Language of document : ECLI:EU:C:2004:715

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
L. A. GEELHOED
vom 11. November 2004(1)



Rechtssache C-209/03



The Queen

auf Antrag von Dany Bidar

gegen

1. London Borough of Ealing

2. Secretary of State for Education


(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales])


„Vorabentscheidungsersuchen – High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) – Auslegung von Artikel 12 EG – Zugang zur Hochschulbildung – Unterhaltsbeihilfe für Studierende in Form eines Darlehens zu einem günstigen Zinssatz (Studierendendarlehen) – Bestimmung, die die Gewährung solcher Darlehen auf im Inland ansässige Studierende beschränkt“






I – Einleitung

1.       Der Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 21. Juni 1988 in den Rechtssachen Lair und Brown entschieden, dass beim damaligen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts eine Förderung, die Studenten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung gewährt wird, im Gegensatz zu einer Förderung zur Deckung der Kosten des Zugangs zur Ausbildung grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrags lag (2) . In Anbetracht der seitherigen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts möchte der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court), mit diesem Vorabentscheidungsersuchen im Kern wissen, ob eine solche Förderung für den Lebensunterhalt für Studenten in Form von Stipendien oder Darlehen weiterhin nicht unter den EG‑Vertrag fällt, soweit es um Artikel 12 EG geht, und verneinendenfalls, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten den Anspruch auf eine solche Förderung beschränken dürfen.

II – Anwendbare Regelung

A – Gemeinschaftsrecht

2.       Die im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind die Artikel 12 und 18 Absatz 1 EG sowie Artikel 3 der Richtlinie 93/96 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (3) (im Folgenden: Richtlinie 93/96):

„Artikel 12

Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Artikel 18 Absatz 1

Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

…“

Siebte Begründungserwägung der Richtlinie 93/96

„Beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts fällt eine den Studenten gewährte Unterhaltsbeihilfe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne seines Artikels 7 [jetzt Artikel 12].“

Artikel 3 der Richtlinie 93/96

„Ein Anspruch der aufenthaltsberechtigten Studenten auf Gewährung von Unterhaltsstipendien durch den Aufnahmemitgliedstaat wird durch diese Richtlinie nicht begründet.“

B – Nationales Recht

3.       Die betreffenden nationalen Bestimmungen sind festgelegt in den Education (Student Support) Regulations 2001 (Ausbildungsverordnung über Beihilfe für Studenten 2001, im Folgenden: Student Support Regulations). Nach den Student Support Regulations wird eine Beihilfe zu den Unterhaltskosten für Studenten im Wege von Darlehen für Lebenshaltungskosten gewährt. Der Betrag des Darlehens hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie z. B., ob der Student zu Hause mit seinen Eltern zusammenlebt und ob er in London oder anderswo wohnt. Ein Student kann automatisch 75 % des Höchstbetrags des verfügbaren Darlehens erhalten und hat die Möglichkeit, je nach seiner finanziellen Lage und der finanziellen Lage seiner Eltern oder seines Partners die weiteren 25 % zu erhalten. Das Darlehen wird zu einem Zinssatz gewährt, der an die Inflationsrate gebunden ist; daher liegt der Zinssatz unter dem Satz, der üblicherweise für ein gewerbliches Darlehen zu zahlen wäre. Das Darlehen ist rückzahlbar, nachdem der Student sein Studium abgeschlossen hat und unter der Voraussetzung, dass er mehr als 10 000 GBP verdient. Ist dies der Fall, so zahlt der Student jährlich 9 % des 10 000 GBP übersteigenden Einkommens, bis das Darlehen zurückgezahlt ist.

4.       Staatsangehörige eines Mitgliedstaats können ein Darlehen nach den Regulations nur dann erhalten, wenn

1.      sie im Sinne des innerstaatlichen Rechts (Immigration Act 1971) im Vereinigten Königreich auf Dauer ansässig sind, d. h.,

sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich haben und keinen Beschränkungen hinsichtlich des Zeitraums unterliegen, für den sie im Vereinigten Königreich bleiben dürfen;

sie am ersten Tag des ersten akademischen Jahres des Studiums ihren Wohnsitz in England oder Wales haben

und sie ihren Wohnsitz in den drei Jahren vor dem ersten Tag des Studiums im Vereinigten Königreich gehabt haben

oder

2.      der Student ein EWR‑Arbeitnehmer ist, der gemäß Artikel 7 Absatz 2 oder Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates in seiner Erweiterung gemäß dem am 2. Mai 1992 in Porto unterzeichneten EWR‑Abkommen Anspruch auf Unterstützung hat.

Als auf Dauer im Vereinigten Königreich ansässig gilt nur, wer seit vier Jahren dort wohnt. Zeiten, die dort für die Zwecke einer Vollzeitausbildung zurückgelegt worden sind, werden bei der Berechnung der Wohnzeit nicht berücksichtigt.

III – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

5.       Dany Bidar ist französischer Staatsangehöriger; er wurde im August 1983 in Paris geboren. Nach den Akten zog er im August 1998 mit seiner Schwester und seiner Mutter, die damals schwer erkrankt war, in das Vereinigte Königreich, um dort bei seiner Großmutter zu leben. Nach dem Tod seiner Mutter im Dezember 1999 erhielt seine Großmutter das Sorgerecht für ihn. Er besuchte eine High School in London, schloss seine höhere Schulbildung dort im Juni 2001 ab und erwarb die notwendige Befähigung für den Zugang zu einem Hochschulstudium im Vereinigten Königreich. In dieser Zeit wurde er von seiner Großmutter finanziell unterstützt und stellte niemals einen Antrag auf Sozialhilfe. Da er beabsichtigte, in dem im September 2001 beginnenden akademischen Jahr ein Hochschulstudium aufzunehmen, beantragte er beim London Borough of Ealing einen finanziellen Zuschuss für dieses Studium. Ihm wurde eine Förderung für seine Studiengebühren gewährt, jedoch ein Darlehen für seine Unterhaltskosten mit der Begründung versagt, dass er nicht im Vereinigten Königreich „settled“ (auf Dauer ansässig) sei, da er nicht die nach dem inländischen Recht erforderliche Wohnzeit von vier Jahren erfülle. Tatsächlich wäre er als Student nicht in der Lage, diese Stellung zu erlangen, da die für die Vollzeitausbildung aufgewendete Zeit für diesen Zweck nicht anerkannt wird. Herr Bidar nahm sein Studium der Wirtschaftswissenschaften im September 2001 am University College London auf.

6.       Herr Bidar focht die Entscheidung, mit der ihm ein Studentendarlehen für Unterhaltskosten versagt wurde, mit der Begründung an, dass das Ansässigkeitserfordernis in den Regulations eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 12 EG in Verbindung mit Artikel 18 EG darstelle. Der Beklagte des Hauptverfahrens macht geltend, dass eine Förderung für die Unterhaltskosten nicht unter Artikel 12 EG falle, wie der Gerichtshof in den Urteilen Lair und Brown bestätigt habe. Angesichts dessen jedoch, dass sich das Gemeinschaftsrecht seit diesen Urteilen fortentwickelt habe, insbesondere durch die Einfügung der Bestimmungen über Unionsbürgerschaft und Bildung in den EG‑Vertrag durch den Vertrag von Maastricht, der am 1. November 1993 in Kraft getreten sei, hat der High Court beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Artikel 234 EG vorzulegen:

1.
Fällt unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes vom 21. Juni 1988 in der Rechtssache 39/86 (Lair, Slg. 1988, 3161) und in der Rechtssache 197/86 (Brown, Slg. 1988, 3205) sowie der Entwicklungen im Recht der Europäischen Union einschließlich der Einfügung von Artikel 18 EG und der Entwicklungen im Hinblick auf die Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich der Ausbildung die Unterhaltsförderung für Studenten an einer Hochschule, d. h. die Förderung, die entweder im Wege von a) vergünstigten Darlehen oder b) Stipendien gewährt wird, weiterhin nicht unter den EG-Vertrag, soweit es um Artikel 12 EG und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit geht?

2.
Wenn ein Teil von Frage 1 verneint wird und wenn Unterhaltsförderung für Studenten in der Form von Stipendien oder Darlehen nunmehr unter Artikel 12 EG fällt, welche Kriterien hat das nationale Gericht dann anzuwenden, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine solche Beihilfe auf objektiv gerechtfertigte Erwägungen, die nicht auf der Staatsangehörigkeit beruhen, gegründet sind?

3.
Wenn ein Teil von Frage 1 verneint wird, kann man sich dann auf Artikel 12 EG beziehen, um einen Anspruch auf Unterhaltsförderung ab einem vor dem Tag des Urteils des Gerichtshofes im vorliegenden Fall liegenden Zeitpunkt geltend zu machen, und, wenn ja, ist für diejenigen, die vor diesem Zeitpunkt rechtliche Schritte eingeleitet haben, eine Ausnahme zu machen?

7.       Die österreichische, die dänische, die finnische, die französische, die deutsche und die niederländische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes schriftliche Erklärungen eingereicht. Weitere Erklärungen sind von Herrn Bidar, der Regierung des Vereinigten Königreichs, der niederländischen Regierung und der Kommission in der mündlichen Verhandlung am 28. September 2004 abgegeben worden.

8.       Am 16. Juni 2004 hat der Gerichtshof um Erläuterung des Erfordernisses willen, dass, wer ein Studentendarlehen erhalten möchte, seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Vereinigten Königreich oder im Europäischen Wirtschaftsraum haben muss, je nachdem, ob er Arbeitnehmer ist oder nicht, der Regierung des Vereinigten Königreichs eine Reihe schriftlicher Fragen gestellt. Die Antworten auf diese Fragen sind am 21. Juli 2004 beim Gerichtshof eingegangen.

IV – Allgemeiner Kontext: Der Stand des Rechts

A – Gemeinschaftsrecht und Förderung für Studienkosten

9.       Um die vom High Court aufgeworfenen Fragen in einem weiteren Blickwinkel zu betrachten, ist es zweckdienlich, sie vor dem Hintergrund der Frage zu behandeln, wie das Gemeinschaftsrecht bisher die Möglichkeit für Studenten geregelt hat, finanzielle Zuschüsse zu den Kosten des Studiums im Aufnahmemitgliedstaat zu erhalten. In dieser Hinsicht sind zwei Anknüpfungspunkte zu unterscheiden. Der erste besteht im Ziel der finanziellen Unterstützung, das den sachlichen Geltungsbereich des EG‑Vertrags betrifft. Der zweite ist die Eigenschaft, in der eine Person finanzielle Unterstützung erhalten kann, der persönliche Geltungsbereich des EG-Vertrags.

