Language of document : ECLI:EU:C:2008:749

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 18. Dezember 2008(1)

Rechtssache C‑420/07

Meletis Apostolides

gegen

David Charles Orams

und Linda Elizabeth Orams

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal, London)

„Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Gerichtliche Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Anwendung der Verordnung auf ein Urteil betreffend ein Grundstück, das in einem Teil der Republik Zypern belegen ist, in dem die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt“





I –    Einleitung

1.        Die Insel Zypern ist seit der Intervention türkischer Truppen im Jahr 1974 faktisch in einen griechisch-zyprischen Südteil und einen türkisch-zyprischen Nordteil geteilt. Die Republik Zypern ist von der Staatengemeinschaft völkerrechtlich als Staat anerkannt und vertritt de jure zwar Zypern als Ganzes, kontrolliert de facto aber nur den Südteil der Insel. Im Nordteil hat sich die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nord-Zypern (TRNZ) etabliert.(2)

2.        Obwohl die von den Vereinten Nationen und der EU unterstützten Verhandlungen über die Wiedervereinigung nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten, trat die Republik Zypern 2004 der Europäischen Union bei. Durch ein gesondertes Protokoll zum Beitrittsvertrag wurde die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands für die Teile der Insel ausgesetzt, über die die Republik Zypern keine Hoheitsmacht ausübt.

3.        Im Zuge der Teilung kam es zu Flucht und Vertreibung einer großen Zahl von Angehörigen beider Bevölkerungsgruppen. Viele Vertriebene beanspruchen Eigentum an Grundstücken, die sie zwangsweise räumen mussten.(3) Die von griechischen Zyprern verlassenen Grundstücke in der TRNZ gelten dort als an den Staat übergegangen. Die Behörden der TRNZ haben viele dieser Grundstücke an Private übertragen. Wie mit den Eigentumsansprüchen Vertriebener umgegangen werden soll, ist eine der ungeklärten Fragen bei den Verhandlungen über die Wiedervereinigung.

4.        In diesem sensiblen Kontext steht der Rechtsstreit zwischen Herrn Apostolides und dem britischen Ehepaar Orams. Dieses hat ein Grundstück in Nord-Zypern von einem privaten Veräußerer erworben. Herr Apostolides, dessen Familie aus dem Norden vertrieben wurde, beansprucht das Eigentum an diesem Grundstück. Auf seine Klage hin hat das Bezirksgericht von Nikosia, ein Gericht im griechisch-zyprischen Gebiet, die Orams zur Räumung des Grundstücks und zu verschiedenen Geldleistungen verurteilt. Herr Apostolides hat die Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidung im Vereinigten Königreich beantragt.

5.        Der mit dem Vollstreckungsverfahren befasste Court of Appeal wirft nun die Frage auf, ob Gerichte des Vereinigten Königreichs dazu nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(4) verpflichtet sind. Zweifel daran bestehen zum einen, weil sich die Entscheidung auf ein Grundstück in einem Gebiet Zyperns bezieht, in dem die Republik Zypern keine Hoheitsmacht ausübt und in dem die Anwendung des Gemeinschaftsrechts deswegen weitgehend ausgesetzt ist. Zum anderen ist es am Wohnort der Orams im türkisch-zyprischen Gebiet bei der Zustellung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke zu Unregelmäßigkeiten gekommen.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Protokoll Nr. 10 über Zypern

6.        Das der Beitrittsakte von 2003 beigefügte Protokoll Nr. 10 über Zypern(5) hat folgenden Wortlaut:

„DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –

IN BEKRÄFTIGUNG ihrer Entschlossenheit, eine umfassende Regelung der Zypern-Frage im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen herbeizuführen, und ihrer vorbehaltlosen Unterstützung der auf dieses Ziel ausgerichteten Bemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen,

IN DER ERWÄGUNG, dass eine derartige umfassende Regelung der Zypern-Frage noch nicht zustande gekommen ist,

IN DER ERWÄGUNG, dass es daher erforderlich ist, die Anwendung des Besitzstandes in den Teilen der Republik Zypern auszusetzen, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt,

IN DER ERWÄGUNG, dass diese Aussetzung im Falle einer Regelung der Zypern-Frage aufzuheben ist,

IN DER ERWÄGUNG, dass die Europäische Union bereit ist, die Bedingungen einer solchen Regelung im Einklang mit den Grundsätzen, auf denen die Europäische Union beruht, zu berücksichtigen,

IN DER ERWÄGUNG, dass festgelegt werden muss, unter welchen Bedingungen die einschlägigen Bestimmungen des EU-Rechts auf die Trennungslinie zwischen den oben genannten Landesteilen sowie den Landesteilen, in denen die Regierung der Republik Zypern eine tatsächliche Kontrolle ausübt, und der Östlichen Hoheitszone des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Anwendung finden,

IN DEM WUNSCH, dass der Beitritt Zyperns zur Europäischen Union allen zyprischen Bürgern zugute kommt und zum inneren Frieden und zur Aussöhnung beiträgt,

IN DER ERWÄGUNG, dass keine Bestimmung dieses Protokolls Maßnahmen ausschließt, die auf dieses Ziel ausgerichtet sind,

IN DER ERWÄGUNG, dass derartige Maßnahmen nicht die Anwendung des Besitzstandes gemäß den Bedingungen des Beitrittsvertrags in irgendeinem anderen Teil der Republik Zypern beeinträchtigen dürfen –

SIND ÜBER FOLGENDE BESTIMMUNGEN ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

(1) Die Anwendung des Besitzstandes wird in den Teilen der Republik Zypern ausgesetzt, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

(2) Der Rat entscheidet auf Vorschlag der Kommission einstimmig über die Aufhebung der in Absatz 1 genannten Aussetzung.

Artikel 2

(1) Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission einstimmig die Bedingungen für die Anwendung des EU-Rechts auf die Trennungslinie zwischen den in Artikel 1 genannten Landesteilen und den Landesteilen fest, in denen die Regierung der Republik Zypern eine tatsächliche Kontrolle ausübt.

(2) Die Grenzlinie zwischen der Östlichen Hoheitszone und den in Artikel 1 genannten Landesteilen gilt für die Dauer der Aussetzung der Anwendung des Besitzstandes nach Artikel 1 als Teil der Außengrenzen der Hoheitszonen im Sinne von Teil IV des Anhangs zum Protokoll über die Hoheitszonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern.

Artikel 3

(1) Keine Bestimmung dieses Protokolls schließt Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der in Artikel 1 genannten Landesteile aus.

(2) Derartige Maßnahmen dürfen nicht die Anwendung des Besitzstandes gemäß den Bedingungen des Beitrittsvertrags in anderen Teilen der Republik Zypern beeinträchtigen.

Artikel 4

Wenn es zu einer Regelung kommt, entscheidet der Rat einstimmig auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission über die im Hinblick auf die türkisch-zyprische Gemeinschaft vorzunehmenden Anpassungen der Modalitäten für den Beitritt Zyperns zur Europäischen Union.“

B –    Verordnung Nr. 44/2001

7.        Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 ist die Verordnung Nr. 44/2001 auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden.

8.        In Kapitel II der Verordnung sind die Regelungen über die gerichtliche Zuständigkeit niederlegt. In Abschnitt 6 dieses Kapitels sind Regelungen über die ausschließliche Zuständigkeit enthalten. Insbesondere sind gem. Art. 22 „[o]hne Rücksicht auf den Wohnsitz … ausschließlich zuständig:

1.       für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. …“

9.        Die Art. 33 bis 37 der Verordnung regeln die Anerkennung von Entscheidungen. Dabei stellt Art. 33 zunächst den Grundsatz auf, dass die Entscheidungen des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats ohne besonderes Verfahren anzuerkennen sind. Art. 34 und 35 regeln die Gründe, aus denen eine Anerkennung ausnahmsweise verweigert werden kann.

10.      Art. 34 lautet auszugsweise wie folgt:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

1.      die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (Ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;

2.      dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;

…“

11.      Art. 35 regelt, welche Bedeutung die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften für die Anerkennung hat:

„(1) Eine Entscheidung wird ferner nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II verletzt worden sind oder wenn ein Fall des Artikels 72 vorliegt.

(3) Die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats darf, unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 1, nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (Ordre public) im Sinne des Artikels 34 Nummer 1.“

III – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

12.      Nach dem Recht der Republik Zypern ist Herr Apostolides Eigentümer eines Grundstücks in Lapithos (Lapta) im Bezirk von Kyrenia (Girne), der in dem Gebiet der Republik Zypern liegt, über das die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt. Die Orams haben dieses Grundstück nach ihren Angaben im Jahr 2002 von einer dritten Person gekauft. Sie errichteten darauf ein Landhaus, das sie regelmäßig in den Ferien bewohnen.

13.      Herr Apostolides erhob Klage vor dem Bezirksgericht von Nikosia gegen Herrn und Frau Orams. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 lud das Gericht die Beklagten. Die Ladungsschriften, auf denen die Adresse der Orams im Vereinigten Königreich angegeben war, wurden Frau Orams am selben Tag auf dem Grundstück in Lapta durch einen Gerichtsvollzieher des Bezirksgerichts von Nikosia übergeben. Der Gerichtsvollzieher gab sich nicht als solcher zu erkennen, sondern teilte Frau Orams mit, er sei ein „Bote“ und wisse nicht, um welche Art Schriftstücke es sich handele.

14.      Die Ladungsschriften waren in griechischer Sprache verfasst, die im Nordteil nicht weit verbreitet, aber eine der Amtssprachen der Republik Zypern ist. Die Orams verstehen kein Griechisch. Frau Orams erkannte allerdings, dass die Dokumente rechtlicher und offizieller Natur waren.

15.      Der Kläger kann nach dem Recht der Republik Zypern ein Versäumnisurteil beantragen, wenn der Beklagte nicht innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks seine Verteidigungsbereitschaft dem Gericht gegenüber schriftlich anzeigt. Darauf wurde auf dem Deckblatt der Schriftstücks in griechischer Sprache hingewiesen. Die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ist eine Prozesshandlung, die kein Vorbringen über die Art und Weise der Verteidigung erfordert.

