Language of document : ECLI:EU:C:2011:518

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

28. Juli 2011(*)

„Patentrecht – Arzneimittel – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 – Art. 2 – Anwendungsbereich – In der Richtlinie 65/65/EWG vorgesehene Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit –­ Fehlen – Nichtigkeit des Zertifikats“

In der Rechtssache C‑195/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 3. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2009, in dem Verfahren

Synthon BV

gegen

Merz Pharma GmbH & Co. KGaA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und U. Lõhmus (Berichterstatter), sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Synthon BV, vertreten durch R. Williams, Barrister, und M. Herschdorfer, advocaat,

–        der Merz Pharma GmbH & Co. KGaA, vertreten durch Rechtsanwalt A. von Falck und R. Anderson, solicitor-advocate,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2, 13 und 19 der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1) in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1768/92).

2        Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Synthon BV (im Folgenden: Synthon) und der Merz Pharma GmbH & Co. KGaA (im Folgenden: Merz) wegen des für das Erzeugnis namens „Memantin“ (im Folgenden: Memantin) erteilten ergänzenden Schutzzertifikats (im Folgenden auch: Zertifikat).

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Die Verordnung Nr. 1768/92

3        In den Erwägungsgründen 1 bis 4 und 8 der Verordnung Nr. 1768/92 heißt es:

„Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zur ständigen Verbesserung der Volksgesundheit bei.

Arzneimittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der Gemeinschaft und in Europa nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.

Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes muss so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der Gemeinschaft eingeräumt werden.“

4        Art. 1 („Definitionen“) der Verordnung Nr. 1768/92 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung ist

b)      Erzeugnis: der Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;

…“

5        Art. 2 („Anwendungsbereich“) dieser Verordnung lautet:

„Für jedes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte Erzeugnis, das vor seinem Inverkehrbringen als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65/EWG [des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369) in der Fassung der Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 (ABl. L 142, S. 11) (im Folgenden: Richtlinie 65/65)] oder der Richtlinie 81/851/EWG [des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (ABl. L 317, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 90/676/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 (ABl. L 373, S. 15)] ist, kann nach den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen und Modalitäten ein Zertifikat erteilt werden.“

6        Art. 3 („Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats“) dieser Verordnung sieht vor:

„Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung

a)       das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;

b)       für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie [65/65] bzw. der Richtlinie [81/851] erteilt wurde;

c)       für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;

d)       die unter Buchstabe b) erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist.“

7        Art. 4 („Schutzgegenstand“) dieser Verordnung bestimmt:

„In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden.“

8        Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 muss die Zertifikatsanmeldung Folgendes enthalten:

„a)      einen Antrag auf Erteilung eines Zertifikats, wobei insbesondere anzugeben sind:

iv)       Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses gemäß Artikel 3 Buchstabe b) sowie, falls diese nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft ist, auch Nummer und Zeitpunkt der letztgenannten Genehmigung;

b)      eine Kopie der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Buchstabe b), aus der die Identität des Erzeugnisses ersichtlich ist und die insbesondere Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses gemäß Artikel 4a der Richtlinie [65/65] bzw. Artikel 5a der Richtlinie [81/851] enthält;

c)       falls die Genehmigung nach Buchstabe b) nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel in der Gemeinschaft ist, die Angabe der Identität des so genehmigten Erzeugnisses und der Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage dieses Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde, sowie eine Kopie der betreffenden Stelle des amtlichen Mitteilungsblatts, in dem die Genehmigung veröffentlicht wurde.“

9        Art. 9 („Einreichung der Zertifikatsanmeldung“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Die Zertifikatsanmeldung ist bei der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörde des Mitgliedstaats einzureichen, der das Grundpatent erteilt hat oder mit Wirkung für den das Grundpatent erteilt worden ist und in dem die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Buchstabe b) erlangt wurde, sofern der Mitgliedstaat zu diesem Zweck keine andere Behörde bestimmt.

(2)      Ein Hinweis auf die Zertifikatsanmeldung wird von der in Absatz 1 genannten Behörde bekannt gemacht. Der Hinweis muss zumindest die folgenden Angaben enthalten:

d)       Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Buchstabe b) sowie das durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis;

e)       gegebenenfalls Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft.“

10      Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. d und e dieser Verordnung muss der Hinweis auf die Zertifikatsanmeldung, der von der in Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Behörde bekannt gemacht wird, Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden: Genehmigung) gemäß Art. 3 Buchst. b, das durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis sowie gegebenenfalls Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft enthalten.