10.     Die vom High Court vorgelegten Fragen konzentrieren sich hauptsächlich darauf, ob Stipendien oder (vergünstigte) Darlehen der nationalen Behörden zur Deckung der Unterhaltskosten der Studenten im Unterschied zur Förderung für die Studiengebühren jetzt vom sachlichen Geltungsbereich des EG-Vertrags für die Zwecke der Anwendung des in Artikel 12 EG enthaltenen Verbotes der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit erfasst werden. Seit dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Gravier (4) entspricht es der gefestigten Rechtsprechung, dass die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, da der Zugang zu einer Ausbildung, die die Befähigung zur Ausübung eines Berufes verleiht, vom EG‑Vertrag erfasst wird, Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf sämtliche Bedingungen dieses Zugangs haben. Dies bedeutet, dass nicht nur in Bezug auf die Höhe der Kosten für die Einschreibung und andere Kosten im Zusammenhang mit dem Zugang kein Unterschied zwischen inländischen Studenten und Studenten aus anderen Mitgliedstaaten gemacht werden darf, sondern dass auch jede Förderung zur Deckung dieser Kosten für Studenten aus allen Mitgliedstaaten erhältlich sein muss (5) . Im Einklang mit diesem Grundsatz wurde Herrn Bidar tatsächlich eine Förderung für die Studiengebühren für sein Studium am University College London gewährt.

11.     In der Rechtsprechung, die sich mit diesem Punkt ausdrücklich befasst hat, ist Förderung für Unterhaltskosten dagegen bei Personen, die keine Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 39 EG sind, als nicht in den sachlichen Geltungsbereich des E(W)G‑Vertrags fallend betrachtet worden. Es ist davon ausgegangen worden, dass sie „zum einen in den Bereich der Bildungspolitik, die als solche nicht der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterstellt worden ist … und zum anderen in den der Sozialpolitik [fällt], die zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gehört, soweit sie nicht Gegenstand besonderer Vorschriften des EWG‑Vertrags ist“ (6) .

12.     Da die Stellung, die eine Person nach dem Gemeinschaftsrecht innehat, daher maßgebend für ihren Anspruch auf Leistungen und sonstige soziale Vergünstigungen im Aufnahmemitgliedstaat ist, muss zwischen den verschiedenen Eigenschaften unterschieden werden, in denen Staatsangehörige von Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsstaat ein Studium absolvieren möchten, in diesem Mitgliedstaat ihren Aufenthalt haben können. In dieser Hinsicht ist allgemein zu unterscheiden zwischen wirtschaftlich tätigen Personen (Arbeitnehmern und Selbständigen) und ihren Kindern einerseits und wirtschaftlich nicht tätigen Personen andererseits.

13.     Genießt ein Student die Stellung eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 39 EG, so hat er nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 (7) Anspruch auf die gleichen sozialen Vergünstigungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Der Gerichtshof hat vielfach bestätigt, dass eine Förderung, die für den Lebensunterhalt und für die Ausbildung zur Durchführung eines mit einer beruflichen Qualifikation abgeschlossenen Hochschulstudiums gewährt wird, eine soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung darstellt (8) .

14.     In den Rechtssachen in diesem Bereich wurden allgemein die äußeren Grenzen des Begriffes eines Gemeinschaftsarbeitnehmers festgelegt, da die geleistete Arbeit oft nebensächlichen Charakter hatte (9) . Der Gerichtshof hat auch die Situation einer Person behandelt, die ein Beschäftigungsverhältnis beendet hatte, um ein Studium aufzunehmen. Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer dann, wenn zwischen der früheren Berufstätigkeit und dem Gegenstand des Studiums Kontinuität besteht, diese Stellung bei der Aufnahme einer vollzeitlichen Ausbildung behält, sofern der Wanderarbeitnehmer nicht unfreiwillig arbeitslos geworden ist (10) .

15.     Nach Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 haben die Kinder von Wanderarbeitnehmern in gleicher Weise Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf soziale Vergünstigungen, die Inländern gewährt werden und die spätere Bildung erleichtern sollen (11) . Dies gilt auch dann, wenn der Elternteil, der Arbeitnehmer ist, in sein Herkunftsland zurückgekehrt ist und das Kind sein Studium dort wegen fehlender Koordinierung der Schulzeugnisse nicht fortsetzen kann (12) und wenn das Kind beabsichtigt, ein Studium in seinem Heimatland aufzunehmen, wenn für die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats eine Beihilfe für ein Studium außerhalb dieses Staates gewährt werden kann (13) .

16.     Wie aus dem Urteil Meeusen (14) hervorgeht, gelten diese Erwägungen entsprechend für Selbständige und ihre Kinder.

17.     Die Kategorie der Studenten ohne wirtschaftliche Betätigung ist weiter aufzuteilen in Personen, die sich zu dem alleinigen oder hauptsächlichen Zweck in einen anderen Mitgliedstaat begeben, dort eine Ausbildung zu absolvieren, und solchen Personen, die sich aus anderen Gründen in einen Mitgliedstaat begeben und sich anschließend dafür entscheiden, ihr Studium im Aufnahmemitgliedstaat aufzunehmen.

18.     Die Stellung der Studenten der ersten Gruppe, die sich in einen anderen Mitgliedstat begeben, um ein volles Studium zu absolvieren, wurde in der Richtlinie 93/96 geregelt. Diese Richtlinie gewährleistet, dass diese Studenten ein Aufenthaltsrecht für die Zeit ihres Studiums im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes haben (15) . Sie bestimmt auch, dass die Mitgliedstaaten von den einem anderen Mitgliedstaat angehörenden Studenten, die vom Recht auf Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet Gebrauch machen wollen, zunächst verlangen können, dass sie der nationalen Behörde glaubhaft machen, dass sie über Existenzmittel verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, sodann, dass sie bei einer anerkannten Lehranstalt zum Erwerb einer beruflichen Bildung als Hauptzweck eingeschrieben sind, und schließlich, dass sie einen Krankenversicherungsschutz genießen, der sämtliche Risiken im Aufnahmemitgliedstaat abdeckt (16) . Ferner bestimmt Artikel 3 der Richtlinie 93/96 in einer Art Kodifizierung der Urteile Lair und Brown ausdrücklich, dass ein Anspruch der aufenthaltsberechtigten Studenten auf Gewährung von Unterhaltsstipendien durch den Aufnahmemitgliedstaat durch diese Richtlinie nicht begründet wird.

19.     Die zweite Gruppe wirtschaftlich nicht tätiger Personen besteht aus Personen, die in einen Mitgliedstaat nicht als Arbeitnehmer oder als Student, der eine berufliche Bildung zu erwerben beabsichtigt, sondern als Unionsbürger eingereist sind, die von ihrem durch Artikel 18 EG gewährleisteten und im Einzelnen in der Richtlinie 90/364 (17) geregelten Recht auf freie Bewegung und freien Aufenthalt Gebrauch machen. Im Unterschied zu Personen, die unter die Richtlinie 93/96 fallen, behalten Unionsbürger, die von ihrem Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort zu verbleiben, Gebrauch machen, ihr Aufenthaltsrecht so lange, wie sie die Voraussetzungen der Richtlinie 90/364 erfüllen. Ihre Beweggründe sind hierfür unerheblich.

20.     Beschließen Personen dieser zweiten Kategorie, ihr Studium im Aufnahmemitgliedstaat zu absolvieren, so ist klar, dass sie nach den Urteilen Gravier und Raulin Anspruch auf Förderung für die Kosten für den Zugang zur Bildung haben. Dies ist im vorliegenden Fall unbestritten, und, wie bereits ausgeführt worden ist, erhielt Herr Bidar finanzielle Unterstützung für diesen Zweck. In Ermangelung einer Artikel 3 der Richtlinie 93/96 entsprechenden Bestimmung in der Richtlinie 90/364 bleibt jedoch die Lage in Bezug auf den Anspruch von Studenten, die sich bereits als Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, auf Förderung für die Unterhaltskosten ein unerforschtes Gebiet. Um Leitlinien zur Ausfüllung dieser Lücke in der Richtlinie 90/364 in Bezug auf die Rechtsstellung von Unionsbürgern in dieser Lage zu erhalten, ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Unionsbürgerschaft gemäß den Artikeln 17 EG und 18 EG und zu sozialen Vergünstigungen zu untersuchen.

B – Unionsbürgerschaft und soziale Vergünstigungen: Rechtsprechung

21.     Bei verschiedenen Gelegenheiten hatte der Gerichtshof Gelegenheit, zu erwägen, ob Unionsbürger Ansprüche auf soziale Vergünstigungen verschiedener Art von Artikel 18 Absatz 1 EG herleiten können. Ich verweise insbesondere auf Martínez Sala, Grzelczyk, D’Hoop, Collins und Trojani (18) .

22.     In seinen Urteilen, die Artikel 18 Absatz 1 EG betreffen, hat der Gerichtshof wiederholt ausgeführt, dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (19) . Ein Unionsbürger, der sich rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhält, kann sich in allen vom sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfassten Fällen auf Artikel 12 EG berufen (20) . Zu den betreffenden Situationen gehören solche, die die Ausübung der vom EG‑Vertrag garantierten Grundfreiheiten beinhalten, und solche, die die Ausübung des durch Artikel 18 Absatz 1 EG verliehenen Anspruchs auf freie Bewegung und freien Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat umfassen. Dieses Recht zum Aufenthalt wird ferner jedem Unionsbürger durch eine klare und präzise Vorschrift des EG‑Vertrags unmittelbar zuerkannt, wie der Gerichtshof im Urteil Baumbast (21) entschieden hat. Ein Einzelner kann sich daher in Verfahren vor den nationalen Gerichten darauf berufen.

23.     Wie der Gerichtshof in seinem ersten Urteil in diesem Bereich, Martínez Sala, entschieden hat, „kann sich ein Unionsbürger, der sich … rechtmäßig im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, in allen vom sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfassten Fällen auf Artikel [12] des Vertrages berufen, und zwar auch in dem Fall, dass dieser Staat die Gewährung einer Leistung, die jeder Person zusteht, die sich rechtmäßig in diesem Staat aufhält, verzögert oder verweigert, weil diese Person nicht über ein Dokument verfügt, das Angehörige dieses Staates nicht benötigen und dessen Ausstellung von der Verwaltung dieses Staats verzögert oder verweigert werden kann“ (22) . Da das Erziehungsgeld für Kinder, um das es in dieser Rechtssache ging, von der Verordnung Nr. 1408/71 (23) und der Verordnung Nr. 1612/68 und damit vom sachlichen Geltungsbereich des EG‑Vertrags erfasst wurde, hatte Frau Martínez Sala Anspruch auf diese Vergünstigung unter denselben Bedingungen wie deutsche Staatsangehörige.

