Language of document : ECLI:EU:C:2012:79

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 16. Februar 2012(1)

Rechtssache C‑542/09

Europäische Kommission

gegen

Königreich der Niederlande

„Zugang zum Unterricht – Finanzmittel für eine Hochschulausbildung im Ausland – Wohnsitzerfordernis – ‚Drei-von-sechs-Jahren-Regel‘“





1.        Bereits Erasmus von Rotterdam erhielt Finanzmittel für ein Auslandsstudium. Der damalige Bischof von Cambrai, Heinrich von Bergen (für den Erasmus als Sekretär zu arbeiten begonnen hatte), beurlaubte ihn und gewährte ihm 1495 ein Stipendium für das Studium an der Universität in Paris. Dies war für Erasmus der Beginn einer Laufbahn, die ihn nach Paris, Löwen, Cambridge und Basel führte und zum wohl hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit werden ließ – zum „Prinzen der Humanisten“. Man darf wohl mit einiger Sicherheit behaupten, dass er die Finanzmittel für seine Universitätsstudien im Ausland ausgezeichnet zu nutzen gewusst hat(2) – und tatsächlich tragen die derzeitigen Austauschprogramme zwischen den Universitäten in der Union seinen Namen.

2.        Die heutigen Landsleute des Erasmus befinden sich in einer ähnlich glücklichen Lage. Gemäß der Wet Studiefinanciering (Studienfinanzierungsgesetz, im Folgenden: WSF) können sie in vielen Fällen Finanzmittel zur Absolvierung einer Hochschulausbildung außerhalb der Niederlande erhalten. Es fragt sich allerdings, ob die detaillierten Bestimmungen für die Gewährung solcher Mittel – insbesondere die Regelung, wonach ein Antragsteller neben der Erfüllung der Voraussetzungen für den Bezug von Finanzmitteln für ein Studium in den Niederlanden sich auch mindestens drei der vorangegangenen sechs Jahre rechtmäßig in den Niederlanden aufgehalten haben muss (im Folgenden: Drei-von-sechs-Jahren-Regel) – mit Art. 45 AEUV (früher Art. 39 EG)(3) und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68(4) kollidieren, weil sie mittelbar und ohne Rechtfertigung Wanderarbeitnehmer und deren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen diskriminieren.

 Rechtlicher Rahmen

 Vertragsbestimmungen

3.        Art. 45 AEUV lautet:

„(1)      Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2)      Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

…“


4.        Nach Art. 165 Abs. 2 AEUV (früher Art. 149 Abs. 1 EG) haben die Mitgliedstaaten die Verantwortung „für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems“. In Art. 165 Abs. 1 heißt es, dass „[d]ie Union … zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei[trägt], dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten … erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt“. Die Tätigkeit der Union hat zudem die „Förderung der Mobilität von Lernenden“(5) zum Ziel.

 Verordnung Nr. 1612/68

5.        Mit der Verordnung Nr. 1612/68 sollten die Freiheit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat gewährleistet und dadurch die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durchgeführt werden. Der erste Erwägungsgrund der Verordnung beschrieb als deren übergeordnetes Ziel die „Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen … sowie das Recht für diese Arbeitnehmer, sich vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen innerhalb der [Union] zur Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis frei zu bewegen“.

6.        Im dritten bzw. im vierten Erwägungsgrund hieß es, dass die Freizügigkeit „ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien“ ist und dass dieses Recht „Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern zu[steht], die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben“.

7.        Der fünfte Erwägungsgrund postulierte, dass, „[d]amit das Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde wahrgenommen werden kann, … sich die Gleichbehandlung tatsächlich und rechtlich auf alles erstrecken [muss], was mit der eigentlichen Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und mit der Beschaffung einer Wohnung im Zusammenhang steht; ferner müssen alle Hindernisse beseitigt werden, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in Bezug auf das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland“.

8.        Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmte, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten „die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer [genießt]“.

9.        Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 lautete:

„Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.

…“

 Richtlinie 2004/38

10.      Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG(6) regelt die Voraussetzungen, unter denen sich Unionsbürger für einen Zeitraum von über drei Monaten in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten dürfen. Er lautet:

„(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

…“

11.      Art. 24 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)       Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen … vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

 Nationales Recht

12.      In der WSF ist der Kreis der Personen festgelegt, die Finanzmittel für ein Studium in den Niederlanden und im Ausland erhalten können. Die Finanzmittel für ein Studium im Ausland werden als „meeneembare studiefinanciering“ (im Folgenden: MNSF) bezeichnet, d. h. „mitnehmbare“ Studienfinanzierung.

13.      Für die Hochschulausbildung in den Niederlanden steht eine Studienfinanzierung für Studierende zur Verfügung, die zwischen 18 und 29 Jahre alt sind, an einer entsprechend bestimmten oder anerkannten Bildungseinrichtung studieren und eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung erfüllen(7). Diese Staatsangehörigkeitsvoraussetzung ist in Art. 2.2 geregelt. In Betracht kommen i) niederländische Staatsangehörige, ii) Angehörige anderer Staaten, die aufgrund eines Vertrags oder des Beschlusses einer internationalen Organisation auf dem Gebiet der Studienfinanzierung einem niederländischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind, und iii) Angehörige anderer Staaten, die in den Niederlanden wohnen und aufgrund einer allgemeinen Verwaltungsmaßnahme einer Gruppe von Personen angehören, die auf dem Gebiet der Studienfinanzierung niederländischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind.

14.      Die zweite Gruppe umfasst in den Niederlanden wirtschaftlich aktive Unionsbürger und ihre Familienangehörigen. Sie brauchen nicht in den Niederlanden wohnhaft gewesen zu sein, um für eine Finanzierung dieser Art in Frage zu kommen. Grenzarbeitnehmer und ihre Familienangehörigen sind daher erfasst. Die dritte Gruppe umfasst Unionsbürger, die in den Niederlanden nicht wirtschaftlich aktiv sind. Sie kommen nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in den Niederlanden für eine Finanzierung in Betracht.

15.      Zur Finanzierung einer Hochschulausbildung außerhalb der Niederlande muss der Studierende die Voraussetzungen für die Finanzierung eines Studiums in den Niederlanden erfüllen und muss sich nach Art. 2.14 Abs. 2 Buchst. c WSF darüber hinaus mindestens drei der sechs Jahre, die der Einschreibung an einer ausländischen Bildungseinrichtung vorangegangen sind, rechtmäßig in den Niederlanden aufgehalten haben. Dieses Erfordernis gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Studierenden.

16.      Sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, können die Studierenden nacheinander zuerst eine Studienfinanzierung für das Studium in den Niederlanden und dann MNSF für ein Studium im Ausland beantragen.

17.      Bis zum 1. Januar 2014 findet die Drei-von-sechs-Jahren-Regel keine Anwendung auf Studierende gleich welcher Staatsangehörigkeit, die eine Hochschulausbildung in den „Grenzgebieten“ der Niederlande (Flandern und Region Brüssel-Hauptstadt in Belgien sowie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen in Deutschland) absolvieren.

18.      Die MNSF setzt sich aus vier Elementen zusammen: i) Grundbetrag, d. h. ein monatlicher Fixbetrag, der sich danach richtet, ob der Studierende zu Hause oder nicht zu Hause wohnt, nebst einem Reisekostenzuschlag und einem weiteren Zuschlag, wenn der Studierende einen Partner hat oder alleinerziehend ist, ii) Zusatzbetrag, der sich nach dem Einkommen und den Beiträgen der Eltern des Studierenden richtet, bis zu einer bestimmten Obergrenze, iii) Grunddarlehen, falls ein solches beantragt wird, bis zu einer bestimmten Obergrenze und iv) Darlehen für Studiengebühren, falls ein solches beantragt wird, das grundsätzlich auf den Höchstbetrag der Gebühr begrenzt ist, die eine niederländische Bildungseinrichtung für gleichwertigen Unterricht verlangen könnte.

19.      Der Grundbetrag, der Zusatzbetrag (außer im ersten Studienjahr) und der Reisekostenzuschlag werden als Darlehen gewährt. Sie wandeln sich in Beihilfen um, wenn die Ausbildung innerhalb von zehn Jahren nach Studienbeginn abgeschlossen wird.

20.      Der Höchstbetrag für MNSF ausschließlich der Zuschläge liegt zwischen 739,15 Euro bis 929,69 Euro monatlich, je nachdem, ob der Studierende zu Hause oder nicht zu Hause wohnt. Die gleichen Obergrenzen gelten für Finanzmittel für ein Studium in den Niederlanden.

 Verfahren

21.      Nach Durchführung eines regulären Vorverfahrens beantragt die Kommission, festzustellen, dass das Königreich der Niederlande dadurch Wanderarbeitnehmer mittelbar diskriminiert und gegen seine Verpflichtungen aus Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßen hat, dass Wanderarbeitnehmer, einschließlich Grenzarbeitnehmern, und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ein Wohnsitzerfordernis (d. h. die Drei-von-sechs-Jahren-Regel) erfüllen müssen, um im Rahmen der WSF für eine Studienfinanzierung für ein Studium im Ausland in Betracht zu kommen, sowie dem Königreich der Niederlande die Kosten aufzuerlegen.

22.      Die niederländische Regierung beantragt, die Klage abzuweisen und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

23.      Die belgische, die dänische, die deutsche und die schwedische Regierung sind dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Niederlande beigetreten.

24.      In der Sitzung vom 10. November 2011 haben die Parteien und alle Streithelfer mündliche Ausführungen gemacht.

 Würdigung

 Vorbemerkungen

25.      Die Kommission hat ihre Rüge durchweg auf Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 beschränkt. Sie macht geltend, im Rahmen der MNSF würden in den Niederlanden erwerbstätige Wanderarbeitnehmer und deren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen mittelbar diskriminiert. Die Kommission rügt keinen Verstoß unter dem Gesichtspunkt von Art. 24 der Richtlinie 2004/38, Art. 21 AEUV oder einer sonstigen unionsrechtlichen Bestimmung über die Rechte aus der Unionsbürgerschaft.

26.      Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 ist eine Ausprägung des in Art. 45 AEUV enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem Gebiet der Gewährung sozialer und steuerlicher Vergünstigungen und daher in gleicher Weise auszulegen(8). Soweit also eine Maßnahme zur Regelung des Zugangs zu einer sozialen Vergünstigung gegen Art. 7 Abs. 2 verstößt, weil durch sie Wanderarbeitnehmer weniger günstig behandelt werden als inländische Arbeitnehmer, ist sie zwangsläufig auch mit Art. 45 AEUV unvereinbar. Jedoch selbst wenn sie mit Art. 7 Abs. 2 vereinbar ist, kann sie trotzdem gegen Art. 45 AEUV verstoßen(9). Ich werde deshalb das Wohnsitzerfordernis zunächst anhand von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 untersuchen. Verstößt es gegen Art. 7 Abs. 2, ist es gleichfalls nach Art. 45 AEUV verboten.

27.      Die Niederlande, unterstützt durch die als Streithelfer auftretenden Mitgliedstaaten, vertreten die Auffassung, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht einschlägig sei. Hilfsweise machen die Niederlande geltend, dass das Wohnsitzerfordernis Wanderarbeitnehmer nicht mittelbar diskriminiere.

