Language of document : ECLI:EU:C:2013:334

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 29. Mai 2013(1)

Rechtssache C‑101/12

Herbert Schaible

gegen

Land Baden-Württemberg

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Stuttgart [Deutschland])

„Landwirtschaft – Verordnung (EG) Nr. 21/2004 – Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen – Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 20 der Charta – Verhältnismäßigkeit – Gleichheit“





1.        Die Bekämpfung von Tierseuchen ist ein legitimes Ziel der Europäischen Union. Das durch die Verordnung (EG) Nr. 21/2004 des Rates vom 17. Dezember 2003 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 sowie der Richtlinien 92/102/EWG und 64/432/EWG(2) eingeführte neue System zur elektronischen Einzelkennzeichnung von Schafen und Ziegen ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels ungeeignet, unnötig belastend und kostenaufwendig sowie diskriminierend. Daher verletzt die Verordnung die in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) anerkannte unternehmerische Freiheit der Tierhalter sowie den in Art. 20 der Charta verankerten Gleichheitsgrundsatz und ist deshalb ungültig.

2.        So lautet im Wesentlichen das Hauptargument, das Herr Herbert Schaible, ein deutscher Schafhalter mit 450 Mutterschafen, vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart (Deutschland) in einem Klageverfahren gegen das Land Baden-Württemberg zur Begründung des Antrags anführt, von verschiedenen durch die Verordnung Nr. 21/2004 auferlegten Verpflichtungen freigestellt zu werden.

3.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darzulegen versuchen, weshalb das Rechtsvorbringen von Herrn Schaible meines Erachtens unbegründet ist. Dementsprechend werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, dem nationalen Gericht zu antworten, dass sich bei der Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben hat, was der Gültigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen entgegenstehen könnte. Soweit meine Würdigung schließlich aufzeigt, dass die praktische Durchführung der Verordnung ein Hindernis für die vollständige Erreichung des übergeordneten Ziels und der allgemeinen Fairness der Regelung darstellen könnte, werde ich kurz einige Überlegungen de lege ferenda vorstellen.

I –  Rechtlicher Rahmen

4.        Die Erwägungsgründe 1, 3 und 11 der Verordnung Nr. 21/2004 lauten:

„(1)      Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c) der Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt … müssen Tiere, die für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmt sind, nach den Vorschriften der Gemeinschaftsregelung gekennzeichnet und in der Weise registriert sein, dass der Betrieb, das Zentrum oder die Einrichtung, aus denen die Tiere stammen bzw. in denen sie sich aufgehalten haben, festgestellt werden kann. …

(3)      Vorschriften für die Kennzeichnung und Registrierung insbesondere von Schafen und Ziegen sind bereits mit der Richtlinie 92/102/EWG … zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren festgelegt worden. Bei Schafen und Ziegen haben die bisherigen Erfahrungen und vor allem die MKS-Krise gezeigt, dass die praktische Umsetzung der genannten Richtlinie nicht zufriedenstellend ist und verbessert werden muss. Daher sind strengere und spezifischere Vorschriften zu erlassen …

(11)      In den Mitgliedstaaten, in denen der Schaf- oder Ziegenbestand relativ klein ist, ist die Einführung eines Systems der elektronischen Kennzeichnung möglicherweise nicht gerechtfertigt; daher sollte diesen Mitgliedstaaten erlaubt werden, das System auf freiwilliger Basis einzuführen. …“

5.        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 21/2004 bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat führt nach Maßgabe dieser Verordnung ein System zur Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen ein.“

6.        Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 21/2004 muss das System zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren folgende Elemente umfassen: „a) Kennzeichen zur Identifikation jedes Tieres; b) aktuelle Bestandsregister in jedem Betrieb; c) Begleitdokumente; d) ein zentrales Betriebsregister und/oder eine elektronische Datenbank“.

7.        In Art. 4 der Verordnung Nr. 21/2004 heißt es, soweit hier von Belang:

„(1)      Alle Tiere eines Betriebs, die nach dem 9. Juli 2005 … geboren sind, werden innerhalb einer von dem betreffenden Mitgliedstaat festzusetzenden Frist ab dem Geburtsdatum des Tieres, zumindest jedoch, bevor das Tier seinen Geburtsbetrieb verlässt, gemäß Absatz 2 gekennzeichnet. …

(2)      a)      Die Tiere werden gekennzeichnet durch ein erstes Kennzeichen, das die im Anhang unter Abschnitt A Nummern 1 bis 3 genannten Anforderungen erfüllt.

      b)      Die Tiere werden gekennzeichnet durch ein zweites Kennzeichen, das von der zuständigen Behörde genehmigt wurde und die im Anhang unter Abschnitt A Nummer 4 aufgeführten technischen Anforderungen erfüllt.“

8.        Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 21/2004 sieht vor:

„Jeder Tierhalter, mit Ausnahme der Transportunternehmer, führt ein stets auf dem neuesten Stand zu haltendes Bestandsregister, das mindestens die Angaben gemäß Abschnitt B des Anhangs enthält.“

9.        Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 lautet:

„Ab dem 31. Dezember 2009 ist die elektronische Kennzeichnung gemäß den in Absatz 1 genannten Leitlinien gemäß den einschlägigen Bestimmungen in Abschnitt A des Anhangs für alle Tiere verbindlich vorgeschrieben.

In den Mitgliedstaaten, in denen die Zahl der Ziegen und Schafe insgesamt 600 000 Tiere nicht übersteigt, kann jedoch die elektronische Kennzeichnung für Tiere, die nicht in den innergemeinschaftlich[en] Handel gelangen, auf freiwilliger Basis eingeführt werden.

Die Mitgliedstaaten, in denen die Gesamtzahl der Ziegen 160 000 Tiere nicht übersteigt, können diese elektronische Kennzeichnung für Ziegen, die nicht in den innergemeinschaftlichen Handel gelangen, auf freiwilliger Basis einführen.“

II –  Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

10.      Das Ausgangsverfahren betrifft eine von Herrn Schaible beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der er Feststellung begehrt, dass er nicht der Verpflichtung zur Einzeltierkennzeichnung, der Verpflichtung zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung und der Verpflichtung zur Führung eines Bestandsregisters nach den Vorschriften der Verordnung Nr. 21/2004 unterliegt.

11.      Da das Verwaltungsgericht Stuttgart Zweifel an der Gültigkeit mehrerer Bestimmungen der Verordnung Nr. 21/2004 hegt, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen es wissen möchte, ob

a)      die Verpflichtung des Klägers zur Einzeltierkennzeichnung gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 21/2004,

b)      die Verpflichtung des Klägers zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung gemäß Art. 9 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 und

c)      die Verpflichtung des Klägers zur Führung des Bestandsregisters C gemäß Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang B Nr. 2 der Verordnung Nr. 21/2004

mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar und damit gültig ist (im Folgenden: Vorlagefragen).

12.      Im vorliegenden Verfahren haben Herr Schaible, das Land Baden-Württemberg, die französische, die niederländische und die polnische Regierung, der Rat und die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 7. März 2013 haben Herr Schaible, die französische Regierung, der Rat und die Kommission mündlich verhandelt.

III –  Würdigung

A –    Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen

13.      Mit seinen Fragen ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise zur Gültigkeit bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 21/2004, mit denen Schaf- und Ziegenhaltern drei spezifische Verpflichtungen auferlegt werden, nämlich i) jedes einzelne Tier zu kennzeichnen (Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2), ii) jedes einzelne Tier elektronisch zu kennzeichnen (Art. 9 Abs. 3 Unterabs. 1) und iii) ein stets auf dem neuesten Stand zu haltendes Bestandsregister der Tiere zu führen (Art. 5 Abs. 1 und Abschnitt B Nr. 2 des Anhangs) (im Folgenden zusammen: streitige Verpflichtungen).

14.      Das Verwaltungsgericht Stuttgart benennt die streitigen Verpflichtungen zwar genau nach ihrem Inhalt und ihrer Rechtsgrundlage, es äußert sich aber weniger konkret zu den Bestimmungen des primären Unionsrechts, die diesen Verpflichtungen entgegenstehen könnten.

15.      Tatsächlich stellt das vorlegende Gericht dem Gerichtshof lediglich die Frage, ob die streitigen Verpflichtungen „mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar und damit gültig“ sind.

16.      Die allgemeine und unpräzise Formulierung der Fragen hätte den Gerichtshof vor eine besonders schwierige Aufgabe gestellt, gäben nicht die übrigen Ausführungen im Vorlagebeschluss sowie die von Herrn Schaible und den anderen Verfahrensbeteiligten eingereichten Erklärungen Aufschluss über diesen grundlegenden Aspekt(3).

17.      Wie das Verwaltungsgericht Stuttgart darlegt, trägt Herr Schaible vor, dass die streitigen Verpflichtungen mit seiner Berufsfreiheit nach Art. 15 der Charta unvereinbar seien. Das nationale Gericht weist jedoch darauf hin, dass als Chartabestimmung, anhand deren die im Ausgangsverfahren aufgeworfenen Fragen zu untersuchen seien, eher Art. 16 über die unternehmerische Freiheit als die hier „speziellere“ Freiheit einschlägig sei. Das nationale Gericht äußert zudem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Verpflichtungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots.

18.      Vor allem in den von Herrn Schaible an den Gerichtshof gerichteten Erklärungen stützt sich die rechtliche Argumentation auf Art. 16 anstatt Art. 15 der Charta. Die Erklärungen der anderen Verfahrensbeteiligten (mit Ausnahme der polnischen Regierung) konzentrieren sich entweder ausschließlich auf die unternehmerische Freiheit (die französische Regierung und der Rat), oder beide Freiheiten werden zusammen behandelt, da diese Freiheiten inhaltlich weitgehend identisch seien (die niederländische Regierung und die Kommission). Alle anderen Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof (einschließlich der polnischen Regierung) machen darüber hinaus spezifische Ausführungen zu dem in Art. 20 der Charta niedergelegten Gleichbehandlungsgebot.

19.      Angesichts dessen halte ich es für angebracht, zunächst die wichtigsten anstehenden Rechtsfragen klarzustellen und anschließend dem Gerichtshof einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die drei vom Verwaltungsgericht Stuttgart vorgelegten Fragen meines Erachtens am effizientesten behandelt werden könnten.

20.      Mit diesen Fragen werden im Wesentlichen zwei Themenkomplexe angesprochen. Der erste betrifft eine mögliche Verletzung von Art. 15 und/oder Art. 16 der Charta wegen eines angeblich unverhältnismäßigen Eingriffs in die Rechte der Tierhalter, der zweite betrifft einen möglichen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Während der erste Problemkreis alle streitigen Verpflichtungen berührt, weil sie – wie Herr Schaible selbst wiederholt ausführt – untrennbar miteinander verbunden sind, geht es beim zweiten ausschließlich um eine der streitigen Verpflichtungen, nämlich die Verpflichtung der Tierhalter zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung nach Maßgabe von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 – und speziell um die nach den Unterabs. 2 und 3 dieser Bestimmung zugelassenen Ausnahmen von dieser Verpflichtung.