11      Art. 13 der Verordnung Nr. 1768/92 betreffend die Laufzeit des Zertifikats sieht vor:

„(1)      Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.

(2)      Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.“

12      Art. 15 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Das Zertifikat ist nichtig,

a)       wenn es entgegen den Vorschriften des Artikels 3 erteilt wurde;

(2)      Jedermann kann bei der nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für die Nichtigerklärung des entsprechenden Grundpatents zuständigen Stelle einen Antrag auf Nichtigerklärung des Zertifikats stellen oder Klage auf Nichtigkeit des Zertifikats erheben.“

13      Art. 19 dieser Verordnung, der zu den Übergangsbestimmungen gehört, sieht vor:

„(1)      Für jedes Erzeugnis, das zum Zeitpunkt des Beitritts durch ein in Kraft befindliches Patent geschützt ist und für das als Arzneimittel eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft oder in Österreich, Finnland oder Schweden nach dem 1. Januar 1985 erteilt wurde, kann ein Zertifikat erteilt werden.

Bezüglich der in Dänemark, in Deutschland und in Finnland zu erteilenden Zertifikate tritt an die Stelle des 1. Januars 1985 der 1. Januar 1988.

(2)      Der Antrag auf Erteilung eines Zertifikats nach Absatz 1 ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu stellen.“

 Die Richtlinie 65/65

14      Kapitel II der Richtlinie 65/65 mit der Überschrift „Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln“ umfasste die Art. 3 bis 10.

15      Art. 3 der Richtlinie 65/65 sah vor:

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür erteilt hat.“

16      In Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie waren die Angaben und Unterlagen aufgeführt, die dem Genehmigungsantrag beizufügen waren, darunter insbesondere das Ergebnis einer Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels, d. h. die Ergebnisse von Versuchen physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer, pharmakologischer und toxikologischer sowie ärztlicher oder klinischer Art.

17      Nach Art. 5 dieser Richtlinie wurde die Genehmigung versagt, wenn „sich nach der Prüfung der in Artikel 4 aufgeführten Angaben und Unterlagen [ergab], entweder dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädlich [war] oder dass seine therapeutische Wirksamkeit fehlt[e] oder vom Antragsteller unzureichend begründet [war] oder dass das Arzneimittel nicht die angegebene Zusammensetzung nach Art und Menge [aufwies]“. Die Genehmigung wurde auch dann versagt, „wenn die Angaben und Unterlagen zur Stützung des Antrags nicht den Bestimmungen des Artikels 4 [entsprachen]“.

18      Art. 24 dieser Richtlinie bestimmte:

„Die in dieser Richtlinie vorgesehene Regelung wird auf Arzneimittel, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen auf Grund früherer Vorschriften erteilt worden ist, innerhalb der Fristen und zu den Bedingungen schrittweise angewandt, die in Artikel 39 Absatz 2 und 3 der zweiten Richtlinie 75/319/EWG [des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13)] vorgesehen sind.“

 Die Richtlinie 75/319

19      Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie 75/319 ist zu entnehmen, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Frist zur schrittweisen Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie auf Arzneimittel, die aufgrund früherer Vorschriften in den Verkehr gebracht worden waren, am 21. Mai 1990 abgelaufen ist.

20      Nach Art. 39 Abs. 3 dieser Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften spätestens zum 21. Mai 1978 die Anzahl der unter Art. 39 Abs. 2 fallenden Arzneimittel mitzuteilen und in jedem folgenden Jahr die Anzahl dieser Arzneimittel, für die die Genehmigung gemäß Art. 3 der Richtlinie 65/65 noch nicht erteilt worden war.

