Language of document : ECLI:EU:C:2010:611

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 14. Oktober 2010(1)

Rechtssache C‑393/09

Bezpečnostní softwarová asociace – Svaz softwarové ochrany

gegen

Ministerstvo kultury

(Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší správní soud [Tschechische Republik])

„Geistiges Eigentum – Richtlinie 91/250/EWG – Rechtsschutz von Computerprogrammen – Begriff ‚alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen‘ – Frage, ob die grafische Benutzeroberfläche eines Programms unter diesen Begriff fällt – Urheberrecht – Richtlinie 2001/29/EG – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Fernsehausstrahlung einer grafischen Benutzeroberfläche – Öffentliche Wiedergabe eines Werks“





1.        Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof den Umfang des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen gemäß der Richtlinie 91/250/EWG(2) zu präzisieren.

2.        Die Fragen des Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht) (Tschechische Republik) beziehen sich speziell auf die grafische Benutzeroberfläche eines Computerprogramms. Eine solche Oberfläche hat, wie wir sehen werden, die Aufgabe, eine interaktive Verbindung zwischen dem Programm und dem Benutzer herzustellen. Sie macht eine intuitivere, benutzerfreundlichere Anwendung des Programms möglich, z. B. durch die Anzeige von Icons oder Symbolen auf dem Bildschirm.

3.        Das vorlegende Gericht möchte also wissen, ob die grafische Benutzeroberfläche eines Computerprogramms eine Ausdrucksform des Programms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 darstellt und somit in den Genuss des urheberrechtlichen Schutzes für Computerprogramme kommt.

4.        Ferner möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich bei der Fernsehausstrahlung einer solchen Oberfläche um eine öffentliche Wiedergabe eines Werks im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG(3) handelt.

5.        In diesen Schlussanträgen werde ich darlegen, warum die grafische Benutzeroberfläche als solche meines Erachtens keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 darstellt und somit nicht in den Genuss des durch diese Richtlinie gewährten Schutzes kommen kann.

6.        Ich werde dann erläutern, warum sie, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers ist, urheberrechtlich als Werk im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 geschützt sein kann.

7.        Dagegen werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, für Recht zu erkennen, dass die Fernsehausstrahlung der grafischen Benutzeroberfläche keine öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellt, weil die Werkseigenschaft dieser Oberfläche im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 bei der Fernsehausstrahlung verloren geht.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Internationales Recht

1.      TRIPS-Übereinkommen

8.        Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums im Anhang 1 C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) wurde mit dem Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt(4).

9.        Nach Art. 10 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens werden „Computerprogramme, gleichviel, ob sie in Quellcode oder in Maschinenprogrammcode ausgedrückt sind, ... als Werke der Literatur nach der Berner Übereinkunft (1971) geschützt“.

2.      Urheberrechtsvertrag

10.      Der am 20. Dezember 1996 in Genf angenommene Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) (im Folgenden: WCT) wurde mit dem Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000(5) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.

11.      Nach Art. 4 des WCT sind „Computerprogramme ... als Werke der Literatur im Sinne von Artikel 2 der Berner Übereinkunft geschützt. Dieser Schutz gilt für Computerprogramme unabhängig von der Art und Form ihres Ausdrucks.“

12.      Im WCT ist der Begriff des Computerprogramms nicht definiert. Bei den Vorarbeiten haben sich die Vertragsparteien aber auf folgende Definition geeinigt: Ein Computerprogramm ist eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind, zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt(6).

B –    Unionsrecht

1.      Richtlinie 91/250

13.      Mit der Richtlinie 91/250 sollen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen durch die Festlegung eines Mindestschutzes harmonisiert werden(7).

14.      Nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie kann der Rechtsrahmen der Union für den Schutz von Computerprogrammen somit zunächst darauf beschränkt werden, grundsätzlich festzulegen, dass die Mitgliedstaaten Computerprogrammen als Werken der Literatur Urheberrechtsschutz gewähren. Ferner ist festzulegen, wer schutzberechtigt und was schutzwürdig ist, und darüber hinaus sind die Ausschließlichkeitsrechte festzulegen, die die Schutzberechtigten geltend machen können, um bestimmte Handlungen zu erlauben oder zu verbieten, sowie die Schutzdauer.