21.      Unter Berücksichtigung des Vorstehenden und des Grundsatzes der Verfahrensökonomie erscheint es mir eher angebracht, die drei Vorlagefragen nicht getrennt und nacheinander, sondern zusammen zu behandeln, da sie sich jeweils auf beide Themenkomplexe beziehen. Aus diesem Grund werde ich zunächst die Gültigkeit der streitigen Verpflichtungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit prüfen. Sodann werde ich die Stichhaltigkeit des Vorbringens zum angeblich diskriminierenden Charakter der in der zweiten Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Stuttgart angesprochenen Verpflichtung abwägen.

B –    Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

1.      Unternehmerische Freiheit

22.      Der erste Rechtskomplex, der mit den Vorlagefragen angesprochen wird, betrifft die Verhältnismäßigkeit der streitigen Verpflichtungen.

23.      Wie bereits erwähnt, zieht das nationale Gericht als Maßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit im vorliegenden Fall die unternehmerische Freiheit heran, die in Art. 16 der Charta anerkannt wird; einige der Verfahrensbeteiligten, die dem Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, verweisen hingegen auch auf Art. 15 der Charta.

24.      Der Wortlaut dieser Bestimmungen legt nahe, dass Art. 16 auf den Schutz der Handlungsfreiheit von Unternehmern ausgerichtet ist, während Art. 15 eher die Rechte von Arbeitnehmern betrifft. Für diese Auslegung sprechen die „Erläuterungen zum vollständigen Wortlaut der Charta“, denen zufolge sich Art. 15 Abs. 1 der Charta auch an Art. 1 Abs. 2 der Europäischen Sozialcharta und an Nr. 4 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer anlehnt(4).

25.      Allerdings scheint mir, dass sich die beiden Freiheiten weitgehend überschneiden, da sie beide das Recht der Unionsbürger auf ungehinderte Wahrnehmung und Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand haben.

26.      Dass eine solche Überschneidung besteht, wird meines Erachtens durch die Rechtsprechung bestätigt. Schon bevor die Charta durch den Vertrag von Lissabon in der gesamten Union rechtlich bindend wurde, hatte der Gerichtshof beide Freiheiten als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts anerkannt, die er zu wahren hat(5). In einigen seiner Entscheidungen hat der Gerichtshof ausdrücklich erklärt, dass sich die Berufsausübungsfreiheit und die unternehmerische Freiheit „überschneiden“ können(6). Zudem hat er in mehreren anderen Rechtssachen allgemein auf die „freie Berufsausübung“(7) oder auf das „Recht auf freie Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit“(8) verwiesen, die gemeinsame Aspekte beider Freiheiten umfassen dürften.

27.      Daher erscheint eine Abgrenzung des Geltungsbereichs der Art. 15 und 16 der Charta im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

28.      Da nach Ansicht des nationalen Gerichts in dem bei ihm anhängigen Verfahren eher Art. 16 der Charta einschlägig ist und es sich bei Herrn Schaible um einen selbständig tätigen Wirtschaftsteilnehmer handelt, lege ich meiner Prüfung diese Bestimmung der Charta zugrunde. Das Ergebnis, zu dem ich dabei gelange, gilt jedoch entsprechend für Art. 15 der Charta(9), da beide Bestimmungen gemeinsame Ziele verfolgen.

29.      Gemäß Art. 16 der Charta „[wird d]ie unternehmerische Freiheit … nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt“.

30.      Im Primärrecht der Union wird also der grundsätzliche Stellenwert dieser Freiheit anerkannt, zugleich aber auch klargestellt, dass kein absolutes Recht auf Ausübung dieser Freiheit besteht. Tatsächlich wurde die Charta in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs formuliert, der zufolge Grundsätze wie das Recht auf freie Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit oder das Eigentumsrecht „im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden [müssen]“(10).

31.      Dies kommt auch in Art. 52 Abs. 1 der Charta zum Ausdruck, in dem Regeln für die Einschränkungen festgelegt sind, denen die durch die Charta anerkannten Rechte und Freiheiten wie etwa die unternehmerische Freiheit unterworfen werden können. Nach der genannten Vorschrift sind solche Einschränkungen zulässig, sofern sie gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und sofern sie im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen(11).

2.      Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

32.      Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts und verlangt, dass die von einer Unionsbestimmung eingesetzten Mittel „zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen“(12).

33.      Im Hinblick auf die gerichtliche Nachprüfbarkeit des Vorliegens dieser Voraussetzungen hat der Gerichtshof anerkannt, dass der Unionsgesetzgeber bei der Ausübung der ihm verliehenen Befugnisse über ein weites Ermessen in Bereichen verfügt, in denen sein Tätigwerden von ihm politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt und er komplexe Prüfungen und Bewertungen durchführen muss(13).

34.      Dies gilt ganz besonders für den Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik, in dem der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt, das seiner politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Art. 40 AEUV und 43 AEUV übertragen(14). Nach ständiger Rechtsprechung kann die Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Zieles, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist(15). Dabei geht es nicht darum, „ob die vom [Unionsg]esetzgeber erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche Maßnahme war, sondern darum, ob sie offensichtlich ungeeignet war“(16).

35.      Zugegebenermaßen lässt sich der in dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs verwendete Begriff „offensichtlich ungeeignet“ aus zwei Gründen durchaus kritisieren. Erstens scheint der Ausdruck zu implizieren, dass Maßnahmen, deren Rechtsmängel nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und erst bei einer eingehenderen Rechtsprüfung feststellbar sind, vom Gerichtshof nicht für nichtig erklärt werden können. Zweitens scheint er zu besagen, dass die Nachprüfung durch den Gerichtshof auf den ersten Schritt der traditionellen Verhältnismäßigkeitsprüfung (Geeignetheit der Maßnahmen zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks) beschränkt und dass eine umfassende Beurteilung ausgeschlossen ist.

36.      Eine solche Sicht beruht allerdings auf einem Missverständnis der Rechtsprechung.

37.      Hinsichtlich des ersten möglichen Kritikpunkts meine ich, dass mit dem Begriff „offensichtlich ungeeignet“ lediglich hervorgehoben werden soll, dass dem Gesetzgeber bei Sachverhalten, bei denen er eine Vielfalt von (potenziell entgegengesetzten) Interessen zu berücksichtigen hat, notwendigerweise ein gewisses Ermessen zuerkannt werden muss. Politische Entscheidungen sind zwangsläufig mit der Abwägung und dem Ausgleich unterschiedlicher ordnungspolitischer Ziele verbunden, die nicht alle zur gleichen Zeit und im gleichen Umfang verfolgt werden können. Allein dem Unionsgesetzgeber ist aufgetragen, diesen Prozess durchzuführen und auch Entscheidungen zu treffen, die den sozialen und den wirtschaftlichen Bereich der Gesellschaft in unterschiedlichem Maße berühren können, die aber zu dem betreffenden Zeitpunkt als im besten Interesse der Gesamtgesellschaft liegend gesehen werden. Deshalb hat der Gerichtshof auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bedeutung der vom Gesetzgeber angestrebten Ziele Einschränkungen rechtfertigen kann, die sogar beträchtliche negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer haben können(17).

38.      Diese Begrenzung der Nachprüfbarkeit bedeutet jedoch nicht, dass der Gerichtshof angefochtene Maßnahmen nicht einer strengen Kontrolle unterziehen kann, um ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. So kann er etwa prüfen, ob der Unionsgesetzgeber seine Entscheidung auf objektive Kriterien gestützt(18) und dabei alle sachlichen Umstände sowie die zum Zeitpunkt des Erlasses der in Rede stehenden Maßnahme verfügbaren technischen und wissenschaftlichen Daten berücksichtigt hat(19) und ob diese sachlichen Umstände und die Daten die daraus gezogenen Schlussfolgerungen stützen können(20). Darüber hinaus hat der Gerichtshof sicherzustellen, dass das betreffende Unionsorgan neben dem verfolgten Hauptziel den betroffenen Interessen in vollem Umfang Rechnung getragen hat(21) und dass in diesem Rahmen die Interessen der beeinträchtigten Einzelpersonen gewahrt worden sind(22).

39.      Andererseits darf der Gerichtshof bei der Kontrolle der Ausübung der gesetzgeberischen Befugnisse im Fall politischer Entscheidungen die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen(23). Es entspricht nicht der konstitutionellen Aufgabe des Unionsrichters, komplexe Beurteilungen in Angelegenheiten vorzunehmen, bei denen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Überlegungen allgemeiner Natur eine bedeutende Rolle spielen; in jedem Fall sind Gerichtsverfahren für Bewertungen dieser Art ganz offensichtlich ungeeignet(24). Der Gerichtshof hat auch nicht die Aufgabe, die Wirksamkeit oder Geeignetheit der vom Unionsgesetzgeber erlassenen Maßnahmen im Nachhinein zu bewerten. Insoweit entscheidet der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die Rechtmäßigkeit einer Unionshandlung nicht von einer rückschauenden Beurteilung ihres Wirkungsgrads abhängen kann. Muss der Unionsgesetzgeber künftige Auswirkungen einer zu erlassenden Regelung beurteilen, die nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden können, so kann seine Beurteilung nur beanstandet werden, wenn sie sich im Licht der Informationen, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügt hat, als offensichtlich fehlerhaft erweist(25).

40.      Bezüglich des anderen in Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten möglichen Kritikpunkts möchte ich den Gerichtshof lediglich auf die unlängst verlesenen Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Association Kokopelli aufmerksam machen, in denen sie darauf hinweist, dass die Wendung „offensichtlich ungeeignet“ keineswegs impliziert, dass sich die Nachprüfung des Gerichtshofs auf eine Beurteilung der Geeignetheit der Maßnahme im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel beschränkt. Auch ich bin der Meinung, dass sich die Befugnis des Gerichtshofs zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit auf alle drei Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung erstreckt, so dass zu prüfen ist, ob die in Rede stehende Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels sowohl geeignet als auch erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist, d. h., dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Betoffenen hergestellt wird(26).

41.      Tatsächlich hat der Gerichtshof auch in Fällen, in denen es um Maßnahmen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik ging, immer wieder auf seine Rechtsprechung hingewiesen, der zufolge der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass „dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist, und dass die verursachten Nachteile nicht gegenüber den angestrebten Zielen unangemessen sein dürfen“(27).

3.      Würdigung

42.      Dies sind also die Grundsätze, anhand deren das Vorbringen zur gerügten Ungültigkeit der streitigen Verpflichtungen zu untersuchen ist.

43.      Zum besseren Verständnis dieses Vorbringens ist es zweckmäßig, zunächst in einem kurzen Überblick die wesentlichen Merkmale des alten Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren sowie das später mit der Verordnung Nr. 21/2004 eingeführte System darzustellen.

44.      Zu Beginn war die Kennzeichnung und Registrierung lebender Nutztiere, einschließlich Schafen und Ziegen, in der Richtlinie 92/102/EWG des Rates(28) geregelt. Im Mittelpunkt des alten Systems stand die Möglichkeit zur Identifizierung von Tieren nach einzelnen Betrieben (im Folgenden: Bestandsidentifizierung). Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie musste jeder Tierhalter ein Register mit Angaben über die Gesamtzahl der in jedem Jahr im Betrieb vorhandenen Schafe und Ziegen führen. In dem Register waren u. a. auch bestimmte Daten über die Zu- und Abgangsbewegungen von Schafen und Ziegen im Betrieb erfasst. Nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie waren die Halter zur Kennzeichnung ihrer Tiere mit einer Ohrmarke oder einer Tätowierung verpflichtet, so dass der Ursprungsbetrieb ohne Weiteres erkennbar war.

