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 hinter der Gewährleistung des Art. 45 AEUV zurückzubleiben scheint, der Gerichtshof Art. 7 Abs. 2 und Art. 45 parallel anwendet und Art. 7 in derselben Weise auslegt wie Art. 45, vgl. Schlussanträge in der Rechtssache Hendrix (C‑287/05, EU:C:2007:196, Nr. 31).


43 – Vgl. Urteil Hartmann (C‑212/05, EU:C:2007:437, Rn. 17) (Hervorhebung nur hier), wo der Gerichtshof seinen Standpunkt im Urteil Ritter-Coulais (C‑152/03, EU:C:2006:123, Rn. 31 und 32) zusammenfasste. In der Rechtssache Hartmann hatte Herr Hartmann nur seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. Im vorliegenden Fall verlegte Herr Martens sowohl seinen Wohnsitz als auch seine Erwerbstätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat und bewegte sich dann erneut, indem er in die Niederlande ging, um dort eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben, während er in Belgien wohnhaft blieb. Vgl. beispielsweise auch das Urteil Hendrix (EU:C:2007:494, Rn. 46): Herr Hendrix, ein niederländischer Staatsangehöriger, arbeitete und wohnte in den Niederlanden; er verlegte dann seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat und wechselte dann in den Niederlanden in ein anderes Beschäftigungsverhältnis. Vgl. ebenso beispielsweise Urteile Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (EU:C:2008:178, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), Caves Krier Frères (EU:C:2012:798, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Saint Prix (C‑507/12, EU:C:2014:2007, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


44 – Urteil Hartmann (EU:C:2007:437, Rn. 19).


45 – Urteil Hartmann (EU:C:2007:437, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46 – Urteil Hartmann (EU:C:2007:437, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47 – Urteil Hartmann (EU:C:2007:437, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung), vgl. auch beispielsweise Urteil Hendrix (EU:C:2007:494, Rn. 47).


48 – Vgl. beispielsweise Urteil Terhoeve (EU:C:1999:22, Rn. 28 und 29). In jener Rechtssache stellte der Gerichtshof jedoch fest, dass die in Rede stehende Maßnahme ein Hemmnis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach (dem jetzigen) Art. 45 AEUV darstellte und dass sich daher Überlegungen erübrigten, ob auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach den (jetzigen) Art. 18 AEUV und 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vorlag (vgl. Rn. 41).


49 – Vgl. den vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68.


50 – Siehe oben, Nrn. 52 bis 57.


51 – Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, Arbeitnehmer ist, vgl. beispielsweise Urteil Martínez Sala (C‑85/96, EU:C:1998:217, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Situation einer solchen Person unterscheidet sich daher von einem Grenz- oder Wanderarbeitnehmer, der diese Eigenschaft verloren hat und keine Arbeit sucht.


52 – Vgl. beispielsweise Urteil Saint Prix (EU:C:2014:2007, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


53 – Daher kann sich (beispielsweise) ein im Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit wohnender Arbeitnehmer, der nach Eintritt in den Ruhestand seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ohne zu beabsichtigen, dort einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachzugehen, nicht auf das Recht der Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen, vgl. Urteil van Delft u. a. (C‑345/09, EU:C:2010:610, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).


54 – Vgl. verdeutlichend oben, Nrn. 53 bis 58.


55 – Vgl. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38.


56 – Vgl. beispielsweise Art. 7 Abs. 3, Art. 17 und Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38.


57 – Vgl. z. B. Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68.


58 – Vgl. beispielsweise Urteile Saint Prix (EU:C:2014:2007, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Caves Krier Frères (EU:C:2012:798, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


59 – Vgl. Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 69).


60 – Siehe auch unten, Nr. 102.


61 – Vgl. beispielsweise Urteil Leclere und Deaconescu (C‑43/99, EU:C:2001:303, Rn. 56 und 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


62 – Vgl. beispielsweise Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68, der einen Gleichbehandlungsstandard „der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls [der Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaat ist,] arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung [und] Wiedereinstellung“ normiert.


63 – Vgl. beispielsweise Urteil Leclere und Deaconescu (EU:C:2001:303, Rn. 58 und 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).


64 – Vgl. beispielsweise Urteil Lair (39/86, EU:C:1988:322, Rn. 39).


65 – Vgl. beispielsweise Urteil Brown (197/86, EU:C:1988:323, Rn. 27 und 28).


66 – Vgl. beispielsweise Urteil Raulin (C‑357/89, EU:C:1992:87, Rn. 21). Dieses Prinzip kommt auch in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 zum Ausdruck.


67 – Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado (EU:C:2001:176, Rn. 51).


68 – In jener Rechtssache ging es ebenfalls um eine MNSF, allerdings in einem früheren Stadium ihrer Entwicklung.


69 – Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado (EU:C:2001:176, Rn. 43).


70 – Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado (EU:C:2001:176, Rn. 46 und 47).


71 – Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado (EU:C:2001:176, Rn. 47). Vgl. auch oben, Nr. 81.


72 – Urteil Fahmi und Esmoris Cerdeiro-Pinedo Amado (EU:C:2001:176, Rn. 49).