15.      Art. 1 der Richtlinie 91/250 lautet:

„(1)      Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Computerprogramm‘ auch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung.

(2)      Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt.

(3)      Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden.“

2.      Richtlinie 2001/29

16.      Gegenstand der Richtlinie 2001/29 ist der rechtliche Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte im Rahmen des Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Informationsgesellschaft(8).

17.      Die Richtlinie lässt die bestehenden Bestimmungen insbesondere über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen unberührt(9).

18.      Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 sehen die Mitgliedstaaten für die Urheber das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung ihrer Werke auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

19.      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie sehen „[d]ie Mitgliedstaaten ... vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten“.

C –    Nationales Recht

20.      Die Umsetzung der Richtlinie 91/250 in tschechisches Recht erfolgte durch das Gesetz Nr. 121/2000 vom 7. April 2000 über das Urheberrecht, verwandte Schutzrechte und die Änderung bestimmter Gesetze (Zákon č. 121/2000 Sb., o právu autorském, o právech souvisejících s právem autorským a o změně některých zákonů)(10).

21.      Nach § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes ist Gegenstand des Urheberrechts jedes literarische Werk und jedes andere schöpferische Kunstwerk des Urhebers, das in irgendeiner Form, auch in elektronischer Form, dauerhaft oder vorübergehend, unabhängig von seinem Wert, seinem Zweck oder seiner Bedeutung, objektiv wahrnehmbar Ausdruck findet.

22.      Nach § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes gilt auch ein Computerprogramm als Werk, wenn es ein individuelles Werk in dem Sinne darstellt, dass es das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung seines Urhebers ist.

23.      Nach § 65 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes wird ein Computerprogramm ungeachtet seiner Ausdrucksform einschließlich des Entwurfsmaterials zu seiner Entwicklung als literarisches Werk geschützt. In § 65 Abs. 2 dieses Gesetzes wird klargestellt, dass die Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element des Programms einschließlich seiner Schnittstellen mit anderen Programmen zugrunde liegen, nicht nach diesem Gesetz geschützt sind.

II – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

24.      Mit Schreiben vom 9. April 2001, geändert durch Schreiben vom 12. Juni 2001, beantragte Bezpečnostní softwarová asociace – Svaz softwarové ochrany (Softwareschutzverein, im Folgenden: BSA) beim Ministerstvo kultury (Kulturministerium) gemäß § 98 des Urheberrechtsgesetzes eine Erlaubnis für die kollektive Verwaltung der vermögenswerten Urheberrechte an Computerprogrammen.

25.      Mit Bescheid vom 20. Juli 2001 wies das Ministerstvo kultury diesen Antrag zurück. Gegen diesen Bescheid legte BSA am 6. August 2001 Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 31. Oktober 2001 ebenfalls zurückgewiesen wurde.

26.      Gegen diesen Bescheid vom 31. Oktober 2001 erhob BSA vor dem Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag) Klage. Der Nejvyšší správní soud, an den der Rechtsstreit abgegeben wurde, erklärte den Bescheid für nichtig.

27.      Das Ministerstvo kultury erließ deshalb am 14. April 2004 einen neuen Bescheid, mit dem der Antrag von BSA erneut zurückgewiesen wurde. BSA legte gegen diesen neuen Bescheid beim Ministerstvo kultury Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 wurde der Bescheid vom 14. April 2004 aufgehoben.

28.      Das Ministerstvo kultury erließ schließlich am 27. Januar 2005 einen neuen Bescheid, mit dem der Antrag von BSA noch einmal zurückgewiesen wurde. Es weist insbesondere darauf hin, dass nur der Objekt- oder Quellcode des Computerprogramms urheberrechtlich geschützt sei, keinesfalls aber die grafische Benutzeroberfläche. BSA legte gegen diesen Bescheid beim Ministerstvo kultury Widerspruch ein. Da dieser Widerspruch mit Bescheid vom 6. Juni 2005 zurückgewiesen wurde, erhob BSA beim Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) Klage, das die Auffassung des Ministerstvo kultury bestätigte. BSA legte gegen die Entscheidung des Městský soud v Praze beim Nejvyšší správní soud Berufung ein.