45.      Im Mittelpunkt des durch die Verordnung Nr. 21/2004 eingeführten Systems steht dagegen die Kennzeichnung jedes einzelnen Tiers mittels zweier Kennzeichen. Von bestimmten Ausnahmen abgesehen bestehen diese beiden Kennzeichen aus erstens einer (herkömmlichen) Ohrmarke und zweitens einer elektronischen Vorrichtung in Form einer elektronischen Ohrmarke, eines Bolustransponders, eines injizierbaren Transponders oder eines elektronischen Kennzeichens an der Fessel, die mit einem speziellen elektronischen Lesegerät ablesbar sind. Darüber hinaus muss die Identität jedes einzelnen Tiers in einem Bestandsregister vermerkt werden. Außerdem sind die Bewegungen der aus dem Betrieb abgehenden Tiere in einem Begleitdokument aufzuzeichnen. Ferner hat jeder Mitgliedstaat ein zentrales Register oder eine elektronische Datenbank zur Erfassung aller in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Betriebe anzulegen und in regelmäßigen Abständen eine Zählung der im Betrieb gehaltenen Tiere durchzuführen.

46.      Vor diesem Hintergrund soll nunmehr dargelegt werden, weshalb die von Herrn Schaible gegen die streitigen Verpflichtungen angeführten Argumente nicht zu überzeugen vermögen.

a)      Geeignetheit der streitigen Verpflichtungen

47.      Zunächst werde ich untersuchen, ob die streitigen Verpflichtungen zur Erreichung der mit der Verordnung Nr. 21/2004 verfolgten Ziele geeignet sind.

48.      Gemäß ihrem ersten Erwägungsgrund dient die Verordnung Nr. 21/2004 der Verwirklichung des Binnenmarkts beim Handel mit lebenden Tieren und Tiererzeugnissen. Da sich der Unionsgesetzgeber entschlossen hatte, durch die Richtlinie 90/425/EWG die tierzüchterischen und veterinärrechtlichen Kontrollen an den nationalen Grenzen abzuschaffen, um den freien Verkehr der Tiere innerhalb der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sicherzustellen, wurde ein koordiniertes und effizientes System zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren notwendig(29). Dementsprechend sah Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 90/425 vor, dass lebende Tiere nur gehandelt werden durften, wenn sie z. B. gekennzeichnet und in der Weise registriert sind, dass der Betrieb, aus dem sie stammen bzw. die Betriebe, in denen sie sich aufgehalten haben, festgestellt werden können.

49.      Ein Kontrollsystem zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren ist daher eine den Binnenmarkt für Tiere und tierische Erzeugnisse flankierende Maßnahme. Ein solches System ist besonders zweckmäßig, um die Ausbreitung ansteckender Krankheiten unter Tieren in den Griff zu bekommen, mit denen grenzüberschreitender Handel getrieben wird. Die Verordnung Nr. 21/2004 wurde übrigens im Gefolge der 2001 aufgrund der Maul- und Klauenseuche eingetretenen Krise erlassen, wie es in ihrem dritten Erwägungsgrund ausdrücklich heißt.

50.      Herr Schaible bestreitet nicht, dass die Zielsetzung der Verordnung Nr. 21/2004 – Bekämpfung der Verbreitung von Tierseuchen – legitim ist. Er beanstandet auch nicht, dass in diesem Rahmen ein effektives System zur Ermittlung des Verbleibs von Tieren erforderlich ist. Er macht jedoch geltend, dass die streitigen Verpflichtungen zur Erreichung des Ziels, Tierseuchen in den Griff zu bekommen, ungeeignet seien. Insbesondere sei das System deshalb nicht effektiv, weil der Prozentsatz der im Laufe der Zeit verlorenen oder defekten Transponder nicht unerheblich sei. Insoweit verweist Herr Schaible auf eine in Deutschland durchgeführte Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, wonach ungefähr 5 % der Transponder bereits kurze Zeit nach ihrer Anbringung an den Tieren verloren gingen oder nicht einwandfrei funktionierten.

51.      Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen.

52.      Zunächst einmal scheinen mir die streitigen Verpflichtungen zur Bekämpfung der Verbreitung von Tierseuchen besonders gut geeignet zu sein und damit einen wirksamen Beitrag zur Verwirklichung des Binnenmarkts in diesem Wirtschaftssektor zu leisten.

53.      Die Verpflichtung zur Einzelkennzeichnung von Schafen und Ziegen wurde als für Tierhalter sowie Veterinär- und Verwaltungsbehörden zuverlässiges Verfahren gewählt, um den Ursprung und den Aufenthaltsort jedes einzelnen Tiers ermitteln zu können. Meines Erachtens ist es wichtig, dass die Möglichkeit besteht, systematisch alle Orte rückverfolgen zu können, an denen sich ein Tier aufgehalten hat und mit anderen Tieren in Kontakt gekommen sein könnte. Ich habe keine Zweifel, dass die zuständigen Behörden durch solche Daten in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung oder Eindämmung ansteckender Krankheiten zu treffen.

54.      Außerdem halte ich es für angemessen, eine elektronische Kennzeichnung vorzuschreiben, da damit vermutlich eine erhöhte Zuverlässigkeit und Schnelligkeit bei der Datenmeldung gewährleistet und die Bekämpfung ansteckender Krankheiten effektiver wird. Dies gilt insbesondere bei Tierarten wie Schafe und Ziegen, die während ihres Lebens in der Regel mehrmals den Besitzer wechseln und häufig in großen Gruppen verbracht werden, mitunter auf Viehmärkten oder in Sammelstellen, wo sich die Zusammensetzung von Herden schnell ändern kann(30). Bei solchen Verhältnissen wäre eine Rückverfolgung der Bewegungen jedes einzelnen Tiers ohne eine Einzeltierkennzeichnung und ‑erfassung äußerst schwierig.

55.      Was schließlich die Verpflichtung jedes Betriebs zur Führung eines Bestandsregisters betrifft, stimme ich der französischen Regierung darin zu, dass durch das System zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung zwangsläufig ein Bedarf für solche Register entsteht. Es liegt auf der Hand, dass die durch die Kennzeichen erhobenen Daten in ein Dokument eingetragen werden müssen, das sich rasch aktualisieren lässt und auf das die zuständigen Behörden auf Verlangen problemlos zugreifen können. Um also sicherzustellen, dass die erforderlichen Maßnahmen unverzüglich getroffen werden können, ist es daher unerlässlich, dass bestimmte Daten (wie Rasse, Geburts- und Todeszeitpunkt sowie Verbringungen) über die in den einzelnen Betrieben gehaltenen Tiere den zuständigen Behörden in einem normierten Format umgehend zur Verfügung gestellt werden(31). So können die Behörden z. B. nur anhand eines Abgleichs der Informationen zweier oder mehrerer Betriebe ermitteln, ob und gegebenenfalls wann und wo genau sich die Wege bestimmter Tiere gekreuzt haben.

56.      Ich werde nunmehr auf die von Herrn Schaible gerügten technischen Mängel des Kennzeichnungssystems eingehen. Es kann kaum überraschen, dass ein radikaler Systemwandel, wie er durch die Verordnung Nr. 21/2004 eingeführt wurde, im Anfangsstadium nicht reibungslos vonstattengeht. Meines Erachtens ist ein bestimmter Prozentsatz von Fehlern und Defekten beim Start eines neuen Projekts dieser Art nicht zu vermeiden, insbesondere wenn es in erheblichem Umfang auf den Einsatz neuer Technologien angewiesen ist. Solche Fehlfunktionen sind für sich genommen aber noch kein Indiz dafür, dass ein System gänzlich ungeeignet ist, es sei denn, sie gefährden offenkundig den verfolgten Zweck.

57.      Das ist hier nicht der Fall.

58.      Die Kommission hat vielmehr mehrere Untersuchungen über die Durchführbarkeit und Zuverlässigkeit von auf der elektronischen Tierkennzeichnung beruhenden Systemen in Auftrag gegeben. Das erste Projekt (Projekt „FEOGA“), das 1993 und 1994 von drei Gruppen in verschiedenen Mitgliedstaaten durchgeführt wurde und sich u. a. auf insgesamt 5 000 Schafe und 2 000 Ziegen erstreckte, ergab, dass das System hinreichend ausgereift sei, um es weiteren Großversuchen vor Ort zu unterziehen(32). An einem zweiten, zwischen 1995 und 1998 unternommenen Projekt (Projekt „AIR 2304“) waren zehn Forschergruppen in sechs verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt. Im Rahmen dieses Projekts sollte ermittelt werden, ob sich der Prozentsatz aller Ausfälle der elektronischen Kennzeichen im Laufe eines längeren Zeitraums (vier Jahre) erhöhen würde. Die Studie kam abschließend zu dem Ergebnis, dass die eingesetzten elektronischen Kennzeichnungssysteme (elektronische Ohrmarken, injizierbare Transponder, Bolustransponder) höhere Rückhaltungsquoten und Lesbarkeitswerte erzielten als herkömmliche Systeme zur Kennzeichnung lebender Nutztiere (Ohrmarken, Tätowierungen und dergleichen)(33).

59.      Bei einem späteren Projekt mit der Bezeichnung IDEA (Identification électronique des animaux) ging es um die vollständige Umsetzung des Systems, einschließlich der Verwendung elektronischer Kennzeichen, unter verschiedensten Bedingungen (unterschiedliche Tierarten, unterschiedliche Zuchtverfahren, unterschiedliche Transport- und Schlachtverfahren sowie variierende Umweltverhältnisse). Im Zeitraum von März 1998 bis Dezember 2001 wurden Versuche an insgesamt mehr als 500 000 Schafen und fast 30 000 Ziegen durchgeführt(34). Ziel dieser Studie war eine besonders sorgfältige Beurteilung der Leistungsfähigkeit (Lesbarkeit, einwandfreie Funktion, Verlustquote, Rückholquote usw.) der elektronischen Kennzeichen in Relation zu einer Reihe von Parametern (Geräteart, Tierart, Tieralter usw.). Unter den im Schlussbericht vom 30. April 2002 vorgestellten Ergebnissen sind vor allem folgende beachtenswert: Das Projekt habe „äußerst positive Ergebnisse hinsichtlich der Durchführbarkeit des Einsatzes elektronischer Kennzeichnung geliefert“, „die Kennzeichnung von Objekten mithilfe der Transpondertechnologie [sei] ausgereift, kommerziell verfügbar und [werde] in zahlreichen Industriebereichen routinemäßig angewendet“ und „die Branche [sei] … in der Lage, innerhalb kurzer Fristen große Mengen elektronischer Kennzeichen und entsprechender Lesegeräte zur Kennzeichnung lebender Tiere zu produzieren“(35).

