Language of document : ECLI:EU:C:2006:78

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

M. POIARES MADURO

vom 2. Februar 20061(1)

Rechtssache C‑11/05

Friesland Coberco Dairy Foods BV, handelnd unter der Firma „Friesland Supply Point Ede“

gegen

Inspecteur van de Belastingdienst/Douane Noord/kantoor Groningen

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Amsterdam [Niederlande])

„Zollkodex der Gemeinschaften – Umwandlungsverfahren – Bedeutung des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses für den Zollkodex“





1.        Der Gerechtshof Amsterdam (Niederlande) befragt den Gerichtshof zum Umwandlungsverfahren nach den Artikeln 130 bis 136 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften(2) in der u. a. durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000(3) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex). Die Friesland Coberco Dairy Foods BV (im Folgenden: Coberco Dairy Foods) wendet sich gegen die Entscheidung des Inspecteur van de Belastingdienst/Douane Noord/Kantoor Groningen (Leiter der Finanzverwaltung/Zollverwaltung Nord/Zollamt Groningen, im Folgenden: Inspecteur), mit der dieser einen Antrag auf Bewilligung des Umwandlungsverfahrens abgelehnt hat. Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof insbesondere nach der Bindungswirkung und der Gültigkeit des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses für den Zollkodex (im Folgenden: Ausschuss), da die Zollbehörden im vorliegenden Fall ihre Ablehnung der Bewilligung auf dieses Ergebnis gestützt haben.

I –    Sachverhalt, rechtlicher Rahmen und Vorlagefragen

2.        Coberco Dairy Foods stellt Fruchtsäfte her. Für die Zubereitung verwendet sie als Grundstoffe Fruchtsaftkonzentrate, Zucker, Aromastoffe, Mineralien und Vitamine, die sie von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten wie auch aus Drittländern erwirbt. Zur Herstellung gehört das Mischen der Fruchtsäfte mit Wasser und Zucker, das Pasteurisieren und schließlich das Verpacken des Erzeugnisses.

3.        Gemäß Artikel 132 des Zollkodex(4) reichte Coberco Dairy Foods am 23. Juli 2002 einen Antrag auf Bewilligung des Umwandlungsverfahrens für drei Erzeugnisse ein, nämlich für Apfelsaft mit zugesetztem Zucker (650 000 kg/Jahr zu einem Wert von 650 000 Euro/Jahr), Orangensaft mit zugesetztem Zucker (350 000 kg/Jahr zu einem Wert von 350 000 Euro/Jahr) und Weißzucker, nicht Rohrzucker (10 000 000 kg/Jahr zu einem Wert von 3 000 000 Euro/Jahr). Im Antrag wurden zwei Umwandlungserzeugnisse aufgeführt: Apfelsaft mit zugesetztem Zucker und Orangensaft mit zugesetztem Zucker.

4.        Der Zweck des von Coberco Dairy Foods beantragten Umwandlungsverfahrens wird in Artikel 130 des Zollkodex beschrieben:

„Im Umwandlungsverfahren können Nichtgemeinschaftswaren im Zollgebiet der Gemeinschaft ohne Erhebung von Einfuhrabgaben und ohne Anwendung handelspolitischer Maßnahmen einer Be- oder Verarbeitung unterzogen werden, die ihre Beschaffenheit oder ihren Zustand verändert, und die aus dieser Be- oder Verarbeitung entstandenen Erzeugnisse zu den für sie geltenden Einfuhrabgaben in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden. Diese Erzeugnisse werden als Umwandlungserzeugnisse bezeichnet.“

5.        Um die Befreiung von Einfuhrabgaben für den aus Drittländern stammenden Zucker zu erhalten, die ihr mit der beantragten Bewilligung gewährt würde, trägt Coberco Dairy Foods vor, dass sie dadurch in der Lage wäre, ihre Umwandlungstätigkeiten in der Gemeinschaft beizubehalten.

6.        Die kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für den Erhalt einer solchen Bewilligung finden sich in Artikel 133 des Zollkodex. Zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen sieht Artikel 133 Buchstabe e vor, dass eine Bewilligung nur erteilt werden darf, „wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, dass das Verfahren dazu beitragen kann, die Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten in der Gemeinschaft zu fördern, ohne dass wesentliche Interessen von Herstellern gleichartiger Waren in der Gemeinschaft beeinträchtigt werden (wirtschaftliche Voraussetzungen). Nach dem Ausschussverfahren kann festgelegt werden, in welchen Fällen die wirtschaftlichen Voraussetzungen als erfüllt gelten.“

7.        In der Gemeinschaft gilt als Rahmen für Erzeugung und Preis des Zuckers die Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker(5). Nach Artikel 552 Absatz 1 und Anhang 76 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92(6) in der u. a. durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2002 der Kommission vom 11. März 2002(7) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) sind für alle Waren, die Maßnahmen der Agrarpolitik unterliegen, „die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu prüfen“. Gemäß Artikel 552 Absatz 2 „prüft der Ausschuss“ für diese Waren „die wirtschaftlichen Voraussetzungen“. Unter anderem wird auf Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung verwiesen, wonach das „Ergebnis der Beratungen des Ausschusses … von den betreffenden Zollbehörden … berücksichtigt“ wird. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen ist nach Artikel 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung darauf abzustellen, „ob die Nutzung von nichtgemeinschaftlichen Beschaffungsquellen die Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten in der Gemeinschaft ermöglicht“.