III – Vorlagefragen

29.      Der Nejvyšší správní soud hat Zweifel bezüglich der Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts; er hat deshalb beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 dahin gehend auszulegen, dass für die Zwecke des urheberrechtlichen Schutzes eines Computerprogramms als Werk im Sinne des Urheberrechts nach dieser Richtlinie unter „alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen“ auch die grafische Benutzeroberfläche eines Computerprogramms oder ein Teil davon fällt?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Stellt Fernsehrundfunk, mit dem es der Öffentlichkeit ermöglicht wird, die grafische Benutzeroberfläche eines Computerprogramms oder einen Teil davon sinnlich wahrzunehmen, ohne aber das Programm aktiv steuern zu können, eine öffentliche Wiedergabe eines Werks im Sinne des Urheberrechts oder eines Teils davon im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar?

IV – Würdigung

A –    Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

30.      In seinem Vorabentscheidungsersuchen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen möglicherweise nicht zuständig sei.

31.      Der im Ausgangsverfahren maßgebliche Sachverhalt hat sich nämlich vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zugetragen.

32.      Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof im Fall eines neuen Mitgliedstaats für die Auslegung der Richtlinien nur zuständig, wenn es um deren Anwendung in diesem Staat ab dem Zeitpunkt seines Beitritts zur Europäischen Union geht(11).

33.      Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 14. Juni 2007, Telefónica O2 Czech Republic(12), jedoch festgestellt, dass die im Ausgangsverfahren angefochtene Entscheidung nach dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Union ergangen sei, eine Situation für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit regele und dass das nationale Gericht den Gerichtshof nach dem auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Gemeinschaftsrecht gefragt habe. Würden dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt, so entscheide er grundsätzlich ohne Prüfung der Umstände, die die nationalen Gerichte hierzu veranlasst hätten und unter denen sie die Vorschrift des Unionsrechts, um deren Auslegung sie ihn ersuchten, anzuwenden beabsichtigten(13).

34.      In der Rechtssache, in der das genannte Urteil ergangen ist, hatte der Streit zwar vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union begonnen, die angefochtene Entscheidung war aber nach dem Beitritt ergangen(14). Der Gerichtshof hat sich daher für die Beantwortung der vom vorlegenden Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen für zuständig erachtet.

35.      Im vorliegenden Fall haben wir es wieder mit einer solchen Fallkonstellation zu tun. Wie wir gesehen haben, erging der erste Bescheid des Ministerstvo kultury nämlich am 20. Juli 2001, also vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union. Nach mehreren Widersprüchen von BSA, die vom Ministerstvo kultury zurückgewiesen wurden, erließ dieses am 27. Januar 2005 einen neuen Bescheid, mit dem der Antrag von BSA erneut zurückgewiesen wurde.

36.      Nach erfolglosem Widerspruch hiergegen erhob BSA beim Městský soud v Praze Klage auf Aufhebung des Bescheids.

37.      Das Gericht bestätigte die Auffassung des Ministerstvo kultury. BSA legte deshalb beim Nejvyšší správní soud Rechtsmittel ein.

38.      Es geht also um eine Entscheidung, die nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union ergangen ist, nämlich um den Bescheid vom 27. Januar 2005, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist.

39.      Außerdem soll mit dieser Entscheidung, da es um die kollektive Verwaltung der vermögenswerten Urheberrechte an Computerprogrammen durch die BSA geht, eine Situation für die Zukunft geregelt werden, und dem Gerichtshof werden Fragen nach der Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt.

40.      Deshalb ist der Gerichtshof meines Erachtens für die Beantwortung der vom vorlegenden Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zuständig.

B –    Zur ersten Vorlagefrage

41.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die grafische Benutzeroberfläche eine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 darstellt und somit in den Genuss des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen kommt.

42.      Im vorliegenden Fall liegt die Schwierigkeit für das vorlegende Gericht darin, dass die Richtlinie keine Definition des Begriffs „Computerprogramm“ enthält. Mit der Vorlagefrage wird letztlich die Frage nach dem Gegenstand und der Tragweite des durch die Richtlinie gewährten Schutzes aufgeworfen.