 Die nationalen Regelungen

21      In Deutschland wurden nach Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (im Folgenden: deutsches Gesetz von 1976), mit dem die Richtlinie 65/65 umgesetzt wurde, Erzeugnisse, die sich in diesem Mitgliedstaat bereits im Verkehr befanden und sich auch am 1. Januar 1978, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes, noch im Verkehr befanden, ohne weitere Prüfung, jedoch vorbehaltlich einer Anzeigepflicht automatisch weiterhin zugelassen. Sofern die Anzeige innerhalb der vor dem 1. Januar 1978 liegenden sechs Monate erfolgt war, sollte diese Zulassung ab diesem Zeitpunkt zwölf Jahre lang gültig bleiben.

22      In Luxemburg wurden die Bestimmungen der Richtlinie 65/65 durch das Gesetz vom 11. April 1983 über das Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten und vorgefertigten Arzneimitteln und die Werbung für sie (Mémorial A 1983, S. 702, im Folgenden: luxemburgisches Gesetz von 1983) umgesetzt. Die Großherzogliche Verordnung vom 29. April 1983 sah die Modalitäten für die Durchführung dieses Gesetzes vor.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

23      Aus der Akte geht hervor, dass Memantin auf dem deutschen Markt von Merz bereits vor dem 1. September 1976 als Humanarzneimittel unter dem Namen Akatinol vertrieben wurde. Für dieses u. a. für die Behandlung des Morbus Parkinson verwendete Arzneimittel lag eine gemäß einer deutschen Regelung aus dem Jahr 1961 erteilte Genehmigung vor, nach der keine Prüfung der Unschädlichkeit oder der Wirksamkeit von Arzneimitteln vorgesehen war. Nach Art. 3 § 7 des deutschen Gesetzes von 1976 wurde Memantin in Deutschland zugelassen (im Folgenden: deutsche Zulassung), ohne Gegenstand der nach der Richtlinie 65/65 erforderlichen Verfahren gewesen zu sein.

24      Am 30. Juni 1983 beantragte Merz bei den zuständigen luxemburgischen Behörden eine Zulassung für dieses Arzneimittel, die am 19. September 1983 nach dem luxemburgischen Gesetz von 1983 erteilt wurde (im Folgenden: luxemburgische Zulassung). Diese Behörden stützten sich jedoch auf die zuvor erteilte deutsche Zulassung und nahmen keine Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit von Memantin vor.

25      Am 14. April 1989 meldete Merz ein europäisches Patent für Memantinchlorid an. In der Vorlageentscheidung wird klargestellt, dass der Grund für die Erteilung dieses Patents trotz der Tatsache, dass Memantin bereits im Handel erhältlich war, dessen zweite medizinische Verwendung war, nämlich u. a. für die Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Dieses Patent lief am 13. April 2009 aus.

26      Der Vorlageentscheidung zufolge erloschen die deutsche und die luxemburgische Zulassung, als der H. Lundbeck A/S, der Inhaberin einer von Merz erteilten Lizenz, am 15. Mai 2002 nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1) eine Reihe von in der Europäischen Gemeinschaft gültigen Genehmigungen erteilt wurde (im Folgenden: Genehmigungen von 2002). Eine solche Genehmigung wurde für das Arzneimittel Ebixa, dem für die Vermarktung dieser zweiten medizinischen Verwendung von Memantin gewählten Namen erteilt. Den schriftlichen Erklärungen von Merz zufolge hatte die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln vor dieser Erteilung eine Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit von Ebixa gemäß der Richtlinie 65/65 vorgenommen.

27      Am 13. November 2002 beantragte Merz beim Patent Office im Vereinigten Königreich ein ergänzendes Schutzzertifikat für Memantin. In seinem Antrag gab Merz das im Vereinigten Königreich gültige Grundpatent und die Genehmigung von 2002 an, ohne die deutsche oder die luxemburgische Zulassung zu erwähnen. Das Zertifikat wurde am 14. August 2003 für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilt.

28      Mit ihrer Klage vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court), beantragt Synthon, Herstellerin von Generika, die Nichtigerklärung dieses Zertifikats oder die „Festlegung auf Null“ der Laufzeit des durch das Zertifikat verliehenen Schutzes.