16.      Nach ihren eigenen Angaben unternahm Frau Orams am Freitag, dem 29. Oktober 2004, erste Schritte zur Ermittlung eines Rechtsanwalts, der sie vertreten konnte. Erst für den 2. November 2004 erhielt sie einen Termin für eine Beratung bei Rechtsanwalt Liatsos. An diesem Tag übersetzte ihr Herr Liatsos das verfahrenseinleitende Schriftstück in groben Zügen, teilte ihr jedoch mit, dass er sie nicht vertreten könne, da er keine anwaltliche Zulassung zur Vertretung vor den Gerichten der Republik Zypern habe. Er empfahl Frau Orams an Herrn Osman weiter, der als Anwalt an dem behaupteten Verkauf des Grundstücks beteiligt war, doch war dieser in Rente gegangen. Frau Orams konnte seine Tochter, die seine Kanzlei übernommen hatte, am 3. November 2004 treffen. Sie teilte Frau Orams mit, dass sie nicht zur Vertretung vor den Gerichten der Republik zugelassen sei. Frau Orams wurde sodann an Rechtsanwalt Gunes Mentes verwiesen.

17.      Erst für Freitag, den 5. November 2004, 17.00 Uhr, konnte Frau Orams einen Termin mit Herrn Mentes erhalten, der nach ihren Angaben einer der wenigen Rechtsanwälte im Nordteil mit einer anwaltlichen Zulassung zur Vertretung vor den Gerichten der Republik Zypern war und der die griechische Sprache einigermaßen verstand. Frau Orams beauftragte Herrn Mentes, sie und ihren Ehemann in dieser Angelegenheit rechtlich zu vertreten. Herr Mentes teilte Frau Orams mit, er werde am folgenden Montag, dem 8. November 2004, die Verteidigungsbereitschaft beim Bezirksgericht von Nikosia anzeigen.

18.      Nachdem am Dienstag, dem 9. November 2004, keine Anzeige der Verteidigungsbereitschaft bei Gericht vorlag, verurteilte das Gericht die Beklagten durch Versäumnisurteil,

1.      das Landhaus, den Swimmingpool und die Umzäunung, die sie auf dem Grundstück errichtet hatten, abzureißen,

2.      Herrn Apostolides sofort uneingeschränktes Eigentum am Grundstück einzuräumen,

3.      an Herrn Apostolides verschiedene Beträge als besonderen Schadensersatz und als Ersatz des monatlich entgehenden Gewinns (insbesondere Mieteinnahmen) zuzüglich der Zinsen bis zur vollständigen Durchführung des Urteils zu zahlen,

4.      jeden weiteren rechtswidrigen persönlichen oder durch Vertreter ausgeführten Eingriff in das Grundstück zu unterlassen und

5.      verschiedene Beträge als Prozesskosten und sonstige Ausgaben für das Verfahren zu zahlen (zuzüglich Zinsen auf diese Summen).

19.      Am 15. November 2004 wurden für Herrn und Frau Orams die Verteidigungsbereitschaft angezeigt und Anträge auf Aufhebung der Versäumnisurteile gestellt.

20.      Um die Aufhebung eines Versäumnisurteils zu erreichen, muss der Beklagte nach dem Recht der Republik Zypern eine vertretbare Verteidigung („arguable defence“) gegen das gegen ihn gerichtete Klagebegehren vorbringen. Am 19. April 2005 entschied das Bezirksgericht von Nikosia nach Beweisaufnahme und mündlicher Verhandlung, dass keine vertretbare Verteidigung gegen das Klagebegehren vorgebracht worden sei. Das Rechtsmittel der Orams gegen diese Entscheidung wurde am 21. Dezember 2006 vom Obersten Gerichtshof der Republik Zypern zurückgewiesen.

21.      Am 18. Oktober 2005 beantragte Herr Apostolides gemäß der Verordnung Nr. 44/2001 die Vollstreckung des Versäumnisurteils vom 9. November 2004 und der Entscheidung des Bezirksgerichts von Nikosia vom 19. April 2005. Am 21. Oktober 2005 ordnete ein Master der Queens Bench Division des High Court von England und Wales an, dass die Entscheidungen in England vollstreckbar seien.

22.      Gegen diese Anordnung legten die Orams erfolgreich einen Rechtsbehelf nach Art. 43 der Verordnung Nr. 44/2001 beim High Court (Richter Jack) ein. Hiergegen wandte sich Herr Apostolides mit einem Rechtsmittel nach Art. 44 der Verordnung Nr. 44/2001 zum Court of Appeal, der dem Gerichtshof mit Beschluss vom 19. Juni 2007 (eingegangen am 14. September 2007) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

1.      Schließt die Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil nach Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 der Akte über den Beitritt Zyperns zur EU von 2003 aus, dass ein mitgliedstaatliches Gericht eine von einem Gericht der Republik Zypern erlassene Entscheidung – wenn sich das Gericht im von der Regierung kontrollierten Gebiet befindet und die Entscheidung den Nordteil betrifft – anerkennt und vollstreckt, wenn diese Anerkennung und Vollstreckung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil– und Handelssachen begehrt wird, die Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstands ist?

2.      Berechtigt oder verpflichtet Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ein mitgliedstaatliches Gericht, die Anerkennung und Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu verweigern, wenn diese Entscheidung ein Grundstück in einem Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats betrifft, über das die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt? Verstößt eine solche Entscheidung insbesondere gegen Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001?

3.      Kann die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 – wenn sich das Gericht in einem Gebiet eines Staates befindet, über das die Regierung dieses Staates tatsächliche Kontrolle ausübt und die Entscheidung Land in diesem Staat betrifft, das in einem Gebiet dieses Staats belegen ist, über das die Regierung des Staates keine tatsächliche Kontrolle ausübt – mit der Begründung verweigert werden, die Entscheidung sei in der Praxis nicht dort vollstreckbar, wo das Grundstück belegen ist, obwohl die Entscheidung im von der Regierung kontrollierten Gebiet des Mitgliedstaats vollstreckbar ist?

4.      Kann sich ein Beklagter gemäß Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 der Vollstreckung eines originären Versäumnisurteils oder der Entscheidung über den Aufhebungsantrag mit der Begründung widersetzen, das verfahrenseinleitende Schriftstück sei ihm nicht rechtzeitig und in der Weise zugestellt worden, dass er sich vor Erlass des originären Versäumnisurteils hätte verteidigen können, wenn

–        gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil erlassen wurde,

–        der Beklagte daraufhin ein Rechtsbehelfsverfahren gegen das Versäumnisurteil vor dem ursprünglichen Gericht eingeleitet hat,

–        sein Rechtsbehelf nach Durchführung einer umfassenden und fairen Gerichtsverhandlung als erfolglos mit der Begründung abgewiesen wurde, er habe keine vertretbare Verteidigung gegen das Klagebegehren vorbringen können (was nach dem nationalen Recht erforderlich ist, bevor eine solche Entscheidung aufgehoben werden kann)?

Macht es einen Unterschied, wenn in der Gerichtsverhandlung nur die Klageerwiderung des Beklagten geprüft wurde?

5.      Welche Faktoren sind erheblich im Rahmen der Prüfung des Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001, ob dem Beklagten „das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück … so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte“? Insbesondere:

(a)      Ist es erheblich, was der Beklagte oder seine Rechtsanwälte nach der Zustellung unternommen (oder nicht unternommen) haben, wenn der Beklagte das Schriftstück tatsächlich zur Kenntnis genommen hat?

(b)      Ist es erheblich, wie sich der Beklagte oder seine Rechtsanwälte verhalten haben oder vor welchen Schwierigkeiten sie gestanden haben?

(c)      Ist es erheblich, dass der Rechtsanwalt des Beklagten die Verteidigungsbereitschaft vor Erlass des Versäumnisurteils hätte anzeigen können?

23.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben Herr Apostolides, die Eheleute Orams, die griechische, die polnische und die zyprische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaft Stellung genommen.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Erste Vorlagefrage

24.      Mit der ersten Vorlagefrage möchte der Court of Appeal wissen, ob die Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil Zyperns gemäß Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 der Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils nach der Verordnung Nr. 44/2001 entgegensteht, das Ansprüche aus dem Eigentum an einem in diesem Gebiet belegenen Grundstück betrifft.

25.      Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst auf den Unterschied zwischen dem territorialen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 und dem Bezugsgebiet von Verfahren bzw. Entscheidungen hinzuweisen, für die die Verordnung Regelungen trifft.

26.      Der territoriale Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts entspricht gemäß Art. 299 EG dem Territorium der Mitgliedstaaten mit Ausnahme bestimmter in dieser Vorschrift näher genannter Gebiete. Die Vorschriften des Titels IV des dritten Teils des EG-Vertrags über den Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts gelten allerdings nur nach Maßgabe des Art. 69 EG in Verbindung mit den dort angeführten Protokollen für das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark. Das Vereinigte Königreich und Irland haben auf dieser Grundlage für die Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 optiert, Dänemark dagegen.(6) Die Verordnung gilt daher im Vereinigten Königreich und – vorbehaltlich des Protokolls Nr. 10 – in der Republik Zypern.

27.      Die Verordnung Nr. 44/2001 regelt zum einen die Zuständigkeit von Gerichten in ihrem territorialen Anwendungsbereich, zum anderen die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen dieser Gerichte in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, in dem die Entscheidung ergangen ist. Dagegen enthält die Verordnung keine Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen aus Drittstaaten in der Gemeinschaft oder von Entscheidungen mitgliedstaatlicher Gerichte in Drittstaaten.