8.        Diesem Verfahren entsprechend reichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 22. August 2003 ein Arbeitsdokument beim Ausschuss ein, in dem Folgendes festgestellt wird: „Das Unternehmen hat die Bewilligung beantragt, weil es in scharfem Wettbewerb mit Herstellern aus Mittel- und Osteuropa stehe.“ Weiter heißt es in dem Dokument, das in den schriftlichen Erklärungen der Kommission auszugsweise wiedergegeben wird: „Aufgrund des Preisniveaus entsprechender Erzeugnisse dieser Hersteller und des Präferenzzollsatzes ‚frei‘ (0 %) auf Apfelsaftkonzentrat mit Ursprung in Polen gelangen Erzeugnisse auf den Gemeinschaftsmarkt, die gegenüber den Erzeugnissen des betroffenen Unternehmens sehr wettbewerbsfähig sind.“ Außerdem wird in dem Dokument festgestellt: „Können die betreffenden Regelungen nicht angewandt werden, so wird wahrscheinlich beschlossen werden, die Umwandlung in Mittel- oder Osteuropa durchzuführen anstatt in den Niederlanden.“ Coberco Dairy Foods plant eine Anfangsinvestition von 750 000 Euro in eine Anlage, was zur Schaffung von ungefähr zwei Arbeitsplätzen führen wird.

9.        In seiner Sitzung vom 18. September 2003 hörte der Ausschuss den Vertreter der Generaldirektion Landwirtschaft der Kommission an, der laut Sitzungsprotokoll erklärte, dass „die gemeinschaftsansässigen Zuckererzeuger unter Druck [sind]. ‚Zollfreie‘ Einfuhr im Umwandlungsverfahren würde den Druck erhöhen.“ Am Ende der Sitzung kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die in Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex erwähnten wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

10.      Am 27. Oktober 2003 lehnte die niederländische Steuerverwaltung gestützt auf das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses den Antrag von Coberco Dairy Foods auf Bewilligung des Umwandlungsverfahrens ab. Deren Einspruch dagegen vom 25. November 2003 wurde von der Steuerverwaltung am 2. April 2004 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob Coberco Dairy Foods am 10. Mai 2004 vor dem Gerechtshof Amsterdam Nichtigkeitsklage.

11.      Coberco Dairy Foods führt vor diesem Gericht aus, dass der Inspecteur von seinem Ermessensspielraum hätte Gebrauch machen müssen, um sich über das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses hinwegzusetzen, in dem die Interessen der gemeinschaftsansässigen Zuckererzeuger angeführt würden, obwohl die in Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex und Artikel 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung genannten wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Anstatt das wirtschaftliche Interesse der gemeinschaftsansässigen Erzeuger der Zuckergrundstoffe zu berücksichtigen, hätte sich der Inspecteur nämlich auf die Existenz einer Umwandlungsindustrie in der Gemeinschaft stützen müssen.

12.      Der Inspecteur nimmt den gegenteiligen Standpunkt ein und trägt vor, der Ausschuss sei zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der von der gemeinschaftsansässigen Zuckerindustrie erlittene Schaden nicht durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in Verbindung mit der Umwandlungstätigkeit ausgeglichen werden könne. Der Inspecteur legt Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung dahin aus, dass es den nationalen Zollbehörden nicht erlaubt gewesen sei, vom Ergebnis der Beratungen des Ausschusses abzuweichen, zu dem dieser beinahe einstimmig gelangt sei.

13.      Vor diesem Hintergrund befragt der Gerechtshof Amsterdam, bei dem der Rechtsstreit anhängig gemacht worden ist, den Gerichtshof zu folgenden Punkten:

1.      Wie ist die Passage „ohne dass wesentliche Interessen von Herstellern gleichartiger Waren in der Gemeinschaft beeinträchtigt werden“ in Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex auszulegen? Darf dabei nur der Markt für das Endprodukt betrachtet werden, oder muss auch die wirtschaftliche Lage in Bezug auf die Grundstoffe für ein Umwandlungsverfahren geprüft werden?

2.      Gibt es für die Beurteilung der „Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten“, wie es in Artikel 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung heißt, eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen, die durch die Tätigkeiten mindestens ermöglicht werden müssen? Welche anderen Kriterien gelten noch für die Auslegung des zitierten Verordnungstextes?

3.      Kann der Gerichtshof die Gültigkeit eines Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses unter Berücksichtigung der Antworten auf die Fragen 1 und 2 in einem Vorabentscheidungsverfahren prüfen?

4.      Wenn ja, ist das vorliegende Ergebnis der Beratungen dann gültig, sowohl was die Begründung als auch was die verwendeten wirtschaftlichen Argumente angeht?