24.     Der Fall Grzelczyk betraf einen französischen Studenten, der in Belgien studierte und der, nachdem es ihm gelungen war, in den ersten drei Jahren seines Studiums für sich selbst aufzukommen, in seinem vierten und letzten Jahr die Gewährung des Existenzminimums (Minimex) beantragte, weil die Kombination von Arbeit und Studium in diesem Stadium seines Studiums ihn zu sehr beanspruchen würde. Diese Vergünstigung wurde ihm zunächst gewährt und dann entzogen, weil er kein Arbeitnehmer, sondern Student war und nicht die belgische Staatsangehörigkeit besaß. Der Gerichtshof hat zwar die Bedingungen, die Artikel 1 der Richtlinie 93/96 für das Recht eines Studenten auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat aufstellt, anerkannt und eingeräumt, dass die Richtlinie nach Artikel 3 keinen Anspruch für Studenten auf Gewährung von Unterhaltsstipendien durch den Aufnahmemitgliedstaat begründet, doch ausgeführt, dass keine Richtlinienbestimmung die durch die Richtlinie Begünstigten von Sozialleistungen ausschließt (24) . Wenn dies bedeutete, dass Herr Grzelczyk zu einer Belastung für das Sozialhilfesystem wurde und daher eine der Aufenthaltsvoraussetzungen nicht mehr erfüllte, so hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Richtlinie 93/36 nur verlangt, dass ein Student zu Beginns eines Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat durch eine Erklärung glaubhaft macht, dass er über ausreichende Mittel verfügt, und dass sich seine finanzielle Situation aus Gründen, die von seinem Willen unabhängig sind, ändern kann. Der Umstand, dass die Richtlinie verhindern soll, dass Studenten die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats „über Gebühr“ belasten, bedeutet, dass die Richtlinie „eine bestimmte finanzielle Solidarität der Angehörigen dieses Staates mit denen der anderen Mitgliedstaaten [anerkennt], insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind“ (25) . Wie bereits in früherer Rechtsprechung festgestellt worden ist, wird das Minimex vom sachlichen Geltungsbereich des EG‑Vertrags erfasst, und die Voraussetzungen für die Gewährung verstießen gegen Artikel 12 EG, so dass Herr Grzelczyk Anspruch auf diese Vergünstigung hatte.

25.     In der Rechtssache D’Hoop wurde einer belgischen Studentin von den belgischen Behörden ein Überbrückungsgeld (eine Arbeitslosenunterstützung, die jungen Menschen gewährt wird, die ihr Studium abgeschlossen haben und eine erste Anstellung suchen) nur deshalb versagt, weil sie ihre höhere Schulbildung in Frankreich erworben hatte. In dieser Sache hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die nationale Regelung dadurch, dass sie den Anspruch auf das Überbrückungsgeld an die Bedingung knüpft, dass das Schulabschlusszeugnis in Belgien erworben wurde, bestimmte eigene Staatsangehörige allein deshalb benachteiligt, weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit genutzt und ihre Schulbildung in einem anderen Mitgliedstaat erhalten haben. „Eine solche Ungleichbehandlung widerspricht den Grundsätzen, auf denen der Status eines Unionsbürgers beruht, nämlich der Garantie gleicher rechtlicher Behandlung bei Ausübung der Freizügigkeit.“ (26) Der Gerichtshof hat jedoch eingeräumt, dass es in Anbetracht des Zieles des Überbrückungsgeldes, jungen Menschen den Übergang von der Ausbildung zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers ist, sich eines tatsächlichen Zusammenhangs zwischen demjenigen, der Überbrückungsgeld beantragt, und dem betroffenen räumlichen Arbeitsmarkt vergewissern zu wollen. Ausschließlich auf den Ort der Erlangung des Schulabgangszeugnisses abzustellen, ist jedoch zu allgemein und einseitig (27) .

26.     In der Rechtssache Collins ging es um den Fall eines irischen Staatsbürgers, der sich in das Vereinigte Königreich begeben hatte, um dort eine Beschäftigung zu finden, und dem eine Beihilfe für Arbeitsuchende versagt wurde, da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Vereinigten Königreich hatte. Obwohl die Artikel 2 und 5 der Verordnung Nr. 1612/68 finanzielle Leistungen für Personen, die Zugang zum Arbeitsmarkt suchen, nicht erwähnen, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass diese Bestimmungen (28) „im Licht anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Artikels [12 EG], auszulegen“ sind (29) . Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt: „Angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft und angesichts der Auslegung, die das Recht der Unionsbürger auf Gleichbehandlung in der Rechtsprechung erfahren hat, ist es nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Artikels [39 Absatz 2 EG], der eine Ausprägung des in Artikel [12 EG] garantierten tragenden Grundsatzes der Gleichbehandlung ist, eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll“ (30) . Wie in der Rechtssache D’Hoop hat der Gerichtshof eingeräumt, dass die Mitgliedstaaten Voraussetzungen aufstellen dürfen, um zu gewährleisten, dass die tatsächliche Verbindung zwischen demjenigen, der Leistungen beantragt, die eine soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 darstellen, und dem betroffenen räumlichen Arbeitsmarkt besteht. Ein Wohnorterfordernis ist zwar grundsätzlich geeignet, eine solche Verbindung sicherzustellen, darf jedoch nicht über das zur Erreichung dieses Zieles Erforderliche hinausgehen. Insbesondere muss seine Anwendung auf klaren und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, und es ist die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs vorzusehen (31) .

27.     In der Rechtssache Trojani schließlich wurde einem französischen Staatsangehörigen, der in einem Heim der Heilsarmee in Belgien gegen Unterkunft und etwas Taschengeld arbeitete, in Belgien das Minimex aus den gleichen Gründen wie seinerzeit Herrn Grzelczyk versagt: Er besaß nicht die belgische Staatsangehörigkeit, und die Verordnung Nr. 1612/68 konnte ihm nicht zugute kommen. In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Kläger von Artikel 18 Absatz 1 EG in Verbindung mit der Richtlinie 90/364 wegen seiner Mittellosigkeit kein Recht auf Aufenthalt herleiten kann. Da er jedoch über eine Aufenthaltserlaubnis verfügte und somit rechtmäßig seinen Aufenthalt in Belgien hatte, hatte er Anspruch darauf, dass ihm das grundlegende Prinzip der Gleichbehandlung, wie es in Artikel 12 EG niedergelegt ist, zugute kam. Der Gerichtshof ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass es eine nach Artikel 12 EG verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt, wenn eine nationale Regelung Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten, ohne seine Staatsangehörigkeit zu besitzen, die Leistung von Sozialhilfe auch dann nicht gewährt, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten (32) .

C – Unionsbürgerschaft und soziale Vergünstigungen: Gesamtbild

28.     Betrachtet man die erwähnten Urteile gemeinsam, so ergibt sich eine Reihe von Grundsätzen im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft als solcher und dementsprechend dem Anspruch von Unionsbürgern auf nicht beitragsbezogene Vergünstigungen sozialer Art. Indem der Gerichtshof Gewicht auf den grundlegenden Charakter der Unionsbürgerschaft legt, macht er deutlich, dass es sich dabei nicht um einen leeren oder symbolischen Begriff handelt, sondern dass die Unionsbürgerschaft den grundlegenden Status aller Staatsangehöriger von EU‑Mitgliedstaaten darstellt, der bestimmte Rechte und Vorrechte in anderen Mitgliedstaaten entstehen lässt, in denen sie sich aufhalten. Insbesondere verleiht die Unionsbürgerschaft den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten das Recht auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats in Bezug auf Sachverhalte, die vom persönlichen Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfasst werden. Die Tatsache, dass ein Unionsbürger in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dem er angehört, ein Hochschulstudium absolviert, kann ihm nicht als solche die Möglichkeit nehmen, sich auf Artikel 12 EG zu berufen (33) . Wie die dargestellten Urteile deutlich machen, wurden jetzt zahlreiche soziale Vergünstigungen, die die Mitgliedstaaten zuvor gemäß der Verordnung Nr. 1612/68 oder der Verordnung Nr. 1408/71 ihren Staatsangehörigen und wirtschaftlich tätigen Personen gewährt haben, auf Unionsbürger erstreckt, die sich im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig aufhalten. Ich verweise auf die Erziehungszulage in der Rechtssache Martínez Sala, das Minimex in den Rechtssachen Grzelczyk und Trojani und die Übergangsbeihilfe in der Rechtssache D’Hoop. In diesen Fällen waren die Vergünstigungen durch bestehende Gemeinschaftsverordnungen erfasst und fielen daher eindeutig in den sachlichen Geltungsbereich des Vertrages.

29.     Im Gegensatz dazu hat der Gerichtshof interessanterweise in der Rechtssache Collins die vom Antragsteller beantragte Beihilfe für Arbeitsuchende nicht ausdrücklich dem sachlichen Geltungsbereich des Vertrages zugeordnet. Vielmehr hat er im Zusammenhang mit der Auslegung der Bestimmungen über den Zugang zu Beschäftigungen in anderen Mitgliedstaaten in der Verordnung Nr. 1612/68 den Begriff der Unionsbürgerschaft verwendet, um ihn in den Anwendungsbereich des Vertrages einzufügen: „Angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft und angesichts der Auslegung, die das Recht der Unionsbürger auf Gleichbehandlung in der Rechtsprechung erfahren hat, ist es nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Artikels [39 Absatz 2 EG] … eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll.“ Mit anderen Worten hat es wohl den Anschein, dass die Unionsbürgerschaft selbst bedeuten kann, dass bestimmte Vergünstigungen dem Geltungsbereich des Vertrages zugeordnet werden können, wenn diese Beihilfen für Zwecke gewährt werden, die mit vom primären oder sekundären Gemeinschaftsrecht verfolgten Zielen übereinstimmen.

30.     Aus der Rechtsprechung wird auch deutlich, dass der Anspruch aufenthaltsberechtigter Unionsbürger auf soziale Vergünstigungen in diesen Fällen nicht absolut ist und dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Vergünstigungen von bestimmten objektiven, d. h. nicht diskriminierenden Voraussetzungen abhängig machen können, um ihre berechtigten Interessen zu schützen. In den beiden Rechtssachen, in denen es um Vergünstigungen ging, die den Empfänger beim Zugang zum Arbeitsmarkt unterstützen sollten, D’Hoop und Collins, hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Mitgliedstaaten Anforderungen aufstellen dürfen, um sich zu vergewissern, dass zwischen dem Antragsteller und dem einschlägigen geografischen Arbeitsmarkt ein tatsächlicher Zusammenhang besteht. Diese Anforderungen sind in einer Weise anzuwenden, dass sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Grundprinzip der Gemeinschaft entsprechen.

31.     Wie bereits ausgeführt worden ist, kann ein Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat nur dann soziale Vergünstigungen erhalten, wenn er dort seinen rechtmäßigen Aufenthalt hat. Nach den Richtlinien 90/364 und 93/96 muss der Unionsbürger oder der Student über ausreichende Mittel verfügen, um zu verhindern, dass er eine Belastung für die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats wird, und er muss ausreichend krankenversichert sein. Auch in diesem Fall sind diese Beschränkungen und Bedingungen im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden (34) . Im Urteil Grzelczyk hat der Gerichtshof daher entschieden, dass die Voraussetzung, wonach ein Unionsbürger die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats nicht über Gebühr belasten darf, ihn unter den gegebenen Umständen nicht vom Anspruch auf eine soziale Vergünstigung ausschloss. Auch bedeutete der Umstand, dass Artikel 3 der Richtlinie 93/96 Studenten vom Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsstipendien ausschließt, insoweit nicht, dass sie vom Bezug des Minimex ausgeschlossen sind. Der Begriff der Belastung „über Gebühr“ ist offenkundig flexibel und bedeutet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass die Richtlinie 93/96 eine bestimmte finanzielle Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bei der Unterstützung der Staatsangehörigen des jeweils anderen Staates annimmt, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten. Da die von der Richtlinie 90/364 aufgestellten Voraussetzungen auf dem gleichen Grundsatz beruhen, gibt es keinen Grund für die Annahme, dass die gleiche finanzielle Solidarität nicht auch in diesem Zusammenhang gilt.