28.      Im Übrigen tragen die Niederlande und die als Streithelfer auftretenden Mitgliedstaaten vor, dass das Wohnsitzerfordernis aus zwei Gründen gerechtfertigt sei. Erstens diene es zur Eingrenzung der gewünschten Zielgruppe von Studierenden, nämlich derjenigen, die ohne MNSF in den Niederlanden studieren würden und, wenn sie im Ausland studierten, wieder in die Niederlande zurückkehrten. Zweitens werde durch das Wohnsitzerfordernis verhindert, dass die Regelung zu einer übermäßigen finanziellen Belastung werde, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der gewährten Finanzierung haben könne. Der Gerichtshof habe diese Zielsetzung im Urteil Bidar zugelassen und ihre Zulässigkeit im Urteil Förster bestätigt(10).

 Verstößt das Wohnsitzerfordernis grundsätzlich gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68?

 Begünstigte der Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68

29.      Die Niederlande machen geltend, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 auf unterhaltsberechtigte Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern unabhängig von ihrem Wohnsitz grundsätzlich keine Anwendung finde. Es bestehe zwar eine Ausnahme in Fällen einer unmittelbaren Diskriminierung der Kinder von Wanderarbeitnehmern. Im Allgemeinen werde dieser Personenkreis jedoch nicht von Art. 7 Abs. 2, sondern von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 erfasst. Art. 12 sei nämlich eine besondere Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots, da er auf Kinder und auf den Zugang zum allgemeinen Unterricht sowie zur Lehrlings- und Berufsausbildung anzuwenden sei. Wollte man Art. 7 Abs. 2 dahin verstehen, dass er auf Kinder von Wanderarbeitnehmern anzuwenden sei, bestehe die Gefahr, dass das in Art. 12 niedergelegte Wohnsitzerfordernis bedeutungslos werde.

30.      Nach Ansicht der Kommission bestätigt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Art. 7 Abs. 2 auf alle unterhaltsberechtigten Familienangehörigen von Wanderarbeitnehmern Anwendung finde.

31.      Ich stimme der Kommission zu.

32.      Unmittelbare Begünstigte des durch Art. 7 Abs. 2 garantierten Rechts auf Gleichbehandlung sind die Angehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig sind. Zu diesem Personenkreis gehören auch Grenzarbeitnehmer, die begriffsnotwendig nicht im Aufnahmemitgliedstaat wohnen(11). Somit brauchen die Arbeitnehmer nicht am Ort ihrer Erwerbstätigkeit zu wohnen, um den Schutz aus Art. 7 Abs. 2 zu genießen; das Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 hängt auch nicht davon ab, wo die soziale Vergünstigung tatsächlich in Anspruch genommen wird.

33.      Unterhaltsberechtigte Familienangehörige eines Wanderarbeitnehmers sind mittelbare Begünstigte des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 7 Abs. 2, da ihre Diskriminierung bei der Gewährung einer sozialen Vergünstigung auch eine Diskriminierung des Wanderarbeitnehmers darstellt, der dann nämlich den Familienangehörigen unterstützen muss. Der Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass dieser Kreis der mittelbar Begünstigten die unterhaltsberechtigten Familienangehörigen in absteigender und in aufsteigender Linie sowie die Ehegatten des Arbeitnehmers umfasst(12). Um den Schutz aus Art. 7 Abs. 2 zu genießen, brauchen sie nicht in dem Mitgliedstaat zu wohnen, in dem der Wanderarbeitnehmer beschäftigt ist(13).

34.      Der Begriff „soziale Vergünstigungen“ in Art. 7 Abs. 2 umfasst die Finanzierung eines Hochschulstudiums, das vom Wanderarbeitnehmer oder seinen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen absolviert wird(14). Im vorliegenden Fall wollen sich möglicherweise gerade unterhaltsberechtigte Kinder von in den Niederlanden erwerbstätigen Wanderarbeitnehmern um MNSF für ein Studium außerhalb der Niederlande bewerben.

35.      Die Niederlande berufen sich vor allem auf den Umstand, dass es in den Fällen, in denen der Gerichtshof die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 auf Kinder von Wanderarbeitnehmern bejaht habe, stets um eine unmittelbare Diskriminierung gegangen sei. Anders als die Niederlande halte ich jedoch eine Auslegung für unlogisch, bei der der persönliche Geltungsbereich eines Gleichbehandlungsgebots von der Art der jeweiligen Diskriminierung abhängig gemacht wird. Meines Erachtens ist es daher unerheblich, ob die gerügte Diskriminierung unmittelbar oder mittelbar ist.

36.      Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 verleiht den Wanderarbeitnehmerkindern selbst ein gesondertes, eigenständiges Recht.

37.      Nach dieser Vorschrift muss der Aufnahmemitgliedstaat den Kindern von Wanderarbeitnehmern Zugang zum allgemeinen Unterricht sowie zur Lehrlings- und Berufsausbildung gewähren. Art. 12 ist auch auf Kinder anwendbar, die außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats am Unterricht teilnehmen(15).

38.      Art. 12 findet ausdrücklich Anwendung auf „[d]ie Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist“, und die „im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen“. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verleiht Art. 12 den Kindern, die in einem Mitgliedstaat seit einem Zeitpunkt wohnen, zu dem ihr Elternteil dort als Wanderarbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht hatte, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat, um dort am allgemeinen Unterricht teilzunehmen(16). Dieses Recht steht dem Kind unabhängig davon zu, ob der Elternteil die Stellung eines Wanderarbeitnehmers in dem Aufnahmemitgliedstaat beibehält(17).

39.      Um sich auf Art. 12 berufen zu können, braucht das Kind auch nicht nachzuweisen, dass es Unterhalt vom Wanderarbeitnehmer erhält. Falls der Elternteil kein Wanderarbeitnehmer mehr ist, dem das Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 7 Abs. 2 zusteht, oder falls er dem Kind keinen Unterhalt mehr gewährt, kann das Kind gleichwohl aus eigenem Recht Zugang zu sozialen Vergünstigungen der in Art. 12 bezeichneten Art und unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats beanspruchen, sofern es in diesem Mitgliedstaat wohnt(18).

40.      Im Gegensatz zu den Niederlanden bin ich nicht der Auffassung, dass, nur weil Art. 12 ausdrücklich einen bestimmten, umgrenzten Kreis von Familienmitgliedern als unmittelbare Begünstigte regelt, der persönliche Geltungsbereich von Art. 7 Abs. 2 zwangsläufig dahin zu verstehen ist, dass die zu diesem Kreis gehörenden Personen als mittelbare Begünstigte ausscheiden. Zur Begründung ihrer Ansicht berufen sich die Niederlande auf eine Reihe von Urteilen. In keinem dieser Urteile wird jedoch die Frage entschieden, ob Art. 7 Abs. 2 unterhaltsberechtigte Familienangehörige eines Wanderarbeitnehmers schützt, die finanzielle Unterstützung für die Hochschulausbildung beantragen.

41.      In der Rechtssache Brown wurde dem Kläger der Schutz aus Art. 7 Abs. 2 versagt, weil er den Status eines Wanderarbeitnehmers nur dadurch erlangt hatte, dass er im Aufnahmemitgliedstaat zu einem Studium zugelassen worden war(19). Er konnte keinen Schutz nach Art. 12 (und nach meiner Argumentation auch nicht als mittelbarer Begünstigter nach Art. 7 Abs. 2) in Anspruch nehmen, da keiner der beiden Elternteile nach seiner Geburt den Status eines Wanderarbeitnehmers hatte(20). Die Rechtssache Lair und die Rechtssache Matteucci hingegen betrafen die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 auf Klägerinnen, die selbst Wanderarbeitnehmerinnen waren(21).

42.      Im Urteil Casagrande hat der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits, bei dem das Kind eines Wanderarbeitnehmers am Ort der Beschäftigung des einen Elternteils wohnte, Art. 12 dahin ausgelegt, dass diese Bestimmung auch auf die allgemeinen Maßnahmen abzielt, die die Teilnahme am Unterricht erleichtern sollen(22). Ähnlich ging es in der Rechtssache di Leo(23) um die Anwendung von Art. 12 auf das Kind eines Wanderarbeitnehmers, das den Aufnahmemitgliedstaat verlassen hatte, um im Ausland zu studieren.

43.      Ich komme zu dem Ergebnis, dass unterhaltsberechtigte Familienangehörige, einschließlich Kindern, durch das Recht des Wanderarbeitnehmers auf Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 begünstigt werden. Dieses Ergebnis gilt unabhängig davon, wo die Familienangehörigen oder der Wanderarbeitnehmer wohnen und ob es sich um eine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung handelt.

 Besteht ein objektiver Unterschied zwischen in den Niederlanden wohnenden Arbeitnehmern und im Ausland wohnenden Arbeitnehmern?

44.      Nach Ansicht der Kommission werden in den Niederlanden erwerbstätige Wanderarbeitnehmer (einschließlich Grenzarbeitnehmern) und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen weniger günstig behandelt als niederländische Arbeitnehmer und deren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen.

45.      Die Niederlande wenden ein, dass zwischen in den Niederlanden wohnenden Arbeitnehmern und im Ausland wohnenden Arbeitnehmern ein objektiver Unterschied bestehe, da Letztere keiner Anreize für ein Auslandsstudium bedürften. Diese Argumentation impliziert, dass Wanderarbeitnehmer, die in den Niederlanden erwerbstätig sind und in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, sich in einer Situation befinden, die mit der Situation von in den Niederlanden erwerbstätigen und wohnenden Arbeitnehmern (und übrigens auch Wanderarbeitnehmern) nicht vergleichbar ist.

46.      Ich stimme den Niederlanden nicht zu.

47.      Eine Diskriminierung entgegen Art. 7 Abs. 2 liegt immer dann vor, wenn Wanderarbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation weniger günstig behandelt werden als inländische Arbeitnehmer. Um entscheiden zu können, ob dies der Fall ist, muss ermittelt werden, wer die Begünstigten der Gleichbehandlung sind und bei welchen konkreten Vergünstigungen ihnen dieses Recht auf Gleichbehandlung zusteht. Dabei ist bei der Prüfung, ob ein objektiver Unterschied zwischen den betreffenden Personenkreisen besteht, auf das Ziel der Regelung abzustellen, die die Ungleichbehandlung festsetzt(24). Ich füge hinzu, dass sich der geltend gemachte objektive Unterschied meines Erachtens im Allgemeinen aus einer rechtlichen oder tatsächlichen Unterscheidung ergeben muss, die nicht durch die fragliche rechtliche Regelung selbst geschaffen wird.

48.      Im vorliegenden Fall besteht die Vergünstigung in der Gewährung von Finanzmitteln für ein Studium in einem beliebigen Land außerhalb der Niederlande. Im Kontext von Art. 7 Abs. 2 genießen Wanderarbeitnehmer das Recht auf Gleichbehandlung.

49.      Es ist verhältnismäßig einfach, die Vergleichbarkeit der den folgenden beiden Personenkreisen zuzuordnenden Arbeitnehmer zu bejahen. Erstens sind in den Niederlanden wohnende und erwerbstätige Wanderarbeitnehmer eindeutig mit in den Niederlanden wohnenden und erwerbstätigen niederländischen Staatsangehörigen vergleichbar und in gleicher Weise wie diese zu behandeln. Zweitens sind in den Niederlanden erwerbstätige, aber im Ausland wohnende Wanderarbeitnehmer eindeutig mit in den Niederlanden erwerbstätigen, aber im Ausland wohnenden niederländischen Staatsangehörigen vergleichbar und in gleicher Weise wie diese zu behandeln.