5.      Wenn der Gerichtshof die Gültigkeit eines Ergebnisses der Beratungen nicht prüfen kann, wie ist dann die Passage „Das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses wird von den … Zollbehörden … berücksichtigt“ in Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung auszulegen, wenn – in erster Instanz – die Zollbehörden und/oder – nach Einlegung eines Rechtsbehelfs – das nationale Gericht der Auffassung sind, dass das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung des Umwandlungsverfahrens nicht tragen kann?

14.      Mit Schreiben vom 19. Januar 2005 hat das vorlegende Gericht gemäß Artikel 104a Absatz 1 der Verfahrensordnung beantragt, das Vorabentscheidungsersuchen einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen. Dieser Antrag ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. März 2005 zurückgewiesen worden.

15.      Am 8. Dezember 2005 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der Coberco Dairy Foods, die griechische und die niederländische Regierung sowie die Kommission ihren Standpunkt zur Geltung gebracht haben. Schriftlich hat sich auch die italienische Regierung am Verfahren beteiligt.

II – Prüfung

16.      Nachdem ich die Fragen des Gerechtshof zur Rolle des Ausschusses und der Rechtsnatur des Ergebnisses der Beratungen sowie seiner Folgen für die nationalen Zollbehörden (dritte bis fünfte Frage) geprüft habe, werde ich die Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex und 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung auslegen, hinsichlich deren das nationale Gericht Zweifel geäußert hat (erste und zweite Frage).

A –    Die Bedeutung der in Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung vorgesehenen Berücksichtigung des Ergebnisses der Beratungen durch die Zollbehörden (fünfte Frage)

17.      Die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Auslegung von Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung, in dem es heißt: „Das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses wird von den betreffenden Zollbehörden sowie allen Zollbehörden, die ihrerseits ähnliche Bewilligungen oder Anträge bearbeiten, berücksichtigt.“ Nach Ansicht der griechischen und der niederländischen Regierung sind die nationalen Behörden an das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses gebunden.

18.      Dem Wortlaut des betreffenden Artikels ist jedoch nicht zu entnehmen, dass das Ergebnis der Beratungen bindend ist. Im Gegenteil: Wäre dies der Fall, hätte die Verordnung vorgesehen, dass die nationalen Zollbehörden an das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses gebunden sind. Der Wortlaut von Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung hindert die nationalen Zollbehörden daher nicht daran, anders zu entscheiden, als es der Ausschuss im Ergebnis seiner Beratungen empfiehlt.

19.      Die Bedeutung des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses ist nicht näher festgelegt. Das mit der Einsetzung des Ausschusses verfolgte Ziel, wie es in der siebten Begründungserwägung des Zollkodex genannt wird, besteht darin, „eine enge und wirksame Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission … zu gewährleisten“. Eine solche Zusammenarbeit ist nicht mit einer Regelung über den Erlass einer Gemeinschaftsentscheidung zu verwechseln, in der das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses die Mitgliedstaaten bindet(8).

20.      Um dem Erfordernis der Berücksichtigung zu genügen, muss die zuständige nationale Behörde ihre Entscheidung jedoch begründen, wenn sie vom Ergebnis der Beratungen des Ausschusses abweichen möchte. Die nationale Behörde muss zwar das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses berücksichtigen, kann deswegen aber nicht davon absehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen im Sinne von Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex zu prüfen. Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung zwingt die nationalen Behörden somit keineswegs, dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses ohne weiteres zu folgen. Ihnen steht im Gegenteil bei der Ausübung ihres Ermessens die letzte Entscheidung über die Bewilligung oder Versagung des Umwandlungsverfahrens zu. Die Praxis der niederländischen Behörden, dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses ohne weiteres zu folgen, wenn es negativ ist, kann daher nicht mit der Auslegung von Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung in Verbindung gebracht werden.

21.      Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof daher vor, auf die fünfte Frage des nationalen Gerichts zu antworten, dass die Passage „Das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses wird von den … Zollbehörden … berücksichtigt“ in Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung nicht bedeutet, dass dieses Ergebnis die nationale Behörde bindet, wenn sie über einen Antrag auf Bewillligung des Umwandlungsverfahrens entscheidet.

B –    Eventuelle Prüfung des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens (dritte und vierte Frage)

22.      Das vorlegende Gericht stellt sich auch die Frage nach der Rechtsnatur des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses. Bei der dritten Frage geht es darum, ob der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens über seine Gültigkeit entscheiden kann. Ist es rechtlich bindend, so könnte der Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG für die Entscheidung über seine Gültigkeit zuständig sein. Andernfalls würde sich die Rolle des Gerichtshofes auf seine Auslegung beschränken.

23.      Nach Artikel 234 Buchstabe b EG entscheidet der Gerichtshof „über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB“. Im Urteil Grimaldi(9) hat der Gerichtshof ausgeführt, „dass Artikel 177 [EG‑Vertrag] [jetzt Artikel 234 EG] … dem Gerichtshof die Befugnis verleiht, im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft ohne jede Ausnahme zu entscheiden“. Ohne über die Frage zu befinden, ob eine Handlung eines Ausschusses einem Gemeinschaftsorgan zugeschrieben werden kann oder nicht, lässt sich hervorheben, dass sie nicht im Rahmen von Artikel 234 EG auf ihre Gültigkeit überprüft werden kann, wenn sie nicht bindend ist.