28.      Vom territorialen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 ist ihr Bezugsgebiet zu unterscheiden, also das Gebiet, auf das sich Entscheidungen eines mitgliedstaatlichen Gerichts, die nach der Verordnung anerkannt und vollstreckt werden, beziehen können. Das Bezugsgebiet reicht über den Anwendungsbereich hinaus und erstreckt sich auch auf Drittstaaten. Die Verordnung gilt daher auch für Streitigkeiten mit Drittlandsbezug.

29.      Dies hat der Gerichtshof im Urteil Owusu(7) und im Gutachen zum Lugano-Übereinkommen(8) bestätigt. Danach kann ein für die Anwendung der Verordnung relevanter Auslandsbezug auch aufgrund des Ortes des streitigen Ereignisses in einem Drittstaat bestehen.(9) Die Verordnung soll nämlich Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarkts beseitigen, die sich aus den Unterschieden in den nationalen Rechtsvorschriften über die internationale gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen ergeben können. Nach Ansicht des Gerichtshofs wirken sich diese Unterschiede auch dann nachteilig auf den Binnenmarkt aus, wenn sie Entscheidungen betreffen, die nur einen Bezug zu einem Drittstaat haben.(10)

30.      Zu klären ist nun, welche Wirkung das Protokoll Nr. 10 im Hinblick auf den Anwendungsbereich und das Bezugsgebiet der Verordnung Nr. 44/2001 hat.

31.      Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls vorgesehene Aussetzung der Anwendung des Besitzstands in den Teilen der Republik Zypern, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt, den territorialen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 beschränkt. Demzufolge kann die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts im Nordteil Zyperns nicht auf die Verordnung gestützt werden. Ebenso wenig erscheint es möglich, eine Entscheidung eines in diesem Teil Zyperns gelegenen Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat nach der Verordnung anzuerkennen und zu vollstrecken.

32.      Der Court of Appeal ist allerdings mit keiner dieser Konstellationen befasst. Vielmehr hat er über den Antrag zu entscheiden, ein Urteil eines Gerichts, das in dem von der Regierung der Republik Zypern kontrollierten Gebiet liegt, im Vereinigten Königreich zu vollstrecken. Die Beschränkung des territorialen Anwendungsbereichs der Verordnung Nr. 44/2001 durch das Protokoll Nr. 10 berührt den vorliegenden Fall daher nicht.

33.      Allein die Eheleute Orams vertreten die Auffassung, dass das Protokoll auch der Anwendung der Verordnung auf Urteile entgegensteht, die in ihrem territorialen Anwendungsbereich ergangen sind und auch dort anerkannt und vollstreckt werden sollen, aber ein Rechtsverhältnis mit Bezug zu den nicht von der Regierung der Republik Zypern kontrollierten Landesteilen betreffen.

34.      Wie die anderen Beteiligten hervorheben, spricht bereits der Wortlaut von Art.1 Abs. 1 des Protokolls gegen dieses Verständnis. Darin ist nämlich von der Aussetzung des Besitzstands in diesem Gebiet und nicht in Bezug auf dieses Gebiet die Rede.

35.      Hinzu kommt, dass Bestimmungen in einer Beitrittsakte, die Ausnahmen oder Abweichungen von Vorschriften des Vertrags erlauben, nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung der betreffenden Vertragsbestimmungen eng auszulegen und auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken sind.(11)

36.      Auch wenn die Aussetzung des Besitzstands im vorliegenden Fall nicht unmittelbar das primäre Gemeinschaftsrecht, sondern die Verordnung Nr. 44/2001 betrifft, lässt sich diese Feststellung hierauf übertragen. Zwar steht die Beitrittsakte (einschließlich der Protokolle) normenhierarchisch über dem Sekundärrecht. Jedoch dient die Verordnung letztlich der Erreichung der Ziele des EG-Vertrags selbst.(12)

37.      So ermächtigt Art. 65, auf den die Verordnung Nr. 44/2001 gestützt ist, ausdrücklich zum Erlass von Maßnahmen zur Verbesserung und Vereinfachung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Tatsächlich fördert die klare Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte in der Gemeinschaft sowie die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen die Ausübung der Grundfreiheiten. Sie erleichtert nämlich die Durchsetzung von Forderungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Warenlieferungen, Dienstleistungen oder Kapitaltransfers sowie der Ausübung der Personenfreizügigkeit.

38.      Folglich muss das Protokoll Nr. 10 so ausgelegt werden, dass die Aussetzung der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 auf das unbedingt Erforderliche beschränkt wird. Dabei ist insbesondere der Sinn und Zweck des Protokolls zu berücksichtigen.

39.      Die Aussetzung des Besitzstands bezweckt nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten, der Republik Zypern den Beitritt zur EU zu ermöglichen, obwohl die Verhandlungen über die Wiedervereinigung zuvor nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Es soll vermieden werden, dass die Republik Zypern als Mitgliedstaat das Gemeinschaftsrecht verletzt, da sie faktisch außerstande ist, die Vorschriften des Besitzstands im gesamten Staatsgebiet zur Anwendung zu bringen.

40.      Wie insbesondere die Kommission hervorhebt, sollten aber nicht jegliche Regelungen des Gemeinschaftsrechts mit Bezug zu Gebieten unter der Kontrolle der türkisch-zyprischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. So steht die Aussetzung des Besitzstands Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der genannten Landesteile gemäß Art. 3 Abs. 1 des Protokolls nicht entgegen.(13). Ferner wurden gestützt auf Art. 2 des Protokolls durch die Verordnung (EG) Nr. 866/2004(14) des Rates Regelungen für den Waren- und Personenverkehr zwischen den verschiedenen Gebieten getroffen.

41.      Diese Regelungen widersprechen nicht dem Ziel des Protokolls, der Republik Zypern trotz der beschränkten tatsächlichen Kontrolle über ihr Staatsgebiet den Beitritt zur Union zu ermöglichen, sondern fördern das Zusammenwachsen der beiden Teile des Landes.

42.      Das genannte Ziel des Protokolls gebietet auch in der vorliegenden Konstellation keine Aussetzung der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001. Die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen des Bezirksgerichts von Nikosia im Vereinigten Königreich löst insbesondere keine unerfüllbaren Verpflichtungen der Republik Zypern in Bezug auf Nordzypern aus, die sie in Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht bringen. Vielmehr müssen allein die Gerichte im Vereinigten Königreich tätig werden.

43.      Die Eheleute Orams verweisen aber auf das weitere Ziel des Protokolls, eine umfassende Regelung der Zypern-Frage im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen(15) herbeizuführen, das insbesondere in seinem ersten Erwägungsgrund zum Ausdruck kommt. Das streitige Urteil des Bezirksgerichts von Nikosia greife einer umfassenden Regelung der Eigentumsfragen vor. Seine Anerkennung und Vollstreckung widerspreche daher den Zielen des Protokolls und der einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen.

44.      Dieser Einwand kann jedoch nicht dazu führen, die Verordnung Nr. 44/2001 in den Mitgliedstaaten grundsätzlich unangewendet zu lassen, wenn Entscheidungen eines mitgliedstaatlichen Gerichts Bezüge zum Nordteil Zyperns aufweisen.

45.      Zwar trifft es zu, dass der Sicherheitsrat immer wieder zur Wahrung des Friedens in Zypern und der territorialen Integrität des Landes aufgerufen hat. In diesem Zusammenhang hat er die Staatengemeinschaft auch aufgefordert, alles zu unterlassen, was den Konflikt verschärft.(16) Jedoch lässt sich aus diesen eher allgemeinen Aufrufen keine Pflicht ableiten, Urteile griechisch-zyprischer Gerichte nicht anzuerkennen, die Eigentumsansprüche an Grundstücken im türkisch-zyprischen Gebiet betreffen.

46.      Zudem ist keineswegs klar, dass die Anwendung der Verordnung den Zypern-Konflikt insgesamt verschärft. Sie kann genauso gut das Gegenteil bewirken und die Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen fördern. Gerade angesichts der Öffnung der Trennlinie zwischen beiden Teilen Zyperns für den Waren- und Personenverkehr(17) sind vielfältige Rechtsverhältnisse vorstellbar, in denen die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen der Gerichte der Republik Zypern in anderen Mitgliedstaaten sowie die Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung auch für Parteien, die im Nordteil ansässig sind, von Interesse sind.

47.      Zwischen den Parteien ist dementsprechend auch streitig, ob die Anerkennung und Vollstreckung des hier in Frage stehenden Urteils schädlich oder förderlich für eine endgültige Regelung der Eigentumsfragen ist. So trägt Herr Apostolides vor, die Veräußerung von enteigneten Grundstücken in der TRNZ an Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten erschwere ihre Rückgabe im Zuge einer späteren einvernehmlichen Lösung. Wenn Personen in seiner Lage Ansprüche aufgrund des Eigentums an diesen Grundstücken in anderen Mitgliedstaaten durchsetzen könnten, schrecke dies potenzielle Erwerber ab.

48.      Es ist hier nicht notwendig, abschließend zu entscheiden, welche Auswirkung die Aussetzung der Anwendung der Verordnung auf Fälle mit Bezügen zu Nordzypern auf den politischen Prozess zur Lösung des Konflikts hat. Die Anwendung der Verordnung kann nämlich nicht von derartigen komplexen politischen Einschätzungen abhängig gemacht werden. Dies widerspräche dem Grundsatz der Rechtssicherheit, dessen Beachtung zu den Zielen der Verordnung gehört.(18) So müssen die Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung in eindeutig vorhersehbarer Weise die Bestimmung eines Gerichtsstands ermöglichen.(19) Ferner muss der Kläger eines Rechtsstreits vor dem Gericht eines Mitgliedstaats hinreichend sicher vorhersehen können, ob ein verfahrensabschließendes Urteil gestützt auf die Verordnung in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar ist, soweit keine in der Verordnung vorgesehenen Ablehnungsgründe vorliegen.