50.      Die Niederlande wollen den Umstand, dass die beiden identifizierbaren Personenkreise bestehen, zur Begründung ihrer Auffassung heranziehen, dass zwischen diesen Personenkreisen kein Vergleich möglich sei – d. h., die Niederlande machen geltend, dass diejenigen, die in den Niederlanden wohnen, sich objektiv von denjenigen unterschieden, die außerhalb der Niederlande wohnen. Dies ist in gewisser Hinsicht natürlich richtig. In Amsterdam zu wohnen ist nicht das Gleiche wie in Paris zu wohnen. Handelt es sich hierbei jedoch um einen maßgebenden Unterschied, der objektiv eine Ungleichbehandlung rechtfertigt(25)?

51.      Dieser Auffassung bin ich nicht.

52.      Die Niederlande akzeptieren (zu Recht), dass Kinder von Wanderarbeitnehmern, die in den Niederlanden studieren wollen, zu genau den gleichen Bedingungen Zugang zu Finanzmitteln für ein solches Studium haben sollten wie niederländische Staatsangehörige, und zwar unabhängig davon, ob diese Wanderarbeitnehmer (und ihre unterhaltsberechtigten Kinder) in den Niederlanden oder im Ausland wohnen.

53.      Damit erkennen die Niederlande implizit an, dass zumindest einige Kinder von Wanderarbeitnehmern – ebenso wie die Kinder niederländischer Arbeitnehmer – geneigt sein könnten, in den Niederlanden zu studieren (unabhängig davon, ob sie derzeit dort wohnhaft sind), und dass sie Zugang zu Finanzmitteln für ein solches Studium haben sollten. Daraus ergibt sich meines Erachtens aber zwangsläufig, dass sich die Niederlande nicht mehr darauf berufen können, dass der Wohnort gleichsam automatisch dafür entscheidend ist, an welchem Ort der Wanderarbeitnehmer oder seine unterhaltsberechtigten Kinder studieren werden. Wenn diese Schlussfolgerung richtig ist, dann ist es aber nicht zulässig, den Wohnort als angeblich „objektives“ Unterscheidungsmerkmal für eine Ungleichbehandlung heranzuziehen. Im Gegenteil: Ein Wanderarbeitnehmer, der in den Niederlanden beschäftigt ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, lässt sich durchaus mit einem niederländischen Arbeitnehmer vergleichen, der in den Niederlanden wohnhaft und erwerbstätig ist.

 Führt das Wohnsitzerfordernis zu einer mittelbaren Diskriminierung?

54.      Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es in einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Beweise zu liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann. Dabei kann sich die Kommission nicht auf irgendeine Vermutung stützen(26).

55.      In der vorliegenden Rechtssache muss die Kommission dartun, dass Wanderarbeitnehmer und niederländische Arbeitnehmer unterschiedlich behandelt werden und dass dies zu Ergebnissen führt, wie sie bei Anwendung einer Staatsangehörigkeitsbedingung einträten.

56.      Die Kommission macht geltend, dass das Wohnsitzerfordernis gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoße, da es von inländischen Arbeitnehmern stets eher und einfacher erfüllt werden könne als von Wanderarbeitnehmern. In den Urteilen Meeusen(27) und Meints(28) sei festgestellt worden, dass ein Wohnsitzerfordernis begriffsnotwendig mittelbar diskriminierend sei. Das hier in Rede stehende Wohnsitzerfordernis sei jedenfalls insofern mittelbar diskriminierend, als es zwangsläufig Grenzarbeitnehmer und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ausschließe. Die Niederlande tragen unter Verweis auf die Urteile Sotgiu und Kaba II vor, dass ein Wohnsitzerfordernis nicht in jedem Fall diskriminierend sei(29).

57.      Ich schließe mich weder der einen noch der anderen oben vertretenen Auslegung der Rechtsprechung des Gerichtshofs an.

58.      Der Gerichtshof hat im Urteil Meeusen entschieden, dass „ein Mitgliedstaat die Gewährung einer sozialen Vergünstigung im Sinne des Artikels 7 nicht davon abhängig machen kann, dass der Begünstigte seinen Wohnsitz in diesem Staat hat“(30). Das Urteil Meeusen betraf ein unmittelbar diskriminierendes und deshalb verbotenes Wohnsitzerfordernis. Die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Meeusen beruhten ihrerseits auf dem Urteil Meints(31). Darin war der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das in jenem Fall streitige Wohnsitzerfordernis mittelbar diskriminierend sei, aber erst nach Prüfung der Frage gelangt, ob es von inländischen Arbeitnehmern einfacher erfüllt (und ob es gerechtfertigt) werden kann(32). Keines der beiden Urteile enthält daher die Feststellung, dass ein Wohnsitzerfordernis stets mittelbar diskriminierend ist.

59.      Allerdings lässt sich mit den Urteilen des Gerichtshofs in den Rechtssachen Sotgiu bzw. Kaba II auch nicht die gegenteilige Auffassung begründen, nämlich dass sich ein Wohnsitzerfordernis für Inländer und Ausländer, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, auch aufstellen lasse, ohne dass dies zu einer mittelbaren Diskriminierung führe. In der Rechtssache Sotgiu gehörten die betreffenden Arbeitnehmer unterschiedlichen Personenkreisen an, die danach definiert waren, ob für die Arbeitnehmer eine Verpflichtung zum Umzug bestand oder nicht. Der Gerichtshof hat deshalb entschieden, dass der Wohnsitz ein objektives Unterscheidungsmerkmal für eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern in objektiv unterschiedlichen Situationen darstelle. In der Rechtssache Kaba II hielt der Gerichtshof die Situation des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs besitzt, und des Ehegatten einer Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat“, für nicht vergleichbar, da in anderen innerstaatlichen Rechtsvorschriften als den streitigen eine Unterscheidung getroffen worden war(33).

60.      Gleichwohl bin ich mit der Kommission der Meinung, dass Wanderarbeitnehmer durch das Wohnsitzerfordernis mittelbar diskriminiert werden.

61.      Ein Erfordernis, das an einen früheren, derzeitigen oder zukünftigen Wohnsitz anknüpft (insbesondere wenn der Wohnsitz eine bestimmte Zeit lang bestanden haben muss), ist naturgemäß weniger geeignet, inländische Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats zu beeinträchtigen als Wanderarbeitnehmer, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden. Eine solche Bedingung unterscheidet nämlich immer zwischen Arbeitnehmern, die nicht umzuziehen brauchen, um sie zu erfüllen, und Arbeitnehmern, die hierzu umziehen müssen. Bei den erstgenannten Arbeitnehmern wird es sich in der Regel, wenn auch vielleicht nicht in allen Fällen, eher um Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats handeln.

62.      Die Drei-von-sechs-Jahren-Regel knüpft an einen früheren Wohnsitz von bestimmter Dauer an. Meines Erachtens sind niederländische Arbeitnehmer eher in der Lage, diese Bedingung zu erfüllen als in den Niederlanden wohnende Wanderarbeitnehmer.

63.      Es mag sein, dass durch ein solches Wohnsitzerfordernis nicht jeder Grenzarbeitnehmer diskriminiert wird(34). Dennoch dürfte eine erhebliche Anzahl von Grenzarbeitnehmern und ihren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen von der MNSF ausgeschlossen sein, weil die Familie gemeinsam in einem Grenzgebiet und damit außerhalb der Niederlande wohnt.

64.      Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass das Wohnsitzerfordernis eine nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 grundsätzlich verbotene mittelbare Diskriminierung darstellt.

 Ist das Wohnsitzerfordernis trotzdem gerechtfertigt?

65.      Wenn das Wohnsitzerfordernis eine nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verbotene mittelbare Diskriminierung darstellt, hat der Gerichtshof zu prüfen, ob es trotzdem gerechtfertigt ist. Hierzu müssen die Niederlande dartun, dass das Wohnsitzerfordernis a) der Verfolgung eines berechtigten Zwecks dient, der aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, b) geeignet ist, den verfolgten berechtigten Zweck zu verwirklichen (Geeignetheit), und c) nicht über das hinausgeht, was zur Verwirklichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (Verhältnismäßigkeit)(35).

66.      Die Niederlande machen geltend, dass das Wohnsitzerfordernis gerechtfertigt sei, da es geeignet sei und nicht über das hinausgehe, was erforderlich sei, um i) eine übermäßige finanzielle Belastung abzuwenden, die einträte, wenn die MNSF allen Studierenden zur Verfügung stünde (wirtschaftlicher Zweck), und gleichzeitig ii) zu gewährleisten, dass die MNSF ausschließlich denjenigen Studierenden zur Verfügung steht, die ohne eine solche Finanzierung eine Hochschulausbildung in den Niederlanden absolvieren würden und nach einem Auslandsstudium wahrscheinlich dorthin zurückkehren (gesellschaftlicher Zweck).

67.      Ehe ich unter dem Gesichtspunkt dieser beiden Zwecke jeweils einzeln die Frage der Rechtfertigung des Wohnsitzerfordernisses prüfe, möchte ich kurz auf die Grundsätze der Beweislastverteilung und der Beweisanforderungen eingehen. Dies ist nötig, weil beide Verfahrensbeteiligten diese Grundsätze im vorliegenden Fall nicht richtig angewendet haben.

68.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der beklagte Mitgliedstaat neben „den Rechtfertigungsgründen, die ein Mitgliedstaat geltend machen kann, … eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen beschränkenden Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen“(36). Es obliegt ihm daher, prima facie darzutun, dass die Maßnahme geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des/der mit ihr verfolgten Ziels/Ziele erforderlich ist.

69.      Diese Obliegenheit des beklagten Mitgliedstaats zum Beweis der Verhältnismäßigkeit „geht jedoch nicht so weit, dass er positiv belegen müsste, dass sich dieses Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen lasse“(37). Anders ausgedrückt: Der Mitgliedstaat ist nicht verpflichtet, einen negativen Beweis zu führen.

70.      Falls der beklagte Mitgliedstaat dartut, dass die streitige Maßnahme prima facie verhältnismäßig ist, obliegt es sodann der Kommission, die Untersuchung des Mitgliedstaats zu widerlegen, indem sie andere, weniger beschränkende Maßnahmen vorschlägt. Die Kommission darf es dabei nicht einfach bei einem Alternativvorschlag bewenden lassen. Sie muss außerdem erläutern, weshalb und inwiefern die Maßnahme zur Erreichung des/der angegebenen Ziels/Ziele geeignet und vor allem weshalb und inwiefern sie weniger beschränkend als die streitige Maßnahme ist. Ohne eine solche Erläuterung weiß der beklagte Mitgliedstaat nicht, wogegen er seine Einwände richten soll.

 Ist das Wohnsitzerfordernis durch den wirtschaftlichen Zweck gerechtfertigt?

–       Ist der wirtschaftliche Zweck ein berechtigter Zweck, der aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist?

