Language of document : ECLI:EU:T:2018:77

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

8. Februar 2018(*)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionsbildmarke Vieta – Ernsthafte Benutzung der Marke – Nach Aufhebung einer vorherigen Entscheidung durch das Gericht getroffene Entscheidung – Art. 65 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 Abs. 6 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Rechtskraft“

In der Rechtssache T‑879/16

Sony Interactive Entertainment Europe Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: S. Malynicz, QC,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Crespo Carrillo und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Marpefa, SL, mit Sitz in Barcelona (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 4. Oktober 2016 (Sache R 1010/2016‑4) zu einem Verfallsverfahren zwischen der Sony Computer Entertainment Europe Ltd und Marpefa

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins (Berichterstatter), der Richterin M. Kancheva und des Richters J. Passer,

Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 14. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 28. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2017

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 3. August 2000 meldete die Gedelson, SA nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, die ihrerseits durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1] ersetzt wurde) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für „Schallplatten, Reinigungsvorrichtungen für Schallplatten, Lautsprecher, Boxen, Tonverstärker, Videobänder, Magnetbänder, Lautsprecherboxen, Videokameras, belichtete Kinofilme, CDs, Diapositive, Fotoapparate, Computer, Bildschirme, Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild, Fernsehapparate, Plattenspieler“ in Klasse 9 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die angegriffene Marke wurde am 13. September 2001 unter der Nr. 1790674 für die oben in Rn. 3 genannten Waren eingetragen.

5        Am 12. Dezember 2002 wurde die Übertragung der Marke auf die Marpefa, SL in das Register des EUIPO eingetragen.

6        Am 25. Juli 2010 wurde die Eintragung der angegriffenen Marke bis zum 3. August 2020 verlängert.

7        Am 14. November 2011 stellte die Klägerin, die Sony Interactive Entertainment Europe Ltd, die seinerzeit Sony Computer Entertainment Europe Ltd hieß, einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) für alle Waren, für die sie eingetragen worden war. In diesem Antrag trug sie vor, dass diese Marke in der Europäischen Union während des relevanten Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden sei und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorlägen.

8        Am 21. März 2012 machte Marpefa in Beantwortung des Antrags auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke geltend, dass diese zumindest in Spanien in der Zeit vom 14. November 2006 bis zum 13. November 2011 für alle oben in Rn. 3 genannten Waren ernsthaft benutzt worden sei, und legte mehrere Beweise dafür vor, die insbesondere den Begriff „vieta“ sowie die folgende Unionsbildmarke (auch in grauer Farbe dargestellt) enthielten:

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9        Mit Entscheidung vom 23. August 2013 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Erklärung des Verfalls für die Waren „Lautsprecher, Boxen, Tonverstärker“ und „Computer, Bildschirme, Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild, Fernsehapparate, Plattenspieler“ zurück. Für die anderen von der angegriffenen Marke erfassten Waren gab sie dem Antrag statt.

10      Am 28. Oktober 2013 legte die Klägerin beim EUIPO Beschwerde auf Aufhebung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein, soweit diese den Verfallsantrag zurückgewiesen hatte.

11      Mit Entscheidung vom 2. Juli 2014 (im Folgenden: erste Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte im Wesentlichen fest, dass die von Marpefa vorgelegten Beweise belegten, dass die angegriffene Marke in der Union während des maßgeblichen Zeitraums in Bezug auf „Lautsprecher, Boxen, Tonverstärker“ und „Computer, Bildschirme, Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild, Fernsehapparate, Plattenspieler“ der Klasse 9 ernsthaft benutzt worden sei.