49.      Herr Apostolides geht sogar noch weiter. Er meint, dass die Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 geboten ist, um den Vorgaben des Urteils Loizidou des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Rechnung zu tragen.(20)

50.      In dieser und weiteren Entscheidungen hat der EGMR festgestellt, dass die in der Folge der Besetzung Nordzyperns durchgeführten Enteignungen unwirksam sind und die Eigentumspositionen der Vertriebenen nicht in Frage stellen.(21) Die Verweigerung des Zugangs und der Nutzung des Eigentums verletzt daher Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK und das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 8 Abs. 1 EMRK), soweit die Betroffenen eine Wohnung auf dem Grundstück besitzen.(22) Allerdings hat der EGMR jüngst auch anerkannt, dass die mittlerweile von der TRNZ eingerichtete Eigentumskommission grundsätzlich den Vorgaben der EMRK entspricht; dennoch sprach er der Beschwerdeführerin in dem betreffenden Verfahren selbst eine Entschädigung für die Verletzung ihrer Rechte aus der EMRK zu.(23)

51.      Dazu ist zunächst festzustellen, dass keine der zitierten Entscheidungen den Fall von Herrn Apostolides selbst betraf. Folglich liegt keine Feststellung des EGMR zu seinen konkreten Eigentumsansprüchen vor, die unmittelbar zu beachten wäre.

52.      Zu erwägen wäre allenfalls, ob das in Art. 6 Abs. 1 der EMRK verankerte Recht auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz sogar gebietet, dass die Entscheidung des Bezirksgerichts von Nikosia, das die Ansprüche von Herrn Apostolides direkt betrifft, vollstreckt wird.(24) Jedoch hat der EGMR ein entsprechendes Recht – soweit ersichtlich – bisher nur im Bezug auf die Vollstreckung im Urteilsstaat selbst anerkannt.(25) Ob Art. 6 Abs. 1 EMRK auch zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen verpflichtet, kann an dieser Stelle offen bleiben, da die Verordnung Nr. 44/2001 aus den dargelegten Gründen ohnehin anwendbar ist und einen entsprechenden Anspruch verleiht. Jedenfalls würde Art. 6 Abs. 1 EMRK auch zu keinem anderen Ergebnis führen als eine sachgerechte und menschenrechtskonforme Anwendung der Verordnung.

53.      Im Ergebnis ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten:

Die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 zur Beitrittsakte von 2003 vorgesehene Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Teilen der Republik Zypern, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt, schließt es nicht aus, dass ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats eine Entscheidung eines Gerichts der Republik Zypern mit Bezügen zu dem nicht von ihrer Regierung kontrollierten Gebiet gestützt auf die Verordnung Nr. 44/2001 anerkennt und vollstreckt.

B –    Zur zweiten bis fünften Vorlagefrage

54.      Mit der zweiten bis fünften Frage ersucht der Court of Appeal um Auslegung der Art. 35 Abs. 1 und 34 Nrn. 1 und 2 der Verordnung Nr. 44/2001 im Hinblick auf eventuelle Anerkennungs- und Vollstreckungshindernisse im Sinne dieser Vorschriften. Bevor diese Fragen beantwortet werden können, ist zu klären, ob der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist. Die Kommission hat nämlich Zweifel geäußert, ob eine Zivil- und Handelssache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vorliegt.

1.      Vorbemerkung zum Anwendungsbereich der Verordnung

55.      Die Kommission räumt zwar ein, dass es sich bei dem Rechtsstreit zwischen Herrn Apostolides und den Eheleuten Orams um eine Streitigkeit zwischen Privaten handelt. Sie meint jedoch, man müsse ihn in einen weiteren Kontext stellen und berücksichtigen, dass die Auseinandersetzungen um die Grundstücke vertriebener griechischer Zyprer auf die militärische Besetzung Nordzyperns zurückgingen.

56.      Es entspreche der internationalen Praxis, die Lösung individueller Eigentumsstreitigkeiten nach bewaffneten Konflikten speziellen Einrichtungen zu übertragen, wie es der Annan-Plan für die Wiedervereinigung Zyperns vorgesehen habe. Nach dessen Scheitern habe die TRNZ den Vorgaben des EGMR(26) entsprechende Regelungen für die Klärung von Entschädigungsansprüchen erlassen und eine Eigentumskommission eingesetzt. Die davon erfassten Ansprüche auf Rückgabe von Eigentum und Entschädigung für die Verweigerung seiner Nutzung hätten öffentlich-rechtlichen Charakter.

57.      Bei der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 müsse berücksichtigt werden, dass ein im Einklang mit der EMRK stehender alternativer Rechtsweg eröffnet sei. Art. 71 Abs. 1 der Verordnung lasse Übereinkommen unberührt, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen regelten. Das unter Aufsicht des EGMR eingeführte Entschädigungsregime könne als ein solches Übereinkommen verstanden werden.

58.      Hierzu ist zunächst an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, dass der Begriff der „Zivil- und Handelssache“ ein autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, bei dessen Auslegung die Zielsetzungen und die Systematik der Verordnung Nr. 44/2001 bzw. des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ) sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden müssen.(27)

59.      Vom Anwendungsbereich der Verordnung sind dabei nur Rechtsstreitigkeiten ausgenommen, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen, und wenn es darin um die Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch die Behörde geht.(28) So betraf die Rechtssache Lechouritou,(29) auf die die Kommission Bezug nimmt, die Klage eines Privaten gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der durch Kriegsverbrechen der Wehrmacht erlittenen Schäden.

60.      Im vorliegenden Fall macht Herr Apostolides aber keine Restitutions- oder Entschädigungsansprüche gegen eine staatliche Stelle geltend, sondern einen zivilrechtlichen Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks und weitere mit der entgangenen Nutzung des Grundstücks im Zusammenhang stehende Ansprüche gegen die Eheleute Orams.

61.      Diese Ansprüche verändern ihren Charakter nicht dadurch, dass Herrn Apostolides möglicherweise alternative oder zusätzliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur gegen Stellen der TRNZ offenstehen. Deshalb braucht hier nicht entschieden zu werden, ob diese alternativen oder zusätzlichen Ansprüche tatsächlich bereits gegeben waren, als Herr Apostolides das zu vollstreckende Urteil vor dem Bezirksgericht von Nikosia erstritt.(30)

62.      Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass einer Klage ein Anspruch zugrunde liegt, der seinen Ursprung in einem hoheitlichen Akt hat, genügt, um die Geltendmachung dieses Anspruchs unabhängig von der Art des Verfahrens, das das nationale Recht hierfür bereithält, vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens auszuschließen.(31) Man könnte insoweit daran denken, dass die Beeinträchtigung des Eigentums ursprünglich auf die Maßnahmen der türkischen Streitkräfte bzw. der Behörden der TRNZ zurückgehen. Die zitierte Feststellung des Gerichtshofs gilt indes nur in dem Fall, dass sich in einem Rechtsstreit eine staatliche Stelle und eine Privatperson gegenüberstehen.(32)

63.      Besteht eine Vielzahl von Beziehungen – teils zwischen einer öffentlichen Stelle und einer Person des Privatrechts, teils nur zwischen Personen des Privatrechts –, ist auf die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien des Rechtsstreits, auf die Grundlage der erhobenen Klage sowie auf die Modalitäten ihrer Erhebung abzustellen.(33) Im Ausgangsrechtsstreit macht ein privater Kläger vor einem Zivilgericht privatrechtliche Ansprüche gegen andere Privatpersonen geltend, so dass nach allen relevanten Umständen eindeutig eine zivilrechtliche Streitigkeit vorliegt.

64.      Wahrscheinlich wäre es möglich, diese zivilrechtlichen Ansprüche durch eine staatliche oder eine völkerrechtliche Regelung auszuschließen und die Betroffenen allein auf einen Restitutions- oder Entschädigungsanspruch gegen den Staat zu verweisen. Dies könnte zur Folge haben, dass der Zivilrechtsweg nicht mehr eröffnet ist.

65.      Die Republik Zypern hat von dieser Möglichkeit aber offenbar nicht Gebrauch gemacht. Auch fehlt es bisher an einer entsprechenden völkerrechtlichen Übereinkunft. Jedenfalls haben das Bezirksgericht von Nikosia und die Folgeinstanzen einen derartigen Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche oder des Zivilrechtswegs in ihren Urteilen nicht berücksichtigt. Selbst wenn dies rechtsfehlerhaft wäre, dürfte der Court of Appeal im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich weder die Zuständigkeit des Bezirksgerichts von Nikosia (Art. 34 Abs. 3 der Verordnung Nr. 44/2001) noch die materielle Rechtmäßigkeit des anzuerkennenden Urteils überprüfen (Art. 36 und 45 Abs. 2 der Verordnung).

66.      Die Kommission scheint aber die Ansicht zu vertreten, dass die Verdrängung der zivilrechtlichen Ansprüche gleichsam durch internationales Recht eingetreten ist, indem die TRNZ eine grundsätzlich vom EGMR gebilligte Entschädigungsregelung erlassen hat.

67.      Dieser Konstruktion kann ich mich nicht anschließen.

68.      Dem Urteil Xenides-Arestis III(34), in dem sich der EGMR positiv zur Vereinbarkeit des Entschädigungsregimes mit der EMRK geäußert hat, ist kein Hinweis zu entnehmen, dass diese Regelung die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche nach dem Recht der Republik Zypern wirksam ausschließt. Der EGMR hat es im Gegenteil ausdrücklich abgelehnt, dass die Klägerin verpflichtet sei, die Eigentumskommission wegen der Entschädigungsfrage anzurufen, und hat ihr stattdessen selbst eine Entschädigung zugesprochen.(35)

69.      Es ist auch zweifelhaft, ob eine andere Auffassung vertretbar wäre. Denn der EGMR selbst versagt den Enteignungen durch die TRNZ mangels ihrer internationalen Anerkennung grundsätzlich jede rechtliche Wirkung.(36) Er erkennt lediglich an, dass bestimmte Regelungen von international nicht anerkannten staatlichen Gebilden als wirksam angesehen werden können, um Nachteile für die betroffene Bevölkerung zu vermeiden.(37) Dass die Entschädigungsregelung aber zulasten der Betroffenen und ohne Einvernehmen mit der Republik Zypern die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche wirksam ausschließt, ginge weit darüber hinaus.(38)

70.      Die These der Kommission, die Verordnung Nr. 44/2001 trete gemäß ihres Art. 71 Abs. 1 gegenüber der vom EGMR gebilligten Entschädigungsregelung zurück, ist ebenfalls nicht haltbar.