24.      Nur eine Bestimmung mit rechtlich bindender Wirkung kann einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen werden(10). Zur Beantwortung der Frage des nationalen Gerichts ist daher die Rechtsnatur des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses zu ermitteln. In den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während die Kommission und die italienische Regierung daraus, dass die Anrufung des Ausschusses fakultativ ist, ableiten, dass das Ergebnis seiner Beratungen nicht bindend ist, nimmt die niederländische Regierung den gegenteiligen Standpunkt ein.

25.      Die Kommission ist der Ansicht, der nicht bindende Charakter des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses in diesem Rahmen ergebe sich daraus, dass der Ausschuss nach Artikel 503 der Durchführungsverordnung nur fakultativ angerufen werde. Dieser Artikel sieht in der Tat vor:

„Unter Beteiligung der Kommission können die wirtschaftlichen Voraussetzungen geprüft werden,

a)      wenn die betroffenen Zollbehörden vor oder nach Erteilung der Bewilligung eine breitere Konsultation wünschen;

b)       wenn eine andere Zollverwaltung Einwände gegen eine erteilte Bewilligung erhebt;

c)       auf Initiative der Kommission.“

26.      Nach dem hier anwendbaren Artikel 552 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang 76 der Durchführungsverordnung(11) ist jedoch die Anrufung des Ausschusses für Waren, die Maßnahmen der Agrarpolitik unterliegen, zwingend. Dieser Artikel stellt eine Lex specialis dar, die von der allgemeinen Vorschrift des von der Kommission angeführten Artikels 503 der Durchführungsverordnung abweicht. Daher kann, anders als die Kommission und die italienische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführen, nicht aus Artikel 503 allein abgeleitet werden, dass die Anrufung des Ausschusses für den Zollkodex immer fakultativ ist. Artikel 552 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang 76 sieht im Gegenteil eine Ausnahme von dieser Regel vor. Der nicht bindende Charakter des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses kann nicht daraus hergeleitet werden, dass seine Anrufung in der Regel fakultativ ist. Folglich reicht dieses Vorbringen allein nicht dafür aus, den Gerichtshof als unzuständig für die Prüfung der Gültigkeit des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses anzusehen.

27.      Der Gerichtshof hat bereits Gelegenheit gehabt, sich zur Rechtsnatur der Stellungnahmen verschiedener Ausschüsse zu äußern. In seinem Urteil Dittmeyer(12) hat er entschieden, dass die Stellungnahmen des Ausschusses für den gemeinsamen Zolltarif zwar „ein wichtiges Hilfsmittel [sind], um eine einheitliche Anwendung des gemeinsamen Zolltarifs durch die Zollbehörden der Mitgliedstaaten zu gewährleisten [und] … deshalb als wertvolles Erkenntnismittel für die Auslegung des Tarifs angesehen werden“ können, aber „rechtlich nicht verbindlich [sind], so dass gegebenenfalls zu prüfen ist, ob ihr Inhalt mit den Bestimmungen des gemeinsamen Zolltarifs in Einklang steht und deren Tragweite nicht ändert“. Diese Rechtsprechung ist für die Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens in den Urteilen Chem-Tec(13) und Develop Dr. Eisbein(14) und für die Erläuterung zur Kombinierten Nomenklatur u. a. im Urteil Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht(15) bestätigt worden.

28.      In seinem Urteil Wagner(16) hat der Gerichtshof entsprechende Erwägungen angestellt, als das Tribunal administratif Paris ihn nach der Gültigkeit der Anmerkung 2 des Anhangs I des Merkblatts der Kommission vom 11. März 1981 über Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. C 52, S. 2) gefragt hat. Der Gerichtshof hat es abgelehnt, über die Gültigkeit der Anmerkung zu entscheiden, die nur der Erläuterung dient und daher keine rechtlich bindende Wirkung hat, und stattdessen geprüft, ob die Anmerkung das geltende Gemeinschaftsrecht zutreffend auslegt(17).