71.      Die Niederlande bringen vor, dass das Wohnsitzerfordernis gerechtfertigt sei, da damit sichergestellt werden solle, dass die MNSF keine übermäßige finanzielle Belastung für die Gesellschaft mit sich bringe. In den Urteilen Bidar und Förster habe der Gerichtshof anerkannt, dass die Mitgliedstaaten berechtigterweise die finanziellen Konsequenzen ihrer Politiken berücksichtigen und daher als Voraussetzung für eine Studienfinanzierung ein gewisses Maß an Integration verlangen dürften(38). Nach den Schätzungen der Niederlande würde sich bei einer Abschaffung des Wohnsitzerfordernisses eine zusätzliche finanzielle Belastung von jährlich 175 Mio. Euro für die Bereitstellung von MNSF insbesondere für Kinder von Wanderarbeitnehmern und für Kinder niederländischer Staatsangehöriger ergeben, die entweder außerhalb der Niederlande lebten oder weniger als drei der vorangegangenen sechs Jahre in den Niederlanden gelebt hätten.

72.      Die Kommission führt aus, dass die Erwägungen in den Urteilen Bidar und Förster nicht auf Wanderarbeitnehmer übertragbar seien, da wirtschaftlich aktive Unionsbürger im Unionsrecht anders als wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger behandelt würden. Diese Differenzierung werde durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 bestätigt. Selbst wenn man den Niederlanden gestatten wollte, ein gewisses Maß an Verbundenheit zu verlangen, so belege der Status eines Wanderarbeitnehmers als solcher schon eine hinreichende Verbundenheit mit den Niederlanden, und der Gerichtshof habe im Urteil Bidar entschieden, dass ein Wohnsitzerfordernis in solchen Fällen unzulässig sei(39). Im Übrigen könnten bloße Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Haushalt nicht als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gelten.

73.      Ich stimme der Kommission zu.

74.      Dem Gerichtshof wird angetragen, die in den Urteilen Bidar und Förster enthaltenen Erwägungen zu wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern auf Wanderarbeitnehmer zu übertragen. Zunächst stellt sich jedoch die Frage: Was hat der Gerichtshof in den Urteilen Bidar und Förster eigentlich genau entschieden?

75.      In der Rechtssache Bidar wollte das Vereinigte Königreich das Erfordernis eines Wohnsitzes von drei Jahren damit rechtfertigen, dass sichergestellt werden müsse, dass i) die mittels Steuerzahlungen geleisteten Beiträge ausreichend seien, um die Gewährung der Finanzierung zu rechtfertigen, und ii) eine tatsächliche Verbindung zwischen dem die Finanzierung beantragenden Studenten und dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats bestehe(40). Dem lagen im Wesentlichen Bedenken zugrunde, dass Studierende aus der gesamten Union ins Vereinigte Königreich einreisen und umgehend Finanzmittel für ein Studium dort beantragen könnten.

76.      Im Hinblick auf den ersten Teil der Argumentation des Vereinigten Königreichs hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „es jedem Mitgliedstaat frei[steht], darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung wird, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren kann“(41). Somit sei es legitim, dass ein Mitgliedstaat eine Finanzierung „nur solchen Studenten gewährt, die nachgewiesen haben, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert haben“(42).

77.      Den zweiten Teil der Argumentation des Vereinigten Königreichs hat der Gerichtshof zurückgewiesen. Ein Mitgliedstaat dürfe die Gewährung einer Studienfinanzierung nicht von einer Verbindung des Studierenden zum Arbeitsmarkt abhängig machen. Der Gerichtshof hat im Wesentlichen entschieden, dass ein mittelbar diskriminierendes Wohnsitzerfordernis nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden könne, eine Finanzierung nur solchen Studenten zu gewähren, die im Aufnahmemitgliedstaat bereits erwerbstätig gewesen sind oder dort nach Abschluss des Studiums erwerbstätig sein werden. Die Ausbildung bestimme den Studierenden nämlich nicht zwangsläufig für einen gegebenen räumlichen Arbeitsmarkt(43). Im Gegensatz zur Kommission verstehe ich diesen Teil des Urteils Bidar nicht dahin, dass jedes Erfordernis eines Nachweises der Wanderarbeitnehmer für ein gewisses Maß an Verbundenheit mit dem Aufnahmemitgliedstaat unzulässig wäre. Der Gerichtshof hat diese Frage einfach gar nicht behandelt. Er hat lediglich das Argument zurückgewiesen, dass die Herstellung einer Verbindung zwischen Studienort und Beschäftigungsort ein Ziel sei, das eine mittelbare Diskriminierung rechtfertige.

78.      Im Weiteren hat der Gerichtshof ausgeführt, dass aus einem zuvor für eine gewisse Zeit bestehenden Wohnsitz das geforderte Maß an Verbundenheit hergeleitet werden könne(44). Die Eingrenzung der Gruppe der Empfänger durch ein Kriterium, aus dem sich eine gewisse Nähe zu dem finanzierenden Mitgliedstaat ablesen lasse, wie etwa ein zuvor bestehender Wohnsitz, sei daher eine geeignete Maßnahme, um sicherzustellen, dass die Gewährung von Finanzmitteln an Studierende aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung werde, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren könne.

79.      Die Niederlande verstehen das Urteil Förster offenbar als Bestätigung der Ausführungen im Urteil Bidar.

80.      Ich meine nicht, dass das Urteil Förster in diesem Sinne zu verstehen ist.

81.      Im Urteil Förster weist der Gerichtshof zunächst auf die Feststellung im Urteil Bidar hin, wonach es legitim ist, wenn ein Mitgliedstaat darauf achtet, dass die Gewährung einer sozialen Vergünstigung nicht zu einer übermäßigen Belastung wird, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte(45). Dies ist in der Tat das im Urteil Bidar als legitim anerkannte Ziel(46).

82.      Sodann führt der Gerichtshof – ebenfalls unter Verweis auf das Urteil Bidar – aus, dass es legitim ist, wenn ein Mitgliedstaat eine Beihilfe zur Deckung der Unterhaltskosten von Studierenden nur jenen gewährt, die nachweisen, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats integriert haben(47). Der Gerichtshof verweist auf die Passage im Urteil Bidar, in der es heißt, dass der Nachweis eines Studierenden, dass er sich bis zu einem gewissen Grad in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, als erbracht angesehen werden kann, wenn sich der betreffende Studierende dort für eine gewisse Zeit aufgehalten hat(48).

83.      Anschließend wendet der Gerichtshof diese Erwägungen auf den der Rechtssache Förster zugrunde liegenden Sachverhalt an. Er hatte die Frage zu entscheiden, ob das mittelbar diskriminierende Erfordernis eines fünfjährigen Aufenthalts „dadurch gerechtfertigt werden kann, dass der Aufnahmemitgliedstaat sich damit vergewissern möchte, dass Studierende aus anderen Mitgliedstaaten zu einem gewissen Grad im Inland integriert sind“(49). Im Urteil Förster prüft der Gerichtshof daher die Verhältnismäßigkeit des Wohnsitzerfordernisses im Hinblick auf das Ziel, sich über die Integration des Studierenden zu vergewissern, nicht jedoch im Hinblick auf das Ziel, den Zusammenbruch des bestehenden Fördersystems infolge der mit ihm verbundenen Kosten zu vermeiden(50).

84.      Dieses letztere Ziel hatte der Gerichtshof im Urteil Bidar jedoch nicht anerkannt. In jenem Urteil wurde das Erfordernis, einen Integrationsgrad nachzuweisen, als Mittel zur Abwendung einer übermäßigen finanziellen Belastung eingesetzt.

85.      Es wäre unglücklich, wenn eine flüchtige Lektüre des Urteils Förster zu einer Verwechslung von Mittel und Zweck führen würde. Es besteht die Gefahr, aus dem Urteil Förster herauszulesen, dass ein Mitgliedstaat ein Wohnsitzerfordernis aufstellen kann, ohne dass es darauf ankäme, ob damit darauf geachtet werden soll, dass die Bereitstellung einer sozialen Vergünstigung nicht die Stabilität der öffentlichen Finanzen beeinträchtigt, oder ob damit ein anderer berechtigter Zweck verfolgt werden soll, dessen Verfolgung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Dann könnten die Mitgliedstaaten nämlich versuchen, aus sozialpolitischen Gründen (Integration) eine weniger günstige Behandlung von (sei es wirtschaftlich aktiven, sei es wirtschaftlich nicht aktiven) Unionsbürgern zu rechtfertigen, indem sie Zugangskriterien wie Aufenthaltsdauer, Familienstand, Sprachkenntnisse, Diplome, Beschäftigung usw. anwenden, ohne zu begründen, weshalb die Verfügbarkeit einer Sozialleistung in dieser Weise beschränkt werden sollte.

86.      Unter Zugrundelegung der in diesem Sinne verstandenen Urteile Bidar und Förster wende ich mich der Frage zu, ob die Abwendung einer übermäßigen finanziellen Belastung, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Studienfinanzierung haben könnte, ein Zweck ist, der sich aus dem Kontext wirtschaftlich nicht aktiver Unionsbürger herauslösen lässt und zur Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern dienen kann.

87.      Meines Erachtens ist diese Frage zu verneinen.

88.      Ich räume ein, dass die finanzielle Belastung, die mit der umfassenden Bereitstellung einer sozialen Vergünstigung verbunden ist, deren Existenz und Gesamtniveau kompromittieren kann(51). In solchen Fällen stellen Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Haushalt logischerweise die Existenz und den Zweck der sozialen Vergünstigung selbst in Frage und können daher nicht völlig außer Acht gelassen werden. Andernfalls könnte es dazu kommen, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Formen sozialer Vergünstigungen überhaupt nicht mehr bereitstellen, was nicht im Allgemeininteresse liegt.

89.      Dennoch bin ich der Meinung, dass sich die Niederlande zur Rechtfertigung einer diskriminierenden Behandlung von Wanderarbeitnehmern und ihrer unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht auf Haushaltsbedenken berufen können. Soweit die MNSF an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, um die Ausgaben im tragbaren Rahmen zu halten, muss sich diese Last gleichermaßen auf Wanderarbeitnehmer und niederländische Arbeitnehmer verteilen.

90.      Wanderarbeitnehmer und ihre Familien genießen die Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, weil „die Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb der [Union] … für den Arbeitnehmer eines der Mittel sein [soll], die ihm die Möglichkeit einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen garantieren und damit auch seinen sozialen Aufstieg erleichtern, wobei gleichzeitig der Bedarf der Wirtschaft der Mitgliedstaaten befriedigt wird“(52). Deshalb müssen die Mitgliedstaaten alle Hindernisse beseitigen, die sich der Wahrnehmung der Freizügigkeit und der verwandten Rechte der Wanderarbeitnehmer entgegenstellen, einschließlich der Hindernisse in Bezug auf „das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland“(53).

91.      Meiner Meinung nach müssen die Mitgliedstaaten, sofern sie eine soziale Vergünstigung für ihre eigenen Arbeitnehmer − unabhängig davon, ob sie an Beitragsleistungen des Betreffenden anknüpft − bereitstellen, diese Vergünstigung zu gleichen Bedingungen auch Wanderarbeitnehmern gewähren. Beschränkungen, die gegebenenfalls bestehen, um die Finanzen intakt zu halten, müssen zu gleichen Bedingungen sowohl für inländische Arbeitnehmer als auch für Wanderarbeitnehmer gelten(54).

92.      Gewiss, der Gerichtshof hat ausgeführt, dass der Zweck, eine übermäßige finanzielle Belastung abzuwenden, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der gewährten Sozialhilfe haben könnte, eine Diskriminierung wirtschaftlich nicht aktiver Unionsbürger rechtfertigen kann. Meines Erachtens hat der Gerichtshof so entschieden, weil nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts noch nicht allen Unionsbürgern die volle Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Vergünstigungen garantiert ist.