43.      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu bestimmen, was unter einem Computerprogramm im Sinne der Richtlinie 91/250 zu verstehen ist, um dann feststellen zu können, ob es sich bei der grafischen Benutzeroberfläche um eine Ausdrucksform eines solchen Computerprogramms handelt.

44.      Nach der Untersuchung des Begriffs „Computerprogramm“ werde ich darlegen, warum eine grafische Benutzeroberfläche meines Erachtens keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 darstellt und somit nicht in den Genuss des durch diese Richtlinie gewährten Schutzes kommen kann. Ich werde dann ausführen, warum eine solche Oberfläche meiner Meinung nach unter den Schutz des allgemeinen Urheberrechts fallen kann.

1.      Zum Begriff „Computerprogramm“

45.      Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 sind Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke geschützt. Die Richtlinie enthält keinerlei Definition des Begriffs „Computerprogramm“; in ihr wird lediglich darauf hingewiesen, dass dieser Begriff auch das Entwurfsmaterial zur Vorbereitung umfasst(15).

46.      Das Fehlen einer Definition entspricht dem ausdrücklichen Willen des Unionsgesetzgebers. In ihrem Richtlinienvorschlag(16) führt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nämlich dazu aus, dass „[v]on den Sachverständigen auf diesem Gebiet ... erklärt worden [ist], dass jede Definition des Begriffs ‚Programm‘ in einer Richtlinie zwangsläufig obsolet würde, da die künftige Technologie die Natur der heutzutage bekannten Programme verändern wird“(17).

47.      Der Unionsgesetzgeber lehnt es zwar ab, den Begriff „Computerprogramm“ durch eine Definition zu begrenzen, die schnell überholt sein könnte, doch gibt die Kommission in diesem Richtlinienvorschlag einige nützliche Hinweise. Unter diesem Begriff sei eine Folge von Befehlen zu verstehen, die dazu diene, eine Informationsverarbeitungsanlage, einen Computer, zur Ausführung seiner Funktionen zu veranlassen(18). Nach dem derzeitigen Stand der Technik umfasse der Begriff „Programm“ das in jeder Form, Sprache und Notation oder in jedem Code gewählte Ausdrucksmittel für eine Folge von Befehlen, die dazu diene, einen Computer zur Ausführung einer bestimmten Aufgabe oder Funktion zu veranlassen(19).

48.      Unter diesen Begriff fielen alle menschlich wahrnehmbaren und maschinenlesbaren Formen von Programmen, aus denen das Programm, das die Maschine zur Ausführung ihrer Funktion veranlasse, entwickelt worden sei oder entwickelt werden könne(20).

49.      Die Kommission stellt hier letztlich auf die Textelemente ab, die die Grundlage des Computerprogramms bilden, d. h. den Quell- und den Objektcode. Am Anfang eines Computerprogramms steht nämlich der vom Programmierer verfasste Quellcode. Diesen aus Wörtern bestehenden Code kann ein Mensch verstehen. Er lässt sich aber nicht von einer Maschine ausführen. Dazu muss er in die Sprache der Maschine übertragen werden, und zwar in binärer Form, meistens in Form der Ziffern 0 und 1. Das ist dann der sogenannte Objektcode.

50.      Diese Codes stellen also die Schrift des Computerprogramms in einer zunächst für den Menschen, dann für die Maschine verständlichen Sprache dar. Sie sind Ausdruck der Ideen des Programmierers und kommen insoweit ohne Zweifel in den Genuss des durch die Richtlinie 91/250 gewährten urheberrechtlichen Schutzes.

51.      Diese Feststellung findet auch eine Stütze im Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens, nach dem Computerprogramme, gleichviel, ob sie in Quellcode oder in Maschinenprogrammcode ausgedrückt sind, als Werke der Literatur nach der Berner Übereinkunft geschützt werden.