29.      Der nicht bindende Charakter der Handlungen eines Ausschusses hängt mit dessen Funktion zusammen. Um festzustellen, ob die oben zitierte Rechtsprechung entsprechend auf das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses angewandt werden kann, ist die Rolle darzulegen, die ihm der Zollkodex zuweist. Der siebten Begründungserwägung des Zollkodex zufolge „ist ein Ausschuss für den Zollkodex einzusetzen, um eine enge und wirksame Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission … zu gewährleisten“. Artikel 4 Nummer 24 des Zollkodex definiert das Ausschussverfahren als das in den Artikeln 247 und 247a bzw. 248 und 248a des Zollkodex genannte Verfahren. Die Zuständigkeit des Ausschusses, wie sie in Artikel 249 definiert ist, erstreckt sich auf alle Fragen im Zusammenhang mit der Zollregelung. Allgemeiner erlaubt eine Schnelldurchsicht des Zollkodex die Feststellung, dass der Ausschuss tätig wird, um die Funktionsweise bestimmter Zollverfahren zu präzisieren(18), Spezialfälle und besondere Anwendungsvoraussetzungen für bestimmte Vorschriften vorzusehen(19) sowie den Umfang von Befreiungen und Ausnahmen festzulegen(20). Im Verfahren des Ausschusses können auch Vorkehrungen getroffen werden für Fälle, die nicht im Kodex enthalten sind(21), Fristen(22), Schwellenprozentsätze und ‑werte(23). Schließlich können die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die für bestimmte Zollverfahren erfüllt sein müssen, vom Ausschuss geprüft werden, wie es in Artikel 117 Buchstabe c für die aktive Veredelung und in Artikel 133 Buchstabe e für die Umwandlung vorgesehen ist. Der Ausschuss kann in verschiedenen Fällen im Rahmen von Verwaltungs‑, Regelungs‑ oder Beratungsverfahren tätig werden(24). Im vorliegenden Fall betrifft die Frage des vorlegenden Gerichts das Tätigwerden des Ausschusses, das für den Erlass einer Einzelfallentscheidung zur Bewilligung oder Ablehnung des besonderen Zollverfahrens der Umwandlung vorgesehen ist.

30.      Die Frage, die man sich im Hinblick auf die oben zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofes zur rechtlichen Bedeutung der Stellungnahmen von Ausschüssen stellen muss, geht dahin, ob die von dem Ausschuss vorgeschlagene Auslegung des Gemeinschaftsrechts die zuständige Zollbehörde binden kann. Hierzu genügt die Feststellung, dass in Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung nur von einer „Berücksichtigung“ des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses durch die Zollbehörden die Rede ist und aus dem Wortlaut somit nicht folgt, dass die nationalen Behörden an dieses Ergebnis gebunden sind.

31.      Insoweit kann nicht den Ausführungen der niederländischen Regierung in der mündlichen Verhandlung gefolgt werden, wonach sich aus der Pflicht zur Anrufung des Ausschusses für den Zollkodex aus Artikel 552 der Durchführungsverordnung ergeben soll, dass das Ergebnis der Beratungen, zu dem der Ausschuss in diesem Rahmen gelangt, bindenden Charakter hat. Denn eine Pflicht zur Anrufung des Ausschusses kann nicht mit einer Pflicht zur Befolgung der im Ausschuss erzielten Ergebnisse gleichgesetzt werden.

32.      Da die zuständigen Zollbehörden nicht verpflichtet sind, dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses zu folgen, ist es nicht geboten, seine Gültigkeit unabhängig von der abschließenden Entscheidung der Zollbehörden in Frage zu stellen, die allein den Charakter einer endgültigen Entscheidung mit rechtlich bindender Wirkung hat. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu Recht bemerkt hat, hat das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses nicht den Charakter einer abschließenden Entscheidung. Daher kann die Gültigkeit des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses, das vor Erlass einer abschließenden Entscheidung durch die zuständige Behörde erzielt wird, nur mittelbar bei einer Prüfung der abschließenden Entscheidung durch das nationale Gericht geprüft werden(25).

33.      Mangels Bindungswirkung des Ergebnisses der Beratungen des Ausschusses kann nicht, wie es die niederländische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen getan hat, geltend gemacht werden, dass dieses Ergebnis keiner Rechtmäßigkeitskontrolle unterliege. Folglich kann das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses nicht Gegenstand eines Ersuchens um Vorabentscheidung über die Gültigkeit sein. Von Bedeutung ist dagegen, dass die zuständige Behörde, die über einen Antrag auf Bewilligung des Umwandlungsverfahrens entscheidet, vom Ergebnis der Beratungen des Ausschusses abweichen kann, und, sollte sie dies tun, eine andere als die vorgeschlagene Entscheidung treffen kann, wenn sie nach Abschluss ihrer eigenen Prüfung der fraglichen Umstände zu einem anderen Ergebnis gelangt.

34.      Die Praxis der niederländischen Behörden, ohne weiteres dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses zu folgen, wenn es negativ ist, wird nämlich vom Gemeinschaftsrecht nicht vorgeschrieben. Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex ist im Gegenteil dahin auszulegen, dass er die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung des Umwandlungsverfahrens ins Ermessen der nationalen Behörden stellt. Ihr Ermessensspielraum ist nur insoweit begrenzt, als sie nach Artikel 504 Absatz 4 der Durchführungsverordnung das fragliche Ergebnis berücksichtigen müssen. Hätte das Gemeinschaftsrecht ein System erdacht, in dem die nationalen Zollbehörden an das auf Ablehnung des Umwandlungsverfahrens lautende Ergebnis der Beratungen des Ausschusses gebunden sind, dann müsste zwangsläufig vorgesehen werden, dass der Einzelne das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses anfechten kann, das in diesem Fall ihm gegenüber den Charakter einer endgültigen Entscheidung hätte. Brauchten die nationalen Behörden nur dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses zu folgen, um ihre Entscheidungen zu begründen, und unterläge dieses Ergebnis keiner gerichtlichen Nachprüfung, dann würde den Einzelnen der Rechtsschutz entzogen, was unannehmbar wäre. In dem vom Zollkodex vorgesehenen System kann dies jedoch nicht der Fall sein.