71.      Diese Bestimmung sieht vor, dass die Verordnung „Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten angehören und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln“, unberührt lässt.

72.      Die Entschädigungsregelung der TRNZ, die diesbezüglichen Urteile des EGMR oder gar die EMRK selbst, fallen eindeutig nicht unter diese Definition. Die EMRK ist zwar ein Übereinkommen, jedoch trifft sie keine speziellen Regelungen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen für besondere Rechtsgebiete, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Die einseitigen Regelungen der TRNZ sind kein Übereinkommen. Und die diesbezüglichen Urteile des EGMR äußern sich nicht zur Anerkennung und Vollstreckung zivilrechtlicher Entscheidungen.

73.      Somit ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren anzuerkennende Entscheidung eine Zivilsache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 betrifft und damit in deren Anwendungsbereich fällt.

2.      Zur zweiten Vorlagefrage

74.      Mit der zweiten Frage soll geklärt werden, ob Art. 35 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ein mitgliedstaatliches Gericht berechtigt oder verpflichtet, die Anerkennung und Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu verweigern, wenn diese Entscheidung ein Grundstück in einem Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats betrifft, über das die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

75.      Der Beantwortung dieser Frage ist vorauszuschicken, dass die Verordnung nach ihrem zweiten, sechsten, sechzehnten und siebzehnten Erwägungsgrund bezweckt, den freien Verkehr der Entscheidungen aus den Mitgliedstaaten in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, indem die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung vereinfacht werden.(39)

76.      Entsprechend diesem Ziel sieht Art. 33 Abs.1 der Verordnung Nr. 44/2001 vor, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten ohne Durchführung eines besonderen Verfahrens anerkannt werden. Die Anerkennung darf lediglich in den Fällen der Art. 34 und 35 verweigert werden.

77.      Gemäß Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Art. 45 Abs. 1 der Verordnung berechtigt das angerufene Gericht, die Vollstreckbarerklärung ebenfalls nur aus den in Art. 34 und 35 aufgeführten Gründen zu versagen.

78.      Dabei stellt Art. 35 Abs. 3 der Verordnung den Grundsatz auf, dass die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaats der Entscheidung nicht überprüft werden darf. Eine Ausnahme gilt gemäß Art. 35 Abs. 1 hinsichtlich der Verletzung bestimmter ausschließlicher Gerichtsstände, darunter dem in Art. 22 Nr. 1 der Verordnung normierten Gerichtsstand am Belegenheitsort einer unbeweglichen Sache.

79.      Nach Art. 22 Nr. 1 sind für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Diese Bestimmung wäre im Sinne des Art. 35 Abs. 1 verletzt, wenn die Entscheidung dingliche Rechte an einem Grundstück betrifft, das nicht im Urteilsstaat, der Republik Zypern, sondern einem anderen Mitgliedstaat belegen ist.

80.      Wie Herr Apostolides, die griechische und die zyprische Regierung sowie die Kommission zutreffend vortragen, bildet die Republik Zypern aus völkerrechtlicher Sicht den einzigen anerkannten Staat auf der Insel Zypern.(40) Ihr Staatsgebiet umfasst auch den Nordteil der Insel, in dem das streitgegenständliche Grundstück belegen ist.(41) Die TRNZ, die dieses Gebiet tatsächlich kontrolliert, wurde außer von der Türkei von keinem anderen Staat anerkannt.(42) Aus dem Protokoll Nr. 10 folgt, dass auch die Vertragsstaaten der Beitrittsakte den Norden Zyperns als Teil des Staatsgebiets der Republik Zypern und damit als Teil des Beitrittsgebiets ansahen. Anderenfalls wäre es überflüssig gewesen, die Anwendung des gemeinsamen Besitzstands in diesem Teil der Insel auszusetzen.

81.      Die Entscheidung, über deren Vollstreckbarerklärung das vorlegende Gericht zu befinden hat, betrifft zumindest auch(43) dingliche Rechte, nämlich das Eigentum an einem Grundstück, das in der Republik Zypern belegen ist. Bei einer wörtlichen Auslegung des Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 besteht also kein Zweifel an der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaats.

82.      Die Eheleute Orams meinen jedoch, der Sinn und Zweck der Bestimmung stehe diesem Ergebnis entgegen.

83.      Nach ständiger Rechtsprechung liegt der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, darin, dass ein Gericht des Belegenheitsorts am besten in der Lage ist, über Streitigkeiten betreffend dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zu entscheiden.(44) Denn entsprechende Streitigkeiten sind im Allgemeinen nach dem Recht des Belegenheitsstaats zu entscheiden. Sie erfordern außerdem häufig eine Sachverhaltsermittlung vor Ort. Folglich liegt es im Interesse einer geordneten Rechtspflege, einem Gericht des Belegenheitsorts wegen der räumlichen Nähe die ausschließliche Zuständigkeit einzuräumen.(45)

84.      Daraus leiten die Orams ab, dass Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 einschränkend ausgelegt werden müsse und keine Zuständigkeit der Gerichte der Republik Zypern für Klagen im Zusammenhang mit Rechten an Grundstücken im Nordteil begründe. Mangels tatsächlicher Kontrolle über dieses Gebiet hätten die Gerichte der Republik Zypern nämlich nicht den Vorteil der besonderen Nähe.

85.      Ob diese Ansicht, die keine Stütze im Wortlaut der Bestimmung findet, zutrifft, kann letztlich offen bleiben. Denn Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 wäre nur verletzt, wenn statt der Gerichte der Republik Zypern die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats kraft Belegenheit der Sache zuständig wären. Es ist nicht ersichtlich, welcher Mitgliedstaat dies sein sollte. Ungeachtet der völkerrechtlichen Lage wäre die TRNZ bestenfalls einem Drittstaat gleichzustellen. Da Art. 22 Nr. 1 aber unmittelbar keine ausschließliche Zuständigkeit von Gerichten eines Drittstaats begründet, kann diese Bestimmung selbst unter dieser Prämisse nicht verletzt sein.

86.      In der Literatur ist zwar umstritten, ob Art. 22. Nr. 1 eine Reflexwirkung zugunsten von Drittstaaten entfaltet.(46) Der Gerichtshof scheint eine solche Wirkung aber abzulehnen. So hat er im Lugano-Gutachten ausgeführt, dass der ausschließliche Gerichtsstand am Belegenheitsort einer unbeweglichen Sache in einem Drittstaat den Gerichtsstand nach Art. 2 der Verordnung am Wohnort eines Beklagten in einem Mitgliedstaat nur verdrängt, weil das Übereinkommen von Lugano eine mit Art. 22 der Verordnung gleichlautende Bestimmung enthält; allein aufgrund der Verordnung bliebe es bei dem Gerichtsstand am Wohnort in der Gemeinschaft.(47)

87.      In jedem Fall wäre es verfehlt, eine solche Reflexwirkung auch auf Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 durchschlagen zu lassen. Aus dem Zusammenspiel von Art. 35 Abs. 1 und 3 ergibt sich nämlich, dass die Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung wegen der Verletzung von Zuständigkeitsregelungen nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Daher darf der Anwendungsbereich des Art. 35 Abs. 1 nicht dadurch erweitert werden, dass auch die Verletzung der Zuständigkeiten von Gerichten in Drittstaaten, die nicht Parteien des Lugano-Übereinkommens sind, zu einem Anerkennungshindernis wird.

88.      Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, welche Konsequenzen es hätte, wenn die TRNZ – entgegen der hier vertretenen Auffassung – analog einem Drittstaat zu behandeln wäre. Dann bestünde für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem dort belegenen Grundstück keine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte der Republik Zypern nach Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001. Somit würden die allgemeinen Zuständigkeitsregeln eingreifen. Ob das Bezirksgericht von Nikosia danach tatsächlich zuständig war oder nicht,(48) wäre nach Art. 35 Abs. 3 der Verordnung ohne Bedeutung für die Anerkennung und Vollstreckung seiner Entscheidung.

89.      Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass Art. 35 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ein mitgliedstaatliches Gericht nicht berechtigt, die Anerkennung und Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu verweigern, wenn diese Entscheidung ein Grundstück in einem Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats betrifft, über das die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

3.      Zur dritten Vorlagefrage

90.      Die dritte Vorlagefrage betrifft die Auslegung des ordre-public-Vorbehalts in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001. Das vorlegende Gericht fragt, ob die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung unter Berufung auf diesen Vorbehalt zu verweigern ist, wenn diese Entscheidung in der Praxis im Urteilsstaat selbst nicht vollstreckt werden kann, weil sie ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates betrifft, über das die Regierung dieses Staates keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

91.      Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt, dass eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (Ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde.

92.      In dem grundlegenden Urteil Krombach(49) hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 27 EuGVÜ – die Vorgängerbestimmung des Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 – eng auszulegen ist. Die Bestimmung bildet nämlich ein Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele des Übereinkommens, ein eigenständiges und geschlossenes System zu schaffen, das die Freizügigkeit der Urteile in der Gemeinschaft gewährleistet. Speziell die Ordre-public-Klausel in Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ kann deshalb nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen.(50)

93.      Daraus zog der Gerichtshof folgende Konsequenz: (51)

„Eine Anwendung der Ordre-public-Klausel des Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens kommt nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln.“

94.      Schließlich stellte der Gerichtshof noch fest, dass die Vertragsstaaten zwar grundsätzlich aufgrund des Vorbehalts in Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ selbst festlegen können, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben, dass die Abgrenzung dieses Begriffes aber zur Auslegung des Übereinkommens gehört.(52) Auch wenn es demnach nicht Sache des Gerichtshofs sei, den Inhalt der öffentlichen Ordnung eines Vertragsstaats zu definieren, habe er doch über die Grenzen zu wachen, innerhalb deren sich das Gericht eines Vertragsstaats auf diesen Begriff stützen darf, um der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats die Anerkennung zu versagen.(53)

95.      Im Licht dieser Feststellungen ist zu prüfen, ob die fehlende tatsächliche Vollstreckbarkeit einer Entscheidung im Urteilsstaat als offensichtlicher Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 angesehen werden kann, der die Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ausschließt.