52.      Nun stellt sich die Frage, ob die grafische Benutzeroberfläche – das Ergebnis des Computerprogramms auf dem Bildschirm – eine Ausdrucksform dieses Programms darstellt und somit in den Genuss des durch die Richtlinie 91/250 gewährten Schutzes kommt.

2.      Zum Begriff „alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen“

53.      In Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 91/250 heißt es, dass die Funktion von Computerprogrammen darin besteht, mit den anderen Komponenten eines Computersystems und den Benutzern in Verbindung zu treten und zu operieren. Zu diesem Zweck ist eine logische und, wenn zweckmäßig, physische Verbindung und Interaktion notwendig, um zu gewährleisten, dass Software und Hardware mit anderer Software und Hardware und Benutzern wie beabsichtigt funktionieren können. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Teile des Programms, die eine solche Verbindung und Interaktion zwischen den Elementen von Software und Hardware ermöglichen sollen, allgemein als „Schnittstellen“ bekannt sind(21).

54.      Im Bereich der Informationstechnologie kommen Schnittstellen also in verschiedenen Formen vor, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen, nämlich die physischen Schnittstellen und die logischen oder Softwareschnittstellen. Zu den physischen Schnittstellen gehört u. a. die Hardware wie der Bildschirm des Computers, die Tastatur oder die Maus.

55.      Die Softwareschnittstellen gliedern sich in Verbindungsschnittstellen, die Bestandteil der Software sind und den Dialog mit anderen Komponenten des Computersystems ermöglichen, und die Interaktionsschnittstellen, zu denen die grafische Benutzeroberfläche gehört.

56.      Die grafische Benutzeroberfläche, gemeinhin als „look and feel“ bezeichnet, ermöglicht nämlich die Kommunikation zwischen dem Programm und dem Benutzer. Es handelt sich z. B. um auf dem Bildschirm sichtbare Icons und Symbole, Fenster oder Menüleisten. Die grafische Benutzeroberfläche macht eine Interaktion zwischen dem Programm und dem Benutzer möglich. Diese Interaktion kann in einer einfachen Übermittlung von Informationen bestehen; sie kann es dem Benutzer aber auch ermöglichen, dem Computerprogramm mittels Befehlen Anweisungen zu übermitteln. Das ist z. B. der Fall bei einer Datei, die mit der Maus markiert und in den Papierkorb verschoben wird, oder bei den Befehlen „Kopieren“ und „Einfügen“ eines Textverarbeitungsprogramms.

57.      Aus den im Folgenden dargelegten Gründen stellt eine grafische Benutzeroberfläche meines Erachtens keine Ausdrucksform eines Computerprogramms dar und kann nicht in den Genuss des rechtlichen Schutzes von Computerprogrammen kommen.

58.      Mit der Richtlinie 91/250 sollen Computerprogramme vor jeglicher vom Rechtsinhaber nicht erlaubter Vervielfältigung geschützt werden(22).

59.      Meines Erachtens besteht die Besonderheit des Urheberrechts an einem Computerprogramm darin, dass ein solches Programm anders als die anderen urheberrechtlich geschützten Werke, die unmittelbar die menschlichen Sinne ansprechen, einem praktischen Zweck dient und deshalb entsprechend geschützt ist.

60.      Denn wie in Nr. 47 dieser Schlussanträge ausgeführt umfasst der Begriff „Computerprogramm“ das Ausdrucksmittel für eine Folge von Befehlen, die dazu dient, einen Computer zur Ausführung einer bestimmten Aufgabe oder Funktion zu veranlassen.

61.      Im Übrigen gilt: Welche Ausdrucksform ein Computerprogramm auch immer haben mag, sie muss meines Erachtens ab dem Moment geschützt sein, ab dem ihre Vervielfältigung die Vervielfältigung des Computerprogramms zur Folge hätte und auf diese Weise der Computer zur Ausführung seiner Funktion veranlasst werden könnte. Meines Erachtens ist das nach dem Willen des Unionsgesetzgebers der Sinn des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250.

62.      Das ist übrigens der Grund, warum vorbereitendes Entwurfsmaterial, wenn es die Schaffung eines solchen Computerprogramms ermöglicht, auch durch das Urheberrecht an dem Computerprogramm geschützt ist(23).