12      In der ersten Entscheidung wies die Beschwerdekammer erstens darauf hin, dass sich der maßgebliche Zeitraum für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke vom 14. November 2006 bis zum 13. November 2011 einschließlich erstrecke. Zweitens seien die Anforderungen in Bezug auf den Ort der Benutzung im vorliegenden Fall erfüllt. Drittens vertrat sie hinsichtlich der Dauer der Benutzung im Wesentlichen die Auffassung, dass die von Marpefa vorgelegten Beweise die „Häufigkeit“ und die „Regelmäßigkeit“ der Benutzung der angegriffenen Marke in der Union, insbesondere von 2008 bis 2011, belegten. Viertens stellte sie in Bezug auf die Art der Benutzung fest, dass die angegriffene Marke nicht in einer Form benutzt worden sei, die ihre Unterscheidungskraft gegenüber der registrierten Form beeinflusse. Fünftens ergebe eine Gesamtwürdigung der Beweise, dass die angegriffene Marke für die Bezeichnung der oben in Rn. 11 genannten Waren benutzt worden sei. In diesem Zusammenhang stellte sie insbesondere in Rn. 46 der ersten Entscheidung fest, dass klar sei, dass diese Waren „elektronische und audiovisuelle Systeme, Artikel und Waren sind, die ‚Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild‘ umfassen oder Teile solcher Apparate sind“, dass sie „alle hinsichtlich ihrer Art und ihrer Zielsetzung ähnlich oder identisch sind und einander nicht ergänzen, sondern von Haus aus miteinander verbunden sind“ und dass sie „in den ‚natürlichen Ausdehnungsbereich‘ gehören“, wie ihn das Gericht im Urteil vom 14. Juli 2005, Reckitt Benckiser (España)/HABM – Aladin (ALADIN) (T‑126/03, EU:T:2005:288), definiert habe. In derselben Rn. 46 fügte sie hinzu, dass der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ hinreichend „genau und begrenzt“ definiert worden sei, um die Waren, für die die Benutzung nachgewiesen worden sei, zu bezeichnen, und dass es keinen stichhaltigen Grund gebe, bedeutende Unterteilungen innerhalb dieser Gruppe vorzunehmen.

13      Mit Klageschrift, die am 19. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging und unter dem Aktenzeichen T‑690/14 in das Register der Kanzlei eingetragen wurde, erhob die Klägerin Klage auf Aufhebung der ersten Entscheidung. Zur Stützung ihrer Klage machte die Klägerin drei Klagegründe geltend. Mit dem dritten Klagegrund rügte sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der teilweisen Benutzung nach Art. 51 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) und wandte sich gegen die Feststellungen der Beschwerdekammer in Rn. 46 der ersten Entscheidung. Im Rahmen dieses Klagegrundes machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der der angegriffenen Marke für „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ gewährte Schutz für eine viel zu weite Gruppe von Waren gelte und dass diese in Untergruppen zu unterteilen sei. In der mündlichen Verhandlung in der oben angeführten Rechtssache fügte sie hinzu, dass diese Gruppe nicht hinreichend klar und genau abgegrenzt sei.

14      Mit Urteil vom 10. Dezember 2015, Sony Computer Entertainment Europe/HABM – Marpefa (Vieta) (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), gab das Gericht dem dritten Klagegrund statt, im Wesentlichen mit der Begründung, dass entgegen den Ausführungen in Rn. 46 der ersten Entscheidung nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ hinreichend „genau und begrenzt“ definiert worden sei. Darüber hinaus sei das EUIPO, nachdem es in der mündlichen Verhandlung aufgefordert worden sei, zu erläutern, was mit diesem Ausdruck gemeint sei, nicht in der Lage gewesen, die geringste schlüssige Antwort zu liefern. Das Gericht stellte auch fest, dass dieser Ausdruck in seiner natürlichen und gewöhnlichen Bedeutung ein breites Spektrum audiovisueller und elektronischer Geräte erfassen könne, darunter auch Geräte, hinsichtlich deren die Nichtigkeitsabteilung den Nachweis der ernsthaften Benutzung als nicht erbracht angesehen habe. Infolgedessen entschied das Gericht in Rn. 69 des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), dass „die [erste] Entscheidung aufzuheben [ist], soweit es darin heißt, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für ‚Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild‘ erbracht sei, und daher mit ihr die Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, den Antrag auf Verfall der angegriffenen Marke für diese Apparate zurückzuweisen, zurückgewiesen wurde“.

15      Die Nrn. 1 und 2 des Tenors des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), lauten wie folgt:

„1.      Die [erste] Entscheidung... wird aufgehoben, soweit mit ihr die Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, den Antrag auf Verfall der [angegriffenen Marke] für ‚Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild‘ zurückzuweisen, zurückgewiesen wurde.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

16      Im Anschluss an das Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), verwies das Präsidium der Beschwerdekammern des EUIPO mit Entscheidung vom 6. Juni 2016 die Sache unter dem Aktenzeichen R 1010/2016‑4 an die Vierte Beschwerdekammer.