96.      Wie die griechische Regierung und Kommission zutreffend hervorheben, ist die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung im Urteilsstaat bereits gemäß Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats. Ein Titel soll also im Vollstreckungsstaat keine weiter gehende Wirkung als in seinem Ursprungsstaat haben.(54)

97.      Im Urteil Coursier(55) hat der Gerichtshof die entsprechende Passage in Art. 31 EuGVÜ dahin gehend ausgelegt, dass der Begriff „vollstreckbar“ lediglich die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidungen in formeller Hinsicht umfasst, nicht aber die Voraussetzungen, unter denen diese Entscheidungen im Urteilsstaat vollstreckt werden können. An der formellen Vollstreckbarkeit fehlt es, wenn ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt wurde bzw. noch eingelegt werden kann und die Entscheidung nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde.

98.      Es widerspräche dem Ziel der Verordnung Nr. 44/2001, den freien Verkehr der Entscheidungen durch eine unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung zu gewährleisten,(56) wenn die Vollstreckbarerklärung von den tatsächlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung der Entscheidung im Urteilsstaat abhängen würde. Anders als die Vollstreckbarkeit im formellen Sinne ließe sich insbesondere nicht ohne Weiteres durch eine Bescheinigung nach Art. 54 der Verordnung bestätigen, ob und unter welchen Bedingungen eine Entscheidung im Urteilsstaat konkret vollstreckbar ist. Zudem ändern tatsächliche Vollstreckungshindernisse nichts an der rechtlichen Wirkung des Urteils.

99.      Der vorliegende Fall illustriert selbst die möglichen Unwägbarkeiten, die ein Abstellen auf die tatsächliche Vollsteckbarkeit mit sich brächte. Zwar sind einige der titulierten Forderungen derzeit nicht in Zypern vollstreckbar, da die Republik Zypern keine Hoheitsmacht in dem Gebiet auszuüben vermag, in dem das betroffene Grundstück liegt. Wegen der Geldforderungen könnte dagegen durchaus in dem von der Republik Zypern kontrollierten Teil der Insel vollstreckt werden, soweit die Orams dort über Vermögen verfügen, wie etwa Bankguthaben oder andere Forderungen.

100. Da die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung im Ursprungsstaat als Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung durch die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats abschließend in Art. 38 Abs. 1 der Verordnung geregelt ist, kann dieselbe Bedingung nicht mit anderer Bedeutung im Rahmen des Ordre-public-Vorbehalts aufgegriffen werden. Aufgrund entsprechender Überlegungen schließt etwa auch Art. 35 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ausdrücklich aus, dass Zuständigkeitsmängel, die nach Art. 35 nicht geprüft werden dürfen, dennoch als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nach Art. 34 Abs. 1 berücksichtigt werden.

101. Die Kommission und daran anknüpfend auch die Orams werfen zusätzlich die Frage auf, ob nicht ein anderer Grund der öffentlichen Ordnung gegen die Vollstreckung eingewandt werden kann. Sie meinen, die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des Bezirksgerichts von Nikosia könne dem „internationalen Ordre public“ zuwiderlaufen, indem sie die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine Lösung der Zypernfrage untergrabe.

102. Dazu ist zunächst festzustellen, dass das vorlegende Gericht selbst einen solchen Grund für die Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung im Vereinigten Königreich nicht in Erwägung gezogen hat. Grundsätzlich ist der Gerichtshof aber an den Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens gebunden, den das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss festgelegt hat. Die Verfahrensbeteiligten sind normalerweise nicht befugt, dem Gerichtshof darüber hinaus zusätzliche Fragen zu unterbreiten.(57)

103. Dies gilt in besonderem Maß bei der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Ordnung nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, da es Sache der Mitgliedstaaten ist, festzulegen, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben.(58) Hinzu kommt, dass sich die Regierung des Vereinigten Königreichs nicht am vorliegenden Verfahren beteiligt hat. Daher fehlt es dem Gerichtshof an verlässlichen Informationen darüber, ob die von der Kommission aufgeworfenen Gründe als Teil der öffentlichen Ordnung dieses Mitgliedstaats anzusehen sind.

104. Die Kommission stützt sich allerdings ausdrücklich auf den internationalen Ordre public. Zwar räumt sie ein, dass Art. 34 Nr. 1 nur auf die öffentliche Ordnung des Mitgliedstaats abstellt, in dem die Entscheidung anerkannt werden soll. Ihrer Ansicht nach spricht aber nichts dagegen, Gründe des internationalen Ordre public zugleich auch als Teil der nationalen öffentlichen Ordnung anzusehen.

105. Für den Fall, dass der Gerichtshof es für angebracht hält, diesen Gesichtpunkt zu erörtern, obwohl er nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens ist, nehme ich dazu wie folgt Stellung.

106. Im Urteil Krombach hat es der Gerichtshof als seine Aufgabe angesehen, über die Grenzen zu wachen, innerhalb deren sich das Gericht eines Vertragsstaats des Brüsseler Übereinkommens auf den Begriff des Ordre public stützen darf, um der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats die Anerkennung zu versagen.(59) Da die Grundrechte, wie sie in der EMRK ihren Ausdruck gefunden haben, zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, kam er zu dem Schluss, dass ein mitgliedstaatliches Gericht berechtigt ist, einem ausländischen Urteil, das unter offensichtlichem Verstoß gegen die Grundrechte zustande gekommen ist, die Anerkennung zu versagen.(60)

107. Insofern hat der Gerichtshof also tatsächlich einen Bezug zwischen den durch die EMRK auf internationaler Ebene geschützten Grundrechten und dem nationalen Ordre public hergestellt. Eine Verweigerung der Anerkennung eines ausländischen Urteils steht demnach jedenfalls dann in Einklang mit Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, wenn die Anforderungen des nationalen Ordre public einer offensichtlichen Verletzung der in der EMRK verankerten Grundrechte abhelfen.

108. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Gerichte nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, die Vollstreckung eines ausländischen Urteils zu verweigern, das offensichtlich die Gemeinschaftsgrundrechte verletzt. Dafür spricht, dass die innerstaatlichen Gerichte nach ständiger Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden sind, wenn sie mit einer Sachlage befasst sind, die in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt.(61)

109. Im vorliegenden Fall trägt die Kommission aber nicht vor, dass das zu vollstreckende Urteil Grundrechte verletzt. Vielmehr geht es ihr um die Vorgaben der internationalen Politik in Bezug auf die Zypernfrage. Diese Vorgaben haben in gewissem Maße einen rechtlich verbindlichen Charakter bekommen, soweit sie Eingang in Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gefunden haben.(62) Dies gilt etwa für die Pflicht der Staaten, alles zu unterlassen, was den Zypern-Konfikt verschärft.

110. Die Wahrung des Friedens und die Wiederherstellung der territorialen Integrität Zyperns sind sicher hohe Güter. Ob man diese Ziele aber als eine „in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltende ... Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannte[s] Recht …“ im Sinne der Krombach-Rechtsprechung(63) ansehen kann, ist höchst zweifelhaft.

111. Wie bereits ausgeführt, sind die Vorgaben und Apelle in den Zypern betreffenden Resolutionen des Sicherheitsrats jedenfalls aber viel zu allgemein, um daraus die konkrete Pflicht abzuleiten, kein Urteil eines Gerichts der Republik Zypern anzuerkennen, das Eigentumsrechte an einem in Nordzypern belegenen Grundstück betrifft. Abgesehen davon ist es auch gar nicht klar, ob die Anerkennung des Urteils im vorliegenden Kontext der Lösung der Zypernfrage zu- oder abträglich ist und ob sie nicht sogar zum Schutz der Grundrechte von Herrn Apostolides geboten ist.(64)

112. Auf die dritte Vorlagefrage ist folglich zu antworten, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung nicht unter Berufung auf den Ordre-public-Vorbehalt in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 verweigern darf, weil die Entscheidung im Urteilsstaat zwar formell vollstreckbar ist, dort aus tatsächlichen Gründen aber nicht vollstreckt werden kann.

4.      Zur vierten Vorlagefrage

113. Mit der vierten Frage soll geklärt werden, ob die Anerkennung eines Versäumnisurteils nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 wegen Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks verweigert werden kann, wenn das Urteil im Rahmen eines von dem Beklagten eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahrens überprüft worden ist.

114. Gemäß Art. 34 Nr. 2 wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Derartige Zustellungsmängel können nach der Bestimmung aber nicht eingewandt werden, wenn der Beklagte keinen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.

115. Die Orams haben im vorliegenden Fall tatsächlich einen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil vor dem Bezirksgericht von Nikosia eingelegt. Ihr Rechtsbehelf wurde nach Durchführung einer umfassenden und fairen Gerichtsverhandlung zurückgewiesen, weil sie keine vertretbare Verteidigung (arguable defence) gegen das Klagebegehren vorbringen konnten. Dennoch tragen sie eine Reihe von Umständen im Zusammenhang mit der Zustellung der Klageschrift vor, die es ihnen erschwert hätten, sich rechtzeitig zu verteidigen, und verweisen insoweit auf die Rechtsprechung zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ (65).

116. Im Urteil ASML(66) hat der Gerichtshof jedoch auf die Unterschiede zwischen Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ hingewiesen. Nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, „wenn dem Beklagten der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsmäßig und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte“.