32.     Es stellt sich die Frage, was mit dem Begriff „eine bestimmte“ finanzielle Solidarität gemeint ist. Eindeutig ist es nicht Absicht des Gerichtshofes, dass die Mitgliedstaaten ihre Sozialhilfesysteme Unionsbürgern, die in ihr Hoheitsgebiet einreisen und sich dort aufhalten, in vollem Umfang öffnen. Die Einnahme eines solchen Standpunkts würde letztlich eine der Grundlagen der Aufenthaltsrichtlinien untergraben. Dies ist meines Erachtens ein weiterer Hinweis auf die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Anwendung der nationalen Anforderungen in Bezug auf die Voraussetzungen für Sozialhilfe. Auf der einen Seite sind die Mitgliedstaaten berechtigt, sicherzustellen, dass die sozialen Vergünstigungen, die sie bieten, für die Zwecke gewährt werden, für die sie bestimmt sind. Auf der anderen Seite müssen sie hinnehmen, dass Unionsbürger, die sich in ihrem Hoheitsgebiet für erhebliche Zeit rechtmäßig aufhalten, ebenfalls für solche Förderung in Betracht kommen können, wenn sie die für die eigenen Staatsbürger festgelegten objektiven Voraussetzungen erfüllen. In dieser Hinsicht müssen sie gewährleisten, dass die Kriterien und Voraussetzungen für die Gewährung solcher Förderung keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung zwischen ihren eigenen Staatsangehörigen und anderen Unionsbürgern schaffen, dass sie klar und geeignet zur Erreichung des Beistandszwecks sind, dass sie im Voraus bekannt sind und dass ihre Anwendung gerichtlich nachprüfbar ist (35) . Dem möchte ich hinzufügen, dass es auch möglich sein sollte, sie immer flexibel genug anzuwenden, um die besonderen Umstände der Einzelfälle der Antragsteller berücksichtigen zu können, wenn die Versagung solchen Beistands geeignet ist, zu beeinträchtigen, was im deutschen Verfassungsrecht als „Kernbereich“ eines vom Vertrag gewährten Grundrechts wie der in Artikel 18 Absatz 1 EG enthaltenen Rechte bezeichnet wird. Interessanterweise ist dieser Grundsatz in Artikel II‑112 der Grundrechtecharta der Union niedergelegt worden, der in den Entwurf eines Vertrages über die Aufstellung einer Verfassung für Europa einbezogen worden ist (36) . Diese Bestimmung sieht vor, dass jede von der Charta anerkannte Beschränkung der Ausübung der Rechte und Freiheiten den Kern dieser Rechte und Freiheiten wahren muss. Artikel II‑105 der Charta garantiert das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten im Wesentlichen mit den gleichen Worten wie Artikel 18 Absatz 1 EG.

33.     Mit anderen Worten hat eine erhebliche Entwicklung in der Unionsbürgerschaft (Artikel 17 und 18 Absatz 1 EG) in Verbindung mit dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Artikel 12 EG) dadurch stattgefunden, dass eine Grundlage für den Anspruch auf bestimmte soziale Vergünstigungen in den Mitgliedstaaten geschaffen worden ist, in denen die Unionsbürger sich rechtmäßig aufhalten. Wie ich in Nummer 29 ausgeführt habe, ist zwar verlangt worden, dass die betreffenden Vergünstigungen ausdrücklich vom sachlichen Geltungsbereich des EG-Vertrags erfasst werden, doch hat der Gerichtshof im Urteil Collins offensichtlich angenommen, dass dies dann der Fall ist, wenn die betreffende Vergünstigung für Zwecke vorgesehen ist, die mit den Zielen des primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts übereinstimmen. Personen, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben haben und zumindest zu Anfang die in den Wohnrichtlinien niedergelegten Aufenthaltsvoraussetzungen erfüllt haben, sich jedoch inzwischen in einer Lage befinden, in der sie einen Antrag auf finanzielle Unterstützung stellen müssen, haben im Rahmen der vom Gemeinschaftsrecht aufgestellten Beschränkungen und Voraussetzungen Anspruch auf solche Unterstützung in gleicher Weise wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats. Die betreffenden Beschränkungen und Voraussetzungen müssen so angewandt werden, dass das Endergebnis nicht außer Verhältnis zu den Zwecken steht, zu denen sie verfügt worden sind. Auch darf dieses Ergebnis nicht auf eine Diskriminierung eines Unionsbürgers hinauslaufen, die nicht objektiv gerechtfertigt werden kann, wenn sich dieser Unionsbürger sachlich in der gleichen Lage wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats befindet und in diesem Mitgliedstaat hinreichend gesellschaftlich integriert ist. In dieser Hinsicht können die Mitgliedstaaten, abhängig von der Natur der betreffenden Vergünstigungen, objektive Voraussetzungen festlegen, die notwendig sind, um zu gewährleisten, dass die Vergünstigungen Personen gewährt werden, bei denen eine hinreichende Verbindung mit ihrem Hoheitsgebiet besteht.

V – Die Vorlagefragen

A – Die erste Frage: Unionsbürgerschaft und Unterhaltsbeihilfe

34.     Mit der ersten vom High Court vorgelegten Frage wird Auskunft darüber begehrt, ob Unterhaltsbeihilfen von Mitgliedstaaten für Studierende im Hinblick auf die Einfügung von Artikel 18 EG in den EG‑Vertrag und im Hinblick auf die Entwicklungen im Bereich der Bildung seit den Urteilen Lair und Brown des Gerichtshofes weiterhin nicht unter den EG-Vertrag fallen, soweit es um Artikel 12 EG geht.

35.     Herr Bidar führt, erstens, aus, dass er als Unionsbürger und Student zu betrachten sei, der sich seit mehr als drei Jahren vor Beginn seines Studiums rechtmäßig im Vereinigten Königreich aufhält. Daher befinde er sich nicht in der Stellung eines Unionsbürgers, der von der Richtlinie 93/96 erfasst werde. Da die Zuständigkeit der Gemeinschaft auf den Bildungsbereich erstreckt worden sei, sei der sachliche Geltungsbereich des Vertrages nicht auf Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Zugang zur Bildung beschränkt, sondern erfasse auch Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Förderung der Mobilität der Studenten, zu denen die Gewährung von Unterhaltsbeihilfen gehöre. Das Urteil Grzelczyk bestätige, dass das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Brown durch diese Entwicklung im Gemeinschaftsrecht überholt sei. Selbst wenn angenommen werde, dass er unter die Richtlinie 93/96 falle, seien die durch diese Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen nicht absolut und müssten im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, angewandt werden. In dieser Hinsicht sei seine Ausbildung bereits ziemlich stark mit dem Bildungssystem des Vereinigten Königreichs verknüpft. Schließlich sei eine Unterscheidung zwischen Förderung für die Studiengebühren einerseits und Unterhaltsstipendien sowie vergünstigten Darlehen andererseits gekünstelt, da die Versagung des Zugangs zu beiden für Studenten ein Hemmnis beim Genuss der Freizügigkeit darstelle.

36.     Zur persönlichen Stellung von Herrn Bidar führt die Regierung des Vereinigten Königreichs aus, dass er sich vor dem nationalen Gericht auf die Richtlinie 93/96 berufen habe und daher nicht als im Vereinigten Königreich „settled“ betrachtet werden könne. Die deutsche Regierung fügt hinzu, dass sich Herr Bidar dadurch, dass er ein Darlehen schon vor Aufnahme seines Studiums beantragt habe, selbst die Möglichkeit genommen habe, ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 93/96 unter Berufung auf Artikel 18 EG in Verbindung mit Artikel 12 EG zu erwerben.

37.     Die Regierungen aller Mitgliedstaaten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, und die Kommission sind der Ansicht, dass finanzielle Förderung für die Unterhaltskosten für Studenten nicht in den Anwendungsbereich des EG‑Vertrags falle. Diese Ansicht wird auf verschiedene Argumente gestützt, beispielsweise die Einführung von Artikel 149 EG, der die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems verankert. Damit werden ihres Erachtens Beihilferegelungen für Studenten einbezogen. Das in Artikel 18 Absatz 1 EG vorgesehene Aufenthaltsrecht unterliege dem Vertrag und den durch die zu dessen Durchführung erlassenen Maßnahmen festgelegten Beschränkungen und Voraussetzungen. Artikel 3 der Richtlinie 93/96 schließe einen Anspruch von Wanderstudenten auf Unterhaltsbeihilfen aus, was vom Gerichtshof im Urteil Grzelczyk bestätigt worden sei. Auch die Richtlinie 2004/38 über Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten (37) , die von den Mitgliedstaaten bis zum 30. April 2006 umzusetzen ist, wird angeführt. Artikel 24 Absatz 2 dieser Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass ein Staat vor dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt, das nach einer Zeit von fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat gewährt wird, nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen Beihilfen in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens zu gewähren.

38.     Allgemeiner führt die österreichische Regierung aus, dass das Europäische Übereinkommen über die Fortzahlung von Stipendien an Studenten im Ausland, das im Rahmen des Europarats 1969 beschlossen wurde, auf dem Grundsatz beruhe, dass die Kompetenz für die Auszahlung von Stipendien beim Heimatstaat liege und, wenn auch das Gastland zur Auszahlung von Stipendien verpflichtet werde, die Gefahr von Doppelförderungen bestehe. Ähnlich macht die niederländische Regierung geltend, dass, wenn in diesem Bereich keine Koordination auf Gemeinschaftsebene stattfinde, eine Vermischung der Grundsätze des Heimatlandes und des Gastlandes zerstörerische Wirkung haben könne. Die dänische und die finnische Regierung verweisen ebenfalls auf die möglichen Wirkungen einer Verneinung der ersten Frage auf ihre Bestimmungen für die Gewährung von Unterhaltsbeihilfen für Studenten.

39.     Erstens möchte ich ausführen, dass die Antwort auf die erste Frage des High Court vom Sachverhalt des Falles abhängt. Obwohl es im Kern darum geht, ob eine Förderung für die Unterhaltskosten für Studenten jetzt vom Geltungsbereich des EG-Vertrags erfasst wird, ist es wichtig, zu bestimmen, nach welcher Regelung diese Frage zu beurteilen ist. Auf der einen Seite macht insbesondere das Vereinigte Königreich geltend, dass Herr Bidar, da er Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats sei, der sich im Vereinigten Königreich aufhalte, um dort ein Hochschulstudium zu absolvieren, ausschließlich in den Geltungsbereich der Richtlinie 93/96 falle. Herr Bidar beruft sich wiederum darauf, dass er sich bereits vor Aufnahme seines Studiums drei Jahre lang im Vereinigten Königreich aufgehalten und auch seine höhere Schulbildung im Vereinigten Königreich absolviert habe. In dieser Hinsicht macht er geltend, er befinde sich in der gleichen Lage wie Frau D’Hoop und müsse als Unionsbürger betrachtet werden, der von seinem Recht auf Einreise in einen anderen Mitgliedstaat nach Artikel 18 Absatz 1 EG Gebrauch gemacht habe. Dies bedeute, dass die Frage nach seinem Anspruch auf ein Unterhaltsdarlehen für Studenten nach dieser Bestimmung des Vertrages in Verbindung mit Artikel 12 EG zu betrachten sei. Meines Erachtens gibt es starke Anhaltspunkte auf der in Nummer 5 beschriebenen tatsächlichen Grundlage, dass Herr Bidar tatsächlich zur zweiten Kategorie gehört und dass er die in der Richtlinie 90/364 niedergelegten Voraussetzungen erfüllt. Da es jedoch dem vorlegenden Gericht obliegt, den Sachverhalt festzustellen und dabei zu bestimmen, welche Regelung auf den Einzelfall anwendbar ist, werde ich beide Möglichkeiten erörtern.