35.      Deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die dritte Frage zu antworten, dass das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses, zu dem dieser nach Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex gelangt, nicht Gegenstand einer Gültigkeitsprüfung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens sein kann. Daher erübrigt sich eine Antwort auf die vierte Frage.

C –    Auslegung der Passage „ohne dass wesentliche Interessen von Herstellern gleichartiger Waren in der Gemeinschaft beeinträchtigt werden“ in Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex (erste Frage)

36.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob im Rahmen einer Prüfung zum Zweck der gegebenenfalls zu erteilenden Bewilligung eines Umwandlungsverfahrens gemäß Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex nur der Markt für das Endprodukt betrachtet werden darf oder ob auch die wirtschaftliche Lage in Bezug auf den Markt für die Grundstoffe geprüft werden muss, die zur Herstellung der Endprodukte verwendet werden.

37.      Die Kommission sowie die griechische und die niederländische Regierung schlagen vor, festzustellen, dass im Rahmen von Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex sowohl die Interessen der Hersteller der Umwandlungserzeugnisse als auch die der Hersteller von Waren, die den im Umwandlungsverfahren verwendeten Erzeugnissen gleichen, zu prüfen sind. Coberco Dairy Foods ist dagegen der Ansicht, dass es nur auf die Interessen der gemeinschaftsansässigen Hersteller von Endprodukten ankommt.

38.      Zum Zweck der Entscheidung zwischen diesen beiden Auslegungen weise ich zunächst darauf hin, dass das Umwandlungsverfahren eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung darstellt. Die Voraussetzungen, von denen seine Bewilligung abhängt, sind daher eng auszulegen.

39.      Nach dem Wortlaut von Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex, in dem auf „wesentliche Interessen von Herstellern gleichartiger Waren in der Gemeinschaft“ verwiesen wird, ist nicht klar, ob ausschließlich die Hersteller von Endprodukten gemeint sind oder ob er auch die Hersteller von Grundstoffen einschließt, die für die Herstellung der Endprodukte verwendet werden. Die Kommission, die sich dabei auf die französische, die italienische, die spanische und die griechische Fassung stützt, gibt zu bedenken, dass die Verwendung des Begriffes „Ware“ auf Waren verweise, die denen glichen, die umgewandelt werden müssten. Dieses Vorbringen überzeugt jedoch nicht, denn nach dem Wortlaut des Artikels spricht nichts dagegen, dass der Ausdruck „gleichartige Waren“ im Gegenteil auf die Umwandlungserzeugnisse verweist. Es ist genau diese Zweideutigkeit des Wortlauts, die das vorlegende Gericht veranlasst hat, den Gerichtshof um Auslegung zu ersuchen.

40.      Da sich die Auslegung von Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex somit nicht allein auf ihren Wortlaut stützen kann, hat sie unter Berücksichtigung seines Zusammenhangs und seiner Ziele zu erfolgen(26).

41.      Coberco Dairy Foods weist zur Stützung der von ihr vorgeschlagenen Auslegung auf den Zusammenhang von Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex hin. Hierzu vergleicht sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die für die Bewilligung des passiven Veredelungsverkehrs erfüllt sein müssen und in Artikel 117 Buchstabe c des Zollkodex erwähnt sind, der auf die „wesentliche[n] Interessen von Herstellern in der Gemeinschaft“ Bezug nimmt, mit denen des Artikels 148 des Zollkodex, die sich auf den aktiven Veredelungsverkehr beziehen und die Berücksichtigung der „wesentliche[n] Interessen von Verarbeitern in der Gemeinschaft“ vorsehen. Coberco Dairy Foods ist der Ansicht, die Verwendung eines anderen Ausdrucks als in Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex bedeute, dass nur die Hersteller von Endprodukten hiermit gemeint seien. Mir scheint jedoch nicht, dass aus der Verwendung unterschiedlicher Ausdrücke in diesen beiden Artikeln des Zollkodex die betreffende Folgerung zu ziehen ist. Vielmehr ergibt sich aus diesem Vergleich, dass jeder Artikel unter Berücksichtigung des jeweiligen Zollverfahrens auszulegen ist, für das er gilt, da weder Artikel 133 Buchstabe e noch Artikel 117 präzisieren, auf welche gemeinschaftsansässigen Hersteller sie sich beziehen.