117. Dagegen ist die Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gemäß Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht zwangsläufig ausschlaggebend.(67) Vielmehr kommt es auf die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte an. Hat der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, keinen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, so unterstellt Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 nunmehr, dass die Verteidigungsrechte trotz der Zustellungsmängel gewahrt sind.

118. Folglich kann die zitierte Rechtsprechung zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht auf Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 übertragen werden.(68)

119. Die Neufassung der Bestimmung trägt stärker dem Ziel Rechnung, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern, ohne jedoch das Recht auf rechtliches Gehör zu beeinträchtigen, das nach ständiger Rechtsprechung zu den Grundrechten gehört, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat.(69)

120. Im vorliegenden Fall bestand die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil des Bezirksgerichts von Nikosia einzulegen, und die Orams haben davon Gebrauch gemacht. Für diesen Fall ergibt sich aus Art. 34 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001, dass die Anerkennung und Vollstreckung erst recht nicht unter Berufung auf Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung der Klage verweigert werden kann.

121. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Recht auf rechtliches Gehör nicht aufgrund besonderer Umstände, etwa der Ausgestaltung des Rechtsbehelfsverfahrens, dennoch beeinträchtigt wird. Hierfür bestehen aber im Ausgangsverfahren keine Anhaltspunkte. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts konnten die Orams ihren Rechtsstandpunkt im Rahmen eines umfassenden und fairen Gerichtsverfahrens vorbringen. Gegen die Rechtsbehelfsentscheidung war sogar noch ein weiteres Rechtsmittel zum Obersten Gerichtshof eröffnet, das die Orams – allerdings ohne Erfolg – eingelegt haben.

122. Auch der Umstand, dass der Beklagte nach zyprischem Recht eine vertretbare Verteidigung vorbringen muss, um die Aufhebung eines Versäumnisurteils zu erreichen, hat die Verteidigungsrechte der Orams, soweit ersichtlich, nicht signifikant beeinträchtigt. Dass sie die zyprischen Gerichte in der Sache nicht von ihrem Rechtsstandpunkt überzeugen konnten, muss dabei im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren gemäß den Art. 36 und 45 Abs. 2 der Verordnung unberücksichtigt bleiben.

123. Somit ist auf die vierte Frage zu antworten: Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin gehend auszulegen, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines Versäumnisurteils nicht unter Verweis auf Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks verweigert werden darf, wenn der Beklagte, der sich zunächst nicht auf das Verfahren eingelassen hatte, einen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil einlegen konnte, die Gerichte des Urteilsstaats die Entscheidung daraufhin in einem umfassenden und fairen Verfahren überprüft haben und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör in diesem Verfahren missachtet worden ist.

5.      Zur fünften Vorlagefrage

124. Angesichts der Antwort auf die vierte Frage bedarf die fünfte Frage keiner Antwort.

V –    Ergebnis

125. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor wie folgt auf die Fragen des Court of Appeal zu antworten:

1.      Die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 zur Beitrittsakte von 2003 vorgesehene Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Teilen der Republik Zypern, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt, schließt es nicht aus, dass ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats eine Entscheidung eines Gerichts der Republik Zypern mit Bezügen zu dem nicht von ihrer Regierung kontrollierten Gebiet gestützt auf die Verordnung Nr. 44/2001 anerkennt und vollstreckt.

2.      Art. 35 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 berechtigt ein mitgliedstaatliches Gericht nicht, die Anerkennung und Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu verweigern, wenn diese Entscheidung ein Grundstück in einem Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats betrifft, über das die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

3.      Ein Gericht eines Mitgliedstaats darf die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung nicht unter Berufung auf den Ordre-public-Vorbehalt in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 verweigern, weil die Entscheidung im Urteilsstaat zwar formell vollstreckbar ist, dort aus tatsächlichen Gründen aber nicht vollstreckt werden kann.

4.      Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin gehend auszulegen, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines Versäumnisurteils nicht unter Verweis auf Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks verweigert werden darf, wenn der Beklagte, der sich zunächst nicht auf das Verfahren eingelassen hatte, einen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil einlegen konnte, die Gerichte des Urteilsstaats die Entscheidung daraufhin in einem umfassenden und fairen Verfahren überprüft haben und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör in diesem Verfahren missachtet worden ist.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Siehe zur historischen Entwicklung auch die Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann vom 20. April 1994, Anastasiou (C-432/92, Slg. 1994, I-3087, Nrn. 9 bis 13) .


3 – Im Jahr 2005 waren beim EGMR 1 400 Beschwerden überwiegend von griechischen Zyprern wegen Eigentumsverletzung gegen die Türkei anhängig (vgl. EGMR, Urteil vom 22. Dezember 2005, Xenides-Arestis/Türkei, Nr. 46347/99, § 38 – Urteil Xenides-Arestis II).


4 – ABl. 2001, L 12, S. 1.


5 – Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge – Protokoll Nr. 10 über Zypern, ABl. 2003, L 236, S. 955.


6 – Vgl. Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 und ihren 20. und 21. Erwägungsgrund.


7 – Urteil vom 1. März 2005, Owusu (C-281/02, Slg. 2005, I-1383, Randnr. 29).


8 – Gutachten 1/03 vom 7. Februar 2006 (Slg. 2006, I-1145, Randnr. 143).


9 – Urteil Owusu (zitiert in Fn. 7, Randnr. 26) und Gutachten 1/03 (zitiert in Fn. 8, Randnr. 145).


10 – Urteil Owusu (zitiert in Fn. 7, Randnr. 34).


11 – Vgl. Urteile vom 29. März 1979, Kommission/Vereinigtes Königreich (231/78, Slg. 1979, 1447, Randnr. 13), vom 25. Februar 1988, Kommission/Griechenland (194/85 und 241/85, Slg. 1988, 1037, Randnrn. 19 bis 21), vom 14. Dezember 1989, Agegate (C-3/87, Slg. 1989, 4459, Randnr. 39), und vom 3. Dezember 1998, KappAhl (C-233/97, Slg. 1998, I-8069, Randnr. 18).


12 – Vgl. den Zweiten Erwägungsgrund zur Verordnung Nr. 44/2001, der auf den Zusammenhang mit der Errichtung des Binnenmarkts hinweist.


13 – Dieses Ziel verfolgt die Verordnung (EG) Nr. 389/2006 des Rates vom 27. Februar 2006 zur Schaffung eines finanziellen Stützungsinstruments zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der türkischen Gemeinschaft Zyperns und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2667/2000 über die Europäische Agentur für Wiederaufbau (ABl. L 65, S. 5).


14 – Verordnung (EG) Nr. 866/2004 des Rates vom 29. April 2004 über eine Regelung nach Artikel 2 des Protokolls Nr. 10 zur Beitrittsakte (ABl. L 161, S. 128, berichtigt in ABl. 2004, L 206, S. 51).


15 – Die Zypern betreffenden Resolutionen des Sicherheitsrats sind auf der Internet-Seite der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern (UNFICYP) zusammengestellt: www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1636.


16 – Siehe u. a. die Resolutionen 353 (1974) vom 20. Juli 1974, 541 (1983) vom 18. November 1983 und 1251 (1999) vom 29. Juni 1999.


17 – Vgl. zur Entwicklung des Personen- und Warenverkehrs die Mitteilung der Kommission vom 27. August 2008 – Jahresbericht über die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 866/2004 des Rates vom 29. April 2004 und die sich aus ihrer Anwendung ergebende Lage, KOM(2008) 529 endg.


18 – So zum Brüsseler Übereinkommen: Urteile vom 28. September 1999, GIE Groupe Concorde u. a. (C-440/97, Slg. 1999, I-6307, Randnr. 23), vom 19. Februar 2002, Besix (C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Randnr. 24), und Urteil Owusu (zitiert in Fn. 7, Randnr. 38); zur Verordnung Nr. 44/2001: Urteil vom 22. Mai 2008, Glaxosmithkline und Laboratoires Glaxosmithkline (C-462/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 33).


19 – Vgl. in diesem Sinne den 11. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 und das Urteil Glaxosmithkline und Laboratoires Glaxosmithkline (zitiert in Fn. 18, Randnr. 33) sowie zum Brüsseler Übereinkommen Urteil Owusu (zitiert in Fn. 7, Randnr. 39 und 40).


20 – EGMR, Urteil vom 18. Dezember 1996, Loizidou/Türkei, Recueil des arrêts et décisions 1996-VI.


21 – EGMR, Urteil Loizidou (zitiert in Fn. 20, § 46). Siehe auch EGMR, Urteil vom 10. Mai 2001, Zypern/Türkei, Nr. 25781/94., CEDH 2001-IV


22 – EGMR, Urteile Loizidou (zitiert in Fn. 20, § 64) und Xenides-Arestis II (zitiert in Fn. 3): Verletzung von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls und Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK (Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung) m.w.N.


23 – EGMR, Urteil vom 7. Dezember 2006, Xenides-Arestis/Türkei, Nr. 46347/99, §§ 37 und 42 – Urteil Xenides-Arestis III. Der EGMR hatte den Beklagten zum Erlass einer allgemeinen, den Vorgaben der Konvention entsprechenden Entschädigungsregelung verpflichtet (Xenides-Arestis II, zitiert in Fn. 3, § 40); siehe auch Beschluss vom 14. März 2005, Xenides-Arestis/Türkei I über die Zulässigkeit.


24 – Vgl. dazu F. Matscher, „Grundfragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen“, in: Zeitschrift für Zivilprozess (ZZP) 1990, S. 294, 318; derselbe „Die indirekte Wirkung des Art. 6 EMRK bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen“, in Festschrift für Helmut Kollhosser, 2004, S. 427, 444 f.; R. Geimer, „Menschenrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht“, in: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Band 33. Heidelberg 1994, S. 219 f.


25 – Vgl. EGMR, Urteile vom 19. März 1997, Hornsby/Griechenland, Nr. 18357/91, Recueil des arrêts et décisions 1997-II, § 40, und vom 7. Mai 2002, Burdov/Russland, Nr. 59498/00, ECHR 2002-III, § 34.