40.     Artikel 18 Absatz 1 EG macht das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von den im EG‑Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen abhängig. Die Lage von Studenten ist durch die Richtlinie 93/96 geregelt. Diese Richtlinie gilt für Studenten, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben haben, um dort ein Studium aufzunehmen. Mit anderen Worten, die Verfolgung eines Studiums im Aufnahmemitgliedstaat ist der Grund für sie, von den ihnen durch Artikel 18 Absatz 1 EG verliehenen Rechten Gebrauch zu machen. Studenten in dieser Lage müssen die bereits in Nummer 18 erwähnten Voraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf ihre finanzielle Unabhängigkeit, erfüllen. Sie dürfen keine ungebührliche Belastung für die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats werden und haben nach Artikel 3 der Richtlinie 93/96 keinen Anspruch auf Unterhaltsstipendien.

41.     Im Urteil Grzelczyk hat der Gerichtshof diese Grundsätze als solche bestätigt, ihre Strenge jedoch im Licht der Umstände des betreffenden Einzelfalls gemildert. Obwohl die Richtlinie den Anspruch auf ein Unterhaltsstipendium versagt, hat er festgestellt, dass die Richtlinie nichts zu der Möglichkeit besage, eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit wie das Existenzminimum zu erhalten. Zusätzlich hat der Gerichtshof, obwohl mit der Richtlinie bezweckt war, zu verhindern, dass Studenten die öffentlichen Finanzen ungebührlich belasten, festgestellt, dass dieser Grundsatz nicht absolut anzuwenden ist, sondern dahin zu verstehen ist, dass die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen, wie in dem von Herrn Grzelczyk, der in seinem letzten Studienjahr in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, eine gewisse finanzielle Solidarität dadurch üben müssen, dass sie gegenseitig ihre Staatsangehörigen unterstützen.

42.     Ist Herr Bidar als Student zu betrachten, der nur vom Geltungsbereich der Richtlinie 93/96 erfasst wird, so ist völlig klar, dass Artikel 3 der Richtlinie ein erhebliches Hemmnis für seinen Anspruch auf ein Unterhaltsstipendium im Vereinigten Königreich bildet. Es geht jedoch nicht um den Anspruch auf ein Unterhaltsstipendium, sondern um den Anspruch auf ein (vergünstigtes) Darlehen zur Deckung der Unterhaltskosten. Studentendarlehen werden nicht ausdrücklich von Artikel 3 der Richtlinie 93/96 erfasst, und tatsächlich könnte im Hinblick darauf, dass sie jetzt durch die Parallelbestimmung in der Richtlinie 2004/38, Artikel 24 Absatz 2, ausdrücklich ausgeschlossen werden, hergeleitet werden, dass der Anspruch auf solche Darlehen durch Artikel 3 der Richtlinie 93/96 nicht ausgeschlossen ist.

43.     Nach diesen Ausführungen ist die Frage, ob Studenten aus anderen Mitgliedstaaten bei Studentendarlehen für Unterhaltskosten berücksichtigt werden können, anhand des allgemeinen Grundsatzes des Artikels 1 der Richtlinie 93/96 zu beantworten, dass Studenten nur dann das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat erhalten können, wenn sie erklären, dass sie über ausreichende Mittel verfügen, um zu verhindern, dass sie während ihres Aufenthalts das Sozialhilfesystem belasten. Wie der Gerichtshof im Urteil Grzelczyk ausgeführt hat, verlangt die Richtlinie eine entsprechende Erklärung vom Studenten nur zu Beginn seines Aufenthalts in dem Mitgliedstaat. Es gibt zwei Gründe für die Frage, ob diese Voraussetzung auch für Studentendarlehen für Unterhaltskosten gilt. Der erste ist, dass solche Darlehen im Allgemeinen nicht Teil der Sozialhilfesysteme der Mitgliedstaaten sind, und tatsächlich hat der Gerichtshof im Urteil Grzelczyk gerade diese Unterscheidung getroffen. Der zweite ist, dass, obwohl solche Darlehen gewöhnlich zu nicht handelsüblichen Bedingungen gewährt werden und die Rückzahlung in bestimmten Fällen erlassen wird, die Belastung der öffentlichen Finanzen durch diese Gesichtspunkte geringer als in Fällen von nicht rückzahlbaren Vergünstigungen ist.

44.     Allerdings wird aus der Grundvoraussetzung, dass Studenten bei ihrer Ankunft im Aufnahmemitgliedstaat selbst über ausreichende Mittel verfügen müssen, deutlich, dass sie davon ausgeschlossen sind, ein (vergünstigtes) Darlehen in Bezug auf Unterhaltskosten beantragen zu können. Die Gesamtwirkung von Darlehen, die unter Voraussetzungen wie denen der Student Support Regulations gewährt werden, stellt eine erhebliche Bürde für die öffentlichen Finanzen dar, wie sich auch aus den Ausführungen des nationalen Gerichts zu diesem Punkt ergibt (38) . Dies rechtfertigt es, sie für die Zwecke von Artikel 3 der Richtlinie 93/96 in gleicher Weise wie Unterhaltsstipendien zu behandeln.

45.     Ich halte jedoch eine Ausnahme von dieser Regel für denkbar, und tatsächlich hat die niederländische Regierung auch geltend gemacht, dass in bestimmten Ausnahmefällen Gründe dafür bestehen könnten, Artikel 3 großzügig anzuwenden. In Anbetracht meiner vorherigen Erwägungen in den Nummern 31 und 32, dass die durch die Richtlinie 93/96 vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden sind, muss gewährleistet werden, dass der Kern der durch Artikel 18 Absatz 1 verliehenen Grundrechte gewahrt wird. Beispielsweise kann ein Student, der zunächst die Grundvoraussetzungen der Richtlinie erfüllt hat, später während seines Studiums auf finanzielle Schwierigkeiten stoßen. In einer solchen Lage würde ich meinen, dass die Erwägungen des Urteils Grzelczyk Anwendung finden sollten. Wenn nach diesem Urteil ein Unionsbürger gemäß den Artikeln 18 Absatz 1 und 12 EG als Student Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums in seinem letzten Studienjahr unter den gleichen Bedingungen wie Staatsangehörige des Mitgliedstaats hat, sofern sich seine finanzielle Lage seit der Aufnahme seines Studiums geändert hat, dürfte es keinen Grund geben, den Anspruch von Unionsbürgern in gleicher Lage nach diesen Bestimmungen auf das weniger belastende Instrument eines Studentendarlehens auszuschließen. In solchen Ausnahmesituationen führt der Grundsatz der finanziellen Solidarität zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten dazu, dass, sobald ein Student ein Studium in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen hat und dieses Studium bis zu einem gewissen Stadium fortgeschritten ist, dieser Staat es ihm ermöglichen sollte, dieses Studium abzuschließen, indem er ihm die finanzielle Förderung gewährt, die seine Staatsangehörigen erhalten können.

46.     Der zweite zu betrachtende Fall beruht auf der Annahme, dass Herr Bidar nicht als Student zu betrachten wäre, der vom Geltungsbereich der Richtlinie 93/96 erfasst wird, sondern als Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Gebrauch gemacht hat. Dies erfordert die Prüfung, ob sich der Geltungsbereich des EG‑Vertrags nach der Einführung der Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft und die Bildung jetzt auf die finanzielle Unterstützung erstreckt, die die Mitgliedstaaten für die Unterhaltskosten von Studenten gewähren.

47.     Der Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 21. Juni 1988 ausgeführt, dass beim damaligen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts eine Förderung, die Studenten, die nicht die Stellung eines Arbeitnehmers oder des Familienangehörigen eines Arbeitnehmers haben, erhalten, grundsätzlich außerhalb des Geltungsbereichs des E[W]G‑Vertrags im Sinne von Artikel 12 EG liegt. Dies wurde damit erklärt, dass eine solche Förderung zum einen in den Bereich der Bildungspolitik, die als solche nicht der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterstellt worden ist, und zum anderen in den der Sozialpolitik fällt, die zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gehört, soweit sie nicht Gegenstand besonderer Vorschriften des E[W]G‑Vertrags ist.

48.     Nach dem Erlass dieser Urteile hat der Vertrag von Maastricht dem EG‑Vertrag eine Reihe von Bestimmungen in Bezug auf die Bildung hinzugefügt. Die Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe q und 149 EG bilden jetzt eine Grundlage für die Tätigkeit der Gemeinschaft in diesem Bereich. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen ist begrenzt. Jede Tätigkeit der Gemeinschaft in diesem Bereich ist beschränkt auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in verschiedener Hinsicht einschließlich bezüglich der Mobilität von Lernenden und Lehrenden. Die Harmonisierung ist ausdrücklich ausgeschlossen. Obwohl die Vertragsbestimmungen in diesem Bereich die Möglichkeit zu bestimmten Förderungsmaßnahmen im Bereich der Bildung eröffnen, beruhen sie auf dem Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems verantwortlich bleiben.

49.     Ich bin nicht davon überzeugt, dass eine Förderung für Unterhaltskosten immer noch nur deshalb vom Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts nicht erfasst wird, weil eine solche Förderung als Gesichtspunkt der „Gestaltung des Bildungssystems“ zu betrachten ist. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist, dass diese Bestimmungen zwar den Organen der Gemeinschaft beschränkte Befugnisse verleihen, es jedoch der Gemeinschaft selbst ermöglichen, Maßnahmen zur Erleichterung der Mobilität von Studenten, einschließlich der Gewährung finanzieller Förderung für die Unterhaltskosten, zu erlassen. Nicht nur unterliegt die Bildungspolitik als solche daher jetzt auch der „Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane“, sondern dies gilt auch für finanzielle Maßnahmen, die zur Erleichterung der Mobilität von Studenten erlassen werden. Im Urteil Grzelczyk hat der Gerichtshof diesen Entwicklungen seit seinem Urteil in der Rechtssache Brown ebenfalls Bedeutung beigemessen (39) .