17      Mit Entscheidung vom 4. Oktober 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde in der Sache R 1010/2016‑4 zurück.

18      In der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer zunächst darauf hin, dass sie nach der teilweisen Aufhebung der ersten Entscheidung mit Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), zu prüfen habe, ob die angegriffene Marke für „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ während des maßgeblichen Zeitraums ernsthaft benutzt worden sei (Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung). Die erste Entscheidung sei hinsichtlich der „Lautsprecher, Boxen, Tonverstärker, Computer, Bildschirme, Fernsehapparate [und] Plattenspieler“ bestandskräftig und die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für diese Waren somit nachgewiesen (Rn. 14 der angefochtenen Entscheidung).

19      Sodann legte die Beschwerdekammer dar, dass der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ alle Apparate betreffe, die zugleich Ton und Bild wiedergeben könnten (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung). Ein Fernsehapparat sei gleichbedeutend mit einem speziellen Apparat für die Wiedergabe von Ton und Bild, und aus diesem Grund sei die bei ihr eingelegte Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen (Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung). Der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ sei ein „besonderer Ausdruck und ein hinreichend klares und genaues Synonym für ‚Fernsehapparate‘“ und kein Bestandteil der Überschrift der Klasse 9 (Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung).

20      Schließlich führte die Beschwerdekammer aus, dass es im vorliegenden Fall nicht mehr auf den in der Rechtsprechung aufgestellten und in Rn. 61 des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), wiedergegebenen Grundsatz ankomme, wonach im Fall einer Marke, die für eine Gruppe von Waren oder Dienstleistungen eingetragen sei, die hinreichend weit gefasst sei, um sie in verschiedene Untergruppen aufteilen zu können, die sich jeweils als selbständig ansehen ließen, der Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke für einen Teil dieser Waren oder Dienstleistungen einen Schutz nur für diejenige(n) Untergruppe(n) begründe, zu der oder zu denen die Waren oder Dienstleistungen gehörten, für die die Marke tatsächlich benutzt worden sei (Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung).

 Anträge der Parteien

21      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und der anderen Beteiligten im Verfahren vor der Beschwerdekammer die Kosten aufzuerlegen.

22      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

23      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 Abs. 6 der Verordnung 2017/1001) gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Schutz durch eine Unionsmarke beantragt wird, vom Anmelder hinreichend klar und genau anzugeben sind, geltend gemacht.

24      In Bezug auf den ersten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 beanstandet wird, trägt die Klägerin vor, die Beschwerdekammer habe beim Erlass der angefochtenen Entscheidung weder den Tenor des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), noch die ihm zugrunde liegende Begründung des Gerichts beachtet.

25      Die Beschwerdekammer habe insoweit fehlerhaft angenommen, es stehe ihr frei, die rechtliche und tatsächliche Frage zu prüfen, ob der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ hinreichend genau definiert worden sei, um dem Grundsatz der teilweisen Benutzung zu genügen, während das Gericht im Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), den gegenteiligen Schluss gezogen habe. Diese Feststellung sei rechtskräftig geworden, da sie nicht im Rahmen eines Rechtsmittels gegen jenes Urteil in Frage gestellt worden sei. Die Beschwerdekammer habe daher zu Unrecht zu argumentieren versucht, dass dieser Ausdruck akzeptabel sei, da ein Fernsehapparat als Beispiel für einen Apparat für die Wiedergabe von Ton und Bild angesehen werden könne. Außerdem stelle dieses Argument keine angemessene Antwort auf die Feststellung des Gerichts dar, dass der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ im Hinblick auf den Grundsatz der teilweisen Benutzung zu weit sei. Gerade weil es möglich sei, innerhalb dieser „Gattungsbezeichnung“ Untergruppen zu unterscheiden, die sich jeweils als selbständig ansehen ließen, sei nämlich der Grundsatz der teilweisen Benutzung anzuwenden.

26      Die Tatsache, dass die Beschwerdekammer in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt habe, dass es auf den vom Gericht angeführten Grundsatz der teilweisen Benutzung im vorliegenden Fall nicht mehr ankomme, stelle ein weiteres Beispiel für die Verletzung von Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 dar.