60.      Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die Kommission im Zuge der schrittweisen Implementierung der Verordnung Nr. 21/2004 im Jahr 2007 die Informationen aus den Mitgliedstaaten ausgewertet hat, die die elektronische Kennzeichnung freiwillig oder im Rahmen von Pilotprojekten eingeführt hatten, ehe das System in der gesamten Union obligatorisch wurde. Der Kommission zufolge zeigten die daraus resultierenden Daten im Allgemeinen, dass „die elektronische Kennzeichnung von Schafen und Ziegen in einem breiten Spektrum von Produktionsbedingungen funktioniert“(36).

61.      Infolgedessen bin ich überzeugt, dass der Unionsgesetzgeber seine Entscheidung, die Verordnung Nr. 21/2004 zu erlassen, auf einen gewaltigen und detaillierten Bestand technischer und wissenschaftlicher Daten stützen konnte, der dafür sprach, dass ein System elektronischer Einzeltierkennzeichnung sowohl durchführbar als auch zur Erreichung des Ziels der Tierseuchenbekämpfung geeignet sei. Außerdem – und dies ist für das vorliegende Verfahren besonders relevant – ging aus den Informationen hervor, dass ein solches System trotz einiger praktischer Probleme zuverlässiger und effektiver als das damals nach Maßgabe der Richtlinie 92/102 geltende System arbeiten würde. Im Übrigen sind traditionelle Ohrmarken weiterhin vorgeschrieben, so dass im Fall fehlerhafter Transponder eine visuelle Identifizierung der Tiere möglich ist, wie dies beim alten System geschah.

62.      In den von Herrn Schaible herangezogenen Unterlagen, einschließlich der Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, findet sich nichts, was dieser Feststellung widerspricht.

63.      Demnach bin ich der Meinung, dass die streitigen Verpflichtungen zur Erreichung der mit der Verordnung Nr. 21/2004 verfolgten Ziele tatsächlich geeignet sind. Sie scheinen sich sogar besonders gut zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten bei Schafen und Ziegen zu eignen.

b)      Erforderlichkeit der streitigen Verpflichtungen

64.      In einem zweiten Schritt muss geprüft werden, ob die streitigen Verpflichtungen über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen.

65.      Einer der von Herrn Schaible gegen die streitigen Verpflichtungen angeführten Hauptkritikpunkte betrifft die Daseinsberechtigung der Verordnung Nr. 21/2004 an sich: Das alte System zur Identifizierung von Schafen und Ziegen habe sich als zulänglich erwiesen, um die Ausbreitung ansteckender Krankheiten in den Griff zu bekommen. Zum Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Jahr 2001, der den Erlass der Verordnung Nr. 21/2004 ausgelöst habe, sei es nicht wegen eigentlicher Systemmängel gekommen, sondern weil die damals geltende Regelung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Daher sei eine völlige Überarbeitung des Systems durch den Unionsgesetzgeber nicht erforderlich gewesen, denn die korrekte Durchführung und Anwendung der weniger strengen Maßnahmen der Richtlinie 92/102 hätte genügt, um die Erreichung der angegebenen Ziele sicherzustellen.

66.      Das Vorbringen von Herrn Schaible zur Zulänglichkeit des alten Systems überzeugt mich nicht.

67.      Wie oben in Nr. 49 erwähnt, wurde das neue System eingeführt, weil die Erfahrungen – vor allem die Krise der Maul- und Klauenseuche im Jahr 2001 – gezeigt hatten, dass die praktische Umsetzung der Regelung zur Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen gemäß der Richtlinie 92/102 nicht zufriedenstellend war und verbessert werden musste. Der Unionsgesetzgeber hat somit zwar anerkannt, dass die alte Regelung nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden war, gleichzeitig aber auch festgestellt, dass die Regelung überarbeitet werden musste.

68.      Die Maul- und Klauenseuche ist eine schwere und hochansteckende Viruserkrankung, die zwar nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar ist, jedoch verschiedene Tierarten, u. a. auch Schafe und Ziegen, erfassen kann(37). Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Epidemie im Vereinigten Königreich im Jahr 2001 bedürfen keiner besonderen Hervorhebung. Insoweit genügt der Hinweis, dass dort mehr als 2 000 Landwirtschaftsbetriebe von der Krankheit betroffen waren und der ihnen entstandene Schaden auf mehrere Milliarden Euro geschätzt wird(38). Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene musste eine Reihe von Notmaßnahmen erlassen werden, die insbesondere zu Massenschlachtungen infizierter Herden (und sogar von Tieren, bei denen eine Infizierung nur vermutet wurde)(39) sowie zu verschiedenen Ausfuhrbeschränkungen innerhalb der Union und einem weltweiten Verbot sämtlicher Ausfuhren von Tieren, Fleisch und tierischen Erzeugnissen aus dem Vereinigten Königreich führten(40). Trotz dieser Maßnahmen breitete sich das Virus auf andere Mitgliedstaaten (Frankreich, Irland und die Niederlande) aus, wenngleich dort insgesamt nur wenige Fälle gemeldet wurden.

69.      Angesichts dessen halte ich es entgegen der Ansicht von Herrn Schaible für angemessen, dass der Unionsgesetzgeber damals eine Überprüfung des gesamten Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren beschloss, anstatt einfach nur eine Umgestaltung der Rahmenregelung zu versuchen, deren begrenzte Tauglichkeit zutage getreten war. Meines Erachtens ist es nicht nur legitim, sondern sogar umsichtig, dass die Union nach einer Katastrophe dieses Ausmaßes ein seinem Umfang und seiner Natur nach so weitreichendes Vorhaben durchführte.

70.      Übrigens lief im Jahr 2001 bereits ein Großversuch zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren (das vorstehend erwähnte IDEA-Projekt), der von der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Centre – JRC) der Union koordiniert wurde(41). Als daher der Schlussbericht dieses Projekts am 30. April 2002 vorlag, kann es nur als klug bezeichnet werden, dass der Unionsgesetzgeber den Ergebnissen dieser Studie und den darin enthaltenen Vorschlägen große Aufmerksamkeit schenkte.

71.      Im IDEA-Schlussbericht wurde u. a. festgestellt, dass die verschiedenen Ausbrüche von Nutztierkrankheiten in der Union gezeigt hätten, dass die damals eingesetzten Systeme zur Kennzeichnung lebender Nutztiere „nicht effizient und zuverlässig genug waren, um eine korrekte Rückverfolgbarkeit und veterinäre Überwachung der Nutztierarten zu ermöglichen“. Die Identifizierung der Tiere sei manuell und durch visuelles Ablesen der vorhandenen Ohrmarken erfolgt, was „Fehler und Betrug ermöglicht“ habe. Eine eingehendere Kontrolle der einzelnen Tiere und ihrer Verbringungen sei daher „ein entscheidender Punkt … bei der sanitären Kontrolle und Krankheitsüberwachung“. Deshalb sei es für die „effiziente und zuverlässige Handhabung lebender Nutztiere in der Union“ unerlässlich, den jederzeitigen Aufenthaltsort jedes einzelnen Tiers ermitteln zu können. Um die Überwachung der einzelnen Tiere effizienter zu gestalten, enthält der IDEA-Schlussbericht daher den Vorschlag der „individuellen Kennzeichnung jedes einzelnen Tiers während seines gesamten Lebens durch Anbringung eines elektronischen Kennzeichens“(42).

72.      Nach der Krise des Jahres 2001 war der IDEA-Schlussbericht keineswegs der einzige Sachverständigenbericht, der eine eingehendere Überarbeitung des Vorschriftenrahmens zur Tierkennzeichnung nahelegte. So findet sich z. B. im Schlussbericht der am 12. und 13. Dezember 2001 in Brüssel veranstalteten Internationalen Konferenz zur Kontrolle und Verhütung der Maul- und Klauenseuche die Empfehlung, dass „[a]lle Verbringungen [von Tieren] registriert werden und rückverfolgbar sein sollten“, um die Übertragung des Maul- und Klauenvirus zwischen den einzelnen Betrieben zu verhindern(43). Ebenso empfiehlt der vom House of Commons (Unterhaus) des Vereinigten Königreichs im Anschluss an die Krise des Jahres 2001 in Auftrag gegebene Anderson-Bericht den Aufbau „eines umfassenden Rückverfolgungssystems für lebende Nutztiere mittels elektronischer Marken, das sich auf Rinder, Schafe und Schweine erstreckt“(44).

73.      Mit der Verordnung Nr. 21/2004 reagierte der Unionsgesetzgeber auch auf Forderungen aus dem Kreis der Unionsorgane. In einem Sonderbericht des Rechnungshofs etwa wird nicht nur festgestellt, dass das alte System zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren nicht hinreichend umgesetzt worden sei, sondern auch auf die dem System innewohnenden Leistungsgrenzen hingewiesen. In dem Bericht heißt es u. a.: „Die Tatsache, dass die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften keine Einzelkennzeichnung von Schafen vorsahen und die Kennzeichnung der Schafe nach Partien außerdem unzulänglich war, war Ursache für Verzögerungen bei der Identifizierung der Tiere mit Ansteckungsverdacht und bei deren Schlachtung.“(45)

74.      Es gibt also mehrere Anhaltspunkte dafür, dass die mit dem alten System zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren verbundenen Probleme durch das System selbst und nicht durch die Umsetzungsmodalitäten bedingt waren.

75.      Angesichts der Bedingungen, unter denen der Handel mit Schafen und Ziegen oftmals stattfindet(46), und der Übertragungswege von Tierseuchen(47) handelte der Unionsgesetzgeber meines Erachtens nicht unangemessen, als er in der Folge entschied, dass Tiere individuell rückverfolgbar sein sollten. Außerdem lässt sich vertreten, dass die zuständigen Behörden in der Lage sein müssen, rasch auf Daten zuzugreifen, die dank der elektronischen Kennzeichen und der Bestandsregister zur Verfügung stehen und für den Erlass der Maßnahmen bedeutsam sind, die zur Verhütung oder zur Eingrenzung ansteckender Krankheiten erforderlich sind.

76.      Die von Herrn Schaible angeführten alternativen Kennzeichnungs- und Registrierungsmaßnahmen – im Wesentlichen also die in der Richtlinie 92/102 vorgesehenen Maßnahmen – stellen wahrscheinlich einen geringeren Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Tierhalter dar als die streitigen Verpflichtungen. Sie sind jedoch, wie die vorstehend erwähnten Untersuchungen eindeutig belegen, nicht so weitreichend und deshalb nicht so wirksam.

77.      Demnach komme ich zu dem Ergebnis, dass die streitigen Verpflichtungen nicht über das zur Erreichung der mit der Verordnung Nr. 21/2004 verfolgten Ziele Erforderliche hinausgehen.

c)      Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

78.      In einem letzten Schritt ist die Verhältnismäßigkeit der streitigen Verpflichtungen im engeren Sinne zu beurteilen. Zu diesem Zweck werde ich untersuchen, ob dem Gesetzgeber bei der Abwägung der verschiedenen Interessen, die durch diese Verpflichtungen berührt sein können, ein Fehler unterlaufen ist.