93.      Vor der Einführung der Unionsbürgerschaft war in mehreren Richtlinien vorgesehen, dass Angehörige von Mitgliedstaaten, die nicht von einem wirtschaftlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch machten, das Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, unter der Bedingung hatten, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung sowie über „ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen“(55). Die Bedingung wurde gestellt, weil diese Staatsangehörigen „die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats nicht über Gebühr belasten [dürfen]“(56). Insbesondere beschränkte die Richtlinie 93/96 das Recht der Studenten, sich in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, und begründete keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsstipendien durch den Aufnahmemitgliedstaat(57).

94.      Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht wurden diese Staatsangehörigen – ungeachtet ihrer Tätigkeit – Unionsbürger(58). Aufgrund dieses Status haben sie das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Unionsrecht vorgesehenen Beschränkungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der Aufnahmemitgliedstaat eine gewisse finanzielle Solidarität mit Studierenden zeigen, die Angehörige eines anderen Mitgliedstaats sind und von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, sich in den Aufnahmemitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten(59).

95.      Mit der Richtlinie 2004/38 wurde ein Großteil der früheren Rechtsvorschriften und Rechtsprechung konsolidiert. Sie übernimmt die Unterscheidung zwischen Unionsbürgern, die von einem wirtschaftlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben, und anderen Unionsbürgern und behält den Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht vor, die letztgenannten Unionsbürger eine bestimmte Zeit lang zu diskriminieren. So sieht Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vor, dass bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Studierende ein Recht zum Daueraufenthalt in dem Mitgliedstaat erworben hat, in dem er studiert, der Aufnahmemitgliedstaat „[a]bweichend“ von der Verpflichtung, eigene Staatsangehörige und andere Unionsbürger gleichzubehandeln, nicht verpflichtet ist, dem Studierenden Studienbeihilfen in Form eines Stipendiums oder Darlehens zu gewähren. Der dem Urteil Bidar zugrunde liegende Sachverhalt liegt zwar vor dem Erlass der Richtlinie 2004/38, jedoch trägt die Urteilsbegründung der den Mitgliedstaaten gewährten Möglichkeit Rechnung, unter den genannten Umständen zu diskriminieren. Die Abweichung gilt allerdings nicht im Fall von „Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen“. Diese Personen sind vielmehr durch die allgemeine Regel des Gleichbehandlungsgebots geschützt.

96.      Ich gelange daher zu dem Ergebnis, dass der wirtschaftliche Zweck nicht als ein berechtigter Zweck angesehen werden kann, der aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Folglich kann das Verteidigungsvorbringen der Niederlande nur Erfolg haben, wenn der gesellschaftliche Zweck anerkannt werden kann.

97.      Für den Fall, dass sich der Gerichtshof meinem Ergebnis zum wirtschaftlichen Zweck nicht anschließen sollte, will ich jedoch noch kurz die Geeignetheit des Wohnsitzerfordernisses zur Verwirklichung dieses Zwecks sowie die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme untersuchen.

–       Ist das Wohnsitzerfordernis zur Verwirklichung des wirtschaftlichen Zwecks geeignet?

98.      Die Niederlande machen geltend, dass das Wohnsitzerfordernis ein geeignetes Mittel sei, um sicherzustellen, dass die MNSF nicht zu einer übermäßigen, untragbaren Finanzlast führe. Sie haben eine Studie vorgelegt, die ihrer Meinung nach belegt, dass die Abschaffung des Erfordernisses zu einer zusätzlichen Belastung in Höhe von ungefähr 175 Mio. Euro pro Jahr führen würde.

99.      Die Kommission äußert sich lakonisch dahin, dass sie „Zweifel“ hinsichtlich der Auffassung der Niederlande zur Geeignetheit der Maßnahme hege.

100. Auch wenn die Kommission keine überzeugenden Anstrengungen zur Widerlegung der von den Niederlanden angeführten Argumente und Beweise unternimmt, so obliegt es doch den Niederlanden, stichhaltig zu begründen, dass der Ausschluss von Studierenden, die sich weniger als drei von sechs Jahren in den Niederlanden aufgehalten haben, in einer Wechselbeziehung zu der übermäßigen finanziellen Belastung steht, die damit angeblich abgewendet werden soll. Insoweit muss nicht dargetan werden, dass das Wohnsitzerfordernis die geeignetste Maßnahme zur Erreichung des angegebenen Ziels ist(60).

101. Ich lasse das Argument der Niederlande gelten.

102. Mit dem Wohnsitzerfordernis wird zwangsläufig eine Gruppe potenzieller Anspruchsteller ausgeschlossen, womit die Kosten der MNSF begrenzt werden. Die Niederlande stellen sich offenbar auf den Standpunkt, dass die zusätzliche Belastung in Höhe von jährlich 175 Mio. Euro die MNSF‑Regelung in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung gefährden würde.

103. Ich sehe keinen Grund, diese Position in Frage zu stellen. Schließlich können die Mitgliedstaaten nach wie vor frei darüber befinden, ab welchem konkreten Niveau die Studienfinanzierung zu einer übermäßigen Belastung mit Auswirkungen auf das allgemeine Niveau der im Rahmen der Regelung gewährten Beihilfe wird. Die Einschätzung, wo diese Schwelle liegt, ist Sache der Mitgliedstaaten, nicht des Gerichtshofs.

104. Da die Kommission sich nicht bemüht hat, den Standpunkt der Niederlande zu erschüttern, komme ich zu dem Ergebnis, dass die Niederlande die Geeignetheit des Wohnsitzerfordernisses dargetan haben.

–       Ist das Wohnsitzerfordernis in Bezug auf den wirtschaftlichen Zweck verhältnismäßig?

105. Die Argumentationen der Verfahrensbeteiligten zur Verhältnismäßigkeit sind in der auf Veranlassung des Gerichtshofs durchgeführten mündlichen Verhandlung deutlicher geworden.

106. Im Wesentlichen sind die Verfahrensbeteiligten unterschiedlicher Meinung darüber, ob es verhältnismäßig ist, von Wanderarbeitnehmern, die bereits durch ihre Beschäftigung in den Niederlanden mit diesem Land verbunden sind, zusätzlich noch die Erfüllung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel zu verlangen.

107. Die Kommission macht geltend, dass der Status eines Wanderarbeitnehmers an sich schon für den Nachweis des verlangten Maßes an Verbundenheit ausreiche und die Niederlande darüber hinaus nicht noch ein Wohnsitzerfordernis aufstellen dürften. Als Alternativmaßnahme schlägt die Kommission die Abstimmung mit anderen Mitgliedstaaten vor. Die Niederlande tragen vor, dass der Status eines Wanderarbeitnehmers nicht genüge und dass keine Alternativmaßnahmen zur Verfügung stünden. Bei der Aufstellung des Wohnsitzerfordernisses hätten sie auch berücksichtigt, dass möglicherweise anderweitige Finanzierungsquellen sowie Beihilfen anderer Art verfügbar seien, dass andere Mitgliedstaaten mit der MNSF vergleichbare Finanzierungsregelungen an die Bedingung eines zuvor bestehenden Wohnsitzes knüpften und dass mit dem Wohnsitzerfordernis bestimmten Betrugsrisiken vorgebeugt werde.

108. Ich meine nicht, dass das Wohnsitzerfordernis verhältnismäßig ist.

109. Anders als die Niederlande bin ich der Ansicht, dass aus dem Umstand, dass der Gerichtshof im Urteil Förster das Erfordernis eines Aufenthalts von fünf Jahren als verhältnismäßig zugelassen hat, nicht folgt, dass im vorliegenden Fall die Drei-von-sechs-Jahren-Regel verhältnismäßig ist. Im Urteil Förster hat der Gerichtshof gestützt auf den Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 entschieden, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet sei, wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern, die sich nicht fünf Jahre lang rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat ununterbrochen aufgehalten haben, Studienbeihilfen zu gewähren(61). Im Gegensatz zum Generalanwalt(62) war der Gerichtshof offenbar nicht bereit, die Auffassung in Frage zu stellen, dass das verlangte Maß an Verbundenheit nicht mit anderen Mitteln nachgewiesen werden könne.

110. Aus Art. 24 Abs. 2 ergibt sich jedoch, dass die in der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Bedingung des fünfjährigen Aufenthalts Wanderarbeitnehmern und ihren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht vorgeschrieben werden kann.

111. Kann ein Mitgliedstaat angesichts dessen von solchen Personen einen dreijährigen Aufenthalt während der vorangegangenen sechs Jahre verlangen?

112. Meiner Meinung nach kann er das nicht.

113. Anders als die Niederlande verstehe ich das Urteil Bidar nicht im Sinne einer Billigung eines solchen Wohnsitzerfordernisses. In jenem Fall brauchte der Gerichtshof die Verhältnismäßigkeit nicht zu prüfen, da das Wohnsitzerfordernis in Verbindung mit den Regeln für die Erlangung des Status einer im Vereinigten Königreich auf Dauer ansässigen Person bewirkte, dass Herr Bidar, zu welchem Grad er auch immer tatsächlich integriert gewesen sein mag, niemals einen Anspruch auf Beihilfe zur Deckung seiner Unterhaltskosten erwerben konnte.

114. Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Wohnsitzerfordernisses bereitet hier insofern Schwierigkeiten, als die Verfahrensbeteiligten in ihrer Argumentation davon ausgehen, dass die Niederlande berechtigt seien, ein gewisses Maß an Verbundenheit zu verlangen, ohne zu berücksichtigen, dass es sich dabei um ein Mittel zum Zweck handelt.

115. Nach meinem Verständnis des Urteils Bidar muss jedoch bei der Untersuchung der Verhältnismäßigkeit des Wohnsitzerfordernisses beurteilt werden, ob die Niederlande dargetan haben, dass die Drei-von-sechs-Jahren-Regel nicht über das hinausgeht, was zur Vermeidung einer übermäßigen finanziellen Belastung erforderlich ist.

116. Die Niederlande haben in der Tat Beweise hierfür vorgelegt.

117. Der Betrag von 175 Mio. Euro pro Jahr beruht auf einer Risikoanalyse, in deren Rahmen die geschätzten zusätzlichen Kosten für die Finanzierung insbesondere der Kinder von Wanderarbeitnehmern (Gruppe 1) und der Kinder niederländischer Staatsangehöriger (Gruppe 2), die derzeit von der MNSF ausgeschlossen sind(63), berechnet werden. Die Abschaffung des Wohnsitzerfordernisses für die Kinder der Gruppe 2 soll danach Mehrkosten in Höhe von 132,1 Mio. Euro verursachen, d. h. fast das Dreifache der Kosten in Höhe von 44,5 Mio. Euro, die bei einer Abschaffung des Erfordernisses für Kinder der Gruppe 1 anfielen.