29      Da der High Court of Justice im Hinblick auf sowohl den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 als auch die Definition des Begriffs „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne der Art. 13 und 19 dieser Verordnung Zweifel hat, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist eine Genehmigung eine „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne der Art. 13 und 19 der Verordnung Nr. 1768/92, wenn sie gemäß nationalen Vorschriften erteilt wird, die der Richtlinie 65/65 konform sind, oder muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die nationale Behörde bei Erteilung der betreffenden Genehmigung eine Beurteilung der Daten gemäß dem in der genannten Richtlinie vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Verfahren vorgenommen hat?

2.      Umfasst der Begriff „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne der Art. 13 und 19 der Verordnung Nr. 1768/92 Genehmigungen, die nach nationalem Recht parallel zu einer Genehmigungsregelung bestehen durften, die der Richtlinie 65/65 konform ist?

3.      Fällt ein Erzeugnis, dessen erstmaliges Inverkehrbringen in der Gemeinschaft ohne Durchführung des Verwaltungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65 zugelassen ist, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne von Art. 2 dieser Verordnung?

4.      Falls nein, ist ein für ein solches Erzeugnis erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat nichtig?

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

30      Mit Schreiben vom 24. Mai 2011 hat Merz die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen die Frage der zweiten medizinischen Verwendung des Erzeugnisses, die die Kommission in der Rechtssache aufgeworfen habe, in der das Urteil vom 28. Juli 2011, Generics (UK) (C‑427/09, Slg. 2011, I‑0000) ergangen sei, auf der Grundlage von Art. 4 der Verordnung Nr. 1768/92 geprüft habe, ohne dass die Parteien diesen Artikel oder diese Frage in ihren schriftlichen Erklärungen angesprochen hätten.

31      Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des kontradiktorischen Verfahrens, die darin besteht, zu verhindern, dass der Gerichtshof möglicherweise durch ein Vorbringen beeinflusst wird, das zwischen den Parteien nicht erörtert werden konnte, kann der Gerichtshof gemäß Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u. a. Beschluss vom 4. Februar 2000, Emesa Sugar, C‑17/98, Slg. 2000, I‑665, Randnr. 18, sowie Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts jedoch der Auffassung, dass er über sämtliche Informationen verfügt, die er für die Beantwortung der vorgelegten Fragen benötigt, und dass diese Informationen in den in der mündlichen Verhandlung u. a. von Merz vor ihm abgegebenen Erklärungen erörtert worden sind.

33      Daher ist der Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur dritten Frage

34      Mit seiner dritten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis, das in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, ohne zuvor als Humanarzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65, insbesondere einer Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit, gewesen zu sein, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt und dementsprechend für dieses Erzeugnis ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.

35      Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 kann ein Zertifikat nur erteilt werden, wenn das betreffende Erzeugnis durch ein im Inland gültiges Patent geschützt ist und vor seinem Inverkehrbringen als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65 war.

36      Was erstens den Begriff „Inverkehrbringen“ des Erzeugnisses im Sinne von Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 betrifft, macht Merz geltend, dass sich dieser Begriff auf den Markt des Mitgliedstaats beziehe, in dem die Patentanmeldung eingereicht worden sei. Ein Erzeugnis falle in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, solange es durch ein im Hoheitsgebiet des fraglichen Mitgliedstaats gültiges Patent geschützt und vor seinem Inverkehrbringen in diesem Mitgliedstaat als Arzneimittel Gegenstand eines in der Richtlinie 65/65 für diesen Mitgliedstaat festgelegten verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gewesen sei.

37      Hierzu ist festzustellen, das sich dem Wortlaut von Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 nicht entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff „Inverkehrbringen“ auf den Gemeinschaftsmarkt oder auf den Markt des Mitgliedstaats abstellen wollte, für den die Zertifikatsanmeldung eingereicht wurde und in dessen Hoheitsgebiet das Patent gültig ist.

38      Um zu ermitteln, auf welchen Markt in diesem Artikel abgestellt wird, ist diese Bestimmung daher im Hinblick auf ihren Zusammenhang und das Ziel auszulegen, das mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12, vom 1. März 2007, Schouten, C‑34/05, Slg. 2007, I‑1687, Randnr. 25, vom 12. Februar 2009, Klarenberg, C‑466/07, Slg. 2009, I‑803, Randnr. 37, und vom 3. Dezember 2009, Yaesu Europe, C‑433/08, Slg. 2009, I‑11487, Randnr. 24).