79.      In dieser Beziehung führt Herr Schaible im Wesentlichen zwei Kritikpunkte an. Zum einen verstießen die streitigen Verpflichtungen gegen den Leitgedanken des Tierschutzes, da bei der Anwendung der Transponder viele Tiere verletzt würden. Zum anderen seien diese Verpflichtungen für Tierhalter übermäßig belastend und kostenaufwendig, und zwar nicht nur wegen der zusätzlichen Geräte (Transponder, Scanner usw.), die die Halter anschaffen müssten, sondern auch wegen des erheblichen Arbeitsaufwands, der mit der Nutzung dieser Geräte verbunden sei (Anwendung der Transponder, Eingabe der Kennungen in das Bestandsregister, Instandhaltung der Scanner, häufigere Inanspruchnahme von Fachpersonal wie etwa Spezialisten für Informationstechnologie und Tierärzten usw.).

80.      Meines Erachtens ist dieses Vorbringen ebenfalls unbegründet.

81.      Entgegen den Ausführungen von Herrn Schaible sind die Auswirkungen der elektronischen Kennzeichnung auf das Wohlergehen von Schafen und Ziegen im Rahmen der vor Erlass der Verordnung Nr. 21/2004 durchgeführten Studien gebührend berücksichtigt worden. Das IDEA-Projekt untersuchte z. B. die Hauptursachen für „Verletzungen und Tod nach Anwendung elektronischer Kennzeichen“ und vermittelte dem Gesetzgeber sachdienliche Erkenntnisse darüber, inwiefern die verschiedenen Gerätearten die Tiergesundheit beeinträchtigen können(48). Zudem wurden in der Umsetzungsphase auch Tierschutzgesichtspunkte berücksichtigt(49).

82.      Elektronische Ohrmarken können zwar mitunter zu Wunden an den Ohren der Tiere führen, dies gilt aber auch für herkömmliche Ohrmarken, wie sie durch die Richtlinie 92/102 vorgeschrieben waren. Zugegebenermaßen scheinen die für elektronische Ohrmarken vorliegenden Daten darauf hinzudeuten, dass das Problem bei diesen Marken wegen ihres höheren Gewichts etwas häufiger auftritt. Dennoch scheint der Unterschied zwischen den beiden Arten von Vorrichtungen, auf den sich Herr Schaible beruft, nicht so groß zu sein, dass die Gesamtbewertung des Systems aus Gründen des Tierschutzes in Frage gestellt wird(50). Das System bringt nämlich aufgrund der erhöhten Sicherheit erhebliche Vorteile für die gesamte Gesellschaft mit sich. Darüber hinaus steht zu erwarten, dass sich die Situation aufgrund künftiger technischer Entwicklungen sowie wachsender Erfahrung des landwirtschaftlichen Betriebspersonals bei der Anbringung und Nutzung der Geräte zwangsläufig verbessern wird.

83.      Schließlich dürfte das neue System dadurch, dass es eine präzisere Ermittlung derjenigen Tiere ermöglicht, die während des Auftretens einer Seuche miteinander in Kontakt gekommen sind, die Verbreitung der Krankheit in Grenzen halten und dementsprechend ein krankheitsbedingtes Leiden der infizierten Tiere verhindern. So gesehen scheinen die streitigen Verpflichtungen einen positiven Beitrag zum Tierschutz zu leisten.

84.      Im Übrigen ist die Argumentation von Herrn Schaible bezüglich des übermäßigen Kosten- und Arbeitsaufwands der Tierhalter, den die streitigen Verpflichtungen verursachen sollen, nicht sehr überzeugend.

85.      Wie sowohl der Rat als auch die Kommission in ihren Erklärungen hervorheben, waren diese Aspekte Gegenstand ausführlicher Untersuchungen sowie ausgiebiger Beratungen mit den Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten. So legte z. B. die JRC im Jahr 2009 einen Bericht mit dem Titel „Economic Analysis of Electronic Identification of Small Ruminants in Member States“ (Wirtschaftliche Analyse der elektronischen Kennzeichnung von Kleinwiederkäuern) vor. Darin wurden sämtliche Kosten der verschiedenen auf dem Markt erhältlichen elektronischen Vorrichtungen, und zwar sowohl die Anschaffungskosten als auch die Kosten der alltäglichen Benutzung (z. B. für Anbringung und Auslesung oder Personalschulung), analysiert. Untersucht wurden auch verschiedene Möglichkeiten zur Umsetzung der Verpflichtung zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung. Für jede dieser Möglichkeiten wurden Kosteneinsparungen und Vorteile verglichen, um vernünftige Kompromisse zu finden(51).

86.      Auch der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit befasste sich mit diesen Punkten in einer Studie(52), für die die Mitgliedstaaten die Kostendaten geliefert hatten.

87.      Ich meine daher, dass der Unionsgesetzgeber auch alle relevanten Informationen zu diesen Gesichtspunkten sorgfältig geprüft hat, einschließlich einer Auswertung der verschiedenen zur Verfügung stehenden Optionen, und dementsprechend eine abschließende Entscheidung in umfassender Kenntnis der verschiedenen berührten Belange getroffen hat. Meines Erachtens kann der Unionsgesetzgeber für die Entscheidung, dass in diesem Rahmen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen vorrangige Bedeutung beizumessen ist, nicht kritisiert werden(53).

88.      Für die von mir vertretene Auffassung zu diesem Punkt sprechen noch drei weitere Erwägungen.

89.      Erstens hat der Unionsgesetzgeber über das Hauptziel der Tierseuchenbekämpfung hinaus auch berücksichtigt, dass die streitigen Verpflichtungen mit verschiedenen anderen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Vorteilen für die Gesellschaft verbunden sein könnten, etwa im Hinblick auf die landwirtschaftliche Betriebsführung, die Tierzucht, amtliche Kontrollen und Lebensmittelsicherheit(54). Das neue System zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren ist, wie es im JRC‑Bericht von 2009 heißt, „nicht nur als Kostenfaktor zu sehen, da seine mehreren Zwecken dienende Nutzung auch zu Vorteilen nicht nur auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe, sondern auch für amtliche Kontrollen und die nachgelagerte Produktionskette führt, z. B. für Viehmärkte, Schlachtbetriebe und möglicherweise auch für die Verbraucher … [N]ach vollständig vollzogener Implementierung könnte es [auch] … die Aufwendungen für Maßnahmen zur Ausrottung von Krankheiten reduzieren“(55).

90.      Zweitens hat der Unionsgesetzgeber gleichzeitig auch eine Reihe von Maßnahmen erlassen, um die mit den streitigen Verpflichtungen verbundenen Belastungen der Tierhalter zu mindern.

91.      Zunächst einmal war in der Verordnung Nr. 21/2004 eine allmähliche und schrittweise Implementierung des neuen Systems vorgesehen. Für mehrere durch die Verordnung eingeführte Maßnahmen galt dementsprechend eine Übergangsfrist, um den Tierhaltern (wie auch den Behörden der Mitgliedstaaten) genügend Zeit zu geben, sich auf die neuen Vorschriften einzustellen und die benötigten Aufwendungen vorauszuplanen. Vor allem wurde der endgültige Termin für die obligatorische Einführung der allgemeinen elektronischen Kennzeichnung auf Unionsebene, der ursprünglich auf den 1. Januar 2008 festgelegt worden war, später auf den 31. Dezember 2009 verschoben(56). Auch die Verpflichtung der Tierhalter zur Führung eines Bestandsregisters(57) und zur Vorlage von Begleitdokumenten(58) trat erst am 9. Juli 2005 in vollem Umfang in Kraft.

92.      Außerdem lässt die Verordnung Nr. 21/2004 Ausnahmen in Fällen zu, in denen die Auswirkungen der neuen Maßnahmen unverhältnismäßig erscheinen oder die zusätzlichen Risiken als unerheblich angesehen werden. Diese Ausnahmen betreffen namentlich sämtliche streitigen Verplichtungen: die Verpflichtung zur Einzeltierkennzeichnung(59), die Verpflichtung zur Verwendung elektronischer Kennzeichen(60) und die Verpflichtung zur Führung eines Bestandsregisters(61).

93.      Drittens hat der Unionsgesetzgeber die zusätzlichen Kosten der Tierhalter dadurch weiter gemindert, dass er den Mitgliedstaaten und den Regionen gestattet, den Haltern gegebenenfalls Beihilfe aus Mitteln der Union zu gewähren. Dementsprechend wurde die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen(62) kurz vor Erlass der neuen Regeln zur Tierkennzeichnung geändert(63). Der neu eingeführte Art. 21b Abs. 1 der genannten Verordnung sieht insbesondere vor, dass „Landwirte, die anspruchsvolle Normen anwenden müssen, die sich auf die Gemeinschaftsvorschriften stützen und erst kürzlich in die einzelstaatlichen Vorschriften aufgenommen worden sind, … eine befristete Beihilfe erhalten [können], um die entstandenen Kosten und die Einkommensverluste teilweise auszugleichen“. Diese Bestimmung fand u. a. auf die von den streitigen Verpflichtungen betroffenen Tierhalter Anwendung. Bedeutsam ist insoweit, dass Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)(64), mit der die Verordnung Nr. 1257/1999 aufgehoben wurde und die derzeit in Kraft ist, diese Regel im Kern beibehalten hat. Des Weiteren erlaubt Art. 20 Buchst. a der Verordnung Nr. 1698/2005 verschiedene Stützungsmaßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, u. a. Maßnahmen „zur Förderung der Kenntnisse und zur Stärkung des Humanpotenzials: … Berufsbildungs- und Informationsmaßnahmen, einschließlich der Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse und innovativer Verfahren“.

94.      Angesichts dessen bin ich der Meinung, dass der Unionsgesetzgeber alle von den streitigen Verpflichtungen berührten Belange gebührend berücksichtigt hat, einschließlich des Tierschutzes und der finanziellen Interessen von Einzelpersonen wie Tierhaltern, die zusätzliche Kosten zu tragen haben, um den neuen Vorschriften nachzukommen. Meines Erachtens ist daher dem Unionsgesetzgeber bei der Abwägung dieser Belange gegeneinander und bei der Herstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen ihnen kein Fehler unterlaufen.

4.      Ergebnis hinsichtlich der gerügten Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

95.      Abschließend gelange ich in der Frage der Verhältnismäßigkeit zu der Auffassung, dass die streitigen Verpflichtungen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beinhalten. Sie stehen zu dem angegebenen Ziel in einem angemessenen Verhältnis und gehen auch nicht über das zu seiner Erreichung Erforderliche hinaus. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Unionsgesetzgeber bei der Prüfung der Vor- und Nachteile der streitigen Verpflichtungen unter Berücksichtigung aller berührten Belange ein Fehler, geschweige denn ein offensichtlicher Fehler, unterlaufen ist.

96.      Deshalb meine ich, dass die streitigen Verpflichtungen gerechtfertigt sind und daher die unternehmerische Freiheit der Tierhalter nicht verletzen.

C –    Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz

97.      Der andere zentrale Rechtskomplex, um den es im vorliegenden Verfahren geht, betrifft die Frage, ob die streitigen Verpflichtungen mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sind.

98.      Vorab ist zweckmäßigerweise daran zu erinnern, dass der Gleichheitsgrundsatz – ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der jetzt ausdrücklich in Art. 20 der Charta verankert ist – besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist(65). Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht(66).