42.      Der Zweck des Umwandlungsverfahrens ist in den Begründungserwägungen der Verordnung (EWG) Nr. 2763/83 des Rates vom 26. September 1983 über das Zollverfahren der Umwandlung von Waren unter zollamtlicher Überwachung vor ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr(27) angegeben, mit der es geschaffen wurde. Dieses Verfahren wurde erdacht, um die Auswirkungen bestimmter Tarifanomalien abzufedern, da „die Besteuerung von Waren nach tariflicher Beschaffenheit oder ihrem Zustand im Zeitpunkt ihrer Einfuhr in bestimmten Sonderfällen zu einem Betrag führt, der höher ist als wirtschaftlich gerechtfertigt und der dadurch eine Verlagerung bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten nach außerhalb der Gemeinschaft verursachen kann“(28). Das Umwandlungsverfahren wurde somit eingeführt, um die Verlagerung von Umwandlungstätigkeiten aus der Gemeinschaft heraus zu bekämpfen, die dadurch verursacht wurde, dass die Kosten für die Einfuhr der Grundstoffe über den Kosten für die Ausfuhr der Endprodukte lagen, für die diese Grundstoffe verwendet worden waren.

43.      Der Schutz der gemeinschaftsansässigen Hersteller von Endprodukten ist daher der Hauptzweck dieses Verfahrens. Wie die Kommission in ihren Erklärungen feststellt, würde die Bewilligung dieses abweichenden Verfahrens, wenn sie zu liberal gehandhabt würde, Interessenkonflikte zwischen gemeinschaftsansässigen Herstellern von Endprodukten und gemeinschaftsansässigen Herstellern von Grundprodukten auszulösen drohen, wobei Erstere gegenüber Letzteren bevorzugt würden. Das Umwandlungsverfahren soll aber keine derartige Rangordnung zwischen den Herstellern aufstellen. Vielmehr sieht der Zollkodex unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, das Zollrecht mit der Agrarpolitk der Gemeinschaft in Einklang zu bringen(29), engere Voraussetzungen für die Bewilligung des Umwandlungsverfahrens vor, wenn es um Erzeugnisse geht, die Gegenstand einer gemeinsamen Marktordnung sind. Denn für diese Art von Erzeugnissen ist die Anrufung des Ausschusses nach Artikel 552 der Durchführungsverordnung zwingend vorgeschrieben. Wie die griechische Regierung zu Recht vorgetragen hat, erlaubt nur eine Auslegung von Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex, die die Berücksichtigung der Interessen sowohl der Hersteller von Grundstoffen als auch der Hersteller von Endprodukten berücksichtigt, den oben genannten Einklang.

44.      Ferner verschafft das Umwandlungsverfahren, wie die italienische Regierung in ihren Erklärungen bemerkt, den nicht gemeinschaftsansässigen Herstellern von Grundstoffen einen Vorteil, da es ihre Erzeugnisse von Einfuhrabgaben befreit. Daher erscheint es folgerichtig, die Lage der gemeinschaftsansässigen Hersteller dieser Waren bei der Entscheidung über die Bewilligung des Verfahrens zu prüfen. Entgegen dem Vorbringen von Coberco Dairy Foods in der mündlichen Verhandlung ist es daher geboten, die Lage der gemeinschaftsansässigen Zuckererzeuger zu berücksichtigen, auch wenn Coberco Dairy Foods nicht die Absicht haben sollte, in der Gemeinschaft erzeugten Zucker für ihre Getränkeherstellung zu verwenden.

45.      Würden ausschließlich die Interessen der gemeinschaftsansässigen Hersteller von Endprodukten berücksichtigt, so bestünde zudem die Gefahr, dass die Ziele des Umwandlungsverfahrens verfehlt würden. Deshalb kann es ebenso wie der von ihm ergänzte aktive Veredelungsverkehr nur bewilligt werden, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die wesentlichen Interessen aller gemeinschaftsansässigen Hersteller, d. h. sowohl der Hersteller von Endprodukten als auch der Hersteller von Grundprodukten, nicht beeinträchtigt werden.

46.      Folglich schlage ich vor, dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Artikel 133 Buchstabe e des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass er eine Gesamtbewertung der Interessen der Hersteller von Grundstoffen und der Hersteller von Endprodukten für die Bewilligung des Umwandlungsverfahrens vorschreibt.

D –     Auslegung des Ausdrucks „Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten“ in Artikel 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung (zweite Frage)

47.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof außerdem nach der Auslegung von Artikel 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung, in dem von der „Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten“ die Rede ist. Genauer gesagt geht es darum, ob die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze insoweit ein erhebliches Kriterium ist.

48.      Nach Auffassung von Coberco Dairy Foods ist die Zahl der geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze im Rahmen von Artikel 502 Absatz 3 der Durchführungsverordnung ohne Bedeutung. Die niederländische und die griechische Regierung sowie die Kommission vertreten die Ansicht, dass eine Gesamtbewertung vorzunehmen sei, in die die Gefahr für den betroffenen Sektor, dessen Regelungsdichte sowie der Umfang der Investition und die Zahl der durch die Umwandlungstätigkeit geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze einzubeziehen seien.

49.      Die Bewertung der Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten muss konkret sein und die jeweiligen Umstände berücksichtigen. Da die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze nicht als besonderes Kriterium in der Durchführungsverordnung aufgeführt ist, kann nicht gefolgert werden, dass es ein solches Kriterium gibt. Die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen ist jedoch, anders als Coberco Dairy Foods meint, mit Sicherheit ein wichtiger Gesichtspunkt, der von den nationalen Zollbehörden zu berücksichtigen ist. Deren Gesamtbewertung aller Umstände im Rahmen des ihnen vorliegenden Antrags verlangt auch die Beurteilung des Wertes der getätigten Investition, der Fortdauer der Tätigkeiten und jedes anderen relevanten Gesichtspunkts, der mit der Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten zusammenhängt.