118. Diese Schätzungen beruhen auf einer Reihe von Annahmen, die bestenfalls zweifelhaft erscheinen. So schätzen z. B. die Verfasser der Studie bei der Berechnung der Zahl der Kinder der Gruppe 1, die außerhalb der Niederlande wohnen, dass zwischen 15 % und 30 % der osteuropäischen Wanderarbeitnehmer in den Niederlanden weiterhin bei ihren Familien in ihrem Herkunftsmitgliedstaat wohnen. Damit wird also unterstellt, dass diese Arbeitnehmer entweder jeden Tag oder weniger regelmäßig beruflich etwa von Warschau in die Niederlande pendeln. Dennoch findet der Umstand, dass diese Wanderarbeitnehmer als Berufspendler möglicherweise mehr Tage pro Woche in den Niederlanden als im Herkunftsmitgliedstaat verbringen, bei der Beurteilung der Frage, ob sie in den Niederlanden wohnhaft sind, keine Berücksichtigung. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Verfasser der Studie davon ausgehen, dass die Kinder von Grenzarbeitnehmern in dem Grenzgebiet studieren, in dem sie wohnen. Offenbar erfolgt also keine Berichtigung im Hinblick auf die Kinder von Wanderarbeitnehmern und die Kinder von im Ausland – in einem Grenzgebiet oder anderenorts – wohnenden niederländischen Staatsangehörigen, die Anspruch auf den Bezug von MNSF für ein Studium in einem Grenzgebiet haben.

119. Abgesehen von diesen Bedenken hinsichtlich der angewendeten Methodologie kommen die Kinder der Gruppe 1 und der Gruppe 2 für die Finanzierung eines Studiums in den Niederlanden in Betracht, obwohl sie nicht dort wohnhaft sind. Die Niederlande haben freiwillig die mit der Finanzierung solcher Studierenden verbundene Belastung bis zu bestimmten Höchstbeträgen übernommen. Für die Finanzierung eines Studiums in den Niederlanden und für die Finanzierung eines Studiums im Ausland gelten dieselben Höchstbeträge. Die Niederlande haben keine Erklärung dafür gegeben, weshalb dieselbe finanzielle Belastung hingenommen werden kann, wenn sie ein Studium in den Niederlanden betrifft, im Rahmen der MNSF jedoch übermäßig sein soll(64).

120. Sollte der Gerichtshof entscheiden, dass die Niederlande ein gewisses Maß an Verbundenheit auch unabhängig von Bedenken wegen der mit der MNSF verbundenen Kosten verlangen kann, bin ich der Meinung, dass es gleichwohl unverhältnismäßig ist, von einem Wanderarbeitnehmer und seinen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen die Erfüllung der Drei-von-sechs-Jahren-Regel zu verlangen.

121. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass ein Wohnsitzerfordernis unverhältnismäßig sein kann, wenn es zu einseitig ist, weil es „einem Umstand unangemessen hohe Bedeutung bei[misst], der nicht zwangsläufig für den tatsächlichen und effektiven Grad der Verbundenheit … mit diesem Mitgliedstaat repräsentativ ist, und … jeden anderen repräsentativen Umstand aus[schließt]“(65). Um eine Verhältnismäßigkeit bejahen zu können, müssen die betreffenden, die Verbundenheit begründenden Umstände außerdem im Voraus bekannt sein, und es ist die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs vorzusehen(66).

122. Meines Erachtens haben die Niederlande nicht überzeugend dargelegt, weshalb nicht entweder durch ein flexibleres Wohnsitzerfordernis als die Drei-von-sechs-Jahren-Regel oder durch Berücksichtigung anderer Umstände, an denen sich ein vergleichbares Maß an Verbundenheit ablesen lässt, etwa ein Beschäftigungsverhältnis, dasselbe Ziel auf weniger beschränkende Weise erreicht würde. Insbesondere haben sie nicht dargelegt, weshalb sie akzeptieren, dass ein Unionsbürger, der drei von sechs Jahren in den Niederlanden gewohnt hat, stets und unabhängig von seiner Integration in die Gesellschaft hinreichend mit den Niederlanden verbunden ist, hingegen von vornherein die Möglichkeit zurückweisen, dass der Status eines Wanderarbeitnehmers zum Nachweis des verlangten Maßes an Verbundenheit des Betreffenden mit den Niederlanden dienen könnte.

123. Das übrige Vorbringen der Niederlande lässt mich zu keinem anderen Ergebnis kommen.

124. Anders als die Niederlande halte ich es für unerheblich, dass Studierenden, die von der MNSF ausgeschlossen sind, gegebenenfalls anderweitige Finanzierungsquellen für ein Studium außerhalb der Niederlande oder außerhalb ihres Herkunftsmitgliedstaats zur Verfügung stehen oder dass andere Mitgliedstaaten die Finanzierung eines Auslandsstudiums von ähnlichen Erfordernissen abhängig machen. Der Umstand, dass Studierende bei den Niederlanden Finanzmittel für ein dortiges Studium beantragen oder dass sie allgemein zur Verfügung stehende Steuervergünstigungen und andere Leistungen im Zusammenhang mit einem Auslandsstudium beanspruchen können, ändert nichts an der diskriminierenden Behandlung, die ihnen im Rahmen der MNSF widerfährt. Außerdem hat es, wie die Kommission entgegnet, den Anschein, dass diese alternativen Leistungen nicht so umfangreich wie die MNSF sind; die Tatsache, dass sie zur Verfügung stehen, besagt auch nicht, dass das Wohnsitzerfordernis nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgeht. Ebenso wenig können die Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten etwas an einer von den Niederlanden vorgenommenen diskriminierenden Behandlung ändern. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mitgliedstaat eine rechtswidrige Maßnahme nicht damit rechtfertigen, dass andere Mitgliedstaaten die gleiche Maßnahme getroffen haben und möglicherweise in gleicher Weise gegen Unionsrecht verstoßen(67).

125. Des Weiteren machen die Niederlande geltend, das Wohnsitzerfordernis verhindere, i) dass im Ausland wohnende Studierende behaupten, nicht zu Hause zu wohnen und deshalb Anspruch auf einen höheren Beihilfebetrag zu haben, während sie tatsächlich noch zu Hause leben, und ii) dass Personen nach einer nominellen Beschäftigungszeit den Status eines Wanderarbeitnehmers erlangen, damit Anspruch auf MNSF haben und dann außerhalb der Niederlande (womöglich gar in ihrem Herkunftsmitgliedstaat) studieren.

126. Meines Erachtens handelt es sich in beiden Fällen nicht um MNSF‑spezifische Risiken. Beiderlei Risiken bestehen auch, wenn Studierende Finanzmittel für ein Studium in den Niederlanden beantragen. Die Niederlande haben vermutlich andere wirksame Lösungen für das gleiche Problem bei der Finanzierung solcher Inlandsstudien gefunden, da sie niederländischen Staatsangehörigen und Wanderarbeitnehmern gleichermaßen und unabhängig von ihrem Wohnsitz gewährt wird.

127. Im Übrigen können die Niederlande überprüfen, ob eine Person den Status eines Wanderarbeitnehmers(68) hat, und Maßnahmen treffen, um Rechtsmissbrauch und Betrug vorzubeugen, wobei die Umstände des Einzelfalls sowie die Unterscheidung zwischen der Inanspruchnahme einer rechtlich vorgesehenen Möglichkeit und einem Rechtsmissbrauch zu beachten sind(69).

128. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Niederlande nicht dargetan haben, dass das Wohnsitzerfordernis prima facie verhältnismäßig ist.

129. Der Vollständigkeit halber werde ich dennoch prüfen, ob die Kommission weniger beschränkende Maßnahmen aufgezeigt hat.

130. Die Kommission hat lediglich eine Alternative vorgeschlagen. Sie regt an, dass sich die Niederlande mit anderen Mitgliedstaaten abstimmen sollten. In diesem Zusammenhang bezieht sie sich auf meine Bemerkung in der Rechtssache Bressol, wonach der Aufnahmemitgliedstaat und der Herkunftsmitgliedstaat gemeinsam gehalten seien, sich bei Problemen infolge eines besonders hohen Zulaufs von Studenten aktiv um eine Verhandlungslösung zu bemühen(70).

131. Ich schließe mich der von den Niederlanden vertretenen Auffassung an, dass das Unionsrecht keine Abstimmungspflicht begründet. Vielmehr handelt es sich bei einer Abstimmung um eine Form der Zusammenarbeit, die die Zustimmung mindestens eines weiteren Mitgliedstaats erfordert. Wenn die Niederlande sich zur Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung auf einen berechtigten Zweck berufen dürfen, können die Mittel zur Verwirklichung dieses Zwecks nicht von der Zustimmung und Bereitschaft anderer Mitgliedstaaten zu einer Verhandlungslösung abhängen. Die Mitgliedstaaten bleiben für die Gestaltung ihres Bildungssystems verantwortlich. Durch Abstimmung mögen sich zwar einige der Schwierigkeiten ausräumen lassen, denen sich diejenigen Mitgliedstaaten gegenübersehen, die wie die Niederlande die Mobilität von Studierenden durch Finanzierung fördern wollen, eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, zu einer Abstimmung zu kommen, liefe indessen dem Grundkonzept von Art. 165 Abs. 1 AEUV zuwider. Eine Abstimmung stellt daher keine Alternativmaßnahme dar.

132. Im Übrigen hat die Kommission nicht dargelegt, inwiefern und weshalb die Möglichkeit einer Abstimmung die Unverhältnismäßigkeit des Wohnsitzerfordernisses belegen soll.

133. In ihrer Gegenerwiderung räumen die Niederlande anscheinend ein, dass die Kommission drei mögliche Maßnahmen aufgezeigt habe: geografische Beschränkung der Verwendbarkeit der MNSF, Beschränkung der Bezugszeit von MNSF sowie die Abstimmungsverpflichtung. Die erste und die zweite Möglichkeit werden jedoch in dem Abschnitt der von der Kommission eingereichten Erwiderung aufgeführt, in der die Kommission die Maßnahmen zusammenfasst, die die Niederlande selbst in ihrer Klagebeantwortung angesprochen und erörtert haben. Daher meine ich, dass diese Vorschläge nicht von der Kommission aufgezeigt worden sind. Zudem handelt es sich dabei genau genommen auch nicht um weniger beschränkende Maßnahmen. Es muss einem Mitgliedstaat freistehen, großzügige finanzielle Unterstützung für ein Studium an jedem beliebigen Ort der Welt anzubieten, vorausgesetzt, dass er seine unionsrechtlichen Verpflichtungen beachtet (und natürlich die finanzielle Verantwortung für die Kosten seiner großzügigen Regelung übernimmt).

–       Ergebnis

134. Ich gelange zu dem Ergebnis, dass die infolge des Wohnsitzerfordernisses vorliegende mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern und ihren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht durch den vom Gerichtshof im Urteil Bidar anerkannten wirtschaftlichen Zweck gerechtfertigt werden kann. Es bleibt jedoch noch zu untersuchen, ob das Wohnsitzerfordernis durch den von den Niederlanden angeführten gesellschaftlichen Zweck gerechtfertigt werden kann.

 Ist das Wohnsitzerfordernis durch den gesellschaftlichen Zweck gerechtfertigt?

–       Ist der gesellschaftliche Zweck ein berechtigter Zweck, der aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist?

135. Mit der MNSF soll die Mobilität der Studierenden aus den Niederlanden in andere Mitgliedstaaten erhöht werden. Es geht nicht um die Förderung der Mobilität zwischen zwei anderen Mitgliedstaaten als den Niederlanden oder aus einem anderen Mitgliedstaat in die Niederlande und auch nicht um die Finanzierung von Studierenden, die außerhalb der Niederlande wohnen und an ihrem Wohnort studieren wollen. Die MNSF ist Studierenden vorbehalten, die andernfalls in den Niederlanden studieren würden und die – wie die Niederlande meinen – im Fall eines Auslandsstudiums wahrscheinlich dorthin zurückkehren werden. Die Zielgruppe besteht daher aus Studierenden, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie mit ihren im Ausland gewonnenen Erfahrungen die niederländische Gesellschaft und (möglicherweise) den niederländischen Arbeitsmarkt bereichern.