50.     Die Aufnahme dieser Bestimmungen über die Bildung ist daher ein Anhaltspunkt dafür, dass das Gebiet der Förderung für Unterhaltskosten jetzt in den sachlichen Geltungsbereich des EG‑Vertrags fällt. Ferner ist bedeutsam, dass der EG‑Vertrag, verglichen mit der Lage im Jahr 1988 nach dem EWG‑Vertrag, Grundrechte, Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit im Gebiet der Mitgliedstaaten nicht nur wirtschaftlich tätigen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gewährt, sondern auch Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die sich nicht wirtschaftlich betätigen. Zwar wurde die Ausübung dieser Rechte von Beschränkungen und Bedingungen sowie Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung dieses Rechts abhängig gemacht. Wie jedoch die Verfahrensbeteiligten wiederholt hervorgehoben haben, umfassen diese Maßnahmen Bedingungen in Bezug auf die finanzielle Unabhängigkeit dieser wirtschaftlich nicht tätigen Unionsbürger. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass soziale Vergünstigungen verschiedener Art, einschließlich der finanziellen Unterstützung für Unterhaltskosten, ihrer Natur nach nicht in den Geltungsbereich des Vertrages fallen. In dieser Hinsicht verweise ich nur auf die wiedergegebene Rechtsprechung zur Unionsbürgerschaft und zu sozialen Vergünstigungen. Die Richtlinien, die zur Erleichterung der Ausübung der durch Artikel 18 Absatz 1 EG gewährten Rechte erlassen worden sind, können Regeln in Bezug auf Ansprüche auf von den Mitgliedstaaten gewährte Vergünstigungen oder sogar zum Ausschluss dieser Ansprüche aufstellen, doch führt dies nicht dazu, das diese Vergünstigungen dem Geltungsbereich des Vertrages entzogen würden.

51.     Unterhaltsförderung wurde lange als soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 angesehen (40) . Im Urteil Lair hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine derartige Förderung namentlich aus der Sicht des Arbeitnehmers besonders geeignet ist, zu seiner beruflichen Qualifizierung beizutragen und seinen sozialen Aufstieg zu erleichtern (41) . In allgemeinerer Weise hat der Gerichtshof im Urteil Echternach und Moritz erwogen, dass Gleichbehandlung in Bezug auf Vergünstigungen, die den Familienangehörigen von Arbeitnehmern gewährt werden, im Einklang mit den Zielen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer steht und zu ihrer Integration in das soziale Leben des Aufnahmemitgliedstaats beiträgt (42) . Da anerkannt ist, dass eine solche Vergünstigung vom sachlichen Geltungsbereich des EG‑Vertrags für Arbeitnehmer erfasst wird, und wegen Sinn und Zweck dieser Feststellung würde es mir gekünstelt erscheinen, wenn diese Vergünstigungen für andere Personen, die jetzt vom Vertrag ebenfalls erfasst werden, vom Geltungsbereich des Vertrages ausgeschlossen wären. Die Frage, ob die letztgenannten Gruppen von Personen Anspruch auf solche Vergünstigungen haben, ist von der Frage zu unterscheiden, ob die Vergünstigung selbst vom Geltungsbereich des Vertrages erfasst wird.

52.     Ferner ist es in diesem Zusammenhang wichtig, auf die beschriebene Entwicklung der Rechtsprechung in Bezug auf die Rechte im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft nach Artikel 18 Absatz 1 EG seit dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Martínez Sala hinzuweisen. Unionsbürger haben Anspruch auf Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten, nicht nur im Hinblick auf Angelegenheiten, die vom sachlichen Geltungsbereich des Vertrages erfasst werden, sondern die Unionsbürgerschaft selbst kann, wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Collins ergibt, eine Grundlage dafür darstellen, dass bestimmte Angelegenheiten in diesen Zusammenhang gebracht werden, wenn die mit der nationalen Maßnahme verfolgten Ziele denjenigen entsprechen, die mit dem Vertrag oder dem abgeleiteten Recht verfolgt werden. Der Gerichtshof hat bereits anerkannt, dass Vergünstigungen der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Art zur Integration der Empfänger in das soziale Leben des Aufnahmemitgliedstaats im Einklang mit den Zielen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer beitragen. Da die Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft ebenso die Freizügigkeit wirtschaftlich nicht tätiger Personen erleichtern sollen, stellt dies einen weiteren Grund für die Annahme dar, dass sie vom sachlichen Geltungsbereich des EG‑Vertrags erfasst werden.

53.     Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die erste Frage des High Court zu verneinen ist, d. h., dass seit der Einführung der Artikel 17 ff. EG über die Unionsbürgerschaft und im Hinblick auf die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich der Bildung die Unterhaltsförderung für Studenten, die ein Hochschulstudium absolvieren, in Form vergünstigter Darlehen oder von Stipendien im Hinblick auf Artikel 12 EG und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht mehr vom Geltungsbereich des EG‑Vertrags ausgeschlossen ist.

B – Die zweite Frage: Gründe für die Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung

54.     Mit seiner zweiten Frage möchte der High Court wissen, welche Kriterien ein nationales Gericht bei der Bestimmung anzuwenden hat, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Unterhaltsförderung auf objektiv gerechtfertigte Erwägungen, die nicht auf der Staatsangehörigkeit beruhen, gegründet sind. Dieser Frage liegt die Annahme zugrunde, dass die in den Student Support Regulations niedergelegten Voraussetzungen für einen Anspruch von Unionsbürgern, die nicht die Stellung eines Arbeitnehmers oder Selbständigen oder eines Familienangehörigen eines Arbeitnehmers oder eines Selbständigen haben, auf Unterhaltsbeihilfe eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 12 EG darstellen.

55.     Wirtschaftlich nicht tätige Unionsbürger haben nur dann Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe, wenn sie im Vereinigten Königreich „settled“ im Sinne des nationalen Ausländerrechts sind. Zeiten, die für den Genuss von Vollzeitbildung aufgewandt werden, werden bei der Berechnung der Zeit des „being settled“ (der Ansässigkeit auf Dauer) nicht berücksichtigt. Die Stellung als „settled“ muss ferner durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachgewiesen werden. Diese Voraussetzung des „being settled“ gilt nicht für britische Staatsbürger. Diese müssen sich nur in den drei ihrem Studium vorhergehenden Jahren im gewöhnlichen Sinne im Vereinigten Königreich aufgehalten haben. Ich möchte in dieser Hinsicht nur bemerken, dass es, da die Anspruchsvoraussetzungen für Unionsbürger, die sich rechtmäßig im Vereinigten Königreich aufhalten, schwerer zu erfüllen sind als für britische Staatsbürger, völlig klar ist, dass dies auf eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Sinne von Artikel 12 EG hinausläuft. Daher ist zu erwägen, ob eine solche unterschiedliche Behandlung nach Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt werden kann.

56.     Herr Bidar sowie die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Österreichs und Deutschlands machen geltend, dass eine unterschiedliche Behandlung dieser Art durch objektive Erwägungen, die nicht im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit der Betroffenen und im rechten Verhältnis zu dem zulässigen Ziel der nationalen Bestimmungen stünden, gerechtfertigt sein könnte. Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Deutschlands, Österreichs und der Niederlande sowie die Kommission führen weiter aus, dass die Mitgliedstaaten berechtigt seien, sich zu vergewissern, ob eine tatsächliche Verbindung zwischen dem Studenten und dem Mitgliedstaat oder seinem Arbeitsmarkt bestehe oder dass eine ausreichende Integration in das soziale Leben vorliege. Die finnische Regierung spricht in diesem Zusammenhang von einer dauerhaften strukturellen und tatsächlichen Verbindung zur Gesellschaft des Mitgliedstaats des Studiums. Das Vereinigte Königreich trägt vor, ein Mitgliedstaat sei berechtigt, sich zu vergewissern, ob die Eltern von Studenten einen ausreichenden Beitrag durch Arbeit und damit die Zahlung von Steuern geleistet hätten, um die Gewährung vergünstigter Darlehen zu rechtfertigen, oder ob die Studenten selbst dies wahrscheinlich tun würden. Unter Bezugnahme auf die Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz‑Jarabo Colomer in der Rechtssache Collins fügen die österreichische, die deutsche und die niederländische Regierung hinzu, dass die Mitgliedstaaten ein berechtigtes Interesse an der Verhinderung von Missbrauch ihrer Regelungen für Studienbeihilfen hätten. In Bezug auf das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit machen verschiedene Regierungen und die Kommission geltend, dass eine Mindestaufenthaltszeit notwendig und angemessen sei. In Bezug auf die Bestimmung, was unter einer angemessenen Zeit zu verstehen sei, verweisen sie auf den in Artikel 16 der Richtlinie 2004/38 geregelten Zeitraum von fünf Jahren, der für das Daueraufenthaltsrecht erforderlich ist.

57.     Ich habe bereits in meinen Schlussanträgen vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache Ninni‑Orasche (43) Gelegenheit gehabt, meinen Standpunkt zu den Umständen vorzutragen, unter denen Unionsbürger Anspruch auf Gleichbehandlung nach den Artikeln 18 Absatz 1 und 12 EG in Bezug auf die finanzielle Förderung für Studienkosten haben. Der Sachverhalt jenes Falles ist mit demjenigen des vorliegenden Falles vergleichbar, unterschied sich jedoch in Bezug auf die Grundlage des Aufenthaltsrechts und die persönlichen Umstände der Betroffenen. Allerdings ist die rechtliche Beurteilung der Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung im Wesentlichen die gleiche.

58.     Wie der Gerichtshof verschiedentlich ausgeführt hat (44) und wie alle Verfahrensbeteiligten, die schriftliche und mündliche Erklärungen abgegeben haben, ausführen, kann Ungleichbehandlung nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird. In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof anerkannt, dass es ein legitimes Anliegen des nationalen Gesetzgebers ist, sich einer tatsächlichen Verbindung zwischen demjenigen, der Leistungen beantragt, die eine soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 darstellen, und dem betroffenen räumlichen Arbeitsmarkt vergewissern zu wollen (45) .

59.     In den beiden erwähnten Fällen waren sowohl das Überbrückungsgeld in der Rechtssache D’Hoop als auch die Unterstützung für Arbeitsuchende in der Rechtssache Collins darauf gerichtet, Empfängern, die sich in der Phase des Übergangs von der Bildung zur Beschäftigung befanden oder die sonst tatsächlich eine Beschäftigung suchten, finanzielle Unterstützung zu gewähren. Um zu gewährleisten, dass eine ausreichende Verbindung zum nationalen Arbeitsmarkt bestand, hat der Gerichtshof in der Rechtssache Collins erwogen, dass ein Wohnorterfordernis grundsätzlich geeignet ist, jedoch nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die bei der Anwendung dieses Erfordernisses verwendeten Kriterien müssen klar und im Voraus bekannt sein, und es ist die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs vorzusehen. Wenn für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen eine Mindestaufenthaltsdauer verlangt wird, so „darf sie jedenfalls nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, damit die nationalen Behörden sich vergewissern können, dass die betreffende Person tatsächlich auf der Suche nach einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats ist“ (46) . In der Rechtssache D’Hoop hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Erfordernis eines in Belgien erteilten Schulabgangszeugnisses als Voraussetzung für einen Anspruch auf das Überbrückungsgeld „zu allgemein und einseitig“ war, da es „einem Gesichtspunkt unangemessen hohe Bedeutung bei[misst], der nicht zwangsläufig für den tatsächlichen und effektiven Grad der Verbundenheit des Antragstellers mit dem räumlichen Arbeitsmarkt repräsentativ ist, und … jeden anderen repräsentativen Gesichtspunkt aus[schließt]“ (47) .