27      Das EUIPO trägt vor, die angefochtene Entscheidung stelle bestimmte Konzepte klar, insbesondere die Tatsache, dass die „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ solche seien, die – ausschließlich oder hauptsächlich – zugleich Ton und Bild wiedergäben, was Videokameras oder Fotoapparate ausschließe. Ferner habe die Beschwerdekammer angenommen, dass der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ gleichbedeutend mit dem Ausdruck „Fernsehapparate“ sei – eine Ware, für die die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachgewiesen worden sei.

28      Die Beschwerdekammer sei dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), nachgekommen, indem sie geprüft habe, ob es möglich sei, innerhalb der Gruppe „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ eine homogene Untergruppe von Waren zu unterscheiden, die sich jeweils als selbständig ansehen ließen. Die Beschwerdekammer habe jedoch keine solche Untergruppe identifizieren können, da diese Gruppe nur eine einzige Warenart erfasse, nämlich Fernsehapparate. Das EUIPO fügt hinzu, dass auch die Klägerin keine solche Untergruppe vorgeschlagen habe.

29      Indem man neben Fernsehapparaten auch Filmvorführapparate und DVD- und Videoabspielgeräte in die Gruppe „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ einbeziehe, könne man eine „alternative Erläuterung“ der Bedeutung des Ausdrucks „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ erhalten. Jedoch seien diese drei Warenarten nicht unterschiedlich genug, um kohärente Gruppen oder Untergruppen bilden zu können, die sich jeweils als selbständig ansehen ließen. Es sei mit anderen Worten nicht möglich, innerhalb der Gruppe der „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ eindeutige Unterteilungen vorzunehmen. Daher erfasse der Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für Fernsehapparate, Filmvorführgeräte und DVD- und Videoabspielgeräte die gesamte oben angeführte Gruppe. In diesem Zusammenhang habe die Beschwerdekammer in Rn. 41 der ersten Entscheidung festgestellt, dass eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für Vorführgeräte und tragbare DVD-Abspielgeräte nachgewiesen worden sei.

30      In der Rechtsprechung ist bereits auf die Bedeutung hingewiesen worden, die der Grundsatz der Rechtskraft sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen hat. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (vgl. Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, EU:C:2012:216, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      In diesem Zusammenhang ist entschieden worden, dass sich die Rechtskraft lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen erstreckt, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der betreffenden gerichtlichen Entscheidung waren, und dass die Rechtskraft nicht nur den Tenor dieser Entscheidung umfasst, sondern auch deren Gründe, die den Tenor tragen und daher von diesem nicht zu trennen sind (vgl. Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, EU:C:2012:216, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Im Hinblick auf die von der ersten Entscheidung erfassten Waren außer „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“, nämlich „Lautsprecher“, „Boxen“, „Tonverstärker“, „Computer“, „Bildschirme“, „Fernsehapparate“ und „Plattenspieler“, ergibt sich aus dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), dass das Gericht die von der Beschwerdekammer in der ersten Entscheidung gezogene Schlussfolgerung bestätigt hat, wonach der Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für diese Waren erbracht worden ist. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen in der vorliegenden Rechtssache in keiner Weise in Frage gestellt.

33      Was „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ betrifft, geht aus den Rn. 63 bis 68 des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), hervor, dass dieser Ausdruck nach Ansicht des Gerichts nicht eine genau und begrenzt definierte Warengruppe bezeichnet, wie dies die Beschwerdekammer in Rn. 46 der ersten Entscheidung behauptet hat, sondern ein breites Spektrum audiovisueller und elektronischer Waren. Daher hat das Gericht entsprechend der in Rn. 61 des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), angeführten Rechtsprechung in Rn. 68 jenes Urteils entschieden, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für diese Apparate nicht erbracht worden sei.

34      Als Ergebnis der oben in den Rn. 32 und 33 genannten Überlegungen und Schlussfolgerungen hat das Gericht in Rn. 69 des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), und in Nr. 1 des Tenors jenes Urteils entschieden, dass die erste Entscheidung aufzuheben ist, soweit mit ihr die Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, den Antrag auf Verfall der angegriffenen Marke für „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ zurückzuweisen, zurückgewiesen wurde.