136. Ich gestehe zu, dass dies ein legitimes Ziel ist. Dies scheint von der Kommission auch nicht bestritten zu werden.

137. Die „Förderung der Mobilität von Studierenden“ ist eines der Ziele der Union, dessen Bedeutung das Parlament und der Rat hervorgehoben haben(71). Es ist auch ein Ziel, das die Mitgliedstaaten legitimerweise bei der Gestaltung ihrer Bildungs- und Studienfinanzierungssysteme verfolgen können(72).

138. Ich räume auch ein, dass die Förderung der Mobilität der Studierenden dem Allgemeininteresse dient. Sie verstärkt die Vielfalt der Kulturen und Sprachen und führt zu einer breiteren beruflichen Entwicklung. Sie trägt damit zur Schaffung einer pluralistischen Gesellschaft in den Mitgliedstaaten und in der Union insgesamt bei.

139. In einer vollständig integrierten Union wäre es vielleicht nicht zulässig, den Zugang zu Finanzmitteln von einer voraussichtlichen Rückkehr eines Studierenden in den Herkunftsmitgliedstaat abhängig zu machen, da eine solche Bedingung die Freizügigkeit der Unionsbürger beschränken würde. Mangels einer Harmonisierung in diesem Bereich verbleibt den Mitgliedstaaten jedoch ein erheblicher Spielraum bei der Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Studienfinanzierung, vorausgesetzt, sie gehen dabei unionsrechtskonform vor.

140. Ich gehe daher davon aus, dass der gesellschaftliche Zweck ein berechtigter Zweck ist, der aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

–       Ist das Wohnsitzerfordernis zur Verwirklichung des gesellschaftlichen Zwecks geeignet?

141. Nach Ansicht der Niederlande ist das Wohnsitzerfordernis geeignet, sicherzustellen, dass die MNSF nur in die Zielgruppe fließt.

142. Die Kommission trägt hierzu nichts vor. Sie erklärt lediglich, dass sie „Zweifel“ hinsichtlich der von den Niederlanden vertretenen Auffassung hege.

143. Auch wenn die Kommission hier wiederum keine überzeugenden Anstrengungen zur Widerlegung des von den Niederlanden angeführten Arguments unternimmt, so obliegt es doch den Niederlanden, stichhaltig zu begründen, dass das Wohnsitzerfordernis zur Verwirklichung des angegebenen Zwecks geeignet ist(73).

144. Meines Erachtens ist dies den Niederlanden nicht gelungen.

145. Ich gebe zu, dass der Ort, an dem ein Studierender vor Aufnahme seines Studiums gewohnt hat, bei der Wahl des Studienorts eine gewisse Rolle spielen mag. Die Niederlande haben zwar keine Beweise zum Beleg einer solchen Wechselwirkung vorgelegt. Ich halte diese Unterlassung allerdings nicht für schädlich. Inwieweit eine Maßnahme tatsächlich oder potenziell zur Verwirklichung des angegebenen Zwecks beiträgt, lässt sich durch eine quantitative oder qualitative Analyse ermitteln. Im vorliegenden Fall bin ich der Meinung, dass eine qualitative Analyse genügt und dass das Argument in sich schlüssig ist.

146. Ich stimme den Niederlanden auch darin zu, dass das Wohnsitzerfordernis verhindert, dass Studierende die MNSF zum Studium an ihrem Wohnort verwenden, da außerhalb der Niederlande wohnende Studierende keinen Antrag auf MNSF stellen können.

147. Ich erkenne jedoch keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem Wohnort eines Studierenden vor Beginn der Hochschulausbildung und der Wahrscheinlichkeit seiner Rückkehr in diesen Mitgliedstaat nach Abschluss des Auslandsstudiums. Ich halte es nicht für ohne Weiteres wahrscheinlich, dass die Mehrheit der Studierenden, die in den Niederlanden wohnen und dann im Ausland studieren, zwangsläufig in die Niederlande zurückkehren und dort einen Wohnsitz begründen. Es mag Möglichkeiten geben, um dies zu fördern(74), aber es liegt nicht auf der Hand, dass der frühere Wohnort einen verlässlichen Anhaltspunkt für die Prognose des zukünftigen Wohn- und Beschäftigungsorts des Studierenden bietet.

148. Ich gelange zu dem Ergebnis, dass die Niederlande nicht dargetan haben, dass das Wohnsitzerfordernis zur Bestimmung der Gruppe von Studierenden geeignet ist, denen sie MNSF gewähren wollen.

149. Der Vollständigkeit halber will ich kurz prüfen, ob das Wohnsitzerfordernis in Bezug auf den gesellschaftlichen Zweck verhältnismäßig ist.

–       Ist das Wohnsitzerfordernis in Bezug auf den gesellschaftlichen Zweck verhältnismäßig?

150. Es obliegt den Niederlanden, darzutun, dass die Drei-von-sechs-Jahren-Regel nicht über das hinausgeht, was zur Bestimmung der Gruppe von Studierenden erforderlich ist, die andernfalls in den Niederlanden studieren würden und im Fall eines Auslandsstudiums wahrscheinlich dorthin zurückkehren(75).

151. Meines Erachtens ist das Vorbringen der Niederlande hierzu unzureichend.

152. Die Niederlande haben recht mit ihrem Vortrag, dass ein Erfordernis, die niederländische Sprache zu beherrschen oder das Abschlusszeugnis einer niederländischen Schule zu besitzen, keine wirksame Alternative wäre.

153. Niederländische Sprachkenntnisse sind nicht unbedingt ein verlässliches Indiz dafür, ob Studierende ohne MNSF in den Niederlanden studieren würden oder nach Abschluss eines Auslandsstudiums in die Niederlande zurückkehren. Ein Studierender, der Niederländisch spricht, mag sich für ein Studium in Antwerpen entscheiden, weil ihm die dortige Sprache vertraut ist. Womöglich entschließt er sich aber auch zu einem Studium in Paris, um seine Französischkenntnisse zu vertiefen, oder in Warschau, um Polnisch zu lernen.

154. Die gleichen Überlegungen gelten, wenn man von angehenden Studierenden ein Abschlusszeugnis einer niederländischen Schule verlangen wollte. Vorausgesetzt, dass ein niederländischer Schulabschluss in anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird und dass auch die Niederlande die Gleichwertigkeit ausländischer Abschlusszeugnisse akzeptieren, ist eine zwingende unmittelbare Wechselbeziehung zwischen dem Ort, an dem das Schulabschlusszeugnis erworben wurde, und der Frage, ob ein Studierender ohne MNSF in den Niederlanden studieren würde und nach Abschluss seines Auslandsstudiums dorthin zurückkehrt, kaum ersichtlich.

155. Außerdem scheinen beide diese Erfordernisse ebenfalls eine mittelbare Diskriminierung zu beinhalten und dürften Wanderarbeitnehmer in derselben Weise benachteiligen wie das Wohnsitzerfordernis.

156. Genügt es, dass die Niederlande zwei Maßnahmen anführen, die eindeutig kein verhältnismäßiges Mittel zur Verwirklichung des Zwecks darstellen (und im Übrigen ebenso diskriminierend wie das Wohnsitzerfordernis sind, wenn nicht sogar noch stärker diskriminieren), um darzutun, dass das Wohnsitzerfordernis die Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit erfüllt?

157. Die Frage ist meines Erachtens zu verneinen.

158. Als Partei, die die Beweislast trägt, müssen die Niederlande zumindest begründen, weshalb sie dem Erfordernis eines dreijährigen Aufenthalts während der vorangegangenen sechs Jahre unter Ausschluss aller anderen repräsentativen Umstände, wie (z. B.) eines Aufenthalts von kürzerer Dauer, den Vorzug geben oder weshalb die Zielgruppe nicht durch andere (möglicherweise weniger einschneidende) Maßnahmen, wie (z. B.) eine Regelung, wonach MNSF nicht für ein Studium am Wohnort verwendet werden darf, identifiziert werden kann.

159. Sollte der Gerichtshof dennoch zu der Auffassung gelangen, dass die Niederlande dargetan haben, dass das Wohnsitzerfordernis grundsätzlich verhältnismäßig ist, dann bin ich der Meinung, dass die Kommission keine anderen, weniger beschränkenden Maßnahmen aufgezeigt hat, die dasselbe bewirken. Nach ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen ist völlig unklar, ob sie solche Alternativen vorschlägt. Wenn sie ihr Vorbringen zur Abstimmung so verstanden wissen will, dass es auch bezüglich des gesellschaftlichen Zwecks gelten soll, ist es meines Erachtens aus den bereits dargelegten Gründen zurückzuweisen(76).

–       Ergebnis

160. Ich komme zu dem Ergebnis, dass die infolge des Wohnsitzerfordernisses vorliegende mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern und unterhaltsberechtigten Familienangehörigen grundsätzlich durch den von den Niederlanden angeführten gesellschaftlichen Zweck gerechtfertigt werden kann. Meines Erachtens haben die Niederlande jedoch nicht dargetan, dass das Wohnsitzerfordernis ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Verwirklichung dieses Zwecks ist. Meiner Meinung nach kann das Verteidigungsvorbringen der Niederlande daher keinen Erfolg haben.

 Ergebnis

161. Nach alledem sollte der Gerichtshof meines Erachtens

1.      feststellen, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstoßen hat, dass Wanderarbeitnehmer und unterhaltsberechtigte Familienangehörige ein Wohnsitzerfordernis erfüllen müssen, um im Rahmen der Wet Studiefinanciering für eine Studienfinanzierung für ein Studium im Ausland in Betracht zu kommen;

2.      dem Königreich der Niederlande die Kosten des Verfahrens auferlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Er hat sicherlich mit Hingabe studiert, wie sich aus einer seiner bezauberndsten zitierten Äußerungen ergibt: „Wenn ich ein wenig Geld erhalte, kaufe ich Bücher, und wenn etwas übrig bleibt, kaufe ich Lebensmittel und Bekleidung.“ Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in den Rechtssachen Morgan und Bucher (C‑11/06 und C‑12/06, Urteil vom 23. Oktober 2007, Slg. 2007, I‑9161, Nr. 43).


3 – Die Frist, der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission nachzukommen, lief am 15. Juni 2009 ab und damit vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Der Einfachheit halber und aus Gründen der Kohärenz werde ich auf Art. 45 AEUV Bezug nehmen. Im Übrigen ist der Wortlaut von Art. 39 EG und anderen einschlägigen Vertragsbestimmungen durch den Vertrag von Lissabon nicht geändert worden.


4 –      Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2). Durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141, S. 1) wurde die Verordnung Nr. 1612/68 mit Wirkung vom 16. Juni 2011 aufgehoben, also weit nach Ablauf der Frist, die die Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt hat. Der Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 der Verordnung Nr. 1612/68 blieb in der Verordnung Nr. 492/2011 unverändert.


5 –      Art. 165 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich (ex-Art. 149 Abs. 2 EG). Das Erasmus-Programm und andere Aktionsprogramme der Union im Bereich der allgemeinen Bildung beruhen auf den Art. 165 f. AEUV. Vgl. Beschluss Nr. 1720/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 über ein Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens (ABl. L 327, S. 45) in der durch den Beschluss Nr. 1357/2008/EG (ABl. L 350, S. 56) geänderten Fassung.