60.     Bei Unterhaltsbeihilfen für Studenten, sei es in Form eines vergünstigten Darlehens oder eines Stipendiums, ist nicht in erster Linie die Verbindung mit dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats nachzuweisen, obwohl dies ein Gesichtspunkt sein kann, der möglicherweise zu erwägen ist. Vielmehr ist diese Verbindung in der Beziehung dessen, der diese Förderung beantragt, zum Bildungssystem und im Umfang seiner Integration in das soziale Leben zu finden (48) . Hat ein Unionsbürger seine höhere Schulbildung in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erhalten, dessen Staatsangehöriger er ist, was sich eher dazu eignet, ihn für den Besuch einer Hochschule in diesem Mitgliedstaat als anderswo vorzubereiten, so ist meines Erachtens die Verbindung zum Bildungssystem des Aufnahmemitgliedstaats offenkundig. Bei der Beurteilung des Umfangs der Integration müssen die Umstände des Einzelfalls des Antragstellers berücksichtigt werden. Insofern ist die Situation eines Unionsbürgers, der als Minderjähriger und Familienangehöriger eines anderen Unionsbürgers in einen anderen Mitgliedstaat gekommen ist, von der Situation von Unionsbürgern zu unterscheiden, die sich als Erwachsene aus eigener Entscheidung in einen anderen Mitgliedstaat begeben haben. Die Chance, dass sich ein Unionsbürger in der Situation von Herrn Bidar, der als junger Mensch dort unter dem Sorgerecht seiner Großmutter, die sich bereits auf Dauer im Vereinigten Königreich aufhielt, gelebt hat und im Aufnahmemitgliedstaat die höhere Schulbildung erhalten hat, in das soziale Leben integriert hat, ist sicherlich als größer zu betrachten als bei Unionsbürgern, die in späteren Lebensabschnitten eingereist sind.

61.     Natürlich muss ein Mitgliedstaat aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz formale Kriterien für die Bestimmung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Unterhaltsbeihilfe festlegen und sich vergewissern, dass solche Beihilfen Personen gewährt werden, die eine echte Verbindung zum nationalen Bildungssystem und der nationalen Gesellschaft nachweisen können. In dieser Hinsicht muss, wie der Gerichtshof im Urteil Collins festgestellt hat, ein Wohnorterfordernis grundsätzlich als geeigneter Nachweis für diese Verbindung unter den in diesem Urteil aufgestellten und hier in Nummer 59 dargestellten Voraussetzungen angenommen werden. Von diesen Voraussetzungen lässt sich herleiten, dass der Gerichtshof anerkennt, dass ein Wohnorterfordernis als Grundlage für die Beurteilung der Lage eines einzelnen Antragstellers vorgeschrieben werden kann. Der Umstand, dass er ausgeführt hat, dass die Mindestaufenthaltsdauer nicht über das hinausgehen darf, was erforderlich ist, damit die nationalen Behörden sich vergewissern können, dass eine Person tatsächlich auf der Suche nach einer Beschäftigung im inländischen Arbeitsmarkt ist, deutet jedoch darauf hin, dass es möglich sein muss, bei dieser Beurteilung andere Faktoren zu berücksichtigen. Dies ergibt sich ferner aus der Erwägung des Gerichtshofes im Urteil D’Hoop, dass die einzige von den nationalen Behörden in diesem Fall angewandte Voraussetzung zu allgemein und einseitig war und dass keine weiteren repräsentativen Gesichtspunkte berücksichtigt werden konnten. Schließlich bin ich der Ansicht, dass ein Ergebnis der Anwendung eines Wohnorterfordernisses, das darin besteht, dass eine Person, die eine echte Verbindung zum nationalen Bildungssystem oder der nationalen Gesellschaft nachweisen kann, vom Bezug einer Unterhaltsbeihilfe ausgeschlossen wird, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

62.     Zusätzliche Gesichtspunkte, die in einem Fall wie dem vorliegenden berücksichtigt werden können, sind die Notwendigkeit, den ununterbrochenen Fortgang der Bildung des Antragstellers zu gewährleisten (49) , die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt finden wird, und die Möglichkeit, dass er keinen Anspruch auf Unterhaltsförderung aus anderen Quellen, wie vom Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger er ist, haben kann, weil er die Anspruchsvoraussetzungen in diesem Mitgliedstaat nicht mehr erfüllt.

63.     In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass, wie der Gerichtshof im Kontext der Verordnung Nr. 1612/68 ausgeführt hat, eine Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer unter Wahrung der Freiheit und der Menschenwürde sichergestellt werden muss und dass es erforderlich ist, dass die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des Arbeitnehmers aus der Gemeinschaft im Aufnahmemitgliedstaat geschaffen werden (50) . Es gibt keinen Grund, weshalb dieses Grundprinzip nicht auch im Kontext der Freizügigkeit der Unionsbürger gelten sollte.

64.     Alle an diesem Verfahren beteiligten Regierungen und die Kommission weisen darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38 nicht verpflichtet seien, Unionsbürgern ohne wirtschaftliche Betätigung vor dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Unterhaltsbeihilfen zu gewähren. Diese Stellung wird erst nach fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat erreicht. Abgesehen davon, dass diese Richtlinie am 30. April 2004, d. h. zeitlich nach dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens, in Kraft getreten ist und dass sie bis zum 30. April 2006 umgesetzt werden muss, bin ich der Ansicht, dass bei der Anwendung dieser Voraussetzung die Grundrechte, die den Unionsbürgern unmittelbar durch den EG‑Vertrag verliehen werden, vollständig gewahrt werden müssen. Dies bedeutet, dass die dargestellten Erwägungen in Bezug auf die Anwendung eines Wohnorterfordernisses in Einzelfällen in Bezug auf die Anwendung des Erfordernisses der Ansässigkeit auf Dauer, wie es in den Student Support Regulations enthalten ist, gelten und dass bei der Bestimmung, ob eine echte Verbindung zum Bildungssystem und der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats besteht, alle erheblichen Umstände zu berücksichtigen sind. Ich glaube nicht, dass dies darauf hinausläuft, dass das von der Gemeinschaftsregelung aufgestellte Erfordernis untergraben wird. Vielmehr muss gewährleistet werden, dass dieses Erfordernis im Einklang mit den grundlegenden Bestimmungen des EG‑Vertrags angewandt wird.

65.     Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs darf sich ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die Rechtfertigung einer Gewährung von Unterhaltsbeihilfen vergewissern, ob die Eltern von Studenten einen ausreichenden Beitrag zu den öffentlichen Finanzen durch die Besteuerung geleistet haben oder dass die Studenten dies wahrscheinlich selbst tun werden. Dieses Vorbringen unterstellt, dass ein unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung der in einem Mitgliedstaat ansässigen Personen, Steuern zu entrichten, und dem Anspruch auf Vergünstigungen von der Art, um die es im vorliegenden Fall geht, besteht. Logisch durchdacht, bedeutet dieses Argument, dass dann, wenn Eltern keinen Beitrag durch Steuerzahlung oder nur einen bescheidenen Beitrag geleistet haben, ihre Kinder keinen Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe haben könnten, während Studenten, deren Eltern einen erheblichen Beitrag geleistet haben, Anspruch auf solchen Beistand hätten. Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass das Vereinigte Königreich ernsthaft die diesem Standpunkt innewohnende soziale Diskriminierung hinnehmen würde. Außerdem ist es, da es hier um Darlehen geht, unlogisch, zu verlangen, dass eine Person erst Beiträge zu den öffentlichen Finanzen geleistet haben muss, damit sie Anspruch auf ein Darlehen hat, das sie später zurückzahlen muss, auch wenn die Bedingungen für die Gewährung dieses Darlehens eine Vergünstigung enthalten. Dieser Rechtfertigungsgrund ist daher in sich widersprüchlich.

66.     Schließlich haben mehrere beteiligte Regierungen geltend gemacht, dass die Mitgliedstaaten ein berechtigtes Interesse an der Verhinderung des Missbrauchs ihrer Unterstützungssysteme für Studenten und an der Verhinderung eines „Leistungsbezugstourismus“ haben. Ich halte dies in der Tat für ein zulässiges Bestreben der Mitgliedstaaten, doch sollte dies nicht auf eine Art gewährleistet werden, die die Grundrechte von Unionsbürgern untergräbt, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten. Ein bloßes Wohnorterfordernis ist für die Erreichung dieses Zieles zu wenig zielgerichtet. Meines Erachtens kann das Ziel angemessen im Rahmen der Ermittlung erreicht werden, ob ein Antragsteller eine echte Verbindung zum nationalen Bildungssystem oder der nationalen Gesellschaft hat, wie oben dargestellt worden ist.

67.     Diese Erwägungen veranlassen mich zu folgender Schlussfolgerung: Besteht das Ergebnis der Anwendung eines Wohnorterfordernisses, wie es in den Student Support Regulations niedergelegt ist, auf einen Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat ausreichend in die Gesellschaft integriert ist, dessen Bildung eng mit dem Bildungssystem in dem Mitgliedstaat verbunden ist und der sich in der gleichen Situation wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats befindet, darin, dass dem Unionsbürger der Zugang zur Förderung für die Unterhaltskosten versagt wird, so stellt dies eine ungerechtfertigte Diskriminierung im Sinne vom Artikel 12 EG in Verbindung mit Artikel 18 Absatz 1 EG dar. Unter diesen Umständen steht das Ergebnis der Anwendung eines solchen Wohnorterfordernisses nicht im rechten Verhältnis zu dem damit angestrebten Ziel, dass die Unterhaltsbeihilfe denjenigen gewährt wird, die eine echte Verbindung zum nationalen Bildungssystem haben.

68.     Nach allem ist die zweite Frage wie folgt zu beantworten: Im nationalen Recht niedergelegte Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Unterhaltsförderung für Studenten müssen objektiv gerechtfertigt sein und dürfen in keinem Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit von Unionsbürgern stehen. Bei der Bestimmung, ob dies der Fall ist, muss ein nationales Gericht prüfen, ob diese Voraussetzungen für die Darlegung einer tatsächlichen Verbindung zwischen einem Unionsbürger, der eine solche Förderung beantragt, und dem nationalen Bildungssystem sowie der Gesellschaft geeignet sind. Ferner dürfen diese Voraussetzungen nicht über dasjenige hinausgehen, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen.

C – Die dritte Frage: Zeitliche Wirkungen

69.     Die dritte Frage betrifft die zeitlichen Wirkungen eines Urteils, mit dem der Gerichtshof feststellt, dass Unterhaltsbeihilfen in Form eines vergünstigten Darlehens oder eines Stipendiums jetzt für die Zwecke der Anwendung des Diskriminierungsverbots aufgrund der Staatsangehörigkeit in Artikel 12 EG vom Geltungsbereich des EG‑Vertrags erfasst werden.