63.      Bei diesem Material kann es sich z. B. um eine Struktur oder um ein Flussdiagramm handeln, die vom Programmierer ausgearbeitet worden sind und die in Quell‑ oder Objektcode übertragen werden können, so dass das Computerprogramm von der Maschine ausgeführt werden kann(24). Ein solches vom Programmierer erstelltes Flussdiagramm ist mit dem Drehbuch eines Films vergleichbar.

64.      Der Begriff „alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen“ umfasst meines Erachtens also die Ausdrucksformen, die das Computerprogramm, sobald sie angewandt werden, veranlassen, die Aufgabe zu erfüllen, für das es entwickelt worden ist.

65.      Die grafische Benutzeroberfläche kann für sich genommen aber nicht zu diesem Ergebnis führen, da ihre Vervielfältigung nicht zu einer Vervielfältigung des Computerprogramms führt. Im Übrigen können Computerprogramme mit verschiedenen Quell‑ und Objektcodes durchaus dieselbe Benutzeroberfläche haben. Die grafische Benutzeroberfläche gibt also nicht das Computerprogramm wieder. Sie dient lediglich dazu, dessen Anwendung zu erleichtern und benutzerfreundlicher zu machen.

66.      Infolgedessen stellt die grafische Benutzeroberfläche keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 dar.

67.      Anderenfalls könnte einem Computerprogramm und somit seinem Quell‑ und Objektcode ein Schutz allein schon wegen der Vervielfältigung der grafischen Benutzeroberfläche zugesprochen werden, ohne eine Prüfung der Schöpfungshöhe der Codes, aus denen das Programm besteht, was ganz klar unvereinbar mit Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie wäre, nach dem „Computerprogramme ... geschützt [werden], wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind“.

68.      Eine grafische Benutzeroberfläche stellt deshalb nach meiner Meinung keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 dar und kann somit nicht in den Genuss des durch diese Richtlinie gewährten Schutzes kommen.

69.      Das bedeutet meines Erachtens aber keinesfalls, dass eine solche Oberfläche überhaupt nicht geschützt sein könnte.

3.      Der allgemeine urheberrechtliche Schutz der grafischen Benutzeroberfläche

70.      Die grafische Benutzeroberfläche kann zwar nicht als Ausdrucksform eines Computerprogramms angesehen werden und somit nicht als solche geschützt sein; sie kann meines Erachtens aber in den Genuss des urheberrechtlichen Schutzes eines jeden Werks der Literatur oder der Kunst gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 kommen.

71.      Nach den Ausführungen des Gerichtshofs in dem Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International(25), genießt ein Objekt Urheberrechtsschutz, sofern es sich um ein Original in dem Sinne handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt(26).

72.      Meines Erachtens kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die grafische Benutzeroberfläche eine geistige Schöpfung darstellen kann.

73.      Die Erstellung einer solchen Oberfläche erfordert – wie bei einem Buch oder einer Musikpartitur – beachtliche geistige Anstrengungen des Urhebers. Hinter der grafischen Benutzeroberfläche verbirgt sich nämlich eine komplexe, vom Programmierer entwickelte Struktur(27). Dieser bedient sich einer Programmiersprache, die es mittels einer bestimmten Struktur ermöglicht, eine spezielle Schaltfläche, z. B. „Kopieren-Einfügen“, einzurichten oder auch einen Vorgang durchzuführen, z. B. durch einen Doppelklick auf einen Ordner diesen zu öffnen oder durch einen Klick auf ein Icon ein offenes Fenster zu verkleinern.

74.      Die grafische Benutzeroberfläche verlangt aber nicht nur eine geistige Anstrengung, es muss sich bei ihr gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 nach einer Formulierung des Gerichtshofs(28) auch um ein Original in dem Sinne handeln, dass sie eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellt.