39      Was den Zusammenhang von Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 angeht, trifft es – wie Merz vorträgt – zu, dass die Bezugnahme in dieser Bestimmung auf das „im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte“ Erzeugnis den Gedanken nahelegen könnte, dass in dieser Bestimmung der Inlandsmarkt des Mitgliedstaats gemeint ist, für den die Zertifikatsanmeldung eingereicht wurde. Diese Auslegung stünde im Übrigen im Einklang mit der Vorstellung vom ergänzenden Schutzzertifikat als nationaler Berechtigung.

40      Wie jedoch der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, würde eine solche Auslegung bedeuten, dass die im Hinblick auf die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats festgelegten und in Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1768/92 aufgeführten Bedingungen, wonach das Erzeugnis durch ein Grundpatent in dem Mitgliedstaat geschützt ist, in dem die Zertifikatsanmeldung eingereicht und für das Erzeugnis als Arzneimittel in diesem Mitgliedstaat eine Genehmigung gemäß der Richtlinie 65/65 erteilt wurde, bereits in Art. 2 dieser Verordnung vorgesehen wären. Folglich wäre dieser Art. 2 nur eine inhaltliche Vorwegnahme von Art. 3 Buchst. a und b dieser Verordnung. Eine solche Auslegung würde diesem Art. 2 daher jede Berechtigung nehmen.

41      Wie aber aus den jeweiligen Überschriften der Art. 2 („Anwendungsbereich“) und 3 („Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats“) der Verordnung Nr. 1768/92 hervorgeht, soll mit dieser Verordnung in deren Art. 2 zunächst allgemein bestimmt werden, für welche Erzeugnisse ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann, bevor in Art. 3 dieser Verordnung die Bedingungen für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für diese Erzeugnisse festgelegt werden.

42      Diese Erwägungen stehen daher einer Auslegung des Begriffs „Markt“ in Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 als den Markt eines Mitgliedstaats bedeutend eher entgegen. Sie sprechen vielmehr dafür, auf den Gemeinschaftsmarkt abzustellen.

43      Was zweitens das verwaltungsrechtliche Genehmigungsverfahren betrifft, das das Erzeugnis als Arzneimittel gemäß der Richtlinie 65/65 durchlaufen muss, geht aus Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1768/92 sowie aus Art. 3 dieser Richtlinie hervor, dass es sich bei diesem Verfahren um das in Kapitel II dieser Richtlinie genannte Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung handelt. Dieses Verfahren umfasst eine Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit des Arzneimittels, deren Ergebnis gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 65/65 dem Genehmigungsantrag beizufügen ist.

44      Folglich ist Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 dahin auszulegen, dass ein ergänzendes Schutzzertifikat nur für das Erzeugnis erteilt werden könnte, das durch ein im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gültiges Patent geschützt ist und für das eine Genehmigung erteilt wurde, nachdem es vor seinem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft als Arzneimittel Gegenstand eines die Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit umfassenden verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65 war.

45      Für diese Auslegung des Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 spricht auch das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel.

46      Um einen ausreichenden Schutz zur Förderung der Forschung im pharmazeutischen Bereich zu gewährleisten, zielt diese Verordnung, wie ihren Erwägungsgründen 1 bis 4 zu entnehmen ist, nämlich darauf ab, durch die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel, für die eine Genehmigung erteilt wurde, dem abzuhelfen, dass unter Berücksichtigung des Zeitraums zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und dessen Genehmigung die Laufzeit des tatsächlichen Patentschutzes für die Amortisierung der in dieser Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend war (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 12. Juni 1997, Yamanouchi Pharmaceutical, C‑110/95, Slg. 1997, I‑3251, Randnr. 7, vom 16. September 1999, Farmitalia, C‑392/97, Slg. 1999, I‑5553, Randnr. 19, und vom 3. September 2009, AHP Manufacturing, C‑482/07, Slg. 2009, I‑7295, Randnr. 30).

47      Es liefe jedoch diesem Ziel, einen Ausgleich für die Zeit zu schaffen, die mit der Erteilung einer Genehmigung im Zusammenhang steht, für die eine langwierige und kostspielige Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels erforderlich ist, zuwider, könnte ein ergänzendes Schutzzertifikat, das die Ausweitung einer Ausschließlichkeit darstellt, für ein Erzeugnis erteilt werden, das, bevor es Gegenstand eines die Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit umfassenden verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65 war, bereits als Arzneimittel auf dem Gemeinschaftsmarkt in den Verkehr gebracht werden konnte.