99.      Soweit Herr Schaible den Gerichtshof um eine Überprüfung der Ermessensausübung des Unionsgesetzgebers in einem Bereich ersucht, in dem politische und wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen sind, ist die Befugnis des Gerichtshofs zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit – wie oben dargestellt – zwangsläufig eingeschränkt. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass er in einem solchen Fall die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen darf, sondern sich auf die Prüfung beschränken muss, ob diese Beurteilung mit einem offensichtlichen Fehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob der Unionsgesetzgeber gar die Grenzen seines Ermessens offensichtlich überschritten hat(67).

100. Dies ist also der Maßstab, anhand dessen ich das Vorbringen von Herrn Schaible zum Gleichbehandlungsgrundsatz untersuchen werde. Er führt im Wesentlichen zwei Argumente an. Erstens unterlägen die Halter von Rindern und Schweinen keiner Verpflichtung zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung, obwohl diese Tiere ebenfalls von einer Vielzahl ansteckender Krankheiten bedroht seien. Zweitens beanstandet Herr Schaible die in Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 vorgesehene Ausnahmeregelung (im Folgenden: streitige Ausnahmeregelung), der zufolge Mitgliedstaaten mit einer geringeren Schafs- und Ziegenpopulation das System der elektronischen Kennzeichnung auf freiwilliger Basis einführen können. Dies verschaffe Tierhaltern in womöglich 14 Mitgliedstaaten potenziell einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Haltern in anderen Mitgliedstaaten mit einem größeren Schaf- und Ziegenbestand.

101. Die polnische Regierung hält Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 aus einem anderen Grund ebenfalls für ungültig. Es bestehe kein Grund, die streitige Ausnahmeregelung ausschließlich auf Tiere zu erstrecken, „die nicht in den innergemeinschaftlichen Handel gelangen“.

102. Meiner Meinung nach greift keines dieser Argumente durch.

103. Was das erste Argument von Herrn Schaible angeht, lassen sich aus einem Vergleich mit den Vorschriften über Rinder und Schweine meines Erachtens keine aussagekräftigen Rückschlüsse ziehen.

104. Meiner Ansicht nach ist kaum zu bestreiten, dass Zucht, Transport und kommerzielle Verwertung dieser verschiedenen Tierarten nicht unter in jeder Hinsicht vergleichbaren Bedingungen stattfinden, da jeweils bestimmte Besonderheiten gegeben sind(68). Des Weiteren sind die Tiere in der Regel für unterschiedliche Krankheiten anfällig, zudem können die für die einzelnen Tierarten erstellten Risikoprofile voneinander abweichen(69).

105. Diese Unterschiede rechtfertigen unterschiedliche Regelungen für die einzelnen Tierarten(70). Es steht daher außer Frage, dass die Entscheidung des Unionsgesetzgebers auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht.

106. Im Übrigen entspricht es – wie der Rat zutreffend ausführt – der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dem Unionsgesetzgeber, wenn er ein komplexes System umstrukturieren oder schaffen muss, gestattet ist, einen schrittweisen Lösungsansatz zugrunde zu legen(71) und entsprechend der erworbenen Erfahrung vorzugehen(72).

107. Diese Rechtsprechung scheint mir für die vorliegende Rechtssache äußerst relevant zu sein. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass vom Unionsgesetzgeber nicht ein gewisses Maß an Kohärenz und Einheitlichkeit verlangt wird, wenn er über einen bestimmten Zeitraum hinweg Maßnahmen zur Regelung von Sachverhalten erlässt, die bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen, wie dies bei der Kennzeichnung verschiedener Tierarten in landwirtschaftlichen Betrieben der Fall sein könnte.

108. Schließlich bin ich auch nicht überzeugt, dass Tierhalter in Mitgliedstaaten mit einem größeren Schaf- und Ziegenbestand diskriminiert werden. Angesichts der Argumentation von Herrn Schaible ist zu prüfen, ob durch die streitige Ausnahmeregelung bestimmte Betriebsinhaber gegenüber anderen benachteiligt werden, ohne dass diese Ungleichbehandlung durch das Vorliegen objektiver Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt wäre(73).

109. Selbstverständlich führt die streitige Ausnahmeregelung zu einer rechtlichen Ungleichbehandlung von Tierhaltern je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind. Dennoch meine ich nicht, dass dies eine unzulässige Diskriminierung darstellt. Für diese These sprechen zwei Gründe: Zum einen kann das Kriterium, an das die streitige Ausnahmeregelung anknüpft, nicht wegen mangelnder Objektivität oder Angemessenheit beanstandet werden, und zum anderen führt die Ausnahmeregelung zu keinem erheblichen Wettbewerbsvorteil bestimmter Tierhalter gegenüber ihren Mitbewerbern.

110. Was den ersten Gesichtspunkt betrifft, ist das Kriterium für die Verfügbarkeit der Ausnahmeregelung – Gesamtzahl der betreffenden Tiere in einem Land – unbestreitbar vollkommen objektiv. Die einzelnen Mitgliedstaaten mögen dieses Kriterium erfüllen oder auch nicht, ohne dass es dabei auf ihre absolute Größe ankäme. Außerdem besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich die Situation in einigen Mitgliedstaaten im Laufe der Zeit ändert, da ihr jeweiliger Tierbestand naturgemäß Schwankungen unterworfen ist. Daher kann es sein, dass Mitgliedstaaten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt grundsätzlich unter die streitige Ausnahmeregelung fallen, künftig trotzdem die elektronische Kennzeichnung einführen müssen, wenn sich die Verhältnisse entsprechend ändern.

111. Das Kriterium erscheint auch nicht unangemessen. Auch wenn es bedauerlich sein mag, dass sich in der Verordnung Nr. 21/2004 keine Erklärung dafür findet, weshalb in den Mitgliedstaaten, in denen der Schaf- oder Ziegenbestand relativ klein ist, die Einführung eines Systems der elektronischen Kennzeichnung „möglicherweise nicht gerechtfertigt ist“(74), halte ich jedenfalls die von der französischen und der polnischen Regierung sowie vom Rat im Laufe des Verfahrens gegebenen Erläuterungen für überzeugend.

112. Wie Herr Schaible bemerkt, erfordert der Aufbau eines voll funktionsfähigen elektronischen Kennzeichnungssystems einen erheblichen Investitionsaufwand sowohl seitens der Tierhalter als auch seitens der nationalen Verwaltungen. In Mitgliedstaaten, in denen der Tierbestand niedrig ist und die einzelnen Tierhalter Tiere zumeist nur in geringer Zahl halten, kann dieser Investitionsaufwand zu hoch sein. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse. Bricht in einem solchen Mitgliedstaat eine Seuche aus, werden die Kosten einer Ausrottung der Krankheit (z. B. durch Massenschlachtungen oder Impfungen) und gegebenenfalls die Kosten einer an die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zu zahlenden Entschädigung aller Wahrscheinlichkeit nach niedriger sein als die Einrichtungskosten des Systems. In einem solchen Fall kann es angemessener sein, den status quo beizubehalten oder zumindest eine ausgewogenere und eher schrittweise Einführung der neuen Regelungen zu beschließen.

113. Wenn es sich zumeist um kleine Betriebe mit einer begrenzten Zahl von Tieren handelt, ist natürlich außerdem denkbar, dass die Daten auf dringende Anforderung durch die zuständigen Behörden trotz Fehlens eines elektronischen Kennzeichnungssystems verhältnismäßig zügig und zuverlässig erhoben werden können. Dass die Kennung jedes einzelnen Tiers visuell abgelesen und manuell in den einschlägigen Unterlagen eingetragen werden muss, dürfte nicht zu ungebührlichen Verzögerungen führen. Anders verhielte es sich indessen, wenn dies in einer erheblichen Anzahl von Betrieben mit hohen Tierbeständen geschehen müsste.

114. Demnach halte ich es nicht für unangemessen, dass Mitgliedstaaten, die die Voraussetzungen erfüllen, frei entscheiden dürfen, ob es angebrachter ist, das neue System zur elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen einzuführen oder von der streitigen Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen.

115. Selbstverständlich gelten diese Überlegungen nur, soweit die einigen Mitgliedstaaten zugestandene Ausnahme nicht zu einer erhöhten Gefährdung innerhalb des Binnenmarkts führt. Meines Erachtens ist eine solche Gefährdung hier nicht gegeben. Die streitige Ausnahmeregelung gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Einführung der elektronischen Kennzeichnung auf freiwilliger Basis nämlich nur für Tiere, die „nicht in den innergemeinschaftlichen Handel gelangen“. Infolgedessen muss jedes Tier, das über nationale Grenzen hinweg verbracht wird und so in Kontakt mit Tieren in anderen Mitgliedstaaten kommen könnte, elektronisch gekennzeichnet werden, und zwar unabhängig davon, ob der Ursprungsmitgliedstaat von der streitigen Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht hat.

116. Auf diese Weise bleibt eine etwaige erhöhte Ansteckungsgefahr in der Regel auf das Gebiet der Mitgliedstaaten beschränkt, die von der streitigen Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht haben. Diese Mitgliedstaaten akzeptieren, dass sie (und die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Tierhalter) im Fall eines Seuchenausbruchs möglicherweise schwerere wirtschaftliche Konsequenzen zu tragen haben.

117. Das Kriterium, an das die streitige Ausnahmeregelung anknüpft, gewährleistet auch – womit ich nunmehr zu dem zweiten oben in Nr. 112 angesprochenen Gesichtspunkt komme –, dass der Wettbewerb zwischen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Tierhaltern nicht nennenswert verfälscht wird. Tatsächlich müssen alle Tierhalter, die ihre Schafe oder Ziegen außerhalb des Hoheitsgebiets ihres Mitgliedstaats verkaufen wollen, dieselben Vorschriften beachten. Damit ist sichergestellt, dass es nicht zu Verfälschungen des Wettbewerbs zwischen im innergemeinschaftlichen Handel tätigen Haltern kommt. Außerdem kann sich ein Halter, der in einem die streitige Ausnahmeregelung anwendenden Mitgliedstaat ansässig ist, aufgrund seines potenziellen Kostenvorteils nicht etwa eine günstigere Stellung in einem anderen Mitgliedstaat verschaffen.

118. Die einzige Konstellation, bei der ich mir das Auftreten tatsächlicher Wettbewerbsnachteile vorstellen kann, ist die, dass Tierhalter, die in einem Mitgliedstaat ohne Ausnahmeregelung ansässig sind, Tiere in Mitgliedstaaten ausführen, in denen die streitige Ausnahmeregelung gilt. In einem solchen Fall könnten die örtlichen Tierhalter möglicherweise einen Kostenvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern aus dem Ausfuhrstaat haben. Auf Befragen hierzu wurde diese Tatsache in der mündlichen Verhandlung weder vom Rat noch von der Kommission bestritten. Da jedoch die Betriebe in den Mitgliedstaaten, die die streitige Ausnahmeregelung anwenden, in der Regel kleinere Herden halten werden, während es sich bei Ausführern eher um größere Unternehmen handeln dürfte, die deshalb größenbedingte Kostenvorteile erzielen, wird es auf den örtlichen Märkten wahrscheinlich nur zu unwesentlichen Verfälschungen kommen. Im Übrigen ist diese in einem begrenzten Bereich auftretende Ungleichbehandlung meines Erachtens aus den oben dargelegten objektiven Gründen gerechtfertigt.