70.     Herr Bidar führt aus, es bestehe kein Grund, die zeitlichen Wirkungen eines Urteils in diesem Sinne zu beschränken. Soweit die am Verfahren beteiligten Regierungen der Mitgliedstaaten diesen Punkt behandelt haben, haben sie sich dafür ausgesprochen, eine solche Beschränkung vorzunehmen. Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, dass zeitliche Beschränkungen der Wirkungen eines Urteils nur ausnahmsweise und insbesondere dann verhängt würden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt seien. Erstens müsse der Mitgliedstaat zu einem Verhalten veranlasst worden sein, das wegen einer objektiven erheblichen Unsicherheit in Bezug auf den Geltungsbereich von Gemeinschaftsbestimmungen dem Gemeinschaftsrecht nicht genüge, und dazu müsse das Verhalten der Gemeinschaftsorgane oder anderer Mitgliedstaaten beigetragen haben. Eine Verneinung der ersten Frage erfülle diese Voraussetzung. Zweitens müsse die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen insbesondere wegen der großen Zahl von Rechtsverhältnissen bestehen, die gutgläubig auf der Grundlage von Bestimmungen eingegangen worden seien, von denen angenommen worden sei, dass sie gültig seien. Hierfür verweist die Regierung auf die Berechnung im Vorlagebeschluss, die zeige, dass die Kosten, um die es gehe, im Studienjahr 2000/2001 möglicherweise bis zu 66 Millionen GBP betragen könnten. In der mündlichen Verhandlung ist ergänzt worden, dass diese Zahl nach der Erweiterung der Union am 1. Mai 2000 auf jährlich 75 Millionen GBP steigen könnte.

71.     Die Rechtsprechung hierzu ist völlig gefestigt und vom Gerichtshof im Urteil Grzelczyk zusammengefasst worden. In diesem Urteil hat er ausgeführt: „Bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts beschränkt sich der Gerichtshof darauf, die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie diese seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre, zu erläutern und zu verdeutlichen … Nur ausnahmsweise kann sich der Gerichtshof gemäß dem zur Gemeinschaftsrechtsordnung gehörenden allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit veranlasst sehen, die Möglichkeit für die Betroffenen einzuschränken, sich auf eine von ihm ausgelegte Bestimmung zu berufen, um gutgläubig begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen … Zudem rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben können, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkung dieses Urteils … Der Gerichtshof hat diese Lösung in der Tat nur unter ganz bestimmten Umständen angewandt, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Gemeinschaftsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen bestand, zu der gegebenenfalls auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte …“ (51)

72.     Um mit diesem letztgenannten Gesichtspunkt zu beginnen, stimme ich mit dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs überein, dass eine Verneinung der ersten Frage eine neue und unvorhersehbare Entwicklung im Gemeinschaftsrecht bedeuten würde. Ich würde in dieser Hinsicht einräumen, dass die Student Support Regulations dem Stand des Gemeinschaftsrechts vor einer solchen Entscheidung des Gerichtshofes Rechnung getragen haben. Die Antwort, die ich auf die zweite Frage gegeben habe, schränkt jedoch den Geltungsbereich der Antwort auf die erste Frage erheblich ein. Die Zahlen, die vorgelegt worden sind, um die finanziellen Auswirkungen einer Verneinung der ersten Frage zu belegen, beruhen offenbar auf der Annahme, dass alle Unionsbürger, die nach der Verordnung Nr. 1612/68 keinen Anspruch haben, künftig für Unterhaltsförderung in Betracht kommen. Es ist nicht völlig klar, welche finanziellen Auswirkungen es hätte, wenn nur diejenigen Unionsbürger, die sich rechtmäßig im Gebiet des Vereinigten Königreichs aufhalten und eine echte Verbindung zum nationalen Bildungssystem und zur Gesellschaft haben, für eine solche Unterhaltsbeihilfe in Betracht kämen. Allerdings lässt sich nicht ausschließen, dass diese Auslegung breitere Auswirkungen haben könnte, die auf das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft am 1. November 1993 zurückgehen könnten, und zwar nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern in allen Mitgliedstaaten. Falls der Gerichtshof feststellt, dass die erste Frage zu verneinen ist, bin ich daher der Ansicht, dass es gerechtfertigt ist, die zeitliche Wirkung einer solchen Entscheidung auf ab dem Zeitpunkt dieses Urteils begründete Rechtsverhältnisse zu beschränken, außer in Fällen, in denen vor diesem Zeitpunkt ein Rechtsstreit zum Zweck der Anfechtung von Entscheidungen, mit denen der Anspruch auf Unterhaltsförderung für Studenten versagt worden ist, eingeleitet worden ist.

VI – Ergebnis

73.     Ich bin daher der Ansicht, dass der Gerichtshof die vom High Court, Queen’s Bench Division, vorgelegten Fragen wie folgt beantworten sollte:

1.
Seit der Einführung der Artikel 17 ff. EG über die Unionsbürgerschaft und im Hinblick auf die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich der Bildung ist Unterhaltsförderung für Studenten, die ein Hochschulstudium absolvieren, in Form von vergünstigten Darlehen oder Stipendien im Hinblick auf Artikel 12 EG und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht mehr vom Geltungsbereich des EG‑Vertrags ausgeschlossen.

2.
Im nationalen Recht niedergelegte Kriterien für den Anspruch auf Unterhaltsförderung für Studenten müssen objektiv gerechtfertigt sein und dürfen in keinem Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit von Unionsbürgern stehen. Bei der Bestimmung, ob dies der Fall ist, muss ein nationales Gericht prüfen, ob diese Voraussetzungen für die Darlegung einer tatsächlichen Verbindung zwischen einem Unionsbürger, der eine solche Förderung beantragt, und dem nationalen Bildungssystem sowie der Gesellschaft geeignet sind. Ferner dürfen diese Voraussetzungen nicht über dasjenige hinausgehen, was für die Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

3.
Eine Berufung auf Artikel 12 EG für den Anspruch auf Unterhaltsförderung ist erst ab dem Erlass des Urteils des Gerichtshofes möglich, außer in Fällen, in denen schon vor diesem Zeitpunkt ein Rechtsstreit zum gleichen Zweck eingeleitet worden ist.


1
Originalsprache: Englisch.


2
Urteile in der Rechtssache 39/86, Lair, Slg. 1988, 3161, Randnr. 15, und in der Rechtssache 197/86, Brown, Slg. 1988, 3025, Randnr. 18.


3
Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten, ABl. L 317, S. 59.


4
Rechtssache 293/83, Gravier, Slg. 1985, 593.


5
Beispielsweise Urteil in der Rechtssache C-357/89, Raulin, Slg. 1992, 1027, Randnr. 28.


6
Beispielsweise Urteil Lair, angeführt in Fußnote 2, Randnr. 15.


7
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. L 257, S. 2.


8
Urteil Lair, angeführt in Fußnote 2, Randnrn. 23, 24 und 28; Brown, angeführt in Fußnote 9, Randnr. 25, und Rechtssache C‑3/90, Bernini, Slg. 1992, I‑1071, Randnr. 23.


9
Urteile Brown, angeführt in Fußnote 2, Raulin, angeführt in Fußnote 5, und Bernini, angeführt in Fußnote 8.


10
Urteil Lair, angeführt in Fußnote 2, Randnr. 37.


11
Siehe z. B. verbundene Rechtssachen 389/87 und 390/87, Echternach und Moritz, Slg. 1989, 723, und Rechtssache C‑337/97, Meeusen, Slg. 1999, I‑3289.


12
Urteil Echternach und Moritz, Randnr. 21.


13
Urteil in der Rechtssache C‑308/89, Di Leo, Slg. 1990, I‑4185, Randnr. 15.


14
Angeführt in Fußnote 11, Randnrn. 27 bis 29.


15
Urteil Raulin, angeführt in Fußnote 5, Randnrn. 33 und 34.


16
Artikel 1 der Richtlinie, wie er vom Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache C‑184/99, Grzelczyk, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 38, wiedergegeben worden ist.


17
Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht, ABl. L 180, S. 26.


18
Rechtssache C‑85/96, Martínez Sala, Slg. 1998, I‑2691, Rechtssache C‑184/99, Grzelczyk, angeführt in Fußnote 16, Rechtssache C‑224/98, D’Hoop, Slg. 2002, I‑6191, Rechtssache C‑138/02, Collins, Slg. 2004, I‑0000, und Rechtssache C‑456/02, Trojani, Urteil vom 7. September 2004, Slg. 2004, I‑0000.


19
Zum Beispiel Urteil Grzelczyk, angeführt in Fußnote 16, Randnr. 31.


20
Zum Beispiel Urteil Martínez Sala, angeführt in Fußnote 18, Randnr. 63.


21
Urteil in der Rechtssache C‑413/99, Baumbast, Slg. 2002, I‑7091, Randnr. 84.


22
Randnr. 63.


23
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu‑ und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. 1997, L 28, S. 1).


24
Urteil Grzelczyk, angeführt in Fußnote 16, Randnr. 39.


25
Randnr. 44.


26
Urteil D’Hoop, angeführt in Fußnote 18, Randnr. 35.


27
Randnrn. 38 und 39 desselben Urteils.


28
Der Gerichtshof verwendet in Randnr. 60 seines Urteils den Begriff „dieser Grundsatz“, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass diese Erwägungen für die Artikel 2 und 5 gelten.


29
Urteil Collins, angeführt in Fußnote 18, Randnr. 60.


30
Randnr. 63.


31
Randnrn. 67 bis 72.


32
Urteil Trojani, angeführt in Fußnote 18, Randnr. 44.


33
Urteil Grzelczyk, angeführt in Fußnote 16, Randnr. 36.


34
Urteil Baumbast, angeführt in Fußnote 21, Randnr. 91.


35
Urteil Collins, angeführt in Fußnote 18, Randnr. 72.


36
RK 87/04 vom 6. August 2004.


37
Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158, S. 77, berichtigt in ABl. L 229, S. 35.


38
Siehe Nr. 70 dieser Schlussanträge.


39
Urteil Grzelczyk, angeführt in Fußnote 16, Randnr. 35.


40
Urteile Lair und Brown, beide angeführt in Fußnote 2, Randnrn. 24 bzw. 25.


41
Urteil Lair, Randnr. 23.


42
Urteil Echternach und Moritz, angeführt in Fußnote 11, Randnr. 20.


43
Rechtssache C‑413/01, Ninni‑Orasche, Slg. 2003, I‑0000.


44
Z. B. Urteile D’Hoop und Collins, angeführt in Fußnote 18, Randnrn. 36 bzw. 66.


45
Siehe Urteile D’Hoop und Collins, angeführt in Fußnote 18, Randnrn. 38 bzw. 67.


46
Urteil Collins, Randnr. 72.


47
Urteil D’Hoop, Randnr. 39.


48
Z. B. für Kinder von Arbeitnehmern, Echternach und Moritz, angeführt in Fußnote 11, Randnr. 35.


49
Urteil Echternach und Moritz, Randnr. 22.


50
Urteile Di Leo, angeführt in Fußnote 13, Randnr. 13, Baumbast, angeführt in Fußnote 21, Randnrn. 50 und 59, und in der Rechtssache C‑356/98, Kaba, Slg. 2000, I‑2623, Randnr. 20.


51
Urteil Grzelczyk, angeführt in Fußnote 16, Randnrn. 50 bis 53.