75.      Die Schwierigkeit bei der Bestimmung der Schöpfungshöhe der grafischen Benutzeroberfläche besteht darin, dass die meisten Elemente, aus denen diese besteht, einem funktionellen Zweck dienen, da sie die Anwendung des Computerprogramms erleichtern sollen. Mithin sind die Ausdrucksmöglichkeiten für diese Elemente notwendigerweise beschränkt, da der Ausdruck, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt(29), durch die technische Funktion vorgegeben ist, die diese Elemente erfüllen. Das trifft z. B. auf die Maus zu, die sich auf dem Bildschirm bewegt und mit der man auf die Schaltfläche klickt, um diese zu betätigen, oder auf eine Menüleiste, die erscheint, wenn ein Textdokument geöffnet ist.

76.      In solchen Fällen ist das Kriterium der Schöpfungshöhe meines Erachtens nicht erfüllt, da die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung einer Idee so beschränkt sind, dass Idee und Ausdruck zusammenfallen. Wenn eine entsprechende Möglichkeit eröffnet würde, würde dies dazu führen, dass bestimmten Unternehmen auf dem Markt der Computerprogramme ein Monopol eingeräumt würde, wodurch Kreativität und Innovation auf diesem Markt entgegen dem Ziel der Richtlinie 2001/29(30) beachtlich eingeschränkt würden.

77.      Der nationale Richter wird meines Erachtens also im Einzelfall zu prüfen haben, ob die grafische Benutzeroberfläche wegen der von ihrem Urheber getroffenen Optionen, der von ihm hergestellten Verknüpfungen und ihrer Gestaltung eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers zum Ausdruck bringt, wobei diejenigen Elemente außer Betracht bleiben müssen, deren Ausdrucksform durch die technische Funktion vorgegeben ist.

78.      Nach alledem stellt die grafische Benutzeroberfläche meines Erachtens keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 dar und kann somit nicht in den Genuss des durch diese Richtlinie gewährten Schutzes kommen. Wenn eine grafische Benutzeroberfläche aber das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers darstellt, ist sie als Werk im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 urheberrechtlich geschützt.

C –    Zur zweiten Vorlagefrage

79.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Fernsehausstrahlung einer grafischen Benutzeroberfläche eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt.

80.      In der mündlichen Verhandlung vom 2. September 2010 haben die Verfahrensbeteiligten einige Beispiele für die Ausstrahlung einer grafischen Benutzeroberfläche auf einem Fernsehbildschirm gezeigt. Denkbar ist u. a. die Anzeige einer Tabelle mit den Wahlergebnissen im Rahmen der Ausstrahlung einer Wahlsendung.

81.      Das vorlegende Gericht bezweifelt, dass eine solche Oberfläche Gegenstand einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 sein kann, da sie in passiver Form auf einem Fernsehbildschirm ausgestrahlt wird, ohne dass die Fernsehzuschauer die Möglichkeit haben, sie zu nutzen oder gar Zugang zum Computer oder einem anderen Gerät erhalten, das mit dieser Oberfläche gesteuert werden könnte.

82.      Meines Erachtens stellt die bloße Fernsehausstrahlung einer grafischen Benutzeroberfläche keine Wiedergabe des Werks im Sinne von Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.

83.      Wie in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, dient die grafische Benutzeroberfläche nämlich dazu, eine Interaktion zwischen dem Computerprogramm und dem Benutzer zu ermöglichen. Der Sinn einer solchen Oberfläche besteht darin, dem Benutzer die Anwendung dieses Programms zu erleichtern.

84.      Die grafische Benutzeroberfläche unterscheidet sich somit von den anderen allgemein urheberrechtlich geschützten Werken durch ihre besondere Natur. Die Schöpfungshöhe ergibt sich aus ihrer Gestaltung, der Art und Weise der Kommunikation mit dem Benutzer, wie etwa der Möglichkeit, Knöpfe zu betätigen oder Fenster zu öffnen.

85.      Wenn diese Oberfläche aber auf einem Fernsehbildschirm ausgestrahlt wird, verliert sie ihren ursprünglichen Charakter, da das wesentliche Element, das sie ausmacht, nämlich diese Interaktion mit dem Benutzer, unmöglich gemacht wird.

86.      Ohne dieses wesentliche Element entspricht die grafische Benutzeroberfläche daher nicht mehr der Definition des Werks im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29. Was der Fernsehveranstalter auf den Fernsehbildschirmen ausstrahlt und öffentlich wiedergibt, ist also nicht mehr das Werk.