119. Zum Schluss wende ich mich dem von der polnischen Regierung vorgetragenen Argument bezüglich des Geltungsbereichs von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 zu. Insoweit genügt der Hinweis, dass die streitige Ausnahmeregelung von entscheidender Bedeutung ist, und zwar nicht nur um sicherzustellen, dass sich die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit in der Union insgesamt nicht ungebührlich erhöht, sondern auch um zu gewährleisten, dass der Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht wesentlich verfälscht wird. Folglich ist die von der polnischen Regierung insoweit geäußerte Kritik offensichtlich unbegründet.

120. Abschließend komme ich zu dem Ergebnis, dass die streitige Ausnahmeregelung auf Sachverhalte Anwendung findet, die sich objektiv von denjenigen unterscheiden, die unter die allgemeine Regel fallen. Demnach ist die Rüge, mit der ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

D –    Abschließende Bemerkungen de lege ferenda

121. Obwohl meine rechtliche Würdigung keine Gründe ergeben hat, die für eine Unzulässigkeit der streitigen Verpflichtungen sprechen, ist doch deutlich geworden, dass die Anwendung der streitigen Ausnahmeregelung in der Praxis ein Hindernis für die vollständige Erreichung des mit der Verordnung verfolgten übergeordneten Ziels und für die Gewährleistung einer insgesamt fairen Funktionsweise des Systems darstellen kann.

122. In Bezug auf die Erreichung des mit der Verordnung verfolgten übergeordneten Ziels sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Verordnung Nr. 21/2004 eine wirksamere Tierseuchenbekämpfung bezweckt, um die Verwirklichung des Binnenmarkts in diesem Wirtschaftszweig zu erleichtern. Andererseits wird aufgrund der streitigen Ausnahmeregelung der freie Verkehr einiger Tiere in der Union verhindert sowie in den die streitige Ausnahmeregelung anwendenden Mitgliedstaaten die Wirksamkeit des neuen Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Tieren eingeschränkt. Außerdem kann ein Übergreifen auf die übrige Union nicht ausgeschlossen werden.

123. Wie Herr Schaible zutreffend ausführt, ist das Risiko einer unkontrollierbaren Verbreitung einer Tierseuche in Mitgliedstaaten mit einem geringen Tierbestand nicht unbedingt niedriger als in einem Mitgliedstaat mit einem großen Tierbestand. Da Krankheiten in erster Linie durch Tierkontakt übertragen werden, dürfte die Wahrscheinlichkeit einer schwerwiegenden und raschen Ansteckung von verschiedenen Faktoren abhängen, etwa von der Anzahl der Transaktionen und Verbringungen, davon, ob die Tiere in kleinen oder großen Partien verkauft werden, und davon, ob die Tiergruppen vermischt werden oder im Wesentlichen in unveränderter Zusammensetzung bestehen bleiben. Vor allen Dingen ist angesichts der unterschiedlichen geografischen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten der Union, wenn überhaupt, die Dichte der Tierhaltung in einem Land entscheidender als die absolute Zahl der dort vorhandenen Tiere.

124. Auch wenn der Grund, weshalb im Rahmen der Voraussetzungen für die streitige Ausnahmeregelung auf den innergemeinschaftlichen Handel abgestellt wird, darin zu sehen ist, dass das erhöhte Risiko, das mit dem Verkehr von nicht elektronisch gekennzeichneten Tieren verbunden ist, auf den jeweiligen Inlandsmarkt beschränkt werden soll, ist nicht auszuschließen, dass bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eine vollkommene Abschottung nicht zu bewerkstelligen ist. Der Umstand, dass für elektronisch gekennzeichnete Tiere andere Datensätze zur Verfügung stehen als für mit herkömmlichen Ohrmarken gekennzeichnete Tiere, kann bei einem Seuchenausbruch in der Tat die Rückverfolgungs- und Abgleichsbemühungen verzögern oder behindern, die die Behörden zur Entdeckung aller risikoreichen grenzüberschreitenden Tierverbringungen unternehmen.

125. Außerdem dürfte ein gewisses Restrisiko immer bestehen bleiben, soweit mit einigen Tieren, obwohl sie nicht elektronisch gekennzeichnet sind, in Betrugsabsicht oder einfach irrtümlich Handel über nationale Grenzen hinweg getrieben wird. Schließlich werden Schafe und Ziegen häufig in großen Herden verkauft, und es kann nicht ohne Weiteres garantiert werden, dass bei allen Tieren der Herde die einschlägigen Vorschriften in vollem Umfang beachtet wurden.

126. Mit Blick auf die insgesamt faire Funktionsweise des Kennzeichnungssystems muss ich tatsächlich zugeben, dass das in der Verordnung Nr. 21/2004 vorgesehene System zur elektronischen Kennzeichnung keine perfekte Lösung darstellt. Wie bereits erwähnt, kann es dazu kommen, dass einige Tierhalter aufgrund der streitigen Ausnahmeregelung auf ihrem Inlandsmarkt einen Kostenvorteil gegenüber Mitbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten genießen. Denkbar ist außerdem, dass die streitige Ausnahmeregelung mittelbar zusätzliche wirtschaftliche Konsequenzen für Tierhalter birgt, die zur Verwendung der elektronischen Kennzeichnung verpflichtet sind. Selbst wenn diese Tierhalter keine Tiere in Mitgliedstaaten ausführen, die die streitige Ausnahmeregelung anwenden, besteht nämlich die Möglichkeit, dass von ihren Tieren stammende Erzeugnisse (wie etwa Fleisch, Wolle oder Milch) in der nachgelagerten Produktionskette irgendwann in Wettbewerb mit Erzeugnissen aus Staaten treten, in denen die streitige Ausnahmeregelung gilt. Es darf davon ausgegangen werden, dass die höheren Kosten der Tierhalter in größeren Mitgliedstaaten in gewissem Grad den Preis der in den Verkehr gebrachten Endprodukte beeinflusst und diese damit etwas weniger wettbewerbsfähig werden lässt.

127. Die durch die streitige Ausnahmeregelung bewirkte Differenzierung mag in der gegenwärtigen Situation durchaus gerechtfertigt sein, nicht aber unbedingt in der Zukunft. Wie nämlich viele Beteiligte des vorliegenden Verfahrens anmerken, wird die durch die Verordnung Nr. 21/2004 vorgeschriebene Technik aufgrund der rasch fortschreitenden technischen Entwicklung und der Mengenvorteile immer preiswerter. In Zukunft mag daher die streitige Ausnahmeregelung zunehmend schwieriger zu begründen sein.

128. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Verordnung Nr. 21/2004 sogar eine Bestimmung enthält, die der Kommission die Anpassung der Bestandsschwellen für die streitige Ausnahmeregelung ermöglicht(75). Angesichts der vorstehenden Erwägungen neige ich allerdings zu der Auffassung, dass der Unionsgesetzgeber letztlich über eine vollständige Abschaffung der streitigen Ausnahmeregelung wird nachdenken müssen. Meines Erachtens wäre dies der Tierseuchenbekämpfung weiter förderlich, würde den freien Verkehr von Schafen und Ziegen in der Union verbessern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Tierhalter in der Union unabhängig von den jeweiligen Umständen gewährleisten.

IV –  Ergebnis

129. Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Verwaltungsgericht Stuttgart (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Die Prüfung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der folgenden Verpflichtungen der Tierhalter berühren könnte:

–        Verpflichtung zur Einzeltierkennzeichnung gemäß Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 vom 17. Dezember 2003 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 sowie der Richtlinien 92/102/EWG und 64/432/EWG;

–        Verpflichtung zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung gemäß Art. 9 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 21/2004;

–        Verpflichtung zur Führung des Bestandsregisters C gemäß Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Abschnitt B Nr. 2 des Anhangs der Verordnung Nr. 21/2004.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – ABl. 2004, L 5, S. 8.


3 –      Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Gemeinschaftsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen – vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Dezember 1987, Gauchard (20/87, Slg. 1987, 4879, Randnr. 7), und vom 20. März 1986, Tissier (35/85, Slg. 1986, 1207, Randnr. 9).


4 – ABl. 2007, C 303, S. 23. Nach Art. 52 Abs. 7 der Charta und Art. 6 Abs. 1 EUV sind die Erläuterungen von den Gerichten der Union und den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Auslegung der Bestimmungen der Charta „gebührend zu berücksichtigen“.


5 – Zur Berufsfreiheit und zum Recht zu arbeiten vgl. insbesondere Urteile vom 14. Mai 1974, Nold (4/73, Slg. 1974, 491, Randnr. 14), und vom 10. Januar 1992, Kühn (C‑177/90, Slg. 1992, I‑35, Randnr. 16). Zur unternehmerischen Freiheit vgl. vor allem Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, Slg. 2004, I‑7782, Randnr. 51).


6 – Vgl. Urteil Spanien und Finnland/Parlament und Rat, Randnr. 51. Eine Überschneidung der beiden Freiheiten impliziert der Gerichtshof offenbar im Urteil vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest (C‑143/88 und C‑92/89, Slg. 1991, I‑415, Randnrn. 72 bis 78). Vgl. auch die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl in den Rechtssachen Spanien und Finnland/Parlament und Rat, Nr. 105, und die Schlussanträge des Generalanwalts Mazák in der Rechtssache Deutsches Weintor (C‑544/10, Urteil vom 6. September 2012, Nr. 64).


7 – Vgl. insbesondere Urteile vom 13. Dezember 1979, Hauer (44/79, Slg. 1979, 3727, Randnr. 31), vom 8. Oktober 1986, Keller (234/85, Slg. 1986, 2897, Randnr. 8), und vom 11. Juli 1989, Schräder HS Kraftfutter (265/87, Slg. 1989, 2237, Randnr. 15).


8 – Vgl. u. a. Urteile vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a. (C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 and C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnr. 87), und vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, Slg. 2005, I‑6451, Randnr. 126).


9 – Art. 15 („Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten“) der Charta bestimmt:


      „(1) Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben.


      (2) Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen.“


10 – Vgl. u. a. Urteile Schräder HS Kraftfutter (Randnr. 15), vom 5. Oktober 1994, Deutschland/Rat (C‑280/93, Slg. 1994, I‑4973, Randnr. 78), und vom 12. Juli 2012, Association Kokopelli (C‑59/11, Randnr. 77).


11 Vgl. u. a. Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, Slg. 2010, I‑11063, Randnr. 65).


12 – Vgl. Urteile ABNA u. a. (Randnr. 68), vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, Slg. 2009, I‑5783, Randnr. 41), und vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a. (C‑58/08, Slg. 2010, I‑4999, Randnr. 51).


13 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a. (C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Randnrn. 82 und 83), vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, Slg. 2002, I‑11453, Randnr. 123), und Alliance for Natural Health u. a. (Randnr. 52).


14 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2013, Agrargenossenschaft Neuzelle (C‑545/11, Randnr. 43), und vom 17. März 2011, AJD Tuna (C‑221/09, Slg. 2011, I‑1655, Randnr. 80).