35      Da das Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), endgültig geworden ist, da es nicht angefochten wurde, ist festzustellen, dass es Rechtskraft erlangt hat. Insoweit ist klarzustellen, dass die im Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), getroffenen Feststellungen des Gerichts zur Bedeutung des Ausdrucks „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ und zum Fehlen eines Nachweises der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für diese Apparate (vgl. oben, Rn. 33) die Nr. 1 des Tenors jenes Urteils, mit der die erste Entscheidung teilweise aufgehoben wurde, entscheidend stützen. Sie werden daher von der Rechtskraft des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), erfasst und sind als endgültig entschieden anzusehen.

36      Im Übrigen wäre es nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 Sache des EUIPO gewesen, die sich aus dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

37      Nach ständiger Rechtsprechung gilt ein Aufhebungsurteil ex tunc und nimmt damit der aufgehobenen Handlung rückwirkend ihren rechtlichen Bestand (vgl. Urteil vom 25. März 2009, Kaul/HABM – Bayer [ARCOL], T‑402/07, EU:T:2009:85, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Nach dieser Rechtsprechung kommt das Organ, das den angefochtenen Akt erlassen hat, einem Aufhebungsurteil nur dann nach und führt es nur dann voll durch, wenn es nicht nur den Tenor des Urteils beachtet, sondern auch die Gründe, die zu dem Tenor geführt haben und ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerlässlich sind. Diese Gründe benennen zum einen exakt die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die spezifischen Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betroffene Organ bei der Ersetzung des aufgehobenen Aktes zu beachten hat (Urteile vom 13. April 2011, Safariland/HABM – DEF‑TEC Defense Technology [FIRST DEFENSE AEROSOL PEPPER PROJECTOR], T‑262/09, EU:T:2011:171, Rn. 41, und vom 8. Juni 2017, Bundesverband Deutsche Tafel/EUIPO – Tiertafel Deutschland [Tafel], T‑326/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:380, Rn. 19).

39      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), ordnungsgemäß nachgekommen ist, indem sie in Rn. 14 der angefochtenen Entscheidung ausführt, dass die erste Entscheidung in Bezug auf „Lautsprecher“, „Boxen“, „Tonverstärker“, „Computer“, „Bildschirme“, „Fernsehapparate“ und „Plattenspieler“ bestandskräftig sei und die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für diese Waren daher nachgewiesen worden sei.

40      Die Beschwerdekammer ist dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), auch ordnungsgemäß nachgekommen, indem sie in Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung die Ansicht vertreten hat, dass sie nach der teilweisen Aufhebung der ersten Entscheidung durch das Gericht eine neue Entscheidung im Hinblick auf „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ zu treffen habe, da die eingelegte Beschwerde der Klägerin hinsichtlich genau dieses Aspekts der Rechtssache bei ihr anhängig geworden sei.

41      Dagegen hat die Beschwerdekammer mit der angefochtenen Entscheidung das Urteil vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), eindeutig verkannt, indem sie in völligem Widerspruch zu den rechtskräftigen Feststellungen des Gerichts (vgl. oben, Rn. 35) entschieden hat, dass der Ausdruck „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ einen klaren und genauen Begriffsinhalt habe und nur eine einzige Warenart, nämlich Fernsehapparate, erfasse, und daraus abgeleitet hat, dass der Nachweis der ernsthaften Benutzung für „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ erbracht worden sei. Es steht daher auch in völligem Widerspruch zu Nr. 1 des Tenors des Urteils vom 10. Dezember 2015, Vieta (T‑690/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:950), der ebenfalls Rechtskraft erlangt hat (vgl. oben, Rn. 35), dass die Vierte Beschwerdekammer die Beschwerde der Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 23. August 2013 zurückgewiesen und damit die sachliche Berechtigung der Zurückweisung des Antrags auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke hinsichtlich der „Apparate für die Wiedergabe von Ton und Bild“ – wie von der Nichtigkeitsabteilung in ihrer oben erwähnten Entscheidung und sodann von der Zweiten Beschwerdekammer in der ersten Entscheidung entschieden – bestätigt hat.

42      Daraus folgt, dass dem ersten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird, stattzugeben ist.

43      Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass der zweite Klagegrund geprüft zu werden braucht.

 Kosten

44      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 4. Oktober 2016 (Sache R 1010/20164) zu einem Verfallsverfahren zwischen der Sony Computer Entertainment Europe Ltd und der Marpefa, SL wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten.

Collins

Kancheva

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Februar 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.