87.      Die Fernsehausstrahlung der grafischen Benutzeroberfläche stellt deshalb meines Erachtens keine öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie dar, weil die Werkseigenschaft dieser Oberfläche im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 bei der Fernsehausstrahlung verloren geht.

V –    Ergebnis

88.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Nejvyšší správní soud zu antworten:

1.      Die grafische Benutzeroberfläche stellt keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen dar und kann somit nicht in den Genuss des durch diese Richtlinie gewährten Schutzes kommen.

2.      Wenn eine grafische Benutzeroberfläche das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers darstellt, ist sie als Werk im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft urheberrechtlich geschützt.

3.      Die Fernsehausstrahlung der grafischen Benutzeroberfläche stellt keine öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie dar, weil die Werkseigenschaft dieser Oberfläche im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 bei der Fernsehausstrahlung verloren geht.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 122, S. 42).


3 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).


4 – ABl. L 336, S. 1, im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen.


5 – ABl. L 89, S. 6.


6 – Vgl. Definition der WIPO in ihren Mustervorschriften für den Schutz von Computerprogrammen auf der Website der WIPO (http://www.wipo.int/edocs/mdocs/copyright/en/wipo_ip_cm_07/wipo_ip_cm_07_www_82573.doc).


7 – Vgl. Erwägungsgründe 1, 4 und 5 dieser Richtlinie.


8 – Vgl. Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie.


9 – Vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29.


10 –         Sbírka zákonů č. 121/2000, im Folgenden: Urheberrechtsgesetz.


11 – Vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofs vom 10. Januar 2006, Ynos (C‑302/04, Slg. 2006, I‑371, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – C‑64/06, Slg. 2007, I‑4887.


13 – Randnrn. 21 und 22 und die dort angeführte Rechtsprechung.


14 – Randnrn. 19 und 20.


15 – In Erwägungsgrund 7 der Richtlinie heißt es: „Für die Zwecke dieser Richtlinie soll der Begriff ‚Computerprogramm‘ Programme in jeder Form umfassen, auch solche, die in die Hardware integriert sind; dieser Begriff umfasst auch Entwurfsmaterial zur Entwicklung eines Computerprogramms, sofern die Art der vorbereitenden Arbeit die spätere Entstehung eines Computerprogramms zulässt.“


16 – Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ([KOM(1988) 816 endg.], ABl. 1989, C 91, S. 4, im Folgenden: Richtlinienvorschlag).


17 – Vgl. Zweiter Teil („Besondere Vorschriften“) Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 des Richtlinienvorschlags.


18 – Vgl. Erster Teil („Allgemeines“) Punkt 1.1 des Richtlinienvorschlags. Vgl. auch Fn. 6.


19 – Vgl. Zweiter Teil Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 des Richtlinienvorschlags.


20 – Vgl. Zweiter Teil Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 des Richtlinienvorschlags.


21 – Vgl. Erwägungsgrund 11 dieser Richtlinie.


22 – Vgl. Erwägungsgründe 1 und 2 dieser Richtlinie.


23 – Vgl. Erwägungsgrund 7 und Teil 1 Punkt 1.1 des Richtlinienvorschlags.


24 – Vgl. für einen Abriss über die Entwicklung von Software Caron, C., Droits d’auteur et droits voisins, Litec, 2. Auflage, Paris 2009, S. 134 und 135, sowie Strowel, A., und Derclaye, E., Droit d’auteur et numérique: logiciels, bases de données, multimédia: droit belge, européen et comparé, Bruylant, Brüssel 2001, S. 181 und 182.


25 – C‑5/08, Slg. 2009, I‑6569.


26 – Randnr. 37.


27 – Vgl. für ein Beispiel für die Entwicklung einer grafischen Benutzeroberfläche Website „http://s.sudre.free.fr/Stuff/Interface.html“.


28 – Vgl. Urteil Infopaq International (Randnr. 37).


29 – Vgl. Nrn. 36 und 37.


30 – Vgl. Erwägungsgründe 2 und 4 dieser Richtlinie.