15 – Vgl. namentlich Urteile Deutschland/Rat (Randnrn. 89 und 90), vom 13. Dezember 1994, SMW Winzersekt (C‑306/93, Slg. 1994, I‑5555, Randnr. 21), und vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia (C‑343/07, Slg. 2009, I‑5491, Randnr. 81).


16 – Vgl. Urteile vom 28. Juli 2011, Agrana Zucker (C‑309/10, Slg. 2011, I-7333, Randnr. 44), und vom 21. Juli 2011, Beneo-Orafti (C‑150/10, Slg. 2011, I-6843, Randnr. 77).


17 – Vgl. Urteile vom 13. November 1990, FEDESA u. a. (C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 17), und vom 17. Juli 1997, Affish (C‑183/95, Slg. 1997, I‑4315, Randnr. 42), und Association Kokopelli (Randnr. 40).


18 – Vgl. Urteil Vodafone u. a. (Randnr. 53).


19 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 1998, Safety Hi-Tech (C‑284/95, Slg. 1998, I‑4301, Randnr. 51), und vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnr. 58).


20 – Vgl. entsprechend Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑326/05 P, Slg. 2007, I‑6557, Randnr. 77).


21 – Urteile Association Kokopelli (Randnr. 40), und Jippes u. a. (Randnr. 85).


22 – Urteil Affish (Randnr. 43).


23 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache S.P.C.M. u. a. (Nr. 72).


24 – Vgl. in diesem Sinne de Búrca, G., „The Principle of Proportionality and its Application in EC Law“, (1993) YbEL, S. 112.


25 – Vgl. u. a. Urteile Jippes u. a. (Randnr. 84), und vom 5. Oktober 1994, Crispoltoni u. a. (C‑133/93, C‑300/93 und C‑362/93, Slg. 1994, I‑4863, Randnr. 43).


26 – Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Association Kokopelli (Nr. 61).


27 – Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil Agrana Zucker (Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28 – Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren (ABl. L 355, S. 32).


29 – Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. L 224, S. 29) – vgl. insbesondere ihre Erwägungsgründe 1 bis 5.


30 – Vgl. Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der elektronischen Kennzeichnung von Schafen und Ziegen, KOM (2007) 711 endgültig (im Folgenden: Kommissionsbericht von 2007), S. 6 und 10.


31 – Hierzu sieht Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 vor: „Dieses Register wird manuell oder elektronisch in einem von der zuständigen Behörde genehmigten Format geführt und während eines von der zuständigen Behörde festzusetzenden Zeitraums von mindestens drei Jahren im Betrieb zur Verfügung gehalten und der zuständigen Behörde auf Verlangen jederzeit vorgelegt.“


32 – Forschungsprojekt CCAM 93 bis 342: vgl. „Project on the electronic identification of animals (IDEA)“, Schlussbericht vom 30. April 2002 (im Folgenden: IDEA-Schlussbericht), S. 6.


33 – Ebd., S. 7.


34 – Ebd., S. 9 ff.


35 – Ebd., S. 114.


36 – Vgl. Kommissionsbericht von 2007, S. 5 und 12. Bei den betreffenden Mitgliedstaaten handelte es sich um Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Portugal, Spanien, das Vereinigte Königreich und Zypern.


37 –      Vgl. „Foot & Mouth Disease – General Disease Information Sheets“, hrsg. von der Welttiergesundheitsorganisation (OIE), S. 1.


38 – Vgl. z. B. die von Thompson, D., u. a. im Jahr 2002 durchgeführte Untersuchung „Economic costs of the foot and mouth disease outbreak in the United Kingdom in 2001“, RevSciTech. 21(3) Dezember 2002, S. 675 bis 687.


39 – Nach Schätzungen des Department for Environment, Food and Rural Affairs (Ministerium für Umwelt, Nahrungsmittel und ländliche Angelegenheiten) der Regierung des Vereinigten Königreichs wurden dort allein im Jahr 2001 neben Rindern und Schweinen mehr als 3 Millionen Schafe und über 2 500 Ziegen geschlachtet – vgl. http://www.defra.gov.uk/.


40 – Vgl. insbesondere Entscheidungen der Kommission 2001/145/EG (ABl. L 53, S. 25), 2001/172/EG (ABl. L 62, S. 22), 2001/208/EG (ABl. L 73, S. 38), 2001/223/EG (ABl. L 82, S. 29), 2001/234/EG (ABl. L 84, S. 62), 2001/263/EG (ABl. L 93, S. 59) und 2001/327/EG (ABl. L 115, S. 12) mit Maßnahmen zum Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche in den einzelnen Mitgliedstaaten.


41 – Vgl. siebter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 21/2004.


42 – Vgl. IDEA-Schlussbericht, S. 4.


43 – Vgl. Anhang 2 – Berichte der Arbeitssitzungen.


44 – „Foot and Mouth Disease 2001: Lessons to be Learned Inquiry Report“, Bericht vom 22. Juli 2002, S. 165.


45 – Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 8/2004 über die Verwaltung und Überwachung durch die Kommission der Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche und der damit verbundenen Ausgaben, zusammen mit den Antworten der Kommission (ABl. 2005, C 54, S. 1), Ziff. 36. In gleichem Sinne vgl. Bericht des Europäischen Parlaments – „Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche in der Europäischen Union im Jahr 2001 und zu künftigen präventiven Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Tierseuchen in der Europäischen Union“ (A5-0405/2002 endg.), Ziff. 116.


46 – Wie erwähnt, gehört dazu, dass die Tiere häufig und in großen Partien transportiert sowie auf Märkten und in Sammelstellen mit anderen Gruppen zusammengeführt werden.


47 – Die Übertragung der Maul- und Klauenseuche erfolgt z. B. in der Regel durch direkten Kontakt zwischen infizierten und anfälligen Tieren. Vgl. OIE, „Manual of Diagnostic Tests and Vaccines for Terrestrial Animals“, 2012, Kapitel 2.1.5., abrufbar unter http://www.oie.int/fileadmin/Home/fr/Health_standards/tahm/2.01.05_FMD.pdf.


48 – Vgl. IDEA-Schlussbericht, Ziff. 4.1.2.2.


49 – Vgl. Kommissionsbericht von 2007, S. 6 und 8.


50 – Den Ausführungen von Herrn Schaible zufolge haben einige in Deutschland durchgeführte Studien ergeben, dass bei elektronischen Ohrmarken in 72,8 % der Fälle die Wunden innerhalb von vier Wochen nach Anbringung der Marken verheilen, während dieser Prozentsatz bei herkömmlichen Ohrmarken bis zu 91,7 % betrage.


51 – JRC, „Economic Analysis of Electronic Identification of Small Ruminants in Member States“ (im Folgenden: JRC‑Bericht von 2009).


52 – Nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 21/2004 wird die Kommission bei der Durchführung dieses Rechtsakts „von dem mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates … eingesetzten Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit … unterstützt“.


53 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission und Deutschland (C‑221/10 P, Randnr. 99), und Affish (Randnr. 43).


54 – Vgl. Kommissionsbericht von 2007, S. 11.


55 – Vgl. JRC‑Bericht von 2009, S. 42.


56 – Vgl. Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 21/2004 in seiner ursprünglichen und in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1560/2007 des Rates vom 17. Dezember 2007 (ABl. L 340, S. 25) geänderten Fassung.


57 – Vgl. Art. 5 Abs. 1 und Abschnitt B Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 21/2004.


58 – Vgl. Art. 6 Abs. 1 und außerdem Abschnitt C Nrn. 2 und 3 des Anhangs der Verordnung Nr. 21/2004.


59 – Vgl. Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abschnitt A Nr. 8 des Anhangs der Verordnung Nr. 21/2004.


60 – Vgl. Art. 4 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 sowie Abschnitt A Nr. 8 des Anhangs der Verordnung Nr. 21/2004.


61 – Vgl. Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 21/2004.


62 – ABl. L 160, S. 80.


63 – Durch die Verordnung (EG) Nr. 1783/2003 des Rates vom 29. September 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) (ABl. L 270, S. 70).


64 – ABl. L 277, S. 1.


65 – Vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 2006, Franz Egenberger (C‑313/04, Slg. 2006, I‑6331, Randnr. 33), und Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (Randnr. 23).


66 – Urteil Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (Randnr. 47).


67 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf (C‑248/95 und C‑249/95, Slg. 1997, I‑4475, Randnr. 24), vom 12. März 2002, Omega Air u. a. (C‑27/00 und C‑122/00, Slg. 2002, I‑2569, Randnr. 64), und Urteil vom12. Mai 2011, Luxemburg/Parlament und Rat (C‑176/09, Slg. 2011, I‑3727, Randnr. 35).


68 – So werden z. B. Schafe und Ziegen im Durchschnitt häufiger verbracht als Rinder und Schweine, oder sie durchlaufen zumindest kürzere kommerzielle Verwertungszyklen, ehe sie ihren letzten Bestimmungsort erreichen; darüber hinaus erfolgt der Handel mit ihnen – anders als bei Rindern und Schweinen – oftmals durch Versteigerung mit umfangreichen Losen. Zudem kann sich, wie oben erwähnt, die Zusammensetzung der gehandelten Schaf- und Ziegengruppen schnell ändern. Unter diesen Umständen ist eine Identifizierung und Rückverfolgung der einzelnen Tiere selbstverständlich schwieriger, so dass ein rascheres und genaueres Datenmeldesystem unerlässlich ist.


69 – Der Rat weist z. B. darauf hin, dass bei der Maul- und Klauenseuche die Ansteckungsgefahr unter Schafen und Ziegen höher ist als unter Schweinen.


70 –      Eine aus jüngerer Zeit stammende Kosten-Nutzen-Analyse der elektronischen Kennzeichnung von Rindern findet sich in dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten Schlussbericht vom 3. Mai 2009 mit dem Titel „Study on the introduction of electronic identification (EID) as official method to identify bovine animals within the European Union – Final Report“, S. 22 ff.


71 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. April 1991, Assurances du crédit/Rat und Kommission (C‑63/89, Slg. 1991, I‑1799, Randnr. 11), und vom 13. Mai 1997, Deutschland/Parlament und Rat (C‑233/94, Slg. 1997, I‑2405, Randnr. 43).


72 – Vgl. Urteil Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (Randnr. 57).


73 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 2002, Spanien/Kommission (C‑351/98, Slg. 2002, I‑8031, Randnr. 57), und vom 22. Mai 2003, Connect Austria (C‑462/99, Slg. 2003, I‑5197, Randnr. 115).


74 – Vgl. elfter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 21/2004.


75 – Vgl. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 21/2004. In der mündlichen Verhandlung hat der Rat auf meine Frage hin erklärt, dass die Schwellen, auf die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b Bezug genommen werde, auf der Grundlage der dem Rat bei Erlass der Verordnung zur Verfügung stehenden Informationen am geeignetsten erschienen seien, um zwischen Mitgliedstaaten mit überwiegend intensiver Tierhaltung und Mitgliedstaaten mit extensiver Tierhaltung zu unterscheiden. Ich muss gestehen, dass mich der erhebliche Unterschied zwischen der für Schafe (600 000) und der für Ziegen (160 000) geltenden Schwelle doch verblüfft.