6 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, Berichtigung ABl. L 229, S. 35).


7 –      Art. 2.1 WSF.


8 –      Urteil vom 11. September 2007, Hendrix (C‑287/05, Slg. 2007, I‑6909, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9 –      Urteil vom 16. Juli 2009, Chamier-Glisczinski (C‑208/07, Slg. 2009, I‑6095, Randnr. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10 – Urteile vom 15. März 2005, Bidar (C‑209/03, Slg. 2005, I‑2119), und vom 18. November 2008, Förster (C‑158/07, Slg. 2008, I‑8507).


11 – Vierter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68 und Urteil vom 10. September 2009, Kommission/Deutschland (C‑269/07, Slg. 2009, I‑7811, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 –      Urteile Kommission/Deutschland (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung – Ehegatten), vom 15. September 2005, Ioannidis (C‑258/04, Slg. 2005, I‑8275, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung – Familienangehörige in absteigender Linie), und vom 12. Juli 1984, Castelli (261/83, Slg. 1984, 3199, Randnr. 12 – Familienangehörige in aufsteigender Linie).


13 –      Urteil vom 8. Juni 1999, Meeusen (C‑337/97, Slg. 1999, I‑3289, Randnr. 25). In jenem Fall ging es um ein unmittelbar diskriminierendes (weil ausschließlich für nichtniederländische Staatsangehörige geltendes) Wohnsitzerfordernis.


14 –      Urteil Meeusen (oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15 –      Urteil vom 13. November 1990, di Leo (C‑308/89, Slg. 1990, I‑4185, Randnr. 12).


16 –      Vgl. Urteile vom 17. September 2002, Baumbast und R (C‑413/99, Slg. 2002, I‑7091, Randnr. 63), und vom 23. Februar 2010, Teixeira (C‑480/08, Slg. 2010, I‑1107, Randnr. 46).


17 –      Urteile Teixeira (oben in Fn. 16 angeführt, Randnr. 51), und vom 23. Februar 2010, Ibrahim (C‑310/08, Slg. 2010, I‑1065, Randnr. 39).


18 –      Urteil vom 4. Mai 1995, Gaal (C‑7/94, Slg. 1995, I‑1031, Randnr. 30).


19 –      Urteil vom 21. Juni 1988 (197/86, Slg. 1988, 3205, Randnr. 28).


20 –      Urteil Brown (oben in Fn. 19 angeführt, Randnrn. 29 und 31).


21 –      Urteile vom 21. Juni 1988, Lair (39/86, Slg. 1988, 3161), und vom 27. September 1988, Matteucci (235/87, Slg. 1988, 5589). In der Rechtssache Lair hatte die Klägerin zwar im Aufnahmemitgliedstaat gearbeitet, allerdings nicht lange genug, um das (für Ausländer, nicht aber für Inländer) geltende Erfordernis zu erfüllen, vor Beantragung der Ausbildungsförderung fünf Jahre lang rechtmäßig erwerbstätig gewesen zu sein. In der Rechtssache Matteucci wurde unterstellt, dass es sich bei der Klägerin nicht einfach um das Kind eines Wanderarbeitnehmers handelte, sondern dass sie selbst einer tatsächlichen und echten Tätigkeit nachgegangen ist (vgl. Randnrn. 9 f. des Urteils).


22 –      Urteil vom 3. Juli 1974, Casagrande (9/74, Slg. 1974, 773, Randnr. 9).


23 –      Oben in Fn. 15 angeführt.


24 –      Urteil vom 18. November 2010, Kleist (C‑356/09, Slg. 2010, I‑11039, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25 – Einige Überlegungen zu den für das Recht auf Gleichbehandlung maßgeblichen und unmaßgeblichen Unterschieden finden sich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bartsch (C‑427/06, Urteil vom 23. September 2008, Slg. 2008, I‑7245, Nr. 44).


26 –      Urteil vom 24. März 2011, Kommission/Spanien (C‑400/08, Slg. 2011, I‑1915, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27 –      Oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 21.


28 –      Urteil vom 27. November 1997 (C‑57/96, Slg. 1997, I‑6689).


29 – Urteile vom 12. Februar 1974, Sotgiu (152/73, Slg. 1974, 153), und vom 6. März 2003, Kaba II (C‑466/00, Slg. 2003, I‑2219, im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Kaba II).


30 –      Oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 21.


31 –      Oben in Fn. 28 angeführt, Randnr. 51.


32 –      Urteil Meints (oben in Fn. 28 angeführt, Randnrn. 45 f.).


33 –      Vgl. die oben in Fn. 29 angeführten Urteile Sotgiu (Randnrn. 12 f.) und Kaba II (Randnr. 55).


34 – So mag beispielsweise das Kind eines Grenzarbeitnehmers aus irgendeinem Grund trotzdem in den Niederlanden wohnen oder vor dem Umzug zurück in den angrenzenden Mitgliedstaat lange genug in den Niederlanden gewohnt haben, um die Drei-von-sechs-Jahren-Regel zu erfüllen.


35 –      Urteil vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, Slg. 2010, I‑2177, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


36 –      Urteil vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich (C‑147/03, Slg. 2005, I‑5969, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).


37 –      Urteil vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien (C‑110/05, Slg. 2009, I‑519, Randnr. 66).


38 – Urteile Bidar und Förster (beide oben in Fn. 10 angeführt).


39 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 58).


40 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 55).


41 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 56). Im Urteil Morgan und Bucher (oben in Fn. 2 angeführt) hat der Gerichtshof festgestellt, dass diese Erwägungen auch für die Gewährung von Förderung durch einen Mitgliedstaat an Studierende gelten, die ein Studium in anderen Mitgliedstaaten absolvieren möchten (vgl. Randnr. 44).


42 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 57).


43 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 58).


44 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 59).


45 –      Urteil Förster (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 48).


46 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 56).


47 –      Urteil Förster (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 49).


48 –      Urteil Förster (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 50).


49 –      Urteil Förster (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 51).


50 –      Urteil Förster (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 54).


51 –      Urteil Bidar (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 56). Im Kontext der Gesundheitsleistungen sowie der Systeme der sozialen Sicherheit vgl. auch Urteile vom 16. Mai 2006, Watts (C‑372/04, Slg. 2006, I‑4325, Randnr. 103), und vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 50).


52 –      Dritter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68.


53 –      Fünfter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68.


54 – Damit will ich nicht sagen, dass es den Mitgliedstaaten unter allen Umständen verwehrt ist, von den Wanderarbeitnehmern ein gewisses Maß an Verbundenheit zu verlangen. Tatsächlich ist der von der niederländischen Regierung angeführte gesellschaftliche Zweck als Rechtfertigung dafür, ein gewisses Maß an Verbundenheit von allen Antragstellern zu verlangen, ein legitimes Ziel, das aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (siehe unten, Nrn. 135 bis 140).


55 –      Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. L 180, S. 26). Unter der gleichen Bedingung stand das Aufenthaltsrecht auch den aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Wanderarbeitnehmern und selbständigen Erwerbstätigen zu. Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/365/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen (ABl. L 180, S. 28). Vgl. auch Richtlinie 90/366/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. L 180, S. 30) und deren Nachfolgerechtsakt, Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. L 317, S. 59). Mit Ausnahme der Richtlinie 90/366, die der Gerichtshof bereits mit Urteil vom 7. Juli 1992, Rat/Parlament (C‑295/90, Slg. 1992, I‑4193), für nichtig erklärt hatte (vgl. Randnr. 21), wurden alle diese Richtlinien durch die Richtlinie 2004/38 aufgehoben.


56 –      Vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 90/364.


57 –      Art. 1 und 3 der Richtlinie 93/96.


58 –      Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, Slg. 2011, I‑1177, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


59 –      Urteil vom 20. September 2001, Grzelczyk (C‑184/99, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 44). Der Fall betraf die Gewährung des belgischen „Minimex“ (Existenzminimum) an einen Studenten im letzten Studienjahr, der in den vorangegangen drei Studienjahren für sich selbst hatte sorgen können.


60 –      Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Spanien (Urteil oben in Fn. 26 angeführt, Nr. 89).


61 –      Urteil Förster (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 55).


62 –      Schlussanträge von Generalanwalt Mazák in der Rechtssache Förster (Urteil oben in Fn. 10 angeführt, Nrn. 129 bis 135).


63 – Hierbei handelt es sich um die größten Gruppen von Personen, die bei einer Abschaffung des Wohnsitzerfordernisses für die MNSF in Betracht kämen. Der Schätzbetrag errechnet sich durch Multiplikation der geschätzten Anzahl dieser Personen mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Betrag, der sich aus dem Grundbetrag, dem Zusatzbetrag und dem Reisekostenzuschlag zusammensetzt.


64 – Es ist auch nicht bekannt, wie viele Studierende Finanzmittel für ein Studium in den Niederlanden erhalten und dann MNSF für ein Auslandsstudium beziehen. Vgl. auch oben, Nr. 16.


65 – Vgl. Urteile vom 21. Juli 2011, Stewart (C‑503/09, Slg. 2011, I‑6497, Randnr. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Morgan und Bucher (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Mazák in der Rechtssache Förster (Urteil oben in Fn. 10 angeführt, Nr. 133).


66 –      Urteil vom 23. März 2004, Collins (C‑138/02, Slg. 2004, I‑2703, Randnr. 72).


67 –      Urteil vom 20. Oktober 2005, Kommission/Schweden (C‑111/03, Slg. 2005, I‑8789, Randnr. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).


68 – Wanderarbeitnehmer „ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt“ und „während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält“. Damit scheiden Personen aus, die Tätigkeiten erbringen, „die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen“ (Urteil Meeusen, oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).


69 –      Urteil vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, Slg. 1999, I‑1459, Randnrn. 24 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).


70 –      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bressol (C‑73/08, Urteil vom 13. April 2010, Slg. 2010, I‑2735, Nr. 154).


71 – Vgl. Art. 149 Abs. 2 EG (jetzt Art. 165 Abs. 2 AEUV) sowie Empfehlung 2001/613/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juli 2001 über die Mobilität von Studierenden, in der Ausbildung stehenden Personen, Freiwilligen, Lehrkräften und Ausbildern in der Gemeinschaft (ABl. L 215, S. 30).


72 – Mitgliedstaaten kann daran gelegen sein, Studierende nach Abschluss ihres Auslandsstudiums zu einer Rückkehr in ihren Herkunftsmitgliedstaat zu veranlassen, wenn die Zahl der das Land verlassenden Studierenden größer ist als der Zustrom. Vgl. z. B. Working Group on Portability of Grants and Loans, Report to the Bologna Follow Up Group (http://www.ond.vlaanderen.be/hogeronderwijs/bologna/documents/WGR2007/Portability_of_grants_and_loans_final_report2007.pdf), S. 15, und Empfehlung 2006/961/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur transnationalen Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu Zwecken der allgemeinen und beruflichen Bildung: Europäische Qualitätscharta für Mobilität (ABl. L 394, S. 5), Anhang.


73 –      Siehe oben, Nr. 100.


74 – So könnte z. B. die Gewährung der Finanzierung unter der Auflage erfolgen, dass der Studierende in die Niederlande zurückkehren und dort eine gewisse Mindestzeit erwerbstätig sein muss.


75 –      Siehe oben, Nrn. 67 bis 70.


76 –      Siehe oben, Nrn. 130 bis 132.