73 – Vgl. Urteil Leclere und Deaconescu (EU:C:2001:303, Rn. 58) (Hervorhebung nur hier). Meines Erachtens folgt aus der bloßen Tatsache, dass eine Person die Vergünstigung weiterhin erhält, jedoch nicht zwangsläufig, dass sie weiterhin Arbeitnehmer im Sinne der Verordnung Nr. 1612/68 ist (vgl. hierzu Rn. 59 des Urteils).


74 – Schlussanträge in der Rechtssache Leclere und Deaconescu (C‑43/99, EU:C:2001:97, Nr. 98).


75 – Vgl. beispielsweise Urteil Even und ONPTS (207/78, EU:C:1979:144, Rn. 22).


76 – Schlussanträge in der Rechtssache Leclere und Deaconescu (EU:C:2001:97, Nr. 98).


77 – Vgl. Nr. 36 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Niederlande (C‑542/09, EU:C:2012:79), vgl. auch Rn. 49 des Urteils in jener Rechtssache (EU:C:2012:346).


78 – Vgl. beispielsweise Urteil Teixeira (C‑480/08, EU:C:2010:83, Rn. 44 und 45).


79 – Vgl. beispielsweise Urteil Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493, Rn. 69).


80 – Vgl. beispielsweise Urteil di Leo (C‑308/89, EU:C:1990:400, Rn. 12 und 15).


81 – Vgl. Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).


82 – Vgl. auch beispielsweise Urteil Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C‑310/08, EU:C:2010:80, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


83 – Vgl. Urteil Kommission/Niederlande (EU:C:2012:346, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. beispielsweise auch die Urteile Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (EU:C:2010:80, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Czop und Punakova (C‑147/11 und C‑148/11, EU:C:2012:538, Rn. 26).


84 – Vgl. beispielsweise Urteil Hadj Ahmed (C‑45/12, EU:C:2013:390, Rn. 44 und 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


85 – Vgl. beispielsweise Urteil Hadj Ahmed (EU:C:2013:390, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


86 – Vgl. beispielsweise Urteil Alarape und Tijani (C‑529/11, EU:C:2013:290, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


87 – Vgl. beispielsweise Urteil Giersch u. a. (EU:C:2013:411, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ich gehe hier nicht weiter darauf ein, ob die vom Gerichtshof vorgenommene Prüfung der möglichen Rechtfertigung der diskriminierenden Behandlung in jener Rechtssache den Grundsatz der Gleichbehandlung von Wander- und Grenzarbeitnehmern untergräbt.


88 – Vgl. beispielsweise Urteil S. und G. (EU:C:2014:136, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


89 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (C‑220/12, EU:C:2013:683), Elrick (EU:C:2013:684) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524).


90 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (EU:C:2013:683, Rn. 25), Elrick (EU:C:2013:684, Rn. 25) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


91 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (EU:C:2013:683, Rn. 27 und 28) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 31 und 32).


92 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (EU:C:2013:683, Rn. 35) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Möglichkeit einer solchen Rechtfertigung besteht nicht, soweit der Anspruch auf Förderung auf Art. 45 AEUV und/oder Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 gestützt wird, vgl. oben, Nr. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung.


93 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (EU:C:2013:683, Rn. 35) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur Charakterisierung dieses Zwecks vgl. auch Nrn. 65 bis 72 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Prinz und Seeberger (C‑523/11 und C‑585/11, EU:C:2013:90).


94 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (EU:C:2013:683, Rn. 38) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 40).


95 – Vgl. beispielsweise Urteile Thiele Meneses (EU:C:2013:683, Rn. 38) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 38).


96 – Vgl. beispielsweise auch die Urteile Giersch u. a. (EU:C:2013:411, Rn. 78) und Stewart (C‑503/09, EU:C:2011:500, Rn. 100). Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Prinz und Seeberger (EU:C:2013:90, Fn. 30) angemerkt habe, ging es in der Rechtssache Stewart um eine andere Art von sozialer Vergünstigung. Gleichwohl hat der Gerichtshof im Hinblick auf das legitime Ziel, sich einer tatsächlichen Verbindung zwischen dem, der eine Leistung beantragt, und dem zuständigen Mitgliedstaat zu vergewissern, anerkannt, dass der familiäre Kontext (einschließlich des Umstands, dass die Eltern des Antragstellers erwerbstätig gewesen waren und Arbeitsunfähigkeitsgeld und Altersrente bezogen) Umstände aufweisen kann, die geeignet sind, das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung nachzuweisen.


97 – So verließ beispielsweise Frau Nerkowska, eine polnische Staatsangehörige, Polen im Jahr 1985 (nachdem sie dort studiert und mehr als 20 Jahre gearbeitet hatte), um sich dauerhaft in Deutschland niederzulassen. Der Gerichtshof erkannte in der Rechtssache C‑499/06 an, dass sich für sie aus ihrer Unionsbürgerschaft Rechte im Hinblick auf eine Leistung ergaben, die sie bei den polnischen Behörden im Jahr 2000 beantragte, vgl. Urteil Nerkowska (C‑499/06, EU:C:2008:300, Rn. 11 und 12 [zum Sachverhalt] und Rn. 47).


98 – Urteil D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432, Rn. 30).


99 – Urteil D’Hoop (EU:C:2002:432, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. beispielsweise auch die Urteile Morgan und Bucher (EU:C:2007:626, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Prinz und Seeberger (EU:C:2013:524, Rn. 28).


100 – Siehe oben, Nr. 102.


101 – Siehe oben, Nr. 20.