48      Außerdem würde die von Merz vorgeschlagene Auslegung des Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 zu einer im Hinblick auf das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel ungerechtfertigten Ungleichbehandlung bestimmter Erzeugnisse führen, die vor dem in Art. 19 Abs. 1 dieser Verordnung festgelegten Datum in den Verkehr gebracht wurden. Während nämlich aufgrund dieser Bestimmung für die Erzeugnisse, für die vor diesem Zeitpunkt eine konforme Genehmigung erteilt wurde, selbst dann kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann, wenn diese Genehmigung nach der Richtlinie 65/65 erteilt wurde, könnte für die Erzeugnisse, die vor diesem Zeitpunkt aufgrund nicht konformer Berechtigungen in den Verkehr gebracht wurden und für die nach diesem Zeitpunkt in einem Mitgliedstaat eine mit der Richtlinie 65/65 konforme Genehmigung erteilt worden wäre, ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden.

49      Im vorliegenden Fall steht fest, dass Memantin aufgrund der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutschen und luxemburgischen Zulassungen als Arzneimittel in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, ohne zuvor Gegenstand der durch die Richtlinie 65/65 vorgeschriebenen Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit gewesen zu sein. Eine solche Prüfung fand erstmals im Rahmen der Erteilung der Genehmigung von 2002 statt.

50      Folglich fällt ein solches Erzeugnis nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2, so dass für dieses Erzeugnis kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.

51      Demnach ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das als Humanarzneimittel in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65 konforme Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt und dementsprechend für dieses Erzeugnis kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.

 Zur vierten Frage

52      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein ergänzendes Schutzzertifikat, das für ein Erzeugnis erteilt wurde, das nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 fällt, nichtig ist.

53      Die Gründe für die Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats sind in Art. 15 dieser Verordnung aufgeführt. Die Nichtbeachtung von Art. 2 dieser Verordnung zählt nicht dazu.

54      Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1768/92 ist das ergänzende Schutzzertifikat vielmehr nichtig, wenn es entgegen den Vorschriften des Art. 3 dieser Verordnung erteilt wurde.

55      Der Gerichtshof hat in den Randnrn. 90 und 91 des Urteils vom 11. Dezember 2003, Hässle (C‑127/00, Slg. 2003, I‑14781), bereits entschieden, dass, selbst wenn dem Wortlaut oder der Entstehungsgeschichte des Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung nicht entnommen werden kann, dass der Katalog der darin genannten Gründe für die Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats nicht abschließend ist, die Nichtbeachtung eines in dieser Bestimmung nicht genannten Artikels dieser Verordnung, hier deren Art. 19, aufgrund seines Zusammenhangs mit Art. 3 dieser Verordnung die Nichtigkeit des Zertifikats nach sich ziehen kann.

56      Der Begriff „Erzeugnis“ in Art. 3 der Verordnung Nr. 1768/92 bezieht sich aber zwangsläufig auf ein Erzeugnis, das in den Anwendungsbereich dieser Verordnung im Sinne ihres Art. 2 fällt. Mithin erfolgt die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Erzeugnis, das nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, unter Verkennung der Tragweite dieses Begriffs „Erzeugnis“. Daher ist ein unter solchen Bedingungen erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat nach Art. 15 der Verordnung Nr. 1768/92 nichtig.

57      Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass ein ergänzendes Schutzzertifikat, das für ein Erzeugnis erteilt wurde, das nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 fällt, nichtig ist.

 Zur ersten und zur zweiten Frage

58      In Anbetracht der Antworten auf die dritte und die vierte Frage sind die erste und die zweite Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

59      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das als Humanarzneimittel in der Europäischen Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel in der Fassung der Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 konforme Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung in der geänderten Fassung fällt und dementsprechend für dieses Erzeugnis kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.

2.      Ein ergänzendes Schutzzertifikat, das für ein Erzeugnis erteilt wurde, das nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 fällt, ist nichtig.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.