26 – Siehe dazu die Nachweise in Fn. 23.


27 – Urteile vom 14. Oktober 1976, LTU (29/76, Slg. 1976, 1541), vom 16. Dezember 1980, Rüffer (814/79, Slg. 1980, 3807, Randnr. 7), vom 14. November 2002, Baten (C-271/00, Slg. 2002, I-10489, Randnr. 28), vom 15. Mai 2003, Préservatrice foncière TIARD (C-266/01, Slg. 2003, I-4867, Randnr. 20), vom 18. Mai 2006, ČEZ (C-343/04, Slg. 2006, I‑4557, Randnr. 22), und Urteil vom 15. Februar 2007, Lechouritou u. a. (C-292/05, Slg. 2007, I-1519, Randnr. 29).


28 – Vgl. zum Brüsseler Übereinkommen Urteil vom 1. Oktober 2002, Henkel (C‑167/00, Slg. 2002, I-8111, Randnr. 26).


29 – Zitiert in Fn. 27.


30 – Die einschlägigen Regelungen, die nach Auffassung des EGMR den Vorgaben der EMRK prinzipiell entsprechen, traten erst am 22. Dezember 2005 und am 30. März 2006 in Kraft (vgl. Urteil Xenides-Arestis III, zitiert in Fn. 23, § 11).


31 – Urteile Rüffer (zitiert in Fn. 27, Randnr. 15) und Lechouritou (zitiert in Fn. 27, Randnr. 41).


32 – Vgl. Urteil Rüffer (zitiert in Fn. 27, Randnr. 8).


33 – Vgl. Urteile Baten (zitiert in Fn. 27, Randnr. 31), Préservatrice foncière TIARD (zitiert in Fn. 27, Randnr. 23) und vom 5. Februar 2004, Frahuil (C-265/02, Slg. 2004, I-1543, Randnr. 20).


34 – Zitiert in Fn. 23.


35 – Urteil Xenides-Arestis III (zitiert in Fn. 23, § 37).


36 – Vgl. die Nachweise in Fn. 21.


37 – Vgl. Urteil Loizidou (zitiert in Fn. 20, § 45) und Beschluss Xenides-Arestis I (zitiert in Fn. 23).


38 – Dies heißt natürlich nicht zwangsläufig, dass ein Geschädigter zugleich die Rückgabe seines Grundstücks auf zivilrechtlichem Weg und die Zahlung einer Entschädigung infolge einer Enteignung verlangen kann. Soweit parallele Verfahren möglich sind, können in dem jeweils anderen Verfahren erlangte Leistungen berücksichtigt werden, um ungerechtfertigte Bereicherungen zu vermeiden.


39 – Urteil vom 14. Dezember 2006, ASML (C 283/05, Slg. 2006, I-12041, Randnr. 23).


40 – Vgl. Urteil Anastasiou u. a. (zitiert in Fn. 2, Randnr. 40).


41 – Vgl. u. a. C. Tomuschat, „The Accession of Cyprus to the European Union“, in: P. Häberle/M. Morlock/V. Skouris (Hrsg.), Festschrift für D. Tsatsos, Baden-Baden, 2003, S. 672, 676.


42 – Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann in der Rechtssache Anastasiou (zitiert in Fn. 2, Nr. 12). Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die Ausrufung der Republik ausdrücklich und forderte zur Nichtanerkennung der TRNZ auf (vgl. Resolutionen 541 [1983] vom 18. November 1983 und 550 [1984] vom 11. Mai 1984, auffindbar unter: www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1636). Mit Erklärungen vom 16. November 1983 (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Nr. 11/1983, 2.4.1) und vom 27. März 1984 (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Nr. 3/1984, 2.4.3) verurteilten auch die Außenminister der Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit die Ausrufung der Unabhängigkeit. Siehe zur Anerkennungsfrage auch S. Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten, Tübingen, 2006, S. 41 ff.


43 – Soweit eine Nutzungsentschädigung zugesprochen wird, könnte Art. 22 Nr. 1 unanwendbar sein (vgl. Urteil vom 9. Juni 1994, Lieber [C-292/93, Slg. 1994, I-2535, Randnr. 15]).


44 – Vgl. zum Brüsseler Übereinkommen Urteile vom 14. Dezember 1977, Sanders (73/77, Slg. 1977, 2383, Randnrn. 10/11), vom 10. Januar 1990, Reichert und Kockler (C-115/88, Slg. 1990, I-27, Randnr. 10), vom 13. Oktober 2005, Klein (C-73/04, Slg. 2005, I-8667, Randnr. 16), und vom 18. Mai 2006, ČEZ (C-343/04, Slg. 2006, I-4557, Randnr. 28). So auch der Jenard-Bericht zum Brüsseler Übereinkommen (ABl. 1979, C 59, S. 1, 35).


45 – Vgl. insbesondere Urteil ČEZ (zitiert in Fn. 44, Randnr. 29).


46 – Vgl. zum Streitstand Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., München, 2006, Art. 22 Brüssel I-VO, Randr. 26; Layton/Mercer, European Civil Practice, 2. Aufl., London, 2004, Randnr. 19.010.


47 – Gutachten 1/03 (zitiert in Fn. 8, Randnr. 153).


48 – In Betracht käme aber eine Zuständigkeit am Wohnort der Beklagten nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001. Inwieweit das Ferienhaus in Lapta als weiterer Wohnort neben dem Wohnort im Vereinigten Königreich angesehen werden kann, bestimmt sich gemäß Art. 59 Abs. 1 der Verordnung nach der lex fori. Wegen der Lage des Wohnorts in Nordzypern besteht hier allerdings eine ähnliche Problematik wie bei der Anwendung des Art. 22 Nr.1.


49 – Urteil vom 28. März 2000, Krombach (C-7/98, Slg. 2000, I-1935, Randnrn. 19 bis 21). Vgl. auch Urteil vom 11. Mai 2000, Renault (C-38/98, Slg. 2000, I-2973, Randnr. 26).


50 – Urteile Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnr. 21) und Renault (zitiert in Fn. 49, Randnr. 26) unter Verweis auf die Urteile vom 4. Februar 1988, Hoffmann (145/86, Slg. 1988, 645, Randnr. 21), und vom 10. Oktober 1996, Hendrikman und Feyen (C-78/95, Slg. 1996, I-4943, Randnr. 23).


51 – Urteile Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnr. 37) und Renault (zitiert in Fn. 49, Randnr. 30)


52 – Urteile Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnr. 22) und Renault (zitiert in Fn. 49, Randnr. 27).


53 – Urteile Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnr. 23) und Renault (zitiert in Fn. 49, Randnr. 28).


54 – Vgl. die Erläuterungen im Jenard-Bericht (zitiert in Fn.44, S. 47 f.).


55 – Urteil vom 29. April 1999 (C-267/97, Slg. 1999, I-2543, Randnr. 29)


56 – Siehe dazu oben, Nr. 75 dieser Schlussanträge.


57 – Urteile vom 9. Dezember 1965, Singer (44/65, Slg. 1965, 1267, 1275) vom 17. September 1998, Kainuun Liikenne und Pohjolan Liikenne (C-412/96, Slg. 1998, I‑5141, Randnr. 23), vom 12. August 2008, Santesteban Goicoechea (C‑296/08 PPU, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 46), und vom 9. Oktober 2008, Katz (C-404/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 37).


58 – Siehe oben, Nr. 94 dieser Schlussanträge und die Nachweise in Fn. 52.


59 – Urteil Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnr. 23).


60 – Urteil Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnrn. 25 bis 27 und 38 bis 40).


61 – Vgl. Urteile vom 25. November 1986, Klensch u. a. (201/85 und 202/85, Slg. 1986, 3477, Randnrn. 8 bis 10), vom 13. Juli 1989, Wachauf (5/88, Slg. 1989, 2609, Randnr. 19), vom 18. Juni 1991, ERT (C-260/89, Slg. 1991, I-2925, Randnrn. 42 ff.), vom 12. Juni 2003, Schmidberger (C-112/00, Slg. 2003, I-5659, Randnr. 75), und vom 11. Juli 2006, Chacón Navas (C-13/05, Slg. 2006, I-6467, Randnr. 56). Vgl. in diesem Sinne u. a. E. Jayme/C. Kohler, „Europäisches Kollisionsrecht 2000: Interlokales Privatrecht oder universelles Gemeinschaftsrecht?“, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts – IPRax, 2000, 454, 460.


62 – Siehe oben, Nr. 45 dieser Schlussanträge und die Nachweise in Fn. 16, sowie meine Schlussanträge vom heutigen Tag, Gambazzi (C-394/07, Slg. 2009, I-0000, Nr. 43).


63 – Urteile Krombach (zitiert in Fn. 49, Randnr. 37) und Renault (zitiert in Fn. 49, Randnr. 30).


64 – Siehe oben, Nrn. 45 und 49 bis 52 dieser Schlussanträge.


65 – Urteile vom 3. Juli 1990, Lancray (C-305/88, Slg. 1990, I-2725, Randnr. 23), vom 12. November 1992, Minalmet (C-123/91, Slg. 1992, I-5661, Randnr. 21), vom 10. Oktober 1996, Hendrikman und Feyen (zitiert in Fn. 50, Randnr. 18), und vom 16. Februar 2006, Verdoliva (C-3/05, Slg. 2006, I-1579, Randnr. 29).


66 – Zitiert in Fn. 39, Randnrn. 19 ff.


67 – Urteil ASML (zitiert in Fn. 39, Randnr. 20).


68 – Nach Ansicht von Generalanwalt Léger ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 44/2001, dass sich die Neufassung gezielt gegen die Folgen richtete, die sich aus der zitierten Rechtsprechung zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ergaben (vgl. Schlussanträge vom 28. September 2006 in der Rechtssache ASML [zitiert in Fn. 39, Nrn. 51 ff]).


69 – Vgl. Urteil ASML (zitiert in Fn. 39, Randnrn. 23 ff.).