III – Ergebnis

50.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten:

1.      Die Passage „Das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses wird von den … Zollbehörden … berücksichtigt“ in Artikel 504 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der u. a. durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2002 der Kommission vom 11. März 2002 geänderten Fassung bedeutet nicht, dass dieses Ergebnis die nationale Behörde bindet, wenn sie über einen Antrag auf Bewillligung des Umwandlungsverfahrens entscheidet.

2.      Das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses für den Zollkodex, das nur beratende Funktion hat, kann nicht Gegenstand eines auf die Prüfung der Gültigkeit gerichteten Vorabentscheidungsverfahrens im Rahmen von Artikel 234 EG sein. Aus seinem beratenden Charakter ergibt sich, dass die nationalen Behörden davon abweichen können müssen.

3.      Nach Artikel 133 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der u. a. durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung ist sowohl die wirtschaftliche Lage der Hersteller von Grundstoffen als auch die der Hersteller von Endprodukten zu berücksichtigen.

4.      In die im Rahmen von Artikel 502 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2454/93 vorzunehmende Bewertung der Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten ist nicht nur die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze, sondern auch jeder andere relevante Gesichtspunkt, wie insbesondere der Wert der Investition und deren Fortdauer, einzubeziehen.


1 – Originalsprache: Portugiesisch.


2 – ABl. L 302, S. 1.


3 – ABl. L 311, S. 17.


4 – Dieser Artikel sieht vor: „Die Bewilligung des Umwandlungsverfahrens wird auf Antrag der Person erteilt, welche die Umwandlungsvorgänge durchführt oder durchführen lässt.“


5 – ABl. L 178, S. 1.


6 – ABl. L 253, S. 1.


7 – ABl. L 68, S. 11.


8 – Vgl. analog Urteil vom 21. Januar 1999 in der Rechtssache C‑120/97 (Upjohn, Slg. 1999, I‑223, Randnr. 47) und Schlussanträge von Generalanwalt Léger in dieser Rechtssache (Nr. 64). Vgl. auch Urteil vom 12. Juli 2005 in der Rechtssache C‑198/03 P (Kommission/CEVA und Pfizer, Slg. 2005, I‑0000, Randnr. 89) und Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in dieser Rechtssache (Nrn. 75 und 76).


9 – Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C‑322/88 (Slg. 1989, 4407, Randnr. 8).


10 – Im Rahmen von Artikel 230 EG ist dieser Grundsatz im Urteil vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70 (Kommission/Rat, „AETR“, Slg. 1971, 263, Randnr. 42) aufgestellt worden.


11 – Zitiert in Nr. 7 der Schlussanträge.


12 – Urteil vom 15. Februar 1977 in den verbundenen Rechtssachen 69/76 und 70/76 (Slg. 1977, 231, Randnr. 4).


13 – Urteil vom 11. Juli 1980 in der Rechtssache 798/79 (Slg. 1980, 2639, Randnr. 11).


14 – Urteil vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C‑35/93 (Slg. 1994, 2655, Randnr. 21).


15 – Urteil vom 12. Januar 2006 in der Rechtssache C‑311/04 (Slg. 2006, I‑0000, Randnrn. 27 und 28).


16 – Urteil vom 8. April 1992 in der Rechtssache C‑94/91 (Slg. 1992, I‑2765).


17 – Urteil Wagner, Randnr. 17.


18 – Artikel 147 Absatz 2 für die passive Veredelung.


19 – Artikel 131 für die Umwandlung, 141 für die vorübergehende Verwendung von Waren im Zollgebiet der Gemeinschaft und 164 für den internen Versand.


20 – Artikel 124 Absatz 3, 142 Absatz 2, 148 Buchstabe b, 182 Absatz 2, 178 Absatz 2 und 200.


21 – Für die Erstattung von Zöllen Artikel 239 Absatz 1 und für die Arten der Sicherheitsleistung Artikel 197.


22 – Artikel 118 Absatz 4, 128 Absatz 3 und 172 Absatz 2.


23 – Artikel 214 Absatz 3, 217 Absatz 1 Buchstabe c und 240.


24 – Vgl. das Dokument TAXUD/741/2001 zur Festlegung der Geschäftsordnung des Ausschusses für den Zollkodex vom 5. Dezember 2001.


25 – Urteil vom 10. Februar 1998 in der Rechtssache C‑263/95 (Deutschland/Kommission, Slg. 1998, I‑441).


26 – Vgl. z. B. Urteile vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81 (CILFIT, Slg. 1982, 3415, Randnr. 20) und vom 17. November 1983 in der Rechtssache 292/82 (Merck, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12).


27 – ABl. L 272, S. 1.


28 – Erste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2763/83.


29 – Vierte Begründungserwägung des Zollkodex.